Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 26. Feb. 2014 - 4 KS 1/12

ECLI:ECLI:DE:OVGSH:2014:0226.4KS1.12.0A
bei uns veröffentlicht am26.02.2014

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2012 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1) insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein Hells Angels MC Charter Kiel sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Kiel. Mit der vorliegenden Klage wendet er sich gegen das vom Innenminister des Landes Schleswig-Holstein im Januar 2012 ausgesprochene Vereinsverbot.

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Der klägerische Verein ging im Jahre 1994 aus einem Chapter der MC Bones hervor, der - nach einer Zeit als Prospect-Chapter unter der Bezeichnung MC Germany - im September 1994 den Vollstatus eines Ortsvereins Hells Angels Motorradclub Kiel erhielt.

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Der Verein „Hells Angels MC Charter Kiel“ (im Folgenden: „HAMC Kiel“) ist Teil der im März 1948 in San Bernardino, Kalifornien/USA gegründeten weltweit vertretenen Hells Angels-Bewegung. In Deutschland gibt es derzeit ca. 55 Charter der Hells Angels MC. Die einzelnen Charter sind auf bestimmte Territorien bezogene Clubs, die ihrerseits über regionale Supporter-Clubs (Unterstützer-Clubs) verfügen. Im lokalen Bereich des HAMC Kiel handelt es sich um die „Kiel-Crew“ sowie die „Legion 81“. Beide Organisationen sind inzwischen aufgelöst worden. Die Kiel-Crew löste sich zugunsten der Legion 81 auf, letztere löste sich aufgrund umfangreicher Ermittlungsverfahren gegen deren Mitglieder auf. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung bestand der HAMC Kiel aus einem siebenköpfigen Vorstand, dem Präsidenten D.R, dem Vizepräsidenten P., dem Secretary Markus Ct, dem Treasurer Hi. und den Sergeants at Arms, Ge. und J.. Daneben hatte der HAMC Kiel nach Angaben seines Prozessbevollmächtigten zum damaligen Zeitpunkt 10 weitere Vollmitglieder, 4 sogenannte Anwärter (Prospect´s) sowie einen Anwärter niederen Grades (Hangaround). Im Bescheid selbst sind 25 Personen als Adressaten („z.Hd.“) benannt, die dem HAMC Kiel zugeordnet werden. Die unstreitig ehemaligen Mitglieder K., Wa, Lu. und Bo. wechselten nach der Gründung des Vereins „Hells Angels MC Charter Lübeck“ im Januar 2010 zum Lübecker Verein. Das ebenfalls unstreitig ehemalige Mitglied Kr. verließ den HAMC Kiel im Dezember 2006, das ehemalige Mitglied R. verließ den Verein im Sommer 2010.

4

Eine geschriebene Vereinssatzung des HAMC Kiel ist nicht bekannt.

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Der Beklagte stellte nach Beantwortung des mit Schreiben vom 17. Januar 2012 erbetenen Benehmens des Bundesministeriums des Innern mit an den Kläger - zu Händen namentlich genannter 25 Vereinsmitglieder - gerichteter Verfügung vom 18. Januar 2012 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwiderliefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Verein wurde verboten und aufgelöst. Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurde untersagt. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Sachen Dritter wurden ebenfalls beschlagnahmt und eingezogen, soweit der Berechtigte durch Überlassung der Sachen an den Kläger dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeiten vorsätzlich gefördert habe oder die Sachen zur Förderung dieser Zwecke und Tätigkeiten bestimmt seien.

6

Der Beklagte begründete seine Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwiderliefen, mit im einzelnen aufgelisteten Straftaten von Vereinsmitgliedern, deren Verfolgung sich teilweise im Stadium von staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren befinde, teilweise bereits zu rechtskräftigen Urteilen geführt habe. Wegen der im Einzelnen bezeichneten Straftaten wird auf die auf Seite 10 bis 30 der Verbotsverfügung (Bl. 60 - 80 der Beiakte A) bezeichneten Sachverhalte sowie die gerichtlichen Beiakten B1 und B2 Bezug genommen.

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Die Zweckbestimmung des Klägers sei nicht allein das gemeinsame Motorradfahren oder die gemeinsame Teilnahme an Veranstaltungen rund um die Biker-Szene, sondern eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber verfeindeten Organisationen, insbesondere den Bandidos und den Mongols sowie deren Supporterclubs in Schleswig-Holstein. Die Straftaten stünden in einem inneren Zusammenhang mit dem Verein und seien insgesamt charakterisierend für das von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen geprägte Vereinsleben und kennzeichnend für den wirklichen Zweck der Vereinstätigkeit. Sie seien zumindest mit Wissen und Billigung der Funktionsträger des Vereins und in einigen Fällen auch mit deren Beteiligung begangen worden. Die hierarchische Gliederung innerhalb des verbotenen Vereins stelle sicher, dass zumindest die Funktionsträger über nahezu alle für den Verein bedeutenden Straftaten der einzelnen Mitglieder unterrichtet seien und gegebenenfalls in der Lage seien, solche Straftaten auch steuernd zu beeinflussen. Die unterschiedliche Tatbeteiligung der einzelnen Mitglieder ergebe sich dabei mit Zufallscharakter aus der jeweiligen Verfügbarkeit einzelner Mitglieder oder Supporter, insbesondere um eine zahlenmäßige Übermacht zu gewinnen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl von Taten nicht längerfristig geplant sei. Sie entstünden vielmehr aus Situationen heraus, in denen nicht alle Mitglieder spontan als Täter verfügbar vor Ort seien. Dementsprechend sei es trotz Zurechnung zum Verein unwahrscheinlich, dass eine Tat von allen Mitgliedern des Vereins gemeinsam wahrgenommen werde; vielmehr seien wechselnde Zusammenstellungen der Normalfall. Die gemeinschaftliche Beteiligung einer erheblichen Anzahl von Vereinsmitgliedern und Funktionsträgern lasse nur den Schluss auf eine im Rahmen des Vereins begangene Straftat zu. Es widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, wenn einzelne Mitglieder eines so kleinen Vereins, der zudem das gesamte Leben seiner Mitglieder präge, außerhalb dieses Vereins in derart organisierter Weise zusammenarbeiteten.

8

Im Rahmen des Vereins seien auch Straftaten begangen worden, die einzelne Mitglieder schon wegen der organisatorischen Anforderungen nicht allein hätten begehen können und die typisch für den Bereich der organisierten Kriminalität seien. Dies betreffe das Handeln mit Betäubungsmitteln in erheblichem Umfang, das angesichts der Mengen und der Vielzahl der Abnehmer nicht ein Mitglied allein ins Werk setzen könne. So sei beispielsweise in einem Falle mehr als eine Tonne Betäubungsmittel eingeführt worden.

9

Durch den Verein werde den Mitgliedern und der Öffentlichkeit auch zum Ausdruck gebracht, dass der Verein hinter seinen Mitgliedern stehe. Der Verein habe sich auch nicht von Gewalttaten seiner Mitglieder distanziert. Trotz der Taten des (ehemaligen) Vereinsmitglieds F. sei dieser nicht vom Verein suspendiert worden. Die Taten seien vielmehr gebilligt und die Aufklärung der Sachverhalte durch die Strafverfolgungsbehörden erschwert worden. Auch die finanzielle und persönliche Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder stelle eine Konkretisierung strafgesetzwidriger Zwecke dar. Nach den sogenannten „Rules“ der Hells Angels-Vereinigung sei vorgesehen, dass alle Mitglieder in einen sogenannten Defense-Fund einzuzahlen haben, der unter anderem die finanzielle Grundlage dafür biete, das jedem Vereinsmitglied, das eine Gefängnisstrafe zu verbüßen habe, eine entsprechende finanzielle Unterstützung gewährt werde. Dies gelte auch für Mitglieder des HAMC Kiel.

10

Die Aufrüstung mit Waffen sei ebenfalls dem gesamten Verein zuzuordnen, weil die Bewaffnung bei zahlreichen Mitgliedern festzustellen gewesen sei, die Mitglieder bei der Verdeckung der Zuordnung der Waffen zu einzelnen Mitgliedern zusammengewirkt hätten und sogar Unterstützer seitens des Vereins mit Waffen ausgerüstet worden seien.

11

Das Vereinsverbot könne sich auch darauf stützen, dass sich Zweck und Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Die Erschwerung der Verfolgung von durch Vereinsmitglieder begangenen Straftaten und die Einrichtung des sogenannten Defense-Fund zeige, dass der Verein eine eigene Rechtsordnung habe, und stelle unter Inkaufnahme der Verwirklichung von strafrechtlichen Verstößen in Form von gegen Leib und Leben anderer gerichteter Vergehen und Verbrechen eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates dar. Das Vereinsverbot sei auch verhältnismäßig, weil es die organisierte strafgesetzwidrige Tätigkeit des HAMC Kiel unterbinden solle. Hierfür sei die Anwendung strafrechtlicher Vorschriften gegen einzelne Vereinsmitglieder nicht ausreichend. Die Begehung von Straftaten und deren anschließende Billigung lasse erkennen, dass der Verein als solcher die objektive Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit in einer solchen Weise grob missachte, dass ein bloßes Betätigungsverbot bei gleichzeitigem Fortbestehen des Vereins zur Wahrung der Rechtsordnung nicht ausreichend wäre.

12

Am 21. Februar 2012 hat der Kläger Klage erhoben.

13

Er trägt vor, der in Verbotsverfügung als Vereinsmitglied genannte Herr F. sei zu keinem Zeitpunkt dem Verein verbunden gewesen. G. und Jk. seien zwar Anwärter gewesen, aber nicht als Mitglied übernommen worden und vor Erlass der Verbotsverfügung aus dem Verein ausgeschieden. Im Übrigen seien die Angaben im Bescheid hinsichtlich der Vereinszugehörigkeit zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung zutreffend. Der Kläger sei Bestandteil der Hells Angels-Bewegung. Ungeachtet des Umstandes der organisatorischen Eigenständigkeit der einzelnen Charter könnten bei den Mitgliedern übereinstimmende Überzeugungen, Werte, Normen, Bedürfnisse und Verhaltensweisen festgestellt werden. Zudem werde die Zugehörigkeit der einzelnen Charter sowie deren Mitglieder zur Hells Angels-Bewegung durch die Verwendung weltweit einheitlicher Symbole verdeutlicht. Die Mitglieder der Charter bezeichneten sich als „Brüder“. Sie seien einander unter der Losung „einer für alle, alle für einen“ zu gegenseitiger Solidarität verpflichtet. Ein verbindendes Element sei die Freude am Motorradfahren. Die Hells Angels trügen eine Vereinskluft mit Vereinswappen, den sogenannten Back Patches. Der HAMC Kiel sei seit seiner Gründung am 17. September 1994 in Kiel ansässig. Über ein Vereinsheim verfüge der Kläger nicht. Treffpunkt sei insbesondere nicht das Lokal „San-Si-Bar“ in Kiel.

14

Die Verbotsverfügung sei rechtswidrig.

15

Die gegen das Verbot erhobene Klage müsse Erfolg haben. Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht sei gemäß § 48 Abs. 2 VwGO im ersten Rechtszuge zuständig. Ein verwaltungsrechtliches Vorverfahren sei nicht vorgesehen. Die Klagebefugnis des Klägers, der durch die Mitglieder vertreten werde, sei gegeben. Der Kläger sei auch unstreitig klagebefugt. Auch nach seinem Verbot und seiner Auflösung verbleibe ihm eine auf die Rechtsverteidigung im Anfechtungsverfahren beschränkte Rechtsstellung.

16

Die vom 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts bisher entwickelten Grundsätze zu § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG trügen den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Vereinigungsfreiheit nicht hinreichend Rechnung. Die Vereinigungsfreiheit sei grundgesetzlich nach Art. 9 Abs. 1 GG geschützt, wonach alle Deutschen das Recht haben, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Die Verfassungsbestimmung des Art. 9 Abs. 2 GG, welche bestimme, dass Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderliefen verboten seien, schränke die nach Art. 9 Abs. 1 GG gewährleistete Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit ein. Die Zulässigkeit eines Eingriffs in die Vereinigungsfreiheit müsse aber vor dem Hintergrund der auch vom Bundesverfassungsgericht herausgestellten Bedeutung des Grundrechts auf Vereinigungsfreiheit gesehen werden. Es sei eine strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geboten. Die Verbotsnormen müssten restriktiv angewendet werden. Ein Vereinsverbot komme ohnehin nur in Betracht, wenn eine wirksame Abwehr der verfassungswidrigen Tätigkeit mit milderen Mitteln nicht möglich sei. Zwar genüge es grundsätzlich verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsanforderungen, dass strafbewehrte Verhaltensweisen von Vereinsmitgliedern dem Verein, orientiert an den bisher obergerichtlich herausgearbeiteten Kriterien im Sinne einer dem Vereinscharakter zukommenden strafgesetzwidrigen Prägung, zugerechnet würden. Die bisher von der Rechtsprechung entwickelten Verbotskriterien müssten jedoch, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen, modifiziert werden. Die strafbaren Handlungsweisen müssten im Verhältnis zu anderen erlaubten Vereinigungsaktivitäten derart im Vordergrund stehen, dass sie nach den Umständen des Einzelfalls der betreffenden Vereinigung das Gepräge geben. Ein Vereinsverbot als Reaktion auf selbst eine Vielzahl von Bagatellstraftaten scheide von vornherein aus. Die Zurechnung strafbaren Verhaltens müsse im Verbotsverfahren besonders kritisch hinterfragt werden. Selbst Straftaten, die von mehreren Vereinsmitgliedern gemeinsam begangen würden, könnten dem Verein nicht zugerechnet werden, wenn die Tat einen Zusammenhang mit dem Verein nicht erkennen lasse. Die Ermittlungen der Verbotsbehörde müssten sich intensiv mit den jeweiligen Absichten und Verhaltensweisen der Mitglieder der betroffenen Vereinigung auseinandersetzen. Die Vereinbarung gegenseitiger Einstands- und Treuepflichten könne für sich genommen eine Zurechnung und Prägung des Vereins nicht begründen. Allein der Umstand, dass innerhalb der subkulturell geprägten Motorradszene mitunter erhebliche Straftaten begangen würden, sei für die Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung unerheblich. Zwar müsse eine Strafgesetzwidrigkeit nicht auf Dauer bestehen, in zeitlicher Hinsicht seien jedoch nur die Straftaten relevant, die seitens der Vereinsmitglieder während der Dauer ihrer Mitgliedschaft begangen wurden. Zusätzlich zu den bislang in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Verbotsvoraussetzungen müsse gefordert werden, dass ein elementarer Angriff auf den Bestand der staatlichen Ordnung vorliegen müsse. Es reiche nicht aus, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient hätten oder dass die hinsichtlich ihrer Vereinsprägung zu beurteilenden strafbaren Verhaltensweisen von Personen mit Leitungsfunktionen verübt worden seien. Da der Staat zu einem seiner „schwersten Schwerter“ greife, müsse gefordert werden, dass die Vereinigung nicht nur die Rechtsordnung gefährde, sondern sich gegen die verfassungsmäßige Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden richte. Die zugerechneten Taten müssten erkennen lassen, dass sich der Verein als Ganzes gegen die verfasste Rechtsordnung im Staate richte. Ansonsten reiche es aus, die einzelnen Straftaten einzelner Vereinsmitglieder zu ahnden beziehungsweise zu verhindern. Diese über die bisherigen Kriterien hinausgehende Anforderung an die Verhältnismäßigkeit korrespondiere auch mit den anderen beiden Verbotsalternativen des Art. 9 Abs. 2 GG, bei denen jeweils eine „kämpferisch-aggressive Haltung“ gegenüber den geschützten Rechtsgütern vorausgesetzt werde. Diesen Anforderungen genüge - wie noch auszuführen sei - das Vereinsverbot nicht.

17

Darüber hinaus sei das Vereinsverbot auch deshalb rechtswidrig, weil das vorgeschaltete Ermittlungsverfahren rechtsfehlerhaft durchgeführt worden sei. Zunächst offenbare der Verfahrensgang, dass der allein zuständigen Verbotsbehörde im Rahmen des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens überhaupt keine Behördenvorgänge vorgelegen hätten. Der Beklagte habe offengelegt, nicht ansatzweise eine eigene Ermittlungstätigkeit entfaltet beziehungsweise Ermessenserwägungen angestellt zu haben. Die Verbotsbehörde des Innenministeriums habe das vereinsrechtliche Verbotsverfahren im Grunde vollständig auf das ihr zugeordnete Landeskriminalamt übertragen. Urheber der Verbotsverfügung sei nicht die Verbotsbehörde, sondern das Landeskriminalamt. Infolge der dem Gericht übersandten ausgewählten Auszüge von Einstellungsverfügungen, Anklageschriften und Urteilen an das Gericht sei klar, dass die Verbotsbehörde über keine eigene Dokumentation der Behördenvorgänge verfügt habe. Dem behördlichen Erkenntnisverfahren hätten keine strafrechtlichen Ermittlungsakten, sondern bestenfalls unvollständige Auszüge zugrunde gelegen. Dem Mitglied Ge. sei im gerichtlichen Verfahren nachträglich ein weiterer Vorgang zur Last gelegt worden, der nach Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten Vereinsbezug aufweise.

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§ 4 VereinsG regele jedoch, dass vor der Verbotsverfügung ein Ermittlungsverfahren durchzuführen sei, in dessen Rahmen die Verbotsbehörde eigenständig das Vorliegen eines Verbotstatbestandes zu prüfen habe. Die Vorschrift gebe der Vereinsbehörde Ermittlungsbefugnisse an die Hand, bestimme aber zugleich auch, dass andere Behörden nicht zu Ermittlungen befugt seien. Vielmehr liege die Zuständigkeit wegen der Schwere des staatlichen Eingriffs in die verfassungsrechtlich gewährleistete Vereinigungsfreiheit ausschließlich bei den obersten Landesbehörden, regelmäßig bei den Innenministerien. Deren Ermittlungstätigkeit dürfe sich nicht in der bloßen Sammlung von Material nachgeschalteter Behörden erschöpfen. Im vorliegenden Falle habe das zuständige Innenministerium selbst überhaupt keine Ermittlungstätigkeit entfaltet. Dies zeige die als Verwaltungsverfahren lediglich übersandte Beiakte „A“. Der Beklagte habe selbst eingeräumt, keinen eigenen Behördenvorgang angelegt zu haben, sondern die vom Landeskriminalamt freigegebenen Dokumente zugrunde gelegt zu haben. Die Ermittlungstätigkeit des Innenministeriums habe sich praktisch in der Unterschriftsleistung unter die vom Landeskriminalamt verfasste Verbotsverfügung vom 18. Januar 2012 erschöpft. Die (lückenhafte) Materialsammlung des Landeskriminalamtes sei erst nachträglich im gerichtlichen Verfahren präsentiert worden. Damit fehle es dem Vereinsverbot zu seiner Wirksamkeit bereits an der zwingend erforderlichen Durchführung des ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens durch die Verbotsbehörde selbst. Die unreflektierte Übernahme der im Rahmen der Strafverfolgung gewonnenen und in Strafurteilen festgeschriebenen Erkenntnisse in ein Vereinsverbotsverfahren sei nicht zulässig. Die Verpflichtung eigenständiger Ermittlungen der Verbotsbehörde sei auch deshalb geboten, weil polizeiliche Informationen häufig von einer nicht unabhängigen Instanz zusammengetragen würden. Hier spiele der Wunsch staatlicher Stellen hinsichtlich einer mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbarenden Kriminalisierung der Mitglieder von Motorradclubs - etwa durch Einberufung einer entsprechenden Projektgruppe mit der Zielsetzung, gegen Motorradclubs vorzugehen - eine Rolle. Anlass für die Einsetzung einer solchen Projektgruppe sei beispielsweise die in Notwehr begangene Tötung eines Polizeibeamten durch ein Mitglied der Hells Angels am 17. März 2010 gewesen. Diese Tat habe zu einem Freispruch geführt (BGH, Urt. v. 02.11.2011 - 2 StR 275/11 -). Wahrnehmung und Wirklichkeit sowie Fremd- und Selbstbezichtigung müssten nicht zwangsläufig übereinstimmen und seien im Ermittlungsverfahren durch die Verbotsbehörde kritisch zu hinterfragen. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 29. Januar 2013 (BVerwG, - 6 B 40.12 - NVwZ 2013, 521) die Einholung von Informationen bei anderen Behörden als wesentliches Mittel der Sachverhaltsaufklärung angesehen und ausgeführt, es verstehe sich von selbst, dass die Verbotsbehörde im Rahmen ihrer Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts auf Erkenntnisse zurückgreifen dürfe, die je nach dem in Rede stehenden Verbotsgrund bei anderen insoweit befassten Behörden angefallen seien. Dies bedeute aber auch, dass die Verbotsbehörde den Sachverhalt selbst aufklären und einer rechtlichen Beurteilung unterwerfen müsse. Eine Auslagerung der Sachverhaltsermittlung auf unzuständige Dienststellen sei rechtswidrig. Die Verbotsbehörde müsse insbesondere eigene Ermessenserwägungen anstellen und sich von den Zuschreibungen und einseitigen Zielsetzungen der Polizeibehörde abkoppeln. Der Beklagte habe aber offensichtlich aus dem im Verhältnis zum Landeskriminalamt bestehenden Weisungsverhältnis die Berechtigung abgeleitet, das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren auf das Landeskriminalamt übertragen zu dürfen.

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Darüber hinaus sei es mit rechtlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren, dass ein Verein auf Grundlage unvollständiger Ermittlungen in der Hoffnung verboten wird, man möge im Nachgang die Ermittlungen vervollständigen können. Für die in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, wonach die Ermittlungen auch nach dem Erlass der Verbotsverfügung zur Untermauerung der bereits benannten Verbotsgründe fortgeführt werden können, sei eine gesetzliche Grundlage nicht ersichtlich. Soweit der Beklagte den beiden mit Schriftsatz vom 15. Februar 2013 neu eingeführten Ereignissen „Ge.“ und „P.“ eine eigenständige Bedeutung zumesse, komme eine Verwertung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr in Betracht. Selbst wenn man nachfolgenden Ermittlungen eine „indizielle Aussagekraft“ bezüglich der Richtigkeit der Behördenentscheidung beimessen wolle (so etwa BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4.02 - NVwZ 2003, 986), sei grundsätzlich Zurückhaltung geboten. Bezüglich der Fälle „Ge.“ und „P.“ müsse dabei berücksichtigt werden, dass sich die belastenden Aussagen des Rb. als umfassend wahrheitswidrig erwiesen hätten. Während dessen Zeugenaussage im Schriftsatz des Beklagten vom 15. Februar 2013 noch für „hoch glaubwürdig“ gehalten worden sei, sei aufgrund des Schreibens des Generalbundesanwaltes vom 15. August 2012 eine vollkommen andere Einschätzung zu Tage getreten. Sämtliche der etwa 200 Ermittlungsverfahren auf der Grundlage der Angaben von Rb., auch die im Schriftsatz vom 15. Februar 2013 neu eingeführten angeblichen Delikte von Ge. und P., hätten eingestellt werden müssen und ein Zusammenhang zwischen den Hells Angels mit dem „Fall BC.“ habe trotz intensiver Suche und staatanwaltlicher Ermittlungen und insbesondere intensiver Nachforschungen zu der angeblich unter einer Halle in einem Gewerbegebiet liegenden Leiche des BC. nicht gefunden werden können. Es sei auch nicht dargelegt worden, welche Informationen des Rb. von der Verbotsbehörde verwendet worden seien und welche nicht.

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Die zwischenzeitlich erfolgten weiteren Verfahrenseinstellungen und die entlastenden Feststellungen der Staatsanwaltschaften seien zunächst hintangehalten worden. Dies zeige eine Manipulation der Dokumentation des (unvollständigen) Behördenvorganges. Das Landeskriminalamt habe erkannt, dass nach der vom Generalbundesanwalt bereits mit Schreiben vom 15. August 2012 offenbarten Unverwertbarkeit der Angaben des Rb. auch die Zuschreibungen der Verbotsverfügung hinsichtlich einer strafgesetzwidrigen Prägung nicht mehr aufrecht erhalten werden können. Im Ergebnis sei gegenüber dem Gericht umfassend unzutreffend vorgetragen worden in der Hoffnung, dass die Unterdrückung der Behördenvorgänge verborgen bleibe, um die fehlerhaft ermittelte Verbotsverfügung nicht zu gefährden. Die ungeprüfte Übernahme der Zuschreibungen des Landeskriminalamtes durch die Verbotsbehörde verletze im Übrigen auch die strafprozessualen Verfahrensrechte des Klägers, was wiederum auf das verwaltungsgerichtliche Erkenntnisverfahren durchschlage. Eine spätere Beiziehung von Strafverfahrensakten im gerichtlichen Verfahren ersetze die gebotene Aktenführung und den zu leistenden Zurechnungsvorgang im Verwaltungsverfahren nicht.

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Die Verbotsverfügung sei bereits wegen Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs rechtswidrig. Die Verbotsbehörde habe vor dem Erlass der Verbotsverfügung nicht gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von einer Anhörung absehen dürfen. Die Verbotsbehörde habe verkannt, dass die grundsätzlich anerkannte Vermeidung des sogenannten „Ankündigungseffektes“ einer Anhörung nicht automatisch die Rechtsfolge des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG auslöse, sondern einer Einzelfallbetrachtung auf der Grundlage gesicherter Erkenntnisse bedürfe. Eine Gefahr im Verzuge habe nicht vorgelegen. Die wesentlichen Erkenntnisse der Verbotsverfügung hätten sich auf erhebliche Zeit zurückliegende Ereignisse gestützt. Aktuelle Straftaten oder eine aktuelle Verdichtung des angenommenen Gefährdungspotenzials seien in der Verbotsverfügung nicht aufgeführt worden. Das Vereinsverbot habe sich zudem bereits erhebliche Zeit vor dessen Erlass angekündigt, sodass der angebliche „Ankündigungseffekt“ auch nicht durch ein Absehen von der Anhörung im Verwaltungsverfahren beseitigt werden konnte. Die mit einer grundsätzlich gebotenen Anhörung verbundene Aufklärungsmöglichkeit sei gerade im Rahmen eines vereinsrechtlichen Verbotsverfahrens besonders wichtig. Die Verbotsbehörde sei angesichts der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Vereinigungsfreiheit gehalten, nicht nur belastende, sondern auch entlastende Informationen zu ermitteln. Eine Anhörung des betroffenen Vereins könne gerade insoweit Missverständnisse ausräumen. Deshalb sei auch ein Absehen von der Anhörung gemäß § 28 Abs. 2 VwVfG die Ausnahme und restriktiv zu handhaben. Die in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, dass die Verbotsbehörde eine sofortige Entscheidung ohne Anhörung für notwendig halten dürfe, weil die mit einer Anhörung verbundene Unterrichtung des betroffenen Vereins über den bevorstehenden Eingriff diesem Gelegenheit gegeben hätte, seine Infrastruktur, Beweismittel und sein Vermögen dem behördlichen Zugriff zu entziehen, werde der Bedeutung der Vereinigungsfreiheit und der gebotenen Einzelfallgerechtigkeit nicht gerecht.

22

Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach einer Erörterung des Vereinsverbots in den Medien und der Öffentlichkeit nicht der gleiche „Ankündigungseffekt“ zukommt, wie ihn eine Anhörung im Rahmen eines konkreten Verbotsverfahrens gehabt hätte (BVerwG, NVwZ-RR 2011, 14), sei nicht überzeugend. Im Einzelfalle könne sehr wohl eine vorausgehende Diskussion in den Medien und der Öffentlichkeit die Annahme begründen, dass der betroffene Verein von einer Verbotsabsicht der Behörde ausgehe. Der Verweis auf einen möglichen „Ankündigungseffekt“ gehe in solchen Fällen grundsätzlich fehl. Das Absehen von der Anhörung mit der Begründung, der Verein könne ansonsten Vermögenswerte beiseiteschaffen, sei schon grundsätzlich unzulässig, da die Vermögenseinziehung ohnehin verfassungswidrig sei. Aber auch unabhängig von dieser Fragestellung müsse im Einzelfall festgestellt werden, welche wirtschaftliche Relevanz das Vereinsvermögen aufweist, dessen Beiseiteschaffen vermieden werden soll. Die unabdingbar einzelfallbezogene Begründung des Absehens von der Anhörung fehle hier. Die Verbotsbehörde habe lediglich abstrakte Rechtsgrundsätze angeführt, jedoch keine Tatsachen benannt. Es sei nicht einmal ersichtlich, ob die Verbotsbehörde die Möglichkeit einer Anhörung überhaupt in Betracht gezogen habe. Insoweit hätte auch geprüft werden müssen, ob eine Anhörung unter Gewährung kürzester Anhörungsfristen als milderes Mittel vorzuziehen sei. Darüber hinaus sei - was die Gefahr des Beiseiteschaffens von Vereinsvermögen aufgrund einer Anhörung angehe - zu berücksichtigen, dass nur das Vereinsverbot, nicht aber die Vermögenseinziehung von der Behörde mit Sofortvollzug versehen worden sei. Aufgrund der der Verbotsbehörde gesetzlich zugewiesenen umfassenden Ermittlungsbefugnisse könnten ausreichend Vorkehrungen getroffen werden, um einem möglichen „Ankündigungseffekt“ der Anhörung entgegensteuern. Beispielsweise habe die Behörde Möglichkeiten der Beweissicherung in Anwendung strafprozessualer Vorschriften bei der Beschlagnahme von Beweismitteln. Möglichen Verschleierungsmaßnahmen könne auch durch Auskunftsverlangen gegenüber Vorstandsmitgliedern eines Vereins gemäß § 10 Abs. 4 VereinsG begegnet werden. So könne - was in der Vergangenheit auch geschehen sei - die Vorlage eines Bestandsverzeichnisses gefordert werden. Eine stereotype Unterlassung der grundsätzlich gebotenen Anhörung mit dem pauschalen Argument des drohenden „Ankündigungseffektes“ überzeuge deshalb nicht. Dem Kläger sei die Möglichkeit abgeschnitten worden, auf eine Anhörung hin die Entwicklung ab dem Zeitpunkt der letzten zur Last gelegten Straftaten darzulegen. Das Agieren des Vereins in der Zeit nach dem Verbot des HAMC Flensburg hätte berücksichtigt werden müssen. Keinesfalls sei das Anhörungsverfahren deshalb entbehrlich, weil der Kläger aufgrund des vorangegangenen Verbotes des HAMC Flensburg mit einem eigenen Verbot habe rechnen müssen. Dies ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschlüsse v. 20.12.2013 - 7 B 18/13 und 7 B 19/13 -).

23

Das gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG einzuholende Benehmen des Bundesministeriums des Innern liege nicht in zureichender Form vor. Der Beklagte habe zwar unter Vorlage eines Entwurfs der Verbotsverfügung um das Einvernehmen des Bundesministers des Innern nachgesucht. Die in Bezug genommenen Behördenakten seien jedoch soweit ersichtlich nicht vorgelegt worden. Bei dieser Sachlage sei ein geordnetes Prüfungsverfahren des Bundesministers des Innern zur Erteilung des Einvernehmens ausgeschlossen. Zu den Anforderungen an die konkrete Ausgestaltung der Herstellung des Benehmens fehle bislang höchstrichterliche Rechtsprechung. Es könne nicht ausreichen, dass dem Bundesminister des Innern lediglich Mitteilung über die Verbotsabsicht gemacht wurde. Fordere man über eine bloße Anhörung hinaus eine stärker Beteiligungsform im Sinne einer Verständigung, die von dem Willen getragen ist, auch die Belange der anderen Seite zu berücksichtigen, sei die Übermittlung der zum Vereinsverbot gehörenden Akten und Erkenntnisquellen unabdingbare Voraussetzung. Das Benehmenserfordernis dürfe nicht dahingehend verkommen, dass vom Bundesinnenministerium nur der Verbotswunsch ungeprüft übernommen und eine bloße Freigabe erteilt wird. Vielmehr sei eine eingehende Überprüfung der vom Land angeführten Verbotsvoraussetzungen zu fordern. Wie im gerichtlichen Verfahren bereits gerügt worden sei, könne die allein vom Beklagten übersandte Beiakte „A“ wegen ihrer erkennbaren Unvollständigkeit nicht den gesamten Verwaltungsvorgang darstellen. Der Behördenvorgang sei nachträglich auf vom Landeskriminalamt zusammengestellte Auszüge aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren beschränkt worden, die nach eigenen Angaben im Schriftsatz vom 15. Februar 2013 der Verbotsbehörde selbst zum Erlasszeitpunkt der Verbotsverfügung nicht bekannt gewesen seien. Die Nutzung weiterer Erkenntnisquellen sei auch mit Schriftsatz vom 19. Juni 2012 bestätigt worden. Die Unvollständigkeit des Behördenvorganges stehe deshalb fest. Vorgelegten Auszügen aus Strafverfahrensakten komme kein gerichtsverwertbarer Gehalt zu, weil sie nicht Gegenstand des Erkenntnis- und Ermittlungsverfahrens der Verbotsbehörde gewesen seien. Die Verletzung der Aktenführungspflicht vereitele die Rechtskontrolle des Vereinsverbotes. Das auf ausreichender Erkenntnisgrundlage fußende Ermittlungsverfahren müsse vor der Verbotsverfügung durchgeführt werden, was vorliegend mangels Vorlage aller der Verbotsverfügung zugrundeliegenden Erkenntnismittel nicht überprüfbar sei. Die Verwaltungsakten stellten die Grundlage des behördlichen Handels dar und müssten deshalb vollständig sein, damit die Behörden ihrer aus der Bindung an Gesetz und Recht und aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Pflicht zur Objektivität nachkommen könnten. Eigene Behördenvorgänge des Fachreferats des Innenministeriums des Landes Schleswig-Holstein seien in der Beiakte „A“ überhaupt nicht dokumentiert. Die aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sowie aus den einfachgesetzlichen Regelungen der § 29 VwVfG und § 99 VwGO folgende Pflicht zur umfänglichen Aktenführung sei deshalb verletzt. Hierdurch werde auch der Kläger in seinen Rechten verletzt, weil er die Klage nur bei Vorlage vollständiger Verwaltungsvorgänge vollumfänglich begründen könne. Die Verteidigungsmöglichkeit des Klägers werde erheblich eingeschränkt und die Vertretung durch die Verfahrensbevollmächtigten behindert. Das Gericht verletze die eigene Aufklärungspflicht, wenn es nicht auf der Vorlage sämtlicher Akten bestehe.

24

Die Verbotsverfügung sei desweiteren rechtswidrig, da sie von sachfremden Erwägungen getragen sei. Das Vereinsverbot gliedere sich in eine Reihe von aktuellen Verbotsverfahren gegen Vereinigungen sogenannter Rockerclubs ein. Obwohl trotz umfangreicher und zielgerichteter Ermittlungen ein Nachweis einer organisierten kriminellen Vereinigung in keinem Falle habe geführt werden können, sei seitens der Polizei die Strategie von Vereinsverboten etabliert worden. Der historisch bedingte, jedoch unverschuldete schlechte Ruf der Hells Angels in den USA habe die Bereitschaft, den Motorradclub allgemein zu kriminalisieren, gefördert.

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Eine (strafrechtliche) Sanktion innerhalb der Vereine gegen Waffenhandel sei in keinem einzigen Fall erforderlich geworden. Im Übrigen sei die gewerbliche Tätigkeit einiger Mitglieder im Rotlichtmilieu vollkommen legal. Die auf Vorurteilen basierende Strategie der Kriminalisierung sei durch eine Bund-Länder-Projektgruppe in einem 64 Seiten umfassenden Dokument zur Bekämpfung der „Rockerkriminalität“ zu Papier gebracht worden. Dies basiere auf der aus wissenschaftlicher Sicht nicht zu belegenden Annahme, dass Rockergruppierungen im Allgemeinen der organisieren Kriminalität nahe stünden. Die in dem Strategiepapier empfohlenen Maßnahmen könnten nur als ein umfassendes Stigmatisierungskonzept verstanden werden. Dementsprechend gebe es eine Vielzahl von Beispielen medienwirksamer polizeilicher Großeinsätze, die gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstießen. So hätten beispielsweise in Norddeutschland vor der Verhandlung des Vereinsverbotes des HAMC Charter Flensburg am 19. Juni 2012 vor dem Senat etwa 1200 Polizisten Wohnungen und Vereinsheime der Hells Angels gestürmt. Zugleich sei das Gerücht gestreut worden, die Hells Angels hätten eine Leiche im Keller. Diesbezügliche Aussagen des Belastungszeugen Rb. hätten sich jedoch als haltlos erwiesen. An die Eigentümerin der abgerissenen Lagerhalle seien Schadensersatzleistungen in Höhe von etwa 800.000,-- Euro gezahlt worden. Das planvolle, gegen
Rockervereinigungen gerichtete Vorgehen der Innenministerien sei mit der Polizeifestigkeit der Vereinigungsfreiheit unvereinbar. Die flächendeckenden Überwachungsmaßnahmen, insbesondere auch die Mobiltelefonortung der einzelnen Mitglieder von Motorradclubs und das damit erzielte Bewegungsprotokoll seien rechtsstaatlich bedenklich.

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Die Verbotsverfügung beruhe nicht nur auf Voreingenommenheit, sondern auch auf der Außerachtlassung soziologischer und kriminologischer Erkenntnisse. Entgegen der Auffassung der Verbotsbehörde, wonach aufgrund des hierarchisch geordneten Vereinslebens kriminelle Handlungen befördert und kriminelle Strukturen geschaffen werden können, wiesen die Forschungsergebnisse genau auf das Gegenteil hin. Die Organisationskultur der Motorradclubs definiere sich im Wesentlichen durch eine Aushandlungsordnung, welche durch vielfältige Möglichkeiten zur chancengleichen Partizipation und der Mitwirkung an Entscheidungsfindungsprozessen geprägt werde. Das Klischee von sozial auffälligen oder delinquenten Mitgliedern der Rockervereinigungen sei verkehrt. Diese perspektivische Verengung habe zu einer fehlerhaften Zurechnung einzelner Straftaten von Mitgliedern gegenüber dem Verein geführt. Zum Beweis für die im Einzelnen benannten unzutreffenden Grundannahmen des Beklagten bezüglich der Vereine der Hells
Angels werde Ass. Jur. Florian C. Albrecht MA als sachverständiger Zeuge benannt.

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Für den Fall, dass sich der Senat der umstrittenen Rechtsmeinung anschließen wolle, dass auch nachträgliche Umstände zur Begründung des Vereinsverbots herangezogen werden können, müsse einer verbotenen Vereinigung auch zugestanden werden, nach dem Vereinsverbot etwa durch Ausschluss von Mitgliedern und die Aufgabe von Mitgliedschaften den in Streit stehenden Verbotstatbestand zu entkräften.

28

Soweit sich die Verbotsbehörde auf lediglich anhängige Ermittlungsverfahren gestützt habe, komme der Annahme eines strafrechtswidrigen Vereinsverhaltens für das Vereinsverbot keine rechtliche Bedeutung zu. Anderenfalls werde der Grundsatz der Unschuldsvermutung verletzt. Es solle nicht verkannt werden, dass einige Mitglieder des Klägers strafrechtlich auffällig geworden seien. Die Verbotsverfügung setze jedoch einen konstitutiven Beschluss voraus, kollektiv Straftaten zu begehen oder zu unterstützen. Letztlich sei auch zu fordern, dass die staatliche Rechtsordnung vor einer Situation stehe, der mit den allgemein zur Verfügung stehenden Eingriffs- und Sanktionsmaßnahmen nicht mehr begegnet werden könne. Dies sei hier nicht der Fall. Die allgemeinen Annahmen der Verbotsbehörde seien nicht belegt. Die Behauptung einer Machtentfaltung im kriminellen Wirtschaftsbereich gegenüber konkurrierenden Gruppierungen werde ohne Nachweis lediglich behauptet. Dies lasse sich weder aus einer Satzung noch aus sonstigen Äußerungen und Handlungen von Mitgliedern oder Funktionsträgern belegen. Die vorgeworfenen Straftaten seien individuell veranlasst und auf einen spontanen, nicht planmäßigen Entschluss der jeweiligen Täter zurückzuführen. Sie könnten dem Verein nicht zugerechnet werden. Insbesondere falsch sei die allgemeine Annahme der Verbotsbehörde, wonach allein die Zugehörigkeit zur Hells Angels-Dachorganisation ein nicht unerhebliches Indiz für eine bewusst außergesetzliche Ausrichtung der Mitgliedervereine sei und man hieraus einen den Strafgesetzen zuwiderlaufenden Zweck begründen könne.

29

Entgegen der Annahme seien sämtliche Mitglieder des Klägers wirtschaftliche Eigentümer von Motorrädern. Zwar möge es zutreffen, dass Herr F. über keinerlei Fahrerlaubnis der Klasse A verfüge; dies sei jedoch unerheblich, weil Herr F. niemals Mitglied im HAMC Kiel gewesen sei.

30

Die Verpflichtung zu gegenseitiger Solidarität der Mitglieder der Hells Angels dürfe für sich allein genommen nicht negativ bewertet werden. Die der Verbotsverfügung zugrunde liegende Annahme, der verbotene Verein werde aufgrund umfassender Hilfeleistungen und gegenseitiger Einstandsverpflichtungen durch die von seinen Mitgliedern begangenen Straftaten geprägt, betreffe nur den „inneren Tatbestand“, der einer Beurteilung durch Außenstehende nur sehr eingeschränkt zugänglich sei und der Überzeugungsbildung der Verbotsbehörde nicht ohne weiteres zugrundegelegt werden dürfe. Objektive Belege sei der Beklagte schuldig geblieben. Der Verweis des Beklagten in der Verbotsverfügung auf einen sogenannten Defense-Fund gehe ebenso fehl wie der Verweis auf eine Satzung des Klägers. Die von der Verbotsbehörde in Bezug genommene Satzung sei den Mitgliedern des Klägers selbst unbekannt. Es könne nur vermutet werden, dass die Informationen von dem Informanten des Landeskriminalamtes Rb. stammten, dessen Angaben unverwertbar seien. Mangels Kenntnis der Urheberschaft der Satzungen und deren Authentizität komme eine Verwertung im Verbotsverfahren nicht in Betracht. Dokumente, die den Bestand oder die Funktion eines Defense-Funds belegen könnten, habe der Beklagte nicht vorgelegt. Ein solcher Defense-Fund existiere auch nicht. Im Übrigen würde es sich dabei um die Wahrnehmung einfachgesetzlich beziehungsweise verfassungsrechtlich verbürgter Jedermannsrechte handeln, die den Rechtsstaat ausmachen, nicht aber strafgesetzwidrige Organisationen prägen.

31

Unter Erörterung der einzelnen, vom Beklagten in der Verbotsverfügung und im gerichtlichen Verfahren angeführten Straftaten macht der Kläger geltend, diese könnten - soweit diesbezüglich überhaupt Verurteilungen erfolgt seien - nicht als prägend dem Verein zugerechnet werden. Teils lägen sie viele Jahre zurück, teils fehle den im Privaten zu verortenden Vorgängen jeder Vereinsbezug. Teils - wie dies etwa bei Herrn K. der Fall sei - hätten die Beschuldigten seit langem den Verein verlassen oder - wie dies bei Herrn F. der Fall sei - dem Verein niemals angehört. K. (F.) sei ab dem 14. April 2000 als Secretary zum HAMC Lübeck gewechselt und habe ab da auch nicht mehr faktisch dem Kläger angehört. Anderslautende Behauptungen unter Berufung auf ein angebliches - nicht vorgelegtes - sogenanntes Meeting-Protokoll träfen nicht zu. Etliche Straftaten beruhten auf den Aussagen des vollkommen unglaubwürdigen Zeugen Rb.. Dies betreffe etwa die im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 15. Februar 2013 nachträglich zur Begründung angeführte angebliche „Rückerpressung“ einer von den Herren R., J. und K. an die Opfer gezahlten Entschädigung. Bei den in Frage stehenden Waffendelikten sei ein Vereinsbezug nicht nachgewiesen und im Übrigen ohne Kenntnis der Ermittlungsakten und sonstiger Behördenvorgänge auch nicht einer Rechtskontrolle zugänglich. Die Annahme einer systematischen Bewaffnung und bevorstehenden Auseinandersetzung rivalisierender Gruppen habe sich im Übrigen nicht bestätigt. Bei den angeblichen Waffendelikten vernachlässige der Beklagtenvertreter die gebotene Unterscheidung zwischen bloßen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten. Vielfältige, allerdings vom Beklagten nicht erwähnte Kontrollen hätten gerade keinen Waffenbesitz ergeben, was gegen eine systematische Bewaffnung des Klägers spreche.

32

Soweit Straftaten im Zusammenhang mit der Prostitution in Streit stünden, gelte Folgendes: Der HAMC Kiel betreibe keine Bordelle und sei auch in keiner sonstigen Weise wirtschaftlich in das Prostitutionswesen verstrickt. Das verurteilte ehemalige Vereinsmitglied St. sei bereits im Jahr 1997 - dem Jahr seiner Verurteilung - kein Vereinsmitglied im HAMC Kiel mehr gewesen und bereits 2005 verstorben. Eine Zurechnung zum Kläger sei schon deshalb nicht möglich. Der am 8. September 1998 wegen Zuhälterei in drei Fällen verurteilte Ge. sei zum Tatzeitpunkt im Jahre 1998 ebenfalls kein Mitglied im HAMC Kiel gewesen. Die Tat zeige auch keinen Vereinsbezug auf. Zudem liege die Tat 14 Jahre zurück. Auch die übrigen im Zusammenhang mit der Prostitution erhobenen Vorwürfe seien dem Verein nicht zuzurechnen. Der Beklagte grenze auch nicht deutlich den ohne Weiteres zulässigen Betrieb einer prostitutiven Einrichtung von der im Jahr 2003 noch strafbaren Tathandlung durch P. und D.R ab. Vielmehr werde in rechtlich unzulässiger Weise der Betrieb und die Unternehmensführung eines Bordells kriminalisiert, um einen Zusammenhang zur Organisationsstruktur des Klägers mit strafgesetzwidriger Zweckrichtung herzustellen. Der Betrieb der prostitutiven Einrichtung sei vollkommen legal und die Begründung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen auch mit Mitgliedern der Hells Angels oder zwischen Mitgliedern des gleichen Charters seien unbedenklich und wiesen keine strafgesetzwidrige Tätigkeit oder Zweckrichtung auf. Die Annahme einer strafrechtswidrigen Prägung des Klägers wegen Betätigung im Prostitutionswesen sei in doppelter Hinsicht fehlerhaft. Einerseits übe der Verein selbst keine gewerbliche Tätigkeit aus, andererseits sei die vom Beklagten beanstandete gewerbliche Tätigkeit einiger weniger Mitglieder uneingeschränkt legal.

33

Zur vorgeworfenen Tatbegehung des Einschleusens von Ausländerinnen hätten sich im Übrigen weder P. noch D.R der Vereinsstruktur bedient, sondern im eigenen wirtschaftlichen Interesse gehandelt. Zudem liege auch diese gegenständliche Tat bereits 13 Jahre zurück. Die Straftaten, wegen derer Kr. verurteilt worden sei, könnten dem Verein nicht zugerechnet werden. Weder habe der Kläger Herrn Kr., von dessen krankhaften Zügen er erst nach seinem Verlassen des Vereins Kenntnis erlangt habe, unterstützt, noch liege eine fehlende ausreichende Distanzierung im Nachhinein vor. Die Straftaten, die im Zusammenhang mit Betäubungskriminalität angeführt würden, könnten einen Zurechnungszusammenhang zum HAMC Kiel ebenfalls nicht begründen. Insbesondere hätten sich die jeweiligen Beschuldigten nicht des Klägers zum Zwecke der Finanzierung bedient. Die Erwägung, dass Kr. bei der Einfuhr von mindestens 1,5 Tonnen Marihuana aus den Niederlanden im Zeitraum von Oktober 1999 bis zum 29. Juni 2001 sich der Organisation des Klägers bedient haben müsse, weil der Ankauf und der Absatz einer derart großen Menge von einem Einzeltäter nicht zu bewerkstelligen sei, sei spekulativ. Kr. habe sich anderer Personen bedient, nicht jedoch der Vereinsstruktur des Klägers. Darüber hinaus sei auch hier von entscheidender Bedeutung, dass Herr Kr. zum Verbotszeitpunkt am 18. Januar 2012 nicht Mitglied des Vereins gewesen sei. Außerdem liege die Tatbegehung 10 Jahre zurück.

34

Zusammenfassend lasse sich sagen, dass die angeführten Gewalttaten überwiegend Individualtaten seien. Die Tatbegehungen seien entweder widerlegt oder jedenfalls nicht belegt oder individuell veranlasst und lange zurückliegend. Im Übrigen genügten die
Taten - soweit sie überhaupt feststünden - hinsichtlich der Intensität und des fehlenden Funktionszusammenhangs zum Kläger nicht zur Begründung eines Vereinsverbotes. Der unerlaubte Waffenbesitz mit angeblichem Vereinsbezug sei ebenfalls widerlegt beziehungsweise nicht belegt. Es handele sich um individuell zu verantwortende Ordnungswidrigkeiten, die auch in ihrer Vielzahl in einem vereinsrechtlichen Verbotsverfahren nicht zu einer zurechnungsfähigen Straftat würden. Von einer allgemeinen Bewaffnung könne nicht ausgegangen werden. Ein Zurechnungszusammenhang zwischen den Straftaten in Verbindung mit der Prostitution und der Vereinstätigkeit bestehe nicht. Insbesondere übe der Verein keine gewerbliche Tätigkeit, auch nicht im Prostitutionswesen aus. Teilweise fehle der Tatbezug zur Prostitution, teilweise lägen Individualtaten ohne Vereinsbezug vor, die teilweise sogar über 13 Jahre zurücklägen. Die dem Vereinsmitglied P. sehr vage unterstellte Vergewaltigung sei, wenn überhaupt geschehen, höchst persönlich veranlasst und ohne jeden Bezug zu Dritten. Entsprechendes gelte für die BTM-Delikte. Die beiden angeführten Taten seien von Einzeltätern mit eigener wirtschaftlicher Interessenlage begangen worden, lägen über 10 Jahre zurück und wiesen auf keine Dauerhaftigkeit hin. Die nachträglich in das gerichtliche Verfahren eingeführten strafrechtlichen Vorwürfe gegen das Vereinsmitglied Hi., für die sich angeblich bei der Durchsuchung
anlässlich der Zustellung der Verbotsverfügung Hinweise gefunden haben sollen (Verdacht des Versicherungsbetruges, Besitz eines sogenannten Delta-Darts), träfen nicht zu.

35

Der Kläger übe weder eine legale noch illegale wirtschaftliche Tätigkeit aus. Der Handel mit Waffen, Drogen und Menschen werde von der Verbotsbehörde lediglich unterstellt, jedoch nicht belegt. Die Mitglieder des HAMC Kiel seien auch nicht im Türstehergewerbe tätig. Soweit einzelne Mitglieder Bordelle betrieben oder darin arbeiteten, handele es sich um eine legale unternehmerische Tätigkeit und vollkommen beanstandungsfreie Arbeitsverhältnisse. Eine Gebiets- und Machtentfaltung zur Gewinnung und Verteidigung von Territorien in bestimmten Wirtschaftsfeldern sei auch nicht ansatzweise belegt. Zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit anderen Gruppierungen sei es nicht gekommen. Die Vereinsmitglieder seien insbesondere nicht in Kutten aufgetreten und hätten keinerlei Vereinsinsignien gezeigt. Einer etwa in Betracht kommenden ordnungsrechtlichen Gefahrenlage sei bereits durch die stattgefundenen Gefährdungsabsprachen zwischen der Polizei und dem Vereinsvorstand vorgebeugt worden, sodass für ein Vereinsverbot kein Raum mehr sei.

36

Als einzige Tathandlung von Relevanz komme der Vorfall vom 15. März 2010 im Fitnessstudio „WellYou“ in Kiel in Betracht. Zwar habe der Senat entschieden, dass im Einzelfall bereits ein Vorfall allein die strafgesetzwidrige Prägung auslösen könne. Der Vorfall vom 15. März 2010 sei jedoch weder von der Veranlassung, noch von der Intensität, Tatausführung, Planung, Organisation und der Anzahl beteiligter Vereinsmitglieder vergleichbar. Die Tat habe nicht der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient. Vereinszeichen seien keine getragen worden. Bei den drei betroffenen Personen habe es sich mit einer Ausnahme nicht um Vereinsmitglieder gehandelt. Leitungsfunktionen seien keine ausgelöst oder wahrgenommen worden. Entsprechende strafbare Verhaltensweisen im Bereich der Mitglieder seien nicht aufgetreten oder im Interesse des Vereins begangen worden.

37

Im Übrigen gebiete - wie bereits ausgeführt - die Verfassung selbst strengere Zurechnungskriterien als die bisher in der Rechtsprechung entwickelten. Die bisherigen durch das Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze zur Annahme einer Strafgesetzwidrigkeit entspringe einer verfassungswidrigen Anwendung und Auslegung des Tatbestandsmerkmales „Strafgesetzwidrigkeit“. Es könne nicht ausreichend sein, wenn die
Begehung einer oder mehrerer Straftaten die Zurechnungskriterien erfülle. Angesichts der überragenden Bedeutung der Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG setze ein Vereinsverbot voraus, dass die Freiheitsgewährleistung des Art. 9 Abs. 1 GG in einer Weise ausgeübt wird, die letztlich zur erheblichen Beeinträchtigung von Rechtsgütern geeignet ist und daher die über die Art. 20 Abs. 3 GG statuierte Friedens- und Ordnungsfunktion des Staates aktiviert. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Es gebe keine Hilfestellung von Mitgliedern zu den von ihnen begangenen Straftaten und auch keine Unterstützungsleistung gegenüber in Haft befindlichen Vereinsmitgliedern. Etwaige Besuche im Gefängnis dienten der Resozialisierung, zu der der verbotene Verein im Rahmen der gegenseitigen Solidarität nach den Bestimmungen des Strafvollzugs durch die Unterstützung inhaftierter Mitglieder vollkommen legal beigetragen habe. Hieraus zusätzliche Argumente für ein Vereinsverbot gewinnen zu wollen, sei eine Verkehrung der Rechtslage. Auch könne dem Verein nicht angelastet werden, Vorbestrafte als Vereinsmitglieder aufzunehmen oder zu dulden. Die Forderung, Personen mit Vorstrafen auszuschließen, würde auf eine zweite Bestrafung der Betroffenen hinauslaufen und sie von der legitimen Teilhabe am Gemeinwesen ausschließen, was mit dem Verbot der Doppelbestrafung unvereinbar sei und die Menschenwürde verletze. Zu Unrecht sei deshalb die Verbotsbehörde von einem isolierten Zurechnungsgrund bei der Aufnahme von Straftätern in den Verein ausgegangen. Auch Straftäter dürften einen Verein gründen und an diesem partizipieren. Anderenfalls könnte angesichts der Ubiquität von Straftaten nahezu jeder Verein mit einem größeren Mitgliederbestand - etwa auch der ADAC - als verbotswürdig angesehen werden.

38

Jedenfalls verstoße das Vereinsverbot gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Einhaltung dieses Grundsatzes sei vom Beklagten nicht nachvollziehbar begründet worden. Vielmehr sei die Straffälligkeit einiger weniger Vereinsmitglieder vollkommen übertrieben worden. Bereits die Tatsache, dass bei dem beklagten Innenministerium als Teil des hierarchischen Behördenaufbaus sich die Positionen des Ermittlers und des Richters vereinigen würden, ließen exekutive und judikative Aufgaben verschwimmen und bedingten eine Verletzung des Rechtstaatsgebotes und fast zwangsläufig einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Übermaßgebot. Die Ermessensentscheidung sei entscheidend von dem vorgefassten Wunsch nach Kriminalisierung der Hells Angels geprägt. Grundannahme der Verbotsbehörde sei das Erfordernis des Kampfes gegen die organisierte Kriminalität. Da jedoch der Kläger nicht dem Verdikt einer kriminellen Vereinigung unterfalle und auch keine kriminelle „Parallelgesellschaft“ bilde, sei jedes Mittel zur Beseitigung des verbotenen Vereins rechtswidrig.

39

Mildere Mittel wie zum Beispiel partielle Vereinsbetätigungsverbote sowie Maßnahmen und Auflagen polizeilicher, versammlungsrechtlicher oder auch presserechtlicher Natur hätten als milderes Mittel erwogen werden müssen. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seiner unklaren Rechtsprechung die Auffassung vertrete, die Verbotsbehörde müsse auf der Rechtsfolgenseite grundsätzlich keine Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit des Verbots anstellen (BVerwG, NVwZ 2013, 521, 525), so werde dies den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Der Beklagte hätte auf der Rechtsfolgenseite prüfen müssen, ob bloße Auflagen - etwa aufgenommene Straftäter auszuschließen oder die Besuche inhaftierter Mitglieder einzustellen - die angenommene Gefahrenlage ebenfalls beseitigen könnten. Auch habe sich die Verbotsbehörde nicht mit der Frage
einer zeitlichen Befristung des Vereinsverbots befasst.

40

Der Beklagte habe Art. 11 EMRK nicht hinreichend berücksichtigt. Nach Satz 1 der Vorschrift dürfe die Ausübung der Vereinigungsfreiheit nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig seien für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Der EGMR habe in ständiger Rechtsprechung den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Demokratie, Pluralismus und Vereinigungsfreiheit herausgestellt. Hiernach reiche es nicht aus, wenn das Vereinsverbot nur nützlich oder zweckmäßig zur Verfolgung solcher öffentlicher Bedürfnisse beitragen kann; vielmehr müsse das Verbot einem zwingenden sozialen Bedürfnis folgen. Dabei müsse das Nichtvorhandensein milderer Mittel nach der Rechtsprechung des EGMR von der Verbotsbehörde bewiesen werden. Dies habe der EGMR in seinem Urteil vom 11.11.2011 (Verein Rhino u.a. / Schweiz) noch einmal bestätigt.

41

Diese Rechtsprechung des EGMR sei bisher in der bundesdeutschen Rechtsprechung nicht berücksichtigt worden, was mit den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts zur völkerrechtsfreundlichen Rezeption des Konventionstextes im deutschen Recht unvereinbar sei. Der Beklagte sei der ihm hiernach obliegenden Nachweispflicht bezüglich des Nichtvorhandenseins milderer Mittel nicht nachgekommen.

42

Schließlich unterliege die Art und Weise der Datengewinnung durch die Verbotsbehörde grundsätzlichen Bedenken. Die Informationen, die ihnen durch unterstellte beziehungsweise sonstige Hilfsbehörden im Sinne von § 4 Abs. 1 VereinsG übermittelt würden, unterlägen als personenbezogene Daten dem Schutz des aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 3 GG folgenden Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Mangels einer bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage fehle es bereits an der Befugnis der Verbotsbehörde, diejenigen personenbezogenen Daten, die zur Durchführung des Verbotsverfahrens erforderlich seien, zu erheben. Ebenso fehle es an einer bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage für die Übermittlung personenbezogener Daten im Rahmen von Hilfeleistungen untergeordneter Behörden gemäß § 4 Abs. 1 VereinsG. Insbesondere sei die Datenübermittlung zwischen Gerichten, Staatsanwaltschaften und der Verbotsbehörde unzulässig, da Staatsanwaltschaften und Gerichte nicht zu den durch § 4 Abs. 1 VereinsG bezeichneten Hilfsbehörden gehörten. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedürfe die Abfrage von Daten (bei untergeordneten Dienststellen) und die Übermittlung der Daten jeweils einer eigenen Rechtsgrundlage. An einer solchen Rechtsgrundlage fehle es aber. Die allgemeine Aufgabenzuweisung des § 3 VereinsG sei hierfür nicht geeignet. Ohne einen normativ klar festgeschriebenen Eingriffstatbestand dürfe daher die Verbotsbehörde keine Daten bei nachgeordneten Dienststellen abfragen. § 4 Abs. 1 VereinsG wiederum lasse schon dem Wortlaut nach eine Übermittlung von Daten durch Strafverfolgungsbehörden nicht zu. Zwar sei die Frage, ob das Landesrecht ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlagen für eine Datenerhebung der Verbotsbehörde bei dritten Behörden bereitstelle, eine Auslegungsfrage des nicht revisiblen Landesrechts (BVerwG, Beschl. v. 09.04.2013 - 8 B 71.12 -, BeckRS 2013, 50105 Rn. 3). Vorliegend stehe aber ein Verstoß gegen des aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG herzuleitenden bundesverfassungsrechtlichen Grundsatz ausreichender Normenbestimmtheit in Frage. Es sei zumindest zu diskutieren, ob die Schwere der durch Datenerhebungen von Verbotsbehörden bei dritten Behörden ausgelösten Grundrechtseingriffe für die Betroffenen nicht zwingend eine bundesrechtliche Regelung im Vereinsgesetz voraussetze. Der Bundesgesetzgeber habe hinsichtlich der Regelung des öffentlichen Vereinsrechts von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht und den Regelungsgegenstand der Gesetzgebungskompetenz der Länder vollständig entzogen. Aus diesem Grunde könnten landesgesetzliche Bestimmungen für die im Rahmen des vereinsrechtlichen Verbotsverfahrens stattfindende Datenverarbeitung nicht herangezogen werden. Der Bund habe eine grundrechtlich verankerte Verantwortung für den Umgang mit bei der Verbotsbehörde erhobenen, verarbeiteten und gespeicherten personenbezogenen Daten.

43

Die unzulässige Informationserhebung sowie die bereits beschriebenen Mängel des Verwaltungsverfahrens könnten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht geheilt werden. Das Gericht sei gehindert, einen Ausgleich von Fehlern bei der Sachverhaltsaufklärung mittels eigenständiger Ermittlungen zu beseitigen. Verfahrensfehlerhaft erlangte Beweismittel unterlägen vielmehr einem Verwertungsverbot im gerichtlichen Verfahren.

44

Auch die Feststellung, dass der Verein Hells Angels MC Charter Kiel sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte (Ziffer 1 Satz 2 der Verbotsverfügung), sei rechtswidrig und aufzuheben. Erforderlich sei hierfür nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine kämpferisch-aggressive Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele, das heißt, dass der Verein die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben
wolle. Dies werde vom Beklagten nicht ansatzweise dargelegt. Eine Veränderung des Demokratieprinzips strebe der Kläger nicht an. Er nehme gar keine politischen oder rechtsstaatlichen Sonderrechte für sich in Anspruch. Soweit es im Konfliktfalle zwischen Handlungsweisen und der geltenden Rechtsordnung der staatlichen Regulierung und obrigkeitlicher Sanktionierung bedürfe, werde das Gewaltmonopol des Staates ausdrücklich anerkannt. Die Unterstellung der Einrichtung eines Defense-Funds, um Mitglieder der Hells Angels im Falle staatlicher Sanktionen wirtschaftlich abzusichern, würde lediglich für ein die Wahrnehmung von Vereinsrechten organisiertes Handeln ohne Außenwirkung sprechen. Eine kämpferisch-aggressive Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung könne hierin schlechterdings nicht gesehen werden. Dementsprechend habe der erkennende Senat auch im Verfahren 4 KS 2/10 die gegen den Verein Hells Angels MC Charter Flensburg getroffene Feststellung insoweit aufgehoben.

45

Der Kläger beantragt,

46

die Verfügung des Innenministeriums des Landes Schleswig-Holstein vom 18. Januar 2012 aufzuheben.

47

Der Beklagte beantragt,

48

 die Klage abzuweisen.

49

Er macht geltend, zusätzlich zu den in der Verbotsverfügung angeführten Straftaten seien weitere Strafermittlungsverfahren gegen Vereinsmitglieder zu berücksichtigen, welche vor Erlass der Verbotsverfügung begangen worden seien. So sei das Mitglied Ge. wegen räuberischer Erpressung angeklagt (Az. 593 Js 20067/12). Die Anklage sei beim Landgericht Kiel anhängig (10 KLs 35/12). Dem Präsidenten des Klägers werde vorgeworfen, die Rückerpressung einer bereits geleisteten Zahlung veranlasst zu haben, zu der sich Vereinsmitglieder zur Abgeltung von Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüchen verpflichtet hatten. Die räuberische Erpressung weise Vereinsbezug auf. Aus den Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Kiel vom 14. Juni 2012 gegen Rb. (28 KLs 1/11) gehe hervor, dass führende Vereinsmitglieder zahlreiche Straftaten veranlasst hätten, die von Mitgliedern der Legion 81, dem Supporter-Club des HAMC Kiel, verübt wurden und durch die die Gründung eines Chapters des Bandidos MC in Preetz verhindert werden sollte. Auch wenn das Strafverfahren gegen Ge. wegen Anstiftung zu einem Angriff mit einer Schusswaffe auf das Opfer Be. in Preetz gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, lasse sich den Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Kiel gegen Rb. entnehmen, dass zahlreiche Straftaten im Zusammenhang mit der beabsichtigten Verhinderung der Gründung eines Chapters des Bandidos MC in Preetz sowie der Auseinandersetzung mit Mitgliedern des zwischenzeitlich gegründeten Bandidos MC Probationary Chapter Neumünster standen. Die einzelnen Straftaten seien auf Veranlassung und im Interesse des Klägers durch Mitglieder des Supporter-Clubs begangen worden. Sie seien dem Kläger zuzurechnen.

50

Der von den Vereinsmitgliedern P., D.R und St. geführte Bordellbetrieb stelle sich letztlich als organisatorischer Teil des Vereinslebens dar. Den Feststellungen des die genannten Vereinsmitglieder betreffenden Urteils der 7. Großen Strafkammer des Landgerichts Kiel vom 16. April 2003 lasse sich entnehmen, dass sich die drei Täter die Organisationsstruktur der Organisation der Hells Angels zu Nutze gemacht hätten, indem sie Mitglieder als Wirtschafter eingesetzt hätten.

51

Zu Unrecht meine der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der Beklagte habe seine Ermittlungsbefugnisse und Pflichten nicht selbst und eigenständig wahrgenommen. Hierzu habe das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 29. Januar 2013
(6 B 40.12) ausdrücklich festgehalten, die Einholung von Informationen bei anderen Behörden sei ein wesentliches Mittel der Sachverhaltsaufklärung und stehe nicht etwa in einem Gegensatz zur eigenständigen Ermittlung. Es verstehe sich von selbst, dass es an dieser eigenständigen Würdigung nicht allein deshalb fehle, weil die Verbotsbehörde ihr überzeugend erscheinende Feststellungen anderer Behörden und Gerichte übernehme. Im Übrigen liege bereits in der Fertigung der in der Verbotsverfügung enthaltenen
Begründung und der Entscheidung, welche einzelnen Vorgänge in der Verbotsverfügung aufgezählt werden, eine intensive eigene Auseinandersetzung des zuständigen Fachreferats mit den Erkenntnissen anderer Dienststellen.

52

Zu Unrecht moniere der Kläger, dass sich die Verbotsverfügung zwar an einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit halte, diese Rechtsprechung aber der Bedeutung des betroffenen Grundrechts der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG sowie dem entsprechenden Grundrecht aus Art. 11 EMRK nicht gerecht werde. Dies verkenne, dass sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer ganzen Reihe von Entscheidungen zu Vereinsverboten und deren Rechtsfolgen bei Anwendung dieser etablieren Grundsätze jeweils keine Grundrechtsverletzungen angenommen habe. Auch der Beklagte habe in der Verbotsverfügung angenommen, dass Art. 11 EMRK vor Erlass eines Vereinsverbotes die Prüfung der Möglichkeit milderer Mittel verlange.

53

Teilweise verkenne der Kläger offensichtlich die Anwendbarkeit schleswig-holsteinischen Verfahrensrechtes sowie des schleswig-holsteinischen Polizeiorganisationsgesetzes. Ausführungen zu hessischem Landesrecht seien nicht relevant.

54

Mit seiner Sachverhaltsdarstellung bestätige der Kläger letztlich, dass sämtliche Personen, deren Straftaten die Verbotsverfügung des Beklagten dem Kläger zurechne, auch tatsächlich Mitglieder des Klägers waren. Soweit dies bei einzelnen Mitgliedern des Vereins zum Zeitpunkt der Verbotsverfügung nicht der Fall war, sei die Zurechnung keine Frage des Sachverhalts, sondern eine Rechtsfrage.

55

Soweit der Kläger den vom Landeskriminalamt als Zeugen in diversen Strafverfahren gehörten Rb. für unglaubwürdig halte und sich hierbei auf eine Einschätzung des Generalbundesanwaltes beziehe, sei dies für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung nicht relevant, da diese in überwiegenden Teilen nicht auf Aussagen des Rb. als Zeugen gestützt sei, sondern nur in geringen Teilen auf ein Urteil des Landgerichts Kiel gegen Rb. und im verbleibenden Rest nur auf solche Aussagen des Rb., die zugleich von anderen Zeugen bestätig worden seien. Entgegen der Darstellung des Klägers seien auch nicht sämtliche auf den Aussagen des Rb. fußende Ermittlungsverfahren eingestellt worden.

56

Nicht relevant für die hier streitgegenständliche Verbotsverfügung sei ein angeblich voreingenommenes und schikanöses Verhalten gegenüber den Hells Angels in anderen Bundesländern sowie die vom Kläger angeführte Existenz eines Strategiepapiers einer Bund-Länder-Projektgruppe zu einer „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität“ und zur angeblichen Umsetzung dieses Papiers unter anderem in Berlin. Der Kläger habe selbst ausgeführt, dass Bezugnahme auf sonstige Vorfälle und Konflikte im Bundesgebiet für den verbotenen Verein nicht prägend seien.

57

Die Klage sei zulässig, jedoch unbegründet. Das beklagte Innenministerium sei nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig gewesen. Der Beklagte habe als oberste Landesbehörde im Rahmen der Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen dürfen. Dies schließe ein, dass die Verbotsbehörde
- der Beklagte - die Ermittlungen vollständig dadurch führe, dass sie bei anderen Behörden Erkenntnisse abfrage und sich diese nach einer Prüfung zu eigen mache. § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG erlaube es den vom Beklagten ersuchten Behörden, innerhalb ihrer Aufgaben und Befugnisse dieselben auch dafür zu nutzen, gezielt für ein Vereinsverbot relevante Informationen zu ermitteln. Insbesondere die Polizei dürfe Ermittlungshilfe leisten. Sowohl das Landeskriminalamt, aber auch sämtliche weiteren Behörden und Dienststellen der Polizei seien originär, erst Recht aber nach einem entsprechenden Ermittlungsersuchen des Beklagten befugt, Ermittlungen zu betreiben, die zielgerichtet auf ein Vereinsverbot hinführen. Das Verwaltungsverfahren sei im Wesentlichen so geführt worden, dass das zuständige Fachreferat des Beklagten bei den anderen beteiligten Stellen innerhalb und in geringerem Umfang auch außerhalb des Beklagten die jeweils für das Vereinsverbot erforderlichen Informationen abgefragt habe, beginnend mit einer vom Landeskriminalamt erstellten Materialsammlung. Diese Informationen seien dann einer eigenen Bewertung unterzogen worden und daraufhin die hier streitgegenständliche Verbotsverfügung erstellt worden. Es sei nicht zu beanstanden, dass der weitere Entstehungsprozess der Verbotsverfügung und die Willensbildung innerhalb des Beklagten im Verwaltungsvorgang nicht dokumentiert sei. Der eigentliche Entscheidungsprozess zeige sich in der Begründung des Verwaltungsaktes in Form der Verbotsverfügung. Auch sonst sei es üblich, dass Behörden selbst umfangreichste, teilweise mehrere tausend Seiten starke Verwaltungsakte ohne jeglichen schriftlichen Vorbereitungsvermerk direkt aus extern beschafften oder von anderen Behörden zur Verfügung gestellten Unterlagen erstellen. Zu Unrecht rüge der Kläger eine „ausschließliche und unreflektierte Übernahme der im
Rahmen der Strafverfolgung gewonnenen und in Strafurteilen festgeschriebenen
Erkenntnisse hinsichtlich der maßgeblichen Vereinsaktivitäten in ein Verbotsverfahren“. Zum einen habe das Fachreferat des Beklagten die Erkenntnisse anderer Behörden im Rahmen der Übernahme in die Verbotsverfügung einer eigenen Prüfung unterzogen, zum anderen übersehe der Kläger, dass es sich bei der Entscheidung über ein Vereinsverbot grundsätzlich um eine gebundene Entscheidung handele. Der Beklagte sei nicht verpflichtet, ausschließlich auf eigene Ermittlungsbefugnisse gemäß § 4 VereinsG zurückzugreifen. Diese Vorschrift stelle aus sich heraus keine Vorschrift zum Schutz der Rechte des Vereins dar, sondern erweitere lediglich die Befugnisse der Verbotsbehörde.

58

Für die gerichtliche Überprüfung einer Verbotsverfügung sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Verbotsverfügung maßgeblich. Gleichwohl dürfe aus nach dem Zeitpunkt der Verbotsverfügung eingetretenen Tatsachen darauf zurückgeschlossen werden, dass die Voraussetzungen des Vereinsverbots im Zeitpunkt der Verbotsverfügung bereits vorgelegen hätten. Auch das Vereinsgesetz selbst gehe davon aus, dass das Ermittlungsverfahren nicht mit der Verbotsverfügung ende, sondern darüber hinaus fortgeführt werde. So setze beispielsweise die Mitwirkungspflicht der Vorstandsmitglieder im Ermittlungsverfahren gemäß § 10 Abs. 4 VereinsG erst mit dem Verbot ein. Auch dem Kläger sei nicht verwehrt, nachträglich Tatsachen zu ermitteln, die entweder vor dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Verbotsverfügung eintraten oder aber auf diesen Zeitpunkt zurückschließen ließen. Demgegenüber sei es dem Kläger verwehrt, nach Erlass der Verbotsverfügung erstmals Tatsachen zu schaffen, die den im maßgeblichen Zeitpunkt der Verbotsverfügung bestehenden Sachstand nachträglich ändern würden.

59

Von einer Anhörung vor dem Vereinsverbot habe der Beklagte zu Recht wegen des damit verbundenen Ankündigungseffektes abgesehen. Eine vorherige Anhörung hätte es dem Kläger ermöglicht, gegebenenfalls zu beschlagnahmendes und einzuziehendes Vereinsvermögen sowie potentiell mit der Zustellung der Verbotsverfügung zugleich zu sichernde Beweismittel dem Zugriff der Verbotsbehörde zu entziehen. Dem lasse sich auch nicht entgegenhalten, dass die Vermögenseinziehung gemäß § 11 Abs. 2 VereinsG erst mit der Unanfechtbarkeit des Vereinsverbots wirksam werde. Die hierauf zielende Argumentation des Klägers verkenne den Unterschied zwischen der endgültig wirksamen Vermögenseinziehung und der Beschlagnahme des Vereinsvermögens gemäß §§ 3 Abs. 1 Satz 2, 10 VereinsG.

60

Das gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 VereinsG erforderliche Benehmen - nicht Einvernehmen - mit dem Bundesministerium des Innern sei durch Übersendung des Entwurfes der Verbotsverfügung und die anschließende Erklärung des Bundesministeriums des Inneren, dass gegen das hier streitgegenständliche Vereinsverbot keine im Rahmen des § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG zu prüfenden Bedenken bestünden, hergestellt worden.

61

Die Verbotsverfügung sei auch nicht etwa deshalb (formell) rechtswidrig, weil der zugrunde liegende Verwaltungsvorgang den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aktenführung nicht entspreche. Dem Vorgang seien diejenigen Informationen zu entnehmen, die dem zuständigen Fachreferat des Beklagten schriftlich unmittelbar vorgelegen hätten. Die zu Rate gezogenen Strafverfahrensakten seien nicht fotokopiert, aber inhaltlich zu Rate gezogen worden. Auf die jeweiligen strafrechtlichen Ermittlungsakten werde in der Verbotsverfügung verwiesen. Damit sei das Ergebnis der behördlichen Entscheidung für das Gericht überprüfbar. Dass der Beklagte vom Kläger verlangte Akten im gerichtlichen Verfahren nicht vorgelegt habe, sei keine Verweigerung der Vorlage von Akten, die nach den Maßstäben des § 99 VwGO erfolgen dürfte. Vielmehr habe der Beklagte schlicht darauf hingewiesen, dass er diejenigen Akten, die er über den eigentlichen Verwaltungsvorgang hinaus als Erkenntnisquelle nutzte, selbst nicht vorlegen könne, da sie bei ihm nicht vorhanden seien, dass aber die jeweils aktenführende Stelle dem erkennenden Gericht diese Akten vorlegen könne.

62

Die Datenerhebung von personenbezogenen Daten im Verbotsverfahren einschließlich der Übermittlung von Daten aus den Strafverfahren sei jedenfalls im Sinne der § 11 Abs. 1 Nr. 2 LDSG zulässig gewesen gemäß §§ 162 Abs. 2, 177 Abs. 1, 178 Abs. 1 Satz 2, 179 Abs. 1, 189 Abs. 1 Satz 4, 191 LVwG i.V.m. §§ 474 Abs. 2, 481 StPO. Da sich der Begriff der verantwortlichen Stelle im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 LDSG an den vom Verwaltungsorganisations- und Verwaltungsverfahrensrecht vorgegebenen Behördenbegriff anschließt, sei das Fachreferat des Beklagten für Vereinsverbote und das Landeskriminalamt im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 LDSG eine einheitliche öffentliche Stelle. Informationsflüsse zwischen Fachreferat und Landeskriminalamt seien dementsprechend keine Datenübermittlung im Sinne des Datenschutzrechts und bedürften keiner entsprechenden rechtlichen Grundlage. Selbst wenn § 4 VereinsG keine hinreichende Ermächtigung für die Datenverarbeitung im Sinn des § 11 Abs. 1 Nr. 3 LDSG wäre, sei die konkrete Datenverarbeitung des Beklagten jedenfalls gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 LDSG aufgrund mehrerer besonderer und bereichsspezifischer Rechtsgrundlagen zulässig, hilfsweise zudem aufgrund der Generalklausel des § 14 LDSG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 LDSG und § 13 Abs. 3 Nr. 2 LDSG. Für die gerichtliche Beiziehung von Akten aus den Strafverfahren durch das erkennende Gericht sei § 99 Abs. 1 VwGO eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Entsprechend habe auch bereits der erkennende Senat im Urteil vom 19. Juni 2012 (4 KS 2/10) entschieden. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Beschluss vom 29. Januar 2013 (6 B 40.12) die Beiziehung der Strafakten im genannten Verfahren für rechtmäßig erachtet und im Übrigen die Auslegung des Landesrechts durch den erkennenden Senat als einer revisionsgerichtlichen Überprüfung entzogen angesehen.

63

Die Verbotsverfügung sei auch materiell rechtmäßig gemäß § 3 Abs. 1 VereinsG. Entgegen der Auffassung des Klägers sei es nicht erforderlich, dass der Verein in seinem
Gesamtcharakter strafgesetzwidrig geprägt sei. Es reiche aus, dass dem Verein Straftaten in einer Weise zuzurechnen seien, die zumindest einen nicht völlig unbeachtlichen strafgesetzwidrigen Zweck und eine nicht vollständig untergeordnete strafgesetzwidrige Tätigkeit des Vereins belegen. Auch das straffällige Verhalten einfacher Mitglieder reiche für die Zurechnung aus, wenn zu einem strafbaren Verhalten einfacher Mitglieder ein
Zurechnungsgrund in Form strafbaren oder straffreien, aber auf die Straftaten bezogenen Funktionsverhaltens hinzutrete, was eine Zurechnung ermögliche. Entsprechendes könne auch aus der Satzung des klagenden Vereins abgeleitet werden. So könne auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus der besonderen Verpflichtung zu umfassender gegenseitiger Solidarität der auf wenige Personen beschränkten Mitglieder sowie deren strafrechtlich relevantem Verhalten eine Zurechnung der Straftaten einzelner Mitglieder zum Verein folgen. Soweit der Kläger unter Berufung auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung strengere Zurechnungskriterien reklamiere, gebe er die zitierte Rechtsprechung jedenfalls teilweise unvollständig und unrichtig wieder. Insbesondere aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 18.10.1988
- 1 A 89.83 -) gehe hervor, dass auch eine Strafbarkeit nur einzelner Vereinsmitglieder für eine Zurechnung in einem Verbot ausreichen könne. Auch Ermittlungsverfahren, die zu einer Einstellung gemäß §§ 170 Abs. 2, 153, 153 a StPO geführt hätten, seien nicht von vornherein für eine Verwertung im Vereinsverbotsverfahren ungeeignet. Hinsichtlich der einzelnen unter 1a) bis 1i) in der Verbotsverfügung aufgelisteten Gewalttaten sei sämtlich eine Vereinsprägung anzunehmen, auch wenn - im Wesentlichen mangels Zuordnung der Taten zu einzelnen konkreten Vereinsmitgliedern - die Strafermittlungsverfahren eingestellt worden seien. Soweit es um Taten des F., geb. K., gehe, möge dieser zwar formell aus dem klagenden Verein ausgetreten sein, er habe sich aber bis zum Vereinsverbot aktiv am Vereinsleben beteiligt. Der formelle Austritt sei damit zu erklären, dass nach den gemeinsamen, übergreifenden Statuten aller Charter der Hells Angels ein Charter nur dann neu gegründet werden dürfe, wenn es mindestens sechs Vollmitglieder aufweise. Da der hier klagende Kieler Ortsverein mehr als sechs Vollmitglieder hatte, habe sich F. seit Anfang 2010 für den neu gegründeten Ortsverein in Lübeck als Funktionsträger zur Verfügung gestellt, sei aber materiell gleichwohl Mitglied des Klägers geblieben. Laut einem sogenannten Meetingprotokoll vom 29. März 2011, das im Rahmen des Vollzugs des hier streitgegenständlichen Vereinsverbotes am 31. Januar 2012 beim ehemaligen Secretary Ct. sichergestellt wurde, sei F. ab März 2011 (auch) wieder Funktionsträger beim Kläger gewesen. Spätestens seit März 2011 sei er als Vice-President beim Kläger tätig gewesen. Offiziell hingegen sei F. in der Zeit vom 16. Januar 2010 bis zum 22. Februar 2011 Secretary beim HAMC Lübeck gewesen. Seit dem 22. Februar 2011 sei er
Vice-President beim HAMC Southport. Aus diesem Grunde sei er in der Verbotsverfügung nicht als betroffenes Mitglied des klagenden Vereins angeführt. Gleichwohl seien dessen Taten dem Verein zuzurechnen.

64

Eine Zurechnung von Straftaten von Mitgliedern des Supporter-Clubs
Legion 81 scheitere nicht deshalb, weil dessen Vice-President, Rb., unglaubwürdig sei. Zwar habe der Generalbundesanwalt bei dem Bundesgerichtshof seinerzeit vom Leitenden Oberstaatsanwalt in Kiel Aussagen des Rb. vorgelegt bekommen, wonach Mitglieder des sogenannten National-Sozialistischen-Untergrund (NSU) Waffen aus einem dem Zeugen Rb. bekannten Umfeld gekauft hätten und sich zu diesem einzelnen Komplex, dessen Verfahrensübernahme abgelehnt wurde, dahingehend geäußert, dass die entsprechenden Aussagen des Rb. rein tatsächlich unbrauchbar seien. Zu den übrigen bei den Staatsanwaltschaften in Schleswig-Holstein und dem Landeskriminalamt des Beklagten anhängigen Verfahrenskomplexen, in denen Aussagen des Rb. von Bedeutung sein konnten und können, habe sich der Generalbundesanwalt jedoch nicht geäußert. Hinzukomme, dass die Ausführungen des Rb. durch andere Zeugenaussagen gestützt würden.

65

Die teilweise als Straftat, teilweise als Ordnungswidrigkeit geahndeten, teilweise eingestellten Verfahren wegen der einzelnen unter 2 a) bis 2 v) aufgelisteten Waffendelikte vermöchten für sich genommen ein Vereinsverbot nicht zu tragen, seien aber ergänzend in den (verklammernden) Gesamtzusammenhang einzustellen.

66

Hinsichtlich der Straftaten im Zusammenhang mit der Prostitution betreibe zwar der klagende Verein selbst nach eigenem Verständnis keine Bordelle. Allerdings bestreite auch der Kläger nicht, dass mehrere seiner Mitglieder, darunter insbesondere Funktionsträger wie der Präsident, im Prostitutionsgewerbe tätig seien. Bei den Straftaten mit Bezug auf die Prostitution sei eine Zurechnung auch möglich durch die nachträgliche Förderung solcher Straftaten. Auch wenn der wegen schweren Menschenhandels und Körperverletzung verurteilte St. (Ziffer 3 a) der Verbotsverfügung) erst nach der Tat Vereinsmitglied geworden sein sollte, so habe der Verein dessen Tat im Nachhinein gebilligt und müsse sich diese zurechnen lassen, auch wenn sie bereits Jahre zurückliege. Auch bei dem wegen Zuhälterei in drei Fällen sowie Körperverletzung verurteilen Ge. komme es nicht darauf an, ob die der Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten begangen wurden, als dieser schon Vereinsmitglied gewesen sei. Der Kläger müsse sich den unter 3 b) der Verbotsverfügung aufgelisteten Tatkomplex ebenfalls wegen nachträglicher Billigung zuordnen lassen. In jedem Fall sei auch anhand dieser Tat die Hinwendung der Mitglieder des Klägers zum Prostitutionsmilieu und zu szenetypischen Straftaten zu erkennen, von der der Kläger insgesamt geprägt sei.

67

P., D.R. und St. seien durch das Landgericht Kiel (Az.: 7 KLs 2/03) wegen gemeinschaftlichen und gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern zu Freiheitsstrafen verurteilt worden. Hierbei seien führende Funktionsträger des Klägers gemeinsam tätig geworden. Zwar sei der Betrieb eines Bordells für sich allein betrachtet rechtmäßig. Strafbar seien allerdings bestimmte, mit diesem Betrieb einhergehende Verstöße gegen Strafgesetze wie im vorliegenden Falle die begangenen Straftaten gegen das Ausländergesetz durch Beihilfe zum illegalen Aufenthalt durch Einschleusen. Zwar sei die (unter 3 c) der Verbotsverfügung abgehandelte) Tat nicht eine solche des klagenden Vereins insgesamt. Es habe sich aber um eine Tat der beiden herausragenden Funktionsträger gehandelt, die diese Tat in einem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld begingen, in dem auch eine Mehrzahl anderer Vereinsmitglieder tätig gewesen seien und sich dort fortlaufende Einkünfte aus Tätigkeits- und Beschäftigungsverhältnissen im Bordellbereich versprochen hätten. Auch die unter3 d) und e) aufgeführten Straftaten seien dem Verein zuzurechnen, auch wenn erstere gemäß § 154 Abs. 1 StPO nicht weiter verfolgt worden sei und letztere keine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung zum Gegenstand habe. Auch der unter 3 f) abgehandelte Tatkomplex weise Vereinsbezug auf. Kr., der bis Ende 2006 dem Kläger angehört habe, sei wegen Menschenhandel zum Zweck der Zuhälterei, Zuhälterei sowie gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden (Landgericht Kiel Az.: 10 KLs 4/11). Der Ausschluss des Kr. aus dem klagenden Verein bedeute keine Distanzierung von dessen Taten. Kr. sei auch nicht im Hinblick auf diese Straftaten ausgeschlossen worden.

68

Ferner gehe aus dem Urteil des Landgerichts Kiel vom 14. Juni 2012 (28 KLs 1/11) hervor, dass Rb. die Prostituierte W. gezwungen habe, dem Vereinsmitglied P. sexuell zu Diensten zu sein, um sich als Präsident des Supporter-Clubs Ansehen beim Kläger zu verschaffen, wessen sich P. auch bewusst gewesen sei. Aus diesem Grunde sei auch dieses nachträglich vom Beklagten ermittelte und in das Verfahren eingeführte Tatgeschehen als vereinsprägend dem Kläger zuzurechnen. Dies sei auch bei den in der Verbotsverfügung aufgelisteten Betäubungsmitteldelikten der Fall.

69

Schließlich sei das Mitglied Hi. entgegen der Ausführungen des Klägers sehr wohl noch strafrechtlich in Erscheinung getreten. So seien bei der Vollstreckung eines Durchsuchungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts Schleswig im Zusammenhang mit der Zustellung des hier streitgegenständlichen Vereinsverbotes am 31. Januar 2012 bei Hi. ein sogenanntes Delta-Dart sowie zwei sogenannten Nunchakus aufgefunden worden, womit sich Hi. strafbar gemäß § 52 Waffengesetz gemacht habe. Er sei diesbezüglich mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 7. Dezember 2013 (Az.: 34 Gs 80/12) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,-- Euro verurteilt worden. Bei der Durchsuchung seien ferner Unterlagen aufgefunden worden, die auf mehrfache Betrugshandlungen zum Nachteil von Versicherungsunternehmen hindeuteten. Den an den Taten beteiligten Mitarbeitern einer Versicherungsgesellschaft werde in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Kiel vom 15. April 2013 vorgeworfen, zahlreiche Schadensmeldungen von Mitgliedern des HAMC Kiel oder ihnen nahestehenden Personen reguliert zu haben, obgleich die in den Anträgen geschilderten Ereignisse nicht stattgefunden hätten. Herr Hi. habe seine Funktion als Bevollmächtigter von Personen erklärt, die der Gruppierung Hells Angels zuzurechnen seien. Die erschlichenen Versicherungsleistungen seien teilweise nicht an die Mitglieder des Klägers ausgezahlt worden, sondern über Hi. als „Treasurer“ des Klägers auch unmittelbar dem Vereinsvermögen zugutegekommen. Hieraus ergebe sich ein vereinsrechtlicher Bezug dieser Straftaten zum Kläger.

70

Das Vereinsverbot sei im Übrigen verhältnismäßig im weiteren und im engeren Sinne. Der Beklagte habe Minusmaßnahmen als mildere Mittel erwogen, sei aber zwangsläufig zu dem Ergebnis gekommen, dass gleich geeignete Minusmaßnahmen als mildere Mittel gegenüber einem Vereinsverbot nicht ersichtlich seien. Ein zeitlich befristetes Vereinsverbot wäre als milderes Mittel nur geeignet, wenn die dem Verein zuzurechnenden Straftaten aus äußeren Umständen herrührten, die erkennbar mit Zeitablauf wegfallen würden, was hier offensichtlich nicht der Fall sei. Auch im Übrigen zeige der Kläger keine gleich geeigneten Minusmaßnahmen auf.

71

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte des vorliegenden Verfahrens (insbesondere auf die Klagebegründung v. 28. August 2013, die Klagerwiderung v. 16. Dezember 2013 und den Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers v. 17. Februar 2014) und des Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ( 4 MR 2/12 ), die gerichtlichen Beiakten (Beiakte B I und B II) sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten (Beiakte A) Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

72

Die Klage ist zulässig.

73

Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht, da der streitgegenständliche Verwaltungsakt von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist (§ 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO). Die Klage ist innerhalb der Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes in Vollmacht aller nach dem Vorbringen des Klägers zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorhandenen Mitglieder des klagenden Vereins erhoben worden. Die Klageerhebung für einen nicht rechtsfähigen Verein hat gem. § 62 Abs. 3 VwGO in Vollmacht seiner gesetzlichen Vertreter und Vorstände zu erfolgen. Dies sind gem. § 54 i.V.m. § 709 Abs. 1 BGB die Mitglieder des Vereins gemeinschaftlich, da im vorliegenden Falle nicht durch Satzung Stimmenmehrheit vereinbart oder eine Übertragung der Geschäftsführung erfolgt ist.

74

Dass die in der Verbotsverfügung namentlich benannten G. und Jk. die Klage nicht gemeinschaftlich mit erhoben haben, ist unschädlich, da sie, wie der nunmehrige Prozessbevollmächtigte in der Klagebegründung vom 28. August 2013 unwidersprochen ausgeführt hat, zwar zeitweilig den Status eines Prospects hatten, jedoch nie den Status eines Vollmitglieds erreichten und zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung auch aus dem Verein ausgeschieden waren. Umgekehrt ist auch unschädlich, dass die Klage auch namens und in Vollmacht von Herrn F. mit erhoben wurde, der - wie der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat - niemals Vereinsmitglied war.

75

Lediglich für das Vollmitglied XY wurde bei Erhebung der Klage zunächst keine Vollmacht vorgelegt. Dies wurde jedoch durch den nunmehrigen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 20. April 2012 nachgeholt (Bl. 75 PA). Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Klage auch in Vollmacht von Herrn Neumann erhoben wurde. Dass für Herrn Tk. keine Vollmacht durch den nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vorgelegt worden ist, berührt die Wirksamkeit der Klageerhebung schon deshalb nicht, weil bei Klageerhebung eine Vollmacht für den ursprünglichen Prozessbevollmächtigten vorlag (Bl. 61 R).

76

Der Kläger ist auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats wirksam durch seinen Prozessbevollmächtigten - Herrn Rechtsanwalt Kh. - vertreten. Die fehlende Vollmacht für Herrn Tk. ändert hieran nichts. Herr T. ist nach dem nicht bestrittenen Vortrag in der Klagebegründung nicht Vollmitglied, sondern hat den Status “Prospect“ inne. Seine Vollmacht ist deshalb für eine wirksame Bevollmächtigung durch den klagenden Verein nicht erforderlich.

77

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Voraussetzung ist, dass ein Verwaltungsakt angefochten wird, der zum Zeitpunkt der Klageerhebung erlassen worden sein muss.
Hieran bestehen keine Zweifel. Zum einen ist die Verbotsverfügung vom 18. Januar 2012 am 30. Januar 2012 allen Vollmitgliedern wirksam bekanntgegeben worden, sei es durch Aushändigung der Verfügung, sei es durch Ersatzzustellung durch Niederlegung (§ 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 181 Abs. 1 ZPO). Soweit einzelne Mitglieder sich geweigert haben, das jeweilige Empfangsbekenntnis zu unterschreiben, galt die Verbotsverfügung mit der Annahmeverweigerung als zugestellt (§ 179 S. 3 ZPO). Abgesehen davon, dass der Kläger Zweifel an der ordnungsgemäßen Zustellung der Verbotsverfügung an alle seine Mitglieder nicht geltend macht, wäre dies auch unerheblich, da etwaige Zustellungsmängel jedenfalls durch die Zustellungsfiktion geheilt wären (§§ 56 Abs. 1 u. 2 VwGO, 189 ZPO) und an der Wirksamkeit des Verbots nach Veröffentlichung des Verfügungstenors im Bundesanzeiger (BAnz 26/2012 v. 15.02.2012, 616) ohnehin kein Zweifel besteht (§ 3 Abs. 4 S. 3 VereinsG).

78

Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist lediglich insoweit rechtswidrig und daher gem. § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben, als in ihm festgestellt wird, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ohne dass allerdings hierdurch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Feststellung, dass der Kläger verboten ist, berührt würde.

79

Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung, insbesondere die Schriftform, die Begründung sowie die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger sowie im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes Schleswig-Holstein (AmtsBl. S-H 2012 Nr. 10,
S. 180) gem. § 3 Abs. 4 S. 1 u. 2 VereinsG, sind erfüllt.

80

Der Beklagte als für die Regelung des Vereinswesens oberste Landesbehörde war gemäß § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig, da sich die nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen erkennbare Organisation und Tätigkeit des Klägers auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkte. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass dem Kläger eine eigenständige Stellung als Vereinigung innerhalb der bundes- und weltweiten sogenannten Bewegung der “Hells Angels“ zukommt. Die Mitglieder des Klägers sind in Schleswig-Holstein wohnhaft; wesentliche Aktivitäten des Vereins außerhalb Schleswig-Holsteins sind nicht bekannt geworden.

81

Unabhängig von der Frage, ob der Kläger lediglich eine Teilvereinigung eines über das Gebiet Schleswig-Holsteins hinausgehenden größeren Vereins der “Hells Angels Bewegung“ darstellt und eine Einholung des Benehmens des Bundesministers des Innern nach § 3 Abs. 2 S. 2 VereinsG erforderlich war, ist dieses Benehmen vorsorglich hergestellt worden. Das Anschreiben des Beklagten an das Bundesministerium des Innern vom
12. Januar 2012, mit dem um Herstellung des Benehmens nach § 3 Abs. 2 S. 2 des Vereinsgesetzes nachgesucht wurde, enthielt in der Anlage den Entwurf der Verbotsverfügung. Die darin enthaltenen Informationen reichten jedenfalls aus, um den Bundesinnenminister in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Nachfragen gegenüber dem Beklagten zu tätigen. Dieses ist jedoch nicht erfolgt. Vielmehr bedankte sich das Bundesministerium des Innern mit Schreiben vom 17. Januar 2012 unter dem Betreff: “Herstellung des Benehmens nach § 3 Abs. 2 S. 2 VereinsG“für die Übersendung des Entwurfes einer Verbotsverfügung und teilte mit, das Bundesministerium des Inneren habe keine Anmerkungen. Damit ist den Anforderungen des § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 VereinsG jedenfalls Genüge getan. Die vorherige Übermittlung sämtlicher Informationsgrundlagen für die beabsichtigte Verfügung ist für eine wirksame Einholung des Benehmens nach § 3 Abs. 2 S. 2 VereinsG nicht erforderlich (ständige Rechtsprechung des Senats, Urt. v. 19.06.2012 - 4 KS 2/10 -; v. 13.11.2012 - 4 KS 1/10 -). In dem Umstand, dass dem Bundesministerium nicht die weiteren zum Vereinsverbot vorliegenden Erkenntnisquellen vorgelegen haben, liegt deshalb entgegen der Auffassung des Klägers kein Verfahrensfehler, der Zweifel an der Wirksamkeit des vorsorglich hergestellten Benehmens begründen könnte (vgl. so auch VGH Hessen, Urt. v. 21.02.2013 - 8 C 2134/11 -, Juris). Erst recht hängt die Frage, ob die Entscheidung der Verbotsbehörde im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern erfolgt ist, nicht davon ab, ob ein im Sinne des Klägers “vollständiger“ Verwaltungsvorgang geführt wurde oder ein solcher vollständig dem Gericht zur Verfügung gestellt worden ist.

82

Der Beklagte durfte von einer Anhörung des Klägers vor Erlass der Verbotsverfügung absehen. Zwar ist grundsätzlich dem von einem Eingriff in seinen Rechten Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 87 Abs. 1 LVwG). Hiervon kann jedoch unter anderem abgesehen werden, wenn eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG). Diese Voraussetzungen lagen vor. Mit dem Verbot des Klägers ist, entsprechend der in § 3 Abs. 1 S. 2 VereinsG vorgesehenen Regel, auch die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens sowie Sachen Dritter verfügt worden. Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, die es dem Kläger ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gem. § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war (vgl. BVerwG, ständige Rechtsprechung, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 f., beide Juris, m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Klägers bleibt dieser Aspekt nachvollziehbar, auch wenn der Kläger nicht über ein eigenes Vereinsheim verfügte. Hierdurch wurde die Möglichkeit keineswegs ausgeschlossen, dass - bei einer Ankündigung des Vereinsverbotes - Vereinsvermögen oder Sachen Dritter und Beweismittel beiseitegeschaffen würden. Der Umstand allein, dass sich die Mitglieder nach Vorbringen des Klägers nicht in einem eigenen Vereinsheim trafen, entzieht dieser Befürchtung nicht von vornherein die Grundlage. Ausreichend ist vielmehr, dass die Verbotsbehörde aufgrund ihr bekannt gewordener Tatsachen annehmen durfte, eine Anhörung könnte der betroffenen Vereinigung die Gelegenheit geben, ihr Vermögen, verbotsrelevante Unterlagen oder dergleichen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Dies ist in aller Regel bereits dann der Fall, wenn es tatsächliche Hinweise auf das Vorhandensein von nennenswerten Vermögensgegenständen oder Beweismaterialien gibt. Weitergehender Feststellungen und Erläuterungen bedarf es dann nicht (BVerwG, Beschl. v. 29.01.2013 - 6 B 40.12 -, DÖV 2013, 609 und v. 19.11.2013
- 6 B 25/13 -, Juris). So liegt es auch hier. Der Beklagte durfte von der Gefahr ausgehen, dass bei einer Ankündigung des Vereinsverbotes seine Infrastruktur, verbotsrelevante Unterlagen, Vereinsvermögen oder Sachen Dritter sowie für strafrechtliche Ermittlungsverfahren relevante Beweismittel beiseite geschafft würden. Letztere Gefahr lag wegen der teilweise im Stadium noch nicht abgeschlossener staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren befindlichen Strafverfahren gegen einzelne Mitglieder des Klägers nahe. Angesichts der einer Anhörung entgegengehaltenen Gefahren war dem Kläger auch kein Recht zuzugestehen, sich durch entsprechende Dispositionen wie eine allein durch den drohenden Erlass des Verbots veranlasste Distanzierung von Mitgliedern auf diese vereinsrechtliche Maßnahmen einzustellen.

83

Der Senat kann bei dieser Sachlage offenlassen, ob überhaupt bei unterbliebener Anhörung die Aufhebung des Vereinsverbotes wegen dieses Formfehlers beansprucht werden kann. Anzumerken ist nur, dass es sich bei dem hier streitgegenständlichen Vereinsverbot nicht um eine Ermessensentscheidung handelt, sondern um eine gebundene Entscheidung. Sie ist entweder rechtmäßig oder rechtswidrig. Ob das Vereinsverbot rechtlich zulässig ist, entscheidet sich nicht nach dem Willen der hiermit befassten Behörde, sondern nach der objektiven Sach- und Rechtslage. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass im Bereich der gebundenen Verwaltung gem. § 115 LVwG die Aufhebung eines Bescheides nicht allein wegen eines Formfehlers beansprucht werden kann, da es hier offensichtlich an einem wirklichen Kausalzusammenhang zwischen Verfahrensfehler und Entscheidung in der Sache fehlt (vgl. Senat, B. v. 22. Oktober 2012 - 4 MB 52/12 -). Ob dies auch im Vereinsverbotsverfahren gilt, kann hier aber offenbleiben, da - wie oben dargelegt - die Anhörung ohnehin unterbleiben durfte.

84

Die Verbotsverfügung ist nicht deshalb verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil der Beklagte - wie der Kläger geltend macht - keine eigenen ausreichenden Ermittlungen getätigt hat, sondern sich vom Landeskriminalamt und anderen Polizeibehörden hat “zuarbeiten lassen“. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG kann die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen. Sie darf im Rahmen ihrer Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts selbstverständlich auf Erkenntnisse zurückgreifen, die je nach dem in Rede stehenden Verbotsgrund bei anderen insoweit befassten Behörden angefallen sind. Die Einholung von Informationen bei anderen Behörden ist insoweit ein wesentliches Mittel der Sachverhaltsaufklärung und steht nicht in einem Gegensatz zu eigenständigen Ermittlungen der Behörde. An der gebotenen eigenständigen Würdigung des mit Hilfe anderer Behörden zusammengetragenen Informationsmaterials fehlt es nicht etwa allein deshalb, weil die Verbotsbehörde ihr überzeugend erscheinende Feststellungen anderer Behörden und Gerichte übernimmt (BVerwG, Beschl. v. 29.01.2013 - a.a.O. und v. 19.11.2013 - 6 B 25/13 -, Juris).

85

Bei der Entscheidung darüber, ob die Zwecke und die Tätigkeiten eines Vereins im Sinne des in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alternative GG den Strafgesetzen zuwider laufen, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben, handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung. Die Zurechnung von Straftaten einzelner Mitglieder zum Verein auf einer unzureichenden oder falschen Tatsachengrundlage oder aufgrund einer Fehlgewichtung einzelner für die Zurechnungsentscheidung relevanter Aspekte führt für sich genommen nicht etwa zur Rechtswidrigkeit der Verbotsverfügung. Ebenso wenig handelt es sich um eine einen Abwägungsvorgang voraussetzende Entscheidung, die den Anforderungen des etwa im Planfeststellungsrecht geltenden Abwägungsgebotes genügen müsste. Dort verlangt das Abwägungsgebot zum einen, dass eine Abwägung überhaupt stattfindet, zum anderen, dass in die Abwägung Belange eingestellt werden, die nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden müssen, und schließlich, dass weder die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (vgl. dazu etwa BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 - 4 C 21.74 -, BVerwG 48, 56 63, 64). Derartige Anforderungen in verfahrensrechtlicher Hinsicht gelten im vorliegenden Vereinsverbotsverfahren nicht. Ein rechtliches Gebot zu ausschließlich eigenständiger Ermittlung und Gewichtung der Tatsachengrundlagen für die hier in Rede stehende Feststellung der Strafrechtswidrigkeit besteht nicht. § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG bietet die Grundlage dafür, dass die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen kann, wie dies vorliegend etwa durch Einbindung der im Landeskriminalamt bestehenden, über besondere Sachkunde auf dem Gebiet der sog. Rockerkriminalität verfügenden Ermittlungsstäbe sowie durch Übermittlung von Informationen seitens der Staatsanwaltschaften geschehen ist (vgl. dazu bereits Senat, Urt. v. 19 Juni 2012 - Az. 4 KS 2/10). Die Kriterien für eine Zurechnung einzelner Straftaten, welche durch Mitglieder des Vereins begangen wurden, sind - wie oben ausgeführt - in der höchstrichterlicher Rechtsprechung und in der Rechtsprechung des Senats geklärt. Ob unter Berücksichtigung dieser Kriterien einzelne Straftaten der Vereinsmitglieder den Verein prägen und deshalb seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider laufen, ist eine vom Gericht zu überprüfende Frage der Erfüllung des Tatbestandes des § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG.

86

Aus dem gleichen Grunde wird die Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung auch nicht dadurch berührt, dass der Verwaltungsvorgang - auch dies macht der Kläger geltend - “abgemagert“ ist und insbesondere die der Entscheidung über die Verbotsverfügung zugrunde liegende Auswertung strafrechtlicher Ermittlungsakten in ihm nicht dokumentiert wurde. Zwar hat sich der Senat im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Beschl. v. 17.08.2012 - 4 MR 2/12 -) zu der Anmerkung veranlasst gesehen, der übersandte Verwaltungsvorgang lasse eine Dokumentation des Entscheidungsprozesses nicht erkennen. Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung obliege den Behörden die Pflicht zur Führung vollständiger und ordnungsgemäßer Akten. Bei einer Verletzung der Aktenführungspflicht komme im Einzelfall eine Beweislastumkehr in Betracht. Die Verpflichtung zur vollständigen Aktenführung und die in § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO geregelte Verpflichtung der Behörde zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften solle sicherstellen, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt so umfassend wie möglich aufgeklärt werde und dass alle Verfahrensbeteiligten von entscheidungserheblichen Vorgängen Kenntnis erlangten, um diese zur Grundlage ihres Vorbringens im Rechtsstreit machen zu können (BVerwG, Beschl. v. 04.01.2005 - 6 B 59.04 -, Juris m.w.N.) Der Umstand, dass der Verwaltungsvorgang keine Dokumentation der Zusammenarbeit mit anderen Dienststellen sowie der bis zum Erlass der Verbotsverfügung eingesehenen Strafermittlungsakten beziehungsweise deren Auszüge enthält, kann jedoch aus den oben genannten Gründen nicht die Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung berühren. Dem Kläger wird auch nicht etwa hierdurch eine effektive Rechtsverteidigung verunmöglicht. Er hatte Gelegenheit, im gerichtlichen Verfahren zu den in der Verbotsverfügung benannten strafrechtlich relevanten Sachverhalten und deren Zurechnung ebenso Stellung zu nehmen wie zu den nachträglich vom Beklagten - beispielsweise durch Bezugnahme auf das Urteil des Landgerichts Kiel vom 14. Juni 2012 gegen Rb. (28 KLs 1/11) - zur Begründung des Vereinsverbots herangezogenen Straftaten, was er auch getan hat. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass im Einzelfall strafrechtliche Ermittlungsverfahren, die sich auf Tatbestände beziehen, welche vor Erlass der Verbotsverfügung verwirklicht wurden, erst später abgeschlossen und ausgewertet werden können; dass in diesem Falle das Gericht im Wege der ihm obliegenden Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen selbst ermittelt, hat auch das Bundesverwaltungsgericht nicht beanstandet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.01.2013, a.a.O.). Etwaige erst im gerichtlichen Verfahren zu Tage tretenden Erkenntnisse strafrechtlicher Art sind für die durch das Gericht zu leistende Beurteilung des Vereinsverbotes heranzuziehen, sofern sie sich auf Straftaten beziehen, die vor Erlass der Verbotsverfügung liegen. Dies gilt entgegen der Auffassung des Klägers auch dann, wenn der entsprechende Vorwurf der Vereinsbehörde bis zum Verbot nicht bekannt war oder der entsprechende Vorwurf aus anderen Gründen nicht in die Verbotsverfügung übernommen wurde. Der Grund hierfür liegt darin, dass Vereine, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen, von Verfassungs wegen (Art. 9 Abs. 2 GG)verboten sind. Die diesen Tatbestand umsetzende Feststellung der Verbotsbehörde ist vom Senat objektiv zu überprüfen. Für eine „Verwirkung“ strafrechtlicher Vorwürfe im gerichtlichen Verfahren unter dem Gesichtspunkt, dass entsprechende Strafvorwürfe in der Verbotsverfügung nicht „angelegt“ wurden, ist deshalb kein Raum.

87

Schließlich ist die Verbotsverfügung auch nicht deshalb rechtswidrig, weil bei der Sammlung, Verarbeitung und Speicherung personenbezogener Daten gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen wurde. Der Senat hat zu dieser Problematik im Verfahren 4 KS 2/10 (Urt. v. 19.06.2012 - NordÖR 2012, 502) Folgendes ausgeführt:

88

„Schließlich bestehen auch gegen die mit der Durchführung des Verbotsverfahrens verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Beklagten - auch soweit sie eine Übermittlung bzw. Nutzung von Daten aus Strafverfahren und von Daten betreffen, die von Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben und gespeichert worden sind - keine Bedenken, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots auswirken könnten. Zutreffend ist, dass das Vereinsgesetz selbst keine bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen für eine derartige Datenverarbeitung enthält (vgl. dazu auch Grundmann, a.a.O., S. 68). Der durch
§ 1 Abs. 1 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden für das öffentliche Vereinsrecht für das Verbot zuständig erklärte Beklagte kann sich als Behörde der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Abs. 2 VereinsG: „...zur Wahrung der öffentlichen
Sicherheit ...“) jedoch auf die Rechtsgrundlagen der §§ 177 ff. LVwG, insbesondere die Erhebungsgrundlagen der §§ 177, Abs. 1, 178 Abs. 1 Satz 2, 179 Abs. 1 Nr. 1 LVwG und die Speicherungs- und Nutzungsgrundlage des § 188 Abs. 1 LVwG, stützen. Soweit die Daten aus Strafverfahren durch gemäß § 4 Abs. 1 VereinsG zulässigerweise im Rahmen der vereinsrechtlichen Ermittlungen mit in Anspruch genommene Polizeibehörden ausgewertet und an den Beklagten als Vereinsverbotsbehörde weitergeleitet worden sind, liegen die Voraussetzung einer Datenübermittlung und -verwendung aus dem auf das LVwG als Polizeigesetz verweisenden § 481 StPO vor, wobei der Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Organisation der Polizei in Schleswig-Holstein (POG) v. 12. November 2004 (GVOBl. Schl.-H. S. 408) eine Behörde der Polizei und Landespolizei- sowie Landeskriminalamt gemäß §§ 2, 3 POG zugeordnete Ämter beim Beklagten sind. Bedenken im Hinblick auf die bereichsspezifische, präzise und normenklare Festlegung der Voraussetzungen eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, Juris Rn. 93 ff.) der Mitglieder des Klägers (unabhängig davon, ob sie im Verfahren des klägerischen Vereins überhaupt zu überprüfen sind) bestehen im Ergebnis nicht. Es handelt sich um einen auf Grundlage der genannten Normen auch für die Betroffenen überschaubaren Datenverarbeitungsvorgang, dessen Anlass, Gegenstand, Zwecksetzung und Kreis der berechtigten Behörden jedenfalls hinsichtlich der Verwendung von Daten aus Strafverfahren und aus präventiv-polizeilichen Datensammlungen hinreichend präzise festgelegt ist“.

89

An dieser Auslegung nicht revisiblen Landesrechts (vgl. hierzu BVerwG, Beschl.
v. 29.01.2013, a.a.O.) hält der Senat fest.

90

Im Übrigen wäre, selbst wenn nach verfassungsrechtlichen Maßstäben eine präzisere gesetzliche Festlegung der Datenverarbeitungsbefugnisse im Zusammenhang mit dem Erlass von Vereinsverboten erforderlich wäre, vorliegend kein Verwertungsverbot der vom Beklagten im Einklang mit dem Gesetzeszweck des Vereinsgesetzes erlangten personenbezogenen Informationen aus Strafverfahren und Datensammlungen zur Gefahrenabwehr anzunehmen. Ein ausnahmsloses Beweisverwertungsverbot im Falle einer unzulässigen Datenverarbeitung lässt sich der Rechtsordnung weder allgemein noch im Bezug auf besonders tief in die Rechte Betroffener eingreifende Bereiche staatlichen Handelns entnehmen. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt für den Bereich des Strafprozesses festgestellt, dass von Verfassungs wegen kein allgemeines Verwertungsgebot rechtsfehlerhaft gewonnener Beweise besteht, vielmehr ein Beweisverwertungsgebot angesichts des ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten Belanges funktionstüchtiger Strafrechtspflege eine begründungsbedürftige Ausnahme darstellt, für die eine gesetzliche Grundlage gegeben oder ein übergeordneter wichtiger Grund anzuerkennen sein muss. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus Grundrechten ist nur in Fällen des Eingriffs in den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung anerkannt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.11.2010 - 2 BvR 2101/09 -, EuGRZ 2010, 780, Juris Rn. 43 ff.; Beschl. v. 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08 -, NJW 2010, 287, Juris Rn. 7 m.w.N.). Auf den vorliegenden Regelungszusammenhang übertragen ist zu berücksichtigen, dass § 3 Vereinsgesetz eine bereits verfassungsrechtlich vorgesehene Schranke der Vereinigungsfreiheit lediglich konkretisiert. Eine Nichtverwertung von zu Zwecken der Strafverfolgung und damit inhaltlich mit dem Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins gleichgerichteten Zwecken sowie zu Zwecken der Gefahrenabwehr gewonnenen Daten stünde mithin der Umsetzung eines bereits aus Verfassungsrecht abzuleitenden Vereinsverbots im Wege und wäre daher ähnlich wie im Strafprozessrecht ebenfalls aus übergeordneten Gesichtspunkten begründungsbedürftig, welche hier nicht ersichtlich sind (Senat, Urt.
v. 19.06.2012 a.a.O.)

91

Die Verbotsverfügung ist insoweit rechtmäßig, als festgestellt wurde, dass der Zweck und die Tätigkeit des klagenden Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, und an diese Feststellung die in den nachfolgenden Ziffern 2 - 5 ausgesprochenen rechtlichen Folgen geknüpft wurden.

92

Die Zwecke und die Tätigkeit des Klägers laufen i.S.d. in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt.
VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alt. GG den Strafgesetzen zuwider, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben.

93

Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, denn eine Vereinigung ist als solche nicht straffähig. Straffähig können nur natürliche Personen sein, da Strafbarkeit Schuldzurechnungsfähigkeit voraussetzt und diese nur natürlichen Personen zukommt. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Ergibt sich aus dieser eigenen Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln einer Vereinigung ein Verstoß gegen Strafgesetze, so ist der Verbotstatbestand erfüllt.

94

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Mitglieder der Vereinigung zugerechnet werden kann. Eine durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit muss den Charakter der Vereinigung prägen. Eine Vereinigung kann gleichzeitig verschiedene Zwecke, insbesondere neben dem satzungsmäßig ausgewiesenen legalen Zweck auch strafrechtsrelevante Ziele anstreben und durch das Verhalten ihrer Mitglieder verwirklichen. In diesem Falle ist es zur Erfüllung des Verbotstatbestandes nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht. Ebenso wenig muss eine Strafgesetzwidrigkeit auf Dauer bestehen. Es genügt vielmehr, wenn eine Vereinigung erst im Laufe der Zeit strafgesetzwidrig wird oder die Strafgesetzwidrigkeit zeitlich begrenzt ist. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen, und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt. Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Die Einbeziehung dieser Fallkonstellation ist vor allem durch den Sinn des Verbotstatbestandes geboten: Mit ihm soll nicht die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich sanktioniert, sondern einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die in der Gründung oder Fortführung einer Organisation zum Ausdruck kommt, aus der heraus Straftaten geplant oder begangen werden. Derartige Organisationen bergen eine besondere Gefahr für die durch Strafgesetze geschützten Rechtsgüter in sich. Die ihnen innewohnende Eigendynamik und ihr organisiertes Sach- und Personalpotential erleichtern und begünstigen strafbares Verhalten. Zugleich wird das Verantwortungsgefühl des einzelnen Mitgliedes häufig gemindert, die individuelle Hemmschwelle zum Begehen von Straftaten abgebaut und der Anreiz zu neuen Straftaten geweckt. Eine derartige verbotsrelevante Hilfestellung muss nicht von vornherein auf die Begehung konkreter Straftaten ausgerichtet sein oder auf einem zuvor gefassten Vereinsbeschluss beruhen. Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten der Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten, gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre zu den Straftaten ihrer Mitglieder jederzeit den erwarteten Schutz (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275, Juris Rn. 15 f.; Beschl. v. 25.08.2008 - 6 VR 2/08 -, Juris Rn. 11; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 - , BVerwGE 80, 299, DVBl. 1989, 311 Rn. 38 f.). Im Falle der Überprüfung des 1983 erlassenen Vereinsverbotes gegenüber dem „Hell‘s Angels Motor-Club e.V.“ Hamburg hat das Bundesverwaltungsgericht die Zurechnung einzelner Straftaten unter anderem mit dem Gesichtspunkt begründet, dass die Straftaten in Vereinskluft begangen wurden und dadurch den Ruf des Vereins als besonders gewalttätige und brutale Rockergruppe begründet oder bestätigt hätten (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 50). Demgegenüber kommt es auf den in der Satzung niedergelegten Zweck (Motorradclub) nicht entscheidend an, da strafrechtliche Zwecke üblicherweise nicht offen gelegt werden. Soweit in der Vereinssatzung aber der Grundsatz der Solidarität ausdrücklich als Vereinszweck genannt wird, kann dies als Ausdruck der unter den Mitgliedern angestrebten umfassenden Solidarität gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 43).

95

Der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder kann sich auch daraus ergeben, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Buchholz 402.45 VereinsG
Nr. 32, Juris Rn. 12). Eine Prägung des betreffenden Vereins durch ihm zuzurechnende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern liegt insbesondere dann nahe, wenn es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktionen handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, sowie Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.) oder wenn entsprechende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern in großer Zahl sowie auch noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder erfolgen (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009, a.a.O.). Ein prägender Charakter kann sich auch daraus ergeben, dass die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, a.a.O.).

96

Ein Verbot wegen Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins setzt eine vorherige strafrichterliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Ebenso wenig besteht eine materielle oder formelle Bindung an die rechtliche Würdigung eines bereits ergangenen Strafurteils. Die Strafgesetzwidrigkeit ist von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.; Urt.
v. 18.10.1988, a.a.O.; std. Rspr.).

97

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung ist derjenige ihres Erlasses. Zur Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit können, wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht, zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986; Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.1992 - 1 S 3626/88 -; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06/52 - sowie Beschl. v. 20.09.2006 - 4 AS 06.2036 -, alle in Juris). Berücksichtigungsfähig können auch Gesichtspunkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung nach Ergehen der Verbotsverfügung sein, soweit sie eine vor Erlass der Verbotsverfügung begangene Straftat betreffen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 38). Andererseits bietet Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG aber keine Grundlage für die Berücksichtigung von Veränderungen, die der Verein nach seinem Verbot vornehmen möchte, um dessen Voraussetzungen entfallen zu lassen. Solche nach Erlass der Verbotsverfügung geschaffenen Tatsachen können keine Wirkungen auf die Sachlage zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Verbotsbescheides mehr entfalten. Dem Verein sind im Übrigen Aktivitäten, soweit sie nicht die Rechtsverteidigung gegen das Vereinsverbot betreffen, und damit auch organisatorische Umgestaltungen, untersagt.

98

In Konkretisierung der genannten, aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG abgeleiteten Maßstäbe hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 VereinsG ausdrücklich ergänzende („auch“) Maßstäbe für die Zurechnung von Handlungen von Mitgliedern zum Verein festgeschrieben, wonach ein Verbot auch dann auf Handlungen von Mitgliedern gestützt werden kann, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu der Zielsetzung des Vereines besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Eine Erweiterung oder Einschränkung der zu Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 VereinsG in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe liegt in dieser ausdrücklich zur Schließung einer Regelungslücke getroffenen ergänzenden gesetzgeberischen Regelung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 45) jedoch nicht. Die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG sind in der Verfassung abschließend benannt; der Gesetzgeber darf keine zusätzlichen Verbotsgründe einführen (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Komm. zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 63; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot - Dogmatik und Praxis des Art. 9 Abs. 2 GG, Baden-Baden 2005, S. 115).

99

Die Annahme der Strafrechtswidrigkeit eines Vereins kann im Einzelfall bereits auf Grund einer Straftat der Mitglieder des Vereins gerechtfertigt sein (Senat, Urt. v. 19.06.2012
- 4 KS 2/10 -).

100

Bei Anwendung der dargestellten Maßstäbe muss sich der Kläger eine Reihe von Straftaten zurechnen lassen, die das Vereinsverbot rechtfertigen.

101

Das Mitglied Hi. ist durch Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 14. Juni 2006 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitstrafe von 8 Monaten verurteilt worden (Fall 1a; siehe Verbotsverfügung). Nach den unter anderem auf dem umfassenden Geständnis des Angeklagten beruhenden Feststellungen des Amtsgerichts Kiel trafen der Angeklagte und der Geschädigte Mark U. am 26. Juni 2005 in der Gaststätte “Other Place“ in Kiel, Wall 58, aufeinander. Im Jahre 2000 war es zwischen Hi. und U., mit dem er lange Zeit befreundet war, im Zusammenhang mit ausstehenden Mietzahlungen für die von U. angemietete Wohnung zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen, in deren Folge Hi. erhebliche Messerstichverletzungen erlitt. U. war von Mitgliedern des Motorradclubs „Hells Angels“ auf der Straße als derjenige erkannt worden, der dem Angeklagten im Jahre 2000 die Messerstiche beigebracht hatte. U. wurde in die Gaststätte verbracht, wo sich weitere Mitglieder des Motorradclubs aufhielten. Die übrigen Gäste der Gaststätte wurden hinaus gebeten. Zu diesem Zeitpunkt trat Hi. in die Gaststätte ein. Er versetzte U. mit einem Motorradhelm massive Schläge ins Gesicht und auf den oberen Brustbereich. Hierdurch zog sich das Opfer erhebliche Verletzungen zu, unter anderem einen traumatischen Hämatopneumothorax sowie Rippenbrüche.

102

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt in der zu beurteilenden Straftat keineswegs eine rein private, nicht vereinsbezogene Auseinandersetzung, auch wenn die “Vorgeschichte“ (körperliche Auseinandersetzung zwischen Hi. und U. im Jahre 2000) im Ausgangspunkt eine private Auseinandersetzung vor dem Hintergrund ausstehender Mietzahlungen gewesen sein mag. Die Tat vom 26. Juni 2005 weist jedenfalls einen deutlichen Vereinsbezug auf. Die gefährliche Körperverletzung ist überhaupt erst durch das Zusammenwirken von Mitgliedern der “Hells Angels“ ermöglicht worden. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts, die der Senat nicht in Zweifel zieht, war das Opfer von Mitgliedern des Motorradclubs auf der Straße erkannt und in die Gaststätte verbracht worden, wo sich zudem weitere Mitglieder des Motorradclubs aufhielten. Hierbei hat es sich nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung in der Verbotsverfügung immerhin um 8 (seinerzeitige) Mitglieder und damit um etwa ein Drittel aller Mitglieder des Klägers gehandelt. Durch das Hinausschicken anderer Gäste sowie auch der Bedienung (nach der insoweit ebenfalls nicht bestrittenen Darstellung in der Verbotsverfügung) wurde eine Abrechnungsmöglichkeit für den Täter geschaffen, ohne dass sein Opfer in Folge der gegebenen Übermacht eine Chance zur Verteidigung gehabt hätte und ohne dass Zeugen zu befürchten waren. Dieses arbeitsteilige Zusammenwirken bei der Ausführung der Tat rechtfertigt eine Zurechnung zum Kläger. Hieran vermag auch der Hinweis des Klägers nichts zu ändern, dass es zu Verurteilungen anderer Vereinsmitglieder wegen Mittäterschaft nicht gekommen sei.

103

Der Senat ist der Auffassung, dass sich die Strafrechtswidrigkeit des Klägers bereits aus dieser Tat ableiten lässt, auch wenn ihre Begehung, worauf der Kläger hingewiesen hat, bereits 6 Jahre vor Erlass Verbotsverfügung liegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in keiner Weise ersichtlich ist, dass sich der Kläger etwa im Nachhinein von diesem Verhalten Hi.s und anderer Mitglieder distanziert hätte. Hi. selbst ist bis zum Erlass der Verbotsverfügung Mitglied gewesen und bekleidete zu diesem Zeitpunkt eine herausgehobene Funktion (Treasurer). Es bleibt festzustellen, dass ein erheblicher Anteil des seinerzeitigen Mitgliederbestandes des Klägers in arbeitsteiligem Zusammenwirkung eine Situation nutzte, um einen der Ihren zu „rächen“, ohne dass auch nur ansatzweise deutlich wird, dass der Verein derartige Fälle von Selbstjustiz und Rache ablehnt und durch Einwirken auf seine Mitglieder für die Zukunft zu unterbinden sucht.

104

Erst Recht lässt sich die Strafgesetzwidrigkeit des klagenden Vereins jedenfalls in einer Zusammenschau mit einer weiteren Straftat (1 h der Verbotsverfügung) ableiten. Mit Urteil des Landgerichts Kiel vom 03. November 2010 sind die Angeklagten K.,
J. und R. wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden. Das Urteil ist zunächst bezüglich der Angeklagten J. und R. rechtskräftig geworden, nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung mittlerweile auch bezüglich K. (F.).

105

J. ist unstreitig bis zum Erlass des Vereinsverbotes Vollmitglied des Klägers gewesen. Er bekleidete als Funktionsträger die Position eines “Sergeant at arms“. R. war bis zum Sommer 2010 nach dem Vortrag in der Klagebegründung Mitglied der Hells Angels. Der mitgliedschaftliche Status von K. (jetzt: F.) ist streitig. Der Kläger trägt vor, K. (F.) sei im Januar 2010 aus dem Verein ausgeschieden. Auch der Beklagte konzediert, K. sei “offiziell“ vom 14. April 2000 bis zum 16. Januar 2010 Mitglied gewesen; danach habe er vom 16. Januar 2010 an die Position eines Secretary beim HAMC Lübeck gekleidet. Deshalb sei er in der Verbotsverfügung nicht als Vereinsmitglied aufgeführt worden; tatsächlich aber habe er das Vereinsleben bis zum Erlass der Verbotsverfügung geprägt. Auf dem Vereinskalender 2012 sei er neben dem damaligen Sergeant at arms J. abgebildet. Darüber hinaus gebe es ein im Zuge des Vollzugs des Vereinsverbotes am 31. Januar 2012 sichergestelltes Protokoll über ein Meeting vom 29. März 2011, aus welchem geschlossen werden könne, dass K. (F.) zu diesem Zeitpunkt Funktionsträger (Vice-President) beim Kläger war. Dies kann jedoch dahinstehen. Auch wenn man unterstellt, dass K. (F.) zum Zeitpunkt der Tatbegehung nicht Mitglied des Klägers gewesen ist, liegt eine schwere Straftat vor, die den Kläger prägt und ihm zuzurechnen ist. Nach den Feststellungen des Urteils des Landgerichts Kiel trainierten die Nebenkläger Gr. und Mi. in den späten Nachmittagsstunden des 15. März 2010 im Fitnessstudio „wellyou“ in der Feldstraße in Kiel. Der Vater des Nebenklägers Gr. war im Frühjahr 2010 sogenannter „Prospect“, das heißt Anwärter auf eine Mitgliedschaft bei der Rockergruppe Bandidos; das Opfer Gr. selbst hegte seinerzeit Sympathie für diese Gruppierung und hatte bereits mehrere Male Treffen der Bandidos besucht. Auch das damalige Vereinsmitglied R. trainierte im wellyou. Während des Trainings hörte der Nebenkläger Gr. auf seinem Handy Musik, wobei das Display das Logo der Bandidos zeigte. Dieser Sachverhalt wurde von R. wahrgenommen. Das Landgericht schloss nicht aus, dass Herr R. vor dem Hintergrund der früheren tätlichen Auseinandersetzungen zwischen den Rockergruppen Hells Angels und Bandidos sowie Drohungen im Internet gegen seine Person mit einem Angriff auf sich rechnete. In der Folgezeit versuchte er mehrfach, J. anzurufen. Als er ihn erreichte, bat er um Beistand. J. entschloss sich nach dem Anruf R.s, diesem im Fitnessstudio zur Seite zu stehen. Kurze Zeit später traf er auf K. (F.), mit dem er zum wellyou fuhr. Das Landgericht Kiel schloss in seiner Urteilsbegründung nicht aus, dass beide einen Angriff von den „Bandidos“ nahestehenden Personen auf R. befürchteten. K. trug eine Dose Pfefferspray sowie ein einschneidiges Messer mit einer Klingenbreite von höchstens 1,7 cm mit sich. Im Eingangsbereich des wellyou trafen sich J., K. und R. gegen 19:35 Uhr. Sie sahen die Nebenkläger das Fitnessstudio verlassen. R. berichtete, dass er bei einem der Trainierenden ein Bandidos-Logo auf dem Handy wahrgenommen habe. J., K. und R. folgten den Nebenklägern in Richtung des Treppenaufganges, der zum rückwärtigen Parkplatz des wellyou führte. Auf Anforderung der Angeklagten gab der Nebenkläger Gr. sein Handy heraus. Spätestens beim Anschauen des Handys entschloss sich K. dazu, Pfefferspray in die Gesichter der Nebenkläger zu sprühen. Daraufhin tränten und schmerzten die Augen der Tatopfer stark, so dass sie nichts mehr sehen konnten. Der Nebenkläger Mi. ging aufgrund der Schmerzen in den Augen zu Boden. Unmittelbar darauf erhielt zumindestens der Nebenkläger Gr. Faustschläge von einem oder zweien der Angeklagten. Aufgrund der Wirkung des Tränengases und der Faustschläge ging auch der Nebenkläger Gr. zu Boden und kam auf Mi. zu liegen. K. zog sein Messer und stach damit auf die am Boden liegenden Nebenkläger ein. Während Mi. nicht lebensgefährlich verletzt wurde, erlitt Gr. eine obere Stichverletzung im neunten Zwischenrippenraum, welche zu einer sogenannten Blut-Luft-Brust führte. Dies war ein lebensgefährlicher Zustand. Das Landgericht wollte dabei nicht ausschließen, dass R. und J. die Messerattacken nicht mitbekommen hatten. J. versetzte am Ende der Auseinandersetzung einem der am Boden liegenden Opfer noch einen Fußtritt in den Rücken. Er nutzte dabei aus, dass sie nicht in der Lage waren, sich zu wehren. Die Angeklagten entfernten sich vom Tatort. Die über Notruf um
19:43 Uhr alarmierte Rettungsleitstelle in Kiel veranlasste den Transport der Opfer durch ein Notarzteinsatzfahrzeug und zwei Rettungswagen. Die Nebenkläger wurden in das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein verbracht. Zwischenzeitlich hatte der Vater des Nebenklägers Gr. ein Mitglied der Rockergruppe Bandidos über den Angriff informiert. Kurze Zeit nach dem Transport der Nebenkläger ins Krankenhaus erschienen mehrere den Bandidos zuzuordnende Personen am Tatort, welche später auch das Universitätsklinikum aufsuchten. Weitere körperliche Auseinandersetzungen konnten an diesem Tag von der Polizei verhindert werden. Die Feststellungen zum Tatgeschehen am 15. März 2010 beruhten der nachvollziehbaren Begründung des Landgerichts Kiel (7 KLs 24/10) zufolge auf den glaubhaften Geständnissen der Angeklagten, den Aussagen der Zeugen Gr. und Mi. sowie der zeugenschaftlich vernommenen Polizeibeamten Ho. und Sch., im Übrigen auf der Verlesung und Inaugenscheinnahme von Vermerken und Berichten ermittelnder Polizeibeamter sowie von Lichtbildern vom Tatort. Der Angeklagte J. hat über seinen Verteidiger unter anderem einräumen lassen, er habe kurz vor dem gemeinsamen Verlassen des Tatorts noch einen Fußtritt gegen den Rücken einer der am Boden liegenden Zeugen geführt, ohne einen Messereinsatz zuvor wahrgenommen zu haben und ohne sagen zu können, welchen der Zeugen er selber getroffen habe. K. (F.) hat erklären lassen, er selbst sei am 3. März 2007 vor der Discothek “Mausefalle“ von Personen, die später zu den ersten Mitgliedern von Ablegern der sogenannten Bandidos in Schleswig-Holstein gehört hätten, lebensbedrohlich verletzt worden. Der Messerstecher selber habe zum Umfeld der Bandidos gehört. Aufgrund der Mitteilung seines Freundes J. sei er davon ausgegangen, dass R., der entsprechende Drohungen erhalten hatte, im “wellyou“ konkret bedroht sei. Es habe das Gerücht gegeben, dass durch gezielte Aktionen versucht worden sei, Mitglieder der Hells Angels alleine anzutreffen, um diese dann mit mehreren Personen der Bandidos anzugreifen. Von so einem Angriff gegenüber R. sei er ausgegangen. Die Messerstiche habe er gesetzt, um nicht erneut selbst ernsthaft verletzt zu werden.

106

In seiner Bewertung hat das Landgericht ausgeführt, die Motivation K.s, mit den Messerstichen jegliche Möglichkeit eines körperlichen Angriffs auf ihn zu verhindern, und das gedankliche Mitbewusstsein seiner bei früheren Auseinandersetzungen erlittenen schweren Verletzungen seien aufgrund der Schilderungen dieses Angeklagten für die Kammer nachvollziehbar. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der Bundesgerichtshof (Urt. v. 04.05.2011 - 4 StR 75/11 -) das Urteil des Landgerichts Kiel vom 3. November 2010 aufgehoben, soweit es den Angeklagten K. betrifft, und zwar im Ausspruch über die im Fall II.2.b (Tat vom 15. März 2010) der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe und die Gesamtstrafe. Der Bundesgerichtshof hat beanstandet, dass die Strafkammer zugunsten des Angeklagten K. angeführt habe, dass es sich bei dem Angriff um eine ungeplante Spontantat gehandelt habe, bei der der Angeklagte einen Angriff auf den mitangeklagten R. oder auf sich selbst für möglich hielt. Nach den zu beanstandenden Ausführungen der Strafkammer lasse „sich nicht ausschließen, dass der Angeklagte nicht nur durch das Tränengas, sondern auch durch die Messerstiche jegliche Möglichkeit an der körperlichen Gegenwehr der Tatopfer und eigener Verletzungen von vornherein verhindern wollte, wenngleich - wie festgestellt - ein derartiger Angriff oder Gegenwehr der Nebenkläger nicht bevorstanden“. Insoweit sei es rechtsfehlerhaft, die nicht „ausschließbare“ Vorstellung des Angeklagten (K.) bei dem Messereinsatz gegen die bereits kampfunfähigen und wehrlos am Boden liegenden Tatopfer - nämlich um jegliche Möglichkeit einer körperlichen Gegenwehr und eigene Verletzungen von vornherein zu verhindern - als bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt zu berücksichtigen. Eine Gegenwehr der Opfer sei auch aus subjektiver Sicht des Angeklagten nicht mehr zu erwarten gewesen; ein von dem Landgericht angenommener „vorbeugender“ Messereinsatz könne auch mit Blick auf frühere gewalttätige Auseinandersetzungen, in die der Angeklagte verwickelt gewesen sei und bei denen er selbst erheblich verletzt worden sei, nicht zur Begründung einer Strafmilderung herangezogen werden. Darüber hinaus begegne es durchgreifenden Bedenken, die Vorgehensweise des Angeklagten als ungeplante Spontantat zu bewerten. Es habe zum Zeitpunkt der Übergriffe keine wie auch immer geartete Provokation seitens der Tatopfer vorgelegen. Vielmehr hätten der Angeklagte und die Mitangeklagten die Auseinandersetzung mit den Nebenklägern, in die sich der Angeklagte bewaffnet begeben hatte, gezielt gesucht und die vorgefundene Situation zu einem für die Nebenkläger überraschend geführten Angriff ausgenutzt. Die fehlerhaften Strafzumessungserwägungen führten zur Aufhebung des Strafausspruchs im Umfang der Anfechtung. Bei den hier lediglich vorliegenden Wertungsfehlern bedürfe es jedoch keiner Aufhebung von Feststellungen. Die bisherigen Feststellungen könnten um solche ergänzt werden, die zu den bisher getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch treten.

107

Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Die gefährliche Körperverletzung gegenüber Gr. und Mi. wurde gemeinschaftlich begangen. Sie kann nur vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen den „Bandidos“ und den „Hells Angels“ gesehen werden. Der Kläger selbst räumt ein, R., der bereits zuvor als damaliges Vereinsmitglied Drohungen erhalten hatte, habe sich aufgrund des wahrgenommenen Vereinszeichens der Bandidos MC Neumünster im Handy-Display bedroht gefühlt.

108

Der Umstand, dass Gr. und Mi. keine Mitglieder des MC Bandidos waren, ändert nichts daran, dass die Täter, die sämtlich einen Bezug zum Kläger haben oder zumindest hatten, im Wege arbeitsteiligen Zusammenwirkens begangen wurde. Der Funktionsträger J. (Sergeant at arms) und das ehemalige Vereinsmitglied K. (F.) - welcher unstreitig zum Tatzeitpunkt nach dem formalen Ausscheiden aus dem HAMC Kiel jedenfalls Mitglied eines anderen Charters der Hells Angels (HAMC Lübeck) gewesen ist - sind auf die telefonische Bitte des R. hin zum Fitnessstudio wellyou gefahren, um dem damaligen Vereinsmitglied R. gegen einen (vermeintlichen) Angriff Beistand zu leisten. Nachdem vor Ort kein Angriff der das Fitnessstudio verlassenden Herren Gr. und Mi. festzustellen war, erfolgte gleichwohl ein mittäterschaftlich durchgeführter Angriff dieser beiden Personen. Auch nach der Bewertung des Bundesgerichtshofs ist die Auseinandersetzung mit den Opfern gezielt gesucht worden. Der Senat bewertet die gemeinschaftlich ausgeführte Tat als vereinsprägend. Darauf, dass dieser Tat auch nach Auffassung des Beklagten ursprünglich eine Fehleinschätzung der Situation durch R. zugrunde gelegen hat, kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass - wenn auch aus der Situation heraus - das ehemalige HAMC Kiel-Mitglied und seinerzeitige Mitglied des HAMC Lübeck K. zusammen mit dem damaligen Vereinsmitglied R. und dem Funktionsträger J., ohne selbst angegriffen worden zu sein, gezielt die strafrechtlich relevante Auseinandersetzung mit den Opfern suchten. Eine Distanzierung des Klägers zu diesem Tatgeschehen ist nicht erkennbar. Der Umstand, dass K. (F.) seit dem 16. Januar 2010 nicht mehr „offiziell“ Mitglied des HAMC Kiel war, belegt keinesfalls eine Distanzierung des Klägers vom Tatgeschehen des
15. März 2010. Der Beklagte hat vielmehr unwidersprochen darauf hingewiesen, dass der Austritt erfolgte, um Secretary im HAMC Lübeck werden können.

109

Soweit der Kläger rügt, er könne sich ohne Beiziehung der Strafakten nicht zum Vorbringen des Beklagtenvertreters einlassen, wonach J., wie sich aus Bl. 148 der Strafakten entnehmen lasse, einen Pullover mit einer bestimmten auf die Hells Angels oder deren Umfeld verweisenden Aufschrift getragen habe, ist dieser Sachverhalt für die Zurechnung nicht von Bedeutung. Der Senat legt nicht zugrunde, dass J. bei der Tatausführung „Vereinskluft“ getragen hat.

110

Soweit der Kläger ferner rügt, er könne die Bezugnahme des Prozessbevollmächtigten auf Blatt 152 der Strafakten nicht nachvollziehen, wonach die Vereinsmitglieder K. und J. die Beobachtung des R. hinsichtlich des Logos der Bandidos auf dem Mobilfunkdisplay bestätigt hätten, so ist eine Beeinträchtigung der prozessualen Rechte des Klägers ebenfalls nicht ersichtlich, weil sich die maßgeblichen Umstände für die Zurechnung der mittäterschaftlich begangenen Körperverletzung ohne weiteres aus den insoweit nicht bestrittenen Tatsachenfeststellungen des Urteils des Landgerichts Kiel vom 03. November 2010 ergibt, welches dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt ist und welches auch in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist.

111

Hinzu kommt, dass weitere Straftaten dem Kläger zuzurechnen sind. Diese Straftaten sind zwar nicht durch Mitglieder begangen worden, sie wurden jedoch von Mitgliedern des Supporterclubs Legion 81 im Interesse des Klägers verübt. Dies reicht jedenfalls im vorliegenden Falle für eine Zurechenbarkeit aus. Eine Vereinigung erfüllt den hier in Rede stehenden Verbotstatbestand der Strafgesetzwidrigkeit zwar zuvörderst dann, wenn ihre Mitglieder oder Funktionsträger Straftaten begehen, die der Vereinigung zurechenbar sind und ihren Charakter prägen. Darin erschöpft sich der Verbotstatbestand aber nicht. Er verlangt nicht, dass Mitglieder oder Funktionsträger der Vereinigung gegen Strafgesetze verstoßen oder ihnen zuwider handeln. Er setzt vielmehr in einem darüber hinausweisenden Sinne Zwecke oder Tätigkeiten voraus, die den Strafgesetzen zuwider laufen. Den Strafgesetzen zuwiderlaufen Zwecke und Tätigkeiten aber nicht nur dann, wenn unmittelbar gegen Strafgesetze verstoßen wird, sondern auch dann, wenn Straftaten hervorgerufen, ermöglicht oder erleichtert werden. Mit dem Verbotsgrund soll nicht die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich vereinsrechtlich sanktioniert werden. Vielmehr soll einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die sich daraus ergibt, dass Straftaten in einem vereinsmäßig organisierten Zusammenhang begangen werden. Diese Gefährdung geht von der Vereinigung als solcher aus. Nach dem Sinn und Zweck des Verbotsgrundes laufen ihre Zwecke und Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwider, wenn sie die Gefahr einer Begehung von Straftaten bewusst hervorruft oder verstärkt oder diese Gefahr tatsächlich von ihr ausgeht. Werden durch die Vereinigung Straftaten hervorgerufen, ermöglicht oder erleichtert, ist unerheblich, ob diese Straftaten durch Funktionsträger, Mitglieder oder Anhänger der Vereinigung oder durch Dritte begangen werden (BVerwG, Urt. v. 19.12.2012, NVwZ 2013, 870).

112

So liegt es hier. Mit Urteil vom 14. Juni 2012 verurteilte das Landgericht Kiel (28 KLs 1/11) den ehemaligen Präsidenten der Legion 81 Rb. - unter anderem - wegen gemeinschaftlich versuchter gefährlicher Körperverletzung, gemeinschaftlich begangener Sachbeschädigung und schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in zwei tateinheitlich begangenen Fällen in Tateinheit mit Zuhälterei und mit Beihilfe zur Zuhälterei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 4 Monaten. Zur Vorgeschichte der gemeinschaftlichen versuchten gefährlichen Körperverletzung zu Lasten des Opfers Be. vom 20. Januar 2010 stellte das Landgericht fest, vor dem Hintergrund der von den Hells Angels abgelehnten Gründungstätigkeiten für ein Chapter der Motorradorganisation „Bandidos“ in Preetz sei Rb. Mitte/Ende 2009 vom Vizepräsidenten des Klägers, P., um Unterstützung gebeten worden. Es sollte vom Angeklagten ein Supporterclub für die Hells Angels Kiel aufgebaut werden, um den Aufbau des verfeindeten Clubs zu verhindern und die Hells Angels allgemein zu unterstützen. Als „Belohnung“ für Rb. sei zwischen ihm und der Führung der Hells Angels beabsichtigt gewesen, nach erfolgreicher Beendigung der Auseinandersetzungen mit den Bandidos gemeinsam mit weiteren Personen ein eigenes Charter der Hells Angels in Kiel-Gaarden zu eröffnen. Ab etwa Ende 2009 habe der Angeklagte an regelmäßigen Treffen mit der Führung der Hells Angels teilgenommen. Zu dieser Zeit hätten unter anderem das spätere Opfer Be. und das ehemalige Vereinsmitglied Kr. beabsichtigt, in Preetz ein neues Chapter der mit den Hells Angels verfeindeten Bandidos zu gründen, dessen Vizepräsident das Opfer Be. werden wollte. In diesem Zeitraum, nämlich zum 1. Januar 2010, sei die Legion 81 „offiziell“ gegründet worden. Präsident sei Rb. gewesen. Die Struktur der Hells Angels sei übernommen worden. Es habe insgesamt der Grundsatz von Befehl und Gehorsam gegolten, wobei der Zusammenschluss auf der einen Seite auf dem Gedanken einer Bruderschaft, auf der anderen Seite bei Verstößen und Versagen auf Bestrafung durch Demütigung und Gewalt beruht habe. Rb. seinerseits habe den Hells Angels unterstanden. Als eine erste Bewährungsprobe habe der Präsident der Legion 81 von den Hells Angels den Auftrag erhalten, das Opfer Be. als Bestrafung für einen ins Internet gestellten, die Hells Angels demütigenden Comicstrip sowie für die Pläne zur Eröffnung eines Bandidos-Chapters in Preetz durch Legionäre zu verprügeln. Diverse Versuche in dieser Richtung seien jedoch gescheitert. Rb. sei dann von den führenden Personen der Hells Angels damit beauftragt worden, dafür zu sorgen, dass Mitglieder der Legion 81 einen Schuss auf das Bein des Zeugen Be. abgäben. Der Geschädigte habe eine letzte Warnung erhalten und konkludent mit dem Tode bedroht werden sollen. Rb. habe bei einem Treffen mit H., D.R. und Ge. 5.000,-- Euro Bargeld erhalten, wovon 3.000,-- Euro als teilweise Entlohnung für den Auftrag und 2.000,-- Euro für den Kauf eines Fahrzeugs zur Ausführung der Tat gedacht gewesen seien. Ferner sei dem Angeklagten zuvor im Rahmen einer größeren Waffenlieferung von Ge. ein Revolver der Marke Weihrauch Arminius Kaliber 38 Spezial übergeben worden, mit welchem der Schuss durch den Zeugen B. abgegeben werden sollte. Das Mitglied der Legion 81 B. sei von Rb. mit dem Argument, die Tat würde einen Befähigungsnachweis gegenüber den Hells Angels darstellen, als Schütze eingeteilt worden. Am Morgen des 20. Januar 2010 seien B. und der als Fahrer fungierende Zeuge U. mit dem geladenen Revolver, Schlagstöcken und zur Maskierung dienenden Sturmhauben nach Preetz gefahren. Rb. habe sich zu diesem Zeitpunkt außerhalb Kiels befunden, um nicht in Tatverdacht geraten zu können. Er habe sich als Verantwortlicher für die Organisation des ihm anvertrauten Anschlags auf Be. gesehen. Gegen 9.20 Uhr trafen nach Feststellung des Landgerichts Kiel B. und U. am Wohnort von Be. ein. Der Zeuge B. kurbelte das Fenster der Beifahrertür hinunter und zielte auf den nur wenige Meter von ihm entfernten Be., entschloss sich jedoch dann, entgegen dem eigentlichen Tatplan nicht in dessen Bein zu schießen, sondern schoss neben den Zeugen Be. auf das Garagentor. Aufgrund der von Be. der Polizei gegenüber gegen 9.35 Uhr abgegebenen Fahrzeugbeschreibung konnte das in Richtung Kiel flüchtende Auto festgestellt und gestoppt werden. Die Zeugen B. und U. wurden vorläufig festgenommen. Bei der Durchsuchung des Fahrzeugs wurde - unter anderem - der für die Tat benutzte Revolver sichergestellt.

113

Mit der Tatausführung seien weder der Angeklagte noch die Verantwortlichen der Hells Angels zufrieden gewesen. Die für die Verteidigung B.s und U.s notwendig werdenden Anwaltskosten seien von den Verantwortlichen der Hells Angels nicht übernommen worden, da es „für ein Loch in einer Garage“ kein weiteres Geld gebe. Letztlich sei der Zweck der Einschüchterung aber eingetreten. Der Zeuge Be. habe unter Aufgabe der Pläne der Gründung eines Bandidos-Chapters in Preetz seine „Kutte“ der Bandidos bei den Hells Angels abgegeben und ein ihm auferlegtes Strafgeld gezahlt.

114

Das Kerngeschehen beim Anschlag auf Be. am 20. Januar 2010 ist unstreitig.
Rb. ist durch Urteil des Landgerichts Kiel (rechtskräftig seit dem
15. August 2012) als Mittäter, nicht lediglich als Anstifter, verurteilt worden. Er sei gemeinsam mit jedenfalls B. aufgrund eines gemeinsamen Tatwillens und mitgewollter gemeinsamer Tatherrschaft tätig gewesen. Zwar habe er keine Mitwirkung am Kerngeschehen vor Ort in Preetz erbracht, jedoch die gemeinsam gewollte Tat durch weitgehende Vorbereitungshandlungen gefördert, insbesondere bestimmte Personen als Fahrer und Schützen festgelegt und ihnen den Tattag und die Tatausführung, welche von ihm in Absprache mit den Hells Angels entwickelt worden sei, vorgegeben, die Anschaffung des Tatfahrzeuges befohlen sowie dessen Zulassung veranlasst. Auch habe er den Revolver gestellt und diesen dem Zeugen B. übergeben. Der Kläger bestreitet das Kerngeschehen nicht, macht jedoch geltend, die Tat könne dem Verein nicht zugerechnet werden. Ein Vereinsbezug zum HAMC Kiel sei nicht nachgewiesen beziehungsweise widerlegt. Dies ergebe sich auch aus der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel vom 28. Dezember 2011 im Ermittlungsverfahren 593 Js 32213/11. Der Belastungszeuge Rb. sei unglaubwürdig. Dies gehe aus dem Schreiben des Generalbundesanwaltes vom 15. August 2012 hervor, mit dem dieser wegen Unbrauchbarkeit der Zeugenaussage des Rb. eine Übernahme der Ermittlungen wegen angeblicher Waffengeschäfte zwischen dem HAMC Kiel und dem NSU abgelehnt habe. Dem folgt der Senat nicht. Die Tat vom 20. Januar 2010 ist dem Kläger zuzurechnen, auch wenn sie nicht durch Vereinsmitglieder ausgeführt worden ist. Der Hintergrund der Tat ist aufgrund der Aussagen des Angeklagten Rb. beleuchtet worden. Der Umstand, dass - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - der Generalbundesanwalt in anderem Zusammenhang (angebliche Waffengeschäfte zwischen dem Kläger und dem NSU) die Aussagen des Rb. als unbrauchbar eingestuft hat, führen nicht zur allgemeinen Unglaubwürdigkeit des Rb.. Die Würdigung des Landgerichts, wonach den Aussagen Rb.s bezüglich der Tat vom 20. Januar 2010 zu folgen sei, ist für den Senat nachvollziehbar. Während Bezichtigungen in anderem Zusammenhang damit erklärt werden könnten, Rb. habe absichtlich übertrieben, um seinen Wert als Belastungszeuge gegenüber dem HAMC Kiel zu steigern und sich dadurch möglicherweise einen größeren Strafnachlass zu sichern, ist hier von Bedeutung, dass Rb. sich selbst schwer belastet hat. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Anschlag auf Be. im Interesse des Klägers ausgeübt wurde mit dem (letztlich auch erreichten) Ziel der Verhinderung eines konkurrierenden Chapters der Bandidos in Preetz. Dies wird nicht dadurch widerlegt, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Sergeant at Arms Ge. eingestellt worden ist. Ge. wurde in diesem Ermittlungsverfahren (Fall 1h) zur Last gelegt, eine Sporttasche mit Waffen im Treffpunkt der Supporterorganisation „Legion 81“ an deren Mitglieder übergeben zu haben. Die Einstellung erfolgte, da aufgrund der Vagheit der Angaben des Zeugen B. und der nicht sichergestellten Waffen und der damit einhergehenden fehlenden Möglichkeit einer Überprüfung durch einen Sachverständigen sowie der ergebnislos erfolgten zeitweiligen Überwachung der Kommunikation von Ge. eine Wahrscheinlichkeit späterer Verurteilung durch die Staatsanwaltschaft verneint wurde. Das Verfahren ist deshalb gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Dies steht einer Zurechnung nach den oben beschriebenen vereinsrechtlichen Kriterien jedoch nicht entgegen. Der Nachweis einer Übergabe der Sporttasche mit Waffen durch Ge. ist hierfür ebenso wenig erforderlich wie eine Verurteilung einzelner Vereinsmitglieder wegen Anstiftung oder Beihilfe zur Tat vom 20. Januar 2010. Es ist auch nicht der Nachweis erforderlich, dass ein oder mehrere Vereinsmitglieder - wie dies bei der Anstiftung gemäß § 26 StGB im Hinblick auf den Vorsatz des Anstifters erforderlich ist - sich der wesentlichen Punkte der dem Angestifteten angesponnenen Tat bewusst waren. Es reicht aus, dass führende Vereinsmitglieder eine Einschüchterung des Zeugen Be. wünschten. Hiervon ist der Senat aufgrund der Feststellungen des landgerichtlichen Urteils überzeugt. Dass der Senat diese tatsächlichen Feststellungen zugrundelegen will, ist im Übrigen in der mündlichen Verhandlung angesprochen worden; die Parteien haben dem in der mündlichen Verhandlung insoweit auch nicht widersprochen. Der Vereinsbezug wird zusätzlich dadurch deutlich, dass - wiewohl der Schuss „nur“ auf das Garagentor abgegeben wurde - der Geschädigte Be. den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils zufolge unter Aufgabe der Pläne der Gründung eines Bandidos-Chapters in Preetz seine Bandido-„Kutte“ bei den Hells Angels abgab und ein ihm auferlegtes Strafgeld zahlte.

115

Ein Nachweis der konkreten Kenntnis von führenden Vereinsmitgliedern von der Tatausführung im Detail ist für eine Zurechnung nicht erforderlich. Entsprechend steht die fehlende strafrechtliche Verurteilung von Mitgliedern des Klägers wegen Mittäterschaft, Beihilfe oder Anstiftung zum Attentat auf Be. dieser Wertung nicht entgegen. Das Motiv, durch die Einschüchterung die Gründung eines konkurrierenden Chapters der Bandidos in Preetz zu verhindern, diente der Erhaltung und Festigung des territorialen Machtanspruches des Klägers und der Vorbeugung einer konkurrierenden Betätigung durch die Bandidos. Bei dieser Sachlage ist die Zurechnung der Tat vom 20. Januar 2010 gerechtfertigt. Sie stellt sich ebenfalls als vereinsprägend dar.

116

Auch diese Straftat kann bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots aus den oben bereits dargelegten Gründen herangezogen werden und begründet bereits für sich allein genommen die Strafgesetzwidrigkeit des klagenden Vereins. Diese Schlussfolgerung wird noch bestärkt durch den Umstand, dass das Attentat auf Be. zwar - soweit ersichtlich - ein besonders schwerwiegender Einschüchterungsversuch im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und den Bandidos, nicht jedoch der einzige gewesen ist. Nach den im Wesentlichen auf dem Geständnis des Rb. beruhenden Feststellungen des Landgerichts Kiel, denen der Senat folgt, beauftragten führende Mitglieder des HAMC Kiel Rb. als Präsident der Legion 81 damit, das Mitglied der Bandidos in Neumünster, C., zu schädigen. Mitglieder der Legion 81 sollten die Scheiben im Hause des Zeugen C. einwerfen und diesen, wenn er aus dem Haus herauskäme, verprügeln. Dementsprechend fuhren mehrere Mitglieder der Legion 81 mit Steinen zum Wohnort des C. nach Molfsee und schlugen die Scheiben des Wohnzimmerfensters ein. Da niemand heraustrat (C. befand sich an diesem Abend nicht im Haus), fuhren die Täter wieder davon. Der Senat schließt sich der Bewertung des Landgerichts an, wonach die ihn selbst in diesem Punkte belastenden Zeugenaussagen des Rb. glaubhaft sind. Auch hier ist eine Zurechnung der Straftat (gemeinschaftlich begangene Sachbeschädigung) zum Kläger gerechtfertigt, da die Tat vor dem Hintergrund der rivalisierenden Auseinandersetzung mit den Bandidos im Interesse der eigenen Machtentfaltung und territorialen Gebietsabgrenzung des Klägers erfolgte.

117

Hinzu kommt die im Urteil des Landgerichts Kiel vom 14. Juni 2012 ebenfalls abgeurteilte gemeinschaftlich begangenen Sachbeschädigung vom 4. Mai 2010, bei der ein Fahrzeug des seinerzeitigen Bandidos-Mitglieds Mh. in Kiel durch Rb. und weitere Mitglieder der Legion 81 beschädigt wurde. Auch diese vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung der Bandidos und der Hells Angels und deren Interesse an der Durchsetzung ihres territorialen Gebietsanspruches in Kiel zu sehende Straftat geschah mit Wissen und Billigung von Funktionsträgern des Klägers und in seinem Interesse.

118

Rb. ist in dem bezeichneten Urteil des Landgerichts Kiel ferner rechtskräftig wegen schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in zwei tateinheitlich begangenen Fällen in Tateinheit mit Zuhälterei und mit Beihilfe zur Zuhälterei verurteilt worden. Dem lag - unter anderem - zugrunde, dass Rb. die unter 21 Jahre alte Frau W. zur Prostitution brachte und seines Vermögensvorteils wegen Ort, Zeit und Ausmaß ihrer Prostitutionsausübung bestimmte. Rb. überredete zusammen mit dem Mitglied der Legion 81 T. Frau W. und deren Freundin Ba. Ende September/Anfang Oktober 2010, in der „Aphrodite“ mitzuarbeiten, um dort dann bereits nach kurzer Zeit der Prostitution nachzugehen. Das Landgericht traf hierzu die Feststellung, es habe Ende September 2010 von Rb. und Herrn T. den Plan gegeben, die kennengelernten Frauen, von denen sie wussten, dass sie unter 21 Jahre gewesen seien, zur Prostitution zu bringen, um daraus Gewinn ziehen zu können. Frauen zur Prostitution zu bringen und an dem Prostitutionsgewinn teilzuhaben, sei Mitgliedern der Hells Angels und der Legion 81 regelmäßig von der Führung nahegelegt worden. Dies sei zum einen aus finanziellen Gründen geschehen. Zum anderen sei damit auch ein Ansehensgewinn zu erreichen gewesen. Besonders aktiven Zubringern sei der Status als Mitglied der sogenannten „red-light-crew“ verliehen worden, einer Sondergruppierung der Hells Angels, die durch eine entsprechende Kennzeichnung auf den Kutten erkennbar gewesen sei. Mit der Zugehörigkeit zur „red-light-crew“ sei die besondere Stellung im Rotlichtbezirk verdeutlicht worden. Eine solche „Auszeichnung“ habe Ansehen innerhalb der Gruppen, insbesondere bei den Hells Angels verschafft. Auch für den Angeklagten, der Mitglied der „red-light-crew“ wurde und für die übrigen Member der Legion sei dies von einiger Wichtigkeit gewesen, da ein entsprechendes Ansehen notwendig war, um wie geplant das Hells Angels Charter Kiel Süd eröffnen zu können und zu dürfen. Bei der Bar „Aphrodite Wellness-Club“ in Grevenkrug an der B 4 habe es sich um ein legales von den Hells Angels betriebenes Bordell gehandelt. Die finanziellen Bedingungen seien dergestalt geregelt gewesen, dass der Club 50 % der Prostitutionseinnahmen behalten habe; 25 % seien an die Prostituierte und 25 % an den jeweiligen Zuhälter gegangen. Rb. habe Ort, Zeit und Ausmaß der Prostitutionsausübung von Frau W., T. Ort, Zeit und Ausmaß der Prostitutionsausübung von Frau Ba. bestimmt. Gegen den Wunsch der Frauen bestimmten sie auch, dass die Frauen ab Ende Oktober 2010 in dem ebenfalls von den Hells Angels geführten, jedoch illegalen Bordell „White House“ in Flensburg der Prostitution nachgehen sollten, weil dort mehr Kundschaft auflief und dementsprechend höhere Gewinne erzielt werden konnten. Frau W. habe sich im Januar 2011 der Polizei offenbart, während sie noch der Prostitution nachgegangen sei, wobei sie diese vorwiegend in der „Aphrodite“ ausgeübt habe. Außerdem habe Rb. sie gezwungen, regelmäßig nach Treffen der Legion 81 mit dem damaligen Vizepräsidenten der Hells Angels Kiel, dem gesondert verfolgten P., eine Wohnung aufzusuchen, wo dieser die Zeugin W. mehrfach sexuell missbraucht und vergewaltigt habe und ihr durch Einführen eines großen Dildos in den Analbereich erhebliche Schmerzen zugefügt habe. Dabei ist das Landgericht zugunsten von Rb. davon ausgegangen, dass dieser von dem genauen Geschehen, insbesondere der Zufügung der Schmerzen, zu diesem Zeitpunkt nicht informiert gewesen sei, sondern lediglich von einer Prostitutionstätigkeit ausgegangen sei. Die von Rb. begangenen Straftaten (§§ 232 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Nr. 3, 1. Alternative, 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) prägen den Kläger. Dabei ist unerheblich, dass der Vizepräsident des Klägers, P., wegen der ihm vorgeworfenen sexuellen Handlungen an W. nicht rechtskräftig verurteilt ist. Hierauf kommt es bei der Zurechnung der von Rb. im Zusammenhang mit der Ausübung der Prostitution begangenen Straftaten nicht an. Nach den Feststellungen des Landgerichts, die der Senat nicht in Zweifel zieht, entsprach es dem ausdrücklichen Wunsch führender Mitglieder des Klägers, dass durch die Mitglieder der Legion 81 für Nachschub an Prostituierten gesorgt wurde, die in der Aphrodite beziehungsweise im White-House arbeiteten. In der mündlichen Verhandlung ist darauf hingewiesen worden, dass nach den Ausführungen im Urteil des Landgerichts Kiel v. 14. Juni 2012 jedenfalls diese beiden Betriebe von den Hells Angels geführt wurden. Dies ist in der mündlichen Verhandlung konkret nicht mehr bestritten worden. Auch hat der Kläger nicht bestritten, dass Rb. Mitglied der „red-light-crew“ war und dass der im Urteil des Landgerichts Kiel festgestellte Verteilungsschlüssel für die Einnahmen aus dem Bordellbetrieb (50 % an den Betreiber) zutrifft. Bei dieser Sachlage ist eine Zurechnung der von Rb. begangenen Straftaten an den Verein gerechtfertigt. Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass der Kläger durch die Etablierung eines Ansehen verschaffenden Mitgliedsstatus bei der sogenannten red-light-crew, welcher durch entsprechenden Aufnäher auf der Kutte erkennbar war, seinen Einfluss und seine Interessen im Bereich des Rotlicht-Milieus manifestiert hat. Zwar ist das Betreiben eines Bordells - worauf der Kläger hingewiesen hat - für sich genommen nicht strafbar. Dies ändert aber nichts daran, dass der Kläger, wenn er seine Interessen auf diesen Bereich erstreckt und durchzusetzen versucht, eine Verantwortung dafür trägt, dass es nicht zu Straftaten seiner Mitglieder in diesem Bereich kommt bzw. dass er sich von Mitgliedern, erst recht von Funktionsträgern distanziert, die Straftaten begangen haben, die mit dem Rotlichtmilieu in eindeutigem Zusammenhang stehen.

119

Dabei kann trotz des erheblichen zeitlichen Abstandes nicht außer Betracht bleiben, dass D.R., der Präsident des Klägers, und P., der Vizepräsident, durch das Landgericht Kiel mit rechtskräftigem Urteil vom 16. April 2003 wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von jeweils 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden sind. Der Kläger hält eine Zurechnung zum Verein für fehlerhaft, da ein zeitlicher Bezug zum Vereinsverbot vom
18. Januar 2012 fehle, das Bordell in Kiel nicht vom Kläger selbst betrieben werde und eine organisatorische Hilfe des Vereins speziell bei der der Verurteilung zugrunde liegenden Einschleusung nicht dargetan sei. Der Betrieb einer prostitutiven Einrichtung sei zudem vollkommen legal. P., D.R. und (der zwischenzeitlich verstorbene) Andreas St. hätten sich lediglich persönliche Einnahmequellen verschaffen wollen. Dem kann nicht gefolgt werden. Nach der unter anderem auf den Geständnissen der Angeklagten fußenden Überzeugung des Landgerichts vereinbarten P. und D.R spätestens im September 1999, in Kiel ein Bordell unter Einsatz zumeist ausländischer, möglicherweise illegal aufhältiger Frauen zu betreiben. Der Angeklagte P. sollte der Ansprechpartner und Hauptverantwortliche in dem Bordell sein. Der Angeklagte D.R wollte die entsprechenden Räumlichkeiten besorgen und die organisatorische und verwaltungstechnische Abwicklung gestalten. Der Angeklagte St. erklärte sich bereit, als Hauptwirtschafter des Bordells zu fungieren und die übrigen Wirtschafter, die vor allem aus dem Kreise der sonstigen Hells Angels in Kiel rekrutiert werden sollten, zu überwachen. Er sollte sich vorwiegend nachts in dem Bordell aufhalten, die Miete kassieren und Belegungslisten erstellen. Diese sollten von dem Angeklagten D.R kontrolliert und weiterbearbeitet werden. Entsprechend dem vorgefassten Plan übernahm der Angeklagte D.R die Anmietung des Gebäudes im Wall 50 in Kiel, um dort das Bordell „Eros Center“ zu gründen. Zunächst mietete der Angeklagte D.R über seine Lebensgefährtin das Objekt zum 15. Dezember 1999 an. P. und St. bewarben das Objekt im September 1999, so dass die Eröffnung am 15. Dezember 1999 stattfinden konnte. Die Angeklagten unterstützen in der Folgezeit zahlreiche Ausländerinnen, unerlaubt in das Bundesgebiet einzureisen und sich dort aufzuhalten, indem sie den zum
großen Teil freiwillig in das Bordell kommenden ausländischen Frauen erlaubten, dort eine Tätigkeit als Prostituierte aufzunehmen. Die Angeklagten ließen sich von den Frauen einen Vermögensvorteil versprechen oder auszahlen, indem sie den angereisten Frauen unmittelbar nach Ankunft eine Kaution in Höhe von 500,-- DM beziehungsweise
250,-- Euro abnahmen beziehungsweise in Rechnung stellten und in der Folgezeit eine Zimmermiete in Höhe von täglich an die Nachtwirtschafter zu entrichtenden 200,-- DM oder 100,-- Euro abverlangten. Die sogenannte Kaution wurde in keinem Fall zurückerstattet. Als Gegenleistung gewährten die Angeklagten den Prostituierten Unterkunft, damit diese ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen und die entsprechenden Gelder erarbeiten konnten. Ihrer Zielsetzung entsprechend organisierten die Angeklagten in ständiger Abstimmung arbeitsteilig die Geschehensabläufe in dem Bordell. Sie machten den dort tätigen
Prostituierten und Wirtschaftern aus der Hells Angels-Szene Vorschriften hinsichtlich der Arbeitsabläufe und überwachten deren Einhaltung. Gegenüber den Prostituierten gab sich P. regelmäßig als der Hauptverantwortliche und damit Ansprechpartner des Bordells aus. Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Landgericht als erheblich belastend den Umstand, dass die beiden Angeklagten P. und D.R als Hauptinitiatoren der planmäßigen Verstöße gegen das Ausländergesetz anzusehen seien. D.R habe die Aufgabe des Organisators der Räumlichkeiten und der verwaltungstechnischen Abwicklung wahrgenommen, während der Angeklagte P. für die Beschaffung der Frauen und als deren Ansprechpartner aufgetreten sei. Sie hätten auch den Hauptgewinn aus dem dargestellten Erlös erlangt. Dabei hätten sie sich die Organisationsstruktur der Organisation der Hells Angels zunutze gemachte, indem sie diese als Wirtschafter eingesetzt hätten. Angesichts dieser herausragenden Bedeutung von P. und D.R bei dem Betrieb des Bordells hätten die Strafen nicht mehr dem unteren Bereich des Strafrahmens entnommen werden können.

120

Der Senat sieht keinen Anlass, an den auf den nach Ansicht des Landgerichts Kiel glaubhaften Geständnissen der Angeklagten und den übrigen in der Hauptverhandlung herangezogenen Beweismitteln beruhenden Feststellungen des Urteils vom 16. April 2003 zu zweifeln. Auch wenn das „Eros-Center“ nicht vom Kläger betrieben wurde, so stehen die im Zusammenhang mit dem Bordellbetrieb stehenden Verstöße gegen das Ausländergesetz doch in Zusammenhang mit seiner Organisationsstruktur. Von einer Distanzierung des Klägers kann keine Rede sein. Vielmehr handelt es sich bei D.R. und P. um die Führungsspitze des Klägers.

121

Das (ehemalige) Vereinsmitglied Kr. ist mit Urteil des Landgerichts Kiel vom 5. Dezember 2011 rechtskräftig wegen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung in Tateinheit mit Zuhälterei und Körperverletzung verurteilt worden. Der Beginn der Verwirklichung dieser Straftatbestände liegt im März 2005. Zu diesem Zeitpunkt war Kr. Mitglied des Klägers. Er ist unstreitig erst Ende 2006 aus dem Verein ausgeschieden. Nach den Feststellungen des Landgerichts, die im Kern auch vom Kläger nicht bestritten werden, verwirklichte Kr. den Tatbestand des schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, als er die vor ihm aus Kiel geflohene M. im März 2005 aus Hannover abholen ließ und nach ihrer Rückkehr durch Schläge und Drohungen dazu brachte, die Prostitution für ihn nach seinen Vorgaben weiter fortzusetzen. M. habe durch ihre Flucht zum Zeugen H. nach Hannover im März 2005, wo sie für ein „neues Leben“ habe Geld verdienen wollen, gezeigt, dass sie die Prostitution für den Angeklagten nicht weiter fortsetzen wollte. Kr. habe ab März 2005 gegen den Willen des Opfers deren Tätigkeit im Bordell „Innenhof“ in Kiel kontrolliert. Er habe von ihr gefordert, dass sie auch Personen, zu denen sie keinen Kontakt aufnehmen wollte, anspreche und mit ihnen anschließend den entgeltlichen Geschlechtsverkehr vollziehen sollte. Für den Fall der Nichtfolgeleistung habe Kr. der Nebenklägerin Schläge angedroht. Er habe Frau M. im Zuge fast täglicher Auseinandersetzungen geschlagen, wobei sich mit zunehmender Dauer der Beziehung die Intensität der Schläge gesteigert habe. Kr. habe der Prostituierten einen so erheblichen Teil ihrer Einnahmen entzogen, dass es zu einer gravierenden Beschränkung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit geführt habe, wodurch er sich der ausbeuterischen, ferner auch aufgrund seiner bestimmenden Einflussnahme auf die Prostitutionstätigkeit der dirigierenden Zuhälterei gemäß § 181 a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB strafbar gemacht habe.

122

Auch diese, von einem Vereinsmitglied begangene Straftat ist dem Verein zuzurechnen. Der Kläger macht insoweit geltend, die Ausbeutung der Zeugin M. sei ohne Billigung des Vereins geschehen. Das Verhalten des Kr. habe auf individueller und krankhafter Eifersucht beruht. Auf das zu missbilligende Verhalten sei der Verein erst nach der Flucht der Nebenklägerin nach Hannover aufmerksam geworden. Für die Rückführung aus Hannover habe Kr. einen privaten Kontakt genutzt. Zudem sei Kr. im Dezember 2006 ausgeschlossen worden; der Verein habe sich mithin distanziert. Soweit die Verbotsverfügung argumentiere, der Austritt von Kr. aus dem Verein beruhe darauf, dass er sich von Vereinsinteressen im Prostitutionsgewerbe distanziert habe, stehe dies mit den Feststellungen des Landgerichts selbst nicht in Einklang, wonach Kr. sogleich nach seinem Ausschluss das Opfer M. dazu bestimmt habe, als Prostituierte in einem Bordell in Nürnberg weiterhin der Prostitution nachzugehen.

123

Diese Argumentation stellt eine Zurechnung nach den benannten Kriterien jedoch nicht in Frage. Zunächst widerspricht es jeglicher Lebenserfahrung, dass die Lebens- und Arbeitsumstände der Prostituierten M. sämtlichen anderen Vereinsmitgliedern unbekannt geblieben seien. Das Bordell Innenhof gehörte, auch wenn es nicht vom Kläger selbst betrieben wurde, zum Einflussgebiet der Hells Angels Kiel. Der Kläger räumt auch selbst ein, dass er jedenfalls nach der Flucht der Nebenklägerin nach Hannover auf das zu missbilligende Verhalten (des Kr.) aufmerksam geworden sei. Dies war im März 2005. Gleichwohl verblieb Kr. unstreitig bis Ende 2006 Mitglied beim Kläger. Von
einer zeitnahen Distanzierung kann deshalb nicht gesprochen werden. Für einen Bezug zum Kläger sprechen ferner die Umstände der Flucht von Frau M. nach Hannover und deren Rückführung nach Kiel. Nach den Feststellungen des Landgerichts arbeitete die Nebenklägerin während der Cebit 2005 (10. - 16. März 2005) nach Weisung des Angeklagten Kr. in einem Bordell des dortigen Hells Angels Präsidenten H. in Hannover. Nach ihrer Rückkehr nach Kiel kam es zum Streit mit Kr., woraufhin sich die Nebenklägerin in der Annahme, ihre Flucht zu einem „Vereinskameraden“ würde von Kr. womöglich eher akzeptiert werden als eine Flucht zu fremden Zuhältern, nach Hannover in das von dem Zeugen H. geführte Bordell begab. Bereits wenige Stunden nach dem Eintreffen im Bordell sei Frau M. von Kr. auf ihrem Zimmertelefon angerufen, bedroht und zur Rückkehr aufgefordert worden. Zwei Personen seien dann im Auftrag von Kr. nach Hannover gefahren und hätten die Nebenklägerin zurückgebracht, wo sie von Kr. geschlagen und mit weiteren Züchtigungen bedroht worden sei. In der Folgezeit habe er sie durch Drohungen gezwungen, weiter der Prostitution nachzugehen. Da sich der Angeklagte Ende 2006 mit den Hells Angels in Kiel überworfen habe, habe er den „Innenhof“, der in den von den Hells Angels beanspruchten Kieler Bereich fiel, aufgeben müssen. Die Nebenklägerin habe dann auf Anweisung von Kr. mit weiteren Frauen aus dem „Innenhof“ zunächst in einem Bordell in Nürnberg arbeiten müssen. Zu den Umständen der Rückführung von Frau M. aus dem Bordell in Hannover hat der Beklagtenvertreter - insoweit unwidersprochen - darauf hingewiesen, eine der Personen sei Thorsten Schütt gewesen. Dieser sei Mitglied des damaligen Supporter-Vereins MC Yakuza gewesen. Die von Kr. organisierte Rückführung und die damit verbundene Autofahrt falle in das typische Dienstleistungsspektrum der Unterstützervereine. Jedenfalls habe das „zu missbilligende Verhalten“ des Kr. in Bezug auf die Prostituierte M. nicht zum Ausscheiden aus dem Verein geführt. Dies sei vielmehr erfolgt, um ein zutage getretenes Konfliktpotenzial zwischen Kr. und dem Verein zu vermeiden. Kr. habe sich keineswegs vom Prostitutionsgewerbe abgewandt, sondern sich gegen die Übernahme eines weiteren Bordellbetriebs ausgesprochen, weil damit wirtschaftliche Konsequenzen für einen Freund außerhalb des Vereins verbunden gewesen wären.

124

Jedenfalls ist festzustellen, dass Kr. bis Ende 2006 Mitglied des Klägers blieb, obgleich - auch nach dem Vorbringen des Klägers - dieser jedenfalls aufgrund der Flucht von Frau M. nach Hannover auf das zu missbilligende Verhalten von Kr. gegenüber Frau M. aufmerksam geworden ist. Es wurde gebilligt, dass das Vereinsmitglied Kr. Frau M. noch mehr als 1 1/2 Jahre im „Innenhof“ in Kiel als Prostituierte arbeiten ließ. Die oben bereits angesprochene gesteigerte Verpflichtung zu einer Distanzierung von Mitgliedern, die auch für den juristischen Laien erkennbar strafrechtlich relevante Verhaltenweisen an den Tag legen, die für das Rotlicht-Milieu typisch sind, sind bis zum Ausscheiden des Kr. aus dem HAMC Kiel auch nicht im Ansatz erkennbar.

125

Insgesamt ist der Senat der Auffassung, dass die in der Verbotsverfügung unter 3 c), 3 f) aufgeführten sowie der dem Kläger ebenfalls zurechenbaren Straftaten von Rb. zu Lasten von Frau W. - insofern bereits für sich genommen und unter Hinwegdenken der bereits erörterten Gewalttaten - die Feststellung rechtfertigen, dass Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen. Erst recht ist dies in einer Gesamtschau der hier angesprochenen Straftaten der Fall.

126

Ergänzend und die Annahme der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers weiter bestärkend ist der Umstand, dass auch die unter 2 o), q), r), s) und t) der Verbotsverfügung aufgelisteten Verstöße gegen waffenrechtliche Strafvorschriften dem Kläger zuzurechnen sind.

127

2o):

128

Am 12. Dezember 2009 wurde das Vereinsmitglied Edward Dabrowski im Rahmen der öffentlichen Veranstaltung des „Motorradweihnachtsmarktes“ in Neumünster, die vom Verein „Hells Angels MC Charter Kiel“ ausgerichtet wurde, mit einem Einhandmesser sowie einem Schlagstock angetroffen (Straftat gem. § 52 Abs. 3 Nr. 9 i.V.m. § 42 Abs. 1 Waffengesetz). Das Strafverfahren (StA Kiel 593 Js 9039/10) wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Neumünster vom 5. Mai 2010 gemäß § 153 a Abs. 2 StPO gegen Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 300,-- Euro vorläufig für die Dauer von 6 Monaten eingestellt.

129

2q):

130

Das Mitglied RK wurde an diesem Tage mit einem Reizstoffsprühgerät ohne Kennzeichnung, einem Gassprühstock, einem Elektroschockgerät, einem Teleskopschlagstock, einem Reizstoffsprühgerät mit Kennzeichnung sowie einem Messer mit feststehender Klinge über 12 cm Länge (Straftat gem. § 52 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 42 Abs. 1 Waffengesetz) angetroffen. Das Strafverfahren (StA Kiel 593 Js 10426/10) wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Neumünster vom 3. Juni 2010 (23 Ds 201/10) gemäß § 153 a Abs. 2 StPO gegen Zahlung eines Geldbetrages von 300,-- Euro vorläufig für die Dauer von 6 Monaten eingestellt.

131

2r):

132

Der Vizepräsident des Klägers P. wurde - ebenfalls am 12. Dezember 2009 - im Rahmen derselben öffentlichen Veranstaltung mit einem Einhandmesser, einem Delta-Dart-Dolch aus Metall, einem Delta-Dart-Dolch aus Hartplastik, einer Präzisionsschleuder mit Armstütze, einer Bauchtasche gefüllt mit Steinen und einer als Gehstock getarnten Hieb- und Stoßwaffe (Straftat gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 9 i.V.m. § 42 Abs. 1 Waffengesetz) angetroffen. Das Strafermittlungsverfahren (StA Kiel 593 Js 37907/10) wurde durch Strafbefehl des Amtsgerichts Neumünster (23 Ds 122/11) beendet. Der Strafbefehl zum Punkt 2r) ist in der Verfahrensübersicht (Beiakte B) nicht abgeheftet. Insofern trägt jedoch der Kläger selbst vor (S. 164 der Klagebegründung), dass der unter 2r) der Verbotsverfügung beschriebene Waffenfund bei P. durch Strafbefehl geahndet worden ist.

133

2s):

134

Das Mitglied Horst Bruno Neumann wurde am 12. Dezember 2009 im Rahmen derselben öffentlichen Veranstaltung mit einem sogenannten Delta-Dart-Dolch aus Hartplastik, einem Teleskopschlagstock sowie einem Säbel angetroffen (Straftat gem. § 52 Abs. 3 Nr. 9 i.V.m. § 42 Abs. 1 Waffengesetz). Das Verfahren (StA Kiel 578 Js 8157/10) wurde durch staatsanwaltliche Verfügung vom 8. März 2010 gemäß § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO eingestellt. Von der Verfolgung solle abgesehen werden, weil die Schuld als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung bestehe. Es lägen keine Vorstrafen vor.

135

2t):

136

Am 13. Dezember 2009 wurde das Vereinsmitglied Ge. am gleichen Ort mit einem Teleskopschlagstock sowie einem Einhandmesser angetroffen (Straftat gem. § 52 Abs. 3 Nr. 9 i.V.m. § 42 Abs. 1 Waffengesetz). Das Strafverfahren (StA Kiel 593 Js 9033/10) wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Neumünster (23 Ds 174/10) gemäß § 153 a Abs. 2 StPO vorläufig für die Dauer von 5 Monaten gegen Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 500,-- Euro eingestellt.

137

Bei den bezeichneten Waffenfunden handelt es sich nicht etwa um bloße Ordnungswidrigkeiten, die mit Bußgeldbescheiden geahndet worden wären. Der Umstand, dass die Verfahren - bis auf den Fall 2r) - gegen Zahlung eines Geldbetrages oder aus personenbezogenen Gründen eingestellt wurden, ändert an der Verwirklichung der waffenrechtlichen Strafvorschriften nicht. Sämtliche Verstöße wurden von Vereinsmitgliedern begangen. Auch der Vizepräsident P. und der Sergeant at Arms Ge. sind hierbei in Erscheinung getreten. Die Verstöße wurden auf einer unstreitig vom Kläger ausgerichteten und kontrollierten Veranstaltung in Neumünster, dem Motorrad-Weihnachtsmarkt begangen. Damit ist ein eindeutiger Vereinsbezug zu bejahen.

138

Aus diesen waffenrechtlichen Verstößen kann zwar noch nicht auf eine systematische Bewaffnung des Vereins geschlossen werden; die Vorfälle belegen aber, dass mehrere Vereinsmitglieder koordiniert unter Missachtung von Strafvorschriften Waffen bei sich trugen, um „ihre“ Veranstaltung zu kontrollieren. Die Straftaten sind deshalb dem Verein zuzurechnen.

139

Ob auch noch weitere, in der Verbotsverfügung aufgelistete Straftaten von Vereinsmitgliedern begangen, und als vereinsprägend dem Kläger zuzurechnen wären, ist nach allem nicht mehr entscheidungserheblich.

140

Das Vereinsverbot ist bei dieser Sachlage auch ohne weiteres verhältnismäßig.

141

Die Forderung des Klägers, über die bisher von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats im Rahmen der Konturierung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit entwickelten Kriterien zur Zurechenbarkeit und Prägung eines Vereins müssten aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere wegen des Verhältnismäßigkeitsprinzips modifiziert und weiterentwickelt (verschärft) werden, teilt der Senat nicht. Er folgt der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf der Tatbestandsseite der Norm, das heißt bei der Prüfung Rechnung zu tragen ist, ob die Voraussetzungen eines Vereinsverbotes vorliegen. Hierbei bildet bei dem Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG das Erfordernis, dass ein unter dem Gesichtspunkt der Strafgesetzwidrigkeit relevantes Verhalten einzelner Personen dem Verein zurechenbar sei und dessen Charakter prägen muss, den Ansatzpunkt für die Berücksichtigung der aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ableitbaren Gebote (vgl. nur BVerwG, B. v. 19.11.2013 a.a.O. m.w.N.). Die Forderung des Klägers, darüber hinaus müsse nachgewiesen werden, dass sich der Verein nicht nur gegen die Rechtsordnung wendet, sondern sich als Ganzes kämpferisch-agressiv gegen die verfasste Rechtsordnung des Staates richtet, ist weder von Verfassungs wegen noch durch die Vorschrift des Art. 11 Abs. 2 EMRK im Rahmen des hier zu betrachtenden Verbotsgrundes gefordert und wird der Gefährlichkeit eines Vereins, dessen Charakter von strafrechtswidrigen Verhaltensweisen geprägt wird, nicht gerecht.

142

Soweit der Kläger darauf hinweist, dass der EGMR an die Notwendigkeit des Eingriffes i.S. v. Art. 11 Abs. 2 EMRK einen strengen Maßstab anlegt und in mehreren Entscheidungen ausgeführt hat, bloße Erwägungen der Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit genügten nicht, ist dies richtig, besagt aber nichts über die Verhältnismäßigkeit des vorliegenden konkreten Vereinsverbotes.

143

Soweit sich der Kläger auf die deutsche Übersetzung der Entscheidung des EGMR v. 11.10.2011 - 48848/07- (Urteil in der Sache Verein Rhino u.a. / Schweiz, ZVR-Online Dok. Nr. 25/2013) berufen hat, lässt sich aus dieser in der mündlichen Verhandlung erörterten Entscheidung keine Unverhältnismäßigkeit des hier zu beurteilenden Vereinsverbotes herleiten.

144

Das Urteil betriff die - vom EGMR verneinte – Frage, ob die Auflösung eines Hausbesetzervereins in der Schweiz im dort zu beurteilenden Einzelfall ein in einer demokratischen Gesellschaft notwendiger Eingriff i. S. v. Art. 11 Abs. 2 EMRK war. Im Hinblick auf das legitime Schutzziel „Rechte anderer“ (der Eigentümer der besetzten Gebäude) verneinte der Gerichtshof die Notwendigkeit mit der Erwägung, dass die Auflösung die Besetzung der Gebäude nicht beseitigt habe. Die Maßnahme habe nicht konkret und tatsächlich dem Schutz der Rechte der Gebäudeeigentümer zum Ziel gehabt.

145

Im Hinblick auf das Schutzziel „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ zweifelte der Gerichtshof bereits daran, ob die Auflösung, welche von den Eigentümern der besetzten Gebäude beantragt worden war, überhaupt aus diesem Grund erfolgt war, ließ dies jedoch dahinstehen. Jedenfalls war der EGMR von der Notwendigkeit der Maßnahme (zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung) nicht überzeugt. Angesichts der Hausbesetzungen seit November 1988, der jahrelangen Weigerung der örtlichen kantonalen Behörden, Räumungsanordnungen durchzusetzen, solange die Wohnungen von den Eigentümern in spekulativer Absicht leer stehend gelassen wurden, und der Satzungsziele des Vereins (welche nach dem Selbstverständnis des Vereins eine gewisse politische Zielsetzung enthielten), fehle es jedenfalls an dem Nachweis, dass keine milderen Mittel zur Verfügung gestanden hätten.

146

Einen über den entschiedenen Fall hinausweisenden Rechtssatz dahin, dass bei einem Vereinsverbot die Behörden den Nachweis des Nichtvorhandenseins milderer Mittel stets in der Verbotsverfügung führen müssten, um den Anforderungen des Art. 11 Abs. 2 EMRK zu genügen, ergibt sich aus der Entscheidung nicht. Bei einem strafrechtswidrigen Verein im Sinne des hier bejahten Verbotsgrundes entspricht die die verfassungsrechtliche Vorgabe umsetzende Verbotsverfügung vielmehr regelmäßig einem zwingenden sozialen Bedürfnis zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne der Rechtsprechung des EGMR.

147

Das durch die Strafgesetzwidrigkeit getragene Vereinsverbot erwiese sich auch dann als rechtmäßig, wenn die in Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG einzig vorgesehene grundrechtseinschränkende Maßnahme des Verbots und der Auflösung wegen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als „ultima ratio“ lediglich dann angewendet werden dürfte, wenn mildere Mittel wie partielle Betätigungsverbote, Warnungen oder die Anwendung von Straftatbeständen nicht in Betracht kämen bzw. ausgeschöpft wären (str., vgl. zum Meinungsstand Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O.,
S. 184 ff.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GGK, a.a.O., Art. 9 Rn. 46; Scholz,
in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Januar 2012, Art. 9 Rn. 114, 134; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 60). Solche Mittel wären hier angesichts der Dichte der strafrechtlichen Verfehlungen mit Vereinsbezug und der Massivität der Geschehen insbesondere vom 26. Juni 2005, 20. Januar 2010 und 15. März 2010 nicht ausreichend, um der Gefahr für Leib und Leben Dritter durch ein Fortbestehen der Vereinigung zu begegnen. Strafrechtliche Mittel sind von den Ermittlungsbehörden gegenüber Mitgliedern des Klägers hinreichend ausgeschöpft worden. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass die Verbotsverfügung nicht die Funktion zu erfüllen hat, der Verbotsbehörde auf Rechtsfolgenseite der Norm die Ausübung von Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu ermöglichen. Sie dient vielmehr - jedenfalls in der Regel - allein dazu, aus Gründen der Rechtssicherheit klarzustellen, dass eine Vereinigung einen oder mehrere Verbotsgründe erfüllt, und durch die entsprechende Feststellung die gesetzlich vorgesehene Sperre für ein Vorgehen gegen den Verein aufzuheben. Den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist deshalb bereits - wie ausgeführt - auf der Tatbestandsseite der Norm Rechnung zu tragen (BVerwG, Beschl. v. 29.01.2013, a.a.O. m.w.N.).

148

Nichts anderes folgt aus Art. 11 Abs. 2 EMRK. Diese Vorschrift gebietet die Wahrung der Verhältnismäßigkeit, fordert jedoch nicht, dass die Verbotsbehörde in der Begründung der Verbotsverfügung den Nachweis des Nichtvorhandenseins milderer Mittel führen muss. Hiervon abgesehen hat sich aber die Verbotsbehörde vorliegend auch ausdrücklich mit der Frage der Verhältnismäßigkeit des Vereinsverbots auseinandergesetzt (S. 40 bis 42 der Verbotsverfügung).

149

Entgegen der Auffassung des Klägers war der Beklagte auch nicht etwa verpflichtet, im Hinblick auf die Bedeutung der Vereinigungsfreiheit besondere Vorkehrungen für ein Wiederaufleben des verbotenen Vereins - etwa durch eine Befristung des Verbots - zu treffen. Mit dem Vereinsverbot wird der Verein aufgelöst; er erlischt mit dem Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verbots und der Anordnung über die Einziehung seines Vermögens (§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 2 Satz 1 und 3 VereinsG). Eine Befristung des Vereinsverbots aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist regelmäßig nicht erforderlich, zumal sich die betroffenen Vereinsmitglieder jederzeit zu einer neuen - nicht verbotenen - Vereinigung zusammenschließen könnten (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.12.2012 - NVwZ 2013, 870).

150

Zu Recht hat auch der Beklagtenvertreter in der Klagerwiderungsschrift vom 16. Dezember 2013 darauf hingewiesen, dass eine bloße Auflage dahin, Straftäter als Mitglieder auszuschließen oder nicht aufzunehmen oder den Kontakt zu verurteilten Mitgliedern abzubrechen, nicht in gleicher Weise geeignet ist, den strafgesetzwidrigen Zweck des Vereins zu unterbinden. Der Beklagte war insbesondere nicht verpflichtet, die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in Erwägung gezogenen sogenannten Minusmaßnahmen zunächst als milderes Mittel zu versuchen. Diese Forderung wird der Gefährlichkeit einer Vereinigung wie dem Kläger nicht gerecht, der durch die Straftaten seiner Mitglieder geprägt wird.

151

Dagegen erweist sich die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung, dass sich der klägerische Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, als nicht hinreichend tragfähig und damit rechtswidrig. Sie ist demzufolge aufzuheben.

152

Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt (BVerwG, std. Rspr., vgl. Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 13 f.; Beschl.
v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, NVwZ-RR 2009, 803; Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwG 134, 275 f., Juris Rn. 44 f; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986). Auch das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland gehört zu der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, welche eine der Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002, a.a.O., Juris
Rn. 37). Ein durch eine eigene Ordnung mit Maßnahmen der Gewaltausübung zu deren Sicherung verbundener Herrschaftsanspruch, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entgegengesetzt wird, kann eine kämpferisch-aggressive Weise der Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen, wenn etwa systematisch die Legitimität der verfassungsmäßigen Ordnung bestritten wird und Anhänger der eigenen propagierten Ordnung geschult, indoktriniert und zu Verfassungsfeinden herangezogen werden (vgl. ebd., Rn. 42).

153

In der Verbotsverfügung wie auch ergänzend durch den Vortrag des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Erfüllung dieses Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Wesentlichen mit der Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder aus Mitteln eines sogenannten Defense-Funds begründet worden.

154

Für das Vorliegen des zusätzlichen Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung trägt der Beklagte die materielle Beweislast.

155

Die aus den zum Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit als tragend bzw. ergänzend angeführten strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder des Klägers, welche ihm zuzurechnen sind, belegen zwar eine Bereitschaft, Vereinsziele erforderlichenfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Eine kämpferisch-aggressive Verfolgung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteter Ziele liegt in diesen konkret beim Kläger festgestellten Verhaltensweisen jedoch nach Auffassung des Senats noch nicht. Die für den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung unerlässliche Komponente einer aktiven Bekämpfung muss sich nämlich gerade gegen die für staatliche Strukturen grundlegende Prinzipien richten. Sie liegt nicht bereits vor, wenn eine Gewaltbereitschaft gegenüber anderen privaten Personen oder Gruppierungen festgestellt wird. Andernfalls wären weite Teile der organisierten Gewaltkriminalität deckungsgleich mit Bestrebungen, die sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solch weites Verständnis des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist aus Sicht des Senates weder gerechtfertigt noch notwendig, da die in einer Gewaltanwendung liegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bereits durch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit abgedeckt wird. Vielmehr bestehen für die Feststellung des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG hohe Hürden, die über die reine Strafrechtswidrigkeit eines Vereins hinausgehen. Zu einem im Sinne der angegriffenen Verbotsverfügung weitgreifenden Verständnis dieses Verbotsgrundes veranlasst auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot des sog. „Kalifatstaates“, im Rahmen derer fachgerichtlich eine kämpferisch-aggressive Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele bejaht worden und dieses vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben war (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 02.10.2003 - 1 BvR 536/03 -, BVerfGK 2, 22, Juris Rn. 22 f.). Der in diesem Einzelfall festgestellte Anspruch des verbotenen Vereins, legitimerweise Gewalt anstelle einer staatlichen Ordnung ausüben zu dürfen, wurde höchstrichterlich auf dem Hintergrund eines betonten Selbstverständnisses des Vereins „Kalifatstaat“ gewürdigt, einen Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) unter gänzlicher Verdrängung der staatlichen Herrschaftsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland und anderen betroffenen Staaten existiert, zu errichten. Ein ähnlich weit reichender Anspruch, der mit der verfassungsmäßigen Ordnung notwendigerweise kollidiert, ist für den Kläger im vorliegenden Verfahren weder aus der Verbotsverfügung und dem sie verteidigenden Beklagtenvortrag noch aus den sonstigen beigezogenen Vorgängen ersichtlich. Eine finanzielle Unterstützung straffälliger Vereinsmitglieder reicht hierfür nicht aus. Dies impliziert noch nicht, dass der Kläger eine eigene Rechtsordnung etablieren will und sich kämpferisch-agressiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland richtet. Der Kläger und seine Mitglieder haben vielmehr beansprucht, Auseinandersetzungen mit einer konkurrierenden beziehungsweise rivalisierenden Vereinigung oder Einzelpersonen auch mit Gewalt zu führen, während sie in Bezug auf die staatliche Gewalt im Wesentlichen eine Verweigerungshaltung in Bezug auf Aussagen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entfaltet haben. Hieraus lässt sich ein Herrschaftsanspruch, der die rechtsstaatliche Ordnung in maßgeblicher Weise ersetzen und damit die Verfassung aktiv-kämpferisch beseitigen wollte, noch nicht ableiten.

156

Der mangelnde Nachweis hinreichender Tatsachen, die für die Verwirklichung des Verbotsgrundes nach Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG sprechen, führt zur insoweit bestehenden Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung und damit zur Teilaufhebung des Bescheides im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage. Zwar wird das Vereinsverbot in hinreichender Weise durch die Verwirklichung des in dieser Vorschrift erstgenannten Verbotsgrundes der Strafrechtswidrigkeit getragen. Der Beklagte hat die Feststellung der Verwirklichung des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung jedoch eigenständig der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers in Ziffer 1 der Verbotsverfügung zur Seite gestellt. Die ausdrückliche Feststellung des im konkreten Fall nach Auffassung der Verbotsbehörde einschlägigen Verbotsgrundes gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG im verfügenden Teil des Verbots verlangt auch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Wirksamkeitsvoraussetzung für ein auf einen oder mehrere dieser Gründe zu stützendes Verbot dar (vgl. BVerwG, Urt.
v. 25.01.1978 - I A 3.76 -, BVerwGE 55, 175, Juris Rn. 37 f.; Urt. v. 28.02.1978 - I A 9.72 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 2, Juris Rn. 49; Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, Baden-Baden 1999, S. 110). Die Feststellung des Verbotsgrundes ist als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der Vereinigungsfreiheit für das Verbot konstitutiv (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, Juris Rn. 25). Das Erfordernis der besonderen Feststellung des Verbotsgrundes oder der Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG beruht darauf, dass die rechtlichen Folgen einer Tätigkeit im Rahmen einer verbotenen Vereinigung je nach dem durch die zuständige Behörde festgestellten Verbotsgrund verschieden sind. Die gegenüber der allgemeinen Strafnorm des § 20 VereinsG bestehenden Strafverschärfungen der §§ 85, 86 und 86 a StGB für die Fortführung und weitere Unterstützung bzw. Bewerbung einer verbotenen Vereinigung hängen davon ab, ob die strafbare Tätigkeit eine Vereinigung betrifft, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die an die Feststellung des Verbotsgrundes gebundenen Strafgerichte müssen aus dem verfügenden Teil der Verbotsverfügung eindeutig ersehen können, ob die Vereinigung aus einem strafrechtlich als Qualifizierungsgrund zu bewertenden Verbotsgrund verboten worden ist (vgl. auch Grundmann, a.a.O. S. 110). Jedenfalls auch diesem Zweck dient im Übrigen die auf den verfügenden Teil beschränkte Bekanntmachung des Verbots gem. §§ 3 Abs. 4, 7 Abs. 1 VereinsG bei Erlass und erneut nach Unanfechtbarkeit des Verbots durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger und dem amtlichen Mitteilungsblatt des Landes (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978, a.a.O., Juris Rn. 40). Die Feststellung des konkreten Verbotsgrundes ist besonders bedeutsam in den Fällen, in denen die Behörde mehrere Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG angenommen hat, sich aber bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung ergibt, dass nicht alle diese Gründe vorliegen. Insbesondere in diesen Fällen muss durch die abschließende Bekanntmachung des verfügenden Teils des Vereinsverbots nach § 7 Abs. 1 VereinsG mit allseitiger Verbindlichkeit festgestellt werden, aus welchem Verbotsgrund oder welchen Verbotsgründen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der Verein verboten ist (ebd.).

157

Daraus folgt, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Verbotsverfügung die Frage des Vorliegens eines Verbotsgrundes, welcher (straf-)rechtlich qualifizierende Rechtsfolgen auslösen kann, selbst dann nicht offen lassen kann, wenn es bereits festgestellt hat, dass ein anderer das Verbot mit der Folge der Auflösung des Vereins, der Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen, Forderungen und Sachen als solches vollumfänglich tragender Grund vorliegt (vgl. dagegen zum Offenbleiben der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, a.a.O., Juris Rn. 12; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, a.a.O., Juris Rn. 41 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes); Urt. v. 03.12.2004 - 6 A 10/02 -, NVwZ 2005, 1435, Juris Rn. 84; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O. Juris Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 OVG 1 A 4.09 -, NVwZ-RR 2010, 886, Juris Rn. 29; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06.52, Juris Rn. 37; dagegen das Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung bzw. den Gedanken der Völkerverständigung offen lassend: BVerwG, Beschl. v. 25.08.2009 - 6 VR 2/08 -, a.a.O. Juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.06.1997 - 1 S 1377/96 -, AuAS 1998, 19, Juris Rn. 25, 27). Ein solcher qualifizierender Verbotsgrund ist in jedem Falle das hier von dem Beklagten festgestellte Sich-Richten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

158

Die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung ist inhaltlich von den sonstigen Verfügungspunkten auch abtrennbar und somit gesondert aufhebbar (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 158 ff.). Es handelt sich hierbei um einen besonderen Verbotsgrund, der eigenständig durch in der Rechtsprechung ausgeformte Voraussetzungen ausgefüllt ist, nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem vorangestellten Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins steht und das Verbot auch im Falle einer Aufhebung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im weiteren Verlauf des Verbotsverfahrens tragen könnte.

159

Nachdem die in Ziffer 1 der Verbotsverfügung enthaltene Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, sich als rechtmäßig erweist, sind auch die weiteren Regelungen in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffern 2 bis 5 rechtmäßig und die Klage insoweit unbegründet. Die in Ziffer 2 verfügte Auflösung des Vereines stützt sich auf die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Untersagung jeder Vereinstätigkeit folgt unmittelbar aus dem Verbot und der Auflösung des Vereins. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Bildung von Ersatzorganisationen in Ziffer 3 des Bescheides sowie der Verbreitung und öffentlichen oder in einer Versammlung durchgeführten Verwendung seiner Kennzeichen sind die §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VereinsG. Die in Ziffer 4 der Verbotsverfügung angeordnete Vermögensbeschlagnahme und -einziehung stützt sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG, wobei ein Ausnahmefall zur gesetzlich vorgesehenen Regel nicht vorliegt. Die in Ziffer 5 der Verfügung angeordnete Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch ihre Überlassung an den Verein dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeit vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung diese Zwecke und Tätigkeit bestimmt sind, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Soweit die hinsichtlich der Ziffern 2 bis 5 bestehenden Rechtsgrundlagen als tatbestandliche Voraussetzung auf „verfassungswidrige Bestrebungen“ des Vereins verweisen, sind damit - anders als es die Ähnlichkeit dieses Tatbestandsmerkmales zum Wortlaut des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nahelegen könnte - sämtliche in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten Verbotsgründe abgedeckt. Dies folgt zum einen aus dem besonderen Hinweis auf Art. 9 Abs. 2 GG, der in § 8 Abs. 1 VereinsG enthalten ist und damit (allerdings in sprachlich wenig stringenter Form) auf eine tatbestandliche Öffnung über die verfassungsmäßige Ordnung im engeren Sinne hinaus auch für die beiden in Art. 9 Abs. 2 GG bereits genannten weiteren Verbotsgründe verweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.09.1995 - 1 VR 2.95 -, NVwZ 1997, 68 f. Juris Rn. 18). Zum anderen findet sich ein maßgeblicher Hinweis auf eine erweiternde Auslegung der Rechtsgrundlagen für die genannten Folgerungen eines Vereinsverbotes in der Entwurfsbegründung zum Vereinsgesetz, wo es heißt: „ Unter „verfassungswidrigen“ Bestrebungen im Sinne des § 8 Abs. 1 sind, wie aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen zu verstehen.“ (BT-Dr. IV/430, S. 18). Im Übrigen ließe sich auch kein inhaltlich tragfähiger Gesichtspunkt für eine Differenzierung zwischen den drei Verbotsgründen im Hinblick auf die Möglichkeit der Einziehung von Sachen Dritter, des Verbots der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Einziehung von Forderungen Dritter (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), wo der Begriff der verfassungswidrigen Bestrebungen ebenfalls verwendet wird, denken. So ist es Sinn des Verbotes der Bildung von Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG, die Schaffung eines funktionellen Ersatzes für die von der Verfassung als gefährlich und daher verboten erkannten Bestrebungen zu unterbinden (vgl. nur Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, a.a.O. S. 157 f.). Außerdem hat der Gesetzgeber in den entsprechenden Regelungen, die verfassungswidrige Bestrebungen nennen, gerade nicht ausdrücklich den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgegriffen, sondern hat ersichtlich versucht, einen übergreifenden Begriff für verbotsbegründende „Zwecke“, „Tätigkeit“ und „Sich-Richten“ zu finden. Im Ergebnis besteht daher auch in der Literatur (vgl. Grundmann, a.a.O.; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O. S. 196 Rn. 791; zur Gleichsetzung des Verbotsgründe in Art. 8 Abs. 2 GG vgl. auch Planker, Das Vereinsverbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG/§ 3 ff. Vereinsgesetz, Bonn 1994, S. 118) und in der Rechtsprechung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2012 - 1 S 2823/11 -, Juris Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89.83 -, BVerwGE 80, 299 f. Juris Rn. 82) Einigkeit, dass die Rechtsgrundlagen der §§ 3 Satz 2, 8 bis 12 Vereinsgesetz auf sämtliche verboten Vereine angewandt werden können, ganz gleich, welcher der drei Verbotsgründe vorliegt.

160

Die Klage war daher im tenorierten Umfang abzuweisen.

161

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat hat das Unterliegen des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung des Sich- Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung mit 1/4 der anfallenden Kosten bemessen, da die weiteren Rechtsfolgen des Vereinsverbotes selbstständig durch den tragfähigen Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des klägerischen Vereins begründet werden.

162

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

163

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 132 Abs. 2 VwGO hierfür nicht vorliegen.


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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

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(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 9


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. (2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverstä

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(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 68


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Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 28 Anhörung Beteiligter


(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. (2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach de

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(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein

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(1) Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft steht den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu; für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich. (2) Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden,

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(1) Die Beschlagnahme (§ 3 Abs. 1 Satz 2) hat die Wirkung eines Veräußerungsverbots. Rechtsgeschäfte, die gegen das Veräußerungsverbot verstoßen, sind nichtig, es sei denn, daß der andere Teil weder wußte noch wissen mußte, daß der Gegenstand, auf de

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Vereinsgesetz - VereinsG | § 12 Einziehung von Gegenständen Dritter


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Vereinsgesetz - VereinsG | § 1 Vereinsfreiheit


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das Bestehen und die Höhe von Ausgleichsansprüchen auf Grund der §§ 7e und 7f des Atomgesetzes,
2.
die Bearbeitung, Verarbeitung und sonstige Verwendung von Kernbrennstoffen außerhalb von Anlagen der in § 7 des Atomgesetzes bezeichneten Art (§ 9 des Atomgesetzes) und die wesentliche Abweichung oder die wesentliche Veränderung im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 des Atomgesetzes sowie die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen außerhalb der staatlichen Verwahrung (§ 6 des Atomgesetzes),
3.
die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Kraftwerken mit Feuerungsanlagen für feste, flüssige und gasförmige Brennstoffe mit einer Feuerungswärmeleistung von mehr als dreihundert Megawatt,
3a.
die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Anlagen zur Nutzung von Windenergie an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern sowie Anlagen von Windenergie auf See im Küstenmeer,
3b.
die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen im Sinne des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes ab einer Feuerungswärmeleistung von 50 Megawatt,
4.
Planfeststellungsverfahren gemäß § 43 des Energiewirtschaftsgesetzes, soweit nicht die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Absatz 1 Nummer 6 begründet ist,
4a.
Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren für die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Einrichtungen nach § 66 Absatz 1 des Windenergie-auf-See-Gesetzes, soweit nicht die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Absatz 1 Nummer 6 begründet ist,
5.
Verfahren für die Errichtung, den Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Anlagen zur Verbrennung oder thermischen Zersetzung von Abfällen mit einer jährlichen Durchsatzleistung (effektive Leistung) von mehr als einhunderttausend Tonnen und von ortsfesten Anlagen, in denen ganz oder teilweise Abfälle im Sinne des § 48 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes gelagert oder abgelagert werden,
6.
das Anlegen, die Erweiterung oder Änderung und den Betrieb von Verkehrsflughäfen und von Verkehrslandeplätzen mit beschränktem Bauschutzbereich,
7.
Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung der Strecken von Straßenbahnen, Magnetschwebebahnen und von öffentlichen Eisenbahnen sowie für den Bau oder die Änderung von Rangier- und Containerbahnhöfen,
8.
Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung von Bundesfernstraßen und Landesstraßen,
9.
Planfeststellungsverfahren für den Neubau oder den Ausbau von Bundeswasserstraßen,
10.
Planfeststellungsverfahren für Maßnahmen des öffentlichen Küsten- oder Hochwasserschutzes,
11.
Planfeststellungsverfahren nach § 68 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes oder nach landesrechtlichen Vorschriften für die Errichtung, die Erweiterung oder die Änderung von Häfen, die für Wasserfahrzeuge mit mehr als 1 350 Tonnen Tragfähigkeit zugänglich sind, unbeschadet der Nummer 9,
12.
Planfeststellungsverfahren nach § 68 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes für die Errichtung, die Erweiterung oder die Änderung von Wasserkraftanlagen mit einer elektrischen Nettoleistung von mehr als 100 Megawatt,
12a
Gewässerbenutzungen im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen,
12b
Planfeststellungsverfahren für Gewässerausbauten im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen,
13.
Planfeststellungsverfahren nach dem Bundesberggesetz,
14.
Zulassungen von
a)
Rahmenbetriebsplänen,
b)
Hauptbetriebsplänen,
c)
Sonderbetriebsplänen und
d)
Abschlussbetriebsplänen
sowie Grundabtretungsbeschlüsse, jeweils im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen, und
15.
Planfeststellungsverfahren nach § 65 Absatz 1 in Verbindung mit Anlage 1 Nummer 19.7 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Errichtung und den Betrieb oder die Änderung von Dampf- oder Warmwasserpipelines.
Satz 1 gilt auch für Streitigkeiten über Genehmigungen, die anstelle einer Planfeststellung erteilt werden, sowie für Streitigkeiten über sämtliche für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse, auch soweit sie Nebeneinrichtungen betreffen, die mit ihm in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen. Die Länder können durch Gesetz vorschreiben, daß über Streitigkeiten, die Besitzeinweisungen in den Fällen des Satzes 1 betreffen, das Oberverwaltungsgericht im ersten Rechtszug entscheidet.

(2) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im ersten Rechtszug ferner über Klagen gegen die von einer obersten Landesbehörde nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Vereinsgesetzes ausgesprochenen Vereinsverbote und nach § 8 Abs. 2 Satz 1 des Vereinsgesetzes erlassenen Verfügungen.

(3) Abweichend von § 21e Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes soll das Präsidium des Oberverwaltungsgerichts anordnen, dass ein Spruchkörper, der in einem Verfahren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 tätig geworden ist, für dieses nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Die Verbotsbehörde kann für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen. Ermittlungsersuchen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sind an die zuständige oberste Landesbehörde zu richten.

(2) Hält die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine richterliche Vernehmung von Zeugen, eine Beschlagnahme von Beweismitteln oder eine Durchsuchung für erforderlich, so stellt sie ihre Anträge bei dem Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk die Handlung vorzunehmen ist. Die richterlichen Anordnungen oder Maßnahmen trifft der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Gerichts.

(3) Für die richterliche Vernehmung von Zeugen gilt § 98 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.

(4) Für die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, gelten die §§ 94 bis 97, 98 Abs. 4 sowie die §§ 99 bis 101 der Strafprozeßordnung entsprechend. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß eine Durchsuchung zur Auffindung solcher Beweismittel führen werde, so kann die Durchsuchung der Räume des Vereins sowie der Räume, der Sachen und der Person eines Mitglieds oder Hintermannes des Vereins angeordnet werden. Bei anderen Personen ist die Durchsuchung nur zur Beschlagnahme bestimmter Beweismittel und nur dann zulässig, wenn Tatsachen darauf schließen lassen, daß sich die gesuchte Sache in ihrem Gewahrsam befindet. Die §§ 104, 105 Abs. 2 bis 4, §§ 106 bis 110 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

(5) Bei Gefahr im Verzug kann auch die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine Beschlagnahme, mit Ausnahme der Beschlagnahme nach § 99 der Strafprozeßordnung, oder eine Durchsuchung anordnen. Die Vorschriften des Absatzes 4 sowie § 98 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 275/11
vom
17. August 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 17. August 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 24. Februar 2011, soweit es diesen Angeklagten betrifft, aufgehoben; die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben jedoch aufrecht erhalten. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das vorgenannte Urteil im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen und wegen schweren Raubes verurteilt, den Angeklagten P. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten, den Angeklagten M. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Hiergegen richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der An- geklagten. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts beschlossen die Tatgenossen P. , M. , D. und C. am 12. September 2010, einen Überfall zu begehen. C. schlug die Videothek M. in K. als Tatobjekt vor; D. steuerte eine Softairpistole als Tatwerkzeug zur Ausführung bei und P. sollte die eigentliche Tat begehen. Alle Beteiligten sollten einen Beuteanteil erhalten, der Angeklagte P. aber den größten Anteil. Am Folgetag begaben sie sich zur Videothek. C. , D. und M. sahen sich dort um und stellten fest, dass keine Kunden anwesend waren. Dann erhielt der Angeklagte P. sein Einsatzsignal. Er maskierte sich und bewaffnete sich mit der Softairpistole. Damit bedrohte er die Angestellte L. und erzwang die Herausgabe von mindestens 1.800 Euro Bargeld. Bei der Beuteteilung erhielt P. 1.300 Euro, der Rest wurde aufgeteilt. Der Bekannte B. , der bei der Tat nicht mitgewirkt hatte, erhielt später auch 150 Euro aus der Beute, damit er schweigen solle. Weil die Tat als Erfolg angesehen wurde, beschlossen P. , M. , C. und D. , künftig weitere Überfälle zu begehen. Am 16. September 2010 waren die Angeklagten P. , M. und zudem der gesondert verfolgte B. im Einsatz. Der Angeklagte P. hatte wieder eine Softairpistole zur Verfügung. Tatobjekt war nun das Sonnenstudio Ca. . P. führte dort den Überfall aus und erbeutete 300 Euro, während M. und B. draußen blieben. Die Beute wurde geteilt. Am 20. September 2010 wurde ein weiterer Überfall begangen. Die fünf Tatgenossen begaben sich dazu zur Tankstelle. Während D. und M. Wache standen und C. unbekannten Dingen nachging, betratenP. und B. die Tankstelle, bedrohten den Angestellten V. mit der Softairpistole und erbeuteten 500 Euro.
3
Das Landgericht hat die Angeklagten P. und M. in allen Fällen als Mittäter angesehen. Dem Angeklagten M. hat es dabei generell angelastet , dass er das Tatobjekt auskundschaftete, die Tat mit plante, Wache stand und einen Anteil an der Beute hatte. Diese Wertung ist jedoch nicht tragfähig begründet worden, weil das Landgericht bei der Strafzumessung auch ausgeführt hat, die Grenze zur Mittäterschaft sei "allenfalls gerade eben überschritten worden". Dies lässt besorgen, dass das Landgericht keine klare Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe vorgenommen hat. Diese liegt auch nicht auf der Hand. Genaue Feststellungen zu konkreten Tatbeiträgen des Angeklagten M. bei der eigentlichen Tatbegehung fehlen. Die Tatsache, dass er jeweils an der Beute partizipiert hat, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme von Mittäterschaft, denn auch der im ersten Fall an der Tat nicht beteiligte B. hatte dort einen Beuteanteil erhalten. Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme des Angeklagten M. bedarf daher neuer tatrichterlicher Prüfung. Die Feststellungen sind dagegen rechtsfehlerfrei getroffen worden und bleiben aufrecht erhalten; ergänzende Feststellungen sind möglich.
4
Bei der Strafzumessung für den Angeklagten P. hat das Landgericht nicht bedacht, dass eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 46b, 49 Abs. 1 StGB eine geringere Strafrahmenuntergrenze von drei Monaten Freiheitsstrafe ergeben hätte, als sie das Landgericht durch Anwendung des Strafrahmens gemäß § 250 Abs. 3 StGB mit einem Jahr Freiheitsstrafe zu Grunde gelegt hat.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei der Heranziehung des insoweit günstigeren Strafrahmens zu anderen Einzelstrafen und einer günstigeren Gesamtstrafe gelangt wäre.

Fischer Schmitt Herr RiBGH Dr. Berger ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Krehl Eschelbach

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint;
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde;
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll;
4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will;
5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.

(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

(1) Die Beschlagnahme (§ 3 Abs. 1 Satz 2) hat die Wirkung eines Veräußerungsverbots. Rechtsgeschäfte, die gegen das Veräußerungsverbot verstoßen, sind nichtig, es sei denn, daß der andere Teil weder wußte noch wissen mußte, daß der Gegenstand, auf den sich das Rechtsgeschäft bezieht, der Beschlagnahme unterliegt. Die Beschlagnahme erfaßt auch die Gegenstände, die der Verein einem Dritten zu treuen Händen übertragen hat oder die ein Dritter als Treuhänder für den Verein erworben hat. In den Fällen des Satzes 3 sind die Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, entsprechend anzuwenden.

(2) Auf Grund der Beschlagnahme können Sachen im Gewahrsam des Vereins und auf Grund besonderer Anordnung Sachen im Gewahrsam Dritter sichergestellt werden. Soweit es der Zweck der Sicherstellung erfordert, dürfen auch Räume betreten sowie verschlossene Türen und Behältnisse geöffnet werden. Die Anwendung unmittelbaren Zwanges ist ohne vorherige Androhung oder Fristsetzung zulässig, wenn sonst die Sicherstellung gefährdet wäre. Werden von der Beschlagnahme Gegenstände im Sinne des § 99 der Strafprozeßordnung erfaßt, gelten für die Sicherstellung die §§ 99, 100 und 101 Abs. 3 bis 8 der Strafprozeßordnung entsprechend. Maßnahmen nach Satz 4 und die Durchsuchung von Wohnungen ordnet nur das Verwaltungsgericht an, in dessen Bezirk die Handlungen vorzunehmen sind. Anordnungen nach Satz 5 trifft der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Gerichts.

(3) Die Verbotsbehörde kann für das beschlagnahmte Vermögen Verwalter bestellen und abberufen. Die Verwalter unterliegen den Weisungen der Verbotsbehörde.

(4) Die Vorstandsmitglieder sind verpflichtet, Auskunft über den Bestand und Verbleib des Vereinsvermögens zu geben. Auf Verlangen der Verbotsbehörde haben sie ein Verzeichnis des Bestandes vorzulegen und zu beeiden. Der Eid ist mit dem in § 260 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Inhalt auf Ersuchen der Verbotsbehörde vor dem für den Wohnsitz des Eidespflichtigen zuständigen Amtsgericht zu leisten.

(5) Die Aufhebung der Beschlagnahme sowie der Aufschub und die Wiederherstellung ihrer Vollziehbarkeit haben keine rückwirkende Kraft.

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung, dass die Anordnung des Beklagten vom 18. März 2011, den Leistungsbetrieb des Kernkraftwerks Biblis Block A unverzüglich für die Dauer von drei Monaten einzustellen, rechtswidrig gewesen ist.

2

Am 11. März 2011 führten ein Seebeben und ein nachfolgender Tsunami an der Ostküste Japans zur Zerstörung des Kernkraftwerks Fukushima. Das Kernkraftwerk Biblis Block A hatte zu diesem Zeitpunkt die im sogenannten Atomkompromiss des Jahres 2002 festgesetzte Strommenge - unabhängig von deren Ausweitung durch das 11. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl I S. 1814) - noch nicht erzeugt. Es befand sich im regulären Leistungsbetrieb.

3

Am 14. März 2011 kündigten die Bundeskanzlerin und der Außenminister im Rahmen einer Pressekonferenz eine Sicherheitsüberprüfung aller deutschen Kernkraftwerke und die Aussetzung der kurz zuvor beschlossenen Laufzeitverlängerung an. Am 15. März 2011 beschlossen die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Kernkraftwerken darüber hinaus die Abschaltung der sieben ältesten deutschen Anlagen und kündigten auch dies auf einer Pressekonferenz an. Mit Schreiben vom 16. März 2011 forderte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) die beteiligten Länder auf, gegenüber den Betreibern der betroffenen Anlagen eine dreimonatige Betriebseinstellung anzuordnen und hierbei die in dem Schreiben genannten Ausführungen zur Begründung zu verwenden. Mit der an die Klägerin gerichteten Verfügung vom 18. März 2011 kam der Beklagte dieser Aufforderung nach. Ergänzend führte er aus, dass von einer förmlichen Anhörung nach § 28 HVwVfG habe abgesehen werden können, weil sie vorliegend nicht geboten erscheine; die wesentlichen Inhalte der Anhörung seien der Klägerin bereits bekannt und sie habe sich bereits diesbezüglich gegenüber den öffentlichen Medien zu seiner Kenntnis geäußert.

4

Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass die Anordnung des Beklagten vom 18. März 2011 rechtswidrig gewesen ist. Sie sei formell rechtswidrig, weil die Klägerin nicht angehört worden sei und dies einen beachtlichen Verfahrensfehler darstelle. Die Anordnung sei zudem materiell rechtswidrig, da die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage - § 19 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2 AtG - nicht vorlägen, der Beklagte das notwendige Ermessen nicht sachgerecht ausgeübt und eine nicht mehr verhältnismäßige Rechtsfolge gesetzt habe.

5

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten.

II.

6

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

7

Ist die vorinstanzliche Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund vorliegt (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 28. Oktober 2013 - BVerwG 5 B 66.13 - Rn. 15 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Die Begründung, dass der angegriffene Verwaltungsakt an einem formellen Fehler leide, weil der Beklagte die Klägerin vor seinem Erlass nicht, wie von § 28 HVwVfG gefordert, angehört habe, ein Ausnahmefall nach § 28 Abs. 2 und 3 HVwVfG nicht vorliege und dieser Verfahrensfehler nicht gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 HVwVfG oder § 46 HVwVfG unbeachtlich sei, trägt die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs selbstständig. Die von dem Beklagten in Bezug auf diese Begründung geltend gemachten Revisionszulassungsgründe (Beschwerdebegründung unter III) liegen nicht vor. Gleiches gilt für die geltend gemachten Zulassungsgründe zu Fragen der Bundesauftragsverwaltung (Beschwerdebegründung unter I), von denen der Beklagte meint, dass sie für alle tragenden Gründe des Urteils von Bedeutung seien.

8

I.1. Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet der Beklagte die Frage,

ob die Durchführung der Anhörung im Sinne des § 28 HVwVfG ein rechtsverbindliches Handeln der Behörde nach außen darstellt und daher in den Fällen der Bundesauftragsverwaltung dem Bereich der Wahrnehmungskompetenz zuzuordnen ist.

9

Diese Frage wäre in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass es bei der Anhörung im Rahmen des § 28 Abs. 1 HVwVfG darauf ankommt, dass die jeweils zuständige Behörde, d.h. die für die Vornahme der möglichen Anordnung berufene Atomaufsichtsbehörde des Landes, den Betroffenen zur konkret beabsichtigten Maßnahme anhört (UA Rn. 42), nicht zutreffen sollte, würde es hier an der Anhörung der Klägerin fehlen. Der Verwaltungsgerichtshof hat es nicht damit bewenden lassen, festzustellen, dass die zuständige hessische Aufsichtsbehörde die Klägerin nicht angehört hat (UA Rn. 37). Er hat auch geprüft, ob eine andere der gesetzlichen Vorschrift entsprechende Anhörung der Klägerin vorliegt, die die fehlende Anhörung durch die zuständige Behörde ersetzen könnte. Dass eine andere Behörde, insbesondere eine Bundesbehörde wie z.B. das BMU, die Klägerin angehört habe, hat er jedoch ebenfalls nicht festgestellt (UA Rn. 38). Den Hilfsbeweisantrag des Beklagten, den damaligen Bundesumweltminister zum Beweis dafür zu vernehmen, dass zwischen dem 12. und 14. März 2011 ein Gespräch zwischen diesem, der Klägerin und anderen Betreibern von Kernkraftwerken über das beabsichtigte Moratorium stattgefunden habe und die Betreiber der Kernkraftwerke bei diesem Gespräch Gelegenheit gehabt hätten, dazu Stellung zu nehmen, hat der Verwaltungsgerichtshof abgelehnt (UA Rn. 39 - 41). Die hiergegen gerichtete Verfahrensrüge bleibt - wie noch darzulegen ist (I.3) - ohne Erfolg.

10

Unabhängig hiervon bedarf die Frage nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteile vom 22. Mai 1990 - 2 BvG 1/88 - BVerfGE 81, 310 und vom 19. Februar 2002 - 2 BvG 2/00 - BVerfGE 104, 249) und dem Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetz ergibt sich ohne Weiteres, dass die Kompetenzen des Bundes im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) nichts daran ändern, dass für die nach § 28 Abs. 1 HVwVfG vor Erlass einer atomrechtlichen Aufsichtsmaßnahme erforderliche Anhörung nicht der Bund, sondern allein die für die Vornahme der Anordnung berufene Aufsichtsbehörde des Landes zuständig ist.

11

Beim Vollzug des Atomgesetzes werden die Länder im Auftrag des Bundes tätig (Art. 87c GG i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 1 AtG). Der Bund hat bei der Auftragsverwaltung (Art. 85 GG) im Vergleich zur landeseigenen Ausführung der Bundesgesetze weit stärkere Einwirkungsmöglichkeiten. Seine Aufsicht erstreckt sich nicht nur auf Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Gesetzesausführung; vielmehr unterstehen die Landesbehörden von vornherein den Weisungen der obersten Bundesbehörden. Unentziehbar steht dem Land nur die Wahrnehmungskompetenz, das Handeln und die Verantwortlichkeit nach außen im Verhältnis zu Dritten, zu. Sie bleibt stets Landesangelegenheit. Ein Eintrittsrecht des Bundes ist in Art. 85 GG nicht vorgesehen. Für die Sachbeurteilung gilt dies hingegen nicht. Die Sachkompetenz liegt zwar zunächst ebenfalls beim Land. Der Bund kann sie aber nach eigener Entscheidung dadurch an sich ziehen, dass er das ihm zuerkannte Weisungsrecht in Anspruch nimmt (BVerfG, Urteile vom 22. Mai 1990 a.a.O. S. 332 und vom 19. Februar 2002 a.a.O. S. 264 f.). Der Bund ist zudem nicht auf die Inanspruchnahme des Weisungsrechts beschränkt. Er darf im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung alle Aktivitäten entfalten, die er für eine effektive und sachgerechte Vorbereitung und Ausübung seines grundsätzlich unbeschränkten Direktions- und Weisungsrechts für erforderlich hält, soweit er dadurch die Wahrnehmungskompetenz der Länder nicht verletzt (BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2002 a.a.O. S. 265). Hat der Bund im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung die Sachkompetenz auf sich übergeleitet, so ist er berechtigt, sich in jeder von ihm für zweckmäßig gehaltenen Weise Informationen zu beschaffen - sei es von den Betreibern, sei es von den Ländern selbst, sei es durch Sachverständigenkommissionen -, die er zur Ausübung seiner Sachkompetenz für erforderlich erachtet. Die Wahrnehmungskompetenz des Landes verletzt der Bund erst dann, wenn er nach außen gegenüber Dritten und gleichsam an Stelle der auf Grund der Wahrnehmungskompetenz des Landes für eine Entscheidung gegenüber Dritten berufenen Landesbehörde rechtsverbindlich tätig wird oder durch die Abgabe von Erklärungen, die einer rechtsverbindlichen Entscheidung gleichkommen, die Wahrnehmungskompetenz des Landes an sich zieht (a.a.O. S. 267). Die gesetzesvollziehende rechtsverbindliche Entscheidung mit Außenwirkung, vor allem der Erlass von Verwaltungsakten und der Abschluss öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen, bleibt dem Land vorbehalten (a.a.O. S. 266).

12

Die Anhörung des Betroffenen nach § 28 HVwVfG ist zwar nicht selbst eine rechtsverbindliche Entscheidung. Sie ist jedoch Teil des Verwaltungsverfahrens, d.h. der nach außen wirkenden Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet ist und den Erlass des Verwaltungsakts einschließt (§ 9 HVwVfG). Die nach § 28 Abs. 1 HVwVfG erforderliche Anhörung zum beabsichtigten Erlass eines belastenden Verwaltungsakts und der nachfolgende Erlass dieses Verwaltungsakts bilden mithin verfahrensrechtlich eine Einheit. Die Durchführung der Anhörung gehört deshalb ebenso zur unentziehbaren Wahrnehmungskompetenz des Landes wie der Erlass des Verwaltungsakts selbst. Daraus folgt nicht, dass dem Bund ein eigener Kontakt zu betroffenen Dritten verwehrt wäre. Es bleibt ihm unbenommen, Gespräche mit betroffenen Dritten zu führen, um die Ausübung seines Direktions- und Weisungsrechts vorzubereiten. Für die Durchführung der Anhörung nach § 28 HVwVfG bleibt jedoch allein die mit Außenwirkung handelnde Landesbehörde zuständig. Ist ihr bekannt, dass die Betroffenen im Rahmen informaler Kontakte mit dem Bund Gelegenheit hatten, sich auch zu der beabsichtigten Sachentscheidung zu äußern, kann dies allerdings je nach den Umständen des Einzelfalls ein Grund sein, im Rahmen ihres Ermessens nach § 28 Abs. 2 HVwVfG von einer Anhörung abzusehen.

13

2. Mit einer Divergenzrüge macht der Beklagte geltend, der Verwaltungsgerichtshof sei mit dem Rechtssatz, dass die Anhörung im Sinne des § 28 Abs. 1 HVwVfG zur Wahrnehmungskompetenz des Landes gehöre und nicht vom Bund durchgeführt werden dürfe, von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 2002 (a.a.O.) abgewichen. Das Bundesverfassungsgericht habe seiner Entscheidung den Rechtssatz zugrunde gelegt, dass Bestandteil der Aktivitäten des Bundes zur Vorbereitung und Ausübung seines Direktions- und Weisungsrechts auch unmittelbare Kontakte nach außen sein könnten; die Wahrnehmungskompetenz des Landes verletze er erst, wenn er nach außen gegenüber Dritten rechtsverbindlich tätig werde.

14

Diese Rüge kann der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil der angeführte Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofs das Urteil nicht allein trägt und in Bezug auf die weitere tragende Begründung ein Zulassungsgrund nicht vorliegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat den auf Vernehmung des damaligen Bundesumweltministers gerichteten Hilfsbeweisantrag nicht allein aus dem Rechtsgrund abgelehnt, dass Gespräche von Mitgliedern der Bundesregierung mit den Betreibern deutscher Kernkraftwerke die Vorgaben des § 28 Abs. 1 HVwVfG nicht erfüllen würden (UA Rn. 42). Daneben tritt selbstständig tragend die Erwägung, dass der Beweisantrag auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gerichtet sei (UA Rn. 39 - 41). Die hiergegen gerichtete Verfahrensrüge greift nicht durch (siehe unten I.3). Unabhängig hiervon liegt auch die geltend gemachte Divergenz nicht vor. Wie bereits dargelegt, bilden die nach § 28 Abs. 1 HVwVfG erforderliche Anhörung und der nachfolgende Erlass des Verwaltungsakts verfahrensrechtlich eine Einheit. Im Verhältnis zum Bund ist die Anhörung wie der Erlass des Verwaltungsakts selbst dem rechtsverbindlichen Tätigwerden nach außen und damit der Wahrnehmungskompetenz des Landes zugeordnet. Ein Widerspruch zur dargelegten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt nicht vor.

15

3. Als Verfahrensmangel macht der Beklagte geltend, dass der Verwaltungsgerichtshof den auf Vernehmung des damaligen Bundesumweltministers gerichteten Hilfsbeweisantrag abgelehnt hat; dadurch habe er seine Aufklärungspflicht verletzt (§ 86 Abs. 1 VwGO).

16

Die Rüge ist nicht begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Hilfsbeweisantrag abgelehnt, weil es sich insoweit um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis handele. Beweisanträge könnten unsubstantiiert und als Ausforschungsbegehren unzulässig sein, wenn sie dazu dienen sollten, Behauptungen und Vermutungen zu stützen, die erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben werden. Einem Prozessbeteiligten könne es etwa verwehrt sein, unter formalem Beweisantritt Behauptungen aufzustellen, deren Wahrheitsgehalt nicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben könnte. Ausgehend hiervon hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, es finde sich keine tatsächliche Grundlage für die Behauptung des Beklagten, der benannte Zeuge könne bekunden, dass er oder Dritte - etwa die Bundeskanzlerin - im Vorfeld der in Berlin im BMU stattgefundenen Beratungen über die Folgen des Unfalls in Japan konkrete Gespräche mit der Klägerin geführt habe, deren Gegenstand die beabsichtigte Stilllegung des Kraftwerks Biblis gewesen sei. Der Beklagte habe weder Ort noch Tag oder Stunde benannt, zu denen ein derartiges Gespräch stattgefunden haben solle. Ihm wäre die Einholung entsprechender Auskünfte und schriftlicher Stellungnahmen der an den behaupteten Gesprächen beteiligten Personen ohne Weiteres möglich gewesen (UA Rn. 40). Eine entsprechende Eingrenzung ergebe sich auch nicht aus der Bekundung der Bundeskanzlerin in der Pressekonferenz vom 14. März 2011, die Bundesregierung stehe im Gespräch mit den Betreibern über die Aussetzung der Laufzeitverlängerung. Diese Bekundung lasse weder erkennen, ob und inwieweit es zu diesem Zeitpunkt konkret bereits Gespräche gegeben hatte, noch dass die - am Tag darauf verkündete - Stilllegung einzelner Kernkraftwerke Gegenstand solcher Gespräche gewesen sein könnte (UA Rn. 41).

17

Der Beklagte zeigt nicht auf, dass dieser Ablehnungsgrund nicht trägt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Anforderungen an die Substantiierung von Beweisanträgen, die sich auch nach der konkreten prozessualen Situation richten (Beschluss vom 28. Mai 2013 - BVerwG 7 B 46.12 - juris Rn. 5), nicht überspannt. Abgesehen von den fehlenden Angaben zu Zeit und Ort des Gesprächs ließ sich der Beweisbehauptung, es sei über das beabsichtigte "Moratorium" gesprochen worden, nicht entnehmen, dass nicht nur die Aussetzung der Laufzeitverlängerung, sondern auch die Einstellung des Leistungsbetriebs des Kernkraftwerks Biblis Block A Gegenstand des Gesprächs gewesen sein soll. Entsprechendes ergab sich - wie der Verwaltungsgerichtshof dargelegt hat - auch nicht aus den Äußerungen der Bundeskanzlerin, auf die der Beklagte zur Begründung des Beweisantrags Bezug genommen hatte. Auch wenn Vertreter des Beklagten nicht selbst an dem behaupteten Gespräch teilgenommen haben, hätte es ihm möglich sein müssen, entsprechende Auskünfte der für die Bundesregierung anwesenden Personen einzuholen. Zu entsprechenden Nachfragen bei der Bundesregierung hätte er bereits vor Erlass der Anordnung im Zusammenhang mit der Entscheidung nach § 28 Abs. 2 HVwVfG, ob von einer Anhörung abgesehen werden kann, Anlass gehabt.

18

4. Der Beklagte möchte in einem Revisionsverfahren rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,

ob § 28 Abs. 1 HVwVfG so auszulegen ist, dass es für die Durchführung der Anhörung einer förmlichen, von der zuständigen Behörde ausgehenden Initiative nicht bedarf, sofern die Anforderungen des Gesetzes an den rein tatsächlichen Vorgang der Anhörung erfüllt sind, d.h. der Betroffene über den beabsichtigten Verwaltungsakt Kenntnis hatte, sich zur Kenntnis der Behörde in einer ihm überlassenen Weise geäußert und die Behörde die Äußerung auch berücksichtigt hat.

19

Diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Es unterliegt keinem Zweifel und ist auch im Schrifttum unbestritten, dass nach § 28 Abs. 1 HVwVfGdie Behörde dem Betroffenen - in welcher Form auch immer - Gelegenheit zur Äußerung zu geben hat (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 28 Rn. 12; Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 28 Rn. 46; Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 28 Rn. 4; Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2013, § 28 VwVfG Rn. 20; Ritgen, in: Knack/Henneke, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2010, § 28 Rn. 13; Grünewald, in: Obermayer, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl. 1999, § 28 Rn. 15). Die Anhörung muss sich an einen individualisierten Adressaten richten und die beabsichtigte behördliche Maßnahme konkret benennen (BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - BVerwG 3 C 16.11 - BVerwGE 142, 205 = Buchholz 418.43 lfSG Nr. 1 Rn. 12). Die freie Berichterstattung in den Medien über eine beabsichtigte Verwaltungsmaßnahme ist der Behörde nicht zuzurechnen; zudem fehlt jedenfalls die erforderliche Individualisierung des Adressaten. Im Übrigen kann, selbst wenn sich der Betroffene aufgrund von Medienberichten gegenüber der Öffentlichkeit zu der beabsichtigten Verwaltungsmaßnahme geäußert hat, nicht davon ausgegangen werden, dass er sich gegenüber der Behörde nicht weitergehend geäußert hätte.

20

5. Die Frage,

ob § 28 Abs. 2 HVwVfG dahin auszulegen ist, dass die Landesbehörde von einer Anhörung absehen kann, wenn der Bund die Sachkompetenz an sich gezogen und Gespräche mit dem Betroffenen geführt hat,

würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht festgestellt, dass der Bund Gespräche mit der Klägerin über die beabsichtigte Einstellung des Leistungsbetriebs des Kernkraftwerks Biblis Block A geführt hat. Die Verfahrensrügen gegen das Unterlassen einer solchen Feststellung, auf die der Beklagte zur Begründung der Entscheidungserheblichkeit seiner Grundsatzfrage verweist, sind nicht begründet (I.3, II.2 und 3).

21

6. Die geltend gemachte Abweichung vom Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Februar 1991 - BVerwG 7 B 7.91 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 283 dürfte bereits nicht vorliegen; jedenfalls würde das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs nicht auf dieser Abweichung beruhen.

22

Der Beklagte entnimmt dem angefochtenen Urteil (UA Rn. 52) den Rechtssatz, dass § 46 HVwVfG dann keine Anwendung finde, wenn eine sogenannte Beurteilungsermächtigung vorliege, d.h. wenn die Behörde unbestimmte Rechtsbegriffe anzuwenden habe, die ihr einen Beurteilungsspielraum einräumen. Dass der Verwaltungsgerichtshof die Anwendbarkeit des § 46 HVwVfG unabhängig von der Kausalität des Verfahrensfehlers für die Ausübung des Beurteilungsspielraums verneint hat, dürfte dem Urteil entgegen der Auffassung des Beklagten schon nicht zu entnehmen sein (vgl. UA Rn. 52 a.E.); jedenfalls würde es hierauf nicht beruhen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Unbeachtlichkeit der fehlenden Anhörung selbstständig tragend auch deshalb verneint, weil der Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen über Aufsichtsmaßnahmen nach § 19 Abs. 3 Satz 1 AtG zu entscheiden hatte und nicht festgestellt werden konnte, dass eine Anhörung der Klägerin rechtlich keine Auswirkungen auf diese Ermessensentscheidung gehabt hätte (UA Rn. 54).

23

7. Die Frage,

ob § 46 HVwVfG dahingehend auszulegen ist, dass im Rahmen der anzustellenden hypothetischen Betrachtung auch politische Entscheidungen berücksichtigt werden können, so dass ein feststehender Behördenwille angenommen werden kann,

würde sich in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass politische Entscheidungen bei der Prüfung des § 46 HVwVfG unter keinen Umständen berücksichtigt werden können, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht aufgestellt. Er hat es hier für möglich gehalten, dass der Verfahrensfehler in Form der unterbliebenen vorherigen Anhörung der Klägerin offensichtlich ohne Einfluss auf die von dem Bundesministerium oder der Aufsichtsbehörde politisch getroffene Entscheidung gewesen sei; die legitime politische Betrachtungsweise sei von der juristischen indes zu trennen. § 46 HVwVfG finde keine Anwendung, wenn eine sogenannte Beurteilungsermächtigung vorliege und zudem in hypothetischer Betrachtungsweise nicht ausgeschlossen werden könne, dass entsprechende Informationen Einfluss auf die zu treffende Entscheidung der Behörde hätten haben können (UA Rn. 52). Der Beklagte habe jedenfalls darüber hinaus nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden gehabt. Bei Ermessensentscheidungen könne im Regelfall bereits die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass die Behörde bei Beachtung des Verfahrensrechts zu einer anderen Entscheidung in der Sache gekommen wäre. Die hier unterbliebene Ausübung des Ermessens dürfe nicht über § 46 HVwVfG zu dem Ergebnis führen, dass die Anhörung offensichtlich an der Entscheidung in der Sache nichts geändert hätte. Auch dann, wenn die Entscheidung in der Sache für den Beklagten erkennbar zunächst festgestanden hätte, könne gerade nicht festgestellt werden, dass eine Anhörung der Klägerin rechtlich keine Auswirkungen gehabt hätte. Eine Reduzierung des Ermessens auf Null habe im Übrigen weder auf Seiten der hessischen Aufsichtsbehörde noch des BMU bestanden (UA Rn. 54).

24

Der Verwaltungsgerichtshof hat mithin angenommen, die Voraussetzungen des § 46 HVwVfG könnten nicht bereits deshalb als erfüllt angesehen werden, weil dem Erlass des Verwaltungsakts eine entsprechende politisch getroffene Entscheidung vorausgegangen ist, die die zuständige Behörde lediglich umgesetzt hat. Dass diese Rechtsauffassung mit Bundesrecht vereinbar ist, bedarf nicht der Bestätigung in einem Revisionsverfahren. Seit der Neufassung des § 46 VwVfG durch das Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren vom 12. September 1996 (BGBl I S. 1354) und der entsprechenden Anpassung des § 46 HVwVfG ist ein Verfahrensfehler nicht nur unbeachtlich, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können, sondern immer dann, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Anhörungsfehlern bei Entscheidungen mit Beurteilungs- und/oder Ermessensspielräumen ist geklärt, dass diese Prüfung eine hypothetische Betrachtung erfordert: Es ist zu prüfen, was der Betroffene bei fehlerfreier Anhörung vorgetragen hätte und ob dieser Vortrag objektiv geeignet gewesen wäre, die Sachentscheidung der Behörde zu beeinflussen (Urteile vom 24. Juni 2010 - BVerwG 3 C 14.09 - BVerwGE 137, 199 = Buchholz 442.01 § 13 PBefG Nr. 38 Rn. 40 ff. und vom 22. März 2012 a.a.O. Rn. 20). Die Feststellung, dass die Behörde eine zuvor politisch getroffene Entscheidung lediglich umgesetzt hat, genügt hiernach nicht, um eine Beeinflussung der Sachentscheidung durch den Anhörungsfehler auszuschließen. Auch in einem solchen Fall muss der hypothetische Vortrag des Betroffenen gewürdigt werden. Dass hier die Klägerin im Rahmen einer Anhörung im Kern den gleichen Vortrag wie im späteren Klageverfahren gebracht hätte und dass dieser Vortrag hinreichend gewichtig gewesen wäre, um den Beklagten und gegebenenfalls auch das BMU zu einer Überprüfung der beabsichtigten Entscheidung zu veranlassen, steht außer Frage.

25

8. Mit der Frage,

ob § 46 HVwVfG dahingehend auszulegen ist, dass die materielle Rechtmäßigkeit für die Beurteilung der Kausalität des formellen Fehlers im Rahmen des § 46 HVwVfG von Bedeutung ist,

unterstellt der Beklagte dem Verwaltungsgerichtshof einen Rechtssatz, den dieser seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat geprüft, ob der Anhörungsfehler die Entscheidung des Beklagten in der Sache schon deshalb nicht beeinflusst haben kann, weil der Beklagte das ihm in § 19 Abs. 3 AtG eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt hat. Diese Frage hat er verneint, weil die Nichtausübung des eigentlich gesetzlich vorgesehenen und notwendigen Ermessens nicht über § 46 HVwVfG zu dem Ergebnis führen dürfe, dass die Anhörung in der Sache nichts geändert hätte (UA Rn. 54). Dass ein formeller Fehler lediglich bei materiell rechtmäßigen Verwaltungsakten unbeachtlich sein könne (so Beschwerdebegründung S. 39), hat der Verwaltungsgerichtshof damit nicht angenommen. Dass die Kausalität eines Anhörungsfehlers für die zu treffende Sachentscheidung mit dem Verwaltungsgerichtshof nicht schon deshalb verneint werden kann, weil die Behörde nicht nur die Notwendigkeit der Anhörung, sondern darüber hinaus verkannt hat, dass sie nicht rechtlich gebunden ist, sondern das ihr vom Gesetz eingeräumte Ermessen auszuüben hat, liegt auf der Hand.

26

II. Die in Bezug auf alle tragenden Urteilsgründe geltend gemachten Zulassungsgründe zu Fragen der Bundesauftragsverwaltung liegen, soweit es um die Anhörung geht, ebenfalls nicht vor.

27

1. Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet der Beklagte die Frage,

ob es bei einer Anfechtungsklage des Betroffenen mit Art. 85 Abs. 3 GG vereinbar ist, wenn das Verwaltungsgericht/der Verwaltungsgerichtshof die Frage dahinstehen lässt, ob und inwieweit der Bund die Sachkompetenz an sich gezogen hat, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Bund seine Sachkompetenz aktualisiert hat, indem er z.B. eine Entscheidung vorgegeben hat oder die Landesbehörde die Vorgaben des Bundes als verbindlich verstanden hat.

28

Soweit es um die Anhörung geht, ergibt sich aus dieser Frage kein über die bereits abgehandelte Frage I.1 hinausgehender Klärungsbedarf; auf die dortigen Ausführungen kann Bezug genommen werden. Selbst wenn der Bund die Sachkompetenz an sich gezogen hätte und dies zur Folge hätte, dass das Land für die vor Erlass einer atomrechtlichen Aufsichtsmaßnahme nach § 28 HVwVfG erforderliche Anhörung nicht mehr allein zuständig wäre, läge hier ein Anhörungsmangel vor, denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht festgestellt, dass jedenfalls der Bund die Klägerin zur beabsichtigten Anordnung der Einstellung des Leistungsbetriebs des Kernkraftwerks Biblis Block A angehört hat. Im Übrigen bleibt die Anhörung dem Land als Teil seiner Wahrnehmungskompetenz vorbehalten, auch wenn der Bund die Sachkompetenz an sich zieht. Dass der Verwaltungsgerichtshof unter diesen Umständen für die Anhörung offen lassen konnte, ob und inwieweit der Bund die Sachkompetenz an sich gezogen hat (UA Rn. 33), liegt auf der Hand.

29

2. Als Verfahrensmangel rügt der Beklagte einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof habe den Vortrag des Beklagten zum Vorliegen einer Weisung und zu den Gründen für die Auswahl der streitbefangenen Anlage in den Entscheidungsgründen übergangen.

30

Diese Rüge kann unabhängig davon, dass die Beweiswürdigung revisionsrechtlich regelmäßig - und so auch hier - dem materiellen Recht zuzurechnen ist, keinen Erfolg haben. Soweit es um das Vorliegen einer Weisung geht, verkennt der Beklagte, dass der Prüfung von Verfahrensmängeln die materiellrechtliche Rechtsauffassung der Vorinstanz zugrunde zu legen ist (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 28. März 2013 - BVerwG 4 B 15.12 - juris Rn. 8). Das Vorliegen einer Weisung war für den Verwaltungsgerichtshof - wie unter I.1 und II.1 dargelegt - nicht entscheidungserheblich. Soweit es um die Gründe für die Auswahl der streitbefangenen Anlage geht, legt der Beklagte in der Beschwerdebegründung lediglich dar, dass die behauptete Nichtberücksichtigung des im Tatbestand festgestellten Sachverhalts für die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme (UA Rn. 90 und 92) von Bedeutung sei. Eine Relevanz des Vorbringens für die Anhörung ist weder dargelegt noch ersichtlich.

31

3. Als Verfahrensmangel rügt der Beklagte schließlich, dass der Verwaltungsgerichtshof den von ihm vorgetragenen und im Tatbestand festgestellten Sachverhalt, der das Zustandekommen der streitbefangenen Anordnung im Rahmen der Regeln über die Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 GG betreffe, nicht berücksichtigt habe. Dadurch sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

32

Auch diese Rüge ist unbegründet. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn das Gericht den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt gelassen hat, namentlich wenn er nach der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts nicht entscheidungserheblich war (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 28. März 2013 a.a.O. Rn. 12 m.w.N.). Wie bereits dargelegt, kommt es nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs bei der Anhörung im Rahmen des § 28 Abs. 1 HVwVfG darauf an, dass die jeweils zuständige Behörde, d.h. die für die Vornahme möglicher Anordnungen berufene Atomaufsichtsbehörde des Landes, den Betroffenen zur konkret beabsichtigten Maßnahme anhört (UA Rn. 42). Die Frage, ob und inwieweit das BMU die Sachkompetenz an sich gezogen hat, war hiernach für das Vorliegen einer beachtlichen Verletzung von § 28 HVwVfG nicht entscheidungserheblich.

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung, dass das Verbot des Beklagten vom 18. März 2011, den Leistungsbetrieb des Kernkraftwerks Biblis Block B vor Ablauf von drei Monaten wieder aufzunehmen, rechtswidrig gewesen ist.

2

Am 11. März 2011 führten ein Seebeben und ein nachfolgender Tsunami an der Ostküste Japans zur Zerstörung des Kernkraftwerks Fukushima. Das Kernkraftwerk Biblis Block B hatte zu diesem Zeitpunkt die im sogenannten Atomkompromiss des Jahres 2002 festgesetzte Strommenge - unabhängig von deren Ausweitung durch das 11. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl I S. 1814) - noch nicht erzeugt. Aufgrund von regulär angesetzten Revisionsarbeiten befand es sich jedoch nicht im regulären Leistungsbetrieb.

3

Am 14. März 2011 kündigten die Bundeskanzlerin und der Außenminister im Rahmen einer Pressekonferenz eine Sicherheitsüberprüfung aller deutschen Kernkraftwerke und die Aussetzung der kurz zuvor beschlossenen Laufzeitverlängerung an. Am 15. März 2011 beschlossen die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Kernkraftwerken darüber hinaus die Abschaltung der sieben ältesten deutschen Anlagen und kündigten auch dies auf einer Pressekonferenz an. Mit Schreiben vom 16. März 2011 forderte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) die beteiligten Länder auf, gegenüber den Betreibern der betroffenen Anlagen eine dreimonatige Betriebseinstellung anzuordnen und hierbei die in dem Schreiben genannten Ausführungen zur Begründung zu verwenden. Mit der an die Klägerin gerichteten Verfügung vom 18. März 2011 kam der Beklagte dieser Aufforderung nach. Ergänzend führte er aus, dass von einer förmlichen Anhörung nach § 28 HVwVfG habe abgesehen werden können, weil sie vorliegend nicht geboten erscheine; die wesentlichen Inhalte der Anhörung seien der Klägerin bereits bekannt und sie habe sich bereits diesbezüglich gegenüber den öffentlichen Medien zu seiner Kenntnis geäußert.

4

Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass die Anordnung des Beklagten vom 18. März 2011 rechtswidrig gewesen ist. Sie sei formell rechtswidrig, weil die Klägerin nicht angehört worden sei und dies einen beachtlichen Verfahrensfehler darstelle. Die Anordnung sei zudem materiell rechtswidrig, da die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage - § 19 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2 AtG - nicht vorlägen, der Beklagte das notwendige Ermessen nicht sachgerecht ausgeübt und eine nicht mehr verhältnismäßige Rechtsfolge gesetzt habe.

5

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten.

II.

6

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

7

Ist die vorinstanzliche Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund vorliegt (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 28. Oktober 2013 - BVerwG 5 B 66.13 - Rn. 15 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Die Begründung, dass der angegriffene Verwaltungsakt an einem formellen Fehler leide, weil der Beklagte die Klägerin vor seinem Erlass nicht, wie von § 28 HVwVfG gefordert, angehört habe, ein Ausnahmefall nach § 28 Abs. 2 und 3 HVwVfG nicht vorliege und dieser Verfahrensfehler nicht gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 HVwVfG oder § 46 HVwVfG unbeachtlich sei, trägt die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs selbstständig. Die von dem Beklagten in Bezug auf diese Begründung geltend gemachten Revisionszulassungsgründe (Beschwerdebegründung unter III) liegen nicht vor. Gleiches gilt für die geltend gemachten Zulassungsgründe zu Fragen der Bundesauftragsverwaltung (Beschwerdebegründung unter I), von denen der Beklagte meint, dass sie für alle tragenden Gründe des Urteils von Bedeutung seien.

8

I.1. Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet der Beklagte die Frage,

ob die Durchführung der Anhörung im Sinne des § 28 HVwVfG ein rechtsverbindliches Handeln der Behörde nach außen darstellt und daher in den Fällen der Bundesauftragsverwaltung dem Bereich der Wahrnehmungskompetenz zuzuordnen ist.

9

Diese Frage wäre in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass es bei der Anhörung im Rahmen des § 28 Abs. 1 HVwVfG darauf ankommt, dass die jeweils zuständige Behörde, d.h. die für die Vornahme der möglichen Anordnung berufene Atomaufsichtsbehörde des Landes, den Betroffenen zur konkret beabsichtigten Maßnahme anhört (UA Rn. 42), nicht zutreffen sollte, würde es hier an der Anhörung der Klägerin fehlen. Der Verwaltungsgerichtshof hat es nicht damit bewenden lassen, festzustellen, dass die zuständige hessische Aufsichtsbehörde die Klägerin nicht angehört hat (UA Rn. 37). Er hat auch geprüft, ob eine andere der gesetzlichen Vorschrift entsprechende Anhörung der Klägerin vorliegt, die die fehlende Anhörung durch die zuständige Behörde ersetzen könnte. Dass eine andere Behörde, insbesondere eine Bundesbehörde wie z.B. das BMU, die Klägerin angehört habe, hat er jedoch ebenfalls nicht festgestellt (UA Rn. 38). Den Hilfsbeweisantrag des Beklagten, den damaligen Bundesumweltminister zum Beweis dafür zu vernehmen, dass zwischen dem 12. und 14. März 2011 ein Gespräch zwischen diesem, der Klägerin und anderen Betreibern von Kernkraftwerken über das beabsichtigte Moratorium stattgefunden habe und die Betreiber der Kernkraftwerke bei diesem Gespräch Gelegenheit gehabt hätten, dazu Stellung zu nehmen, hat der Verwaltungsgerichtshof abgelehnt (UA Rn. 39 - 41). Die hiergegen gerichtete Verfahrensrüge bleibt - wie noch darzulegen ist (I.3) - ohne Erfolg.

10

Unabhängig hiervon bedarf die Frage nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteile vom 22. Mai 1990 - 2 BvG 1/88 - BVerfGE 81, 310 und vom 19. Februar 2002 - 2 BvG 2/00 - BVerfGE 104, 249) und dem Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetz ergibt sich ohne Weiteres, dass die Kompetenzen des Bundes im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) nichts daran ändern, dass für die nach § 28 Abs. 1 HVwVfG vor Erlass einer atomrechtlichen Aufsichtsmaßnahme erforderliche Anhörung nicht der Bund, sondern allein die für die Vornahme der Anordnung berufene Aufsichtsbehörde des Landes zuständig ist.

11

Beim Vollzug des Atomgesetzes werden die Länder im Auftrag des Bundes tätig (Art. 87c GG i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 1 AtG). Der Bund hat bei der Auftragsverwaltung (Art. 85 GG) im Vergleich zur landeseigenen Ausführung der Bundesgesetze weit stärkere Einwirkungsmöglichkeiten. Seine Aufsicht erstreckt sich nicht nur auf Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Gesetzesausführung; vielmehr unterstehen die Landesbehörden von vornherein den Weisungen der obersten Bundesbehörden. Unentziehbar steht dem Land nur die Wahrnehmungskompetenz, das Handeln und die Verantwortlichkeit nach außen im Verhältnis zu Dritten, zu. Sie bleibt stets Landesangelegenheit. Ein Eintrittsrecht des Bundes ist in Art. 85 GG nicht vorgesehen. Für die Sachbeurteilung gilt dies hingegen nicht. Die Sachkompetenz liegt zwar zunächst ebenfalls beim Land. Der Bund kann sie aber nach eigener Entscheidung dadurch an sich ziehen, dass er das ihm zuerkannte Weisungsrecht in Anspruch nimmt (BVerfG, Urteile vom 22. Mai 1990 a.a.O. S. 332 und vom 19. Februar 2002 a.a.O. S. 264 f.). Der Bund ist zudem nicht auf die Inanspruchnahme des Weisungsrechts beschränkt. Er darf im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung alle Aktivitäten entfalten, die er für eine effektive und sachgerechte Vorbereitung und Ausübung seines grundsätzlich unbeschränkten Direktions- und Weisungsrechts für erforderlich hält, soweit er dadurch die Wahrnehmungskompetenz der Länder nicht verletzt (BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2002 a.a.O. S. 265). Hat der Bund im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung die Sachkompetenz auf sich übergeleitet, so ist er berechtigt, sich in jeder von ihm für zweckmäßig gehaltenen Weise Informationen zu beschaffen - sei es von den Betreibern, sei es von den Ländern selbst, sei es durch Sachverständigenkommissionen -, die er zur Ausübung seiner Sachkompetenz für erforderlich erachtet. Die Wahrnehmungskompetenz des Landes verletzt der Bund erst dann, wenn er nach außen gegenüber Dritten und gleichsam an Stelle der auf Grund der Wahrnehmungskompetenz des Landes für eine Entscheidung gegenüber Dritten berufenen Landesbehörde rechtsverbindlich tätig wird oder durch die Abgabe von Erklärungen, die einer rechtsverbindlichen Entscheidung gleichkommen, die Wahrnehmungskompetenz des Landes an sich zieht (a.a.O. S. 267). Die gesetzesvollziehende rechtsverbindliche Entscheidung mit Außenwirkung, vor allem der Erlass von Verwaltungsakten und der Abschluss öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen, bleibt dem Land vorbehalten (a.a.O. S. 266).

12

Die Anhörung des Betroffenen nach § 28 HVwVfG ist zwar nicht selbst eine rechtsverbindliche Entscheidung. Sie ist jedoch Teil des Verwaltungsverfahrens, d.h. der nach außen wirkenden Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet ist und den Erlass des Verwaltungsakts einschließt (§ 9 HVwVfG). Die nach § 28 Abs. 1 HVwVfG erforderliche Anhörung zum beabsichtigten Erlass eines belastenden Verwaltungsakts und der nachfolgende Erlass dieses Verwaltungsakts bilden mithin verfahrensrechtlich eine Einheit. Die Durchführung der Anhörung gehört deshalb ebenso zur unentziehbaren Wahrnehmungskompetenz des Landes wie der Erlass des Verwaltungsakts selbst. Daraus folgt nicht, dass dem Bund ein eigener Kontakt zu betroffenen Dritten verwehrt wäre. Es bleibt ihm unbenommen, Gespräche mit betroffenen Dritten zu führen, um die Ausübung seines Direktions- und Weisungsrechts vorzubereiten. Für die Durchführung der Anhörung nach § 28 HVwVfG bleibt jedoch allein die mit Außenwirkung handelnde Landesbehörde zuständig. Ist ihr bekannt, dass die Betroffenen im Rahmen informaler Kontakte mit dem Bund Gelegenheit hatten, sich auch zu der beabsichtigten Sachentscheidung zu äußern, kann dies allerdings je nach den Umständen des Einzelfalls ein Grund sein, im Rahmen ihres Ermessens nach § 28 Abs. 2 HVwVfG von einer Anhörung abzusehen.

13

2. Mit einer Divergenzrüge macht der Beklagte geltend, der Verwaltungsgerichtshof sei mit dem Rechtssatz, dass die Anhörung im Sinne des § 28 Abs. 1 HVwVfG zur Wahrnehmungskompetenz des Landes gehöre und nicht vom Bund durchgeführt werden dürfe, von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 2002 (a.a.O.) abgewichen. Das Bundesverfassungsgericht habe seiner Entscheidung den Rechtssatz zugrunde gelegt, dass Bestandteil der Aktivitäten des Bundes zur Vorbereitung und Ausübung seines Direktions- und Weisungsrechts auch unmittelbare Kontakte nach außen sein könnten; die Wahrnehmungskompetenz des Landes verletze er erst, wenn er nach außen gegenüber Dritten rechtsverbindlich tätig werde.

14

Diese Rüge kann der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil der angeführte Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofs das Urteil nicht allein trägt und in Bezug auf die weitere tragende Begründung ein Zulassungsgrund nicht vorliegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat den auf Vernehmung des damaligen Bundesumweltministers gerichteten Hilfsbeweisantrag nicht allein aus dem Rechtsgrund abgelehnt, dass Gespräche von Mitgliedern der Bundesregierung mit den Betreibern deutscher Kernkraftwerke die Vorgaben des § 28 Abs. 1 HVwVfG nicht erfüllen würden (UA Rn. 42). Daneben tritt selbstständig tragend die Erwägung, dass der Beweisantrag auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gerichtet sei (UA Rn. 39 - 41). Die hiergegen gerichtete Verfahrensrüge greift nicht durch (siehe unten I.3). Unabhängig hiervon liegt auch die geltend gemachte Divergenz nicht vor. Wie bereits dargelegt, bilden die nach § 28 Abs. 1 HVwVfG erforderliche Anhörung und der nachfolgende Erlass des Verwaltungsakts verfahrensrechtlich eine Einheit. Im Verhältnis zum Bund ist die Anhörung wie der Erlass des Verwaltungsakts selbst dem rechtsverbindlichen Tätigwerden nach außen und damit der Wahrnehmungskompetenz des Landes zugeordnet. Ein Widerspruch zur dargelegten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt nicht vor.

15

3. Als Verfahrensmangel macht der Beklagte geltend, dass der Verwaltungsgerichtshof den auf Vernehmung des damaligen Bundesumweltministers gerichteten Hilfsbeweisantrag abgelehnt hat; dadurch habe er seine Aufklärungspflicht verletzt (§ 86 Abs. 1 VwGO).

16

Die Rüge ist nicht begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Hilfsbeweisantrag abgelehnt, weil es sich insoweit um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis handele. Beweisanträge könnten unsubstantiiert und als Ausforschungsbegehren unzulässig sein, wenn sie dazu dienen sollten, Behauptungen und Vermutungen zu stützen, die erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben werden. Einem Prozessbeteiligten könne es etwa verwehrt sein, unter formalem Beweisantritt Behauptungen aufzustellen, deren Wahrheitsgehalt nicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben könnte. Ausgehend hiervon hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, es finde sich keine tatsächliche Grundlage für die Behauptung des Beklagten, der benannte Zeuge könne bekunden, dass er oder Dritte - etwa die Bundeskanzlerin - im Vorfeld der in Berlin im BMU stattgefundenen Beratungen über die Folgen des Unfalls in Japan konkrete Gespräche mit der Klägerin geführt habe, deren Gegenstand die beabsichtigte Stilllegung des Kraftwerks Biblis gewesen sei. Der Beklagte habe weder Ort noch Tag oder Stunde benannt, zu denen ein derartiges Gespräch stattgefunden haben solle. Ihm wäre die Einholung entsprechender Auskünfte und schriftlicher Stellungnahmen der an den behaupteten Gesprächen beteiligten Personen ohne Weiteres möglich gewesen (UA Rn. 40). Eine entsprechende Eingrenzung ergebe sich auch nicht aus der Bekundung der Bundeskanzlerin in der Pressekonferenz vom 14. März 2011, die Bundesregierung stehe im Gespräch mit den Betreibern über die Aussetzung der Laufzeitverlängerung. Diese Bekundung lasse weder erkennen, ob und inwieweit es zu diesem Zeitpunkt konkret bereits Gespräche gegeben hatte, noch dass die - am Tag darauf verkündete - Stilllegung einzelner Kernkraftwerke Gegenstand solcher Gespräche gewesen sein könnte (UA Rn. 41).

17

Der Beklagte zeigt nicht auf, dass dieser Ablehnungsgrund nicht trägt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Anforderungen an die Substantiierung von Beweisanträgen, die sich auch nach der konkreten prozessualen Situation richten (Beschluss vom 28. Mai 2013 - BVerwG 7 B 46.12 - juris Rn. 5), nicht überspannt. Abgesehen von den fehlenden Angaben zu Zeit und Ort des Gesprächs ließ sich der Beweisbehauptung, es sei über das beabsichtigte "Moratorium" gesprochen worden, nicht entnehmen, dass nicht nur die Aussetzung der Laufzeitverlängerung, sondern auch das Verbot der Wiederaufnahme des Leistungsbetriebs des Kernkraftwerks Biblis Block B Gegenstand des Gesprächs gewesen sein soll. Entsprechendes ergab sich - wie der Verwaltungsgerichtshof dargelegt hat - auch nicht aus den Äußerungen der Bundeskanzlerin, auf die der Beklagte zur Begründung des Beweisantrags Bezug genommen hatte. Auch wenn Vertreter des Beklagten nicht selbst an dem behaupteten Gespräch teilgenommen haben, hätte es ihm möglich sein müssen, entsprechende Auskünfte der für die Bundesregierung anwesenden Personen einzuholen. Zu entsprechenden Nachfragen bei der Bundesregierung hätte er bereits vor Erlass der Anordnung im Zusammenhang mit der Entscheidung nach § 28 Abs. 2 HVwVfG, ob von einer Anhörung abgesehen werden kann, Anlass gehabt.

18

4. Der Beklagte möchte in einem Revisionsverfahren rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,

ob § 28 Abs. 1 HVwVfG so auszulegen ist, dass es für die Durchführung der Anhörung einer förmlichen, von der zuständigen Behörde ausgehenden Initiative nicht bedarf, sofern die Anforderungen des Gesetzes an den rein tatsächlichen Vorgang der Anhörung erfüllt sind, d.h. der Betroffene über den beabsichtigten Verwaltungsakt Kenntnis hatte, sich zur Kenntnis der Behörde in einer ihm überlassenen Weise geäußert und die Behörde die Äußerung auch berücksichtigt hat.

19

Diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Es unterliegt keinem Zweifel und ist auch im Schrifttum unbestritten, dass nach § 28 Abs. 1 HVwVfG die Behörde dem Betroffenen - in welcher Form auch immer - Gelegenheit zur Äußerung zu geben hat (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 28 Rn. 12; Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 28 Rn. 46; Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 28 Rn. 4; Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2013, § 28 VwVfG Rn. 20; Ritgen, in: Knack/Henneke, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2010, § 28 Rn. 13; Grünewald, in: Obermayer, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl. 1999, § 28 Rn. 15). Die Anhörung muss sich an einen individualisierten Adressaten richten und die beabsichtigte behördliche Maßnahme konkret benennen (BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - BVerwG 3 C 16.11 - BVerwGE 142, 205 = Buchholz 418.43 lfSG Nr. 1 Rn. 12). Die freie Berichterstattung in den Medien über eine beabsichtigte Verwaltungsmaßnahme ist der Behörde nicht zuzurechnen; zudem fehlt jedenfalls die erforderliche Individualisierung des Adressaten. Im Übrigen kann, selbst wenn sich der Betroffene aufgrund von Medienberichten gegenüber der Öffentlichkeit zu der beabsichtigten Verwaltungsmaßnahme geäußert hat, nicht davon ausgegangen werden, dass er sich gegenüber der Behörde nicht weitergehend geäußert hätte.

20

5. Die Frage,

ob § 28 Abs. 2 HVwVfG dahin auszulegen ist, dass die Landesbehörde von einer Anhörung absehen kann, wenn der Bund die Sachkompetenz an sich gezogen und Gespräche mit dem Betroffenen geführt hat,

würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht festgestellt, dass der Bund Gespräche mit der Klägerin über das Verbot der Wiederaufnahme des Leistungsbetriebs des Kernkraftwerks Biblis Block B geführt hat. Die Verfahrensrügen gegen das Unterlassen einer solchen Feststellung, auf die der Beklagte zur Begründung der Entscheidungserheblichkeit seiner Grundsatzfrage verweist, sind nicht begründet (I.3, II.2 und 3).

21

6. Die geltend gemachte Abweichung vom Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Februar 1991 - BVerwG 7 B 7.91 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 283 dürfte bereits nicht vorliegen; jedenfalls würde das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs nicht auf dieser Abweichung beruhen.

22

Der Beklagte entnimmt dem angefochtenen Urteil (UA Rn. 52) den Rechtssatz, dass § 46 HVwVfG dann keine Anwendung finde, wenn eine sogenannte Beurteilungsermächtigung vorliege, d.h. wenn die Behörde unbestimmte Rechtsbegriffe anzuwenden habe, die ihr einen Beurteilungsspielraum einräumen. Dass der Verwaltungsgerichtshof die Anwendbarkeit des § 46 HVwVfG unabhängig von der Kausalität des Verfahrensfehlers für die Ausübung des Beurteilungsspielraums verneint hat, dürfte dem Urteil entgegen der Auffassung des Beklagten schon nicht zu entnehmen sein (vgl. UA Rn. 52 a.E.); jedenfalls würde es hierauf nicht beruhen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Unbeachtlichkeit der fehlenden Anhörung selbstständig tragend auch deshalb verneint, weil der Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen über Aufsichtsmaßnahmen nach § 19 Abs. 3 Satz 1 AtG zu entscheiden hatte und nicht festgestellt werden konnte, dass eine Anhörung der Klägerin rechtlich keine Auswirkungen auf diese Ermessensentscheidung gehabt hätte (UA Rn. 54).

23

7. Die Frage,

ob § 46 HVwVfG dahingehend auszulegen ist, dass im Rahmen der anzustellenden hypothetischen Betrachtung auch politische Entscheidungen berücksichtigt werden können, so dass ein feststehender Behördenwille angenommen werden kann,

würde sich in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass politische Entscheidungen bei der Prüfung des § 46 HVwVfG unter keinen Umständen berücksichtigt werden können, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht aufgestellt. Er hat es hier für möglich gehalten, dass der Verfahrensfehler in Form der unterbliebenen vorherigen Anhörung der Klägerin offensichtlich ohne Einfluss auf die von dem Bundesministerium oder der Aufsichtsbehörde politisch getroffene Entscheidung gewesen sei; die legitime politische Betrachtungsweise sei von der juristischen indes zu trennen. § 46 HVwVfG finde keine Anwendung, wenn eine sogenannte Beurteilungsermächtigung vorliege und zudem in hypothetischer Betrachtungsweise nicht ausgeschlossen werden könne, dass entsprechende Informationen Einfluss auf die zu treffende Entscheidung der Behörde hätten haben können (UA Rn. 52). Der Beklagte habe jedenfalls darüber hinaus nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden gehabt. Bei Ermessensentscheidungen könne im Regelfall bereits die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass die Behörde bei Beachtung des Verfahrensrechts zu einer anderen Entscheidung in der Sache gekommen wäre. Die hier unterbliebene Ausübung des Ermessens dürfe nicht über § 46 HVwVfG zu dem Ergebnis führen, dass die Anhörung offensichtlich an der Entscheidung in der Sache nichts geändert hätte. Auch dann, wenn die Entscheidung in der Sache für den Beklagten erkennbar zunächst festgestanden hätte, könne gerade nicht festgestellt werden, dass eine Anhörung der Klägerin rechtlich keine Auswirkungen gehabt hätte. Eine Reduzierung des Ermessens auf Null habe im Übrigen weder auf Seiten der hessischen Aufsichtsbehörde noch des BMU bestanden (UA Rn. 54).

24

Der Verwaltungsgerichtshof hat mithin angenommen, die Voraussetzungen des § 46 HVwVfG könnten nicht bereits deshalb als erfüllt angesehen werden, weil dem Erlass des Verwaltungsakts eine entsprechende politisch getroffene Entscheidung vorausgegangen ist, die die zuständige Behörde lediglich umgesetzt hat. Dass diese Rechtsauffassung mit Bundesrecht vereinbar ist, bedarf nicht der Bestätigung in einem Revisionsverfahren. Seit der Neufassung des § 46 VwVfG durch das Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren vom 12. September 1996 (BGBl I S. 1354) und der entsprechenden Anpassung des § 46 HVwVfG ist ein Verfahrensfehler nicht nur unbeachtlich, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können, sondern immer dann, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Anhörungsfehlern bei Entscheidungen mit Beurteilungs- und/oder Ermessensspielräumen ist geklärt, dass diese Prüfung eine hypothetische Betrachtung erfordert: Es ist zu prüfen, was der Betroffene bei fehlerfreier Anhörung vorgetragen hätte und ob dieser Vortrag objektiv geeignet gewesen wäre, die Sachentscheidung der Behörde zu beeinflussen (Urteile vom 24. Juni 2010 - BVerwG 3 C 14.09 - BVerwGE 137, 199 = Buchholz 442.01 § 13 PBefG Nr. 38 Rn. 40 ff. und vom 22. März 2012 a.a.O. Rn. 20). Die Feststellung, dass die Behörde eine zuvor politisch getroffene Entscheidung lediglich umgesetzt hat, genügt hiernach nicht, um eine Beeinflussung der Sachentscheidung durch den Anhörungsfehler auszuschließen. Auch in einem solchen Fall muss der hypothetische Vortrag des Betroffenen gewürdigt werden. Dass hier die Klägerin im Rahmen einer Anhörung im Kern den gleichen Vortrag wie im späteren Klageverfahren gebracht hätte und dass dieser Vortrag hinreichend gewichtig gewesen wäre, um den Beklagten und gegebenenfalls auch das BMU zu einer Überprüfung der beabsichtigten Entscheidung zu veranlassen, steht außer Frage.

25

8. Mit der Frage,

ob § 46 HVwVfG dahingehend auszulegen ist, dass die materielle Rechtmäßigkeit für die Beurteilung der Kausalität des formellen Fehlers im Rahmen des § 46 HVwVfG von Bedeutung ist,

unterstellt der Beklagte dem Verwaltungsgerichtshof einen Rechtssatz, den dieser seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat geprüft, ob der Anhörungsfehler die Entscheidung des Beklagten in der Sache schon deshalb nicht beeinflusst haben kann, weil der Beklagte das ihm in § 19 Abs. 3 AtG eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt hat. Diese Frage hat er verneint, weil die Nichtausübung des eigentlich gesetzlich vorgesehenen und notwendigen Ermessens nicht über § 46 HVwVfG zu dem Ergebnis führen dürfe, dass die Anhörung in der Sache nichts geändert hätte (UA Rn. 54). Dass ein formeller Fehler lediglich bei materiell rechtmäßigen Verwaltungsakten unbeachtlich sein könne (so Beschwerdebegründung S. 39), hat der Verwaltungsgerichtshof damit nicht angenommen. Dass die Kausalität eines Anhörungsfehlers für die zu treffende Sachentscheidung mit dem Verwaltungsgerichtshof nicht schon deshalb verneint werden kann, weil die Behörde nicht nur die Notwendigkeit der Anhörung, sondern darüber hinaus verkannt hat, dass sie nicht rechtlich gebunden ist, sondern das ihr vom Gesetz eingeräumte Ermessen auszuüben hat, liegt auf der Hand.

26

II. Die in Bezug auf alle tragenden Urteilsgründe geltend gemachten Zulassungsgründe zu Fragen der Bundesauftragsverwaltung liegen, soweit es um die Anhörung geht, ebenfalls nicht vor.

27

1. Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet der Beklagte die Frage,

ob es bei einer Anfechtungsklage des Betroffenen mit Art. 85 Abs. 3 GG vereinbar ist, wenn das Verwaltungsgericht/der Verwaltungsgerichtshof die Frage dahinstehen lässt, ob und inwieweit der Bund die Sachkompetenz an sich gezogen hat, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Bund seine Sachkompetenz aktualisiert hat, indem er z.B. eine Entscheidung vorgegeben hat oder die Landesbehörde die Vorgaben des Bundes als verbindlich verstanden hat.

28

Soweit es um die Anhörung geht, ergibt sich aus dieser Frage kein über die bereits abgehandelte Frage I.1 hinausgehender Klärungsbedarf; auf die dortigen Ausführungen kann Bezug genommen werden. Selbst wenn der Bund die Sachkompetenz an sich gezogen hätte und dies zur Folge hätte, dass das Land für die vor Erlass einer atomrechtlichen Aufsichtsmaßnahme nach § 28 HVwVfG erforderliche Anhörung nicht mehr allein zuständig wäre, läge hier ein Anhörungsmangel vor, denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht festgestellt, dass jedenfalls der Bund die Klägerin zum beabsichtigten Verbot der Wiederaufnahme des Leistungsbetriebs des Kernkraftwerks Biblis Block B angehört hat. Im Übrigen bleibt die Anhörung dem Land als Teil seiner Wahrnehmungskompetenz vorbehalten, auch wenn der Bund die Sachkompetenz an sich zieht. Dass der Verwaltungsgerichtshof unter diesen Umständen für die Anhörung offen lassen konnte, ob und inwieweit der Bund die Sachkompetenz an sich gezogen hat (UA Rn. 33), liegt auf der Hand.

29

2. Als Verfahrensmangel rügt der Beklagte einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof habe den Vortrag des Beklagten zum Vorliegen einer Weisung und zu den Gründen für die Auswahl der streitbefangenen Anlage in den Entscheidungsgründen übergangen.

30

Diese Rüge kann unabhängig davon, dass die Beweiswürdigung revisionsrechtlich regelmäßig - und so auch hier - dem materiellen Recht zuzurechnen ist, keinen Erfolg haben. Soweit es um das Vorliegen einer Weisung geht, verkennt der Beklagte, dass der Prüfung von Verfahrensmängeln die materiellrechtliche Rechtsauffassung der Vorinstanz zugrunde zu legen ist (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 28. März 2013 - BVerwG 4 B 15.12 - juris Rn. 8). Das Vorliegen einer Weisung war für den Verwaltungsgerichtshof - wie unter I.1 und II.1 dargelegt - nicht entscheidungserheblich. Soweit es um die Gründe für die Auswahl der streitbefangenen Anlage geht, legt der Beklagte in der Beschwerdebegründung lediglich dar, dass die behauptete Nichtberücksichtigung des im Tatbestand festgestellten Sachverhalts für die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme (UA Rn. 90 und 92) von Bedeutung sei. Eine Relevanz des Vorbringens für die Anhörung ist weder dargelegt noch ersichtlich.

31

3. Als Verfahrensmangel rügt der Beklagte schließlich, dass der Verwaltungsgerichtshof den von ihm vorgetragenen und im Tatbestand festgestellten Sachverhalt, der das Zustandekommen der streitbefangenen Anordnung im Rahmen der Regeln über die Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 GG betreffe, nicht berücksichtigt habe. Dadurch sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

32

Auch diese Rüge ist unbegründet. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn das Gericht den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt gelassen hat, namentlich wenn er nach der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts nicht entscheidungserheblich war (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 28. März 2013 a.a.O. Rn. 12 m.w.N.). Wie bereits dargelegt, kommt es nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs bei der Anhörung im Rahmen des § 28 Abs. 1 HVwVfG darauf an, dass die jeweils zuständige Behörde, d.h. die für die Vornahme möglicher Anordnungen berufene Atomaufsichtsbehörde des Landes, den Betroffenen zur konkret beabsichtigten Maßnahme anhört (UA Rn. 42). Die Frage, ob und inwieweit das BMU die Sachkompetenz an sich gezogen hat, war hiernach für das Vorliegen einer beachtlichen Verletzung von § 28 HVwVfG nicht entscheidungserheblich.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Satz 1 gilt bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung. Soweit nach den §§ 17 und 18 eine Vertretung stattfindet, haben nur die Vertreter Anspruch auf Akteneinsicht.

(2) Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit durch sie die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt, das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder soweit die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen, geheim gehalten werden müssen.

(3) Die Akteneinsicht erfolgt bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten.

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Verbotsbehörde kann für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen. Ermittlungsersuchen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sind an die zuständige oberste Landesbehörde zu richten.

(2) Hält die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine richterliche Vernehmung von Zeugen, eine Beschlagnahme von Beweismitteln oder eine Durchsuchung für erforderlich, so stellt sie ihre Anträge bei dem Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk die Handlung vorzunehmen ist. Die richterlichen Anordnungen oder Maßnahmen trifft der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Gerichts.

(3) Für die richterliche Vernehmung von Zeugen gilt § 98 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.

(4) Für die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, gelten die §§ 94 bis 97, 98 Abs. 4 sowie die §§ 99 bis 101 der Strafprozeßordnung entsprechend. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß eine Durchsuchung zur Auffindung solcher Beweismittel führen werde, so kann die Durchsuchung der Räume des Vereins sowie der Räume, der Sachen und der Person eines Mitglieds oder Hintermannes des Vereins angeordnet werden. Bei anderen Personen ist die Durchsuchung nur zur Beschlagnahme bestimmter Beweismittel und nur dann zulässig, wenn Tatsachen darauf schließen lassen, daß sich die gesuchte Sache in ihrem Gewahrsam befindet. Die §§ 104, 105 Abs. 2 bis 4, §§ 106 bis 110 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

(5) Bei Gefahr im Verzug kann auch die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine Beschlagnahme, mit Ausnahme der Beschlagnahme nach § 99 der Strafprozeßordnung, oder eine Durchsuchung anordnen. Die Vorschriften des Absatzes 4 sowie § 98 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Verbotsbehörde kann für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen. Ermittlungsersuchen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sind an die zuständige oberste Landesbehörde zu richten.

(2) Hält die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine richterliche Vernehmung von Zeugen, eine Beschlagnahme von Beweismitteln oder eine Durchsuchung für erforderlich, so stellt sie ihre Anträge bei dem Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk die Handlung vorzunehmen ist. Die richterlichen Anordnungen oder Maßnahmen trifft der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Gerichts.

(3) Für die richterliche Vernehmung von Zeugen gilt § 98 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.

(4) Für die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, gelten die §§ 94 bis 97, 98 Abs. 4 sowie die §§ 99 bis 101 der Strafprozeßordnung entsprechend. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß eine Durchsuchung zur Auffindung solcher Beweismittel führen werde, so kann die Durchsuchung der Räume des Vereins sowie der Räume, der Sachen und der Person eines Mitglieds oder Hintermannes des Vereins angeordnet werden. Bei anderen Personen ist die Durchsuchung nur zur Beschlagnahme bestimmter Beweismittel und nur dann zulässig, wenn Tatsachen darauf schließen lassen, daß sich die gesuchte Sache in ihrem Gewahrsam befindet. Die §§ 104, 105 Abs. 2 bis 4, §§ 106 bis 110 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

(5) Bei Gefahr im Verzug kann auch die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine Beschlagnahme, mit Ausnahme der Beschlagnahme nach § 99 der Strafprozeßordnung, oder eine Durchsuchung anordnen. Die Vorschriften des Absatzes 4 sowie § 98 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Die Verbotsbehörde kann für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen. Ermittlungsersuchen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sind an die zuständige oberste Landesbehörde zu richten.

(2) Hält die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine richterliche Vernehmung von Zeugen, eine Beschlagnahme von Beweismitteln oder eine Durchsuchung für erforderlich, so stellt sie ihre Anträge bei dem Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk die Handlung vorzunehmen ist. Die richterlichen Anordnungen oder Maßnahmen trifft der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Gerichts.

(3) Für die richterliche Vernehmung von Zeugen gilt § 98 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.

(4) Für die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, gelten die §§ 94 bis 97, 98 Abs. 4 sowie die §§ 99 bis 101 der Strafprozeßordnung entsprechend. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß eine Durchsuchung zur Auffindung solcher Beweismittel führen werde, so kann die Durchsuchung der Räume des Vereins sowie der Räume, der Sachen und der Person eines Mitglieds oder Hintermannes des Vereins angeordnet werden. Bei anderen Personen ist die Durchsuchung nur zur Beschlagnahme bestimmter Beweismittel und nur dann zulässig, wenn Tatsachen darauf schließen lassen, daß sich die gesuchte Sache in ihrem Gewahrsam befindet. Die §§ 104, 105 Abs. 2 bis 4, §§ 106 bis 110 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

(5) Bei Gefahr im Verzug kann auch die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine Beschlagnahme, mit Ausnahme der Beschlagnahme nach § 99 der Strafprozeßordnung, oder eine Durchsuchung anordnen. Die Vorschriften des Absatzes 4 sowie § 98 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Hells Angels MC Charter Flensburg“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Flensburg. Mit der vorliegenden Klage wendet er sich gegen das vom Innenminister des Landes Schleswig-Holstein ihm gegenüber im April 2010 ausgesprochene Vereinsverbot.

2

Der klägerische Verein ging im Jahre 2003 aus der Spaltung des langjährigen Motorradclubs „Satisfaction Grenz MC“ mit Sitz in A. bei N. in die Chapter „West-Coast“ (A.) und „East-Coast“ (Flensburg) hervor. Das Chapter „East-Coast“ erhielt im April 2006 den Status eines „Prospect-Charters“ innerhalb der „Hells Angels“-Bewegung und am 06. Juni 2008 den endgültigen Status als Ortsverein. Im April 2010 bestand der Kläger nach Informationen des Beklagten aus 12 Mitgliedern, nämlich A. als Präsidenten des Ortsvereins, D. als Vizepräsidenten, S. als Schatzmeister, G. als Sekretär, M. als für die Durchsetzung von Recht und Ordnung innerhalb des Vereins, für die Ausführung von Anordnungen des Präsidenten sowie für die Verwaltung des Clubeigentums zuständigem sog. „Sergeant at Arms“ und J. als für die Logistik der sog. „Runs“ zuständigem „Road Captain“.

3

Eine geschriebene Vereinssatzung des Flensburger Ortsvereins (Chapters) ist nicht bekannt.

4

Der Beklagte stellte nach Einholung des mit Schreiben vom 20. April 2010 erteilten Benehmens des Bundesministeriums des Innern mit an den Kläger - zu Händen der namentlich genannten 12 Vereinsmitglieder - gerichteter Verfügung vom 21. April 2010 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Verein wurde verboten und aufgelöst. Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurden untersagt. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Der Bescheid wurde mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens für sofort vollziehbar erklärt.

5

Die Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen, begründete der Beklagte wie folgt:

6

Die Zweckbestimmung des Vereins sei neben dem gemeinsamen Motorradfahren auch eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisationen der „Bandidos“ und deren Supporterclubs in Schleswig-Holstein. Zum Beleg führte der Beklagte mehrere Straftaten an, deren Verfolgung sich überwiegend im Stadium staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren befinde (der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren bekannte Verfahrensstand wird jeweils nachfolgend wiedergegeben):

7

1. Strafverfahren gegen D. wegen Körperverletzung durch Zubodenschlagen eines Mannes bei einem Straßenfest in Leck im September 2008. - Dieses Strafverfahren wurde am 02. September 2009 vom Amtsgericht G-Stadt gemäß § 153 a Abs. 2 StPO nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt.

8

2. Versuchte räuberische Erpressung und Verstoß gegen § 52 des Waffengesetzes durch A.: Dieser habe den Geschäftsführer eines Flensburger Tattoo-Ladens durch Versuch einer Schutzgelderpressung geschädigt. In der Wohnung des A. sei im Dezember 2007 eine Schusswaffe mit Patronen sichergestellt worden, für die er keine waffenrechtliche Erlaubnis besessen habe. - Wegen der versuchten räuberischen Erpressung im April 2006 sowie einer vorsätzlichen Körperverletzung aus dem Jahr 2007 wurde A. mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Wegen des bis Februar 2008 andauernden Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Dieses Verfahren wurde durch Urteil des Landgerichts Flensburg vom 08. Juni 2009 gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die vorgenannte Verurteilung vom 23. Januar 2008 eingestellt.

9

3. Verstoß gegen § 374 Abgabenordnung (Steuerhehlerei) durch J. wegen Besitzes von 50 Stangen unverzollter Zigaretten mit russischen Banderolen im Juni 2009 bei einer PKW-Kontrolle von J. und C. V.. Im Hinblick auf diese Tat wurde J. mit Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 03. Februar 2010 zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 15,-- Euro verurteilt.

10

4. Mitsichführen verbotener Waffen (Dreikantstoßdolche, sogenannte Delta-Darts) durch S., Y. und AH. im Dezember 2009 bei der Einreise in die Schweiz. - Die insoweit von der schweizerischen Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen die gemeinsam eingereisten genannten Personen sowie gegen AB. wegen Vergehens gegen das schweizerische Waffengesetz wurden mit Verfügung des Untersuchungsrichters des Kantons Schaffhausen vom 24. August 2010 wegen Geringfügigkeit eingestellt; die beschlagnahmten Dolche wurden eingezogen.

11

5. Strafverfahren gegen A. sowie gegen M., P., S., V. und AH. wegen versuchten gemeinschaftlichen Totschlages durch Rammen des Motorrades eines Mitglieds der „Bandidos Neumünster“ auf der BAB 7 am 12. September 2009, bei dem der Geschädigte lebensgefährlich verletzt wurde. - A. wurde wegen des Vorfalls mit seit dem 11. Januar 2012 rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Die Ermittlungsverfahren gegen die übrigen Tatverdächtigen wurden von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg bereits im Februar 2010 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts eingestellt.

12

6. Verdacht des Verstoßes gegen § 22 a des Kriegswaffenkontrollgesetzes durch A., V. und S. aufgrund des Fundes eines umfangreichen Waffenarsenals im November 2009, welches nach bisherigen Erkenntnissen dem Kläger zuzuordnen sei, bei einem Flensburger Gewerbetreibenden.- Das entsprechende Ermittlungsverfahren befindet sich noch im Stadium der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen; Anklage ist noch nicht erhoben.

13

7. Verdacht gegen S. wegen Hehlerei von bei einem Getränkegroßhandel in A-Stadt gestohlenen alkoholischen Getränken, die im Januar 2010 sichergestellt wurden, sowie Munitionsbesitz des S. im Januar 2010. - Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wurde S. wegen unerlaubten Munitionsbesitzes in dem vorgenannten sowie einem weiteren, Ende April 2010 festgestellten Fall zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt. Ein Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wegen Hehlerei von Getränken ist nicht bekannt.

14

8. Besitz verbotener Waffen - sogenannter Delta-Darts - durch M. und V. im Januar 2010. - Das Verfahren gegen V. wegen Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde am 15. Juli 2010 von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg nach § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen geringer Schuld eingestellt. Das entsprechende Verfahren gegen M. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 19. November 2010 gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld eingestellt.

15

9. Verfahren gegen Y. wegen mittelbarer Falschbeurkundung sowie gewerbsmäßiger Hehlerei durch Handel mit gestohlenen Motorradteilen und Veranlassung nicht ordnungsgemäßer TÜV-Gutachten für Abnahmen nach der Straßenverkehrsordnung. - Y. wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 27. Oktober 2011 wegen Steuerverkürzung zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro verurteilt. Ein Abschluss eines Ermittlungsverfahrens wegen mittelbarer Falschbeurkundung ist nicht bekannt.

16

Die angeführten Straftaten charakterisierten nach Einschätzung des Innenministeriums das von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen geprägte Vereinsleben, das tatsächliche Ziel des Vereins und den wirklichen Zweck der Vereinstätigkeit in prägender Weise. Die Taten seien durch den Kampf um Territorial- und Machtansprüche gekennzeichnet. Insbesondere Straftat Nr. 5 diene erkennbar der Selbstbehauptung des Vereins gegenüber einer konkurrierenden Organisation und zeichne sich durch die gemeinschaftliche Beteiligung einer relativ großen Anzahl von Vereinsmitgliedern und Funktionsträgern aus. Auch der Waffenfund der Straftat Nr. 6 sei nicht mehr einer einzelnen Person zuzuordnen, sondern weise aufgrund des paramilitärischen Charakters der Waffen bzw. des Sprengstoffes auf eine gemeinsam begangene Tat einer organisierten Gruppe hin. Eine Vielzahl der Taten sei nicht längerfristig geplant, sondern ergebe sich aus Situationen heraus, in denen nicht alle Mitglieder spontan vor Ort verfügbar seien. Die Tatsache, dass einige der Mitglieder aufgrund ihrer räumlichen Entfernung zum Stadtgebiet von Flensburg kaum oder nicht an Taten beteiligt gewesen seien, stehe einer Zurechnung der Straftaten zum Verein nicht entgegen. Der Verein begünstige auch strafbares Verhalten seiner Mitglieder, indem er diesen Rückhalt biete, die individuelle Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten abbaue und Anreiz zu neuen Taten wecke. So sei der Präsident A. weiterhin in seiner Position als Vereinspräsident belassen worden, obwohl gegen ihn wegen zahlreicher teilweise schwerer Straftaten ermittelt worden sei. Auch hierin liege ein Anknüpfungspunkt für die Zurechnung seiner Taten zum Verein. Weiterhin werde durch finanzielle und persönliche Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder der Begehung weiterer Straftaten Vorschub geleistet, indem negative Auswirkungen der strafrechtlichen Verfolgung gemildert würden. Entsprechend den sog. „Rules“ der „Hells Angels“-Vereinigung kämen auch die Mitglieder des Klägers in den Genuss von Leistungen des sog. „Defense Fund“, der bei Verbüßen einer Gefängnisstrafe für finanzielle Unterstützung der Vereinsmitglieder, ggf. auch ihrer Angehörigen, sorge. Eine Zurechnung des strafgesetzwidrigen Verhaltens einzelner Mitglieder zum Kläger könne auch aus der fehlenden Distanzierung des Vereins zu solchen Verhaltensweisen abgeleitet werden.

17

Die zahlreichen festgestellten Waffendelikte ergäben ein stereotyp festgestelltes Verhaltensmuster der durchgehenden Ausstattung der Mitglieder des Vereins mit Waffen, die sie zu einer ständigen Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft befähige. Die festgestellte ständige Nachrüstung mit Hieb- und Stichwaffen selbst nach polizeilichen Sicherstellungen sei auf dem Hintergrund des erklärten „Krieges“ zwischen den „Hells Angels“ und den „Bandidos“ zu sehen. Das im Rahmen der Straftat Nr. 6 aufgefundene Waffenlager ermögliche eine Komplettausstattung aller Vereinsmitglieder und darüber hinaus auch von Supportern.

18

Soweit das Vereinsverbot darauf gestützt wurde, dass sich Zwecke und Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, verwies der Beklagten auf die Unterstützungsleistungen des sog. „Defense Fund“ an straffällige Mitglieder, welche eine eigene Rechtsordnung unter Inkaufnahme strafrechtlicher Verstöße und damit eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates beinhalteten.

19

Das Vereinsverbot sei verhältnismäßig, weil es die organisierte strafgesetzwidrige Tätigkeit des Klägers im Rahmen der anhaltenden Auseinandersetzungen mit den verfeindeten „Bandidos“ in Schleswig-Holstein unterbinden solle. Hierfür reiche es nicht mehr aus, nur einzelne Mitglieder oder Funktionsträger des Vereins strafrechtlich zu belangen. Auch ein bloßes Betätigungsverbot bei gleichzeitigem Fortbestehen des Vereins wäre zur Wahrung der Rechtsordnung nicht ausreichend, da der Verein die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit grob missachte.

20

Der Kläger hat am 28. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben. Diese wird wie folgt begründet:

21

Der Bescheid sei schon aus formellen Gründen rechtswidrig, weil die nach § 87 LVwG gebotene Anhörung des Betroffenen vor seinem Erlass nicht erfolgt sei. Eine Eil- oder Geheimhaltungsbedürftigkeit, die einen Verzicht auf eine Anhörung hätte rechtfertigen können, sei nicht gegeben.

22

Der Beklagte habe die aus § 4 VereinsG folgende Handlungsanweisung verletzt, dass das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren vor Erlass der Verbotsverfügung durchzuführen und abzuschließen sei. Stattdessen sei von den Ermittlungsbefugnissen vor dem Verbot kein Gebrauch gemacht worden. Der Beklagte habe sich ausschließlich auf eine Informationssammlung der ihm unterstellten Hilfsbehörden gestützt. Die Ermittlungen seien vorliegend nach Ergehen der Verbotsverfügung weitergeführt worden, während dem Kläger nach Zustellung der Verbotsverfügung jegliche Dispositionen und Handlungsmöglichkeiten, einem Vereinsverbot entgegenzuwirken, abgesprochen worden seien. Hierdurch werde die Gehörsverletzung noch verstärkt.

23

Das unter dem 15. April 2010 eingeholte Einvernehmen des Bundesministers des Inneren zu der beabsichtigten Verbotsverfügung sei fehlerhaft, weil die zugehörigen Behördenakten nicht mit vorgelegt worden seien und ein geordnetes Prüfungsverfahren des Bundesministers daher nicht möglich gewesen sei.

24

Angesichts der herausragenden Bedeutung der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG sei eine restriktive Anwendung vereinsrechtlicher Verbotsnormen erforderlich. Art. 9 Abs. 2 GG stelle eine verfassungsrechtlich zwingende Eingriffsschranke auf, die einer über sie hinausgehenden einfachgesetzlichen Ausgestaltung von Verbotsgründen entgegenstehe. Darüber hinaus sei von der Verbotsbehörde entsprechend dem polizeirechtlichen Übermaßverbot zu prüfen, ob vor Erlass eines Verbots mildere Maßnahmen möglich und geeignet seien, um eine Änderung der Statuten, Programmen oder Handlungsformen des Vereins zu erreichen oder diesen unter Aufsicht zu stellen.

25

Darüber hinaus könnten lediglich erhebliche Verstöße gegen Strafgesetze, die in einem angemessenen Verhältnis zur Verbotssanktion stünden, ein Vereinsverbot nach sich ziehen, sofern sie sich für den Charakter der Vereinigung als prägend erwiesen. Sie müssten im Verhältnis zu erlaubten Vereinsaktivitäten im Vordergrund stehen und den Charakter des Vereins ausmachen. Straftaten, die ausschließlich in der Privatsphäre der Vereinsmitglieder begangen worden seien, dürften keine Berücksichtigung finden, selbst wenn sie von mehreren Vereinsmitgliedern gemeinsam begangen worden seien. Maßgeblich sei, dass die strafrechtlich relevanten Aktivitäten der Mitglieder ohne organisatorischen Zusammenhang mit dem Verein nicht möglich gewesen seien. Insofern müsse ein Funktionszusammenhang mit dem Verein festgestellt werden, der beispielsweise in einer Anordnung oder Billigung von Straftaten durch Vereinsorgane liegen könne. Nicht ausreichend sei etwa eine das Vereinsleben prägende solidarische Pflicht zu „kameradschaftlichem Verhalten“. Relevant könnten schließlich lediglich solche Taten sein, die von Mitgliedern während der Dauer ihrer Mitgliedschaft begangen worden seien.

26

§ 4 VereinsG verpflichte die Verbotsbehörde zu eigenständigen Ermittlungen, denen gegenüber den Informationen von sog. Hilfsbehörden wie den Dienststellen der Polizei ein eigenständiger, unbeeinflusster Wert zukommen müsse. Eine ausschließliche und unreflektierte Übernahme von Erkenntnissen aus Strafverfolgungsverfahren und Strafurteilen sei vereinsrechtlich unzulässig. Auch wenn Ermittlungen zur Untermauerung bereits benannter Verbotsgründe noch nach dem Erlass der Verbotsverfügung fortgeführt werden könnten, müssten diese Gründe zum Zeitpunkt des Verbotserlasses bereits ausermittelt und benannt sein. Jedenfalls sei eine Verlagerung des eigentlichen Ermittlungsverfahrens auf eine Zeit nach Erlass der Verbotsverfügung rechtswidrig. Vorliegend hätten keine eigenständigen Ermittlungen der Verbotsbehörde stattgefunden, sondern diese habe ausschließlich die von dem Bestreben nach einem allgemeinen Verbot von Biker-Clubs getragenen Vorgaben des Landeskriminalamtes übernommen. Dies sei sachfremd und verletze das Übermaßverbot. Für die gerichtliche Entscheidung könnten lediglich die Verhältnisse im Zeitpunkt der angefochtenen Verbotsverfügung maßgeblich sein. Soweit nach diesem Zeitpunkt zu Tage getretene Umstände Berücksichtigung fänden, seien auch veränderte Verhältnisse der betroffenen Vereinigung zu berücksichtigen, jedenfalls soweit sie der Rechtsverteidigung dienten. Die dem Kläger zuzubilligenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkten sich nicht auf eine bloße Prozessführung, sondern ermöglichten auch den Ausschluss von Mitgliedern und die Aufgabe von Mitgliedschaften.

27

Die Verbotsverfügung lasse wesentliche soziologische Forschungsergebnisse, nach denen die subkulturellen Organisationsformen der Motorrad-Clubs zur Verhinderung krimineller Handlungen Einzelner beitrügen, indem sie eine integrativ wirkende Umgebung schüfen, unberücksichtigt.

28

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die in der Verbotsverfügung aufgelisteten Straftaten der acht aktuellen Mitglieder in keinem Zusammenhang zu den Aktivitäten der Vereinigung stünden, da sie überwiegend individuell veranlasst und auf einen spontanen Entschluss zurückzuführen seien. Überwiegend seien die Straftaten von nur geringem Gewicht und die entsprechenden Ermittlungsverfahren zum Teil durch die Strafverfolgungsbehörden eingestellt worden. Soweit die Verbotsverfügung eine außergesetzliche Ausrichtung des Vereins aus den Beziehungen des Klägers zur weltweiten Dachorganisation der „Hells Angels“ sowie aus der szenetypischen Bezeichnung des Vereins als „Outlaw-Motorcycle-Club“ ziehen wolle, verkenne dies zum einen die subkulturell integrative Ausrichtung der betreffenden Motorrad-Clubs und zum anderen die Herkunft des Begriffes „Outlaw“, durch den man sich lediglich den Versuchen der Monopolisierung des Motorradsports durch eine dominierende amerikanische Vereinigung habe widersetzen wollen. Verallgemeinernde Schlussfolgerungen der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung seien vereinsrechtlich verfehlt. Ein allgemeiner „Kriminalitätsnachweis“ von Motorrad-Clubs sei bislang nicht geführt worden. Ein strafrechtliches Inerscheinungtreten der Vereinsmitglieder sei auch nicht erforderlich, um den durch Vereinszusammenschluss gewünschten Statusgewinn zu erreichen. Dieser ergebe sich für den Einzelnen bereits mit dem Erhalt des Club-Emblems, da die Aufnahme in ein elitäres Kollektiv ihn physisch und psychisch stärker mache und an dem Anspruch, sich niemandem unterzuordnen, teilhaben lasse.

29

Das auch in Motorradclubs gelebte Prinzip der Solidarität könne sich auf allgemeine Wertorientierungen berufen, welche auch die staatsethische Grundlage für das soziale Staatsziel wie auch eine Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens innerhalb einer christlichen Werteordnung bildeten. Dass eine innerhalb des Vereins geltende Solidaritätsverpflichtung in rechtlich problematischer Weise über die Verhaltenserwartungen der herrschenden Gesellschaftskultur gestellt worden sei, sei vorliegend nicht in einer Weise dargelegt und ermittelt worden, welche den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG genügen könne. Vielmehr seien auch insoweit Erkenntnisse der ermittelnden Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden lediglich unreflektiert und ohne eigene Überprüfungen der Vereinsverbotsbehörde übernommen worden.

30

Der Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass sich der Kläger mit dem politischen Ziel einer Veränderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befasse. Er erkenne in der unterstellten organisierten Rechtsverteidigung und finanziellen Unterstützung straffällig gewordener Mitglieder lediglich ein unangepasstes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung. Dies könne im Ansatz nicht ausreichen, um ein Sich-Richten der Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung anzunehmen. Die Mitglieder des Klägers nähmen für sich lediglich die Rechte jedes Staatsbürgers in Anspruch. Der Kläger sei auch nach Darstellung des Beklagten weder kämpferisch noch aggressiv in Erscheinung getreten, um die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Die unterstellte wirtschaftliche Absicherung und Unterstützung über einen „Defense Fund“ wäre lediglich als organisiertes Handeln zur Wahrnehmung von Vereinsrechten ohne Außenwirkung einzuordnen. Die vom Beklagten diesbezüglich angeführten allgemeinen Satzungen und Regelungen der „Hells Angels“ seien den Mitgliedern des klägerischen Vereins bis zur Vorlage durch den Beklagten unbekannt gewesen und für ihn nicht konstitutiv. Eine Berücksichtigung zu Lasten des Klägers scheide daher aus. Der Beklagte habe keine Nachweise für den Bestand und die Funktionsweise eines „Defense Fund“ vorgelegt. Es existiere kein „Defense Fund“, auf den die Mitglieder des Klägers zurückgreifen könnten. Eine Unterstützung von Mitgliedern im Rahmen der Rechtsverteidigung erfolge seitens des Klägers nicht. Es würden lediglich im Einzelfall von Mitgliedern freiwillige Spenden geleistet und Darlehen gewährt, ohne dass hierfür Quoten vorgegeben oder Verpflichtungen errichtet würden. Es bestehe kein Anspruch auf derartige Unterstützung. Auch Angehörige von Mitgliedern würden grundsätzlich nicht finanziell oder sachlich unterstützt.

31

Gleiches treffe auf die vom Beklagten unterstellte Existenz einer Organisation inhaftierter Mitglieder der „Hells Angels“ mit Namen „Big House Crew“ zu. Zu einer solchen angeblichen Vereinigung bestehe kein Kontakt des Klägers oder seiner Mitglieder.

32

Zuletzt hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Mai 2012 - nach Anwaltswechsel - vorgetragen, dass dem Kläger aktuell acht Vollmitglieder angehörten, davon als Präsident Peter AE., als Vizepräsident Y., als Secretary G., als Sergeant at Arms M. und als Treasurer P.. Diese fünf Mitglieder bildeten den Vorstand. Weitere Mitglieder seien D., S. und AB.. Der vormalige Präsident A. sei im Januar 2010 aufgrund einstimmigen Beschlusses der übrigen Mitglieder aus dem klägerischen Verein ausgeschlossen worden. Auch J. habe den Verein im Januar 2010 verlassen und übe seither keine Vereinsfunktionen aus. V. sei im Februar 2011 aus dem Verein ausgeschieden. AH. sei zunächst lediglich sog. „Hangaround“ und dann „Prospect“ gewesen, der Verein habe ihm jedoch die Mitgliedschaft versagt. Im September 2010 habe AH. daraufhin den klägerischen Verein verlassen.

33

Weiterhin ist der Kläger der Auffassung, die bei insgesamt sechs Mitgliedern festgestellten „Delta Darts“ könnten nicht als Beleg einer allgemeinen Bewaffnung der Vereinigung ins Feld geführt werden, da zum Zeitpunkt ihres Auffindens nach bundesdeutscher Rechtslage nicht festgestanden habe, ob es sich um eine verbotene Waffe handele. Das Bundeskriminalamt habe die verbotsrechtliche Waffeneigenschaft, soweit durch eine Scheide der Eindruck eines anderen Gegenstandes entstehen könne, erst mit Bescheid vom 01. September 2010 festgestellt. Die Mitglieder des Klägers hätten lediglich Gegenstände mit sich geführt, die nach wie vor jedermann zugänglich seien.

34

Zu den einzelnen in der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Kläger Folgendes vor:

35

zu Tat Nr. 1.: Bei der 2008 vom Mitglied D. begangenen Körperverletzung habe es sich um eine vollkommene individuelle, spontane und keinen Bezug zum klägerischen Verein aufweisende Tat gehandelt. Die vom Täter getragene Kutte sei unter der zusätzlich übergezogenen Jacke nicht sichtbar gewesen. Es seien keine weiteren Mitglieder des Klägers anwesend gewesen. Der Streit sei wegen einer Zudringlichkeit gegenüber der damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau von D. entstanden.

36

zu Tat Nr. 2.: Die bereits im Jahre 2008 abgeurteilte Tat der versuchten räuberischen Erpressung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz des Vereinsmitgliedes A. liege vor dessen erst 2009 begründeter Mitgliedschaft.

37

zu Tat Nr. 3.: Eine Zurechnung des Verstoßes gegen die Abgabenordnung durch Mitsichführen unverzollter Zigaretten seitens des J. zum Verein komme nicht in Betracht, weil selbst der Beklagte dem Kläger keine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang unterstelle.

38

zu Taten Nr. 4. und 8.: Ein vereinsrechtlicher Funktionszusammenhang des den Mitgliedern S., Y., AH. und A. unterstellten waffenrechtlichen Verstoßes sei nicht erkennbar. Die Zurechnung nicht begangener Straftaten sei als unzulässige Kriminalisierung der Vereinigung zu werten, zumal das Ermittlungsverfahren vermutlich auch wegen des Rückwirkungsverbotes des erst am 01. September 2010 erlassenen Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes eingestellt worden sei. Die Zurechnung eines waffenrechtlichen Verstoßes setze voraus, dass die betreffenden Mitglieder überhaupt eine strafgesetzwidrige Tatbegehung erkennen könnten, welche sich der Verein zu Eigen mache könne. Dies sei vorliegend wegen des verspätet ergangenen Feststellungsbescheides des BKA denknotwendig ausgeschlossen.

39

zu Tat Nr. 5.: Bei der am 12. September 2009 vom ehemaligen Vereinsmitglied A. begangenen Tat auf der BAB 7 handele es sich um den einzigen von der Verbotsverfügung angeführten Fall eines organisatorischen Zusammenwirkens von Vereinsmitgliedern mit strafrechtlicher Relevanz. Die Ermittlungen hätten allerdings ergeben, dass es sich auch hier lediglich um ein Einzeldelikt ohne Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers gehandelt habe. Eine strafrechtliche Einbeziehung der übrigen anwesenden Mitglieder sei nicht etwa an der Nachweisbarkeit gescheitert, sondern diese in den Blick geratenden Vereinsmitglieder hätten zur Deeskalation beigetragen. Sie hätten der Tatausführung entgegengewirkt und damit zielgerichtet auf die Vermeidung von Straftaten hingewirkt, indem sie das Mittel ihrer Präsenz vor Ort eingesetzt hätten. Die Inanspruchnahme gegenseitiger Autorität sei Ausdruck einer gesellschaftlich anerkannten Methode der Konfliktvermeidung. Im Übrigen habe sich die Vereinigung durch den Ausschluss ihres Präsidenten A. deutlich von diesem distanziert. Das Handeln des ehemaligen Präsidenten habe daher in keiner Weise eine kollektive Anerkennung erfahren. Soweit das Mitglied A. auch während des laufenden Ermittlungsverfahrens bzw. seiner zeitweiligen Untersuchungshaft im Amt des Präsidenten belassen worden sei, liege darin kein verbotsrelevanter Rückhalt durch den Kläger, da selbst Beamte ihre Position regelmäßig bis zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe behielten. Auch in sonstiger Weise sei kein Rückhalt des Vereins für die Begehung der vorgeworfenen Taten erkennbar.

40

zu Tat Nr. 6.: Die Vermutungen, welche den Beklagten zur Zurechnung des Flensburger Waffenfundes an den Kläger geführt hätten, seien in keiner verwertbaren Weise belegt, zumal die Ermittlungen bis heute nicht abgeschlossen seien. Fingerabdrücke von A. und V. seien nicht auf den Waffen, sondern auf Bedienungsanleitungen gefunden worden. Fingerabdrücke des S. seien ebenfalls nicht an Waffen, sondern auf einer Kiste festgestellt worden. S. habe auch nicht über einen Schlüssel zur Werkstatt verfügt und sei im Übrigen Mitglied in einem Schützenverein, in dem auch großkalibrige Waffen beschossen würden. Auch weitere Spuren auf einer Außenhülle ließen keinen Bezug des Inhaltes zu einer bestimmten Person zu. Es bestehe auch kein Bezug der klagenden Vereinigung zu dem Handel des betreffenden Gewerbetreibenden mit Alu-Felgen, da Motorräder in der Werkstatt dieses Gewerbetreibenden nicht gewartet oder repariert würden.

41

zu Tat Nr. 7.: Ein Funktionszusammenhang der strafrechtlich nicht verfolgten Getränkehehlerei des S. zur Tätigkeit des Klägers sei nicht ersichtlich.

42

zu Tat Nr. 9.: Die dem Mitglied Y. zugeschriebene Begehung einer Fälschung von TÜV-Zertifikaten und des Handels mit entwendeten Motorrad-Teilen datierten aus dem Jahre 2004. Zu diesem Zeitpunkt seien weder der Kläger oder sein Vorgängerverein der „HAMC East-Coast“ existent gewesen, noch sei Y. damals Mitglied in einem Motorrad-Club gewesen. Eine Zurechnung von Verhaltensweisen, die die übrigen Vereinsmitglieder nicht zum Schutze des Vereines hätten verhindern können, müsse ausscheiden.

43

Insgesamt sei festzustellen, dass nur eine Minderheit von Mitgliedern, und zwar erhebliche Zeit vor Erlass der Verfügung, vereinzelt straffällig geworden sei, ohne dass eine Verbindung zum Vereinszweck ersichtlich wäre. Ein Vereinsverbot erweise sich daher als unverhältnismäßig. Zumal bei Berücksichtigung der Vereinsausschlüsse bzw. -austritte könne weder eine zeitliche Dichte von Straftaten noch eine Konzentration auf Funktionsträger der Vereinigung festgestellt werden. Es lägen keine Hinweise auf eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor vor. Widerlegt sei insbesondere eine hierarchische, Straftaten steuernde Handlungs- und Anweisungskompetenz des Vorstandes. Der Beklagte gründe seine Zurechnungsargumentation auf bloße Unterstellungen und Zuschreibungen, mit denen auf die „eigentliche Zweckbestimmung“ des Vereins geschlossen werden solle. Auch Anhaltspunkte für eine Betätigung des Klägers in unzulässigen Wirtschaftsbereichen seien nicht dargelegt.

44

Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, es fehle an einer verfassungsrechtlich erforderlichen bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage für Datenübermittlungen aus dem Bereich der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung an die Vereinsverbotsbehörde. § 4 VereinsG stelle lediglich eine Aufgabenzuweisung, aber nicht eine datenschutzrechtliche Befugnisnorm dar.

45

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Vorbringen vertieft und ergänzend geltend gemacht. Das bundesweite Vorgehen der Sicherheitsbehörden basiere auf einem gemeinsamen Strategiepapier vom Oktober 2010 und einer textbausteinartig vorbereiteten Musterverbotsverfügung, begleitet von einem von unzutreffenden diskreditierenden Zuschreibungen getragenen Aufbau eines negativen Bildes der sog. „Rocker“ über die Medien. Die konkrete Ermittlungsarbeit der Verbotsbehörde im jeweiligen Einzelfall sei hingegen völlig unzureichend. Nach dem kürzlichen Ausscheiden eines weiteren Mitgliedes, D., bestehe der Verein nunmehr nur noch aus sieben Mitgliedern, welche schlechterdings keinen Machtausübungsanspruch verkörpern könnten.

46

Der Kläger beantragt,

47

den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 aufzuheben.

48

Der Beklagte beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Er ist der Auffassung, dass der klägerische Verein trotz der Veränderung seines Namens und seines Status bis hin zur vollgültigen Aufnahme als rechtlich selbstständiges Charter der „Hells Angels“ MC im Jahre 2008 jedenfalls seit 2003, ggf. auch schon seit einem früheren Zeitpunkt, unter Fortführung seiner Identität bestanden habe. Von den zum Verbotszeitpunkt 12 Vereinsmitgliedern seien 9 Mitglieder selbst strafrechtlich in Erscheinung getreten, wobei die nicht oder nur in geringem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getretenen Mitglieder keine Funktionsämter innerhalb des Vereines bekleideten bzw. in relativ weiter Entfernung zum Vereinsstandort Flensburg wohnhaft seien, mithin für spontane Aktionen des Vereins wie die Straftat Nr. 5 auf der BAB 7 nicht zur Verfügung stünden.

51

Zur Zulässigkeit der Klage ist der Beklagte der Auffassung, dass der Kläger als nicht rechtsfähiger Verein gemäß § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 54, 709 Abs. 1 BGB nur durch alle Mitglieder gemeinsam prozessfähig sei, solange eine besondere Vertretungsmacht einzelner Mitglieder aufgrund der Satzung nicht nachgewiesen sei. Letzteres sei gerade nicht der Fall.

52

Der Beklagte bestreitet anhand eigener Erkenntnisse, dass der Präsident des Klägers A. im Januar 2010 aus dem Verein ausgeschlossen worden sein soll, und verweist auf gegenteiligen Vortrag des Klägers mit dem ursprünglich klagebegründenden Schriftsatz. Vielmehr sei A. nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2010 im gegenseitigen Einvernehmen in sog. „good standing“ aus der Mitgliedschaft entlassen worden. Nicht entscheidungserheblich sei der neuere Vortrag zum Austritt des J., da jedenfalls dessen Straftaten zuvor begangen worden seien. Soweit der Kläger nunmehr Statusänderungen der Mitglieder AB. und AH. nach Zustellung der Verbotsverfügung vortrage, sei dies als Betätigung entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 20 VereinsG sogar strafrechtlich relevant, in der Sache aber für die Begründung des Verbots nicht erheblich.

53

Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet.

54

Der Beklagte sei unabhängig davon, ob der Kläger zu einer bundesweit tätigen Organisation gehöre, wegen des auf das Land Schleswig-Holstein beschränkten Wirkungsbereichs des Vereins oder Teilvereins für dessen Verbot zuständig. Zur Erteilung des hier herzustellenden Benehmens des Bundesministers des Inneren sei die Übermittlung des Entwurfs der Verbotsverfügung ausreichend gewesen. Die Ermittlungen zur Erarbeitung der Verbotsverfügung seien durch ein eigenes Fachreferat des Beklagten unter Verwertung von Ermittlungsergebnissen und Erkenntnissen auch der dem Beklagten zugeordneten Ämter des Landeskriminalamtes und des Landespolizeiamtes erfolgt.

55

Die Verbotsverfügung sei nicht wegen unterbliebener Anhörung formell rechtswidrig, da mit einer Anhörung der mit der Verfügung verfolgte Zweck vereitelt worden wäre. Eine Anhörung hätte einen Ankündigungseffekt gehabt und es dem Kläger ermöglicht, seine vereinsinterne Infrastruktur, sein der Einziehung unterliegendes Vermögen sowie weitere beim Vollzug der Verbotsverfügung aufzufindende Beweismittel für die Verfolgung strafgesetzwidriger Vereinszwecke zu verschleiern, zu verdecken oder aus dem Zugriff des Beklagten zu entfernen. Einer Anhörung habe daher ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne von § 87 Abs. 4 LVwG entgegengestanden. Die Verschleierungs- bzw. Verschiebungsgefahr auf Seiten des Klägers werde beispielhaft deutlich an Vorgängen wie dem Abstellen des Tat-Pkw des A. nach der Tat vom 12. September 2009 auf einem Bauhof sowie dem Auffinden von eindeutig den Mitgliedern des Klägers zuzuordnenden Waffen bei einem Gewerbetreibenden in A-Stadt.

56

Die im Zusammenhang mit der Verbotsverfügung erfolgte Datenverarbeitung des Beklagten einschließlich der Übermittlung von Daten aus Strafverfahren könne auf die hinreichend bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen der § 11 Abs. 1 Nr. 2 LDSG i.V.m. §§ 177 ff. LVwG gestützt werden, da der Beklagte als für das Vereinsverbot durch Landesverordnung für zuständig erklärte Behörde Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehme. Hilfsweise sei auf die Generalklausel des § 14 Abs. 2 Nr. 6 BDSG zu verweisen.

57

Vor dem Hintergrund der durch die obergerichtliche Rechtsprechung im Rahmen des § 3 Abs. 1, Abs. 5 VereinsG errichteten Maßstäbe für eine Zurechnung von Straftaten zu einem Verein sei das klägerische Vorbringen nicht geeignet, eine Zuordnung der den einzelnen Mitgliedern zur Last gelegten Straftaten zu widerlegen. Insbesondere könne sich ein strafgesetzwidriger Zweck im Sinne von § 3 Abs. 1 VereinsG auch aus dem tatsächlichen Verhalten Einzelner oder erst recht der Mehrheit der Vereinsmitglieder ergeben, ohne dass Satzung und Ordnungen sowie die institutionell verfestigten Ziele und Programme eines Vereins ihn vorsähen. Die Begehung von Straftaten müsse auch nach den obergerichtlichen Maßstäben nicht der Hauptzweck des Vereins sein, um die Strafgesetzwidrigkeit seines Zwecks zu begründen; vielmehr könnten die den Verein prägenden Straftaten auch eine begleitende Erscheinung des Vereinszwecks sein.

58

Das klägerische Vorbringen stelle nicht in Abrede, dass der Kläger als Verein „entsprechend dem geltenden Ehrenkodex“ seine Mitglieder auch dann unterstütze, wenn sie selbst Straftaten begingen oder begangen hätten. So hätten mehrere Mitglieder durch ihre Anwesenheit die Tat ihres Präsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 vor und während ihrer Begehung durch körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern des rivalisierenden Vereins unterstützt und damit das Verhalten des Präsidenten gebilligt. Die Tat sei ein Beispiel für die Wirkung des Ehrenkodex. Ein weiterer Beleg für die Zurechenbarkeit einzelner Straftaten zum Verein sei das System des sog. „Defense Fund“, der gerade nicht auf eine Vorbereitung des jeweiligen Mitgliedes auf ein Leben im Anschluss an die Haftzeit gerichtet sei, sondern die Wirkungen einer Haftstrafe soweit wie praktisch möglich aufheben und die soziale Einbindung in den Verein sichern wolle. Der „Defense Fund“ belege, dass der Verein sich von vornherein auf eine Inhaftierung von Mitgliedern einstelle und die Wirkung der staatlichen Strafdrohung bzw. eines Entdeckungsrisikos bei Straftaten herabsetze. Er gehe über die Gewährleistungen einer Rechtsschutzversicherung bei weitem hinaus, greife auch bei vorsätzlichen Taten ein und sichere auch finanzielle Verpflichtungen eines vorläufig Inhaftierten oder eines zu einer Freiheitsstrafe Verurteilen im Sinne einer Schadensversicherung.

59

Soweit der Kläger eine Unterstützungshandlung des Vereins durch Belassen des Präsidenten A. in seinem Amt auch nach erheblichen Straftatenvorwürfen durch einen Hinweis auf das Beamtenrecht in Abrede stelle, sei darauf hinzuweisen, dass betroffene Beamte wegen des disziplinarischen Überhangs einer Straftat noch vor abschließender Feststellung der Strafbarkeit ihres Verhaltens vorläufig ihres Dienstes enthoben würden oder ihnen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werde.

60

Zu den einzelnen in der Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Beklagte wie folgt vor:

61

1. Bei seiner im September 2008 in Leck begangenen Körperverletzung habe das Mitglied D. die seine Zugehörigkeit zum Kläger ausdrückende Weste mit dem Vereinsabzeichen - die sogenannte Kutte - getragen und damit nach außen seine Mitgliedschaft kundgetan. Dies belege, dass sich die Mitglieder des Klägers allein durch ihre Identifikation mit dem Verein einer Außenwirkung bewusst gewesen seien, die ihnen die Begehung von Straftaten erleichtere und zugleich die Wirkungen der Strafverfolgung abzumildern geeignet sei. In diesem Strafverfahren hätten sich die Auswirkungen der Tendenzen des Vereins gezeigt, jegliche Zusammenarbeit mit staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden und Strafverfahren gegen Mitglieder soweit wie möglich zu behindern. So habe eine Zeugin ausdrücklich von Warnungen berichtet, gegen D. auszusagen, da er ein Mitglied des Klägers sei und man von solchen Leuten lieber die Finger lassen solle. Diese Zeugin habe eine Verhinderung für den Termin zur Hauptverhandlung angezeigt, was das Strafgericht als Angst vor einer Aussage gewertet habe. Ein vernommener Zeuge habe eine offensichtlich zu Gunsten des Angeklagten gesteuerte, unglaubwürdige Zeugenaussage abgegeben und versucht, seine Zugehörigkeit zum Umfeld des Klägers zu verschleiern. An diesem Vorgang lasse sich eine Einflussnahme des Klägers auf Personen aus seinem Umfeld ablesen, als deren Folge diese eine Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden verweigerten. Die Straftat des D. sei für sich genommen nicht in jeglichem Zusammenhang als einem Verein zurechenbar anzusehen, stelle sich jedoch in dem hier vorliegenden Gesamtzusammenhang als Teil einer gewaltsamen Selbstbehauptung des Klägers und seiner Mitglieder dar. Der Beklagte gehe entgegen dem Vortrag des Klägers von einer Mitgliedschaft des D. zum Begehungszeitpunkt aus, zumal er bereits im März 2008 bei einer Veranstaltung der „Hells Angels“ MC in Hannover als Mitglied des Klägers aufgetreten sei und bereits 2009 als Vizepräsident fungiert habe.

62

2. Die zu Ziffer 2 der Verbotsverfügung abgeurteilte Tat des Präsidenten A. sei insbesondere wegen des Verstoßes gegen §§ 51 f. Waffengesetz bedeutsam. Aus dieser Tat lasse sich ebenfalls die Tendenz zur gewaltsamen Selbstbehauptung des Vereins und seiner Mitglieder ableiten.

63

3. Auch der zu Ziffer 3 der Verbotsverfügung abgeurteilte Strafvorwurf gegen die Mitglieder J. und V. wegen Steuerhehlerei zeige sich als szenetypisch, da durch den Schmuggel von Zigaretten unter anderem an einer Basis für den wirtschaftlichen Erwerb im Vergnügungsgewerbe mitgewirkt werde. Dort suche der Kläger eine Vormachtstellung zu erlangen. Die Tatsache, dass bei der Tat zwei Mitglieder des Vereins gemeinsam ohne weitere vereinsexterne Personen tätig gewesen seien, lege eine Unterstützung oder Billigung seitens des Vereins nahe.

64

4. Die Ermittlungsverfahren der schweizerischen Polizei gegen die Mitglieder S., Y., AH. und den in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht aufgeführten AB. seien zwar wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, jedoch seien die sichergestellten Delta-Darts als verbotene Waffen eingezogen worden. In der hier festgestellten Variante mit Scheide sei dieses Kunststoffmesser durch Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 als Hieb- und Stoßwaffe, die ihrer Form nach geeignet sei, einen anderen Gegenstand vorzutäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauch verkleidet sei, eindeutig als waffenrechtlicher Verstoß gewertet worden. Der Bescheid habe lediglich deklaratorische Wirkung und unterliege daher keinem Rückwirkungsverbot. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum sei angesichts der Beschaffenheit der Waffe ausgeschlossen. Ein solcher Delta-Dart mit Scheide sei auch bei der Festnahme des Präsidenten des Klägers A. im Januar 2010 sichergestellt und das entsprechende Strafverfahren vor dem Amtsgericht A-Stadt im November 2010 gemäß § 153 a StPO unter der Auflage der Ableistung gemeinnütziger Arbeit eingestellt worden, was vom Angeklagten akzeptiert worden sei. Diese Straftat des A. sei zwar nicht Bestandteil der Begründung des Verbotsbescheides, belege jedoch eine strafrichterliche Bestätigung der Auffassung des Beklagten in Übereinstimmung mit dem Feststellungsbescheides des BKA.

65

5. Was die Straftat des Vereinspräsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 anbelange, so ließen sich die für eine vereinsrechtliche Zurechnung zum Kläger erforderlichen tatsächlichen Umstände dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 zweifelsfrei entnehmen. Das Landgericht habe ausdrücklich klargestellt, dass sich die abgeurteilte Tat in den Kontext des allgemeinen Konflikts zwischen dem „Hells Angels MC“ und dem „Bandidos MC“ einfüge. So habe das Landgericht als Motiv der Tat eine Disziplinierung der Mitglieder des gegnerischen Vereins wegen eines als solchem verstandenen „Gebietsverstoßes“ erkannt und die Tat demnach als Durchsetzung des vom Kläger mit strafbaren Mitteln verteidigten, die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols ausschließenden Territorialprinzips der Vereinigung gesehen. Ebenfalls sei durch das Landgericht festgestellt, dass diese zur Chefsache gemachte Reaktion auf einen vermeintlichen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ an einer Tankstelle im Raum Flensburg auf einer organisierten Willensbildung der Mitglieder des Klägers basiert habe. Durch die Feststellungen des Strafgerichts sei belegt, dass der damalige Präsident A. mitten in der Nacht per Mobilfunk binnen 20 Minuten insgesamt 3 Fahrzeuge mit mehreren Mitgliedern bzw. Unterstützern des Vereins zu einer bestimmten Stelle auf BAB 7 habe dirigieren können. Die dahingehende Willensbildung und -unterwerfung seitens der Mitglieder und Unterstützer belege den Rückhalt und die Unterstützung, die der Präsident bei seiner Tatausführung durch den Verein in vereinsrechtlich zurechenbarer Weise erfahren habe. Diese Unterstützungsleistungen umfassten sowohl die Vor- als auch die Nachtatphase, da festgestellt worden sei, dass A. das Tatfahrzeug nach der Tat auf einem Bauhof in XXX Stadt abgestellt habe und kurz darauf in der Innenstadt von Flensburg gewesen sei, wobei ihn angesichts des Wochentages und der Uhrzeit eine weitere Person gefahren haben müsse. Insgesamt habe die Tat nur auf Grundlage einer funktionierenden internen Willensbildung innerhalb des Klägers ins Werk gesetzt können, an der sich eine Vielzahl, nämlich insgesamt die Hälfte der Mitglieder, beteiligt habe. Es sei im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft Flensburg für eine Anklage der übrigen beteiligten Mitglieder des Klägers keine strafrechtlich hinreichende Grundlage gesehen habe, da sie dieses maßgeblich mit rechtlichen Unsicherheiten im Bereich des subjektiven Tatbestandes begründet habe. Der vereinsrechtliche Zurechnungszusammenhang reiche jedoch weiter und erlaube vorliegend die Zuordnung der Unterstützungsbeiträge der vor Ort festgestellten, teilweise auch in körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der gegnerischen Vereinigung verwickelten Mitglieder und damit des Klägers insgesamt. Aus den Ermittlungsakten ergebe sich, dass neben A. die Mitglieder V., S. und P. sowie der nach der Straftat in den Status eines Vollmitglieds aufgerückte AH. am Tatort gewesen seien und dem Präsidenten die vereinsrechtlich relevante Hilfestellung geleistet hätten. Der bei den körperlichen Auseinandersetzungen auf der BAB 7 im Nachgang zu der Straftat des Präsidenten A. am 12. September 2009 seinerseits schwer verletzte AH. habe zu diesem Zeitpunkt den für eine vereinsrechtliche Zurechnung seiner Mitwirkung ausreichenden Status eines sog. „Hangaround“ gehabt, wie sich durch Aufnäher an seiner sichergestellten Kutte ergeben habe.

66

6. Die vereinsrechtliche Zurechnung des bei einem Flensburger Gewerbetreibenden aufgefundenen Waffenlagers zum Kläger stehe für den Beklagten auf dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens außer Frage. Eine Anklage sei ausschließlich deshalb noch nicht erfolgt, weil noch nicht alle Ermittlungsansätze, die zum Auffinden noch weiterer Täter führen könnten, erschöpft seien; insoweit seien zwar auf den aufgefundene Waffen und Kriegswaffen genetische Spuren des Mitglieds des Klägers S. sowie daktyloskopische Spuren des Präsidenten des Klägers A. sowie der Mitglieder V. und - über die Erkenntnisse in der angefochtenen Verfügung hinaus - des Mitglieds J. nachgewiesen worden. Zudem habe der Gewerbetreibende, in dessen Betrieb die Waffen aufgefunden worden seien, angegeben, dass er von diesen keine Kenntnis habe, dass aber das Mitglied des Klägers S. über Schlüssel zu den betreffenden Geschäftsräumen verfüge. Somit ließen sich Spuren an dem Waffenlager von einem Drittel der Vereinsmitglieder nachweisen. Der Gewerbetreibende, in dessen Räumlichkeiten der Fund erfolgte, unterhalte zu weiteren Mitgliedern des Klägers geschäftliche Beziehungen, sodass insgesamt die Hälfte der Vereinsmitglieder theoretisch Zugang zu den aufgefundenen Waffen gehabt hätten. Angesichts der Dimension des Waffenlagers, die auf eine Ausrüstung einer größeren Organisation hinweise, sei die Tat der Willensbildung des Vereins zuzurechnen. Von Bedeutung sei auch, dass drei der strafrechtlich beteiligten Mitglieder - der Präsident A., der sog. Treasurer S. und der Road Captain J. - hochrangige Funktionsträger des Klägers seien.

67

Die Zuordnung von Spuren habe im Einzelnen ergeben, dass eine genetische Spur an einem Patronengurt sowie drei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem Koffer zur Aufbewahrung von Waffen und an einem Munitionskarton eindeutig dem Mitglied S. zugeordnet werden konnten. Dem Mitglied V. hätten zwei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einer bei den Waffen befindlichen Bedienungsanleitung für eine Pistole zugeordnet werden können, dem Vereinspräsidenten A. vier daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an derselben Bedienungsanleitung sowie dem Mitglied J. insgesamt acht daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem bei den aufgefundenen Waffen befindlichen Müllsack.

68

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. April 2012 ergänzend mitgeteilt, dass das diesbezügliche Ermittlungsverfahrens wegen des Waffenfundes immer noch nicht abgeschlossen sei. Ein kriminaltechnischer Beschuss der Waffen habe stattgefunden, wobei aber noch kein Ergebnis des Vergleichs mit der Tatmunitionssammlung des Bundeskriminalamtes vorliege, um eine Zuordnung zu anderen Straftaten zu ermöglichen. Er trägt vor, durch eine Zeugenaussage in einem Ermittlungsverfahren betreffend die „Hells Angels Kiel“ sei bestätigt worden, dass von diesen die in Flensburg aufgefundenen Waffen dem dortigen Charter der „Hells Angels“ zuzurechnen seien.

69

7. Im Vordergrund der in der Verbotsverfügung unter Ziffer 7 aufgeführten Straftat stehe rechtlich gesehen nicht die Getränkehehlerei, wegen derer das Strafverfahren inzwischen eingestellt worden sei, sondern der am 06. Januar 2010 wie auch erneut am 29. April 2010 festgestellte, dem betreffenden Vereinsmitglied S. waffenrechtlich nicht erlaubte Besitz von Munition. Der Verbotsbehörde dürfte auch nach Erlass des Vereinsverbotes Ermittlungen gemäß § 4 VereinsG zum Zwecke der Sachverhalts-feststellung und zum Auffinden von weiteren Beweisen durchführen und Erkenntnisse anschließend in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung des Vereinsverbotes verwenden. Daher sei auch die bei der Untersuchung am 29. April 2010 bei dem Mitglied S. zur Beschlagnahme von Vereinsvermögen aufgefundene, waffenrechtlich nicht erlaubte Munition im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung des Vereinsverbots zu berücksichtigen. Die bei S. aufgefundene Munition belege, dass die unter der vorgenannten Ziffer 6 aufgeführte Tat im Zusammenhang mit dem Waffenfund bei dem Flensburger Gewerbetreibenden keine singuläre Aktion einzelner Mitglieder und des Vereins darstelle, sondern sich in ein verbreitetes Verhaltensmuster der Mitglieder im Rahmen einer gemeinsamen Willensbildung einfüge. Daraus ergebe sich ein innerer Zusammenhang der Taten Nr. 6 und 7 mit der Folge einer Zurechenbarkeit zum Kläger als Verein. Im Übrigen sei auch die Getränkehehlerei als sog. Absatzhehlerei dem Verein zuzurechnen, da S. - wie auch das Mitglied D. - mehrere Gaststätten mit Bezug zum Verein (u.a. durch Namensgebung „X. X“, welche die „corporate identity“ des Klägers berühre) betreibe bzw. betrieben habe.

70

8. In den beiden durch Verfahrenseinstellung beendeten Verfahren wegen Besitzes eines verbotenen Delta-Darts mit Scheide gegen die Mitglieder des Klägers M. und V. sei bestätigt worden, dass der objektive Tatbestand einer Straftat erfüllt gewesen sei. Für eine Zurechnung an den Verein im Rahmen der Überprüfung des Vereinsverbotes sei es unerheblich, dass beide Angeklagte sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB berufen hätten. Die objektiv begangenen Taten belegten den allgemeinen Hang der Mitglieder des Klägers zur Bewaffnung und damit zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Interessen. Zu berücksichtigen seien auch die in den Ermittlungsakten erwähnten weiteren Funde von Waffen, insbesondere einer Handgranate.

71

9. Die 2004 von dem Mitglied Y., dessen Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt der Kläger zunächst nicht bestritten habe, begangene Straftat des Handels mit Motorradzubehör und hiermit verwandte Dienstleistungen sei als szenetypisch im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer eigenen Vormacht- oder zumindest einer starken Stellung in jenem Wirtschaftsbereich anzusehen. Eine strafbare Tätigkeit eines Mitglieds in einem solchen Bereich komme typischerweise auch den Mitgliedern eines Vereins wie dem Kläger zugute, sodass das unwiderlegliche Indiz bestehe, dass der Kläger sein Mitglied zu seinem eigenen Vorteil in dieser Tätigkeit unterstütze. Die durch den rechtskräftigen Strafbefehl abgeurteilte Tat der Steuerverkürzung stehe im Zusammenhang mit der noch gesondert verfolgten Hehlerei gestohlener Motorradteile und dem Abverkauf von aus gestohlenen Teilen zusammengesetzten Motorrädern.

72

Zur ergänzenden Begründung der Verbotsverfügung damit, dass der Kläger sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei zentral auf den vom Kläger eingerichtete sog. „Defense Fund“ zu verweisen. Nach den Erkenntnissen des Beklagten unterwürfen sich grundsätzlich alle bundesweit tätigen Charter des „Hells Angels MC Germany“ den Regeln des „Defense Fund“. Gleichwohl sei ein Vorgehen des Beklagten lediglich gegen einzelne Charter unter dem Gesichtspunkt einer Willkürfreiheit systemgerecht. Entscheidend sei insoweit, ob dem „Defense Fund“ in dem jeweiligen Charter eine Bedeutung zukomme. Die Einrichtung des sog. „Defense Fund“ beweise bereits eine abstrakt verfassungsfeindliche Gesinnung des einrichtenden Vereins, da wegen der Milderung der sozialen Folgen einer Freiheitsstrafe dem staatlichen Gewaltmonopol aktiv entgegengetreten werde. Eine kämpferisch-aggressive Betätigung eines Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung folge jedoch erst aus der praktischen Anwendung und Umsetzung des „Defense Fund“. Dieser schlage in die Grundlage eines aktiven Sich-Richtens des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung um, wenn innerhalb des Vereins Straftaten begangen würden, die unter anderem dadurch motiviert seien, dass angesichts des „Defense Fund“ die Wirkung der Strafe für eine begangene Tat deutlich hinter dem zurückbleibe, was mit der Bestrafung staatlich bezweckt sei. Entscheidend sei somit der „gelebte“ „Defense Fund“. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger vor. Insoweit unterscheide sich der Kläger auch von anderen Chartern des „Hells Angels MC Germany“ in Schleswig-Holstein, die im Vergleich zu ihm keine oder lediglich Straftaten geringerer Art und Umfangs aufwiesen.

73

Für eine kämpferisch-aggressive Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele sei bereits ausreichend, dass eine Vereinigung ihre eigene Ordnung partiell an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung setze und diese gegenüber Mitgliedern und Nichtmitgliedern ggf. gewaltsam, jedenfalls aber unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols durchsetze. Dies sei der Fall, wenn der Verein eigene Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung seiner Vereinsziele ansehe und eine staatliche Sanktion seiner Gewaltausübung ablehne, zu behindern oder in den Folgen abzuschwächen suche, was auf den Kläger, in Übereinstimmung mit allgemeinen Erkenntnissen über örtliche Charter des „Hells Angels MC Germany“ zutreffe. Die staatliche Ordnung werde unter anderem im Wege einer Selbstverpflichtung wie auch Verpflichtung Außenstehender zum Schweigen unterlaufen. In diese Schweigeverpflichtung würden auch Zeugen, die rechtlich zur Aussage verpflichtet seien, einbezogen.

74

Die vom Landeskriminalamt zusammengestellten Ermittlungsergebnisse ergäben, dass die allgemeinen Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Betätigungen innerhalb der Bewegung der „Hells Angels“ in Deutschland auch auf den Kläger zuträfen. Insoweit wird auf eine Ausarbeitung des LKA vom 09. April 2011 über den „Hells Angels MC“ als Phänomen der organisierten Kriminalität“ verwiesen. Aus ihr ergebe sich, dass dem Kläger eine koordinierende Rolle für strafgesetzwidrige Zwecke und als alternativer Organisationsstruktur einer Macht- und Gewaltordnung für Mitglieder und bestimmte außenstehende Dritte unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols zukomme. So hätten sich auch Belege für eine Beteiligung des klägerischen Charters an der Wirkweise der Organisation der sog. „Big House Crew“ als Vereinigung inhaftierter Mitglieder des Klägers gefunden.

75

Die Errichtung einer eigenen Rechts- und Gewaltordnung unter Ausschluss der staatlichen Ordnung zeige sich namentlich in den Straftaten des unerlaubten Waffenbesitzes und in Körperverletzungsdelikten zur Durchsetzung der Vereinsinteressen des Klägers. Insoweit verweist der Beklagte auf die in der Verbotsverfügung genannten Straftaten unter Nr. 2, 4, 7, 8 und dem Ereignis unter Nr. 6 (Waffenfund), welches eine Ausrüstung für paramilitärische Konflikte nahelege. Auch die Straftat zu Nr. 5 einschließlich des gesamten Tatablaufs der Alarmierung von Mitgliedern durch einen Supporter und die gemeinsame Anfahrt zum Tatort auf der BAB deute auf einen Anspruch des Klägers auf unbedingte Machtentfaltung hin, der mit dem staatlichen Gewaltmonopol nicht vereinbar sei. Insgesamt lasse sich den belegten Straftaten und dem Verhalten der Mitglieder entnehmen, dass der Kläger zwar nicht einen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung bezwecke, wohl aber das staatliche Gewaltmonopol ablehne und durch eine eigene Gewaltordnung zu ersetzen suche. Dies erfülle die Voraussetzungen eines kämpferisch-aggressiven Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

76

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, aus Art. 9 Abs. 2 GG folge die lediglich deklaratorische Wirkung einer Verbotsfeststellung, auf deren Bestand das nachträgliche Verhalten der Mitglieder keinen Einfluss mehr haben könne. Zum Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung hat er seinen schriftsätzlichen Vortrag vertieft und ergänzend ausgeführt, der klägerische Verein richte sich gegen die für die verfassungsmäßige Ordnung zentrale Gewährleistung der Menschenwürde, indem er Abweichler bestrafe und sie dadurch zum Objekt ihres Handels degradiere. Die kämpferisch-aggressive Ausrichtung des Klägers werde auch insoweit durch die Ausführung der Tat Nr. 5 auf der BAB 7 unzweifelhaft belegt. Demgegenüber komme dem - auch in Flensburg praktizierten - System des „Defense Funds“ für das Verbot eine vergleichsweise nachrangige Bedeutung zu.

77

Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 (4 MR 1/10) hat der Senat einen Antrag des Klägers vom 21. Oktober 2010 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung im Wesentlichen abgelehnt und die aufschiebende Wirkung der Klage lediglich insoweit angeordnet, als in der Verfügung die Einziehung von Sachen Dritter für sofort vollziehbar erklärt worden war.

78

Das Gericht hat die Strafverfahrensakten zu den in der Verbotsverfügung genannten Taten beigezogen, ausgewertet und den Beteiligten zur Einsichtnahme zugesandt.

79

In der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2012 hat der Vertreter des Klägers nach Stellung der Anträge und Erörterung der Sach- und Rechtslage die Rücknahme der Klage erklärt. Der Beklagte hat seine Einwilligung hierzu nicht erteilt und hilfsweise für den Fall, dass der Senat nicht schon aufgrund der bislang vorgetragenen Straftaten von Vereinsmitgliedern zu der Überzeugung gelange, dass der Verbotsgrund des Zuwiderlaufens von Zwecken oder Tätigkeit des Vereins gegen Strafgesetze vorliege, einen Beweisantrag zu einem weiteren diesbezüglich relevanten, erst kürzlich zu seiner Kenntnis gelangten Sachverhalt der Schutzgelderpressung gestellt, wegen dessen Inhalt auf die Sitzungsniederschrift verwiesen wird.

80

Auch wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Strafverfahrensakten bzw. die hieraus gefertigten Kopien, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

81

I. Der Senat hat trotz der in der mündlichen Verhandlung erklärten Klagrücknahme über die Klage zu entscheiden, weil die gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO nach der erfolgten Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung erforderliche Einwilligung des Beklagten in die Zurücknahme ausdrücklich nicht erteilt worden ist. Das Einwilligungserfordernis aus § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO dient dem Schutz des Beklagten, der den Rückzug des Klägers aus dem Verfahren verhindern können soll, nachdem durch Antragstellung verhandelt worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.06.2010 - 5 LB 110/10 -). Letzteres war vorliegend geschehen.

82

II. Die Klage ist in zulässiger Weise durch sämtliche nach Informationsstand des Beklagten und nach dem Vorbringen der Klägerseite in der Klageschrift zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorhandene Mitglieder des klägerischen Vereins erhoben worden. Die Klageerhebung für einen nicht rechtsfähigen Verein hat gemäß § 62 Abs. 3 VwGO in Vollmacht seiner gesetzlichen Vertreter und Vorstände zu erfolgen. Dies sind gemäß § 54 i.V.m. § 709 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Mitglieder des Vereins gemeinschaftlich, soweit nicht in einer Satzung Stimmenmehrheit vereinbart oder eine Übertragung der Geschäftsführung erfolgt ist. Letzteres ist hier nicht ersichtlich. Mit der Klageerhebung sind Vollmachten sämtlicher zwölf damals auch in der Klageschrift als Mitglieder namentlich benannter Personen - entsprechend dem Mitgliederstand nach Informationen des Beklagten -, alle datiert auf den 05. Mai 2010, zu den Akten gereicht worden. Zweifel an der Erfüllung der vereins- und prozessrechtlichen Voraussetzungen für die wirksame Klageerhebung des Vereins bestehen daher nicht. Soweit mit dem Anwaltswechsel im April 2012 Vollmachten lediglich von neun der ursprünglich zwölf vollmachtgebenden Mitglieder eingereicht worden sind, darunter eine Vollmacht des im nachfolgenden Schriftsatz vom 16. Mai 2012 nicht mehr als Mitglied bezeichneten J., begründet dies Zweifel weder hinsichtlich der Zulässigkeit noch hinsichtlich der wirksamen Mandatierung des klägerischen Anwaltes und Antragstellung. Nach dem klägerischen Vortrag sollen die nunmehr nicht mehr vollmachtgebenden ursprünglichen Mitglieder sowie zwei weitere Mitglieder zwischenzeitlich ausgeschieden oder ausgeschlossen worden sein. Jedenfalls für den insoweit allein maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat kann mangels gegenteiliger Erkenntnisse die Richtigkeit dieses Vortrages zugrunde gelegt werden, weil eine Trennung eines Mitgliedes selbst von einem lediglich zum Zwecke der Rechtsverteidigung gegen ein ausgesprochenes Verbot noch weiterbestehenden Verein möglich sein muss. Inwieweit dies Auswirkungen auf das Vorliegen der Verbotsvoraussetzungen hat, ist eine im Rahmen der Begründetheitsprüfung gesondert zu beantwortende Frage.

83

Der Kläger ist allein zur Anfechtung des Verbots befugt, da die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung seiner Mitglieder als natürliche Personen, sondern die Rechtsstellung des klagenden Vereins als Gesamtheit von Personen betrifft. Der Kläger ist gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (vgl. zu alledem BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, Juris m.w.N.). Auch nach seinem Verbot und seiner Auflösung verbleibt ihm eine auf die Führung der Rechtsverteidigung beschränkte Rechtsstellung (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Kommentar zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 59).

84

III. Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist lediglich insoweit rechtswidrig und daher gemäß § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben, als in ihm festgestellt wird, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ohne dass allerdings hierdurch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Feststellung, dass der Kläger verboten ist, berührt würde.

85

1. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung lagen vor. Der Beklagte als für die Regelung des Vereinswesens oberste Landesbehörde war gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig, da sich die nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen erkennbare Organisation und Tätigkeit des Klägers auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkte. Es ist von beiden Beteiligten vorgetragen und unbestritten, dass dem „Hells Angels MC Charter Flensburg“ eine eigenständige Stellung als Vereinigung innerhalb der bundes- und weltweiten sog. Bewegung der „Hells Angels“ zukommt. Die Mitglieder des Charter Flensburg sind sämtlich in Schleswig-Holstein wohnhaft und tätig; wesentliche Aktivitäten des Vereins außerhalb Schleswig-Holsteins sind nicht bekannt geworden.

86

Unabhängig von der Frage, ob der klägerische Verein lediglich eine Teilvereinigung eines über das Gebiet Schleswig-Holsteins hinausgehenden größeren Vereins der „Hells Angels“-Bewegung darstellt und eine Einholung des Benehmens des Bundesministers des Inneren nach § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG erforderlich war, ist dieses Benehmen nach Übersendung des Entwurfes der Verbotsverfügung mit Schreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 20. April 2010 vorsorglich erteilt worden. Darin, dass dem Bundesministerium nicht die weiteren Informationsgrundlagen zur Verfügung gestellt worden sind, welche zum Erlass des Vereinsverbots geführt haben, liegt kein Verfahrensfehler, der Zweifel an der Wirksamkeit des vorsorglich hergestellten Benehmens erwecken könnte. Der übersandte Entwurf des Bescheides enthielt selbst ausreichende Informationen, um den Bundesinnenminister jedenfalls in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Nachfragen gegenüber dem Beklagten zu tätigen. Dieses ist jedoch nicht erfolgt.

87

Die weiteren formellen Voraussetzungen für die angegriffene Verbotsverfügung, insbesondere die Schriftform, die Begründung und die Zustellung an den Verein sowie die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger (BAnz 74/2010 v. 19.05.2010, 1774) und im Amtlichen Mitteilungsblatt des Landes Schleswig-Holstein (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2010 Nr. 21/22, S. 389 f.) gemäß § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VereinsG, sind erfüllt.

88

Der Beklagte durfte von einer Anhörung des Klägers vor Erlass der Verbotsverfügung absehen. Zwar ist grundsätzlich dem von einem Eingriff in seinen Rechten Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 87 Abs. 1 LVwG). Hiervon kann jedoch unter anderem abgesehen werden, wenn eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG). Diese Voraussetzungen lagen vor. Mit dem Verbot des Klägers ist, entsprechend der in § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG vorgesehenen Regel, auch die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens sowie Sachen Dritter verfügt worden. Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, der es dem Kläger ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen, und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war (vgl. BVerwG, std. Rspr., Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 f., beide Juris, m.w.N.). Angesichts der einer Anhörung hier entgegengehaltenen Gefahren war dem Kläger auch kein Recht zuzugestehen, sich durch entsprechende Dispositionen wie eine allein durch den drohenden Erlass des Verbots veranlasste Distanzierung von Mitgliedern auf diese vereinsrechtliche Maßnahme einzustellen, wie es der Kläger in Anspruch nimmt.

89

2. Die Verbotsverfügung ist insoweit rechtmäßig, als in ihr festgestellt wurde, dass der Zweck und die Tätigkeit des klagenden Vereines den Strafgesetzes zuwiderlaufen, und an diese Feststellung die in den nachfolgenden Ziffern 2 bis 5 ausgesprochenen rechtlichen Folgen geknüpft wurden. Der Senat ist zu dieser Überzeugung bereits aufgrund der Bewertung der Tatkomplexe gelangt, die Gegenstand der Verbotsverfügung waren, so dass es auf den mit dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag erstmals angesprochenen Sachverhaltskomplex einer Schutzgelderpressung gegenüber einer Flensburger Gastwirtin nicht ankam.

90

a) Die Zwecke und die Tätigkeit des Klägers laufen i.S.d. in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alt. GG den Strafgesetzen zuwider, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben.

91

Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, denn eine Vereinigung ist als solche nicht straffähig. Straffähig können nur natürliche Personen sein, da Strafbarkeit Schuldzurechnungsfähigkeit voraussetzt und diese nur natürlichen Personen zukommt. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Ergibt sich aus dieser eigenen Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln einer Vereinigung ein Verstoß gegen Strafgesetze, so ist der Verbotstatbestand erfüllt.

92

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Mitglieder der Vereinigung zugerechnet werden kann. Eine durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit muss den Charakter der Vereinigung prägen. Eine Vereinigung kann gleichzeitig verschiedene Zwecke, insbesondere neben dem satzungsmäßig ausgewiesenen legalen Zweck auch strafrechtsrelevante Ziele anstreben und durch das Verhalten ihrer Mitglieder verwirklichen. In diesem Falle ist es zur Erfüllung des Verbotstatbestandes nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht. Ebensowenig muss eine Strafgesetzwidrigkeit auf Dauer bestehen. Es genügt vielmehr, wenn eine Vereinigung erst im Laufe der Zeit strafgesetzwidrig wird oder die Strafgesetzwidrigkeit zeitlich begrenzt ist. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen, und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt. Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Die Einbeziehung dieser Fallkonstellation ist vor allem durch den Sinn des Verbotstatbestandes geboten: Mit ihm soll nicht die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich sanktioniert, sondern einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die in der Gründung oder Fortführung einer Organisation zum Ausdruck kommt, aus der heraus Straftaten geplant oder begangen werden. Derartige Organisationen bergen eine besondere Gefahr für die durch Strafgesetze geschützten Rechtsgüter in sich. Die ihnen innewohnende Eigendynamik und ihr organisiertes Sach- und Personalpotential erleichtern und begünstigen strafbares Verhalten. Zugleich wird das Verantwortungsgefühl des einzelnen Mitgliedes häufig gemindert, die individuelle Hemmschwelle zum Begehen von Straftaten abgebaut und der Anreiz zu neuen Straftaten geweckt. Eine derartige verbotsrelevante Hilfestellung muss nicht von vornherein auf die Begehung konkreter Straftaten ausgerichtet sein oder auf einem zuvor gefassten Vereinsbeschluss beruhen. Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten der Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten, gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre zu den Straftaten ihrer Mitglieder jederzeit den erwarteten Schutz (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275, Juris Rn. 15 f.; Beschl. v. 25.08.2008 - 6 VR 2/08 -, Juris Rn. 11; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, BVerwGE 80, 299, DVBl. 1989, 311 Rn. 38 f.). Im Falle der Überprüfung des 1983 erlassenen Vereinsverbotes gegenüber dem „Hell‘s Angels Motor-Club e.V.“ Hamburg hat das Bundesverwaltungsgericht die Zurechnung einzelner Straftaten unter anderem mit dem Gesichtspunkt begründet, dass die Straftaten in Vereinskluft begangen wurden und dadurch den Ruf des Vereins als besonders gewalttätige und brutale Rockergruppe begründet oder bestätigt hätten (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 50). Demgegenüber kommt es auf den in der Satzung niedergelegten Zweck (Motorradclub) nicht entscheidend an, da strafrechtliche Zwecke üblicherweise nicht offen gelegt werden. Soweit in der Vereinssatzung aber der Grundsatz der Solidarität ausdrücklich als Vereinszweck genannt wird, kann dies als Ausdruck der unter den Mitgliedern angestrebten umfassenden Solidarität gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 43).

93

Der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder kann sich auch daraus ergeben, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 32, Juris Rn. 12). Eine Prägung des betreffenden Vereins durch ihm zuzurechnende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern liegt insbesondere dann nahe, wenn es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktionen handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, sowie Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.) oder wenn entsprechende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern in großer Zahl sowie auch noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder erfolgen (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009, a.a.O.). Ein prägender Charakter kann sich auch daraus ergeben, dass die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, a.a.O.).

94

Ein Verbot wegen Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins setzt eine vorherige strafrichterliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Ebenso wenig besteht eine materielle oder formelle Bindung an die rechtliche Würdigung eines bereits ergangenen Strafurteils. Die Strafgesetzwidrigkeit ist von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.; Urt. v. 18.10.1988, a.a.O.; std. Rspr.).

95

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung ist derjenige ihres Erlasses. Zur Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit können, wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht, zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986; Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.1992 - 1 S 3626/88 -; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06/52 - sowie Beschl. v. 20.09.2006 - 4 AS 06.2036 -, alle in Juris). Berücksichtigungsfähig können auch Gesichtspunkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung nach Ergehen der Verbotsverfügung sein, soweit sie eine vor Erlass der Verbotsverfügung begangene Straftat betreffen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 38). Andererseits bietet Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG aber keine Grundlage für die Berücksichtigung von Veränderungen, die der Verein nach seinem Verbot vornehmen möchte, um dessen Voraussetzungen entfallen zu lassen. Solche nach Erlass der Verbotsverfügung geschaffenen Tatsachen können keine Wirkungen auf die Sachlage zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Verbotsbescheides mehr entfalten. Dem Verein sind im Übrigen Aktivitäten, soweit sie nicht die Rechtsverteidigung gegen das Vereinsverbot betreffen, und damit auch organisatorische Umgestaltungen, untersagt.

96

In Konkretisierung der genannten, aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG abgeleiteten Maßstäbe hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 VereinsG ausdrücklich ergänzende („auch“) Maßstäbe für die Zurechnung von Handlungen von Mitgliedern zum Verein festgeschrieben, wonach ein Verbot auch dann auf Handlungen von Mitgliedern gestützt werden kann, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu der Zielsetzung des Vereines besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Eine Erweiterung oder Einschränkung der zu Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 VereinsG in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe liegt in dieser ausdrücklich zur Schließung einer Regelungslücke getroffenen ergänzenden gesetzgeberischen Regelung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 45) jedoch nicht. Die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG sind in der Verfassung abschließend benannt; der Gesetzgeber darf keine zusätzlichen Verbotsgründe einführen (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Komm. zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 63; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot - Dogmatik und Praxis des Art. 9 Abs. 2 GG, Baden-Baden 2005, S. 115).

97

b) Eine Strafgesetzwidrigkeit des klagenden Vereins lässt sich vorliegend anhand der dargestellten Maßstäbe bereits in ausreichender Weise aus einer Zurechnung der Straftat des damaligen Präsidenten des Klägers, A., vom 12. September 2009 - Nr. 5 in der Verbotsverfügung - ableiten. Wegen dieser Tat ist A. mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden. Die Tat und die sie begleitenden Umstände weisen ausweislich der Urteilsgründe einen eindeutigen Vereinsbezug auf. Der Tathergang gestaltete sich nach den rechtskräftigen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Flensburg wie folgt:

98

Am 12. September 2009 hielt sich eine Gruppe der im Frühjahr 2009 in Neumünster gegründeten „Bandidos“, welche mit zeitgleicher Verfügung des Beklagen verboten worden sind, auf dem Rückweg von einer Ausfahrt nach Dänemark um 22.55 Uhr an einer Tankstelle unweit der BAB 7 bei Flensburg auf. Dort wurden die mit Kutten bekleideten „Bandidos“ durch ein Mitglied oder einen Unterstützer der Flensburger „Hells Angels“ beobachtet und es erfolgte über ein Mobiltelefon eines damaligen Mitgliedes des Klägers eine entsprechende Meldung an A. in seiner Funktion als Präsident. Dieser führte binnen weniger Minuten diverse Mobilfunkgespräche mit weiteren Vereinsmitgliedern mit dem Ziel, diese schnell an die BAB 7 heranzuführen, um den als solchen empfundenen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ zu sühnen. A. begab sich mit seinem Pkw an die Autobahnauffahrt Flensburg-Harrislee, wo um ca. 23.20 Uhr der Konvoi der „Bandidos“ eintraf, und befuhr hinter der Gruppe der „Bandidos“ die BAB 7, wobei ihm ein Pkw Golf folgte, der auf das Mitglied der „Hells Angels Flensburg“ V. zugelassen war. Im Bereich einer Baustelle, in der die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herabgesetzt war, näherte sich der PKW des A. dem Motorrad des „Bandidos“-Mitglieds K. und berührte dieses kurz mit dem Vorderrad. Dabei brachen die linke Fußraste des Motorrades und das Schaltgestänge, sodass das Getriebe des Motorrades nicht mehr geschaltet werden konnte. Etwa 170 m weiter unternahm der geschädigte Motorradfahrer der „Bandidos“ eine Vollbremsung und stürzte mit dem Motorrad auf die rechte Seite, wobei er lebensgefährlich verletzt wurde. A. flüchtete mit hoher Geschwindigkeit, stellte nur wenige Minuten später sein Fahrzeug nahe einem sein Vertrauen genießenden Motorrad-Reparaturbetrieb in XXX Stadt. ab und wurde gegen 0.22 Uhr in dem 25 km entfernten Flensburg festgestellt. Ein bis zwei Minuten nach dem Sturz des „Bandidos“ K. erreichte das Mitglied des Klägers AH. in seinem Pkw Golf die Unfallstelle und wurde zusammen mit einem weiteren Unterstützer des Klägers aus der sog. „Flensburg-Crew“ Opfer einer massiven Gewaltattacke der über den Vorfall empörten „Bandidos“. Ihm wurden mehrere Messerstiche zugefügt, aufgrund derer er im Krankenhaus operativ versorgt werden musste.

99

Nachfolgend erreichte auch der Pkw des Mitglieds des Klägers V. die Unfallstelle, wendete fluchtartig über die niedrige Barriere zwischen den Fahrtrichtungen und verschwand in Richtung Norden.

100

Die Kammer des Landgerichts Flensburg hat in ihrem Urteil als Motiv der Tat eindeutig eine „Disziplinierung der feindlichen Rockergruppe“ identifiziert. Die „Bandidos“ hätten von weiteren „Gebietsverletzungen“ - in der Denkweise der beteiligten Rockergruppierungen - abgehalten und beeindruckt werden sollen, wobei diese Aufgabe, einen Denkzettel zu erteilen, von A. zur „Chefsache“ gemacht worden sei. Die Aktion habe eine Reaktion auf eine gezielte Provokation der „Bandidos“ dargestellt. Das Landgericht hat den Schädigungsvorsatz des Präsidenten A. gerade aus der Motivation und Entschlossenheit der Vereinigung der Flensburger „Hells Angels“ abgeleitet, keine Gebietsverletzungen zu dulden und als Ausfluss einer kompromisslosen Haltung auch schwere Verletzungen des Gegners notfalls hinzunehmen (S. 42 d. UA). Ein Tabu der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität der Mitglieder der feindlichen Gruppe scheide wegen des Verständnisses, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen sich besonders maskulin und machohaft gebärdenden Männern handele, aus. Eine Schädigung des Feindes unterstreiche erst recht die mit der Aktion bezweckte Botschaft. Bei der Strafzumessung hat das rechtskräftige Urteil das Tatmotiv, der verfeindeten Rockergruppe den Gebietsanspruch um den Raum Flensburg aufzuzeigen und zu demonstrieren, dass Versuche, diesen in Frage zu stellen, sofort mit die körperliche Integrität oder sogar das Leben gefährdenden Aktionen beantwortet werden würden, in erheblicher Weise zu Lasten des damaligen Präsidenten A. gewertet.

101

In seiner Revisionsbegründungsschrift ist der Angeklagte den tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Landgerichts lediglich insoweit entgegengetreten, als er die Nachweisbarkeit seiner Täterschaft sowie eines Körperverletzungsvorsatzes in Zweifel gezogen hat. Die dargestellten Bezüge zur Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der mit ihm verfeindeten Rockergruppe der „Bandidos“ wurden im Rahmen des strafrechtlichen Revisionsverfahrens ebenso wenig in Abrede gestellt wie im vorliegenden Verfahren wegen Vereinsverbots.

102

Der Senat hält die tatsächlichen Feststellungen der strafgerichtlichen Verurteilung nach Auswertung der beigezogenen Verfahrensakten für nachvollziehbar und schließt sich ihnen an. Entgegenstehende Gesichtspunkte haben sich auch aus dem Vortrag der Beteiligten nicht ergeben. Die Tat wurde von dem höchsten damaligen Funktionsträger des Klägers, dem Präsidenten, im ausschließlichen Interesse des Vereins ausgeführt. Das Landgericht hat festgestellt, dass ein persönliches Motiv des A. gegenüber dem Geschädigten K. nicht ersichtlich war. Die Tat fand in Anwesenheit mehrerer, binnen kürzester Zeit zur nachtschlafender Zeit über Mobiltelefone heran beorderter weiterer Mitglieder und Unterstützer des Klägers statt und war im Übrigen durch eine Benachrichtigung einer namentlich nicht feststehenden, jedoch dem Mitglieder- oder Unterstützerkreis des Klägers zuzurechnenden Person ausgelöst worden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine strafrechtlich relevante Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers neben dem Präsidenten A. waren aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden zwar nicht gegeben, sodass die gegen sämtliche anderen Mitglieder des Klägers - bis auf den ortsabwesenden, per Mobiltelefon kontaktierten und für Disziplinierung eigentlich zuständigen „Sergeant at Arms“ M. - eingeleiteten Strafverfahren mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 04. Februar 2010 eingestellt wurde. In der Einstellungsverfügung heißt es insoweit, dass diese Mitglieder zwar vermutlich am Tatort gewesen seien, ein direkter Tat- oder Unterstützungsbeitrag könne ihnen aber nicht hinreichend sicher nachgewiesen werden und ein subjektiver Exzess des damaligen Beschuldigten A. sei nicht auszuschließen. Ausweislich der Strafverfahrensakten und des Strafurteils des Landgerichts Flensburg haben sich jedoch sämtliche weiteren Mitglieder des Klägers - bis auf M. - im Rahmen des Strafverfahrens auf ihr Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Das Landgericht Flensburg hat im Urteil ihre Beteiligung an der Tat ausdrücklich für möglich gehalten und daher ein Aussageverweigerungsrecht als gegeben erachtet.

103

Die Tat, die von dem damaligen obersten Funktionär des klägerischen Vereins begangen worden ist, wurde im vereinsrechtlichen Sinne ermöglicht und unterstützt durch eine binnen weniger Minuten erfolgte gemeinsame Willensbildung, indem der Vereinspräsident mehrere Mitglieder und Unterstützer über Handy an die Autobahnauffahrt heran kommandierte und gleichzeitig mit einem Informanten Kontakt hielt, der den Aufenthaltsort des „Bandidos“-Konvois mitteilen sollte. Die diesbezüglichen Kommunikationsvorgänge werden durch den im strafrechtlichen Ermittlungsvorgang befindlichen Auswertebericht über Telefonüberwachungsmaßnahmen im Tatzeitraum sowie den zusammenfassenden Ermittlungsbericht des LKA vom 04. Dezember 2009 belegt. Durch Telefonüberwachungsauswertebericht vom 07. Dezember 2009 ist darüber hinaus dokumentiert, dass A. noch zwei Monate nach der Tat im Austausch mit weiteren Mitgliedern des klägerischen Vereins stand, welche Vorladungen zu einer polizeilichen Vernehmung über die Tat erhalten hatten, und dass er in diesem Kreis nach wie vor über Autorität verfügte, um eine gemeinsame Linie zum Aussageverhalten (Nichterscheinen bei der polizeilichen Vernehmung) auszugeben. Dieser Umstand wurde unter anderem im Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 25. März 2010 über die Kommunikationsüberwachung des inhaftierten damaligen Angeschuldigten A. als Anhaltspunkt für eine bestehende Gefahr der Beeinflussung vorgeladener Zeugen durch den Angeschuldigten gewürdigt. Dies spricht dafür, dass A. nach wie vor und trotz der bei den Mitgliedern bestehenden Kenntnis über die genauen Umstände der Tat über Rückhalt im klägerischen Verein verfügte und die Tat durch die Mitglieder jedenfalls widerspruchslos hingenommen, wenn nicht sogar gebilligt wurde. Eine Distanzierung der übrigen Mitglieder von ihm als Täter der gravierenden Straftat hätte jedenfalls zeitnah zur Tatbegehung erfolgen müssen, um vereinsrechtlich ins Gewicht zu fallen. Hier war sie unter Berücksichtigung der gemeinsam entwickelten Aussagestrategie der betroffenen Vereinsmitglieder in den eingeleiteten Ermittlungsverfahren nicht zu erkennen.

104

Angesichts der elementar dem gemeinsamen Selbstverständnis des Vereins entsprungenen Ausführungen und Organisation der Tat, der intensiven Kommunikation und des Zusammenwirkens mehrerer Mitglieder sowie der über Monate andauernden Aufrechterhaltung der Organisationstruktur des Klägers nach der Tat, was die Position des Präsidenten anbelangt, kommt dem gesamten Ereignis eine für den klägerischen Verein prägende Funktion zu. Ohne den Macht- und Geltungsanspruch des Vereins hätte es die Tat nicht gegeben, ohne die schlagkräftige Organisationsgewalt innerhalb des Vereins wäre die Tatausführung nicht in dieser Weise erfolgt und die Geschlossenheit der von den Ereignissen berührten Mitglieder hielt in einer grundlegenden Weise auch nach der Tat an.

105

Angesichts der durch die Tat am 12. September 2009 dokumentierten organisierten und vom Willen der Vereinsmitglieder getragenen, die Anwendung von Gewalt im vereinsrechtlichen Sinne billigend in Kauf nehmenden massiven Machtentfaltung des klägerischen Vereins unmittelbar im Vorfeld der Verbotsverfügung begründet das Ereignis bereits für sich genommen einen hinreichenden Anlass für das Verbot des Klägers wegen strafgesetzwidriger Zwecke und strafgesetzwidriger Tätigkeit. Im Hinblick auf diesen Verbotstatbestand ist die Tat derart einschlägig, schwerwiegend und zentral und dokumentiert die durch ein Vereinsverbot zu begrenzende Gefahr einer weiteren, Rechtsgüter gefährdenden Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Vereinigungen, dass es einer Zurechnung strafrechtswidriger weiterer Verhaltensweisen der Mitglieder an den Verein nicht mehr bedürfte, um das Vereinsverbot zu stützen. Auch ein singuläres Geschehen, eine einzelne Straftat kann schon ausreichen, um daraus das Vorliegen der Voraussetzungen für einen vereinsrechtlichen Verbotsgrund abzuleiten (vgl. auch Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 155).

106

c) Darüber hinaus treten hier jedoch weitere in der Verbotsverfügung aufgeführte Taten, die dem Verein zurechenbar sind, zur Untermauerung des Verbotsgrundes des Zuwiderlaufens der Vereinigung gegen Strafgesetze hinzu:

107

aa) Mehrere Mitglieder des Klägers sind durch waffenrechtliche Straftaten aufgefallen, bei denen sie teilweise auch zusammen auftraten; des Weiteren bestehen wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass sie mit einem in Flensburg aufgefundenen Waffenarsenal bedeutenden Ausmaßes in Verbindung standen.

108

aaa) Der zur Tatzeit bereits als Präsident des klägerischen Vereins eingesetzte A. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten wegen Verstoßes gegen §§ 52 Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz verurteilt (Nr. 2 in der Verbotsverfügung), nachdem im Februar 2008 bei einer Durchsuchung in seiner Wohnung eine halbautomatische Selbstladepistole der Marke „Sig-Sauer P 225“ - einer funktionsfähigen scharfen Schusswaffe - mit ausgefräster Individualnummer und 50 Patronen passender Munition festgestellt worden war, für welche A. keine waffenrechtliche Erlaubnis besaß. Strafschärfend berücksichtigte das Gericht die erhebliche Menge an aufgefundener Munition. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränke Berufung des Angeklagten stelle das Landgericht Flensburg das Verfahren mit Beschluss vom 08. Juni 2009 im Hinblick auf die Verurteilung durch ein Schöffengericht in Flensburg vom 23. Januar 2008 wegen versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil die Strafe neben der anderweitig verhängten Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fiel.

109

bbb) Der damalige Treasurer S. wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wegen unerlaubten Munitionsbesitzes (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz) in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt (Nr. 7 in der Verbotsverfügung), wobei einer der beiden Fälle die Lagerung von 500 Patronen „Remington Automatic“ Kaliber 45, 20 Patronen Übungsmunition und eine weitere Patrone des Kalibers 7 ohne waffenrechtliche Erlaubnisse im Januar 2010 betraf. Der weitere mit einbezogene Fall betraf einen erst in Vollzug der Vereinsverbotsverfügung festgestellten Munitionsbesitz. Der Angeklagte S. hatte seinen Einspruch gegen den wegen des Vorfalls vor Erlass des Vereinsverbotes ergangenen Strafbefehl auf die Rechtsfolgenseite beschränkt; diesen Munitionsbesitz hatte das Gericht ausweislich der Strafzumessungserwägungen als schwerwiegender angesehen als den nachfolgenden Munitionsbesitz. S. hatte bei Auffinden der Munition angegeben, er sei Mitglied im Schützenverein in Schleswig und bewahre seine eigene Munition zu Hause auf. Im Rahmen der Hauptverhandlung gab er an, er habe die Munition aus Platzgründen nicht im Schützenverein lagern können. Er sei schon zwei Jahre nicht mehr in dem Verein gewesen.

110

ccc) Konkrete Belege für dem klägerischen Verein zurechenbare waffenrechtliche Straftaten von Mitgliedern des Klägers haben sich auch aus dem unter Nr. 6 der Verbotsverfügung aufgeführten Auffinden eines umfangreichen Waffenarsenals bei einem Flensburger Gewerbetreibenden am 02. November 2009 ergeben. In einem Umkleideraum des Gewerbebetriebes in einem Spind sowie in einer Garage wurden vier Stangen eines vom Landeskriminalamt als brisant eingestuften, sowohl militärisch als auch gewerblich verwendbaren Sprengstoffs aufgefunden, darüber hinaus mehrere funktionsfähige Maschinengewehre, doppelläufige Flinten, Pumpguns, ein Sturmgewehr, mehrere Revolver sowie zugehörige Munition. Mehrere dieser Waffen sind nach den Ermittlungsergebnissen des LKA als Kriegswaffen im Sinne der Anlage zu § 1 Abs. 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KrWaffKontrG) einzustufen. Kriminaltechnische Ermittlungen des LKA haben nach den in dem Ermittlungsvorgang der Staatsanwaltschaft A-Stadt befindlichen behördlichen Gutachten, zusammengefasst im Auswertebericht des LKA vom 03. Dezember 2010, im Wege der DNA-Analyse den Nachweis zweier S. zuzuordnender telogener (ausgefallener) Haare an einem Patronengurt, der der Erlaubnispflicht nach § 2 Waffengesetz unterliegt, erbracht. Fingerabdruckspuren von S. wurden durch Gutachten des LKA vom 05. Juli 2010 an einem silberfarbenen Koffer, in welchem sich eine Maschinenpistole befand, an Plastikeinsätzen von Munitionsbehältnissen, Fingerabdrucksspuren des C. V. sowie des A. an der Bedienungsanleitung zu einer Pistole (Gutachten des LKA v. 15.07.2010) sowie Fingerabdrücke des J. an einem schwarzen Müllsack bei den Waffen (LKA-Gutachten v. 15.07.2010) nachgewiesen.

111

Auf einen deutlichen Vereinsbezug dieses umfangreichen und schwerwiegenden Waffenfundes deuten nach den Unterlagen in dem strafrechtlichen Ermittlungsvorgang auch Telefonate mehrerer Mitglieder des Klägers noch während der Untersuchung am 02. November 2009 sowie in den Tagen danach, darüber hinaus auch Aussagen des Inhabers der betreffenden Betriebsstätte des Auffindeortes hin. Der Gewerbetreibende, bei dem die Waffen gefunden wurden, hatte nach Unterrichtung über die beabsichtigte Durchsuchung die Polizeibeamten ungefragt darauf verwiesen, er könne nicht ausschließen, dass „zwielichtige Personen“ - nämlich Mitglieder der „Hells Angels“ - in seinen Räumlichkeiten Waffen lagerten. Auf Nachfrage nannte der Gewerbetreibende ausweislich des Auswerteberichtes des LKA vom 10. November 2009 S., A., M. und J.. Noch während der laufenden Durchsuchungsmaßnahme erhielt S. eine telefonische Nachricht hierüber von einer Angestellten des Betriebes; die Durchsuchung führte noch vor ihrem Abschluss zu Telefonaten u.a. zwischen A. und S. sowie A. und M. und wurde darin thematisiert. Aufgrund des Waffenfundes wurde weitere Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt, die am 06. Januar 2010 umgesetzt wurden; in ihrem Zuge wurde im Clubhaus des Klägers u.a. in der Küche der Mitglieder M. und J. eine Handgranate mit Zünder gefunden.

112

Wegen der in Betracht kommenden Straftatbestände ist nach Mitteilung des Beklagten zwar auch aktuell noch keine Anklage erhoben worden, weil noch weitere Untersuchungen durch das Bundeskriminalamt abgewartet werden müssten. Die Frage, wem die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die aufgefundenen Kriegswaffen gemäß § 22 a Abs. 1 KrWaffKontrG in strafrechtlicher Hinsicht zuzuordnen sein wird, ist somit derzeit noch nicht geklärt. Angesichts der deutlichen, mehrere Mitglieder des Vereins und deren Kommunikation untereinander umfassenden Bezüge des Waffenarsenals zum Kläger ist die hohe strafrechtliche Relevanz des Waffenarsenals jedoch in die vereinsrechtliche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit einzubeziehen. Dabei geht der Senat aufgrund der geschilderten Ermittlungsergebnisse davon aus, dass mehrere mit herausgehobenen Funktionärstätigkeiten betraute Vereinsmitglieder Kenntnis von den aufgefundenen Waffen hatten und mit ihnen unmittelbar in Kontakt gekommen waren, wobei der Kontakt mit einer Bedienungsanleitung und mit Munition in diesem Zusammenhang hinreichend aussagekräftig ist.

113

ddd) Der den Mitgliedern des Klägers S., Y., AH., M. und V. vorgeworfene Besitz sogenannter Delta-Darts mit zugehöriger Scheide (Nrn. 4 und 8 in der Verbotsverfügung) begründete zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verbotsverfügung hingegen jedenfalls keine Verhaltensweise, die dem Kläger vereinsrechtlich als strafrechtswidrige Tätigkeit von bedeutsamem Gewicht zugerechnet werden könnte. Den Mitgliedern S., Y., AH. sowie dem in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht genannten Mitglied AB. wurde ein derartiger, um den Hals der jeweiligen Person hängender Delta-Dart mit Scheide von der schweizerischen Polizei abgenommen, als sie gemeinschaftlich am 18. Dezember 2009 in einem Pkw die schweizerische Grenze überqueren wollten. Eine waffenrechtliche Untersuchung der schweizerischen Polizei ergab im Januar 2010, dass es sich hierbei um einen nach schweizerischem Recht verbotenen Gegenstand handele. Ein Delta-Dart mit Scheide ist - wie sich aus einer Fahndungsinformation des Regierungsbezirks Freiburg vom 16. Dezember 2009 aus dem schweizerischen Ermittlungsvorgang ergibt - nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Füllfederhalter getarnt und somit als Waffe nicht erkennbar, zudem aufgrund seiner Beschaffenheit und Auslegung im Rahmen einer sog. „Nachtschattenserie“ des Herstellers bei Kontrollen durch Metalldetektoren nicht feststellbar. Die betroffenen Mitglieder hatten als Zweck des Mitsichführens eine Eigensicherung angegeben und waren von der schweizerischen Polizei als Mitglieder der „Hells Angels“ eingeordnet worden. Bei den Mitgliedern M. und V. wurde jeweils ein Delta-Dart bei Durchsuchungen am 06. Januar 2010 in ihren Wohnräumen - wobei sich die Wohnung des Mitglieds M. im Clubhaus des Klägers befand - festgestellt und als Zweck des Besitzes ebenfalls angegeben, die Waffe diene als Verteidigungsmittel. Beide Mitglieder beriefen sich auf ihre subjektive Überzeugung, die Waffe besitzen zu dürfen. Die sie betreffenden Ermittlungsverfahren wurden, wie auch die von der schweizerischen Polizei geführten Verfahren, durch das Strafgericht bzw. die Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Einstellung durch den Untersuchungsrichter des Kantons Schaffhausen in Bezugsfall 4 der Verbotsverfügung erfolgte nach schweizerischem Recht wegen geringen Unrechts der Tat, geringen Verschuldens und unbedeutender Tatfolgen; die Einstellung des Verfahrens gegen C V. durch die Staatsanwaltschaft Flensburg im Juli 2010 (Bezugstat Nr. 8 in der Verbotsverfügung) erfolgte ausdrücklich unter Hinweis auf die nicht abschließend geklärte Rechtslage. Im Verfahren gegen M. erfolgte die Verfahrenseinstellung durch das Amtsgericht Flensburg gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld und mangelndem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung im November 2010, nachdem im Verfahren sowohl ein Behördengutachten des Landeskriminalamtes vom 21. Dezember 2009 mit dem Ergebnis, es handele sich bei dem Delta-Dart mit Scheide um eine verbotene Waffe im Sinne von § 2 Abs. 3 Waffengesetz in Verbindung mit deren Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.1, als auch ein gegenteiliges Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008, wonach es sich bei dem gegenständlichen Delta-Dart nicht um einen verbotenen Gegenstand handele, vorgelegt worden waren. Bis zur nach dem Verbotszeitpunkt liegenden Verfügung des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 bestanden nach bundesdeutscher Rechtslage jedenfalls Zweifel an einer Strafrechtswidrigkeit des Besitzes dieser Hieb- und Stichwaffe. Das Bundeskriminalamt war gemäß §§ 2 Abs. 5, 48 Abs. 3 Waffengesetz nur dann für die Entscheidung über eine Einstufung des Delta-Darts als verbotene Waffe zuständig, wenn Zweifel darüber bestanden, ob dieser Gegenstand vom Waffengesetz erfasst werde oder wie er einzustufen sei. Feststellungsbescheiden des Bundeskriminalamtes nach § 2 Abs. 5 Waffengesetz kommt kein Rechtsnormcharakter zu, vielmehr stellen sie Allgemeinverfügungen im Sinne von § 35 Satz 2 VwVfG des Bundes dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2009 - 6 C 21/08 -, NVwZ-RR 2009, 838; Gade/Stoppa, Kommentar zum Waffengesetz, 2011, § 2 Rn. 10). Selbst wenn danach die objektive Strafrechtswidrigkeit des Besitzes von Delta-Darts durch die oben genannten Mitglieder des Klägers vor Erlass des Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes und vor Erlass der Verbotsverfügung nicht ausgeschlossen ist, mindert die in dem vorherigen Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008 enthaltene waffenrechtliche Bewertung das vereinsrechtlich anzusetzende Gewicht einer solchen möglichen objektiv-rechtlichen Übertretung des Strafrechts in erheblichem Maße.

114

Insgesamt weisen die waffenrechtlichen Verstöße von teilweise in Führungspositionen befindlichen Mitgliedern des klägerischen Vereins eine für die Vereinstätigkeit und seine Zielsetzung prägende Tendenz auf, da sie nach Überzeugung des Senats jedenfalls auch der Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Rockergruppen gedient haben, in dichter zeitlicher Abfolge und trotz vorhergehender strafrechtlicher Ermittlungen wegen bzw. Ahndung von anderen Waffendelikten erfolgten und ein anderweitiger Zweck als derjenige der Verwendung im Zusammenhang mit Vereinstätigkeiten nicht erkennbar war. Auch S. hatte nach eigenen Angaben zwei Jahre lang nicht mehr den Sportschützenverein besucht, für den er die bei ihm festgestellte Munition erheblichen Ausmaßes bei sich gelagert haben wollte. Ein vereinsrechtlich prägendes Zusammenwirken zeigt sich nicht zuletzt im Rahmen des noch nicht abschließend strafrechtlich aufgeklärten Flensburger Waffenfundes, dessen Dimension zugleich ein ganz erhebliches Gefahrenpotential des klägerischen Vereins verdeutlicht.

115

bb) Von einem Vereinsbezug ist auch bei der mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 abgeurteilten und unter Nr. 2 der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftat einer versuchten räuberischen Erpressung seitens des A. durch Forderung eines Schutzgeldes gegenüber einem neu eröffneten Tätowierladen in Flensburg auszugehen, auch wenn das Strafurteil sich hierzu nicht verhält. Der Täter A. ist von dem geschädigten Inhaber des Tätowierladens ausweislich der Strafanzeige vom 15. April 2006 unmittelbar den „Hells Angels“ zugeordnet worden und es ergaben sich auch aus den Angaben des geschädigten Geschäftsinhabers durchaus Bezüge zu dem klägerischen Verein. Dieser hatte angegeben, bereits vor seiner Geschäftseröffnung mit den „Hells Angels“ in Flensburg Kontakt aufgenommen zu haben und eine von diesen geforderte Bargeldsumme in Höhe von monatlich 500,-- Euro zum Zwecke einer „gütlichen Einigung“ über die konkurrierenden Geschäftsbereiche im Tätowiergewerbe nicht aufbringen zu können. Dem Geschädigten sei dann drei Wochen nach Ladeneröffnung gesagt worden, dass er kein Geschäft eröffnen dürfe. Auch in seiner Zeugenvernehmung vom 15. April 2006 wies der geschädigte Geschäftsinhaber auf die Mitgliedschaft des ihn aufsuchenden Täters in der Rockergruppe „Hells Angels“ sowie darauf hin, dass der Inhaber des konkurrierenden Tätowiergeschäftes Kontakte zu den „Hells Angels“ habe. Die Tat ist daher auf dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Betätigungsbereichs des klägerischen Vereins zu sehen; ein persönliches Motiv des Vereinspräsidenten A. bei der Verwirklichung der Straftat ist nicht ermittelt worden. Dass geschäftliche Beziehungen von „Hells Angels“-Vereinen in Schleswig-Holstein zur Tätowierszene bestehen, ist im Übrigen allgemein bekannt. Dass dieser im Fall der Tat Nr. 2 konkret durch Zeugenaussage belegte Aspekt in den strafrechtlichen Ermittlungen sowie in der Begründung des Vereinsverbotes und der diesbezüglichen Argumentation des Beklagten während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Rolle gespielt hat, entfaltet für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung keine einschränkende Wirkung.

116

cc) Demgegenüber ist ein Vereinsbezug der unter Nr. 1 der Verbotsverfügung aufgeführten, am 07. September 2008 auf einem Bürgerfest in Leck von dem Vereinsmitglied D. begangenen Körperverletzung bereits aufgrund ihrer singulären Begehungsweise und des rein persönlichen Hintergrundes eher zweifelhaft. Zwar hat der von D. niedergeschlagene Mann nach dem Polizeibericht vom Tattag noch im Rettungswagen, in dem er versorgt wurde, ausgesagt, der Angreifer habe eine Lederkutte mit der Aufschrift „Hells Angels“ getragen, was dagegen spricht, dass die Kutte unter einer weiteren Jacke verborgen gewesen sein soll - wie der Kläger vorträgt -, und einen Anhaltspunkt für einen Vereinsbezug der Tat liefern könnte. Andererseits hat die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts Niebüll am 29. Juli 2009 ergeben, dass es zu der Körperverletzung infolge eines heftigen Wortwechsels zwischen dem Geschädigten und der polnischen damaligen Freundin des D., die er nach eigener Aussage vor dem Geschädigten schützen wollte, gekommen war. Weitere Mitglieder der „Hells Angels“ waren nicht zugegen, und angesichts der aus einer rein persönlichen Konfrontation erwachsenen Tat des Mitgliedes D. kann nicht schon deshalb von einer nachträglichen Hinnahme durch den Verein ausgegangen werden, weil dieser sich nicht erkennbar von der Tat distanziert hat.

117

dd) Auch bei der unter Nr. 3 der Verbotsverfügung genannten Steuerstraftat des Vereinsmitglieds J. vom 05. Juni 2009, die zu dem Erlass eines rechtskräftigen Strafbefehls vom 03. Februar 2010 durch das Amtsgericht Flensburg führte, handelt es sich um eine eher in der persönlichen Sphäre des Täters angesiedelten Tat, bei der ein Vereinsbezug aus Sicht des Senats Zweifeln unterliegt. Insbesondere geht aus dem Ermittlungsvorgang nicht hervor, ob es sich bei dem namentlich nicht benannten Fahrer des Kfz, in welchem die unverzollten Zigaretten gefunden wurden, um eine Person aus dem Verein oder dessen Umfeld gehandelt hat. Konkrete Feststellungen des Beklagten oder der Strafverfolgungsbehörden, dass der klägerische Verein aus dem Handel mit unverzollten Zigaretten einen wirtschaftlichen Gewinn zog oder diesen überhaupt als eigenen Tätigkeitsbereich förderte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

118

ee) Auch die unter Nr. 9 der Vereinsverbotsverfügung aufgeführte, mit einem Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 28. Oktober 2011 rechtskräftig mit einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro bestrafte Steuerverkürzung durch das Vereinsmitglied Y. im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 ist als eher individuell geprägte Straftat dem Verein nicht zweifelsfrei zuzurechnen. Die Tat bezog sich auf eine im Jahr 2005 aufgegebene, vom Mitglied des Klägers Y. sowie einer weiteren Person, die nicht Vereinsmitglied war, als Gesellschafter betriebene Motorrad-Werkstatt, in der Motorräder teilweise aus gestohlenen Teilen zusammengebaut und verkauft wurden. Die Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen wiesen die Erlöse aus der Herstellung und Veräußerung der Neuaufbauten nicht vollständig aus, vielmehr wurde eine gesonderte „zweite Kasse“ geführt, wodurch auch die Herkunft der verwendeten Fahrzeugteile verschleiert werden sollte, soweit sie durch Straftaten erlangt worden waren. Dass weitere Vereinsmitglieder in die Beschaffung von Teilen oder in die durch den Strafbefehl sanktionierte Praxis der Buchführung und Angaben gegenüber dem Finanzamt verwickelt gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Zudem lagen der Betriebszeitraum der Werkstatt sowie die steuerlichen Veranlagungszeiträume mehrere Jahre vor dem Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung, sodass es wegen der gefahrenabwehrenden Intention des Verbotstatbestandes wohl eines weiteren inhaltlichen Bindegliedes zur Prägung von Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereines im Verbotszeitpunkt bedurft hätte.

119

d) Soweit die Kläger zuletzt vorgetragen haben, dass die Mitglieder A., J., V. und AH. im Januar bzw. September 2010 bzw. (V.) im Februar 2011 aus dem klägerischen Verein ausgeschieden seien, steht dies einer Zurechnung der den Verbotsgrund bereits für sich tragende Straftat Nr. 5 vom September 2009 nicht entgegen. Diese ist vor dem zuletzt vom Kläger vorgetragenen Datum des Ausscheidens von A. begangen worden; eine zeitnahe Distanzierung des Vereins war nicht erfolgt (s.o.). Was etwaige Vereinsaustritte oder -ausschlüsse nach April 2010 betrifft, so kann eine vereinsrechtliche Zuordnung strafgesetzwidriger Verhaltensweisen durch Ausscheiden aus dem Verein nach dem Zeitpunkt des Erlasses der Vereinsverbotsverfügung nicht mehr unterbrochen werden, weil sich in ihr keine Abkehr von einer zuvor geübten Unterstützung oder Verwirklichung strafgesetzwidriger Zwecke oder Tätigkeiten dokumentiert. Nach Verbot und Auflösung eines Vereins besteht dieser lediglich beschränkt auf den Zweck der Rechtsverteidigung gegenüber dem Verbot fort. Für eine weitere Tätigkeit und somit auch für deren Befürwortung oder Ablehnung seitens der Mitglieder ist daher kein Raum mehr (s.o.). Hierin liegt nicht etwa eine unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit bedenkliche Beschneidung von Dispositionsbefugnissen des klägerischen Vereins, sondern eine an der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Rechtsfolge der Auflösung eines verbotenen Vereins orientierte, der Gefahrenabwehr dienende Rechtsfolge. Im Übrigen fehlt es an glaubhaften Darlegungen, dass die Vereinsaustritte bzw. -ausschlüsse tatsächlich bereits zu den vorgetragenen Zeitpunkten erfolgt sind. Ein gewichtiges Gegenindiz liegt darin, dass die Vereinsmitglieder A. und J. noch am 05. Mai 2010 gemeinsam mit allen anderen Vereinsmitgliedern eine schriftliche Vollmacht zur Klageerhebung im vorliegenden Verfahren ausgestellt haben und in der Klagebegründung als Mitglieder bezeichnet worden sind, das Vereinsmitglied J. darüber hinaus auch den derzeitigen klägerischen Anwalt mit schriftlicher Vollmacht vom 26. März 2012 mandatiert hat.

120

3. Dagegen erweist sich die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung, dass sich der klägerische Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, als nicht hinreichend tragfähig und damit rechtswidrig. Sie ist demzufolge aufzuheben.

121

a) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sonder eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt (BVerwG, std. Rspr., vgl. Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 13 f.; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, NVwZ-RR 2009, 803; Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwG 134, 275 f., Juris Rn. 44 f; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986). Auch das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland gehört zu der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, welche eine der Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002, a.a.O., Juris Rn. 37). Ein durch eine eigene Ordnung mit Maßnahmen der Gewaltausübung zu deren Sicherung verbundener Herrschaftsanspruch, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entgegengesetzt wird, kann eine kämpferisch-aggressive Weise der Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen, wenn etwa systematisch die Legitimität der verfassungsmäßigen Ordnung bestritten wird und Anhänger der eigenen propagierten Ordnung geschult, indoktriniert und zu Verfassungsfeinden herangezogen werden (vgl. ebd., Rn. 42).

122

In der Verbotsverfügung wie auch ergänzend durch den Vortrag des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Erfüllung dieses Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Wesentlichen mit einer Auffassung des klägerischen Vereins begründet worden, zur Durchsetzung seiner Zielen legitimerweise Gewalt anwenden zu dürfen und das staatliche Gewaltmonopol zu durchbrechen, weiterhin mit der gegen den Menschenwürdegrundsatz verstoßenden „Abstrafung“ von Abweichlern gegenüber dem Herrschaftsanspruch des Vereins sowie, nunmehr als nachrangig bezeichnet, mit dem System einer Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder im Rahmen des sog. „Defense Fund“. Staatliche Sanktionen würden dadurch abgemildert und dem Gewaltmonopol des Staates eine Absage erteilt. Der klägerische Verein habe den Anspruch, partielle eine eigene, an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung tretende Ordnung zu entfalten und durchzusetzen.

123

Für das Vorliegen des zusätzlichen Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung trägt der Beklagte die materielle Beweislast.

124

Die aus den zum Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit als tragend bzw. ergänzend angeführten strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder des Klägers, welche ihm zuzurechnen sind, belegen zwar eine Bereitschaft, Vereinsziele erforderlichenfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Eine kämpferisch-aggressive Verfolgung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteter Ziele liegt in diesen konkret beim Kläger festgestellten Verhaltensweisen jedoch nach Auffassung des Senats noch nicht. Die für den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung unerlässliche Komponente einer aktiven Bekämpfung muss sich nämlich gerade gegen die für staatliche Strukturen grundlegende Prinzipien richten. Sie liegt nicht bereits vor, wenn eine Gewaltbereitschaft gegenüber anderen privaten Personen oder Gruppierungen festgestellt wird. Andernfalls wären weite Teile der organisierten Gewaltkriminalität deckungsgleich mit Bestrebungen, die sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solch weites Verständnis des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist aus Sicht des Senates weder gerechtfertigt noch notwendig, da die in einer Gewaltanwendung liegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bereits durch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit abgedeckt wird. Vielmehr bestehen für die Feststellung des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG hohe Hürden, die über die reine Strafrechtswidrigkeit eines Vereins hinausgehen. Zu einem im Sinne der angegriffenen Verbotsverfügung weit greifenden Verständnis dieses Verbotsgrundes veranlasst auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot des sog. „Kalifatstaates“, im Rahmen derer fachgerichtlich eine kämpferisch-aggressive Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele bejaht worden und dieses vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben war (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 02.10.2003 - 1 BvR 536/03 -, BVerfGK 2, 22, Juris Rn. 22 f.). Der in diesem Einzelfall festgestellte Anspruch des verbotenen Vereins, legitimerweise Gewalt anstelle einer staatlichen Ordnung ausüben zu dürfen, wurde höchstrichterlich auf dem Hintergrund eines betonten Selbstverständnisses des Vereins „Kalifatstaat“ gewürdigt, einen Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) unter gänzlicher Verdrängung der staatlichen Herrschaftsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland und anderen betroffenen Staaten existiert, zu errichten. Ein ähnlich weit reichender Anspruch, der mit der verfassungsmäßigen Ordnung notwendigerweise kollidiert, ist für den Kläger im vorliegenden Verfahren weder aus der Verbotsverfügung und dem sie verteidigenden Beklagtenvortrag noch aus den sonstigen beigezogenen Vorgängen ersichtlich. Der Kläger und seine Mitglieder haben vielmehr beansprucht, Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Vereinigungen oder Einzelpersonen auch mit Gewalt zu führen, während sie in Bezug auf die staatliche Gewalt im Wesentlichen eine Verweigerungshaltung in Bezug auf Aussagen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entfaltet haben. Selbst aus der in einzelnen Strafverfahren festgestellten oder vermuteten Beeinflussung bzw. Einschüchterung von Zeugen lässt sich ein Herrschaftsanspruch, der die rechtsstaatliche Ordnung in maßgeblicher Weise ersetzen und damit die Verfassung aktiv-kämpferisch beseitigen wollte, noch nicht ableiten.

125

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Beteiligung oder Nutzung eines sog. „Defense Fund“ der „Hells Angels“ durch den klägerischen Verein. Der Vortrag des Beklagten hierzu ist vage und unkonkret geblieben und beruht auf allgemeinen Kenntnissen über die weltweite „Hells Angels“-Bewegung, die auch den Beklagten jedoch bislang nicht zu einem flächendeckenden Verbot der in seinem Zuständigkeitsbereich angesiedelten Charter veranlasst haben. Eine konkrete Verstrickung der Mitglieder des Klägers und des Vereins insgesamt in das allgemein vom Beklagten als existent dargelegten System der Unterstützung straffällig gewordener „Hells Angels“-Mitglieder und ihrer Angehörigen ist weder nachgewiesen, noch haben sich in den Ermittlungsvorgängen oder aus dem Verwaltungsvorgang des Beklagten Hinweise hierzu ergeben. Der Kläger hat eine Beteiligung seiner Mitglieder an einem „Defense Fund“, die Einzahlung und den Erhalt von Leistungen in bzw. aus ihm ebenso bestritten wie Berührungspunkte zu den nach Vortrag des Beklagten in Gefängnissen bestehenden Gruppierungen der „Big House Crew“.

126

Es kann im vorliegenden Vereinsverbotsverfahren dahinstehen, ob eine Unterstützung des bzw. aus dem Betrieb eines „Defense Fund“ so, wie ihn der Beklagte geschildert hat, als Beleg für ein Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung ausreichen würde, was eher zweifelhaft erscheint, oder ob es sich um eine unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Verbotsgründe noch hinzunehmende Form der Unterstützung straffälliger Vereinsmitglieder handeln würde. Auch wenn ein Nachweis der Teilnahme am System eines „Defense Fund“ bei klandestin agierenden Gruppierungen und zumeist mit Bargeld abgewickelten Zahlungsvorgängen schwer zu erbringen sein wird, kann eine Unterstützung auch vereinsrechtlich nicht ohne jeglichen ersichtlichen konkreten Bezug zu einem solchen Solidaritätssystem unterstellt werden.

127

b) Der mangelnde Nachweis hinreichender Tatsachen, die für die Verwirklichung des Verbotsgrundes nach Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG sprechen, führt zur insoweit bestehenden Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung und damit zur Teilaufhebung des Bescheides im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage. Zwar wird das Vereinsverbot in hinreichender Weise durch die Verwirklichung des in dieser Vorschrift erstgenannten Verbotsgrundes der Strafrechtswidrigkeit getragen. Der Beklagte hat die Feststellung der Verwirklichung des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung jedoch eigenständig der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers in Ziffer 1 der Verbotsverfügung zur Seite gestellt. Die ausdrückliche Feststellung des im konkreten Fall nach Auffassung der Verbotsbehörde einschlägigen Verbotsgrundes gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG im verfügenden Teil des Verbots verlangt auch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Wirksamkeitsvoraussetzung für ein auf einen oder mehrere dieser Gründe zu stützendes Verbot dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978 - I A 3.76 -, BVerwGE 55, 175, Juris Rn. 37 f.; Urt. v. 28.02.1978 - I A 9.72 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 2, Juris Rn. 49; Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, Baden-Baden 1999, S. 110). Die Feststellung des Verbotsgrundes ist als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der Vereinigungsfreiheit für das Verbot konstitutiv (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, Juris Rn. 25). Das Erfordernis der besonderen Feststellung des Verbotsgrundes oder der Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG beruht darauf, dass die rechtlichen Folgen einer Tätigkeit im Rahmen einer verbotenen Vereinigung je nach dem durch die zuständige Behörde festgestellten Verbotsgrund verschieden sind. Die gegenüber der allgemeinen Strafnorm des § 20 VereinsG bestehenden Strafverschärfungen der §§ 85, 86 und 86 a StGB für die Fortführung und weitere Unterstützung bzw. Bewerbung einer verbotenen Vereinigung hängen davon ab, ob die strafbare Tätigkeit eine Vereinigung betrifft, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die an die Feststellung des Verbotsgrundes gebundenen Strafgerichte müssen aus dem verfügenden Teil der Verbotsverfügung eindeutig ersehen können, ob die Vereinigung aus einem strafrechtlich als Qualifizierungsgrund zu bewertenden Verbotsgrund verboten worden ist (vgl. auch Grundmann, a.a.O. S. 110). Jedenfalls auch diesem Zweck dient im Übrigen die auf den verfügenden Teil beschränkte Bekanntmachung des Verbots gem. §§ 3 Abs. 4, 7 Abs. 1 VereinsG bei Erlass und erneut nach Unanfechtbarkeit des Verbots durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger und dem amtlichen Mitteilungsblatt des Landes (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978, a.a.O., Juris Rn. 40). Die Feststellung des konkreten Verbotsgrundes ist besonders bedeutsam in den Fällen, in denen die Behörde mehrere Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG angenommen hat, sich aber bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung ergibt, dass nicht alle diese Gründe vorliegen. Insbesondere in diesen Fällen muss durch die abschließende Bekanntmachung des verfügenden Teils des Vereinsverbots nach § 7 Abs. 1 VereinsG mit allseitiger Verbindlichkeit festgestellt werden, aus welchem Verbotsgrund oder welchen Verbotsgründen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der Verein verboten ist (ebd.).

128

Daraus folgt, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Verbotsverfügung die Frage des Vorliegens eines Verbotsgrundes, welcher (straf-)rechtlich qualifizierende Rechtsfolgen auslösen kann, selbst dann nicht offen lassen kann, wenn es bereits festgestellt hat, dass ein anderer das Verbot mit der Folge der Auflösung des Vereins, der Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen, Forderungen und Sachen als solches vollumfänglich tragender Grund vorliegt (vgl. dagegen zum Offenbleiben der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, a.a.O., Juris Rn. 12; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, a.a.O., Juris Rn. 41 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes); Urt. v. 03.12.2004 - 6 A 10/02 -, NVwZ 2005, 1435, Juris Rn. 84; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O. Juris Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 OVG 1 A 4.09 -, NVwZ-RR 2010, 886, Juris Rn. 29; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06.52, Juris Rn. 37; dagegen das Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung bzw. den Gedanken der Völkerverständigung offen lassend: BVerwG, Beschl. v. 25.08.2009 - 6 VR 2/08 -, a.a.O. Juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.06.1997 - 1 S 1377/96 -, AuAS 1998, 19, Juris Rn. 25, 27). Ein solcher qualifizierender Verbotsgrund ist in jedem Falle das hier von dem Beklagten festgestellte Sich-Richten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

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Die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung ist inhaltlich von den sonstigen Verfügungspunkten auch abtrennbar und somit gesondert aufhebbar (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 158 ff.). Es handelt sich hierbei um einen besonderen Verbotsgrund, der eigenständig durch in der Rechtsprechung ausgeformte Voraussetzungen ausgefüllt ist, nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem vorangestellten Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins steht und das Verbot auch im Falle einer Aufhebung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im weiteren Verlauf des Verbotsverfahrens tragen könnte.

130

4. Das durch die Strafgesetzwidrigkeit getragene Vereinsverbot erwiese sich auch als rechtmäßig, wenn die in Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG einzig vorgesehene grundrechtseinschränkende Maßnahme des Verbots und der Auflösung wegen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als „ultima ratio“ lediglich dann angewendet werden dürfte, wenn mildere Mittel wie partielle Betätigungsverbote, Warnungen oder die Anwendung von Straftatbeständen nicht in Betracht kämen bzw. ausgeschöpft wären (str., vgl. zum Meinungsstand Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 184 ff.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GGK, a.a.O., Art. 9 Rn. 46; Scholz, in : Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Januar 2012, Art. 9 Rn. 114, 134; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 60). Solche Mittel wären hier angesichts der Dichte der strafrechtlichen Verfehlungen mit Vereinsbezug und der Massivität des Geschehens am 12. September 2009 nicht ausreichend, um der Gefahr für Leib und Leben Dritter durch ein Fortbestehen der Vereinigung zu begegnen. Strafrechtliche Mittel sind von den Ermittlungsbehörden gegenüber Mitgliedern des Klägers hinreichend ausgeschöpft worden.

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Die Bedenken gegenüber einer eigenständig vom Beklagten als Verbotsbehörde vorgenommenen Prüfung des Vorliegens der Verbotsvoraussetzungen, wie sie der Kläger zuletzt erhoben hat, teilt der Senat nicht. Vielmehr bietet § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG die Grundlage dafür, dass die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen kann, wie dies vorliegend etwa durch Einbindung der im Landeskriminalamt bestehenden, über besondere Sachkunde auf dem Gebiet der sog. Rockerkriminalität verfügenden Ermittlungsstäbe sowie durch Übermittlung von Informationen seitens der Staatsanwaltschaften geschehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die dortigen Erkenntnisse vom Beklagten unreflektiert und unbewertet übernommen worden wären, sind nicht ersichtlich. Angesichts der ausführlichen und tragfähigen, einzelfallbezogenen Begründung für den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im Verbotsbescheid bestünden Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit insoweit auch nicht wegen einer etwaigen länderübergreifenden Strategie der Innenminister zum Umgang mit sog. Rockergruppen. Das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichte Strategiepapier einer Bund-Länger-Projektgruppe „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität - Rahmenkonzeption“ datiert im Übrigen vom Oktober 2010, also nach Erlass der hier streitgegenständlichen Verbotsverfügung; es verweist in seinem Kapitel über Vereinsverbote ausdrücklich auf die im Einzelfall vorzunehmenden Prüfungen

132

Schließlich bestehen auch gegen die mit der Durchführung des Verbotsverfahrens verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Beklagten - auch soweit sie eine Übermittlung bzw. Nutzung von Daten aus Strafverfahren und von Daten betreffen, die von Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben und gespeichert worden sind - keine Bedenken, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots auswirken könnten. Zutreffend ist, dass das Vereinsgesetz selbst keine bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen für eine derartige Datenverarbeitung enthält (vgl. dazu auch Grundmann, a.a.O., S. 68). Der durch § 1 Abs. 1 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden für das öffentliche Vereinsrecht für das Verbot zuständig erklärte Beklagte kann sich als Behörde der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Abs. 2 VereinsG: „...zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit ...“) jedoch auf die Rechtsgrundlagen der §§ 177 ff. LVwG, insbesondere die Erhebungsgrundlagen der §§ 177, Abs. 1, 178 Abs. 1 Satz 2, 179 Abs. 1 Nr. 1 LVwG und die Speicherungs- und Nutzungsgrundlage des § 188 Abs. 1 LVwG, stützen. Soweit die Daten aus Strafverfahren durch gemäß § 4 Abs. 1 VereinsG zulässigerweise im Rahmen der vereinsrechtlichen Ermittlungen mit in Anspruch genommene Polizeibehörden ausgewertet und an den Beklagten als Vereinsverbotsbehörde weitergeleitet worden sind, liegen die Voraussetzung einer Datenübermittlung und -verwendung aus dem auf das LVwG als Polizeigesetz verweisenden § 481 StPO vor, wobei der Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Organisation der Polizei in Schleswig-Holstein (POG) v. 12. November 2004 (GVOBl. Schl.-H. S. 408) eine Behörde der Polizei und Landespolizei- sowie Landeskriminalamt gemäß §§ 2, 3 POG zugeordnete Ämter beim Beklagten sind. Bedenken im Hinblick auf die bereichsspezifische, präzise und normenklare Festlegung der Voraussetzungen eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, Juris Rn. 93 ff.) der Mitglieder des Klägers (unabhängig davon, ob sie im Verfahren des klägerischen Vereins überhaupt zu überprüfen sind) bestehen im Ergebnis nicht. Es handelt sich um einen auf Grundlage der genannten Normen auch für die Betroffenen überschaubaren Datenverarbeitungsvorgang, dessen Anlass, Gegenstand, Zwecksetzung und Kreis der berechtigten Behörden jedenfalls hinsichtlich der Verwendung von Daten aus Strafverfahren und aus präventiv-polizeilichen Datensammlungen hinreichend präzise festgelegt ist. Im Übrigen wäre, selbst wenn nach verfassungsrechtlichen Maßstäben eine präzisere gesetzliche Festlegung der Datenverarbeitungsbefugnisse im Zusammenhang mit dem Erlass von Vereinsverboten erforderlich wäre, vorliegend kein Verwertungsverbot der vom Beklagten im Einklang mit dem Gesetzeszweck des Vereinsgesetzes erlangten personenbezogenen Informationen aus Strafverfahren und Datensammlungen zur Gefahrenabwehr anzunehmen. Ein ausnahmsloses Beweisverwertungsverbot im Falle einer unzulässigen Datenverarbeitung lässt sich der Rechtsordnung weder allgemein noch im Bezug auf besonders tief in die Rechte Betroffener eingreifende Bereiche staatlichen Handelns entnehmen. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt für den Bereich des Strafprozesses festgestellt, dass von Verfassungs wegen kein allgemeines Verwertungsgebot rechtsfehlerhaft gewonnener Beweise besteht, vielmehr ein Beweisverwertungsgebot angesichts des ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten Belanges funktionstüchtiger Strafrechtspflege eine begründungsbedürftige Ausnahme darstellt, für die eine gesetzliche Grundlage gegeben oder ein übergeordneter wichtiger Grund anzuerkennen sein muss. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus Grundrechten ist nur in Fällen des Eingriffs in den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung anerkannt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.11.2010 - 2 BvR 2101/09 -, EuGRZ 2010, 780, Juris Rn. 43 ff.; Beschl. v. 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08 -, NJW 2010, 287, Juris Rn. 7 m.w.N.). Auf den vorliegenden Regelungszusammenhang übertragen ist zu berücksichtigen, dass § 3 Vereinsgesetz eine bereits verfassungsrechtlich vorgesehene Schranke der Vereinigungsfreiheit lediglich konkretisiert. Eine Nichtverwertung von zu Zwecken der Strafverfolgung und damit inhaltlich mit dem Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins gleichgerichteten Zwecken sowie zu Zwecken der Gefahrenabwehr gewonnenen Daten stünde mithin der Umsetzung eines bereits aus Verfassungsrecht abzuleitenden Vereinsverbots im Wege und wäre daher ähnlich wie im Strafprozessrecht ebenfalls aus übergeordneten Gesichtspunkten begründungsbedürftig, welche hier nicht ersichtlich sind.

133

5. Nachdem die in Ziffer 1 der Verbotsverfügung enthaltene Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, sich als rechtmäßig erweist, sind auch die weiteren Regelungen in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffern 2 bis 5 rechtmäßig und die Klage insoweit unbegründet. Die in Ziffer 2 verfügte Auflösung des Vereines stützt sich auf die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Untersagung jeder Vereinstätigkeit folgt unmittelbar aus dem Verbot und der Auflösung des Vereins. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Bildung von Ersatzorganisationen in Ziffer 3 des Bescheides sowie der Verbreitung und öffentlichen oder in einer Versammlung durchgeführten Verwendung seiner Kennzeichen sind die §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VereinsG. Die in Ziffer 4 der Verbotsverfügung angeordnete Vermögensbeschlagnahme und -einziehung stützt sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG, wobei ein Ausnahmefall zur gesetzlich vorgesehenen Regel nicht vorliegt. Die in Ziffer 5 der Verfügung angeordnete Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch ihre Überlassung an den Verein dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeit vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung diese Zwecke und Tätigkeit bestimmt sind, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Soweit die hinsichtlich der Ziffern 2 bis 5 bestehenden Rechtsgrundlagen als tatbestandliche Voraussetzung auf „verfassungswidrige Bestrebungen“ des Vereins verweisen, sind damit - anders als es die Ähnlichkeit dieses Tatbestandsmerkmales zum Wortlaut des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nahelegen könnte - sämtliche in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten Verbotsgründe abgedeckt. Dies folgt zum einen aus dem besonderen Hinweis auf Art. 9 Abs. 2 GG, der in § 8 Abs. 1 VereinsG enthalten ist und damit (allerdings in sprachlich wenig stringenter Form) auf eine tatbestandliche Öffnung über die verfassungsmäßige Ordnung im engeren Sinne hinaus auch für die beiden in Art. 9 Abs. 2 GG bereits genannten weiteren Verbotsgründe verweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.09.1995 - 1 VR 2.95 -, NVwZ 1997, 68 f. Juris Rn. 18). Zum anderen findet sich ein maßgeblicher Hinweis auf eine erweiternde Auslegung der Rechtsgrundlagen für die genannten Folgerungen eines Vereinsverbotes in der Entwurfsbegründung zum Vereinsgesetz, wo es heißt: „ Unter „verfassungswidrigen“ Bestrebungen im Sinne des § 8 Abs. 1 sind, wie aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen zu verstehen.“ (BT-Dr. IV/430, S. 18). Im Übrigen ließe sich auch kein inhaltlich tragfähiger Gesichtspunkt für eine Differenzierung zwischen den drei Verbotsgründen im Hinblick auf die Möglichkeit der Einziehung von Sachen Dritter, des Verbots der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Einziehung von Forderungen Dritter (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), wo der Begriff der verfassungswidrigen Bestrebungen ebenfalls verwendet wird, denken. So ist es Sinn des Verbotes der Bildung von Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG, die Schaffung eines funktionellen Ersatzes für die von der Verfassung als gefährlich und daher verboten erkannten Bestrebungen zu unterbinden (vgl. nur Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, a.a.O. S. 157 f.). Außerdem hat der Gesetzgeber in den entsprechenden Regelungen, die verfassungswidrige Bestrebungen nennen, gerade nicht ausdrücklich den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgegriffen, sondern hat ersichtlich versucht, einen übergreifenden Begriff für verbotsbegründende „Zwecke“, „Tätigkeit“ und „Sich-Richten“ zu finden. Im Ergebnis besteht daher auch in der Literatur (vgl. Grundmann, a.a.O.; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O. S. 196 Rn. 791; zur Gleichsetzung des Verbotsgründe in Art. 8 Abs. 2 GG vergleich auch Planker,Das Vereinsverbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG/§ 3 ff. Vereinsgesetz, Bonn 1994, S. 118) und in der Rechtsprechung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2012 - 1 S 2823/11 -, Juris Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89.83 -, BVerwGE 80, 299 f. Juris Rn. 82) Einigkeit, dass die Rechtsgrundlagen der §§ 3 Satz 2, 8 bis 12 Vereinsgesetz auf sämtliche verboten Vereine angewandt werden können, ganz gleich, welcher der drei Verbotsgründe vorliegt.

134

Die Klage war daher im tenorierten Umfang abzuweisen.

135

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat hat das Unterliegen des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung des Sich- Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung mit 1/4 der anfallenden Kosten bemessen, da die weiteren Rechtsfolgen des Vereinsverbotes selbstständig durch den tragfähigen Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des klägerischen Vereins begründet werden.

136

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

137

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 132 Abs. 2 VwGO hierfür nicht vorliegen.


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Die Verbotsbehörde kann für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen. Ermittlungsersuchen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sind an die zuständige oberste Landesbehörde zu richten.

(2) Hält die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine richterliche Vernehmung von Zeugen, eine Beschlagnahme von Beweismitteln oder eine Durchsuchung für erforderlich, so stellt sie ihre Anträge bei dem Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk die Handlung vorzunehmen ist. Die richterlichen Anordnungen oder Maßnahmen trifft der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Gerichts.

(3) Für die richterliche Vernehmung von Zeugen gilt § 98 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.

(4) Für die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, gelten die §§ 94 bis 97, 98 Abs. 4 sowie die §§ 99 bis 101 der Strafprozeßordnung entsprechend. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß eine Durchsuchung zur Auffindung solcher Beweismittel führen werde, so kann die Durchsuchung der Räume des Vereins sowie der Räume, der Sachen und der Person eines Mitglieds oder Hintermannes des Vereins angeordnet werden. Bei anderen Personen ist die Durchsuchung nur zur Beschlagnahme bestimmter Beweismittel und nur dann zulässig, wenn Tatsachen darauf schließen lassen, daß sich die gesuchte Sache in ihrem Gewahrsam befindet. Die §§ 104, 105 Abs. 2 bis 4, §§ 106 bis 110 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

(5) Bei Gefahr im Verzug kann auch die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine Beschlagnahme, mit Ausnahme der Beschlagnahme nach § 99 der Strafprozeßordnung, oder eine Durchsuchung anordnen. Die Vorschriften des Absatzes 4 sowie § 98 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

(1) Die Beschlagnahme (§ 3 Abs. 1 Satz 2) hat die Wirkung eines Veräußerungsverbots. Rechtsgeschäfte, die gegen das Veräußerungsverbot verstoßen, sind nichtig, es sei denn, daß der andere Teil weder wußte noch wissen mußte, daß der Gegenstand, auf den sich das Rechtsgeschäft bezieht, der Beschlagnahme unterliegt. Die Beschlagnahme erfaßt auch die Gegenstände, die der Verein einem Dritten zu treuen Händen übertragen hat oder die ein Dritter als Treuhänder für den Verein erworben hat. In den Fällen des Satzes 3 sind die Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, entsprechend anzuwenden.

(2) Auf Grund der Beschlagnahme können Sachen im Gewahrsam des Vereins und auf Grund besonderer Anordnung Sachen im Gewahrsam Dritter sichergestellt werden. Soweit es der Zweck der Sicherstellung erfordert, dürfen auch Räume betreten sowie verschlossene Türen und Behältnisse geöffnet werden. Die Anwendung unmittelbaren Zwanges ist ohne vorherige Androhung oder Fristsetzung zulässig, wenn sonst die Sicherstellung gefährdet wäre. Werden von der Beschlagnahme Gegenstände im Sinne des § 99 der Strafprozeßordnung erfaßt, gelten für die Sicherstellung die §§ 99, 100 und 101 Abs. 3 bis 8 der Strafprozeßordnung entsprechend. Maßnahmen nach Satz 4 und die Durchsuchung von Wohnungen ordnet nur das Verwaltungsgericht an, in dessen Bezirk die Handlungen vorzunehmen sind. Anordnungen nach Satz 5 trifft der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Gerichts.

(3) Die Verbotsbehörde kann für das beschlagnahmte Vermögen Verwalter bestellen und abberufen. Die Verwalter unterliegen den Weisungen der Verbotsbehörde.

(4) Die Vorstandsmitglieder sind verpflichtet, Auskunft über den Bestand und Verbleib des Vereinsvermögens zu geben. Auf Verlangen der Verbotsbehörde haben sie ein Verzeichnis des Bestandes vorzulegen und zu beeiden. Der Eid ist mit dem in § 260 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Inhalt auf Ersuchen der Verbotsbehörde vor dem für den Wohnsitz des Eidespflichtigen zuständigen Amtsgericht zu leisten.

(5) Die Aufhebung der Beschlagnahme sowie der Aufschub und die Wiederherstellung ihrer Vollziehbarkeit haben keine rückwirkende Kraft.

(1) Die Einziehung (§ 3 Abs. 1 Satz 2) wird im Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 1 zugunsten des Landes, im Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 2 zugunsten des Bundes angeordnet. Die Einziehung erfaßt auch die Gegenstände, auf die sich nach § 10 Abs. 1 Satz 3 die Beschlagnahme erstreckt, mit Ausnahme der vom Verein einem Dritten zur Sicherung übertragenen Gegenstände.

(2) Mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verbots und der Einziehungsanordnung erwirbt der Einziehungsbegünstigte das Vereinsvermögen und die nach Absatz 1 Satz 2 eingezogenen Gegenstände als besondere Vermögensmasse. Gegenstände, die einer Teilorganisation in der Rechtsform eines Vereins, einer Gesellschaft oder einer Stiftung gehört haben, bilden eine eigene Vermögensmasse. Der Verein und die von der Einziehung betroffenen Teilorganisationen erlöschen. Ihre Rechtsverhältnisse sind im Einziehungsverfahren abzuwickeln.

(3) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat als Verbotsbehörde kann mit der Durchführung der Einziehung und mit der Abwicklung (§ 13) das Bundesverwaltungsamt oder eine andere Bundesbehörde beauftragen (Einziehungsbehörde). § 10 Abs. 3 gilt entsprechend. Die Beauftragung ist im Bundesanzeiger und in dem in § 3 Abs. 4 Satz 2 genannten Mitteilungsblatt zu veröffentlichen.

(4) Die Verbotsbehörde kann von der Einziehung absehen, wenn keine Gefahr besteht, daß Vermögenswerte des Vereins von neuem zur Förderung von Handlungen oder Bestrebungen der in Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes genannten Art verwendet werden oder daß die Vermögensauseinandersetzung dazu mißbraucht wird, den organisatorischen Zusammenhalt des Vereins aufrechtzuerhalten, ferner, soweit es sich um Gegenstände von unerheblichem Wert handelt. Die Verbotsbehörde kann die Liquidatoren bestellen. § 12 Abs. 1 Satz 1 gilt sinngemäß für den Anspruch auf den Liquidationserlös.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

(1) Gerichte, Staatsanwaltschaften und andere Justizbehörden erhalten Akteneinsicht, wenn dies für Zwecke der Rechtspflege erforderlich ist.

(2) Im Übrigen sind Auskünfte aus Akten an öffentliche Stellen zulässig, soweit

1.
die Auskünfte zur Feststellung, Durchsetzung oder zur Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Straftat erforderlich sind,
2.
diesen Stellen in sonstigen Fällen auf Grund einer besonderen Vorschrift von Amts wegen personenbezogene Daten aus Strafverfahren übermittelt werden dürfen oder soweit nach einer Übermittlung von Amts wegen die Übermittlung weiterer personenbezogener Daten zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist oder
3.
die Auskünfte zur Vorbereitung von Maßnahmen erforderlich sind, nach deren Erlass auf Grund einer besonderen Vorschrift von Amts wegen personenbezogene Daten aus Strafverfahren an diese Stellen übermittelt werden dürfen.
Die Erteilung von Auskünften an die Nachrichtendienste richtet sich nach § 18 des Bundesverfassungsschutzgesetzes, § 12 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes, § 10 des MAD-Gesetzes und § 10 des BND-Gesetzes sowie den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften.

(3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 kann Akteneinsicht gewährt werden, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde oder die Akteneinsicht begehrende Stelle unter Angabe von Gründen erklärt, dass die Erteilung einer Auskunft zur Erfüllung ihrer Aufgabe nicht ausreichen würde.

(4) Unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 3 können amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigt werden.

(5) Akten, die noch in Papierform vorliegen, können in den Fällen der Absätze 1 und 3 zur Einsichtnahme übersandt werden.

(6) Landesgesetzliche Regelungen, die parlamentarischen Ausschüssen ein Recht auf Akteneinsicht einräumen, bleiben unberührt.

(1) Die Verbotsbehörde kann für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen. Ermittlungsersuchen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sind an die zuständige oberste Landesbehörde zu richten.

(2) Hält die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine richterliche Vernehmung von Zeugen, eine Beschlagnahme von Beweismitteln oder eine Durchsuchung für erforderlich, so stellt sie ihre Anträge bei dem Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk die Handlung vorzunehmen ist. Die richterlichen Anordnungen oder Maßnahmen trifft der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Gerichts.

(3) Für die richterliche Vernehmung von Zeugen gilt § 98 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.

(4) Für die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, gelten die §§ 94 bis 97, 98 Abs. 4 sowie die §§ 99 bis 101 der Strafprozeßordnung entsprechend. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß eine Durchsuchung zur Auffindung solcher Beweismittel führen werde, so kann die Durchsuchung der Räume des Vereins sowie der Räume, der Sachen und der Person eines Mitglieds oder Hintermannes des Vereins angeordnet werden. Bei anderen Personen ist die Durchsuchung nur zur Beschlagnahme bestimmter Beweismittel und nur dann zulässig, wenn Tatsachen darauf schließen lassen, daß sich die gesuchte Sache in ihrem Gewahrsam befindet. Die §§ 104, 105 Abs. 2 bis 4, §§ 106 bis 110 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

(5) Bei Gefahr im Verzug kann auch die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine Beschlagnahme, mit Ausnahme der Beschlagnahme nach § 99 der Strafprozeßordnung, oder eine Durchsuchung anordnen. Die Vorschriften des Absatzes 4 sowie § 98 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Hells Angels MC Charter Flensburg“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Flensburg. Mit der vorliegenden Klage wendet er sich gegen das vom Innenminister des Landes Schleswig-Holstein ihm gegenüber im April 2010 ausgesprochene Vereinsverbot.

2

Der klägerische Verein ging im Jahre 2003 aus der Spaltung des langjährigen Motorradclubs „Satisfaction Grenz MC“ mit Sitz in A. bei N. in die Chapter „West-Coast“ (A.) und „East-Coast“ (Flensburg) hervor. Das Chapter „East-Coast“ erhielt im April 2006 den Status eines „Prospect-Charters“ innerhalb der „Hells Angels“-Bewegung und am 06. Juni 2008 den endgültigen Status als Ortsverein. Im April 2010 bestand der Kläger nach Informationen des Beklagten aus 12 Mitgliedern, nämlich A. als Präsidenten des Ortsvereins, D. als Vizepräsidenten, S. als Schatzmeister, G. als Sekretär, M. als für die Durchsetzung von Recht und Ordnung innerhalb des Vereins, für die Ausführung von Anordnungen des Präsidenten sowie für die Verwaltung des Clubeigentums zuständigem sog. „Sergeant at Arms“ und J. als für die Logistik der sog. „Runs“ zuständigem „Road Captain“.

3

Eine geschriebene Vereinssatzung des Flensburger Ortsvereins (Chapters) ist nicht bekannt.

4

Der Beklagte stellte nach Einholung des mit Schreiben vom 20. April 2010 erteilten Benehmens des Bundesministeriums des Innern mit an den Kläger - zu Händen der namentlich genannten 12 Vereinsmitglieder - gerichteter Verfügung vom 21. April 2010 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Verein wurde verboten und aufgelöst. Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurden untersagt. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Der Bescheid wurde mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens für sofort vollziehbar erklärt.

5

Die Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen, begründete der Beklagte wie folgt:

6

Die Zweckbestimmung des Vereins sei neben dem gemeinsamen Motorradfahren auch eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisationen der „Bandidos“ und deren Supporterclubs in Schleswig-Holstein. Zum Beleg führte der Beklagte mehrere Straftaten an, deren Verfolgung sich überwiegend im Stadium staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren befinde (der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren bekannte Verfahrensstand wird jeweils nachfolgend wiedergegeben):

7

1. Strafverfahren gegen D. wegen Körperverletzung durch Zubodenschlagen eines Mannes bei einem Straßenfest in Leck im September 2008. - Dieses Strafverfahren wurde am 02. September 2009 vom Amtsgericht G-Stadt gemäß § 153 a Abs. 2 StPO nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt.

8

2. Versuchte räuberische Erpressung und Verstoß gegen § 52 des Waffengesetzes durch A.: Dieser habe den Geschäftsführer eines Flensburger Tattoo-Ladens durch Versuch einer Schutzgelderpressung geschädigt. In der Wohnung des A. sei im Dezember 2007 eine Schusswaffe mit Patronen sichergestellt worden, für die er keine waffenrechtliche Erlaubnis besessen habe. - Wegen der versuchten räuberischen Erpressung im April 2006 sowie einer vorsätzlichen Körperverletzung aus dem Jahr 2007 wurde A. mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Wegen des bis Februar 2008 andauernden Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Dieses Verfahren wurde durch Urteil des Landgerichts Flensburg vom 08. Juni 2009 gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die vorgenannte Verurteilung vom 23. Januar 2008 eingestellt.

9

3. Verstoß gegen § 374 Abgabenordnung (Steuerhehlerei) durch J. wegen Besitzes von 50 Stangen unverzollter Zigaretten mit russischen Banderolen im Juni 2009 bei einer PKW-Kontrolle von J. und C. V.. Im Hinblick auf diese Tat wurde J. mit Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 03. Februar 2010 zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 15,-- Euro verurteilt.

10

4. Mitsichführen verbotener Waffen (Dreikantstoßdolche, sogenannte Delta-Darts) durch S., Y. und AH. im Dezember 2009 bei der Einreise in die Schweiz. - Die insoweit von der schweizerischen Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen die gemeinsam eingereisten genannten Personen sowie gegen AB. wegen Vergehens gegen das schweizerische Waffengesetz wurden mit Verfügung des Untersuchungsrichters des Kantons Schaffhausen vom 24. August 2010 wegen Geringfügigkeit eingestellt; die beschlagnahmten Dolche wurden eingezogen.

11

5. Strafverfahren gegen A. sowie gegen M., P., S., V. und AH. wegen versuchten gemeinschaftlichen Totschlages durch Rammen des Motorrades eines Mitglieds der „Bandidos Neumünster“ auf der BAB 7 am 12. September 2009, bei dem der Geschädigte lebensgefährlich verletzt wurde. - A. wurde wegen des Vorfalls mit seit dem 11. Januar 2012 rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Die Ermittlungsverfahren gegen die übrigen Tatverdächtigen wurden von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg bereits im Februar 2010 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts eingestellt.

12

6. Verdacht des Verstoßes gegen § 22 a des Kriegswaffenkontrollgesetzes durch A., V. und S. aufgrund des Fundes eines umfangreichen Waffenarsenals im November 2009, welches nach bisherigen Erkenntnissen dem Kläger zuzuordnen sei, bei einem Flensburger Gewerbetreibenden.- Das entsprechende Ermittlungsverfahren befindet sich noch im Stadium der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen; Anklage ist noch nicht erhoben.

13

7. Verdacht gegen S. wegen Hehlerei von bei einem Getränkegroßhandel in A-Stadt gestohlenen alkoholischen Getränken, die im Januar 2010 sichergestellt wurden, sowie Munitionsbesitz des S. im Januar 2010. - Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wurde S. wegen unerlaubten Munitionsbesitzes in dem vorgenannten sowie einem weiteren, Ende April 2010 festgestellten Fall zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt. Ein Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wegen Hehlerei von Getränken ist nicht bekannt.

14

8. Besitz verbotener Waffen - sogenannter Delta-Darts - durch M. und V. im Januar 2010. - Das Verfahren gegen V. wegen Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde am 15. Juli 2010 von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg nach § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen geringer Schuld eingestellt. Das entsprechende Verfahren gegen M. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 19. November 2010 gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld eingestellt.

15

9. Verfahren gegen Y. wegen mittelbarer Falschbeurkundung sowie gewerbsmäßiger Hehlerei durch Handel mit gestohlenen Motorradteilen und Veranlassung nicht ordnungsgemäßer TÜV-Gutachten für Abnahmen nach der Straßenverkehrsordnung. - Y. wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 27. Oktober 2011 wegen Steuerverkürzung zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro verurteilt. Ein Abschluss eines Ermittlungsverfahrens wegen mittelbarer Falschbeurkundung ist nicht bekannt.

16

Die angeführten Straftaten charakterisierten nach Einschätzung des Innenministeriums das von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen geprägte Vereinsleben, das tatsächliche Ziel des Vereins und den wirklichen Zweck der Vereinstätigkeit in prägender Weise. Die Taten seien durch den Kampf um Territorial- und Machtansprüche gekennzeichnet. Insbesondere Straftat Nr. 5 diene erkennbar der Selbstbehauptung des Vereins gegenüber einer konkurrierenden Organisation und zeichne sich durch die gemeinschaftliche Beteiligung einer relativ großen Anzahl von Vereinsmitgliedern und Funktionsträgern aus. Auch der Waffenfund der Straftat Nr. 6 sei nicht mehr einer einzelnen Person zuzuordnen, sondern weise aufgrund des paramilitärischen Charakters der Waffen bzw. des Sprengstoffes auf eine gemeinsam begangene Tat einer organisierten Gruppe hin. Eine Vielzahl der Taten sei nicht längerfristig geplant, sondern ergebe sich aus Situationen heraus, in denen nicht alle Mitglieder spontan vor Ort verfügbar seien. Die Tatsache, dass einige der Mitglieder aufgrund ihrer räumlichen Entfernung zum Stadtgebiet von Flensburg kaum oder nicht an Taten beteiligt gewesen seien, stehe einer Zurechnung der Straftaten zum Verein nicht entgegen. Der Verein begünstige auch strafbares Verhalten seiner Mitglieder, indem er diesen Rückhalt biete, die individuelle Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten abbaue und Anreiz zu neuen Taten wecke. So sei der Präsident A. weiterhin in seiner Position als Vereinspräsident belassen worden, obwohl gegen ihn wegen zahlreicher teilweise schwerer Straftaten ermittelt worden sei. Auch hierin liege ein Anknüpfungspunkt für die Zurechnung seiner Taten zum Verein. Weiterhin werde durch finanzielle und persönliche Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder der Begehung weiterer Straftaten Vorschub geleistet, indem negative Auswirkungen der strafrechtlichen Verfolgung gemildert würden. Entsprechend den sog. „Rules“ der „Hells Angels“-Vereinigung kämen auch die Mitglieder des Klägers in den Genuss von Leistungen des sog. „Defense Fund“, der bei Verbüßen einer Gefängnisstrafe für finanzielle Unterstützung der Vereinsmitglieder, ggf. auch ihrer Angehörigen, sorge. Eine Zurechnung des strafgesetzwidrigen Verhaltens einzelner Mitglieder zum Kläger könne auch aus der fehlenden Distanzierung des Vereins zu solchen Verhaltensweisen abgeleitet werden.

17

Die zahlreichen festgestellten Waffendelikte ergäben ein stereotyp festgestelltes Verhaltensmuster der durchgehenden Ausstattung der Mitglieder des Vereins mit Waffen, die sie zu einer ständigen Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft befähige. Die festgestellte ständige Nachrüstung mit Hieb- und Stichwaffen selbst nach polizeilichen Sicherstellungen sei auf dem Hintergrund des erklärten „Krieges“ zwischen den „Hells Angels“ und den „Bandidos“ zu sehen. Das im Rahmen der Straftat Nr. 6 aufgefundene Waffenlager ermögliche eine Komplettausstattung aller Vereinsmitglieder und darüber hinaus auch von Supportern.

18

Soweit das Vereinsverbot darauf gestützt wurde, dass sich Zwecke und Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, verwies der Beklagten auf die Unterstützungsleistungen des sog. „Defense Fund“ an straffällige Mitglieder, welche eine eigene Rechtsordnung unter Inkaufnahme strafrechtlicher Verstöße und damit eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates beinhalteten.

19

Das Vereinsverbot sei verhältnismäßig, weil es die organisierte strafgesetzwidrige Tätigkeit des Klägers im Rahmen der anhaltenden Auseinandersetzungen mit den verfeindeten „Bandidos“ in Schleswig-Holstein unterbinden solle. Hierfür reiche es nicht mehr aus, nur einzelne Mitglieder oder Funktionsträger des Vereins strafrechtlich zu belangen. Auch ein bloßes Betätigungsverbot bei gleichzeitigem Fortbestehen des Vereins wäre zur Wahrung der Rechtsordnung nicht ausreichend, da der Verein die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit grob missachte.

20

Der Kläger hat am 28. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben. Diese wird wie folgt begründet:

21

Der Bescheid sei schon aus formellen Gründen rechtswidrig, weil die nach § 87 LVwG gebotene Anhörung des Betroffenen vor seinem Erlass nicht erfolgt sei. Eine Eil- oder Geheimhaltungsbedürftigkeit, die einen Verzicht auf eine Anhörung hätte rechtfertigen können, sei nicht gegeben.

22

Der Beklagte habe die aus § 4 VereinsG folgende Handlungsanweisung verletzt, dass das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren vor Erlass der Verbotsverfügung durchzuführen und abzuschließen sei. Stattdessen sei von den Ermittlungsbefugnissen vor dem Verbot kein Gebrauch gemacht worden. Der Beklagte habe sich ausschließlich auf eine Informationssammlung der ihm unterstellten Hilfsbehörden gestützt. Die Ermittlungen seien vorliegend nach Ergehen der Verbotsverfügung weitergeführt worden, während dem Kläger nach Zustellung der Verbotsverfügung jegliche Dispositionen und Handlungsmöglichkeiten, einem Vereinsverbot entgegenzuwirken, abgesprochen worden seien. Hierdurch werde die Gehörsverletzung noch verstärkt.

23

Das unter dem 15. April 2010 eingeholte Einvernehmen des Bundesministers des Inneren zu der beabsichtigten Verbotsverfügung sei fehlerhaft, weil die zugehörigen Behördenakten nicht mit vorgelegt worden seien und ein geordnetes Prüfungsverfahren des Bundesministers daher nicht möglich gewesen sei.

24

Angesichts der herausragenden Bedeutung der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG sei eine restriktive Anwendung vereinsrechtlicher Verbotsnormen erforderlich. Art. 9 Abs. 2 GG stelle eine verfassungsrechtlich zwingende Eingriffsschranke auf, die einer über sie hinausgehenden einfachgesetzlichen Ausgestaltung von Verbotsgründen entgegenstehe. Darüber hinaus sei von der Verbotsbehörde entsprechend dem polizeirechtlichen Übermaßverbot zu prüfen, ob vor Erlass eines Verbots mildere Maßnahmen möglich und geeignet seien, um eine Änderung der Statuten, Programmen oder Handlungsformen des Vereins zu erreichen oder diesen unter Aufsicht zu stellen.

25

Darüber hinaus könnten lediglich erhebliche Verstöße gegen Strafgesetze, die in einem angemessenen Verhältnis zur Verbotssanktion stünden, ein Vereinsverbot nach sich ziehen, sofern sie sich für den Charakter der Vereinigung als prägend erwiesen. Sie müssten im Verhältnis zu erlaubten Vereinsaktivitäten im Vordergrund stehen und den Charakter des Vereins ausmachen. Straftaten, die ausschließlich in der Privatsphäre der Vereinsmitglieder begangen worden seien, dürften keine Berücksichtigung finden, selbst wenn sie von mehreren Vereinsmitgliedern gemeinsam begangen worden seien. Maßgeblich sei, dass die strafrechtlich relevanten Aktivitäten der Mitglieder ohne organisatorischen Zusammenhang mit dem Verein nicht möglich gewesen seien. Insofern müsse ein Funktionszusammenhang mit dem Verein festgestellt werden, der beispielsweise in einer Anordnung oder Billigung von Straftaten durch Vereinsorgane liegen könne. Nicht ausreichend sei etwa eine das Vereinsleben prägende solidarische Pflicht zu „kameradschaftlichem Verhalten“. Relevant könnten schließlich lediglich solche Taten sein, die von Mitgliedern während der Dauer ihrer Mitgliedschaft begangen worden seien.

26

§ 4 VereinsG verpflichte die Verbotsbehörde zu eigenständigen Ermittlungen, denen gegenüber den Informationen von sog. Hilfsbehörden wie den Dienststellen der Polizei ein eigenständiger, unbeeinflusster Wert zukommen müsse. Eine ausschließliche und unreflektierte Übernahme von Erkenntnissen aus Strafverfolgungsverfahren und Strafurteilen sei vereinsrechtlich unzulässig. Auch wenn Ermittlungen zur Untermauerung bereits benannter Verbotsgründe noch nach dem Erlass der Verbotsverfügung fortgeführt werden könnten, müssten diese Gründe zum Zeitpunkt des Verbotserlasses bereits ausermittelt und benannt sein. Jedenfalls sei eine Verlagerung des eigentlichen Ermittlungsverfahrens auf eine Zeit nach Erlass der Verbotsverfügung rechtswidrig. Vorliegend hätten keine eigenständigen Ermittlungen der Verbotsbehörde stattgefunden, sondern diese habe ausschließlich die von dem Bestreben nach einem allgemeinen Verbot von Biker-Clubs getragenen Vorgaben des Landeskriminalamtes übernommen. Dies sei sachfremd und verletze das Übermaßverbot. Für die gerichtliche Entscheidung könnten lediglich die Verhältnisse im Zeitpunkt der angefochtenen Verbotsverfügung maßgeblich sein. Soweit nach diesem Zeitpunkt zu Tage getretene Umstände Berücksichtigung fänden, seien auch veränderte Verhältnisse der betroffenen Vereinigung zu berücksichtigen, jedenfalls soweit sie der Rechtsverteidigung dienten. Die dem Kläger zuzubilligenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkten sich nicht auf eine bloße Prozessführung, sondern ermöglichten auch den Ausschluss von Mitgliedern und die Aufgabe von Mitgliedschaften.

27

Die Verbotsverfügung lasse wesentliche soziologische Forschungsergebnisse, nach denen die subkulturellen Organisationsformen der Motorrad-Clubs zur Verhinderung krimineller Handlungen Einzelner beitrügen, indem sie eine integrativ wirkende Umgebung schüfen, unberücksichtigt.

28

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die in der Verbotsverfügung aufgelisteten Straftaten der acht aktuellen Mitglieder in keinem Zusammenhang zu den Aktivitäten der Vereinigung stünden, da sie überwiegend individuell veranlasst und auf einen spontanen Entschluss zurückzuführen seien. Überwiegend seien die Straftaten von nur geringem Gewicht und die entsprechenden Ermittlungsverfahren zum Teil durch die Strafverfolgungsbehörden eingestellt worden. Soweit die Verbotsverfügung eine außergesetzliche Ausrichtung des Vereins aus den Beziehungen des Klägers zur weltweiten Dachorganisation der „Hells Angels“ sowie aus der szenetypischen Bezeichnung des Vereins als „Outlaw-Motorcycle-Club“ ziehen wolle, verkenne dies zum einen die subkulturell integrative Ausrichtung der betreffenden Motorrad-Clubs und zum anderen die Herkunft des Begriffes „Outlaw“, durch den man sich lediglich den Versuchen der Monopolisierung des Motorradsports durch eine dominierende amerikanische Vereinigung habe widersetzen wollen. Verallgemeinernde Schlussfolgerungen der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung seien vereinsrechtlich verfehlt. Ein allgemeiner „Kriminalitätsnachweis“ von Motorrad-Clubs sei bislang nicht geführt worden. Ein strafrechtliches Inerscheinungtreten der Vereinsmitglieder sei auch nicht erforderlich, um den durch Vereinszusammenschluss gewünschten Statusgewinn zu erreichen. Dieser ergebe sich für den Einzelnen bereits mit dem Erhalt des Club-Emblems, da die Aufnahme in ein elitäres Kollektiv ihn physisch und psychisch stärker mache und an dem Anspruch, sich niemandem unterzuordnen, teilhaben lasse.

29

Das auch in Motorradclubs gelebte Prinzip der Solidarität könne sich auf allgemeine Wertorientierungen berufen, welche auch die staatsethische Grundlage für das soziale Staatsziel wie auch eine Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens innerhalb einer christlichen Werteordnung bildeten. Dass eine innerhalb des Vereins geltende Solidaritätsverpflichtung in rechtlich problematischer Weise über die Verhaltenserwartungen der herrschenden Gesellschaftskultur gestellt worden sei, sei vorliegend nicht in einer Weise dargelegt und ermittelt worden, welche den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG genügen könne. Vielmehr seien auch insoweit Erkenntnisse der ermittelnden Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden lediglich unreflektiert und ohne eigene Überprüfungen der Vereinsverbotsbehörde übernommen worden.

30

Der Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass sich der Kläger mit dem politischen Ziel einer Veränderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befasse. Er erkenne in der unterstellten organisierten Rechtsverteidigung und finanziellen Unterstützung straffällig gewordener Mitglieder lediglich ein unangepasstes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung. Dies könne im Ansatz nicht ausreichen, um ein Sich-Richten der Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung anzunehmen. Die Mitglieder des Klägers nähmen für sich lediglich die Rechte jedes Staatsbürgers in Anspruch. Der Kläger sei auch nach Darstellung des Beklagten weder kämpferisch noch aggressiv in Erscheinung getreten, um die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Die unterstellte wirtschaftliche Absicherung und Unterstützung über einen „Defense Fund“ wäre lediglich als organisiertes Handeln zur Wahrnehmung von Vereinsrechten ohne Außenwirkung einzuordnen. Die vom Beklagten diesbezüglich angeführten allgemeinen Satzungen und Regelungen der „Hells Angels“ seien den Mitgliedern des klägerischen Vereins bis zur Vorlage durch den Beklagten unbekannt gewesen und für ihn nicht konstitutiv. Eine Berücksichtigung zu Lasten des Klägers scheide daher aus. Der Beklagte habe keine Nachweise für den Bestand und die Funktionsweise eines „Defense Fund“ vorgelegt. Es existiere kein „Defense Fund“, auf den die Mitglieder des Klägers zurückgreifen könnten. Eine Unterstützung von Mitgliedern im Rahmen der Rechtsverteidigung erfolge seitens des Klägers nicht. Es würden lediglich im Einzelfall von Mitgliedern freiwillige Spenden geleistet und Darlehen gewährt, ohne dass hierfür Quoten vorgegeben oder Verpflichtungen errichtet würden. Es bestehe kein Anspruch auf derartige Unterstützung. Auch Angehörige von Mitgliedern würden grundsätzlich nicht finanziell oder sachlich unterstützt.

31

Gleiches treffe auf die vom Beklagten unterstellte Existenz einer Organisation inhaftierter Mitglieder der „Hells Angels“ mit Namen „Big House Crew“ zu. Zu einer solchen angeblichen Vereinigung bestehe kein Kontakt des Klägers oder seiner Mitglieder.

32

Zuletzt hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Mai 2012 - nach Anwaltswechsel - vorgetragen, dass dem Kläger aktuell acht Vollmitglieder angehörten, davon als Präsident Peter AE., als Vizepräsident Y., als Secretary G., als Sergeant at Arms M. und als Treasurer P.. Diese fünf Mitglieder bildeten den Vorstand. Weitere Mitglieder seien D., S. und AB.. Der vormalige Präsident A. sei im Januar 2010 aufgrund einstimmigen Beschlusses der übrigen Mitglieder aus dem klägerischen Verein ausgeschlossen worden. Auch J. habe den Verein im Januar 2010 verlassen und übe seither keine Vereinsfunktionen aus. V. sei im Februar 2011 aus dem Verein ausgeschieden. AH. sei zunächst lediglich sog. „Hangaround“ und dann „Prospect“ gewesen, der Verein habe ihm jedoch die Mitgliedschaft versagt. Im September 2010 habe AH. daraufhin den klägerischen Verein verlassen.

33

Weiterhin ist der Kläger der Auffassung, die bei insgesamt sechs Mitgliedern festgestellten „Delta Darts“ könnten nicht als Beleg einer allgemeinen Bewaffnung der Vereinigung ins Feld geführt werden, da zum Zeitpunkt ihres Auffindens nach bundesdeutscher Rechtslage nicht festgestanden habe, ob es sich um eine verbotene Waffe handele. Das Bundeskriminalamt habe die verbotsrechtliche Waffeneigenschaft, soweit durch eine Scheide der Eindruck eines anderen Gegenstandes entstehen könne, erst mit Bescheid vom 01. September 2010 festgestellt. Die Mitglieder des Klägers hätten lediglich Gegenstände mit sich geführt, die nach wie vor jedermann zugänglich seien.

34

Zu den einzelnen in der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Kläger Folgendes vor:

35

zu Tat Nr. 1.: Bei der 2008 vom Mitglied D. begangenen Körperverletzung habe es sich um eine vollkommene individuelle, spontane und keinen Bezug zum klägerischen Verein aufweisende Tat gehandelt. Die vom Täter getragene Kutte sei unter der zusätzlich übergezogenen Jacke nicht sichtbar gewesen. Es seien keine weiteren Mitglieder des Klägers anwesend gewesen. Der Streit sei wegen einer Zudringlichkeit gegenüber der damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau von D. entstanden.

36

zu Tat Nr. 2.: Die bereits im Jahre 2008 abgeurteilte Tat der versuchten räuberischen Erpressung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz des Vereinsmitgliedes A. liege vor dessen erst 2009 begründeter Mitgliedschaft.

37

zu Tat Nr. 3.: Eine Zurechnung des Verstoßes gegen die Abgabenordnung durch Mitsichführen unverzollter Zigaretten seitens des J. zum Verein komme nicht in Betracht, weil selbst der Beklagte dem Kläger keine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang unterstelle.

38

zu Taten Nr. 4. und 8.: Ein vereinsrechtlicher Funktionszusammenhang des den Mitgliedern S., Y., AH. und A. unterstellten waffenrechtlichen Verstoßes sei nicht erkennbar. Die Zurechnung nicht begangener Straftaten sei als unzulässige Kriminalisierung der Vereinigung zu werten, zumal das Ermittlungsverfahren vermutlich auch wegen des Rückwirkungsverbotes des erst am 01. September 2010 erlassenen Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes eingestellt worden sei. Die Zurechnung eines waffenrechtlichen Verstoßes setze voraus, dass die betreffenden Mitglieder überhaupt eine strafgesetzwidrige Tatbegehung erkennen könnten, welche sich der Verein zu Eigen mache könne. Dies sei vorliegend wegen des verspätet ergangenen Feststellungsbescheides des BKA denknotwendig ausgeschlossen.

39

zu Tat Nr. 5.: Bei der am 12. September 2009 vom ehemaligen Vereinsmitglied A. begangenen Tat auf der BAB 7 handele es sich um den einzigen von der Verbotsverfügung angeführten Fall eines organisatorischen Zusammenwirkens von Vereinsmitgliedern mit strafrechtlicher Relevanz. Die Ermittlungen hätten allerdings ergeben, dass es sich auch hier lediglich um ein Einzeldelikt ohne Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers gehandelt habe. Eine strafrechtliche Einbeziehung der übrigen anwesenden Mitglieder sei nicht etwa an der Nachweisbarkeit gescheitert, sondern diese in den Blick geratenden Vereinsmitglieder hätten zur Deeskalation beigetragen. Sie hätten der Tatausführung entgegengewirkt und damit zielgerichtet auf die Vermeidung von Straftaten hingewirkt, indem sie das Mittel ihrer Präsenz vor Ort eingesetzt hätten. Die Inanspruchnahme gegenseitiger Autorität sei Ausdruck einer gesellschaftlich anerkannten Methode der Konfliktvermeidung. Im Übrigen habe sich die Vereinigung durch den Ausschluss ihres Präsidenten A. deutlich von diesem distanziert. Das Handeln des ehemaligen Präsidenten habe daher in keiner Weise eine kollektive Anerkennung erfahren. Soweit das Mitglied A. auch während des laufenden Ermittlungsverfahrens bzw. seiner zeitweiligen Untersuchungshaft im Amt des Präsidenten belassen worden sei, liege darin kein verbotsrelevanter Rückhalt durch den Kläger, da selbst Beamte ihre Position regelmäßig bis zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe behielten. Auch in sonstiger Weise sei kein Rückhalt des Vereins für die Begehung der vorgeworfenen Taten erkennbar.

40

zu Tat Nr. 6.: Die Vermutungen, welche den Beklagten zur Zurechnung des Flensburger Waffenfundes an den Kläger geführt hätten, seien in keiner verwertbaren Weise belegt, zumal die Ermittlungen bis heute nicht abgeschlossen seien. Fingerabdrücke von A. und V. seien nicht auf den Waffen, sondern auf Bedienungsanleitungen gefunden worden. Fingerabdrücke des S. seien ebenfalls nicht an Waffen, sondern auf einer Kiste festgestellt worden. S. habe auch nicht über einen Schlüssel zur Werkstatt verfügt und sei im Übrigen Mitglied in einem Schützenverein, in dem auch großkalibrige Waffen beschossen würden. Auch weitere Spuren auf einer Außenhülle ließen keinen Bezug des Inhaltes zu einer bestimmten Person zu. Es bestehe auch kein Bezug der klagenden Vereinigung zu dem Handel des betreffenden Gewerbetreibenden mit Alu-Felgen, da Motorräder in der Werkstatt dieses Gewerbetreibenden nicht gewartet oder repariert würden.

41

zu Tat Nr. 7.: Ein Funktionszusammenhang der strafrechtlich nicht verfolgten Getränkehehlerei des S. zur Tätigkeit des Klägers sei nicht ersichtlich.

42

zu Tat Nr. 9.: Die dem Mitglied Y. zugeschriebene Begehung einer Fälschung von TÜV-Zertifikaten und des Handels mit entwendeten Motorrad-Teilen datierten aus dem Jahre 2004. Zu diesem Zeitpunkt seien weder der Kläger oder sein Vorgängerverein der „HAMC East-Coast“ existent gewesen, noch sei Y. damals Mitglied in einem Motorrad-Club gewesen. Eine Zurechnung von Verhaltensweisen, die die übrigen Vereinsmitglieder nicht zum Schutze des Vereines hätten verhindern können, müsse ausscheiden.

43

Insgesamt sei festzustellen, dass nur eine Minderheit von Mitgliedern, und zwar erhebliche Zeit vor Erlass der Verfügung, vereinzelt straffällig geworden sei, ohne dass eine Verbindung zum Vereinszweck ersichtlich wäre. Ein Vereinsverbot erweise sich daher als unverhältnismäßig. Zumal bei Berücksichtigung der Vereinsausschlüsse bzw. -austritte könne weder eine zeitliche Dichte von Straftaten noch eine Konzentration auf Funktionsträger der Vereinigung festgestellt werden. Es lägen keine Hinweise auf eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor vor. Widerlegt sei insbesondere eine hierarchische, Straftaten steuernde Handlungs- und Anweisungskompetenz des Vorstandes. Der Beklagte gründe seine Zurechnungsargumentation auf bloße Unterstellungen und Zuschreibungen, mit denen auf die „eigentliche Zweckbestimmung“ des Vereins geschlossen werden solle. Auch Anhaltspunkte für eine Betätigung des Klägers in unzulässigen Wirtschaftsbereichen seien nicht dargelegt.

44

Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, es fehle an einer verfassungsrechtlich erforderlichen bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage für Datenübermittlungen aus dem Bereich der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung an die Vereinsverbotsbehörde. § 4 VereinsG stelle lediglich eine Aufgabenzuweisung, aber nicht eine datenschutzrechtliche Befugnisnorm dar.

45

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Vorbringen vertieft und ergänzend geltend gemacht. Das bundesweite Vorgehen der Sicherheitsbehörden basiere auf einem gemeinsamen Strategiepapier vom Oktober 2010 und einer textbausteinartig vorbereiteten Musterverbotsverfügung, begleitet von einem von unzutreffenden diskreditierenden Zuschreibungen getragenen Aufbau eines negativen Bildes der sog. „Rocker“ über die Medien. Die konkrete Ermittlungsarbeit der Verbotsbehörde im jeweiligen Einzelfall sei hingegen völlig unzureichend. Nach dem kürzlichen Ausscheiden eines weiteren Mitgliedes, D., bestehe der Verein nunmehr nur noch aus sieben Mitgliedern, welche schlechterdings keinen Machtausübungsanspruch verkörpern könnten.

46

Der Kläger beantragt,

47

den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 aufzuheben.

48

Der Beklagte beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Er ist der Auffassung, dass der klägerische Verein trotz der Veränderung seines Namens und seines Status bis hin zur vollgültigen Aufnahme als rechtlich selbstständiges Charter der „Hells Angels“ MC im Jahre 2008 jedenfalls seit 2003, ggf. auch schon seit einem früheren Zeitpunkt, unter Fortführung seiner Identität bestanden habe. Von den zum Verbotszeitpunkt 12 Vereinsmitgliedern seien 9 Mitglieder selbst strafrechtlich in Erscheinung getreten, wobei die nicht oder nur in geringem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getretenen Mitglieder keine Funktionsämter innerhalb des Vereines bekleideten bzw. in relativ weiter Entfernung zum Vereinsstandort Flensburg wohnhaft seien, mithin für spontane Aktionen des Vereins wie die Straftat Nr. 5 auf der BAB 7 nicht zur Verfügung stünden.

51

Zur Zulässigkeit der Klage ist der Beklagte der Auffassung, dass der Kläger als nicht rechtsfähiger Verein gemäß § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 54, 709 Abs. 1 BGB nur durch alle Mitglieder gemeinsam prozessfähig sei, solange eine besondere Vertretungsmacht einzelner Mitglieder aufgrund der Satzung nicht nachgewiesen sei. Letzteres sei gerade nicht der Fall.

52

Der Beklagte bestreitet anhand eigener Erkenntnisse, dass der Präsident des Klägers A. im Januar 2010 aus dem Verein ausgeschlossen worden sein soll, und verweist auf gegenteiligen Vortrag des Klägers mit dem ursprünglich klagebegründenden Schriftsatz. Vielmehr sei A. nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2010 im gegenseitigen Einvernehmen in sog. „good standing“ aus der Mitgliedschaft entlassen worden. Nicht entscheidungserheblich sei der neuere Vortrag zum Austritt des J., da jedenfalls dessen Straftaten zuvor begangen worden seien. Soweit der Kläger nunmehr Statusänderungen der Mitglieder AB. und AH. nach Zustellung der Verbotsverfügung vortrage, sei dies als Betätigung entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 20 VereinsG sogar strafrechtlich relevant, in der Sache aber für die Begründung des Verbots nicht erheblich.

53

Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet.

54

Der Beklagte sei unabhängig davon, ob der Kläger zu einer bundesweit tätigen Organisation gehöre, wegen des auf das Land Schleswig-Holstein beschränkten Wirkungsbereichs des Vereins oder Teilvereins für dessen Verbot zuständig. Zur Erteilung des hier herzustellenden Benehmens des Bundesministers des Inneren sei die Übermittlung des Entwurfs der Verbotsverfügung ausreichend gewesen. Die Ermittlungen zur Erarbeitung der Verbotsverfügung seien durch ein eigenes Fachreferat des Beklagten unter Verwertung von Ermittlungsergebnissen und Erkenntnissen auch der dem Beklagten zugeordneten Ämter des Landeskriminalamtes und des Landespolizeiamtes erfolgt.

55

Die Verbotsverfügung sei nicht wegen unterbliebener Anhörung formell rechtswidrig, da mit einer Anhörung der mit der Verfügung verfolgte Zweck vereitelt worden wäre. Eine Anhörung hätte einen Ankündigungseffekt gehabt und es dem Kläger ermöglicht, seine vereinsinterne Infrastruktur, sein der Einziehung unterliegendes Vermögen sowie weitere beim Vollzug der Verbotsverfügung aufzufindende Beweismittel für die Verfolgung strafgesetzwidriger Vereinszwecke zu verschleiern, zu verdecken oder aus dem Zugriff des Beklagten zu entfernen. Einer Anhörung habe daher ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne von § 87 Abs. 4 LVwG entgegengestanden. Die Verschleierungs- bzw. Verschiebungsgefahr auf Seiten des Klägers werde beispielhaft deutlich an Vorgängen wie dem Abstellen des Tat-Pkw des A. nach der Tat vom 12. September 2009 auf einem Bauhof sowie dem Auffinden von eindeutig den Mitgliedern des Klägers zuzuordnenden Waffen bei einem Gewerbetreibenden in A-Stadt.

56

Die im Zusammenhang mit der Verbotsverfügung erfolgte Datenverarbeitung des Beklagten einschließlich der Übermittlung von Daten aus Strafverfahren könne auf die hinreichend bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen der § 11 Abs. 1 Nr. 2 LDSG i.V.m. §§ 177 ff. LVwG gestützt werden, da der Beklagte als für das Vereinsverbot durch Landesverordnung für zuständig erklärte Behörde Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehme. Hilfsweise sei auf die Generalklausel des § 14 Abs. 2 Nr. 6 BDSG zu verweisen.

57

Vor dem Hintergrund der durch die obergerichtliche Rechtsprechung im Rahmen des § 3 Abs. 1, Abs. 5 VereinsG errichteten Maßstäbe für eine Zurechnung von Straftaten zu einem Verein sei das klägerische Vorbringen nicht geeignet, eine Zuordnung der den einzelnen Mitgliedern zur Last gelegten Straftaten zu widerlegen. Insbesondere könne sich ein strafgesetzwidriger Zweck im Sinne von § 3 Abs. 1 VereinsG auch aus dem tatsächlichen Verhalten Einzelner oder erst recht der Mehrheit der Vereinsmitglieder ergeben, ohne dass Satzung und Ordnungen sowie die institutionell verfestigten Ziele und Programme eines Vereins ihn vorsähen. Die Begehung von Straftaten müsse auch nach den obergerichtlichen Maßstäben nicht der Hauptzweck des Vereins sein, um die Strafgesetzwidrigkeit seines Zwecks zu begründen; vielmehr könnten die den Verein prägenden Straftaten auch eine begleitende Erscheinung des Vereinszwecks sein.

58

Das klägerische Vorbringen stelle nicht in Abrede, dass der Kläger als Verein „entsprechend dem geltenden Ehrenkodex“ seine Mitglieder auch dann unterstütze, wenn sie selbst Straftaten begingen oder begangen hätten. So hätten mehrere Mitglieder durch ihre Anwesenheit die Tat ihres Präsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 vor und während ihrer Begehung durch körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern des rivalisierenden Vereins unterstützt und damit das Verhalten des Präsidenten gebilligt. Die Tat sei ein Beispiel für die Wirkung des Ehrenkodex. Ein weiterer Beleg für die Zurechenbarkeit einzelner Straftaten zum Verein sei das System des sog. „Defense Fund“, der gerade nicht auf eine Vorbereitung des jeweiligen Mitgliedes auf ein Leben im Anschluss an die Haftzeit gerichtet sei, sondern die Wirkungen einer Haftstrafe soweit wie praktisch möglich aufheben und die soziale Einbindung in den Verein sichern wolle. Der „Defense Fund“ belege, dass der Verein sich von vornherein auf eine Inhaftierung von Mitgliedern einstelle und die Wirkung der staatlichen Strafdrohung bzw. eines Entdeckungsrisikos bei Straftaten herabsetze. Er gehe über die Gewährleistungen einer Rechtsschutzversicherung bei weitem hinaus, greife auch bei vorsätzlichen Taten ein und sichere auch finanzielle Verpflichtungen eines vorläufig Inhaftierten oder eines zu einer Freiheitsstrafe Verurteilen im Sinne einer Schadensversicherung.

59

Soweit der Kläger eine Unterstützungshandlung des Vereins durch Belassen des Präsidenten A. in seinem Amt auch nach erheblichen Straftatenvorwürfen durch einen Hinweis auf das Beamtenrecht in Abrede stelle, sei darauf hinzuweisen, dass betroffene Beamte wegen des disziplinarischen Überhangs einer Straftat noch vor abschließender Feststellung der Strafbarkeit ihres Verhaltens vorläufig ihres Dienstes enthoben würden oder ihnen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werde.

60

Zu den einzelnen in der Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Beklagte wie folgt vor:

61

1. Bei seiner im September 2008 in Leck begangenen Körperverletzung habe das Mitglied D. die seine Zugehörigkeit zum Kläger ausdrückende Weste mit dem Vereinsabzeichen - die sogenannte Kutte - getragen und damit nach außen seine Mitgliedschaft kundgetan. Dies belege, dass sich die Mitglieder des Klägers allein durch ihre Identifikation mit dem Verein einer Außenwirkung bewusst gewesen seien, die ihnen die Begehung von Straftaten erleichtere und zugleich die Wirkungen der Strafverfolgung abzumildern geeignet sei. In diesem Strafverfahren hätten sich die Auswirkungen der Tendenzen des Vereins gezeigt, jegliche Zusammenarbeit mit staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden und Strafverfahren gegen Mitglieder soweit wie möglich zu behindern. So habe eine Zeugin ausdrücklich von Warnungen berichtet, gegen D. auszusagen, da er ein Mitglied des Klägers sei und man von solchen Leuten lieber die Finger lassen solle. Diese Zeugin habe eine Verhinderung für den Termin zur Hauptverhandlung angezeigt, was das Strafgericht als Angst vor einer Aussage gewertet habe. Ein vernommener Zeuge habe eine offensichtlich zu Gunsten des Angeklagten gesteuerte, unglaubwürdige Zeugenaussage abgegeben und versucht, seine Zugehörigkeit zum Umfeld des Klägers zu verschleiern. An diesem Vorgang lasse sich eine Einflussnahme des Klägers auf Personen aus seinem Umfeld ablesen, als deren Folge diese eine Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden verweigerten. Die Straftat des D. sei für sich genommen nicht in jeglichem Zusammenhang als einem Verein zurechenbar anzusehen, stelle sich jedoch in dem hier vorliegenden Gesamtzusammenhang als Teil einer gewaltsamen Selbstbehauptung des Klägers und seiner Mitglieder dar. Der Beklagte gehe entgegen dem Vortrag des Klägers von einer Mitgliedschaft des D. zum Begehungszeitpunkt aus, zumal er bereits im März 2008 bei einer Veranstaltung der „Hells Angels“ MC in Hannover als Mitglied des Klägers aufgetreten sei und bereits 2009 als Vizepräsident fungiert habe.

62

2. Die zu Ziffer 2 der Verbotsverfügung abgeurteilte Tat des Präsidenten A. sei insbesondere wegen des Verstoßes gegen §§ 51 f. Waffengesetz bedeutsam. Aus dieser Tat lasse sich ebenfalls die Tendenz zur gewaltsamen Selbstbehauptung des Vereins und seiner Mitglieder ableiten.

63

3. Auch der zu Ziffer 3 der Verbotsverfügung abgeurteilte Strafvorwurf gegen die Mitglieder J. und V. wegen Steuerhehlerei zeige sich als szenetypisch, da durch den Schmuggel von Zigaretten unter anderem an einer Basis für den wirtschaftlichen Erwerb im Vergnügungsgewerbe mitgewirkt werde. Dort suche der Kläger eine Vormachtstellung zu erlangen. Die Tatsache, dass bei der Tat zwei Mitglieder des Vereins gemeinsam ohne weitere vereinsexterne Personen tätig gewesen seien, lege eine Unterstützung oder Billigung seitens des Vereins nahe.

64

4. Die Ermittlungsverfahren der schweizerischen Polizei gegen die Mitglieder S., Y., AH. und den in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht aufgeführten AB. seien zwar wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, jedoch seien die sichergestellten Delta-Darts als verbotene Waffen eingezogen worden. In der hier festgestellten Variante mit Scheide sei dieses Kunststoffmesser durch Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 als Hieb- und Stoßwaffe, die ihrer Form nach geeignet sei, einen anderen Gegenstand vorzutäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauch verkleidet sei, eindeutig als waffenrechtlicher Verstoß gewertet worden. Der Bescheid habe lediglich deklaratorische Wirkung und unterliege daher keinem Rückwirkungsverbot. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum sei angesichts der Beschaffenheit der Waffe ausgeschlossen. Ein solcher Delta-Dart mit Scheide sei auch bei der Festnahme des Präsidenten des Klägers A. im Januar 2010 sichergestellt und das entsprechende Strafverfahren vor dem Amtsgericht A-Stadt im November 2010 gemäß § 153 a StPO unter der Auflage der Ableistung gemeinnütziger Arbeit eingestellt worden, was vom Angeklagten akzeptiert worden sei. Diese Straftat des A. sei zwar nicht Bestandteil der Begründung des Verbotsbescheides, belege jedoch eine strafrichterliche Bestätigung der Auffassung des Beklagten in Übereinstimmung mit dem Feststellungsbescheides des BKA.

65

5. Was die Straftat des Vereinspräsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 anbelange, so ließen sich die für eine vereinsrechtliche Zurechnung zum Kläger erforderlichen tatsächlichen Umstände dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 zweifelsfrei entnehmen. Das Landgericht habe ausdrücklich klargestellt, dass sich die abgeurteilte Tat in den Kontext des allgemeinen Konflikts zwischen dem „Hells Angels MC“ und dem „Bandidos MC“ einfüge. So habe das Landgericht als Motiv der Tat eine Disziplinierung der Mitglieder des gegnerischen Vereins wegen eines als solchem verstandenen „Gebietsverstoßes“ erkannt und die Tat demnach als Durchsetzung des vom Kläger mit strafbaren Mitteln verteidigten, die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols ausschließenden Territorialprinzips der Vereinigung gesehen. Ebenfalls sei durch das Landgericht festgestellt, dass diese zur Chefsache gemachte Reaktion auf einen vermeintlichen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ an einer Tankstelle im Raum Flensburg auf einer organisierten Willensbildung der Mitglieder des Klägers basiert habe. Durch die Feststellungen des Strafgerichts sei belegt, dass der damalige Präsident A. mitten in der Nacht per Mobilfunk binnen 20 Minuten insgesamt 3 Fahrzeuge mit mehreren Mitgliedern bzw. Unterstützern des Vereins zu einer bestimmten Stelle auf BAB 7 habe dirigieren können. Die dahingehende Willensbildung und -unterwerfung seitens der Mitglieder und Unterstützer belege den Rückhalt und die Unterstützung, die der Präsident bei seiner Tatausführung durch den Verein in vereinsrechtlich zurechenbarer Weise erfahren habe. Diese Unterstützungsleistungen umfassten sowohl die Vor- als auch die Nachtatphase, da festgestellt worden sei, dass A. das Tatfahrzeug nach der Tat auf einem Bauhof in XXX Stadt abgestellt habe und kurz darauf in der Innenstadt von Flensburg gewesen sei, wobei ihn angesichts des Wochentages und der Uhrzeit eine weitere Person gefahren haben müsse. Insgesamt habe die Tat nur auf Grundlage einer funktionierenden internen Willensbildung innerhalb des Klägers ins Werk gesetzt können, an der sich eine Vielzahl, nämlich insgesamt die Hälfte der Mitglieder, beteiligt habe. Es sei im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft Flensburg für eine Anklage der übrigen beteiligten Mitglieder des Klägers keine strafrechtlich hinreichende Grundlage gesehen habe, da sie dieses maßgeblich mit rechtlichen Unsicherheiten im Bereich des subjektiven Tatbestandes begründet habe. Der vereinsrechtliche Zurechnungszusammenhang reiche jedoch weiter und erlaube vorliegend die Zuordnung der Unterstützungsbeiträge der vor Ort festgestellten, teilweise auch in körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der gegnerischen Vereinigung verwickelten Mitglieder und damit des Klägers insgesamt. Aus den Ermittlungsakten ergebe sich, dass neben A. die Mitglieder V., S. und P. sowie der nach der Straftat in den Status eines Vollmitglieds aufgerückte AH. am Tatort gewesen seien und dem Präsidenten die vereinsrechtlich relevante Hilfestellung geleistet hätten. Der bei den körperlichen Auseinandersetzungen auf der BAB 7 im Nachgang zu der Straftat des Präsidenten A. am 12. September 2009 seinerseits schwer verletzte AH. habe zu diesem Zeitpunkt den für eine vereinsrechtliche Zurechnung seiner Mitwirkung ausreichenden Status eines sog. „Hangaround“ gehabt, wie sich durch Aufnäher an seiner sichergestellten Kutte ergeben habe.

66

6. Die vereinsrechtliche Zurechnung des bei einem Flensburger Gewerbetreibenden aufgefundenen Waffenlagers zum Kläger stehe für den Beklagten auf dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens außer Frage. Eine Anklage sei ausschließlich deshalb noch nicht erfolgt, weil noch nicht alle Ermittlungsansätze, die zum Auffinden noch weiterer Täter führen könnten, erschöpft seien; insoweit seien zwar auf den aufgefundene Waffen und Kriegswaffen genetische Spuren des Mitglieds des Klägers S. sowie daktyloskopische Spuren des Präsidenten des Klägers A. sowie der Mitglieder V. und - über die Erkenntnisse in der angefochtenen Verfügung hinaus - des Mitglieds J. nachgewiesen worden. Zudem habe der Gewerbetreibende, in dessen Betrieb die Waffen aufgefunden worden seien, angegeben, dass er von diesen keine Kenntnis habe, dass aber das Mitglied des Klägers S. über Schlüssel zu den betreffenden Geschäftsräumen verfüge. Somit ließen sich Spuren an dem Waffenlager von einem Drittel der Vereinsmitglieder nachweisen. Der Gewerbetreibende, in dessen Räumlichkeiten der Fund erfolgte, unterhalte zu weiteren Mitgliedern des Klägers geschäftliche Beziehungen, sodass insgesamt die Hälfte der Vereinsmitglieder theoretisch Zugang zu den aufgefundenen Waffen gehabt hätten. Angesichts der Dimension des Waffenlagers, die auf eine Ausrüstung einer größeren Organisation hinweise, sei die Tat der Willensbildung des Vereins zuzurechnen. Von Bedeutung sei auch, dass drei der strafrechtlich beteiligten Mitglieder - der Präsident A., der sog. Treasurer S. und der Road Captain J. - hochrangige Funktionsträger des Klägers seien.

67

Die Zuordnung von Spuren habe im Einzelnen ergeben, dass eine genetische Spur an einem Patronengurt sowie drei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem Koffer zur Aufbewahrung von Waffen und an einem Munitionskarton eindeutig dem Mitglied S. zugeordnet werden konnten. Dem Mitglied V. hätten zwei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einer bei den Waffen befindlichen Bedienungsanleitung für eine Pistole zugeordnet werden können, dem Vereinspräsidenten A. vier daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an derselben Bedienungsanleitung sowie dem Mitglied J. insgesamt acht daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem bei den aufgefundenen Waffen befindlichen Müllsack.

68

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. April 2012 ergänzend mitgeteilt, dass das diesbezügliche Ermittlungsverfahrens wegen des Waffenfundes immer noch nicht abgeschlossen sei. Ein kriminaltechnischer Beschuss der Waffen habe stattgefunden, wobei aber noch kein Ergebnis des Vergleichs mit der Tatmunitionssammlung des Bundeskriminalamtes vorliege, um eine Zuordnung zu anderen Straftaten zu ermöglichen. Er trägt vor, durch eine Zeugenaussage in einem Ermittlungsverfahren betreffend die „Hells Angels Kiel“ sei bestätigt worden, dass von diesen die in Flensburg aufgefundenen Waffen dem dortigen Charter der „Hells Angels“ zuzurechnen seien.

69

7. Im Vordergrund der in der Verbotsverfügung unter Ziffer 7 aufgeführten Straftat stehe rechtlich gesehen nicht die Getränkehehlerei, wegen derer das Strafverfahren inzwischen eingestellt worden sei, sondern der am 06. Januar 2010 wie auch erneut am 29. April 2010 festgestellte, dem betreffenden Vereinsmitglied S. waffenrechtlich nicht erlaubte Besitz von Munition. Der Verbotsbehörde dürfte auch nach Erlass des Vereinsverbotes Ermittlungen gemäß § 4 VereinsG zum Zwecke der Sachverhalts-feststellung und zum Auffinden von weiteren Beweisen durchführen und Erkenntnisse anschließend in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung des Vereinsverbotes verwenden. Daher sei auch die bei der Untersuchung am 29. April 2010 bei dem Mitglied S. zur Beschlagnahme von Vereinsvermögen aufgefundene, waffenrechtlich nicht erlaubte Munition im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung des Vereinsverbots zu berücksichtigen. Die bei S. aufgefundene Munition belege, dass die unter der vorgenannten Ziffer 6 aufgeführte Tat im Zusammenhang mit dem Waffenfund bei dem Flensburger Gewerbetreibenden keine singuläre Aktion einzelner Mitglieder und des Vereins darstelle, sondern sich in ein verbreitetes Verhaltensmuster der Mitglieder im Rahmen einer gemeinsamen Willensbildung einfüge. Daraus ergebe sich ein innerer Zusammenhang der Taten Nr. 6 und 7 mit der Folge einer Zurechenbarkeit zum Kläger als Verein. Im Übrigen sei auch die Getränkehehlerei als sog. Absatzhehlerei dem Verein zuzurechnen, da S. - wie auch das Mitglied D. - mehrere Gaststätten mit Bezug zum Verein (u.a. durch Namensgebung „X. X“, welche die „corporate identity“ des Klägers berühre) betreibe bzw. betrieben habe.

70

8. In den beiden durch Verfahrenseinstellung beendeten Verfahren wegen Besitzes eines verbotenen Delta-Darts mit Scheide gegen die Mitglieder des Klägers M. und V. sei bestätigt worden, dass der objektive Tatbestand einer Straftat erfüllt gewesen sei. Für eine Zurechnung an den Verein im Rahmen der Überprüfung des Vereinsverbotes sei es unerheblich, dass beide Angeklagte sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB berufen hätten. Die objektiv begangenen Taten belegten den allgemeinen Hang der Mitglieder des Klägers zur Bewaffnung und damit zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Interessen. Zu berücksichtigen seien auch die in den Ermittlungsakten erwähnten weiteren Funde von Waffen, insbesondere einer Handgranate.

71

9. Die 2004 von dem Mitglied Y., dessen Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt der Kläger zunächst nicht bestritten habe, begangene Straftat des Handels mit Motorradzubehör und hiermit verwandte Dienstleistungen sei als szenetypisch im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer eigenen Vormacht- oder zumindest einer starken Stellung in jenem Wirtschaftsbereich anzusehen. Eine strafbare Tätigkeit eines Mitglieds in einem solchen Bereich komme typischerweise auch den Mitgliedern eines Vereins wie dem Kläger zugute, sodass das unwiderlegliche Indiz bestehe, dass der Kläger sein Mitglied zu seinem eigenen Vorteil in dieser Tätigkeit unterstütze. Die durch den rechtskräftigen Strafbefehl abgeurteilte Tat der Steuerverkürzung stehe im Zusammenhang mit der noch gesondert verfolgten Hehlerei gestohlener Motorradteile und dem Abverkauf von aus gestohlenen Teilen zusammengesetzten Motorrädern.

72

Zur ergänzenden Begründung der Verbotsverfügung damit, dass der Kläger sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei zentral auf den vom Kläger eingerichtete sog. „Defense Fund“ zu verweisen. Nach den Erkenntnissen des Beklagten unterwürfen sich grundsätzlich alle bundesweit tätigen Charter des „Hells Angels MC Germany“ den Regeln des „Defense Fund“. Gleichwohl sei ein Vorgehen des Beklagten lediglich gegen einzelne Charter unter dem Gesichtspunkt einer Willkürfreiheit systemgerecht. Entscheidend sei insoweit, ob dem „Defense Fund“ in dem jeweiligen Charter eine Bedeutung zukomme. Die Einrichtung des sog. „Defense Fund“ beweise bereits eine abstrakt verfassungsfeindliche Gesinnung des einrichtenden Vereins, da wegen der Milderung der sozialen Folgen einer Freiheitsstrafe dem staatlichen Gewaltmonopol aktiv entgegengetreten werde. Eine kämpferisch-aggressive Betätigung eines Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung folge jedoch erst aus der praktischen Anwendung und Umsetzung des „Defense Fund“. Dieser schlage in die Grundlage eines aktiven Sich-Richtens des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung um, wenn innerhalb des Vereins Straftaten begangen würden, die unter anderem dadurch motiviert seien, dass angesichts des „Defense Fund“ die Wirkung der Strafe für eine begangene Tat deutlich hinter dem zurückbleibe, was mit der Bestrafung staatlich bezweckt sei. Entscheidend sei somit der „gelebte“ „Defense Fund“. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger vor. Insoweit unterscheide sich der Kläger auch von anderen Chartern des „Hells Angels MC Germany“ in Schleswig-Holstein, die im Vergleich zu ihm keine oder lediglich Straftaten geringerer Art und Umfangs aufwiesen.

73

Für eine kämpferisch-aggressive Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele sei bereits ausreichend, dass eine Vereinigung ihre eigene Ordnung partiell an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung setze und diese gegenüber Mitgliedern und Nichtmitgliedern ggf. gewaltsam, jedenfalls aber unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols durchsetze. Dies sei der Fall, wenn der Verein eigene Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung seiner Vereinsziele ansehe und eine staatliche Sanktion seiner Gewaltausübung ablehne, zu behindern oder in den Folgen abzuschwächen suche, was auf den Kläger, in Übereinstimmung mit allgemeinen Erkenntnissen über örtliche Charter des „Hells Angels MC Germany“ zutreffe. Die staatliche Ordnung werde unter anderem im Wege einer Selbstverpflichtung wie auch Verpflichtung Außenstehender zum Schweigen unterlaufen. In diese Schweigeverpflichtung würden auch Zeugen, die rechtlich zur Aussage verpflichtet seien, einbezogen.

74

Die vom Landeskriminalamt zusammengestellten Ermittlungsergebnisse ergäben, dass die allgemeinen Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Betätigungen innerhalb der Bewegung der „Hells Angels“ in Deutschland auch auf den Kläger zuträfen. Insoweit wird auf eine Ausarbeitung des LKA vom 09. April 2011 über den „Hells Angels MC“ als Phänomen der organisierten Kriminalität“ verwiesen. Aus ihr ergebe sich, dass dem Kläger eine koordinierende Rolle für strafgesetzwidrige Zwecke und als alternativer Organisationsstruktur einer Macht- und Gewaltordnung für Mitglieder und bestimmte außenstehende Dritte unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols zukomme. So hätten sich auch Belege für eine Beteiligung des klägerischen Charters an der Wirkweise der Organisation der sog. „Big House Crew“ als Vereinigung inhaftierter Mitglieder des Klägers gefunden.

75

Die Errichtung einer eigenen Rechts- und Gewaltordnung unter Ausschluss der staatlichen Ordnung zeige sich namentlich in den Straftaten des unerlaubten Waffenbesitzes und in Körperverletzungsdelikten zur Durchsetzung der Vereinsinteressen des Klägers. Insoweit verweist der Beklagte auf die in der Verbotsverfügung genannten Straftaten unter Nr. 2, 4, 7, 8 und dem Ereignis unter Nr. 6 (Waffenfund), welches eine Ausrüstung für paramilitärische Konflikte nahelege. Auch die Straftat zu Nr. 5 einschließlich des gesamten Tatablaufs der Alarmierung von Mitgliedern durch einen Supporter und die gemeinsame Anfahrt zum Tatort auf der BAB deute auf einen Anspruch des Klägers auf unbedingte Machtentfaltung hin, der mit dem staatlichen Gewaltmonopol nicht vereinbar sei. Insgesamt lasse sich den belegten Straftaten und dem Verhalten der Mitglieder entnehmen, dass der Kläger zwar nicht einen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung bezwecke, wohl aber das staatliche Gewaltmonopol ablehne und durch eine eigene Gewaltordnung zu ersetzen suche. Dies erfülle die Voraussetzungen eines kämpferisch-aggressiven Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

76

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, aus Art. 9 Abs. 2 GG folge die lediglich deklaratorische Wirkung einer Verbotsfeststellung, auf deren Bestand das nachträgliche Verhalten der Mitglieder keinen Einfluss mehr haben könne. Zum Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung hat er seinen schriftsätzlichen Vortrag vertieft und ergänzend ausgeführt, der klägerische Verein richte sich gegen die für die verfassungsmäßige Ordnung zentrale Gewährleistung der Menschenwürde, indem er Abweichler bestrafe und sie dadurch zum Objekt ihres Handels degradiere. Die kämpferisch-aggressive Ausrichtung des Klägers werde auch insoweit durch die Ausführung der Tat Nr. 5 auf der BAB 7 unzweifelhaft belegt. Demgegenüber komme dem - auch in Flensburg praktizierten - System des „Defense Funds“ für das Verbot eine vergleichsweise nachrangige Bedeutung zu.

77

Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 (4 MR 1/10) hat der Senat einen Antrag des Klägers vom 21. Oktober 2010 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung im Wesentlichen abgelehnt und die aufschiebende Wirkung der Klage lediglich insoweit angeordnet, als in der Verfügung die Einziehung von Sachen Dritter für sofort vollziehbar erklärt worden war.

78

Das Gericht hat die Strafverfahrensakten zu den in der Verbotsverfügung genannten Taten beigezogen, ausgewertet und den Beteiligten zur Einsichtnahme zugesandt.

79

In der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2012 hat der Vertreter des Klägers nach Stellung der Anträge und Erörterung der Sach- und Rechtslage die Rücknahme der Klage erklärt. Der Beklagte hat seine Einwilligung hierzu nicht erteilt und hilfsweise für den Fall, dass der Senat nicht schon aufgrund der bislang vorgetragenen Straftaten von Vereinsmitgliedern zu der Überzeugung gelange, dass der Verbotsgrund des Zuwiderlaufens von Zwecken oder Tätigkeit des Vereins gegen Strafgesetze vorliege, einen Beweisantrag zu einem weiteren diesbezüglich relevanten, erst kürzlich zu seiner Kenntnis gelangten Sachverhalt der Schutzgelderpressung gestellt, wegen dessen Inhalt auf die Sitzungsniederschrift verwiesen wird.

80

Auch wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Strafverfahrensakten bzw. die hieraus gefertigten Kopien, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

81

I. Der Senat hat trotz der in der mündlichen Verhandlung erklärten Klagrücknahme über die Klage zu entscheiden, weil die gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO nach der erfolgten Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung erforderliche Einwilligung des Beklagten in die Zurücknahme ausdrücklich nicht erteilt worden ist. Das Einwilligungserfordernis aus § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO dient dem Schutz des Beklagten, der den Rückzug des Klägers aus dem Verfahren verhindern können soll, nachdem durch Antragstellung verhandelt worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.06.2010 - 5 LB 110/10 -). Letzteres war vorliegend geschehen.

82

II. Die Klage ist in zulässiger Weise durch sämtliche nach Informationsstand des Beklagten und nach dem Vorbringen der Klägerseite in der Klageschrift zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorhandene Mitglieder des klägerischen Vereins erhoben worden. Die Klageerhebung für einen nicht rechtsfähigen Verein hat gemäß § 62 Abs. 3 VwGO in Vollmacht seiner gesetzlichen Vertreter und Vorstände zu erfolgen. Dies sind gemäß § 54 i.V.m. § 709 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Mitglieder des Vereins gemeinschaftlich, soweit nicht in einer Satzung Stimmenmehrheit vereinbart oder eine Übertragung der Geschäftsführung erfolgt ist. Letzteres ist hier nicht ersichtlich. Mit der Klageerhebung sind Vollmachten sämtlicher zwölf damals auch in der Klageschrift als Mitglieder namentlich benannter Personen - entsprechend dem Mitgliederstand nach Informationen des Beklagten -, alle datiert auf den 05. Mai 2010, zu den Akten gereicht worden. Zweifel an der Erfüllung der vereins- und prozessrechtlichen Voraussetzungen für die wirksame Klageerhebung des Vereins bestehen daher nicht. Soweit mit dem Anwaltswechsel im April 2012 Vollmachten lediglich von neun der ursprünglich zwölf vollmachtgebenden Mitglieder eingereicht worden sind, darunter eine Vollmacht des im nachfolgenden Schriftsatz vom 16. Mai 2012 nicht mehr als Mitglied bezeichneten J., begründet dies Zweifel weder hinsichtlich der Zulässigkeit noch hinsichtlich der wirksamen Mandatierung des klägerischen Anwaltes und Antragstellung. Nach dem klägerischen Vortrag sollen die nunmehr nicht mehr vollmachtgebenden ursprünglichen Mitglieder sowie zwei weitere Mitglieder zwischenzeitlich ausgeschieden oder ausgeschlossen worden sein. Jedenfalls für den insoweit allein maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat kann mangels gegenteiliger Erkenntnisse die Richtigkeit dieses Vortrages zugrunde gelegt werden, weil eine Trennung eines Mitgliedes selbst von einem lediglich zum Zwecke der Rechtsverteidigung gegen ein ausgesprochenes Verbot noch weiterbestehenden Verein möglich sein muss. Inwieweit dies Auswirkungen auf das Vorliegen der Verbotsvoraussetzungen hat, ist eine im Rahmen der Begründetheitsprüfung gesondert zu beantwortende Frage.

83

Der Kläger ist allein zur Anfechtung des Verbots befugt, da die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung seiner Mitglieder als natürliche Personen, sondern die Rechtsstellung des klagenden Vereins als Gesamtheit von Personen betrifft. Der Kläger ist gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (vgl. zu alledem BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, Juris m.w.N.). Auch nach seinem Verbot und seiner Auflösung verbleibt ihm eine auf die Führung der Rechtsverteidigung beschränkte Rechtsstellung (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Kommentar zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 59).

84

III. Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist lediglich insoweit rechtswidrig und daher gemäß § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben, als in ihm festgestellt wird, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ohne dass allerdings hierdurch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Feststellung, dass der Kläger verboten ist, berührt würde.

85

1. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung lagen vor. Der Beklagte als für die Regelung des Vereinswesens oberste Landesbehörde war gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig, da sich die nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen erkennbare Organisation und Tätigkeit des Klägers auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkte. Es ist von beiden Beteiligten vorgetragen und unbestritten, dass dem „Hells Angels MC Charter Flensburg“ eine eigenständige Stellung als Vereinigung innerhalb der bundes- und weltweiten sog. Bewegung der „Hells Angels“ zukommt. Die Mitglieder des Charter Flensburg sind sämtlich in Schleswig-Holstein wohnhaft und tätig; wesentliche Aktivitäten des Vereins außerhalb Schleswig-Holsteins sind nicht bekannt geworden.

86

Unabhängig von der Frage, ob der klägerische Verein lediglich eine Teilvereinigung eines über das Gebiet Schleswig-Holsteins hinausgehenden größeren Vereins der „Hells Angels“-Bewegung darstellt und eine Einholung des Benehmens des Bundesministers des Inneren nach § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG erforderlich war, ist dieses Benehmen nach Übersendung des Entwurfes der Verbotsverfügung mit Schreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 20. April 2010 vorsorglich erteilt worden. Darin, dass dem Bundesministerium nicht die weiteren Informationsgrundlagen zur Verfügung gestellt worden sind, welche zum Erlass des Vereinsverbots geführt haben, liegt kein Verfahrensfehler, der Zweifel an der Wirksamkeit des vorsorglich hergestellten Benehmens erwecken könnte. Der übersandte Entwurf des Bescheides enthielt selbst ausreichende Informationen, um den Bundesinnenminister jedenfalls in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Nachfragen gegenüber dem Beklagten zu tätigen. Dieses ist jedoch nicht erfolgt.

87

Die weiteren formellen Voraussetzungen für die angegriffene Verbotsverfügung, insbesondere die Schriftform, die Begründung und die Zustellung an den Verein sowie die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger (BAnz 74/2010 v. 19.05.2010, 1774) und im Amtlichen Mitteilungsblatt des Landes Schleswig-Holstein (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2010 Nr. 21/22, S. 389 f.) gemäß § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VereinsG, sind erfüllt.

88

Der Beklagte durfte von einer Anhörung des Klägers vor Erlass der Verbotsverfügung absehen. Zwar ist grundsätzlich dem von einem Eingriff in seinen Rechten Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 87 Abs. 1 LVwG). Hiervon kann jedoch unter anderem abgesehen werden, wenn eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG). Diese Voraussetzungen lagen vor. Mit dem Verbot des Klägers ist, entsprechend der in § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG vorgesehenen Regel, auch die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens sowie Sachen Dritter verfügt worden. Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, der es dem Kläger ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen, und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war (vgl. BVerwG, std. Rspr., Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 f., beide Juris, m.w.N.). Angesichts der einer Anhörung hier entgegengehaltenen Gefahren war dem Kläger auch kein Recht zuzugestehen, sich durch entsprechende Dispositionen wie eine allein durch den drohenden Erlass des Verbots veranlasste Distanzierung von Mitgliedern auf diese vereinsrechtliche Maßnahme einzustellen, wie es der Kläger in Anspruch nimmt.

89

2. Die Verbotsverfügung ist insoweit rechtmäßig, als in ihr festgestellt wurde, dass der Zweck und die Tätigkeit des klagenden Vereines den Strafgesetzes zuwiderlaufen, und an diese Feststellung die in den nachfolgenden Ziffern 2 bis 5 ausgesprochenen rechtlichen Folgen geknüpft wurden. Der Senat ist zu dieser Überzeugung bereits aufgrund der Bewertung der Tatkomplexe gelangt, die Gegenstand der Verbotsverfügung waren, so dass es auf den mit dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag erstmals angesprochenen Sachverhaltskomplex einer Schutzgelderpressung gegenüber einer Flensburger Gastwirtin nicht ankam.

90

a) Die Zwecke und die Tätigkeit des Klägers laufen i.S.d. in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alt. GG den Strafgesetzen zuwider, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben.

91

Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, denn eine Vereinigung ist als solche nicht straffähig. Straffähig können nur natürliche Personen sein, da Strafbarkeit Schuldzurechnungsfähigkeit voraussetzt und diese nur natürlichen Personen zukommt. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Ergibt sich aus dieser eigenen Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln einer Vereinigung ein Verstoß gegen Strafgesetze, so ist der Verbotstatbestand erfüllt.

92

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Mitglieder der Vereinigung zugerechnet werden kann. Eine durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit muss den Charakter der Vereinigung prägen. Eine Vereinigung kann gleichzeitig verschiedene Zwecke, insbesondere neben dem satzungsmäßig ausgewiesenen legalen Zweck auch strafrechtsrelevante Ziele anstreben und durch das Verhalten ihrer Mitglieder verwirklichen. In diesem Falle ist es zur Erfüllung des Verbotstatbestandes nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht. Ebensowenig muss eine Strafgesetzwidrigkeit auf Dauer bestehen. Es genügt vielmehr, wenn eine Vereinigung erst im Laufe der Zeit strafgesetzwidrig wird oder die Strafgesetzwidrigkeit zeitlich begrenzt ist. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen, und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt. Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Die Einbeziehung dieser Fallkonstellation ist vor allem durch den Sinn des Verbotstatbestandes geboten: Mit ihm soll nicht die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich sanktioniert, sondern einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die in der Gründung oder Fortführung einer Organisation zum Ausdruck kommt, aus der heraus Straftaten geplant oder begangen werden. Derartige Organisationen bergen eine besondere Gefahr für die durch Strafgesetze geschützten Rechtsgüter in sich. Die ihnen innewohnende Eigendynamik und ihr organisiertes Sach- und Personalpotential erleichtern und begünstigen strafbares Verhalten. Zugleich wird das Verantwortungsgefühl des einzelnen Mitgliedes häufig gemindert, die individuelle Hemmschwelle zum Begehen von Straftaten abgebaut und der Anreiz zu neuen Straftaten geweckt. Eine derartige verbotsrelevante Hilfestellung muss nicht von vornherein auf die Begehung konkreter Straftaten ausgerichtet sein oder auf einem zuvor gefassten Vereinsbeschluss beruhen. Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten der Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten, gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre zu den Straftaten ihrer Mitglieder jederzeit den erwarteten Schutz (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275, Juris Rn. 15 f.; Beschl. v. 25.08.2008 - 6 VR 2/08 -, Juris Rn. 11; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, BVerwGE 80, 299, DVBl. 1989, 311 Rn. 38 f.). Im Falle der Überprüfung des 1983 erlassenen Vereinsverbotes gegenüber dem „Hell‘s Angels Motor-Club e.V.“ Hamburg hat das Bundesverwaltungsgericht die Zurechnung einzelner Straftaten unter anderem mit dem Gesichtspunkt begründet, dass die Straftaten in Vereinskluft begangen wurden und dadurch den Ruf des Vereins als besonders gewalttätige und brutale Rockergruppe begründet oder bestätigt hätten (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 50). Demgegenüber kommt es auf den in der Satzung niedergelegten Zweck (Motorradclub) nicht entscheidend an, da strafrechtliche Zwecke üblicherweise nicht offen gelegt werden. Soweit in der Vereinssatzung aber der Grundsatz der Solidarität ausdrücklich als Vereinszweck genannt wird, kann dies als Ausdruck der unter den Mitgliedern angestrebten umfassenden Solidarität gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 43).

93

Der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder kann sich auch daraus ergeben, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 32, Juris Rn. 12). Eine Prägung des betreffenden Vereins durch ihm zuzurechnende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern liegt insbesondere dann nahe, wenn es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktionen handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, sowie Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.) oder wenn entsprechende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern in großer Zahl sowie auch noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder erfolgen (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009, a.a.O.). Ein prägender Charakter kann sich auch daraus ergeben, dass die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, a.a.O.).

94

Ein Verbot wegen Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins setzt eine vorherige strafrichterliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Ebenso wenig besteht eine materielle oder formelle Bindung an die rechtliche Würdigung eines bereits ergangenen Strafurteils. Die Strafgesetzwidrigkeit ist von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.; Urt. v. 18.10.1988, a.a.O.; std. Rspr.).

95

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung ist derjenige ihres Erlasses. Zur Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit können, wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht, zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986; Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.1992 - 1 S 3626/88 -; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06/52 - sowie Beschl. v. 20.09.2006 - 4 AS 06.2036 -, alle in Juris). Berücksichtigungsfähig können auch Gesichtspunkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung nach Ergehen der Verbotsverfügung sein, soweit sie eine vor Erlass der Verbotsverfügung begangene Straftat betreffen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 38). Andererseits bietet Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG aber keine Grundlage für die Berücksichtigung von Veränderungen, die der Verein nach seinem Verbot vornehmen möchte, um dessen Voraussetzungen entfallen zu lassen. Solche nach Erlass der Verbotsverfügung geschaffenen Tatsachen können keine Wirkungen auf die Sachlage zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Verbotsbescheides mehr entfalten. Dem Verein sind im Übrigen Aktivitäten, soweit sie nicht die Rechtsverteidigung gegen das Vereinsverbot betreffen, und damit auch organisatorische Umgestaltungen, untersagt.

96

In Konkretisierung der genannten, aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG abgeleiteten Maßstäbe hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 VereinsG ausdrücklich ergänzende („auch“) Maßstäbe für die Zurechnung von Handlungen von Mitgliedern zum Verein festgeschrieben, wonach ein Verbot auch dann auf Handlungen von Mitgliedern gestützt werden kann, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu der Zielsetzung des Vereines besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Eine Erweiterung oder Einschränkung der zu Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 VereinsG in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe liegt in dieser ausdrücklich zur Schließung einer Regelungslücke getroffenen ergänzenden gesetzgeberischen Regelung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 45) jedoch nicht. Die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG sind in der Verfassung abschließend benannt; der Gesetzgeber darf keine zusätzlichen Verbotsgründe einführen (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Komm. zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 63; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot - Dogmatik und Praxis des Art. 9 Abs. 2 GG, Baden-Baden 2005, S. 115).

97

b) Eine Strafgesetzwidrigkeit des klagenden Vereins lässt sich vorliegend anhand der dargestellten Maßstäbe bereits in ausreichender Weise aus einer Zurechnung der Straftat des damaligen Präsidenten des Klägers, A., vom 12. September 2009 - Nr. 5 in der Verbotsverfügung - ableiten. Wegen dieser Tat ist A. mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden. Die Tat und die sie begleitenden Umstände weisen ausweislich der Urteilsgründe einen eindeutigen Vereinsbezug auf. Der Tathergang gestaltete sich nach den rechtskräftigen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Flensburg wie folgt:

98

Am 12. September 2009 hielt sich eine Gruppe der im Frühjahr 2009 in Neumünster gegründeten „Bandidos“, welche mit zeitgleicher Verfügung des Beklagen verboten worden sind, auf dem Rückweg von einer Ausfahrt nach Dänemark um 22.55 Uhr an einer Tankstelle unweit der BAB 7 bei Flensburg auf. Dort wurden die mit Kutten bekleideten „Bandidos“ durch ein Mitglied oder einen Unterstützer der Flensburger „Hells Angels“ beobachtet und es erfolgte über ein Mobiltelefon eines damaligen Mitgliedes des Klägers eine entsprechende Meldung an A. in seiner Funktion als Präsident. Dieser führte binnen weniger Minuten diverse Mobilfunkgespräche mit weiteren Vereinsmitgliedern mit dem Ziel, diese schnell an die BAB 7 heranzuführen, um den als solchen empfundenen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ zu sühnen. A. begab sich mit seinem Pkw an die Autobahnauffahrt Flensburg-Harrislee, wo um ca. 23.20 Uhr der Konvoi der „Bandidos“ eintraf, und befuhr hinter der Gruppe der „Bandidos“ die BAB 7, wobei ihm ein Pkw Golf folgte, der auf das Mitglied der „Hells Angels Flensburg“ V. zugelassen war. Im Bereich einer Baustelle, in der die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herabgesetzt war, näherte sich der PKW des A. dem Motorrad des „Bandidos“-Mitglieds K. und berührte dieses kurz mit dem Vorderrad. Dabei brachen die linke Fußraste des Motorrades und das Schaltgestänge, sodass das Getriebe des Motorrades nicht mehr geschaltet werden konnte. Etwa 170 m weiter unternahm der geschädigte Motorradfahrer der „Bandidos“ eine Vollbremsung und stürzte mit dem Motorrad auf die rechte Seite, wobei er lebensgefährlich verletzt wurde. A. flüchtete mit hoher Geschwindigkeit, stellte nur wenige Minuten später sein Fahrzeug nahe einem sein Vertrauen genießenden Motorrad-Reparaturbetrieb in XXX Stadt. ab und wurde gegen 0.22 Uhr in dem 25 km entfernten Flensburg festgestellt. Ein bis zwei Minuten nach dem Sturz des „Bandidos“ K. erreichte das Mitglied des Klägers AH. in seinem Pkw Golf die Unfallstelle und wurde zusammen mit einem weiteren Unterstützer des Klägers aus der sog. „Flensburg-Crew“ Opfer einer massiven Gewaltattacke der über den Vorfall empörten „Bandidos“. Ihm wurden mehrere Messerstiche zugefügt, aufgrund derer er im Krankenhaus operativ versorgt werden musste.

99

Nachfolgend erreichte auch der Pkw des Mitglieds des Klägers V. die Unfallstelle, wendete fluchtartig über die niedrige Barriere zwischen den Fahrtrichtungen und verschwand in Richtung Norden.

100

Die Kammer des Landgerichts Flensburg hat in ihrem Urteil als Motiv der Tat eindeutig eine „Disziplinierung der feindlichen Rockergruppe“ identifiziert. Die „Bandidos“ hätten von weiteren „Gebietsverletzungen“ - in der Denkweise der beteiligten Rockergruppierungen - abgehalten und beeindruckt werden sollen, wobei diese Aufgabe, einen Denkzettel zu erteilen, von A. zur „Chefsache“ gemacht worden sei. Die Aktion habe eine Reaktion auf eine gezielte Provokation der „Bandidos“ dargestellt. Das Landgericht hat den Schädigungsvorsatz des Präsidenten A. gerade aus der Motivation und Entschlossenheit der Vereinigung der Flensburger „Hells Angels“ abgeleitet, keine Gebietsverletzungen zu dulden und als Ausfluss einer kompromisslosen Haltung auch schwere Verletzungen des Gegners notfalls hinzunehmen (S. 42 d. UA). Ein Tabu der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität der Mitglieder der feindlichen Gruppe scheide wegen des Verständnisses, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen sich besonders maskulin und machohaft gebärdenden Männern handele, aus. Eine Schädigung des Feindes unterstreiche erst recht die mit der Aktion bezweckte Botschaft. Bei der Strafzumessung hat das rechtskräftige Urteil das Tatmotiv, der verfeindeten Rockergruppe den Gebietsanspruch um den Raum Flensburg aufzuzeigen und zu demonstrieren, dass Versuche, diesen in Frage zu stellen, sofort mit die körperliche Integrität oder sogar das Leben gefährdenden Aktionen beantwortet werden würden, in erheblicher Weise zu Lasten des damaligen Präsidenten A. gewertet.

101

In seiner Revisionsbegründungsschrift ist der Angeklagte den tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Landgerichts lediglich insoweit entgegengetreten, als er die Nachweisbarkeit seiner Täterschaft sowie eines Körperverletzungsvorsatzes in Zweifel gezogen hat. Die dargestellten Bezüge zur Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der mit ihm verfeindeten Rockergruppe der „Bandidos“ wurden im Rahmen des strafrechtlichen Revisionsverfahrens ebenso wenig in Abrede gestellt wie im vorliegenden Verfahren wegen Vereinsverbots.

102

Der Senat hält die tatsächlichen Feststellungen der strafgerichtlichen Verurteilung nach Auswertung der beigezogenen Verfahrensakten für nachvollziehbar und schließt sich ihnen an. Entgegenstehende Gesichtspunkte haben sich auch aus dem Vortrag der Beteiligten nicht ergeben. Die Tat wurde von dem höchsten damaligen Funktionsträger des Klägers, dem Präsidenten, im ausschließlichen Interesse des Vereins ausgeführt. Das Landgericht hat festgestellt, dass ein persönliches Motiv des A. gegenüber dem Geschädigten K. nicht ersichtlich war. Die Tat fand in Anwesenheit mehrerer, binnen kürzester Zeit zur nachtschlafender Zeit über Mobiltelefone heran beorderter weiterer Mitglieder und Unterstützer des Klägers statt und war im Übrigen durch eine Benachrichtigung einer namentlich nicht feststehenden, jedoch dem Mitglieder- oder Unterstützerkreis des Klägers zuzurechnenden Person ausgelöst worden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine strafrechtlich relevante Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers neben dem Präsidenten A. waren aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden zwar nicht gegeben, sodass die gegen sämtliche anderen Mitglieder des Klägers - bis auf den ortsabwesenden, per Mobiltelefon kontaktierten und für Disziplinierung eigentlich zuständigen „Sergeant at Arms“ M. - eingeleiteten Strafverfahren mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 04. Februar 2010 eingestellt wurde. In der Einstellungsverfügung heißt es insoweit, dass diese Mitglieder zwar vermutlich am Tatort gewesen seien, ein direkter Tat- oder Unterstützungsbeitrag könne ihnen aber nicht hinreichend sicher nachgewiesen werden und ein subjektiver Exzess des damaligen Beschuldigten A. sei nicht auszuschließen. Ausweislich der Strafverfahrensakten und des Strafurteils des Landgerichts Flensburg haben sich jedoch sämtliche weiteren Mitglieder des Klägers - bis auf M. - im Rahmen des Strafverfahrens auf ihr Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Das Landgericht Flensburg hat im Urteil ihre Beteiligung an der Tat ausdrücklich für möglich gehalten und daher ein Aussageverweigerungsrecht als gegeben erachtet.

103

Die Tat, die von dem damaligen obersten Funktionär des klägerischen Vereins begangen worden ist, wurde im vereinsrechtlichen Sinne ermöglicht und unterstützt durch eine binnen weniger Minuten erfolgte gemeinsame Willensbildung, indem der Vereinspräsident mehrere Mitglieder und Unterstützer über Handy an die Autobahnauffahrt heran kommandierte und gleichzeitig mit einem Informanten Kontakt hielt, der den Aufenthaltsort des „Bandidos“-Konvois mitteilen sollte. Die diesbezüglichen Kommunikationsvorgänge werden durch den im strafrechtlichen Ermittlungsvorgang befindlichen Auswertebericht über Telefonüberwachungsmaßnahmen im Tatzeitraum sowie den zusammenfassenden Ermittlungsbericht des LKA vom 04. Dezember 2009 belegt. Durch Telefonüberwachungsauswertebericht vom 07. Dezember 2009 ist darüber hinaus dokumentiert, dass A. noch zwei Monate nach der Tat im Austausch mit weiteren Mitgliedern des klägerischen Vereins stand, welche Vorladungen zu einer polizeilichen Vernehmung über die Tat erhalten hatten, und dass er in diesem Kreis nach wie vor über Autorität verfügte, um eine gemeinsame Linie zum Aussageverhalten (Nichterscheinen bei der polizeilichen Vernehmung) auszugeben. Dieser Umstand wurde unter anderem im Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 25. März 2010 über die Kommunikationsüberwachung des inhaftierten damaligen Angeschuldigten A. als Anhaltspunkt für eine bestehende Gefahr der Beeinflussung vorgeladener Zeugen durch den Angeschuldigten gewürdigt. Dies spricht dafür, dass A. nach wie vor und trotz der bei den Mitgliedern bestehenden Kenntnis über die genauen Umstände der Tat über Rückhalt im klägerischen Verein verfügte und die Tat durch die Mitglieder jedenfalls widerspruchslos hingenommen, wenn nicht sogar gebilligt wurde. Eine Distanzierung der übrigen Mitglieder von ihm als Täter der gravierenden Straftat hätte jedenfalls zeitnah zur Tatbegehung erfolgen müssen, um vereinsrechtlich ins Gewicht zu fallen. Hier war sie unter Berücksichtigung der gemeinsam entwickelten Aussagestrategie der betroffenen Vereinsmitglieder in den eingeleiteten Ermittlungsverfahren nicht zu erkennen.

104

Angesichts der elementar dem gemeinsamen Selbstverständnis des Vereins entsprungenen Ausführungen und Organisation der Tat, der intensiven Kommunikation und des Zusammenwirkens mehrerer Mitglieder sowie der über Monate andauernden Aufrechterhaltung der Organisationstruktur des Klägers nach der Tat, was die Position des Präsidenten anbelangt, kommt dem gesamten Ereignis eine für den klägerischen Verein prägende Funktion zu. Ohne den Macht- und Geltungsanspruch des Vereins hätte es die Tat nicht gegeben, ohne die schlagkräftige Organisationsgewalt innerhalb des Vereins wäre die Tatausführung nicht in dieser Weise erfolgt und die Geschlossenheit der von den Ereignissen berührten Mitglieder hielt in einer grundlegenden Weise auch nach der Tat an.

105

Angesichts der durch die Tat am 12. September 2009 dokumentierten organisierten und vom Willen der Vereinsmitglieder getragenen, die Anwendung von Gewalt im vereinsrechtlichen Sinne billigend in Kauf nehmenden massiven Machtentfaltung des klägerischen Vereins unmittelbar im Vorfeld der Verbotsverfügung begründet das Ereignis bereits für sich genommen einen hinreichenden Anlass für das Verbot des Klägers wegen strafgesetzwidriger Zwecke und strafgesetzwidriger Tätigkeit. Im Hinblick auf diesen Verbotstatbestand ist die Tat derart einschlägig, schwerwiegend und zentral und dokumentiert die durch ein Vereinsverbot zu begrenzende Gefahr einer weiteren, Rechtsgüter gefährdenden Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Vereinigungen, dass es einer Zurechnung strafrechtswidriger weiterer Verhaltensweisen der Mitglieder an den Verein nicht mehr bedürfte, um das Vereinsverbot zu stützen. Auch ein singuläres Geschehen, eine einzelne Straftat kann schon ausreichen, um daraus das Vorliegen der Voraussetzungen für einen vereinsrechtlichen Verbotsgrund abzuleiten (vgl. auch Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 155).

106

c) Darüber hinaus treten hier jedoch weitere in der Verbotsverfügung aufgeführte Taten, die dem Verein zurechenbar sind, zur Untermauerung des Verbotsgrundes des Zuwiderlaufens der Vereinigung gegen Strafgesetze hinzu:

107

aa) Mehrere Mitglieder des Klägers sind durch waffenrechtliche Straftaten aufgefallen, bei denen sie teilweise auch zusammen auftraten; des Weiteren bestehen wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass sie mit einem in Flensburg aufgefundenen Waffenarsenal bedeutenden Ausmaßes in Verbindung standen.

108

aaa) Der zur Tatzeit bereits als Präsident des klägerischen Vereins eingesetzte A. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten wegen Verstoßes gegen §§ 52 Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz verurteilt (Nr. 2 in der Verbotsverfügung), nachdem im Februar 2008 bei einer Durchsuchung in seiner Wohnung eine halbautomatische Selbstladepistole der Marke „Sig-Sauer P 225“ - einer funktionsfähigen scharfen Schusswaffe - mit ausgefräster Individualnummer und 50 Patronen passender Munition festgestellt worden war, für welche A. keine waffenrechtliche Erlaubnis besaß. Strafschärfend berücksichtigte das Gericht die erhebliche Menge an aufgefundener Munition. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränke Berufung des Angeklagten stelle das Landgericht Flensburg das Verfahren mit Beschluss vom 08. Juni 2009 im Hinblick auf die Verurteilung durch ein Schöffengericht in Flensburg vom 23. Januar 2008 wegen versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil die Strafe neben der anderweitig verhängten Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fiel.

109

bbb) Der damalige Treasurer S. wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wegen unerlaubten Munitionsbesitzes (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz) in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt (Nr. 7 in der Verbotsverfügung), wobei einer der beiden Fälle die Lagerung von 500 Patronen „Remington Automatic“ Kaliber 45, 20 Patronen Übungsmunition und eine weitere Patrone des Kalibers 7 ohne waffenrechtliche Erlaubnisse im Januar 2010 betraf. Der weitere mit einbezogene Fall betraf einen erst in Vollzug der Vereinsverbotsverfügung festgestellten Munitionsbesitz. Der Angeklagte S. hatte seinen Einspruch gegen den wegen des Vorfalls vor Erlass des Vereinsverbotes ergangenen Strafbefehl auf die Rechtsfolgenseite beschränkt; diesen Munitionsbesitz hatte das Gericht ausweislich der Strafzumessungserwägungen als schwerwiegender angesehen als den nachfolgenden Munitionsbesitz. S. hatte bei Auffinden der Munition angegeben, er sei Mitglied im Schützenverein in Schleswig und bewahre seine eigene Munition zu Hause auf. Im Rahmen der Hauptverhandlung gab er an, er habe die Munition aus Platzgründen nicht im Schützenverein lagern können. Er sei schon zwei Jahre nicht mehr in dem Verein gewesen.

110

ccc) Konkrete Belege für dem klägerischen Verein zurechenbare waffenrechtliche Straftaten von Mitgliedern des Klägers haben sich auch aus dem unter Nr. 6 der Verbotsverfügung aufgeführten Auffinden eines umfangreichen Waffenarsenals bei einem Flensburger Gewerbetreibenden am 02. November 2009 ergeben. In einem Umkleideraum des Gewerbebetriebes in einem Spind sowie in einer Garage wurden vier Stangen eines vom Landeskriminalamt als brisant eingestuften, sowohl militärisch als auch gewerblich verwendbaren Sprengstoffs aufgefunden, darüber hinaus mehrere funktionsfähige Maschinengewehre, doppelläufige Flinten, Pumpguns, ein Sturmgewehr, mehrere Revolver sowie zugehörige Munition. Mehrere dieser Waffen sind nach den Ermittlungsergebnissen des LKA als Kriegswaffen im Sinne der Anlage zu § 1 Abs. 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KrWaffKontrG) einzustufen. Kriminaltechnische Ermittlungen des LKA haben nach den in dem Ermittlungsvorgang der Staatsanwaltschaft A-Stadt befindlichen behördlichen Gutachten, zusammengefasst im Auswertebericht des LKA vom 03. Dezember 2010, im Wege der DNA-Analyse den Nachweis zweier S. zuzuordnender telogener (ausgefallener) Haare an einem Patronengurt, der der Erlaubnispflicht nach § 2 Waffengesetz unterliegt, erbracht. Fingerabdruckspuren von S. wurden durch Gutachten des LKA vom 05. Juli 2010 an einem silberfarbenen Koffer, in welchem sich eine Maschinenpistole befand, an Plastikeinsätzen von Munitionsbehältnissen, Fingerabdrucksspuren des C. V. sowie des A. an der Bedienungsanleitung zu einer Pistole (Gutachten des LKA v. 15.07.2010) sowie Fingerabdrücke des J. an einem schwarzen Müllsack bei den Waffen (LKA-Gutachten v. 15.07.2010) nachgewiesen.

111

Auf einen deutlichen Vereinsbezug dieses umfangreichen und schwerwiegenden Waffenfundes deuten nach den Unterlagen in dem strafrechtlichen Ermittlungsvorgang auch Telefonate mehrerer Mitglieder des Klägers noch während der Untersuchung am 02. November 2009 sowie in den Tagen danach, darüber hinaus auch Aussagen des Inhabers der betreffenden Betriebsstätte des Auffindeortes hin. Der Gewerbetreibende, bei dem die Waffen gefunden wurden, hatte nach Unterrichtung über die beabsichtigte Durchsuchung die Polizeibeamten ungefragt darauf verwiesen, er könne nicht ausschließen, dass „zwielichtige Personen“ - nämlich Mitglieder der „Hells Angels“ - in seinen Räumlichkeiten Waffen lagerten. Auf Nachfrage nannte der Gewerbetreibende ausweislich des Auswerteberichtes des LKA vom 10. November 2009 S., A., M. und J.. Noch während der laufenden Durchsuchungsmaßnahme erhielt S. eine telefonische Nachricht hierüber von einer Angestellten des Betriebes; die Durchsuchung führte noch vor ihrem Abschluss zu Telefonaten u.a. zwischen A. und S. sowie A. und M. und wurde darin thematisiert. Aufgrund des Waffenfundes wurde weitere Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt, die am 06. Januar 2010 umgesetzt wurden; in ihrem Zuge wurde im Clubhaus des Klägers u.a. in der Küche der Mitglieder M. und J. eine Handgranate mit Zünder gefunden.

112

Wegen der in Betracht kommenden Straftatbestände ist nach Mitteilung des Beklagten zwar auch aktuell noch keine Anklage erhoben worden, weil noch weitere Untersuchungen durch das Bundeskriminalamt abgewartet werden müssten. Die Frage, wem die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die aufgefundenen Kriegswaffen gemäß § 22 a Abs. 1 KrWaffKontrG in strafrechtlicher Hinsicht zuzuordnen sein wird, ist somit derzeit noch nicht geklärt. Angesichts der deutlichen, mehrere Mitglieder des Vereins und deren Kommunikation untereinander umfassenden Bezüge des Waffenarsenals zum Kläger ist die hohe strafrechtliche Relevanz des Waffenarsenals jedoch in die vereinsrechtliche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit einzubeziehen. Dabei geht der Senat aufgrund der geschilderten Ermittlungsergebnisse davon aus, dass mehrere mit herausgehobenen Funktionärstätigkeiten betraute Vereinsmitglieder Kenntnis von den aufgefundenen Waffen hatten und mit ihnen unmittelbar in Kontakt gekommen waren, wobei der Kontakt mit einer Bedienungsanleitung und mit Munition in diesem Zusammenhang hinreichend aussagekräftig ist.

113

ddd) Der den Mitgliedern des Klägers S., Y., AH., M. und V. vorgeworfene Besitz sogenannter Delta-Darts mit zugehöriger Scheide (Nrn. 4 und 8 in der Verbotsverfügung) begründete zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verbotsverfügung hingegen jedenfalls keine Verhaltensweise, die dem Kläger vereinsrechtlich als strafrechtswidrige Tätigkeit von bedeutsamem Gewicht zugerechnet werden könnte. Den Mitgliedern S., Y., AH. sowie dem in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht genannten Mitglied AB. wurde ein derartiger, um den Hals der jeweiligen Person hängender Delta-Dart mit Scheide von der schweizerischen Polizei abgenommen, als sie gemeinschaftlich am 18. Dezember 2009 in einem Pkw die schweizerische Grenze überqueren wollten. Eine waffenrechtliche Untersuchung der schweizerischen Polizei ergab im Januar 2010, dass es sich hierbei um einen nach schweizerischem Recht verbotenen Gegenstand handele. Ein Delta-Dart mit Scheide ist - wie sich aus einer Fahndungsinformation des Regierungsbezirks Freiburg vom 16. Dezember 2009 aus dem schweizerischen Ermittlungsvorgang ergibt - nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Füllfederhalter getarnt und somit als Waffe nicht erkennbar, zudem aufgrund seiner Beschaffenheit und Auslegung im Rahmen einer sog. „Nachtschattenserie“ des Herstellers bei Kontrollen durch Metalldetektoren nicht feststellbar. Die betroffenen Mitglieder hatten als Zweck des Mitsichführens eine Eigensicherung angegeben und waren von der schweizerischen Polizei als Mitglieder der „Hells Angels“ eingeordnet worden. Bei den Mitgliedern M. und V. wurde jeweils ein Delta-Dart bei Durchsuchungen am 06. Januar 2010 in ihren Wohnräumen - wobei sich die Wohnung des Mitglieds M. im Clubhaus des Klägers befand - festgestellt und als Zweck des Besitzes ebenfalls angegeben, die Waffe diene als Verteidigungsmittel. Beide Mitglieder beriefen sich auf ihre subjektive Überzeugung, die Waffe besitzen zu dürfen. Die sie betreffenden Ermittlungsverfahren wurden, wie auch die von der schweizerischen Polizei geführten Verfahren, durch das Strafgericht bzw. die Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Einstellung durch den Untersuchungsrichter des Kantons Schaffhausen in Bezugsfall 4 der Verbotsverfügung erfolgte nach schweizerischem Recht wegen geringen Unrechts der Tat, geringen Verschuldens und unbedeutender Tatfolgen; die Einstellung des Verfahrens gegen C V. durch die Staatsanwaltschaft Flensburg im Juli 2010 (Bezugstat Nr. 8 in der Verbotsverfügung) erfolgte ausdrücklich unter Hinweis auf die nicht abschließend geklärte Rechtslage. Im Verfahren gegen M. erfolgte die Verfahrenseinstellung durch das Amtsgericht Flensburg gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld und mangelndem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung im November 2010, nachdem im Verfahren sowohl ein Behördengutachten des Landeskriminalamtes vom 21. Dezember 2009 mit dem Ergebnis, es handele sich bei dem Delta-Dart mit Scheide um eine verbotene Waffe im Sinne von § 2 Abs. 3 Waffengesetz in Verbindung mit deren Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.1, als auch ein gegenteiliges Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008, wonach es sich bei dem gegenständlichen Delta-Dart nicht um einen verbotenen Gegenstand handele, vorgelegt worden waren. Bis zur nach dem Verbotszeitpunkt liegenden Verfügung des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 bestanden nach bundesdeutscher Rechtslage jedenfalls Zweifel an einer Strafrechtswidrigkeit des Besitzes dieser Hieb- und Stichwaffe. Das Bundeskriminalamt war gemäß §§ 2 Abs. 5, 48 Abs. 3 Waffengesetz nur dann für die Entscheidung über eine Einstufung des Delta-Darts als verbotene Waffe zuständig, wenn Zweifel darüber bestanden, ob dieser Gegenstand vom Waffengesetz erfasst werde oder wie er einzustufen sei. Feststellungsbescheiden des Bundeskriminalamtes nach § 2 Abs. 5 Waffengesetz kommt kein Rechtsnormcharakter zu, vielmehr stellen sie Allgemeinverfügungen im Sinne von § 35 Satz 2 VwVfG des Bundes dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2009 - 6 C 21/08 -, NVwZ-RR 2009, 838; Gade/Stoppa, Kommentar zum Waffengesetz, 2011, § 2 Rn. 10). Selbst wenn danach die objektive Strafrechtswidrigkeit des Besitzes von Delta-Darts durch die oben genannten Mitglieder des Klägers vor Erlass des Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes und vor Erlass der Verbotsverfügung nicht ausgeschlossen ist, mindert die in dem vorherigen Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008 enthaltene waffenrechtliche Bewertung das vereinsrechtlich anzusetzende Gewicht einer solchen möglichen objektiv-rechtlichen Übertretung des Strafrechts in erheblichem Maße.

114

Insgesamt weisen die waffenrechtlichen Verstöße von teilweise in Führungspositionen befindlichen Mitgliedern des klägerischen Vereins eine für die Vereinstätigkeit und seine Zielsetzung prägende Tendenz auf, da sie nach Überzeugung des Senats jedenfalls auch der Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Rockergruppen gedient haben, in dichter zeitlicher Abfolge und trotz vorhergehender strafrechtlicher Ermittlungen wegen bzw. Ahndung von anderen Waffendelikten erfolgten und ein anderweitiger Zweck als derjenige der Verwendung im Zusammenhang mit Vereinstätigkeiten nicht erkennbar war. Auch S. hatte nach eigenen Angaben zwei Jahre lang nicht mehr den Sportschützenverein besucht, für den er die bei ihm festgestellte Munition erheblichen Ausmaßes bei sich gelagert haben wollte. Ein vereinsrechtlich prägendes Zusammenwirken zeigt sich nicht zuletzt im Rahmen des noch nicht abschließend strafrechtlich aufgeklärten Flensburger Waffenfundes, dessen Dimension zugleich ein ganz erhebliches Gefahrenpotential des klägerischen Vereins verdeutlicht.

115

bb) Von einem Vereinsbezug ist auch bei der mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 abgeurteilten und unter Nr. 2 der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftat einer versuchten räuberischen Erpressung seitens des A. durch Forderung eines Schutzgeldes gegenüber einem neu eröffneten Tätowierladen in Flensburg auszugehen, auch wenn das Strafurteil sich hierzu nicht verhält. Der Täter A. ist von dem geschädigten Inhaber des Tätowierladens ausweislich der Strafanzeige vom 15. April 2006 unmittelbar den „Hells Angels“ zugeordnet worden und es ergaben sich auch aus den Angaben des geschädigten Geschäftsinhabers durchaus Bezüge zu dem klägerischen Verein. Dieser hatte angegeben, bereits vor seiner Geschäftseröffnung mit den „Hells Angels“ in Flensburg Kontakt aufgenommen zu haben und eine von diesen geforderte Bargeldsumme in Höhe von monatlich 500,-- Euro zum Zwecke einer „gütlichen Einigung“ über die konkurrierenden Geschäftsbereiche im Tätowiergewerbe nicht aufbringen zu können. Dem Geschädigten sei dann drei Wochen nach Ladeneröffnung gesagt worden, dass er kein Geschäft eröffnen dürfe. Auch in seiner Zeugenvernehmung vom 15. April 2006 wies der geschädigte Geschäftsinhaber auf die Mitgliedschaft des ihn aufsuchenden Täters in der Rockergruppe „Hells Angels“ sowie darauf hin, dass der Inhaber des konkurrierenden Tätowiergeschäftes Kontakte zu den „Hells Angels“ habe. Die Tat ist daher auf dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Betätigungsbereichs des klägerischen Vereins zu sehen; ein persönliches Motiv des Vereinspräsidenten A. bei der Verwirklichung der Straftat ist nicht ermittelt worden. Dass geschäftliche Beziehungen von „Hells Angels“-Vereinen in Schleswig-Holstein zur Tätowierszene bestehen, ist im Übrigen allgemein bekannt. Dass dieser im Fall der Tat Nr. 2 konkret durch Zeugenaussage belegte Aspekt in den strafrechtlichen Ermittlungen sowie in der Begründung des Vereinsverbotes und der diesbezüglichen Argumentation des Beklagten während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Rolle gespielt hat, entfaltet für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung keine einschränkende Wirkung.

116

cc) Demgegenüber ist ein Vereinsbezug der unter Nr. 1 der Verbotsverfügung aufgeführten, am 07. September 2008 auf einem Bürgerfest in Leck von dem Vereinsmitglied D. begangenen Körperverletzung bereits aufgrund ihrer singulären Begehungsweise und des rein persönlichen Hintergrundes eher zweifelhaft. Zwar hat der von D. niedergeschlagene Mann nach dem Polizeibericht vom Tattag noch im Rettungswagen, in dem er versorgt wurde, ausgesagt, der Angreifer habe eine Lederkutte mit der Aufschrift „Hells Angels“ getragen, was dagegen spricht, dass die Kutte unter einer weiteren Jacke verborgen gewesen sein soll - wie der Kläger vorträgt -, und einen Anhaltspunkt für einen Vereinsbezug der Tat liefern könnte. Andererseits hat die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts Niebüll am 29. Juli 2009 ergeben, dass es zu der Körperverletzung infolge eines heftigen Wortwechsels zwischen dem Geschädigten und der polnischen damaligen Freundin des D., die er nach eigener Aussage vor dem Geschädigten schützen wollte, gekommen war. Weitere Mitglieder der „Hells Angels“ waren nicht zugegen, und angesichts der aus einer rein persönlichen Konfrontation erwachsenen Tat des Mitgliedes D. kann nicht schon deshalb von einer nachträglichen Hinnahme durch den Verein ausgegangen werden, weil dieser sich nicht erkennbar von der Tat distanziert hat.

117

dd) Auch bei der unter Nr. 3 der Verbotsverfügung genannten Steuerstraftat des Vereinsmitglieds J. vom 05. Juni 2009, die zu dem Erlass eines rechtskräftigen Strafbefehls vom 03. Februar 2010 durch das Amtsgericht Flensburg führte, handelt es sich um eine eher in der persönlichen Sphäre des Täters angesiedelten Tat, bei der ein Vereinsbezug aus Sicht des Senats Zweifeln unterliegt. Insbesondere geht aus dem Ermittlungsvorgang nicht hervor, ob es sich bei dem namentlich nicht benannten Fahrer des Kfz, in welchem die unverzollten Zigaretten gefunden wurden, um eine Person aus dem Verein oder dessen Umfeld gehandelt hat. Konkrete Feststellungen des Beklagten oder der Strafverfolgungsbehörden, dass der klägerische Verein aus dem Handel mit unverzollten Zigaretten einen wirtschaftlichen Gewinn zog oder diesen überhaupt als eigenen Tätigkeitsbereich förderte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

118

ee) Auch die unter Nr. 9 der Vereinsverbotsverfügung aufgeführte, mit einem Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 28. Oktober 2011 rechtskräftig mit einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro bestrafte Steuerverkürzung durch das Vereinsmitglied Y. im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 ist als eher individuell geprägte Straftat dem Verein nicht zweifelsfrei zuzurechnen. Die Tat bezog sich auf eine im Jahr 2005 aufgegebene, vom Mitglied des Klägers Y. sowie einer weiteren Person, die nicht Vereinsmitglied war, als Gesellschafter betriebene Motorrad-Werkstatt, in der Motorräder teilweise aus gestohlenen Teilen zusammengebaut und verkauft wurden. Die Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen wiesen die Erlöse aus der Herstellung und Veräußerung der Neuaufbauten nicht vollständig aus, vielmehr wurde eine gesonderte „zweite Kasse“ geführt, wodurch auch die Herkunft der verwendeten Fahrzeugteile verschleiert werden sollte, soweit sie durch Straftaten erlangt worden waren. Dass weitere Vereinsmitglieder in die Beschaffung von Teilen oder in die durch den Strafbefehl sanktionierte Praxis der Buchführung und Angaben gegenüber dem Finanzamt verwickelt gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Zudem lagen der Betriebszeitraum der Werkstatt sowie die steuerlichen Veranlagungszeiträume mehrere Jahre vor dem Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung, sodass es wegen der gefahrenabwehrenden Intention des Verbotstatbestandes wohl eines weiteren inhaltlichen Bindegliedes zur Prägung von Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereines im Verbotszeitpunkt bedurft hätte.

119

d) Soweit die Kläger zuletzt vorgetragen haben, dass die Mitglieder A., J., V. und AH. im Januar bzw. September 2010 bzw. (V.) im Februar 2011 aus dem klägerischen Verein ausgeschieden seien, steht dies einer Zurechnung der den Verbotsgrund bereits für sich tragende Straftat Nr. 5 vom September 2009 nicht entgegen. Diese ist vor dem zuletzt vom Kläger vorgetragenen Datum des Ausscheidens von A. begangen worden; eine zeitnahe Distanzierung des Vereins war nicht erfolgt (s.o.). Was etwaige Vereinsaustritte oder -ausschlüsse nach April 2010 betrifft, so kann eine vereinsrechtliche Zuordnung strafgesetzwidriger Verhaltensweisen durch Ausscheiden aus dem Verein nach dem Zeitpunkt des Erlasses der Vereinsverbotsverfügung nicht mehr unterbrochen werden, weil sich in ihr keine Abkehr von einer zuvor geübten Unterstützung oder Verwirklichung strafgesetzwidriger Zwecke oder Tätigkeiten dokumentiert. Nach Verbot und Auflösung eines Vereins besteht dieser lediglich beschränkt auf den Zweck der Rechtsverteidigung gegenüber dem Verbot fort. Für eine weitere Tätigkeit und somit auch für deren Befürwortung oder Ablehnung seitens der Mitglieder ist daher kein Raum mehr (s.o.). Hierin liegt nicht etwa eine unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit bedenkliche Beschneidung von Dispositionsbefugnissen des klägerischen Vereins, sondern eine an der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Rechtsfolge der Auflösung eines verbotenen Vereins orientierte, der Gefahrenabwehr dienende Rechtsfolge. Im Übrigen fehlt es an glaubhaften Darlegungen, dass die Vereinsaustritte bzw. -ausschlüsse tatsächlich bereits zu den vorgetragenen Zeitpunkten erfolgt sind. Ein gewichtiges Gegenindiz liegt darin, dass die Vereinsmitglieder A. und J. noch am 05. Mai 2010 gemeinsam mit allen anderen Vereinsmitgliedern eine schriftliche Vollmacht zur Klageerhebung im vorliegenden Verfahren ausgestellt haben und in der Klagebegründung als Mitglieder bezeichnet worden sind, das Vereinsmitglied J. darüber hinaus auch den derzeitigen klägerischen Anwalt mit schriftlicher Vollmacht vom 26. März 2012 mandatiert hat.

120

3. Dagegen erweist sich die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung, dass sich der klägerische Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, als nicht hinreichend tragfähig und damit rechtswidrig. Sie ist demzufolge aufzuheben.

121

a) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sonder eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt (BVerwG, std. Rspr., vgl. Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 13 f.; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, NVwZ-RR 2009, 803; Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwG 134, 275 f., Juris Rn. 44 f; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986). Auch das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland gehört zu der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, welche eine der Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002, a.a.O., Juris Rn. 37). Ein durch eine eigene Ordnung mit Maßnahmen der Gewaltausübung zu deren Sicherung verbundener Herrschaftsanspruch, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entgegengesetzt wird, kann eine kämpferisch-aggressive Weise der Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen, wenn etwa systematisch die Legitimität der verfassungsmäßigen Ordnung bestritten wird und Anhänger der eigenen propagierten Ordnung geschult, indoktriniert und zu Verfassungsfeinden herangezogen werden (vgl. ebd., Rn. 42).

122

In der Verbotsverfügung wie auch ergänzend durch den Vortrag des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Erfüllung dieses Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Wesentlichen mit einer Auffassung des klägerischen Vereins begründet worden, zur Durchsetzung seiner Zielen legitimerweise Gewalt anwenden zu dürfen und das staatliche Gewaltmonopol zu durchbrechen, weiterhin mit der gegen den Menschenwürdegrundsatz verstoßenden „Abstrafung“ von Abweichlern gegenüber dem Herrschaftsanspruch des Vereins sowie, nunmehr als nachrangig bezeichnet, mit dem System einer Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder im Rahmen des sog. „Defense Fund“. Staatliche Sanktionen würden dadurch abgemildert und dem Gewaltmonopol des Staates eine Absage erteilt. Der klägerische Verein habe den Anspruch, partielle eine eigene, an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung tretende Ordnung zu entfalten und durchzusetzen.

123

Für das Vorliegen des zusätzlichen Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung trägt der Beklagte die materielle Beweislast.

124

Die aus den zum Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit als tragend bzw. ergänzend angeführten strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder des Klägers, welche ihm zuzurechnen sind, belegen zwar eine Bereitschaft, Vereinsziele erforderlichenfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Eine kämpferisch-aggressive Verfolgung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteter Ziele liegt in diesen konkret beim Kläger festgestellten Verhaltensweisen jedoch nach Auffassung des Senats noch nicht. Die für den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung unerlässliche Komponente einer aktiven Bekämpfung muss sich nämlich gerade gegen die für staatliche Strukturen grundlegende Prinzipien richten. Sie liegt nicht bereits vor, wenn eine Gewaltbereitschaft gegenüber anderen privaten Personen oder Gruppierungen festgestellt wird. Andernfalls wären weite Teile der organisierten Gewaltkriminalität deckungsgleich mit Bestrebungen, die sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solch weites Verständnis des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist aus Sicht des Senates weder gerechtfertigt noch notwendig, da die in einer Gewaltanwendung liegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bereits durch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit abgedeckt wird. Vielmehr bestehen für die Feststellung des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG hohe Hürden, die über die reine Strafrechtswidrigkeit eines Vereins hinausgehen. Zu einem im Sinne der angegriffenen Verbotsverfügung weit greifenden Verständnis dieses Verbotsgrundes veranlasst auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot des sog. „Kalifatstaates“, im Rahmen derer fachgerichtlich eine kämpferisch-aggressive Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele bejaht worden und dieses vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben war (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 02.10.2003 - 1 BvR 536/03 -, BVerfGK 2, 22, Juris Rn. 22 f.). Der in diesem Einzelfall festgestellte Anspruch des verbotenen Vereins, legitimerweise Gewalt anstelle einer staatlichen Ordnung ausüben zu dürfen, wurde höchstrichterlich auf dem Hintergrund eines betonten Selbstverständnisses des Vereins „Kalifatstaat“ gewürdigt, einen Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) unter gänzlicher Verdrängung der staatlichen Herrschaftsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland und anderen betroffenen Staaten existiert, zu errichten. Ein ähnlich weit reichender Anspruch, der mit der verfassungsmäßigen Ordnung notwendigerweise kollidiert, ist für den Kläger im vorliegenden Verfahren weder aus der Verbotsverfügung und dem sie verteidigenden Beklagtenvortrag noch aus den sonstigen beigezogenen Vorgängen ersichtlich. Der Kläger und seine Mitglieder haben vielmehr beansprucht, Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Vereinigungen oder Einzelpersonen auch mit Gewalt zu führen, während sie in Bezug auf die staatliche Gewalt im Wesentlichen eine Verweigerungshaltung in Bezug auf Aussagen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entfaltet haben. Selbst aus der in einzelnen Strafverfahren festgestellten oder vermuteten Beeinflussung bzw. Einschüchterung von Zeugen lässt sich ein Herrschaftsanspruch, der die rechtsstaatliche Ordnung in maßgeblicher Weise ersetzen und damit die Verfassung aktiv-kämpferisch beseitigen wollte, noch nicht ableiten.

125

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Beteiligung oder Nutzung eines sog. „Defense Fund“ der „Hells Angels“ durch den klägerischen Verein. Der Vortrag des Beklagten hierzu ist vage und unkonkret geblieben und beruht auf allgemeinen Kenntnissen über die weltweite „Hells Angels“-Bewegung, die auch den Beklagten jedoch bislang nicht zu einem flächendeckenden Verbot der in seinem Zuständigkeitsbereich angesiedelten Charter veranlasst haben. Eine konkrete Verstrickung der Mitglieder des Klägers und des Vereins insgesamt in das allgemein vom Beklagten als existent dargelegten System der Unterstützung straffällig gewordener „Hells Angels“-Mitglieder und ihrer Angehörigen ist weder nachgewiesen, noch haben sich in den Ermittlungsvorgängen oder aus dem Verwaltungsvorgang des Beklagten Hinweise hierzu ergeben. Der Kläger hat eine Beteiligung seiner Mitglieder an einem „Defense Fund“, die Einzahlung und den Erhalt von Leistungen in bzw. aus ihm ebenso bestritten wie Berührungspunkte zu den nach Vortrag des Beklagten in Gefängnissen bestehenden Gruppierungen der „Big House Crew“.

126

Es kann im vorliegenden Vereinsverbotsverfahren dahinstehen, ob eine Unterstützung des bzw. aus dem Betrieb eines „Defense Fund“ so, wie ihn der Beklagte geschildert hat, als Beleg für ein Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung ausreichen würde, was eher zweifelhaft erscheint, oder ob es sich um eine unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Verbotsgründe noch hinzunehmende Form der Unterstützung straffälliger Vereinsmitglieder handeln würde. Auch wenn ein Nachweis der Teilnahme am System eines „Defense Fund“ bei klandestin agierenden Gruppierungen und zumeist mit Bargeld abgewickelten Zahlungsvorgängen schwer zu erbringen sein wird, kann eine Unterstützung auch vereinsrechtlich nicht ohne jeglichen ersichtlichen konkreten Bezug zu einem solchen Solidaritätssystem unterstellt werden.

127

b) Der mangelnde Nachweis hinreichender Tatsachen, die für die Verwirklichung des Verbotsgrundes nach Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG sprechen, führt zur insoweit bestehenden Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung und damit zur Teilaufhebung des Bescheides im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage. Zwar wird das Vereinsverbot in hinreichender Weise durch die Verwirklichung des in dieser Vorschrift erstgenannten Verbotsgrundes der Strafrechtswidrigkeit getragen. Der Beklagte hat die Feststellung der Verwirklichung des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung jedoch eigenständig der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers in Ziffer 1 der Verbotsverfügung zur Seite gestellt. Die ausdrückliche Feststellung des im konkreten Fall nach Auffassung der Verbotsbehörde einschlägigen Verbotsgrundes gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG im verfügenden Teil des Verbots verlangt auch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Wirksamkeitsvoraussetzung für ein auf einen oder mehrere dieser Gründe zu stützendes Verbot dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978 - I A 3.76 -, BVerwGE 55, 175, Juris Rn. 37 f.; Urt. v. 28.02.1978 - I A 9.72 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 2, Juris Rn. 49; Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, Baden-Baden 1999, S. 110). Die Feststellung des Verbotsgrundes ist als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der Vereinigungsfreiheit für das Verbot konstitutiv (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, Juris Rn. 25). Das Erfordernis der besonderen Feststellung des Verbotsgrundes oder der Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG beruht darauf, dass die rechtlichen Folgen einer Tätigkeit im Rahmen einer verbotenen Vereinigung je nach dem durch die zuständige Behörde festgestellten Verbotsgrund verschieden sind. Die gegenüber der allgemeinen Strafnorm des § 20 VereinsG bestehenden Strafverschärfungen der §§ 85, 86 und 86 a StGB für die Fortführung und weitere Unterstützung bzw. Bewerbung einer verbotenen Vereinigung hängen davon ab, ob die strafbare Tätigkeit eine Vereinigung betrifft, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die an die Feststellung des Verbotsgrundes gebundenen Strafgerichte müssen aus dem verfügenden Teil der Verbotsverfügung eindeutig ersehen können, ob die Vereinigung aus einem strafrechtlich als Qualifizierungsgrund zu bewertenden Verbotsgrund verboten worden ist (vgl. auch Grundmann, a.a.O. S. 110). Jedenfalls auch diesem Zweck dient im Übrigen die auf den verfügenden Teil beschränkte Bekanntmachung des Verbots gem. §§ 3 Abs. 4, 7 Abs. 1 VereinsG bei Erlass und erneut nach Unanfechtbarkeit des Verbots durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger und dem amtlichen Mitteilungsblatt des Landes (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978, a.a.O., Juris Rn. 40). Die Feststellung des konkreten Verbotsgrundes ist besonders bedeutsam in den Fällen, in denen die Behörde mehrere Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG angenommen hat, sich aber bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung ergibt, dass nicht alle diese Gründe vorliegen. Insbesondere in diesen Fällen muss durch die abschließende Bekanntmachung des verfügenden Teils des Vereinsverbots nach § 7 Abs. 1 VereinsG mit allseitiger Verbindlichkeit festgestellt werden, aus welchem Verbotsgrund oder welchen Verbotsgründen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der Verein verboten ist (ebd.).

128

Daraus folgt, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Verbotsverfügung die Frage des Vorliegens eines Verbotsgrundes, welcher (straf-)rechtlich qualifizierende Rechtsfolgen auslösen kann, selbst dann nicht offen lassen kann, wenn es bereits festgestellt hat, dass ein anderer das Verbot mit der Folge der Auflösung des Vereins, der Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen, Forderungen und Sachen als solches vollumfänglich tragender Grund vorliegt (vgl. dagegen zum Offenbleiben der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, a.a.O., Juris Rn. 12; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, a.a.O., Juris Rn. 41 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes); Urt. v. 03.12.2004 - 6 A 10/02 -, NVwZ 2005, 1435, Juris Rn. 84; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O. Juris Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 OVG 1 A 4.09 -, NVwZ-RR 2010, 886, Juris Rn. 29; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06.52, Juris Rn. 37; dagegen das Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung bzw. den Gedanken der Völkerverständigung offen lassend: BVerwG, Beschl. v. 25.08.2009 - 6 VR 2/08 -, a.a.O. Juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.06.1997 - 1 S 1377/96 -, AuAS 1998, 19, Juris Rn. 25, 27). Ein solcher qualifizierender Verbotsgrund ist in jedem Falle das hier von dem Beklagten festgestellte Sich-Richten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

129

Die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung ist inhaltlich von den sonstigen Verfügungspunkten auch abtrennbar und somit gesondert aufhebbar (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 158 ff.). Es handelt sich hierbei um einen besonderen Verbotsgrund, der eigenständig durch in der Rechtsprechung ausgeformte Voraussetzungen ausgefüllt ist, nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem vorangestellten Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins steht und das Verbot auch im Falle einer Aufhebung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im weiteren Verlauf des Verbotsverfahrens tragen könnte.

130

4. Das durch die Strafgesetzwidrigkeit getragene Vereinsverbot erwiese sich auch als rechtmäßig, wenn die in Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG einzig vorgesehene grundrechtseinschränkende Maßnahme des Verbots und der Auflösung wegen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als „ultima ratio“ lediglich dann angewendet werden dürfte, wenn mildere Mittel wie partielle Betätigungsverbote, Warnungen oder die Anwendung von Straftatbeständen nicht in Betracht kämen bzw. ausgeschöpft wären (str., vgl. zum Meinungsstand Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 184 ff.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GGK, a.a.O., Art. 9 Rn. 46; Scholz, in : Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Januar 2012, Art. 9 Rn. 114, 134; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 60). Solche Mittel wären hier angesichts der Dichte der strafrechtlichen Verfehlungen mit Vereinsbezug und der Massivität des Geschehens am 12. September 2009 nicht ausreichend, um der Gefahr für Leib und Leben Dritter durch ein Fortbestehen der Vereinigung zu begegnen. Strafrechtliche Mittel sind von den Ermittlungsbehörden gegenüber Mitgliedern des Klägers hinreichend ausgeschöpft worden.

131

Die Bedenken gegenüber einer eigenständig vom Beklagten als Verbotsbehörde vorgenommenen Prüfung des Vorliegens der Verbotsvoraussetzungen, wie sie der Kläger zuletzt erhoben hat, teilt der Senat nicht. Vielmehr bietet § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG die Grundlage dafür, dass die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen kann, wie dies vorliegend etwa durch Einbindung der im Landeskriminalamt bestehenden, über besondere Sachkunde auf dem Gebiet der sog. Rockerkriminalität verfügenden Ermittlungsstäbe sowie durch Übermittlung von Informationen seitens der Staatsanwaltschaften geschehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die dortigen Erkenntnisse vom Beklagten unreflektiert und unbewertet übernommen worden wären, sind nicht ersichtlich. Angesichts der ausführlichen und tragfähigen, einzelfallbezogenen Begründung für den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im Verbotsbescheid bestünden Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit insoweit auch nicht wegen einer etwaigen länderübergreifenden Strategie der Innenminister zum Umgang mit sog. Rockergruppen. Das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichte Strategiepapier einer Bund-Länger-Projektgruppe „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität - Rahmenkonzeption“ datiert im Übrigen vom Oktober 2010, also nach Erlass der hier streitgegenständlichen Verbotsverfügung; es verweist in seinem Kapitel über Vereinsverbote ausdrücklich auf die im Einzelfall vorzunehmenden Prüfungen

132

Schließlich bestehen auch gegen die mit der Durchführung des Verbotsverfahrens verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Beklagten - auch soweit sie eine Übermittlung bzw. Nutzung von Daten aus Strafverfahren und von Daten betreffen, die von Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben und gespeichert worden sind - keine Bedenken, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots auswirken könnten. Zutreffend ist, dass das Vereinsgesetz selbst keine bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen für eine derartige Datenverarbeitung enthält (vgl. dazu auch Grundmann, a.a.O., S. 68). Der durch § 1 Abs. 1 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden für das öffentliche Vereinsrecht für das Verbot zuständig erklärte Beklagte kann sich als Behörde der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Abs. 2 VereinsG: „...zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit ...“) jedoch auf die Rechtsgrundlagen der §§ 177 ff. LVwG, insbesondere die Erhebungsgrundlagen der §§ 177, Abs. 1, 178 Abs. 1 Satz 2, 179 Abs. 1 Nr. 1 LVwG und die Speicherungs- und Nutzungsgrundlage des § 188 Abs. 1 LVwG, stützen. Soweit die Daten aus Strafverfahren durch gemäß § 4 Abs. 1 VereinsG zulässigerweise im Rahmen der vereinsrechtlichen Ermittlungen mit in Anspruch genommene Polizeibehörden ausgewertet und an den Beklagten als Vereinsverbotsbehörde weitergeleitet worden sind, liegen die Voraussetzung einer Datenübermittlung und -verwendung aus dem auf das LVwG als Polizeigesetz verweisenden § 481 StPO vor, wobei der Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Organisation der Polizei in Schleswig-Holstein (POG) v. 12. November 2004 (GVOBl. Schl.-H. S. 408) eine Behörde der Polizei und Landespolizei- sowie Landeskriminalamt gemäß §§ 2, 3 POG zugeordnete Ämter beim Beklagten sind. Bedenken im Hinblick auf die bereichsspezifische, präzise und normenklare Festlegung der Voraussetzungen eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, Juris Rn. 93 ff.) der Mitglieder des Klägers (unabhängig davon, ob sie im Verfahren des klägerischen Vereins überhaupt zu überprüfen sind) bestehen im Ergebnis nicht. Es handelt sich um einen auf Grundlage der genannten Normen auch für die Betroffenen überschaubaren Datenverarbeitungsvorgang, dessen Anlass, Gegenstand, Zwecksetzung und Kreis der berechtigten Behörden jedenfalls hinsichtlich der Verwendung von Daten aus Strafverfahren und aus präventiv-polizeilichen Datensammlungen hinreichend präzise festgelegt ist. Im Übrigen wäre, selbst wenn nach verfassungsrechtlichen Maßstäben eine präzisere gesetzliche Festlegung der Datenverarbeitungsbefugnisse im Zusammenhang mit dem Erlass von Vereinsverboten erforderlich wäre, vorliegend kein Verwertungsverbot der vom Beklagten im Einklang mit dem Gesetzeszweck des Vereinsgesetzes erlangten personenbezogenen Informationen aus Strafverfahren und Datensammlungen zur Gefahrenabwehr anzunehmen. Ein ausnahmsloses Beweisverwertungsverbot im Falle einer unzulässigen Datenverarbeitung lässt sich der Rechtsordnung weder allgemein noch im Bezug auf besonders tief in die Rechte Betroffener eingreifende Bereiche staatlichen Handelns entnehmen. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt für den Bereich des Strafprozesses festgestellt, dass von Verfassungs wegen kein allgemeines Verwertungsgebot rechtsfehlerhaft gewonnener Beweise besteht, vielmehr ein Beweisverwertungsgebot angesichts des ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten Belanges funktionstüchtiger Strafrechtspflege eine begründungsbedürftige Ausnahme darstellt, für die eine gesetzliche Grundlage gegeben oder ein übergeordneter wichtiger Grund anzuerkennen sein muss. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus Grundrechten ist nur in Fällen des Eingriffs in den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung anerkannt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.11.2010 - 2 BvR 2101/09 -, EuGRZ 2010, 780, Juris Rn. 43 ff.; Beschl. v. 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08 -, NJW 2010, 287, Juris Rn. 7 m.w.N.). Auf den vorliegenden Regelungszusammenhang übertragen ist zu berücksichtigen, dass § 3 Vereinsgesetz eine bereits verfassungsrechtlich vorgesehene Schranke der Vereinigungsfreiheit lediglich konkretisiert. Eine Nichtverwertung von zu Zwecken der Strafverfolgung und damit inhaltlich mit dem Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins gleichgerichteten Zwecken sowie zu Zwecken der Gefahrenabwehr gewonnenen Daten stünde mithin der Umsetzung eines bereits aus Verfassungsrecht abzuleitenden Vereinsverbots im Wege und wäre daher ähnlich wie im Strafprozessrecht ebenfalls aus übergeordneten Gesichtspunkten begründungsbedürftig, welche hier nicht ersichtlich sind.

133

5. Nachdem die in Ziffer 1 der Verbotsverfügung enthaltene Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, sich als rechtmäßig erweist, sind auch die weiteren Regelungen in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffern 2 bis 5 rechtmäßig und die Klage insoweit unbegründet. Die in Ziffer 2 verfügte Auflösung des Vereines stützt sich auf die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Untersagung jeder Vereinstätigkeit folgt unmittelbar aus dem Verbot und der Auflösung des Vereins. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Bildung von Ersatzorganisationen in Ziffer 3 des Bescheides sowie der Verbreitung und öffentlichen oder in einer Versammlung durchgeführten Verwendung seiner Kennzeichen sind die §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VereinsG. Die in Ziffer 4 der Verbotsverfügung angeordnete Vermögensbeschlagnahme und -einziehung stützt sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG, wobei ein Ausnahmefall zur gesetzlich vorgesehenen Regel nicht vorliegt. Die in Ziffer 5 der Verfügung angeordnete Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch ihre Überlassung an den Verein dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeit vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung diese Zwecke und Tätigkeit bestimmt sind, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Soweit die hinsichtlich der Ziffern 2 bis 5 bestehenden Rechtsgrundlagen als tatbestandliche Voraussetzung auf „verfassungswidrige Bestrebungen“ des Vereins verweisen, sind damit - anders als es die Ähnlichkeit dieses Tatbestandsmerkmales zum Wortlaut des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nahelegen könnte - sämtliche in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten Verbotsgründe abgedeckt. Dies folgt zum einen aus dem besonderen Hinweis auf Art. 9 Abs. 2 GG, der in § 8 Abs. 1 VereinsG enthalten ist und damit (allerdings in sprachlich wenig stringenter Form) auf eine tatbestandliche Öffnung über die verfassungsmäßige Ordnung im engeren Sinne hinaus auch für die beiden in Art. 9 Abs. 2 GG bereits genannten weiteren Verbotsgründe verweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.09.1995 - 1 VR 2.95 -, NVwZ 1997, 68 f. Juris Rn. 18). Zum anderen findet sich ein maßgeblicher Hinweis auf eine erweiternde Auslegung der Rechtsgrundlagen für die genannten Folgerungen eines Vereinsverbotes in der Entwurfsbegründung zum Vereinsgesetz, wo es heißt: „ Unter „verfassungswidrigen“ Bestrebungen im Sinne des § 8 Abs. 1 sind, wie aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen zu verstehen.“ (BT-Dr. IV/430, S. 18). Im Übrigen ließe sich auch kein inhaltlich tragfähiger Gesichtspunkt für eine Differenzierung zwischen den drei Verbotsgründen im Hinblick auf die Möglichkeit der Einziehung von Sachen Dritter, des Verbots der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Einziehung von Forderungen Dritter (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), wo der Begriff der verfassungswidrigen Bestrebungen ebenfalls verwendet wird, denken. So ist es Sinn des Verbotes der Bildung von Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG, die Schaffung eines funktionellen Ersatzes für die von der Verfassung als gefährlich und daher verboten erkannten Bestrebungen zu unterbinden (vgl. nur Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, a.a.O. S. 157 f.). Außerdem hat der Gesetzgeber in den entsprechenden Regelungen, die verfassungswidrige Bestrebungen nennen, gerade nicht ausdrücklich den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgegriffen, sondern hat ersichtlich versucht, einen übergreifenden Begriff für verbotsbegründende „Zwecke“, „Tätigkeit“ und „Sich-Richten“ zu finden. Im Ergebnis besteht daher auch in der Literatur (vgl. Grundmann, a.a.O.; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O. S. 196 Rn. 791; zur Gleichsetzung des Verbotsgründe in Art. 8 Abs. 2 GG vergleich auch Planker,Das Vereinsverbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG/§ 3 ff. Vereinsgesetz, Bonn 1994, S. 118) und in der Rechtsprechung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2012 - 1 S 2823/11 -, Juris Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89.83 -, BVerwGE 80, 299 f. Juris Rn. 82) Einigkeit, dass die Rechtsgrundlagen der §§ 3 Satz 2, 8 bis 12 Vereinsgesetz auf sämtliche verboten Vereine angewandt werden können, ganz gleich, welcher der drei Verbotsgründe vorliegt.

134

Die Klage war daher im tenorierten Umfang abzuweisen.

135

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat hat das Unterliegen des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung des Sich- Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung mit 1/4 der anfallenden Kosten bemessen, da die weiteren Rechtsfolgen des Vereinsverbotes selbstständig durch den tragfähigen Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des klägerischen Vereins begründet werden.

136

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

137

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 132 Abs. 2 VwGO hierfür nicht vorliegen.


(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

Tenor

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers - 4 KS 1/12 - gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2012 wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf

5.000,-- Euro

festgesetzt.

Gründe

1

Der gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellte Antrag des Antragstellers,

2

die aufschiebende Wirkung der Klage bis zur Vorlage der vollständigen Verwaltungsvorgänge durch den Antragsgegner wiederherzustellen,

3

hat keinen Erfolg.

4

Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung zwischen dem privaten Aufschubinteresse des Antragstellers, das heißt hier dem allein anfechtungsbefugten verbotenen Verein, und dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig, ist die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, da an der sofortigen Vollziehung rechtswidriger Verwaltungsakte kein überwiegendes öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist er sich hingegen als offensichtlich rechtmäßig, so ist weiter zu prüfen, ob im Einzelfall ein über das Interesse am Erlass des Bescheides selbst hinausgehendes überwiegendes Vollziehungsinteresse erkennbar ist. Insbesondere in Fällen der Gefahrenabwehr kann dieses besondere Vollzugsinteresse mit dem Interesse am Erlass des Bescheides selbst identisch sein. Lässt sich die Rechtmäßigkeit bei summarischer Prüfung nicht eindeutig beurteilen, bedarf es schließlich einer allgemeinen Interessenabwägung im Sinne einer Folgenabwägung. Dabei sind die Folgen gegenüberzustellen, die einerseits eintreten, wenn dem Antrag stattgegeben wird, der Bescheid sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweist beziehungsweise die andererseits eintreten, wenn der Antrag abgelehnt wird, der Bescheid sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweist (Senatsbeschl. v. 6.8.1991 - 4 M 109/91 -, juris).

5

Vorliegend lässt sich bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Verbotsverfügung nicht ohne weiteres feststellen; die hiernach gebotene Folgenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus.

6

Die Beschwerde meint allerdings, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im beantragten Umfange sei allein deshalb geboten, weil der Antragsgegner den vollständigen Verwaltungsvorgang zurückhalte. Deshalb könne der Zurechnungsvorgang, d.h. die Gründe, aus denen die Straftaten einzelner Vereinsmitglieder als den Verein prägend angesehen wurden, nicht überprüft werden. Dem Antragsteller müsse jedoch ermöglicht werden, die Rechtmäßigkeit nicht nur des Verbotes selbst, sondern auch des vorgeschalteten Ermittlungsvorgangs zu überprüfen.

7

Dem folgt der Senat nicht. Auch wenn man mit der Beschwerde unterstellt, dass der Bearbeitungsvorgang umfangreicher gewesen sein muss, als dies aus der übersandten Beiakte A hervorgeht, so hängt die Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung hiervon nicht ab.

8

Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider laufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten. Ein Verein darf erst dann als verboten (Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider laufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Der Antragsgegner ist zu der Erkenntnis gekommen, dass die Zwecke und die Tätigkeit des Antragstellers im Sinne des in § 3 Abs. 1 Satz, 1. Alternative VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alternative GG den Strafgesetzen zuwider laufen, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben. Bei diesem „Zurechnungsvorgang“ handelt es sich jedoch nicht um eine Ermessensentscheidung. Deshalb führt die Zurechnung von Straftaten einzelner Mitglieder zum Verein auf einer unzureichenden oder falschen Tatsachengrundlage oder auf Grund einer Fehlgewichtung einzelner für die Zurechnungsentscheidung relevanter Aspekte für sich genommen nicht zur Rechtswidrigkeit der Verbotsverfügung. Ebenso wenig handelt es sich um eine einen Abwägungsvorgang voraussetzende Entscheidung, die den Anforderungen des etwa im Planfeststellungsrecht geltenden Abwägungsgebotes genügen müsste. Dort verlangt das Abwägungsgebot zum einen, dass eine Abwägung überhaupt stattfindet, zum anderen, dass in die Abwägung Belange eingestellt werden, die nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden müssen, und schließlich, dass weder die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (vgl. dazu etwa BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 - 4 C 21.74 -, BVerwGE 48, 56, 63, 64). Diese - der Beschwerde möglicherweise vorschwebenden - Anforderungen in verfahrensrechtlicher Hinsicht gelten vorliegend jedoch nicht. Die Kriterien für eine Zurechnung einzelner Straftaten, welche durch Mitglieder des Vereins begangen wurden, sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung und in der Rechtsprechung des Senats geklärt (zusammenfassend Senat, Urt. v. 19.06.2012 - 4 KS 2/10 - m.w.N.). Ob unter Berücksichtigung dieser Kriterien einzelne Straftaten der Vereinsmitglieder den Verein prägen und deshalb seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider laufen, ist eine vom Gericht zu überprüfende Frage der Erfüllung des Tatbestandes des § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG.

9

Soweit die Beschwerde meint, ohne Vorlage sämtlicher dem Vereinsverbot zu Grunde liegender Vorgänge den Zurechnungsvorgang nicht überprüfen zu können, und daraus einen Anspruch auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bis zur vollständigen Vorlage des Verwaltungsvorganges ableitet, liegt dem ein unzutreffendes Normverständnis des § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG als einer einen verfahrensfehlerfreien Zurechnungsvorgang voraussetzenden Regelung zu Grunde. Entsprechend greift auch die Rüge nicht durch, der Antragsgegner habe über das Vereinsverbot nicht auf Grund einer eigenständigen Prüfung entschieden, sondern ohne selbständige Ermittlung und Prüfung eine „Musterverfügung“ der Polizei umgesetzt. Dieses Vorbringen vermag nicht durchzugreifen, weil das Vereinsverbot vom Antragsgegner - mithin von der zuständigen Verbotsbehörde - erlassen worden ist und nach den obigen Ausführungen das Ermittlungsverfahren keiner isolierten Rechtmäßigkeitskontrolle unterliegt. Weder das Vorliegen eines nicht vom Antragsgegner stammenden Strategiekonzeptes noch die Erarbeitung eines Entwurfes der Verbotsverfügung durch nachgeordnete Behörden vermag für sich allein genommen eine Rechtswidrigkeit des Vereinsverbotes zu begründen.

10

Dem Antragsteller gehen auch nicht in unzumutbarer Weise Rechtsschutzmöglichkeiten dadurch verloren, dass er sich infolge des „abgemagerten“ Verwaltungsvorganges nicht (ausreichend) in der Lage sieht, auf Unzulänglichkeiten im Entscheidungsprozess der Verbotsbehörde hinzuweisen.

11

Allerdings sieht sich der Senat zu der Bemerkung veranlasst, dass der übersandte Verwaltungsvorgang praktisch keinerlei Dokumentation des Entscheidungsprozesses der Verbotsbehörde und der vorbereitenden Zusammenarbeit mit nachgeordneten Behörden wie dem Landeskriminalamt oder anderen Polizeidienststellen enthält. Im Zuge des Verwaltungsverfahrens dürften entweder durch den Antragsgegner selbst oder durch nachgeordnete Behörden Strafermittlungsakten von Vereinsmitgliedern eingesehen und Auszüge gefertigt worden sein. Dies wird vom Antragsgegner auch nicht in Abrede gestellt, jedoch vorgetragen, sämtliche eingesehenen Strafermittlungsakten seien - nach Übernahme der gewonnenen Erkenntnisse in den Entwurf der Verbotsverfügung durch das zuständige Fachreferat - den Staatsanwaltschaften zurückgegeben worden. Es liegt auf der Hand, dass eine Zurverfügungstellung von Auszügen aus den Strafermittlungsakten nicht zuletzt auch der Verfahrensbeschleunigung dienen und im Einzelfall eine Anforderung bereits abgeschlossener Strafverfahrensakten im gerichtlichen Verfahren entbehrlich machen könnte. Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung obliegt den Behörden die Pflicht zur Führung vollständiger und ordnungsgemäßer Akten (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 22.12.2000, juris unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 06.06.1982 - 2 BvR 310/83 -, NJW 1983, 2135). Bei einer Verletzung der Aktenführungspflicht kommt im Einzelfall eine Beweislastumkehr in Betracht (OVG Lüneburg, Beschl. v. 26.02.2008, juris; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 22.12.2000, juris). Die Verpflichtung zur vollständigen Aktenführung und die in § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO geregelte Verpflichtung der Behörde zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften soll sicherstellen, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt so umfassend wie möglich aufgeklärt wird und dass alle Verfahrensbeteiligten von entscheidungserheblichen Vorgängen Kenntnis erlangen, um diese zur Grundlage ihres Vorbringens im Rechtsstreit machen zu können (BVerwG, Beschl. v. 04.01.2005 - 6 B 59/04 -, juris m.w.N.). Ob ein derartiger Verstoß gegen die Aktenführungspflicht und/oder die Vorlagepflicht aus § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorliegt, muss hier jedoch nicht entschieden werden. Eine nicht hinnehmbare Rechtsschutzverkürzung auf Grund der - zu Gunsten des Antragstellers unterstellten - unvollständigen Aktenübermittlung, welche wiederum im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im beantragten Umfange rechtfertigen könnte, vermag der Senat unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen nicht zu erkennen. Auch erschließt sich dem Senat nicht, wieso eine Stellungnahme zu den in der Verbotsverfügung aufgelisteten Straftaten nicht möglich sein sollte. Die Informationen hierüber sind bei den Mitgliedern des Antragstellers vorhanden. Was die Zurechenbarkeit der Straftaten angeht, so bleibt es dem Antragsteller ebenfalls möglich, das Vorliegen der von der Rechtsprechung bereits herausgearbeiteten Zurechnungskriterien in Abrede zu stellen und sich mit der diesbezüglichen Argumentation in der Verbotsverfügung auseinanderzusetzen.

12

Unter Berücksichtigung der in der Verbotsverfügung aufgelisteten Strafverfahren einzelner Mitglieder und der unter II Ziffer 1 der Verbotsverfügung dargelegten Zurechnung sieht der Senat das Vorliegen der Voraussetzungen eines Vereinsverbotes insgesamt als offen an, zumal eine der beiden Verbotsgründe des § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG hierfür ausreichen würde. Die in der Verbotsverfügung über das Vereinsverbot (Anordnung der Auflösung des Vereins gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz VereinsG) hinaus vorgesehenen Rechtsfolgen unterliegen keinen gesonderten rechtlichen Bedenken. Die Untersagung jeglicher Tätigkeit und der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Verbreitung oder öffentlichen Verwendung beziehungsweise Verwendung von Kennzeichen in einer Versammlung fänden ihre Rechtsgrundlage in §§ 8 und 9 VereinsG. Die Beschlagnahme und Einziehung des Vermögens des Antragstellers gemäß Ziffer 4 des Bescheides ließen sich als regelmäßig vorzusehende Rechtsfolge auf § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG, die in Ziffer 5 verfügte Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter auf §§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 12 Abs. 2 VereinsG zurückführen. Dass im Falle des Antragstellers ein vom Regelfall abzugrenzender atypischer Ausnahmefall vorläge, in dem der Verlust des Vermögens für den Betroffenen auf Grund besonderer Umstände unverhältnismäßig wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

13

Die vorliegend vorzunehmende erweiterte Interessenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus. Dabei war zu berücksichtigen, dass - wie oben bereits ausgeführt - keine unzumutbare Rechtsschutzverkürzung droht, welche die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im beantragten Umfange geböte. Zwar könnte ein „gehaltvollerer“ Verwaltungsvorgang möglicherweise die Dauer des Hauptsacheverfahrens beeinflussen; dieser vom Senat berücksichtigte Umstand ändert jedoch am Ergebnis der Folgenabwägung nichts.

14

Die Beschwerde selbst hat darauf hingewiesen, der Antragsteller habe sich nach Zustellung der Verbotsverfügung vom 18. Januar 2012 zunächst entschlossen, von einem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alternative 2 VwGO mit dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage bis zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens Abstand zu nehmen. Beweggrund sei die Erkenntnis gewesen, dass die erforderliche Interessenabwägung in Anbetracht der Zuschreibungen der Begehungs- und Verhaltensweisen von Mitgliedern der Vereinigung „HAMC“ dem Gericht keinen rechtlichen Abwägungsspielraum dahingehend einräumt, das Interesse der Vereinsmitglieder, mit ihrem Vereinskennzeichen Motorradausfahrten zu veranstalten, über das Interesse der Verbotsbehörde an einer effektiven Gefahrenabwehr zu stellen. Der nunmehr vorliegende Antrag resultiere (allein) aus dem Umstand, dass sich der Antragsgegner geweigert habe, die vollständigen Verwaltungsvorgänge vorzulegen. Angesichts der - zutreffenden - Einschätzung der Beschwerde zur Interessenabwägung nimmt der Senat von einer weiteren Begründung der Folgenabwägung Abstand.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG.

16

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind

1.
die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,
2.
die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.

(2) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.

(3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.

(4) §§ 53 bis 58 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.

(1) Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft steht den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu; für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich.

(2) Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, so ist die Mehrheit im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu berechnen.

(1) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sowie Terminbestimmungen und Ladungen sind zuzustellen, bei Verkündung jedoch nur, wenn es ausdrücklich vorgeschrieben ist.

(2) Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung.

(3) Wer nicht im Inland wohnt, hat auf Verlangen einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen.

(1) Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 oder § 180 nicht ausführbar, kann das zuzustellende Schriftstück auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, niedergelegt werden. Wird die Post mit der Ausführung der Zustellung beauftragt, ist das zuzustellende Schriftstück am Ort der Zustellung oder am Ort des Amtsgerichts bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle niederzulegen. Über die Niederlegung ist eine schriftliche Mitteilung auf dem vorgesehenen Formular unter der Anschrift der Person, der zugestellt werden soll, in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abzugeben oder, wenn das nicht möglich ist, an der Tür der Wohnung, des Geschäftsraums oder der Gemeinschaftseinrichtung anzuheften. Das Schriftstück gilt mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.

(2) Das niedergelegte Schriftstück ist drei Monate zur Abholung bereitzuhalten. Nicht abgeholte Schriftstücke sind danach an den Absender zurückzusenden.

Wird die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks unberechtigt verweigert, so ist das Schriftstück in der Wohnung oder in dem Geschäftsraum zurückzulassen. Hat der Zustellungsadressat keine Wohnung oder ist kein Geschäftsraum vorhanden, ist das zuzustellende Schriftstück zurückzusenden. Mit der Annahmeverweigerung gilt das Schriftstück als zugestellt.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Hells Angels MC Charter Flensburg“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Flensburg. Mit der vorliegenden Klage wendet er sich gegen das vom Innenminister des Landes Schleswig-Holstein ihm gegenüber im April 2010 ausgesprochene Vereinsverbot.

2

Der klägerische Verein ging im Jahre 2003 aus der Spaltung des langjährigen Motorradclubs „Satisfaction Grenz MC“ mit Sitz in A. bei N. in die Chapter „West-Coast“ (A.) und „East-Coast“ (Flensburg) hervor. Das Chapter „East-Coast“ erhielt im April 2006 den Status eines „Prospect-Charters“ innerhalb der „Hells Angels“-Bewegung und am 06. Juni 2008 den endgültigen Status als Ortsverein. Im April 2010 bestand der Kläger nach Informationen des Beklagten aus 12 Mitgliedern, nämlich A. als Präsidenten des Ortsvereins, D. als Vizepräsidenten, S. als Schatzmeister, G. als Sekretär, M. als für die Durchsetzung von Recht und Ordnung innerhalb des Vereins, für die Ausführung von Anordnungen des Präsidenten sowie für die Verwaltung des Clubeigentums zuständigem sog. „Sergeant at Arms“ und J. als für die Logistik der sog. „Runs“ zuständigem „Road Captain“.

3

Eine geschriebene Vereinssatzung des Flensburger Ortsvereins (Chapters) ist nicht bekannt.

4

Der Beklagte stellte nach Einholung des mit Schreiben vom 20. April 2010 erteilten Benehmens des Bundesministeriums des Innern mit an den Kläger - zu Händen der namentlich genannten 12 Vereinsmitglieder - gerichteter Verfügung vom 21. April 2010 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Verein wurde verboten und aufgelöst. Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurden untersagt. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Der Bescheid wurde mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens für sofort vollziehbar erklärt.

5

Die Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen, begründete der Beklagte wie folgt:

6

Die Zweckbestimmung des Vereins sei neben dem gemeinsamen Motorradfahren auch eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisationen der „Bandidos“ und deren Supporterclubs in Schleswig-Holstein. Zum Beleg führte der Beklagte mehrere Straftaten an, deren Verfolgung sich überwiegend im Stadium staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren befinde (der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren bekannte Verfahrensstand wird jeweils nachfolgend wiedergegeben):

7

1. Strafverfahren gegen D. wegen Körperverletzung durch Zubodenschlagen eines Mannes bei einem Straßenfest in Leck im September 2008. - Dieses Strafverfahren wurde am 02. September 2009 vom Amtsgericht G-Stadt gemäß § 153 a Abs. 2 StPO nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt.

8

2. Versuchte räuberische Erpressung und Verstoß gegen § 52 des Waffengesetzes durch A.: Dieser habe den Geschäftsführer eines Flensburger Tattoo-Ladens durch Versuch einer Schutzgelderpressung geschädigt. In der Wohnung des A. sei im Dezember 2007 eine Schusswaffe mit Patronen sichergestellt worden, für die er keine waffenrechtliche Erlaubnis besessen habe. - Wegen der versuchten räuberischen Erpressung im April 2006 sowie einer vorsätzlichen Körperverletzung aus dem Jahr 2007 wurde A. mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Wegen des bis Februar 2008 andauernden Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Dieses Verfahren wurde durch Urteil des Landgerichts Flensburg vom 08. Juni 2009 gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die vorgenannte Verurteilung vom 23. Januar 2008 eingestellt.

9

3. Verstoß gegen § 374 Abgabenordnung (Steuerhehlerei) durch J. wegen Besitzes von 50 Stangen unverzollter Zigaretten mit russischen Banderolen im Juni 2009 bei einer PKW-Kontrolle von J. und C. V.. Im Hinblick auf diese Tat wurde J. mit Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 03. Februar 2010 zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 15,-- Euro verurteilt.

10

4. Mitsichführen verbotener Waffen (Dreikantstoßdolche, sogenannte Delta-Darts) durch S., Y. und AH. im Dezember 2009 bei der Einreise in die Schweiz. - Die insoweit von der schweizerischen Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen die gemeinsam eingereisten genannten Personen sowie gegen AB. wegen Vergehens gegen das schweizerische Waffengesetz wurden mit Verfügung des Untersuchungsrichters des Kantons Schaffhausen vom 24. August 2010 wegen Geringfügigkeit eingestellt; die beschlagnahmten Dolche wurden eingezogen.

11

5. Strafverfahren gegen A. sowie gegen M., P., S., V. und AH. wegen versuchten gemeinschaftlichen Totschlages durch Rammen des Motorrades eines Mitglieds der „Bandidos Neumünster“ auf der BAB 7 am 12. September 2009, bei dem der Geschädigte lebensgefährlich verletzt wurde. - A. wurde wegen des Vorfalls mit seit dem 11. Januar 2012 rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Die Ermittlungsverfahren gegen die übrigen Tatverdächtigen wurden von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg bereits im Februar 2010 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts eingestellt.

12

6. Verdacht des Verstoßes gegen § 22 a des Kriegswaffenkontrollgesetzes durch A., V. und S. aufgrund des Fundes eines umfangreichen Waffenarsenals im November 2009, welches nach bisherigen Erkenntnissen dem Kläger zuzuordnen sei, bei einem Flensburger Gewerbetreibenden.- Das entsprechende Ermittlungsverfahren befindet sich noch im Stadium der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen; Anklage ist noch nicht erhoben.

13

7. Verdacht gegen S. wegen Hehlerei von bei einem Getränkegroßhandel in A-Stadt gestohlenen alkoholischen Getränken, die im Januar 2010 sichergestellt wurden, sowie Munitionsbesitz des S. im Januar 2010. - Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wurde S. wegen unerlaubten Munitionsbesitzes in dem vorgenannten sowie einem weiteren, Ende April 2010 festgestellten Fall zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt. Ein Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wegen Hehlerei von Getränken ist nicht bekannt.

14

8. Besitz verbotener Waffen - sogenannter Delta-Darts - durch M. und V. im Januar 2010. - Das Verfahren gegen V. wegen Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde am 15. Juli 2010 von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg nach § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen geringer Schuld eingestellt. Das entsprechende Verfahren gegen M. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 19. November 2010 gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld eingestellt.

15

9. Verfahren gegen Y. wegen mittelbarer Falschbeurkundung sowie gewerbsmäßiger Hehlerei durch Handel mit gestohlenen Motorradteilen und Veranlassung nicht ordnungsgemäßer TÜV-Gutachten für Abnahmen nach der Straßenverkehrsordnung. - Y. wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 27. Oktober 2011 wegen Steuerverkürzung zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro verurteilt. Ein Abschluss eines Ermittlungsverfahrens wegen mittelbarer Falschbeurkundung ist nicht bekannt.

16

Die angeführten Straftaten charakterisierten nach Einschätzung des Innenministeriums das von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen geprägte Vereinsleben, das tatsächliche Ziel des Vereins und den wirklichen Zweck der Vereinstätigkeit in prägender Weise. Die Taten seien durch den Kampf um Territorial- und Machtansprüche gekennzeichnet. Insbesondere Straftat Nr. 5 diene erkennbar der Selbstbehauptung des Vereins gegenüber einer konkurrierenden Organisation und zeichne sich durch die gemeinschaftliche Beteiligung einer relativ großen Anzahl von Vereinsmitgliedern und Funktionsträgern aus. Auch der Waffenfund der Straftat Nr. 6 sei nicht mehr einer einzelnen Person zuzuordnen, sondern weise aufgrund des paramilitärischen Charakters der Waffen bzw. des Sprengstoffes auf eine gemeinsam begangene Tat einer organisierten Gruppe hin. Eine Vielzahl der Taten sei nicht längerfristig geplant, sondern ergebe sich aus Situationen heraus, in denen nicht alle Mitglieder spontan vor Ort verfügbar seien. Die Tatsache, dass einige der Mitglieder aufgrund ihrer räumlichen Entfernung zum Stadtgebiet von Flensburg kaum oder nicht an Taten beteiligt gewesen seien, stehe einer Zurechnung der Straftaten zum Verein nicht entgegen. Der Verein begünstige auch strafbares Verhalten seiner Mitglieder, indem er diesen Rückhalt biete, die individuelle Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten abbaue und Anreiz zu neuen Taten wecke. So sei der Präsident A. weiterhin in seiner Position als Vereinspräsident belassen worden, obwohl gegen ihn wegen zahlreicher teilweise schwerer Straftaten ermittelt worden sei. Auch hierin liege ein Anknüpfungspunkt für die Zurechnung seiner Taten zum Verein. Weiterhin werde durch finanzielle und persönliche Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder der Begehung weiterer Straftaten Vorschub geleistet, indem negative Auswirkungen der strafrechtlichen Verfolgung gemildert würden. Entsprechend den sog. „Rules“ der „Hells Angels“-Vereinigung kämen auch die Mitglieder des Klägers in den Genuss von Leistungen des sog. „Defense Fund“, der bei Verbüßen einer Gefängnisstrafe für finanzielle Unterstützung der Vereinsmitglieder, ggf. auch ihrer Angehörigen, sorge. Eine Zurechnung des strafgesetzwidrigen Verhaltens einzelner Mitglieder zum Kläger könne auch aus der fehlenden Distanzierung des Vereins zu solchen Verhaltensweisen abgeleitet werden.

17

Die zahlreichen festgestellten Waffendelikte ergäben ein stereotyp festgestelltes Verhaltensmuster der durchgehenden Ausstattung der Mitglieder des Vereins mit Waffen, die sie zu einer ständigen Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft befähige. Die festgestellte ständige Nachrüstung mit Hieb- und Stichwaffen selbst nach polizeilichen Sicherstellungen sei auf dem Hintergrund des erklärten „Krieges“ zwischen den „Hells Angels“ und den „Bandidos“ zu sehen. Das im Rahmen der Straftat Nr. 6 aufgefundene Waffenlager ermögliche eine Komplettausstattung aller Vereinsmitglieder und darüber hinaus auch von Supportern.

18

Soweit das Vereinsverbot darauf gestützt wurde, dass sich Zwecke und Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, verwies der Beklagten auf die Unterstützungsleistungen des sog. „Defense Fund“ an straffällige Mitglieder, welche eine eigene Rechtsordnung unter Inkaufnahme strafrechtlicher Verstöße und damit eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates beinhalteten.

19

Das Vereinsverbot sei verhältnismäßig, weil es die organisierte strafgesetzwidrige Tätigkeit des Klägers im Rahmen der anhaltenden Auseinandersetzungen mit den verfeindeten „Bandidos“ in Schleswig-Holstein unterbinden solle. Hierfür reiche es nicht mehr aus, nur einzelne Mitglieder oder Funktionsträger des Vereins strafrechtlich zu belangen. Auch ein bloßes Betätigungsverbot bei gleichzeitigem Fortbestehen des Vereins wäre zur Wahrung der Rechtsordnung nicht ausreichend, da der Verein die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit grob missachte.

20

Der Kläger hat am 28. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben. Diese wird wie folgt begründet:

21

Der Bescheid sei schon aus formellen Gründen rechtswidrig, weil die nach § 87 LVwG gebotene Anhörung des Betroffenen vor seinem Erlass nicht erfolgt sei. Eine Eil- oder Geheimhaltungsbedürftigkeit, die einen Verzicht auf eine Anhörung hätte rechtfertigen können, sei nicht gegeben.

22

Der Beklagte habe die aus § 4 VereinsG folgende Handlungsanweisung verletzt, dass das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren vor Erlass der Verbotsverfügung durchzuführen und abzuschließen sei. Stattdessen sei von den Ermittlungsbefugnissen vor dem Verbot kein Gebrauch gemacht worden. Der Beklagte habe sich ausschließlich auf eine Informationssammlung der ihm unterstellten Hilfsbehörden gestützt. Die Ermittlungen seien vorliegend nach Ergehen der Verbotsverfügung weitergeführt worden, während dem Kläger nach Zustellung der Verbotsverfügung jegliche Dispositionen und Handlungsmöglichkeiten, einem Vereinsverbot entgegenzuwirken, abgesprochen worden seien. Hierdurch werde die Gehörsverletzung noch verstärkt.

23

Das unter dem 15. April 2010 eingeholte Einvernehmen des Bundesministers des Inneren zu der beabsichtigten Verbotsverfügung sei fehlerhaft, weil die zugehörigen Behördenakten nicht mit vorgelegt worden seien und ein geordnetes Prüfungsverfahren des Bundesministers daher nicht möglich gewesen sei.

24

Angesichts der herausragenden Bedeutung der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG sei eine restriktive Anwendung vereinsrechtlicher Verbotsnormen erforderlich. Art. 9 Abs. 2 GG stelle eine verfassungsrechtlich zwingende Eingriffsschranke auf, die einer über sie hinausgehenden einfachgesetzlichen Ausgestaltung von Verbotsgründen entgegenstehe. Darüber hinaus sei von der Verbotsbehörde entsprechend dem polizeirechtlichen Übermaßverbot zu prüfen, ob vor Erlass eines Verbots mildere Maßnahmen möglich und geeignet seien, um eine Änderung der Statuten, Programmen oder Handlungsformen des Vereins zu erreichen oder diesen unter Aufsicht zu stellen.

25

Darüber hinaus könnten lediglich erhebliche Verstöße gegen Strafgesetze, die in einem angemessenen Verhältnis zur Verbotssanktion stünden, ein Vereinsverbot nach sich ziehen, sofern sie sich für den Charakter der Vereinigung als prägend erwiesen. Sie müssten im Verhältnis zu erlaubten Vereinsaktivitäten im Vordergrund stehen und den Charakter des Vereins ausmachen. Straftaten, die ausschließlich in der Privatsphäre der Vereinsmitglieder begangen worden seien, dürften keine Berücksichtigung finden, selbst wenn sie von mehreren Vereinsmitgliedern gemeinsam begangen worden seien. Maßgeblich sei, dass die strafrechtlich relevanten Aktivitäten der Mitglieder ohne organisatorischen Zusammenhang mit dem Verein nicht möglich gewesen seien. Insofern müsse ein Funktionszusammenhang mit dem Verein festgestellt werden, der beispielsweise in einer Anordnung oder Billigung von Straftaten durch Vereinsorgane liegen könne. Nicht ausreichend sei etwa eine das Vereinsleben prägende solidarische Pflicht zu „kameradschaftlichem Verhalten“. Relevant könnten schließlich lediglich solche Taten sein, die von Mitgliedern während der Dauer ihrer Mitgliedschaft begangen worden seien.

26

§ 4 VereinsG verpflichte die Verbotsbehörde zu eigenständigen Ermittlungen, denen gegenüber den Informationen von sog. Hilfsbehörden wie den Dienststellen der Polizei ein eigenständiger, unbeeinflusster Wert zukommen müsse. Eine ausschließliche und unreflektierte Übernahme von Erkenntnissen aus Strafverfolgungsverfahren und Strafurteilen sei vereinsrechtlich unzulässig. Auch wenn Ermittlungen zur Untermauerung bereits benannter Verbotsgründe noch nach dem Erlass der Verbotsverfügung fortgeführt werden könnten, müssten diese Gründe zum Zeitpunkt des Verbotserlasses bereits ausermittelt und benannt sein. Jedenfalls sei eine Verlagerung des eigentlichen Ermittlungsverfahrens auf eine Zeit nach Erlass der Verbotsverfügung rechtswidrig. Vorliegend hätten keine eigenständigen Ermittlungen der Verbotsbehörde stattgefunden, sondern diese habe ausschließlich die von dem Bestreben nach einem allgemeinen Verbot von Biker-Clubs getragenen Vorgaben des Landeskriminalamtes übernommen. Dies sei sachfremd und verletze das Übermaßverbot. Für die gerichtliche Entscheidung könnten lediglich die Verhältnisse im Zeitpunkt der angefochtenen Verbotsverfügung maßgeblich sein. Soweit nach diesem Zeitpunkt zu Tage getretene Umstände Berücksichtigung fänden, seien auch veränderte Verhältnisse der betroffenen Vereinigung zu berücksichtigen, jedenfalls soweit sie der Rechtsverteidigung dienten. Die dem Kläger zuzubilligenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkten sich nicht auf eine bloße Prozessführung, sondern ermöglichten auch den Ausschluss von Mitgliedern und die Aufgabe von Mitgliedschaften.

27

Die Verbotsverfügung lasse wesentliche soziologische Forschungsergebnisse, nach denen die subkulturellen Organisationsformen der Motorrad-Clubs zur Verhinderung krimineller Handlungen Einzelner beitrügen, indem sie eine integrativ wirkende Umgebung schüfen, unberücksichtigt.

28

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die in der Verbotsverfügung aufgelisteten Straftaten der acht aktuellen Mitglieder in keinem Zusammenhang zu den Aktivitäten der Vereinigung stünden, da sie überwiegend individuell veranlasst und auf einen spontanen Entschluss zurückzuführen seien. Überwiegend seien die Straftaten von nur geringem Gewicht und die entsprechenden Ermittlungsverfahren zum Teil durch die Strafverfolgungsbehörden eingestellt worden. Soweit die Verbotsverfügung eine außergesetzliche Ausrichtung des Vereins aus den Beziehungen des Klägers zur weltweiten Dachorganisation der „Hells Angels“ sowie aus der szenetypischen Bezeichnung des Vereins als „Outlaw-Motorcycle-Club“ ziehen wolle, verkenne dies zum einen die subkulturell integrative Ausrichtung der betreffenden Motorrad-Clubs und zum anderen die Herkunft des Begriffes „Outlaw“, durch den man sich lediglich den Versuchen der Monopolisierung des Motorradsports durch eine dominierende amerikanische Vereinigung habe widersetzen wollen. Verallgemeinernde Schlussfolgerungen der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung seien vereinsrechtlich verfehlt. Ein allgemeiner „Kriminalitätsnachweis“ von Motorrad-Clubs sei bislang nicht geführt worden. Ein strafrechtliches Inerscheinungtreten der Vereinsmitglieder sei auch nicht erforderlich, um den durch Vereinszusammenschluss gewünschten Statusgewinn zu erreichen. Dieser ergebe sich für den Einzelnen bereits mit dem Erhalt des Club-Emblems, da die Aufnahme in ein elitäres Kollektiv ihn physisch und psychisch stärker mache und an dem Anspruch, sich niemandem unterzuordnen, teilhaben lasse.

29

Das auch in Motorradclubs gelebte Prinzip der Solidarität könne sich auf allgemeine Wertorientierungen berufen, welche auch die staatsethische Grundlage für das soziale Staatsziel wie auch eine Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens innerhalb einer christlichen Werteordnung bildeten. Dass eine innerhalb des Vereins geltende Solidaritätsverpflichtung in rechtlich problematischer Weise über die Verhaltenserwartungen der herrschenden Gesellschaftskultur gestellt worden sei, sei vorliegend nicht in einer Weise dargelegt und ermittelt worden, welche den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG genügen könne. Vielmehr seien auch insoweit Erkenntnisse der ermittelnden Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden lediglich unreflektiert und ohne eigene Überprüfungen der Vereinsverbotsbehörde übernommen worden.

30

Der Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass sich der Kläger mit dem politischen Ziel einer Veränderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befasse. Er erkenne in der unterstellten organisierten Rechtsverteidigung und finanziellen Unterstützung straffällig gewordener Mitglieder lediglich ein unangepasstes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung. Dies könne im Ansatz nicht ausreichen, um ein Sich-Richten der Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung anzunehmen. Die Mitglieder des Klägers nähmen für sich lediglich die Rechte jedes Staatsbürgers in Anspruch. Der Kläger sei auch nach Darstellung des Beklagten weder kämpferisch noch aggressiv in Erscheinung getreten, um die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Die unterstellte wirtschaftliche Absicherung und Unterstützung über einen „Defense Fund“ wäre lediglich als organisiertes Handeln zur Wahrnehmung von Vereinsrechten ohne Außenwirkung einzuordnen. Die vom Beklagten diesbezüglich angeführten allgemeinen Satzungen und Regelungen der „Hells Angels“ seien den Mitgliedern des klägerischen Vereins bis zur Vorlage durch den Beklagten unbekannt gewesen und für ihn nicht konstitutiv. Eine Berücksichtigung zu Lasten des Klägers scheide daher aus. Der Beklagte habe keine Nachweise für den Bestand und die Funktionsweise eines „Defense Fund“ vorgelegt. Es existiere kein „Defense Fund“, auf den die Mitglieder des Klägers zurückgreifen könnten. Eine Unterstützung von Mitgliedern im Rahmen der Rechtsverteidigung erfolge seitens des Klägers nicht. Es würden lediglich im Einzelfall von Mitgliedern freiwillige Spenden geleistet und Darlehen gewährt, ohne dass hierfür Quoten vorgegeben oder Verpflichtungen errichtet würden. Es bestehe kein Anspruch auf derartige Unterstützung. Auch Angehörige von Mitgliedern würden grundsätzlich nicht finanziell oder sachlich unterstützt.

31

Gleiches treffe auf die vom Beklagten unterstellte Existenz einer Organisation inhaftierter Mitglieder der „Hells Angels“ mit Namen „Big House Crew“ zu. Zu einer solchen angeblichen Vereinigung bestehe kein Kontakt des Klägers oder seiner Mitglieder.

32

Zuletzt hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Mai 2012 - nach Anwaltswechsel - vorgetragen, dass dem Kläger aktuell acht Vollmitglieder angehörten, davon als Präsident Peter AE., als Vizepräsident Y., als Secretary G., als Sergeant at Arms M. und als Treasurer P.. Diese fünf Mitglieder bildeten den Vorstand. Weitere Mitglieder seien D., S. und AB.. Der vormalige Präsident A. sei im Januar 2010 aufgrund einstimmigen Beschlusses der übrigen Mitglieder aus dem klägerischen Verein ausgeschlossen worden. Auch J. habe den Verein im Januar 2010 verlassen und übe seither keine Vereinsfunktionen aus. V. sei im Februar 2011 aus dem Verein ausgeschieden. AH. sei zunächst lediglich sog. „Hangaround“ und dann „Prospect“ gewesen, der Verein habe ihm jedoch die Mitgliedschaft versagt. Im September 2010 habe AH. daraufhin den klägerischen Verein verlassen.

33

Weiterhin ist der Kläger der Auffassung, die bei insgesamt sechs Mitgliedern festgestellten „Delta Darts“ könnten nicht als Beleg einer allgemeinen Bewaffnung der Vereinigung ins Feld geführt werden, da zum Zeitpunkt ihres Auffindens nach bundesdeutscher Rechtslage nicht festgestanden habe, ob es sich um eine verbotene Waffe handele. Das Bundeskriminalamt habe die verbotsrechtliche Waffeneigenschaft, soweit durch eine Scheide der Eindruck eines anderen Gegenstandes entstehen könne, erst mit Bescheid vom 01. September 2010 festgestellt. Die Mitglieder des Klägers hätten lediglich Gegenstände mit sich geführt, die nach wie vor jedermann zugänglich seien.

34

Zu den einzelnen in der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Kläger Folgendes vor:

35

zu Tat Nr. 1.: Bei der 2008 vom Mitglied D. begangenen Körperverletzung habe es sich um eine vollkommene individuelle, spontane und keinen Bezug zum klägerischen Verein aufweisende Tat gehandelt. Die vom Täter getragene Kutte sei unter der zusätzlich übergezogenen Jacke nicht sichtbar gewesen. Es seien keine weiteren Mitglieder des Klägers anwesend gewesen. Der Streit sei wegen einer Zudringlichkeit gegenüber der damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau von D. entstanden.

36

zu Tat Nr. 2.: Die bereits im Jahre 2008 abgeurteilte Tat der versuchten räuberischen Erpressung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz des Vereinsmitgliedes A. liege vor dessen erst 2009 begründeter Mitgliedschaft.

37

zu Tat Nr. 3.: Eine Zurechnung des Verstoßes gegen die Abgabenordnung durch Mitsichführen unverzollter Zigaretten seitens des J. zum Verein komme nicht in Betracht, weil selbst der Beklagte dem Kläger keine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang unterstelle.

38

zu Taten Nr. 4. und 8.: Ein vereinsrechtlicher Funktionszusammenhang des den Mitgliedern S., Y., AH. und A. unterstellten waffenrechtlichen Verstoßes sei nicht erkennbar. Die Zurechnung nicht begangener Straftaten sei als unzulässige Kriminalisierung der Vereinigung zu werten, zumal das Ermittlungsverfahren vermutlich auch wegen des Rückwirkungsverbotes des erst am 01. September 2010 erlassenen Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes eingestellt worden sei. Die Zurechnung eines waffenrechtlichen Verstoßes setze voraus, dass die betreffenden Mitglieder überhaupt eine strafgesetzwidrige Tatbegehung erkennen könnten, welche sich der Verein zu Eigen mache könne. Dies sei vorliegend wegen des verspätet ergangenen Feststellungsbescheides des BKA denknotwendig ausgeschlossen.

39

zu Tat Nr. 5.: Bei der am 12. September 2009 vom ehemaligen Vereinsmitglied A. begangenen Tat auf der BAB 7 handele es sich um den einzigen von der Verbotsverfügung angeführten Fall eines organisatorischen Zusammenwirkens von Vereinsmitgliedern mit strafrechtlicher Relevanz. Die Ermittlungen hätten allerdings ergeben, dass es sich auch hier lediglich um ein Einzeldelikt ohne Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers gehandelt habe. Eine strafrechtliche Einbeziehung der übrigen anwesenden Mitglieder sei nicht etwa an der Nachweisbarkeit gescheitert, sondern diese in den Blick geratenden Vereinsmitglieder hätten zur Deeskalation beigetragen. Sie hätten der Tatausführung entgegengewirkt und damit zielgerichtet auf die Vermeidung von Straftaten hingewirkt, indem sie das Mittel ihrer Präsenz vor Ort eingesetzt hätten. Die Inanspruchnahme gegenseitiger Autorität sei Ausdruck einer gesellschaftlich anerkannten Methode der Konfliktvermeidung. Im Übrigen habe sich die Vereinigung durch den Ausschluss ihres Präsidenten A. deutlich von diesem distanziert. Das Handeln des ehemaligen Präsidenten habe daher in keiner Weise eine kollektive Anerkennung erfahren. Soweit das Mitglied A. auch während des laufenden Ermittlungsverfahrens bzw. seiner zeitweiligen Untersuchungshaft im Amt des Präsidenten belassen worden sei, liege darin kein verbotsrelevanter Rückhalt durch den Kläger, da selbst Beamte ihre Position regelmäßig bis zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe behielten. Auch in sonstiger Weise sei kein Rückhalt des Vereins für die Begehung der vorgeworfenen Taten erkennbar.

40

zu Tat Nr. 6.: Die Vermutungen, welche den Beklagten zur Zurechnung des Flensburger Waffenfundes an den Kläger geführt hätten, seien in keiner verwertbaren Weise belegt, zumal die Ermittlungen bis heute nicht abgeschlossen seien. Fingerabdrücke von A. und V. seien nicht auf den Waffen, sondern auf Bedienungsanleitungen gefunden worden. Fingerabdrücke des S. seien ebenfalls nicht an Waffen, sondern auf einer Kiste festgestellt worden. S. habe auch nicht über einen Schlüssel zur Werkstatt verfügt und sei im Übrigen Mitglied in einem Schützenverein, in dem auch großkalibrige Waffen beschossen würden. Auch weitere Spuren auf einer Außenhülle ließen keinen Bezug des Inhaltes zu einer bestimmten Person zu. Es bestehe auch kein Bezug der klagenden Vereinigung zu dem Handel des betreffenden Gewerbetreibenden mit Alu-Felgen, da Motorräder in der Werkstatt dieses Gewerbetreibenden nicht gewartet oder repariert würden.

41

zu Tat Nr. 7.: Ein Funktionszusammenhang der strafrechtlich nicht verfolgten Getränkehehlerei des S. zur Tätigkeit des Klägers sei nicht ersichtlich.

42

zu Tat Nr. 9.: Die dem Mitglied Y. zugeschriebene Begehung einer Fälschung von TÜV-Zertifikaten und des Handels mit entwendeten Motorrad-Teilen datierten aus dem Jahre 2004. Zu diesem Zeitpunkt seien weder der Kläger oder sein Vorgängerverein der „HAMC East-Coast“ existent gewesen, noch sei Y. damals Mitglied in einem Motorrad-Club gewesen. Eine Zurechnung von Verhaltensweisen, die die übrigen Vereinsmitglieder nicht zum Schutze des Vereines hätten verhindern können, müsse ausscheiden.

43

Insgesamt sei festzustellen, dass nur eine Minderheit von Mitgliedern, und zwar erhebliche Zeit vor Erlass der Verfügung, vereinzelt straffällig geworden sei, ohne dass eine Verbindung zum Vereinszweck ersichtlich wäre. Ein Vereinsverbot erweise sich daher als unverhältnismäßig. Zumal bei Berücksichtigung der Vereinsausschlüsse bzw. -austritte könne weder eine zeitliche Dichte von Straftaten noch eine Konzentration auf Funktionsträger der Vereinigung festgestellt werden. Es lägen keine Hinweise auf eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor vor. Widerlegt sei insbesondere eine hierarchische, Straftaten steuernde Handlungs- und Anweisungskompetenz des Vorstandes. Der Beklagte gründe seine Zurechnungsargumentation auf bloße Unterstellungen und Zuschreibungen, mit denen auf die „eigentliche Zweckbestimmung“ des Vereins geschlossen werden solle. Auch Anhaltspunkte für eine Betätigung des Klägers in unzulässigen Wirtschaftsbereichen seien nicht dargelegt.

44

Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, es fehle an einer verfassungsrechtlich erforderlichen bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage für Datenübermittlungen aus dem Bereich der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung an die Vereinsverbotsbehörde. § 4 VereinsG stelle lediglich eine Aufgabenzuweisung, aber nicht eine datenschutzrechtliche Befugnisnorm dar.

45

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Vorbringen vertieft und ergänzend geltend gemacht. Das bundesweite Vorgehen der Sicherheitsbehörden basiere auf einem gemeinsamen Strategiepapier vom Oktober 2010 und einer textbausteinartig vorbereiteten Musterverbotsverfügung, begleitet von einem von unzutreffenden diskreditierenden Zuschreibungen getragenen Aufbau eines negativen Bildes der sog. „Rocker“ über die Medien. Die konkrete Ermittlungsarbeit der Verbotsbehörde im jeweiligen Einzelfall sei hingegen völlig unzureichend. Nach dem kürzlichen Ausscheiden eines weiteren Mitgliedes, D., bestehe der Verein nunmehr nur noch aus sieben Mitgliedern, welche schlechterdings keinen Machtausübungsanspruch verkörpern könnten.

46

Der Kläger beantragt,

47

den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 aufzuheben.

48

Der Beklagte beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Er ist der Auffassung, dass der klägerische Verein trotz der Veränderung seines Namens und seines Status bis hin zur vollgültigen Aufnahme als rechtlich selbstständiges Charter der „Hells Angels“ MC im Jahre 2008 jedenfalls seit 2003, ggf. auch schon seit einem früheren Zeitpunkt, unter Fortführung seiner Identität bestanden habe. Von den zum Verbotszeitpunkt 12 Vereinsmitgliedern seien 9 Mitglieder selbst strafrechtlich in Erscheinung getreten, wobei die nicht oder nur in geringem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getretenen Mitglieder keine Funktionsämter innerhalb des Vereines bekleideten bzw. in relativ weiter Entfernung zum Vereinsstandort Flensburg wohnhaft seien, mithin für spontane Aktionen des Vereins wie die Straftat Nr. 5 auf der BAB 7 nicht zur Verfügung stünden.

51

Zur Zulässigkeit der Klage ist der Beklagte der Auffassung, dass der Kläger als nicht rechtsfähiger Verein gemäß § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 54, 709 Abs. 1 BGB nur durch alle Mitglieder gemeinsam prozessfähig sei, solange eine besondere Vertretungsmacht einzelner Mitglieder aufgrund der Satzung nicht nachgewiesen sei. Letzteres sei gerade nicht der Fall.

52

Der Beklagte bestreitet anhand eigener Erkenntnisse, dass der Präsident des Klägers A. im Januar 2010 aus dem Verein ausgeschlossen worden sein soll, und verweist auf gegenteiligen Vortrag des Klägers mit dem ursprünglich klagebegründenden Schriftsatz. Vielmehr sei A. nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2010 im gegenseitigen Einvernehmen in sog. „good standing“ aus der Mitgliedschaft entlassen worden. Nicht entscheidungserheblich sei der neuere Vortrag zum Austritt des J., da jedenfalls dessen Straftaten zuvor begangen worden seien. Soweit der Kläger nunmehr Statusänderungen der Mitglieder AB. und AH. nach Zustellung der Verbotsverfügung vortrage, sei dies als Betätigung entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 20 VereinsG sogar strafrechtlich relevant, in der Sache aber für die Begründung des Verbots nicht erheblich.

53

Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet.

54

Der Beklagte sei unabhängig davon, ob der Kläger zu einer bundesweit tätigen Organisation gehöre, wegen des auf das Land Schleswig-Holstein beschränkten Wirkungsbereichs des Vereins oder Teilvereins für dessen Verbot zuständig. Zur Erteilung des hier herzustellenden Benehmens des Bundesministers des Inneren sei die Übermittlung des Entwurfs der Verbotsverfügung ausreichend gewesen. Die Ermittlungen zur Erarbeitung der Verbotsverfügung seien durch ein eigenes Fachreferat des Beklagten unter Verwertung von Ermittlungsergebnissen und Erkenntnissen auch der dem Beklagten zugeordneten Ämter des Landeskriminalamtes und des Landespolizeiamtes erfolgt.

55

Die Verbotsverfügung sei nicht wegen unterbliebener Anhörung formell rechtswidrig, da mit einer Anhörung der mit der Verfügung verfolgte Zweck vereitelt worden wäre. Eine Anhörung hätte einen Ankündigungseffekt gehabt und es dem Kläger ermöglicht, seine vereinsinterne Infrastruktur, sein der Einziehung unterliegendes Vermögen sowie weitere beim Vollzug der Verbotsverfügung aufzufindende Beweismittel für die Verfolgung strafgesetzwidriger Vereinszwecke zu verschleiern, zu verdecken oder aus dem Zugriff des Beklagten zu entfernen. Einer Anhörung habe daher ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne von § 87 Abs. 4 LVwG entgegengestanden. Die Verschleierungs- bzw. Verschiebungsgefahr auf Seiten des Klägers werde beispielhaft deutlich an Vorgängen wie dem Abstellen des Tat-Pkw des A. nach der Tat vom 12. September 2009 auf einem Bauhof sowie dem Auffinden von eindeutig den Mitgliedern des Klägers zuzuordnenden Waffen bei einem Gewerbetreibenden in A-Stadt.

56

Die im Zusammenhang mit der Verbotsverfügung erfolgte Datenverarbeitung des Beklagten einschließlich der Übermittlung von Daten aus Strafverfahren könne auf die hinreichend bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen der § 11 Abs. 1 Nr. 2 LDSG i.V.m. §§ 177 ff. LVwG gestützt werden, da der Beklagte als für das Vereinsverbot durch Landesverordnung für zuständig erklärte Behörde Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehme. Hilfsweise sei auf die Generalklausel des § 14 Abs. 2 Nr. 6 BDSG zu verweisen.

57

Vor dem Hintergrund der durch die obergerichtliche Rechtsprechung im Rahmen des § 3 Abs. 1, Abs. 5 VereinsG errichteten Maßstäbe für eine Zurechnung von Straftaten zu einem Verein sei das klägerische Vorbringen nicht geeignet, eine Zuordnung der den einzelnen Mitgliedern zur Last gelegten Straftaten zu widerlegen. Insbesondere könne sich ein strafgesetzwidriger Zweck im Sinne von § 3 Abs. 1 VereinsG auch aus dem tatsächlichen Verhalten Einzelner oder erst recht der Mehrheit der Vereinsmitglieder ergeben, ohne dass Satzung und Ordnungen sowie die institutionell verfestigten Ziele und Programme eines Vereins ihn vorsähen. Die Begehung von Straftaten müsse auch nach den obergerichtlichen Maßstäben nicht der Hauptzweck des Vereins sein, um die Strafgesetzwidrigkeit seines Zwecks zu begründen; vielmehr könnten die den Verein prägenden Straftaten auch eine begleitende Erscheinung des Vereinszwecks sein.

58

Das klägerische Vorbringen stelle nicht in Abrede, dass der Kläger als Verein „entsprechend dem geltenden Ehrenkodex“ seine Mitglieder auch dann unterstütze, wenn sie selbst Straftaten begingen oder begangen hätten. So hätten mehrere Mitglieder durch ihre Anwesenheit die Tat ihres Präsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 vor und während ihrer Begehung durch körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern des rivalisierenden Vereins unterstützt und damit das Verhalten des Präsidenten gebilligt. Die Tat sei ein Beispiel für die Wirkung des Ehrenkodex. Ein weiterer Beleg für die Zurechenbarkeit einzelner Straftaten zum Verein sei das System des sog. „Defense Fund“, der gerade nicht auf eine Vorbereitung des jeweiligen Mitgliedes auf ein Leben im Anschluss an die Haftzeit gerichtet sei, sondern die Wirkungen einer Haftstrafe soweit wie praktisch möglich aufheben und die soziale Einbindung in den Verein sichern wolle. Der „Defense Fund“ belege, dass der Verein sich von vornherein auf eine Inhaftierung von Mitgliedern einstelle und die Wirkung der staatlichen Strafdrohung bzw. eines Entdeckungsrisikos bei Straftaten herabsetze. Er gehe über die Gewährleistungen einer Rechtsschutzversicherung bei weitem hinaus, greife auch bei vorsätzlichen Taten ein und sichere auch finanzielle Verpflichtungen eines vorläufig Inhaftierten oder eines zu einer Freiheitsstrafe Verurteilen im Sinne einer Schadensversicherung.

59

Soweit der Kläger eine Unterstützungshandlung des Vereins durch Belassen des Präsidenten A. in seinem Amt auch nach erheblichen Straftatenvorwürfen durch einen Hinweis auf das Beamtenrecht in Abrede stelle, sei darauf hinzuweisen, dass betroffene Beamte wegen des disziplinarischen Überhangs einer Straftat noch vor abschließender Feststellung der Strafbarkeit ihres Verhaltens vorläufig ihres Dienstes enthoben würden oder ihnen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werde.

60

Zu den einzelnen in der Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Beklagte wie folgt vor:

61

1. Bei seiner im September 2008 in Leck begangenen Körperverletzung habe das Mitglied D. die seine Zugehörigkeit zum Kläger ausdrückende Weste mit dem Vereinsabzeichen - die sogenannte Kutte - getragen und damit nach außen seine Mitgliedschaft kundgetan. Dies belege, dass sich die Mitglieder des Klägers allein durch ihre Identifikation mit dem Verein einer Außenwirkung bewusst gewesen seien, die ihnen die Begehung von Straftaten erleichtere und zugleich die Wirkungen der Strafverfolgung abzumildern geeignet sei. In diesem Strafverfahren hätten sich die Auswirkungen der Tendenzen des Vereins gezeigt, jegliche Zusammenarbeit mit staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden und Strafverfahren gegen Mitglieder soweit wie möglich zu behindern. So habe eine Zeugin ausdrücklich von Warnungen berichtet, gegen D. auszusagen, da er ein Mitglied des Klägers sei und man von solchen Leuten lieber die Finger lassen solle. Diese Zeugin habe eine Verhinderung für den Termin zur Hauptverhandlung angezeigt, was das Strafgericht als Angst vor einer Aussage gewertet habe. Ein vernommener Zeuge habe eine offensichtlich zu Gunsten des Angeklagten gesteuerte, unglaubwürdige Zeugenaussage abgegeben und versucht, seine Zugehörigkeit zum Umfeld des Klägers zu verschleiern. An diesem Vorgang lasse sich eine Einflussnahme des Klägers auf Personen aus seinem Umfeld ablesen, als deren Folge diese eine Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden verweigerten. Die Straftat des D. sei für sich genommen nicht in jeglichem Zusammenhang als einem Verein zurechenbar anzusehen, stelle sich jedoch in dem hier vorliegenden Gesamtzusammenhang als Teil einer gewaltsamen Selbstbehauptung des Klägers und seiner Mitglieder dar. Der Beklagte gehe entgegen dem Vortrag des Klägers von einer Mitgliedschaft des D. zum Begehungszeitpunkt aus, zumal er bereits im März 2008 bei einer Veranstaltung der „Hells Angels“ MC in Hannover als Mitglied des Klägers aufgetreten sei und bereits 2009 als Vizepräsident fungiert habe.

62

2. Die zu Ziffer 2 der Verbotsverfügung abgeurteilte Tat des Präsidenten A. sei insbesondere wegen des Verstoßes gegen §§ 51 f. Waffengesetz bedeutsam. Aus dieser Tat lasse sich ebenfalls die Tendenz zur gewaltsamen Selbstbehauptung des Vereins und seiner Mitglieder ableiten.

63

3. Auch der zu Ziffer 3 der Verbotsverfügung abgeurteilte Strafvorwurf gegen die Mitglieder J. und V. wegen Steuerhehlerei zeige sich als szenetypisch, da durch den Schmuggel von Zigaretten unter anderem an einer Basis für den wirtschaftlichen Erwerb im Vergnügungsgewerbe mitgewirkt werde. Dort suche der Kläger eine Vormachtstellung zu erlangen. Die Tatsache, dass bei der Tat zwei Mitglieder des Vereins gemeinsam ohne weitere vereinsexterne Personen tätig gewesen seien, lege eine Unterstützung oder Billigung seitens des Vereins nahe.

64

4. Die Ermittlungsverfahren der schweizerischen Polizei gegen die Mitglieder S., Y., AH. und den in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht aufgeführten AB. seien zwar wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, jedoch seien die sichergestellten Delta-Darts als verbotene Waffen eingezogen worden. In der hier festgestellten Variante mit Scheide sei dieses Kunststoffmesser durch Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 als Hieb- und Stoßwaffe, die ihrer Form nach geeignet sei, einen anderen Gegenstand vorzutäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauch verkleidet sei, eindeutig als waffenrechtlicher Verstoß gewertet worden. Der Bescheid habe lediglich deklaratorische Wirkung und unterliege daher keinem Rückwirkungsverbot. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum sei angesichts der Beschaffenheit der Waffe ausgeschlossen. Ein solcher Delta-Dart mit Scheide sei auch bei der Festnahme des Präsidenten des Klägers A. im Januar 2010 sichergestellt und das entsprechende Strafverfahren vor dem Amtsgericht A-Stadt im November 2010 gemäß § 153 a StPO unter der Auflage der Ableistung gemeinnütziger Arbeit eingestellt worden, was vom Angeklagten akzeptiert worden sei. Diese Straftat des A. sei zwar nicht Bestandteil der Begründung des Verbotsbescheides, belege jedoch eine strafrichterliche Bestätigung der Auffassung des Beklagten in Übereinstimmung mit dem Feststellungsbescheides des BKA.

65

5. Was die Straftat des Vereinspräsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 anbelange, so ließen sich die für eine vereinsrechtliche Zurechnung zum Kläger erforderlichen tatsächlichen Umstände dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 zweifelsfrei entnehmen. Das Landgericht habe ausdrücklich klargestellt, dass sich die abgeurteilte Tat in den Kontext des allgemeinen Konflikts zwischen dem „Hells Angels MC“ und dem „Bandidos MC“ einfüge. So habe das Landgericht als Motiv der Tat eine Disziplinierung der Mitglieder des gegnerischen Vereins wegen eines als solchem verstandenen „Gebietsverstoßes“ erkannt und die Tat demnach als Durchsetzung des vom Kläger mit strafbaren Mitteln verteidigten, die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols ausschließenden Territorialprinzips der Vereinigung gesehen. Ebenfalls sei durch das Landgericht festgestellt, dass diese zur Chefsache gemachte Reaktion auf einen vermeintlichen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ an einer Tankstelle im Raum Flensburg auf einer organisierten Willensbildung der Mitglieder des Klägers basiert habe. Durch die Feststellungen des Strafgerichts sei belegt, dass der damalige Präsident A. mitten in der Nacht per Mobilfunk binnen 20 Minuten insgesamt 3 Fahrzeuge mit mehreren Mitgliedern bzw. Unterstützern des Vereins zu einer bestimmten Stelle auf BAB 7 habe dirigieren können. Die dahingehende Willensbildung und -unterwerfung seitens der Mitglieder und Unterstützer belege den Rückhalt und die Unterstützung, die der Präsident bei seiner Tatausführung durch den Verein in vereinsrechtlich zurechenbarer Weise erfahren habe. Diese Unterstützungsleistungen umfassten sowohl die Vor- als auch die Nachtatphase, da festgestellt worden sei, dass A. das Tatfahrzeug nach der Tat auf einem Bauhof in XXX Stadt abgestellt habe und kurz darauf in der Innenstadt von Flensburg gewesen sei, wobei ihn angesichts des Wochentages und der Uhrzeit eine weitere Person gefahren haben müsse. Insgesamt habe die Tat nur auf Grundlage einer funktionierenden internen Willensbildung innerhalb des Klägers ins Werk gesetzt können, an der sich eine Vielzahl, nämlich insgesamt die Hälfte der Mitglieder, beteiligt habe. Es sei im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft Flensburg für eine Anklage der übrigen beteiligten Mitglieder des Klägers keine strafrechtlich hinreichende Grundlage gesehen habe, da sie dieses maßgeblich mit rechtlichen Unsicherheiten im Bereich des subjektiven Tatbestandes begründet habe. Der vereinsrechtliche Zurechnungszusammenhang reiche jedoch weiter und erlaube vorliegend die Zuordnung der Unterstützungsbeiträge der vor Ort festgestellten, teilweise auch in körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der gegnerischen Vereinigung verwickelten Mitglieder und damit des Klägers insgesamt. Aus den Ermittlungsakten ergebe sich, dass neben A. die Mitglieder V., S. und P. sowie der nach der Straftat in den Status eines Vollmitglieds aufgerückte AH. am Tatort gewesen seien und dem Präsidenten die vereinsrechtlich relevante Hilfestellung geleistet hätten. Der bei den körperlichen Auseinandersetzungen auf der BAB 7 im Nachgang zu der Straftat des Präsidenten A. am 12. September 2009 seinerseits schwer verletzte AH. habe zu diesem Zeitpunkt den für eine vereinsrechtliche Zurechnung seiner Mitwirkung ausreichenden Status eines sog. „Hangaround“ gehabt, wie sich durch Aufnäher an seiner sichergestellten Kutte ergeben habe.

66

6. Die vereinsrechtliche Zurechnung des bei einem Flensburger Gewerbetreibenden aufgefundenen Waffenlagers zum Kläger stehe für den Beklagten auf dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens außer Frage. Eine Anklage sei ausschließlich deshalb noch nicht erfolgt, weil noch nicht alle Ermittlungsansätze, die zum Auffinden noch weiterer Täter führen könnten, erschöpft seien; insoweit seien zwar auf den aufgefundene Waffen und Kriegswaffen genetische Spuren des Mitglieds des Klägers S. sowie daktyloskopische Spuren des Präsidenten des Klägers A. sowie der Mitglieder V. und - über die Erkenntnisse in der angefochtenen Verfügung hinaus - des Mitglieds J. nachgewiesen worden. Zudem habe der Gewerbetreibende, in dessen Betrieb die Waffen aufgefunden worden seien, angegeben, dass er von diesen keine Kenntnis habe, dass aber das Mitglied des Klägers S. über Schlüssel zu den betreffenden Geschäftsräumen verfüge. Somit ließen sich Spuren an dem Waffenlager von einem Drittel der Vereinsmitglieder nachweisen. Der Gewerbetreibende, in dessen Räumlichkeiten der Fund erfolgte, unterhalte zu weiteren Mitgliedern des Klägers geschäftliche Beziehungen, sodass insgesamt die Hälfte der Vereinsmitglieder theoretisch Zugang zu den aufgefundenen Waffen gehabt hätten. Angesichts der Dimension des Waffenlagers, die auf eine Ausrüstung einer größeren Organisation hinweise, sei die Tat der Willensbildung des Vereins zuzurechnen. Von Bedeutung sei auch, dass drei der strafrechtlich beteiligten Mitglieder - der Präsident A., der sog. Treasurer S. und der Road Captain J. - hochrangige Funktionsträger des Klägers seien.

67

Die Zuordnung von Spuren habe im Einzelnen ergeben, dass eine genetische Spur an einem Patronengurt sowie drei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem Koffer zur Aufbewahrung von Waffen und an einem Munitionskarton eindeutig dem Mitglied S. zugeordnet werden konnten. Dem Mitglied V. hätten zwei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einer bei den Waffen befindlichen Bedienungsanleitung für eine Pistole zugeordnet werden können, dem Vereinspräsidenten A. vier daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an derselben Bedienungsanleitung sowie dem Mitglied J. insgesamt acht daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem bei den aufgefundenen Waffen befindlichen Müllsack.

68

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. April 2012 ergänzend mitgeteilt, dass das diesbezügliche Ermittlungsverfahrens wegen des Waffenfundes immer noch nicht abgeschlossen sei. Ein kriminaltechnischer Beschuss der Waffen habe stattgefunden, wobei aber noch kein Ergebnis des Vergleichs mit der Tatmunitionssammlung des Bundeskriminalamtes vorliege, um eine Zuordnung zu anderen Straftaten zu ermöglichen. Er trägt vor, durch eine Zeugenaussage in einem Ermittlungsverfahren betreffend die „Hells Angels Kiel“ sei bestätigt worden, dass von diesen die in Flensburg aufgefundenen Waffen dem dortigen Charter der „Hells Angels“ zuzurechnen seien.

69

7. Im Vordergrund der in der Verbotsverfügung unter Ziffer 7 aufgeführten Straftat stehe rechtlich gesehen nicht die Getränkehehlerei, wegen derer das Strafverfahren inzwischen eingestellt worden sei, sondern der am 06. Januar 2010 wie auch erneut am 29. April 2010 festgestellte, dem betreffenden Vereinsmitglied S. waffenrechtlich nicht erlaubte Besitz von Munition. Der Verbotsbehörde dürfte auch nach Erlass des Vereinsverbotes Ermittlungen gemäß § 4 VereinsG zum Zwecke der Sachverhalts-feststellung und zum Auffinden von weiteren Beweisen durchführen und Erkenntnisse anschließend in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung des Vereinsverbotes verwenden. Daher sei auch die bei der Untersuchung am 29. April 2010 bei dem Mitglied S. zur Beschlagnahme von Vereinsvermögen aufgefundene, waffenrechtlich nicht erlaubte Munition im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung des Vereinsverbots zu berücksichtigen. Die bei S. aufgefundene Munition belege, dass die unter der vorgenannten Ziffer 6 aufgeführte Tat im Zusammenhang mit dem Waffenfund bei dem Flensburger Gewerbetreibenden keine singuläre Aktion einzelner Mitglieder und des Vereins darstelle, sondern sich in ein verbreitetes Verhaltensmuster der Mitglieder im Rahmen einer gemeinsamen Willensbildung einfüge. Daraus ergebe sich ein innerer Zusammenhang der Taten Nr. 6 und 7 mit der Folge einer Zurechenbarkeit zum Kläger als Verein. Im Übrigen sei auch die Getränkehehlerei als sog. Absatzhehlerei dem Verein zuzurechnen, da S. - wie auch das Mitglied D. - mehrere Gaststätten mit Bezug zum Verein (u.a. durch Namensgebung „X. X“, welche die „corporate identity“ des Klägers berühre) betreibe bzw. betrieben habe.

70

8. In den beiden durch Verfahrenseinstellung beendeten Verfahren wegen Besitzes eines verbotenen Delta-Darts mit Scheide gegen die Mitglieder des Klägers M. und V. sei bestätigt worden, dass der objektive Tatbestand einer Straftat erfüllt gewesen sei. Für eine Zurechnung an den Verein im Rahmen der Überprüfung des Vereinsverbotes sei es unerheblich, dass beide Angeklagte sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB berufen hätten. Die objektiv begangenen Taten belegten den allgemeinen Hang der Mitglieder des Klägers zur Bewaffnung und damit zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Interessen. Zu berücksichtigen seien auch die in den Ermittlungsakten erwähnten weiteren Funde von Waffen, insbesondere einer Handgranate.

71

9. Die 2004 von dem Mitglied Y., dessen Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt der Kläger zunächst nicht bestritten habe, begangene Straftat des Handels mit Motorradzubehör und hiermit verwandte Dienstleistungen sei als szenetypisch im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer eigenen Vormacht- oder zumindest einer starken Stellung in jenem Wirtschaftsbereich anzusehen. Eine strafbare Tätigkeit eines Mitglieds in einem solchen Bereich komme typischerweise auch den Mitgliedern eines Vereins wie dem Kläger zugute, sodass das unwiderlegliche Indiz bestehe, dass der Kläger sein Mitglied zu seinem eigenen Vorteil in dieser Tätigkeit unterstütze. Die durch den rechtskräftigen Strafbefehl abgeurteilte Tat der Steuerverkürzung stehe im Zusammenhang mit der noch gesondert verfolgten Hehlerei gestohlener Motorradteile und dem Abverkauf von aus gestohlenen Teilen zusammengesetzten Motorrädern.

72

Zur ergänzenden Begründung der Verbotsverfügung damit, dass der Kläger sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei zentral auf den vom Kläger eingerichtete sog. „Defense Fund“ zu verweisen. Nach den Erkenntnissen des Beklagten unterwürfen sich grundsätzlich alle bundesweit tätigen Charter des „Hells Angels MC Germany“ den Regeln des „Defense Fund“. Gleichwohl sei ein Vorgehen des Beklagten lediglich gegen einzelne Charter unter dem Gesichtspunkt einer Willkürfreiheit systemgerecht. Entscheidend sei insoweit, ob dem „Defense Fund“ in dem jeweiligen Charter eine Bedeutung zukomme. Die Einrichtung des sog. „Defense Fund“ beweise bereits eine abstrakt verfassungsfeindliche Gesinnung des einrichtenden Vereins, da wegen der Milderung der sozialen Folgen einer Freiheitsstrafe dem staatlichen Gewaltmonopol aktiv entgegengetreten werde. Eine kämpferisch-aggressive Betätigung eines Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung folge jedoch erst aus der praktischen Anwendung und Umsetzung des „Defense Fund“. Dieser schlage in die Grundlage eines aktiven Sich-Richtens des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung um, wenn innerhalb des Vereins Straftaten begangen würden, die unter anderem dadurch motiviert seien, dass angesichts des „Defense Fund“ die Wirkung der Strafe für eine begangene Tat deutlich hinter dem zurückbleibe, was mit der Bestrafung staatlich bezweckt sei. Entscheidend sei somit der „gelebte“ „Defense Fund“. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger vor. Insoweit unterscheide sich der Kläger auch von anderen Chartern des „Hells Angels MC Germany“ in Schleswig-Holstein, die im Vergleich zu ihm keine oder lediglich Straftaten geringerer Art und Umfangs aufwiesen.

73

Für eine kämpferisch-aggressive Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele sei bereits ausreichend, dass eine Vereinigung ihre eigene Ordnung partiell an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung setze und diese gegenüber Mitgliedern und Nichtmitgliedern ggf. gewaltsam, jedenfalls aber unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols durchsetze. Dies sei der Fall, wenn der Verein eigene Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung seiner Vereinsziele ansehe und eine staatliche Sanktion seiner Gewaltausübung ablehne, zu behindern oder in den Folgen abzuschwächen suche, was auf den Kläger, in Übereinstimmung mit allgemeinen Erkenntnissen über örtliche Charter des „Hells Angels MC Germany“ zutreffe. Die staatliche Ordnung werde unter anderem im Wege einer Selbstverpflichtung wie auch Verpflichtung Außenstehender zum Schweigen unterlaufen. In diese Schweigeverpflichtung würden auch Zeugen, die rechtlich zur Aussage verpflichtet seien, einbezogen.

74

Die vom Landeskriminalamt zusammengestellten Ermittlungsergebnisse ergäben, dass die allgemeinen Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Betätigungen innerhalb der Bewegung der „Hells Angels“ in Deutschland auch auf den Kläger zuträfen. Insoweit wird auf eine Ausarbeitung des LKA vom 09. April 2011 über den „Hells Angels MC“ als Phänomen der organisierten Kriminalität“ verwiesen. Aus ihr ergebe sich, dass dem Kläger eine koordinierende Rolle für strafgesetzwidrige Zwecke und als alternativer Organisationsstruktur einer Macht- und Gewaltordnung für Mitglieder und bestimmte außenstehende Dritte unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols zukomme. So hätten sich auch Belege für eine Beteiligung des klägerischen Charters an der Wirkweise der Organisation der sog. „Big House Crew“ als Vereinigung inhaftierter Mitglieder des Klägers gefunden.

75

Die Errichtung einer eigenen Rechts- und Gewaltordnung unter Ausschluss der staatlichen Ordnung zeige sich namentlich in den Straftaten des unerlaubten Waffenbesitzes und in Körperverletzungsdelikten zur Durchsetzung der Vereinsinteressen des Klägers. Insoweit verweist der Beklagte auf die in der Verbotsverfügung genannten Straftaten unter Nr. 2, 4, 7, 8 und dem Ereignis unter Nr. 6 (Waffenfund), welches eine Ausrüstung für paramilitärische Konflikte nahelege. Auch die Straftat zu Nr. 5 einschließlich des gesamten Tatablaufs der Alarmierung von Mitgliedern durch einen Supporter und die gemeinsame Anfahrt zum Tatort auf der BAB deute auf einen Anspruch des Klägers auf unbedingte Machtentfaltung hin, der mit dem staatlichen Gewaltmonopol nicht vereinbar sei. Insgesamt lasse sich den belegten Straftaten und dem Verhalten der Mitglieder entnehmen, dass der Kläger zwar nicht einen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung bezwecke, wohl aber das staatliche Gewaltmonopol ablehne und durch eine eigene Gewaltordnung zu ersetzen suche. Dies erfülle die Voraussetzungen eines kämpferisch-aggressiven Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

76

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, aus Art. 9 Abs. 2 GG folge die lediglich deklaratorische Wirkung einer Verbotsfeststellung, auf deren Bestand das nachträgliche Verhalten der Mitglieder keinen Einfluss mehr haben könne. Zum Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung hat er seinen schriftsätzlichen Vortrag vertieft und ergänzend ausgeführt, der klägerische Verein richte sich gegen die für die verfassungsmäßige Ordnung zentrale Gewährleistung der Menschenwürde, indem er Abweichler bestrafe und sie dadurch zum Objekt ihres Handels degradiere. Die kämpferisch-aggressive Ausrichtung des Klägers werde auch insoweit durch die Ausführung der Tat Nr. 5 auf der BAB 7 unzweifelhaft belegt. Demgegenüber komme dem - auch in Flensburg praktizierten - System des „Defense Funds“ für das Verbot eine vergleichsweise nachrangige Bedeutung zu.

77

Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 (4 MR 1/10) hat der Senat einen Antrag des Klägers vom 21. Oktober 2010 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung im Wesentlichen abgelehnt und die aufschiebende Wirkung der Klage lediglich insoweit angeordnet, als in der Verfügung die Einziehung von Sachen Dritter für sofort vollziehbar erklärt worden war.

78

Das Gericht hat die Strafverfahrensakten zu den in der Verbotsverfügung genannten Taten beigezogen, ausgewertet und den Beteiligten zur Einsichtnahme zugesandt.

79

In der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2012 hat der Vertreter des Klägers nach Stellung der Anträge und Erörterung der Sach- und Rechtslage die Rücknahme der Klage erklärt. Der Beklagte hat seine Einwilligung hierzu nicht erteilt und hilfsweise für den Fall, dass der Senat nicht schon aufgrund der bislang vorgetragenen Straftaten von Vereinsmitgliedern zu der Überzeugung gelange, dass der Verbotsgrund des Zuwiderlaufens von Zwecken oder Tätigkeit des Vereins gegen Strafgesetze vorliege, einen Beweisantrag zu einem weiteren diesbezüglich relevanten, erst kürzlich zu seiner Kenntnis gelangten Sachverhalt der Schutzgelderpressung gestellt, wegen dessen Inhalt auf die Sitzungsniederschrift verwiesen wird.

80

Auch wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Strafverfahrensakten bzw. die hieraus gefertigten Kopien, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Der Senat hat trotz der in der mündlichen Verhandlung erklärten Klagrücknahme über die Klage zu entscheiden, weil die gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO nach der erfolgten Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung erforderliche Einwilligung des Beklagten in die Zurücknahme ausdrücklich nicht erteilt worden ist. Das Einwilligungserfordernis aus § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO dient dem Schutz des Beklagten, der den Rückzug des Klägers aus dem Verfahren verhindern können soll, nachdem durch Antragstellung verhandelt worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.06.2010 - 5 LB 110/10 -). Letzteres war vorliegend geschehen.

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II. Die Klage ist in zulässiger Weise durch sämtliche nach Informationsstand des Beklagten und nach dem Vorbringen der Klägerseite in der Klageschrift zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorhandene Mitglieder des klägerischen Vereins erhoben worden. Die Klageerhebung für einen nicht rechtsfähigen Verein hat gemäß § 62 Abs. 3 VwGO in Vollmacht seiner gesetzlichen Vertreter und Vorstände zu erfolgen. Dies sind gemäß § 54 i.V.m. § 709 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Mitglieder des Vereins gemeinschaftlich, soweit nicht in einer Satzung Stimmenmehrheit vereinbart oder eine Übertragung der Geschäftsführung erfolgt ist. Letzteres ist hier nicht ersichtlich. Mit der Klageerhebung sind Vollmachten sämtlicher zwölf damals auch in der Klageschrift als Mitglieder namentlich benannter Personen - entsprechend dem Mitgliederstand nach Informationen des Beklagten -, alle datiert auf den 05. Mai 2010, zu den Akten gereicht worden. Zweifel an der Erfüllung der vereins- und prozessrechtlichen Voraussetzungen für die wirksame Klageerhebung des Vereins bestehen daher nicht. Soweit mit dem Anwaltswechsel im April 2012 Vollmachten lediglich von neun der ursprünglich zwölf vollmachtgebenden Mitglieder eingereicht worden sind, darunter eine Vollmacht des im nachfolgenden Schriftsatz vom 16. Mai 2012 nicht mehr als Mitglied bezeichneten J., begründet dies Zweifel weder hinsichtlich der Zulässigkeit noch hinsichtlich der wirksamen Mandatierung des klägerischen Anwaltes und Antragstellung. Nach dem klägerischen Vortrag sollen die nunmehr nicht mehr vollmachtgebenden ursprünglichen Mitglieder sowie zwei weitere Mitglieder zwischenzeitlich ausgeschieden oder ausgeschlossen worden sein. Jedenfalls für den insoweit allein maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat kann mangels gegenteiliger Erkenntnisse die Richtigkeit dieses Vortrages zugrunde gelegt werden, weil eine Trennung eines Mitgliedes selbst von einem lediglich zum Zwecke der Rechtsverteidigung gegen ein ausgesprochenes Verbot noch weiterbestehenden Verein möglich sein muss. Inwieweit dies Auswirkungen auf das Vorliegen der Verbotsvoraussetzungen hat, ist eine im Rahmen der Begründetheitsprüfung gesondert zu beantwortende Frage.

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Der Kläger ist allein zur Anfechtung des Verbots befugt, da die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung seiner Mitglieder als natürliche Personen, sondern die Rechtsstellung des klagenden Vereins als Gesamtheit von Personen betrifft. Der Kläger ist gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (vgl. zu alledem BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, Juris m.w.N.). Auch nach seinem Verbot und seiner Auflösung verbleibt ihm eine auf die Führung der Rechtsverteidigung beschränkte Rechtsstellung (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Kommentar zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 59).

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III. Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist lediglich insoweit rechtswidrig und daher gemäß § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben, als in ihm festgestellt wird, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ohne dass allerdings hierdurch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Feststellung, dass der Kläger verboten ist, berührt würde.

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1. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung lagen vor. Der Beklagte als für die Regelung des Vereinswesens oberste Landesbehörde war gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig, da sich die nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen erkennbare Organisation und Tätigkeit des Klägers auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkte. Es ist von beiden Beteiligten vorgetragen und unbestritten, dass dem „Hells Angels MC Charter Flensburg“ eine eigenständige Stellung als Vereinigung innerhalb der bundes- und weltweiten sog. Bewegung der „Hells Angels“ zukommt. Die Mitglieder des Charter Flensburg sind sämtlich in Schleswig-Holstein wohnhaft und tätig; wesentliche Aktivitäten des Vereins außerhalb Schleswig-Holsteins sind nicht bekannt geworden.

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Unabhängig von der Frage, ob der klägerische Verein lediglich eine Teilvereinigung eines über das Gebiet Schleswig-Holsteins hinausgehenden größeren Vereins der „Hells Angels“-Bewegung darstellt und eine Einholung des Benehmens des Bundesministers des Inneren nach § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG erforderlich war, ist dieses Benehmen nach Übersendung des Entwurfes der Verbotsverfügung mit Schreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 20. April 2010 vorsorglich erteilt worden. Darin, dass dem Bundesministerium nicht die weiteren Informationsgrundlagen zur Verfügung gestellt worden sind, welche zum Erlass des Vereinsverbots geführt haben, liegt kein Verfahrensfehler, der Zweifel an der Wirksamkeit des vorsorglich hergestellten Benehmens erwecken könnte. Der übersandte Entwurf des Bescheides enthielt selbst ausreichende Informationen, um den Bundesinnenminister jedenfalls in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Nachfragen gegenüber dem Beklagten zu tätigen. Dieses ist jedoch nicht erfolgt.

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Die weiteren formellen Voraussetzungen für die angegriffene Verbotsverfügung, insbesondere die Schriftform, die Begründung und die Zustellung an den Verein sowie die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger (BAnz 74/2010 v. 19.05.2010, 1774) und im Amtlichen Mitteilungsblatt des Landes Schleswig-Holstein (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2010 Nr. 21/22, S. 389 f.) gemäß § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VereinsG, sind erfüllt.

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Der Beklagte durfte von einer Anhörung des Klägers vor Erlass der Verbotsverfügung absehen. Zwar ist grundsätzlich dem von einem Eingriff in seinen Rechten Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 87 Abs. 1 LVwG). Hiervon kann jedoch unter anderem abgesehen werden, wenn eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG). Diese Voraussetzungen lagen vor. Mit dem Verbot des Klägers ist, entsprechend der in § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG vorgesehenen Regel, auch die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens sowie Sachen Dritter verfügt worden. Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, der es dem Kläger ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen, und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war (vgl. BVerwG, std. Rspr., Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 f., beide Juris, m.w.N.). Angesichts der einer Anhörung hier entgegengehaltenen Gefahren war dem Kläger auch kein Recht zuzugestehen, sich durch entsprechende Dispositionen wie eine allein durch den drohenden Erlass des Verbots veranlasste Distanzierung von Mitgliedern auf diese vereinsrechtliche Maßnahme einzustellen, wie es der Kläger in Anspruch nimmt.

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2. Die Verbotsverfügung ist insoweit rechtmäßig, als in ihr festgestellt wurde, dass der Zweck und die Tätigkeit des klagenden Vereines den Strafgesetzes zuwiderlaufen, und an diese Feststellung die in den nachfolgenden Ziffern 2 bis 5 ausgesprochenen rechtlichen Folgen geknüpft wurden. Der Senat ist zu dieser Überzeugung bereits aufgrund der Bewertung der Tatkomplexe gelangt, die Gegenstand der Verbotsverfügung waren, so dass es auf den mit dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag erstmals angesprochenen Sachverhaltskomplex einer Schutzgelderpressung gegenüber einer Flensburger Gastwirtin nicht ankam.

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a) Die Zwecke und die Tätigkeit des Klägers laufen i.S.d. in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alt. GG den Strafgesetzen zuwider, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben.

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Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, denn eine Vereinigung ist als solche nicht straffähig. Straffähig können nur natürliche Personen sein, da Strafbarkeit Schuldzurechnungsfähigkeit voraussetzt und diese nur natürlichen Personen zukommt. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Ergibt sich aus dieser eigenen Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln einer Vereinigung ein Verstoß gegen Strafgesetze, so ist der Verbotstatbestand erfüllt.

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Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Mitglieder der Vereinigung zugerechnet werden kann. Eine durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit muss den Charakter der Vereinigung prägen. Eine Vereinigung kann gleichzeitig verschiedene Zwecke, insbesondere neben dem satzungsmäßig ausgewiesenen legalen Zweck auch strafrechtsrelevante Ziele anstreben und durch das Verhalten ihrer Mitglieder verwirklichen. In diesem Falle ist es zur Erfüllung des Verbotstatbestandes nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht. Ebensowenig muss eine Strafgesetzwidrigkeit auf Dauer bestehen. Es genügt vielmehr, wenn eine Vereinigung erst im Laufe der Zeit strafgesetzwidrig wird oder die Strafgesetzwidrigkeit zeitlich begrenzt ist. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen, und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt. Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Die Einbeziehung dieser Fallkonstellation ist vor allem durch den Sinn des Verbotstatbestandes geboten: Mit ihm soll nicht die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich sanktioniert, sondern einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die in der Gründung oder Fortführung einer Organisation zum Ausdruck kommt, aus der heraus Straftaten geplant oder begangen werden. Derartige Organisationen bergen eine besondere Gefahr für die durch Strafgesetze geschützten Rechtsgüter in sich. Die ihnen innewohnende Eigendynamik und ihr organisiertes Sach- und Personalpotential erleichtern und begünstigen strafbares Verhalten. Zugleich wird das Verantwortungsgefühl des einzelnen Mitgliedes häufig gemindert, die individuelle Hemmschwelle zum Begehen von Straftaten abgebaut und der Anreiz zu neuen Straftaten geweckt. Eine derartige verbotsrelevante Hilfestellung muss nicht von vornherein auf die Begehung konkreter Straftaten ausgerichtet sein oder auf einem zuvor gefassten Vereinsbeschluss beruhen. Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten der Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten, gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre zu den Straftaten ihrer Mitglieder jederzeit den erwarteten Schutz (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275, Juris Rn. 15 f.; Beschl. v. 25.08.2008 - 6 VR 2/08 -, Juris Rn. 11; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, BVerwGE 80, 299, DVBl. 1989, 311 Rn. 38 f.). Im Falle der Überprüfung des 1983 erlassenen Vereinsverbotes gegenüber dem „Hell‘s Angels Motor-Club e.V.“ Hamburg hat das Bundesverwaltungsgericht die Zurechnung einzelner Straftaten unter anderem mit dem Gesichtspunkt begründet, dass die Straftaten in Vereinskluft begangen wurden und dadurch den Ruf des Vereins als besonders gewalttätige und brutale Rockergruppe begründet oder bestätigt hätten (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 50). Demgegenüber kommt es auf den in der Satzung niedergelegten Zweck (Motorradclub) nicht entscheidend an, da strafrechtliche Zwecke üblicherweise nicht offen gelegt werden. Soweit in der Vereinssatzung aber der Grundsatz der Solidarität ausdrücklich als Vereinszweck genannt wird, kann dies als Ausdruck der unter den Mitgliedern angestrebten umfassenden Solidarität gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 43).

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Der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder kann sich auch daraus ergeben, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 32, Juris Rn. 12). Eine Prägung des betreffenden Vereins durch ihm zuzurechnende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern liegt insbesondere dann nahe, wenn es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktionen handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, sowie Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.) oder wenn entsprechende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern in großer Zahl sowie auch noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder erfolgen (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009, a.a.O.). Ein prägender Charakter kann sich auch daraus ergeben, dass die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, a.a.O.).

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Ein Verbot wegen Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins setzt eine vorherige strafrichterliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Ebenso wenig besteht eine materielle oder formelle Bindung an die rechtliche Würdigung eines bereits ergangenen Strafurteils. Die Strafgesetzwidrigkeit ist von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.; Urt. v. 18.10.1988, a.a.O.; std. Rspr.).

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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung ist derjenige ihres Erlasses. Zur Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit können, wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht, zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986; Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.1992 - 1 S 3626/88 -; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06/52 - sowie Beschl. v. 20.09.2006 - 4 AS 06.2036 -, alle in Juris). Berücksichtigungsfähig können auch Gesichtspunkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung nach Ergehen der Verbotsverfügung sein, soweit sie eine vor Erlass der Verbotsverfügung begangene Straftat betreffen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 38). Andererseits bietet Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG aber keine Grundlage für die Berücksichtigung von Veränderungen, die der Verein nach seinem Verbot vornehmen möchte, um dessen Voraussetzungen entfallen zu lassen. Solche nach Erlass der Verbotsverfügung geschaffenen Tatsachen können keine Wirkungen auf die Sachlage zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Verbotsbescheides mehr entfalten. Dem Verein sind im Übrigen Aktivitäten, soweit sie nicht die Rechtsverteidigung gegen das Vereinsverbot betreffen, und damit auch organisatorische Umgestaltungen, untersagt.

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In Konkretisierung der genannten, aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG abgeleiteten Maßstäbe hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 VereinsG ausdrücklich ergänzende („auch“) Maßstäbe für die Zurechnung von Handlungen von Mitgliedern zum Verein festgeschrieben, wonach ein Verbot auch dann auf Handlungen von Mitgliedern gestützt werden kann, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu der Zielsetzung des Vereines besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Eine Erweiterung oder Einschränkung der zu Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 VereinsG in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe liegt in dieser ausdrücklich zur Schließung einer Regelungslücke getroffenen ergänzenden gesetzgeberischen Regelung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 45) jedoch nicht. Die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG sind in der Verfassung abschließend benannt; der Gesetzgeber darf keine zusätzlichen Verbotsgründe einführen (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Komm. zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 63; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot - Dogmatik und Praxis des Art. 9 Abs. 2 GG, Baden-Baden 2005, S. 115).

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b) Eine Strafgesetzwidrigkeit des klagenden Vereins lässt sich vorliegend anhand der dargestellten Maßstäbe bereits in ausreichender Weise aus einer Zurechnung der Straftat des damaligen Präsidenten des Klägers, A., vom 12. September 2009 - Nr. 5 in der Verbotsverfügung - ableiten. Wegen dieser Tat ist A. mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden. Die Tat und die sie begleitenden Umstände weisen ausweislich der Urteilsgründe einen eindeutigen Vereinsbezug auf. Der Tathergang gestaltete sich nach den rechtskräftigen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Flensburg wie folgt:

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Am 12. September 2009 hielt sich eine Gruppe der im Frühjahr 2009 in Neumünster gegründeten „Bandidos“, welche mit zeitgleicher Verfügung des Beklagen verboten worden sind, auf dem Rückweg von einer Ausfahrt nach Dänemark um 22.55 Uhr an einer Tankstelle unweit der BAB 7 bei Flensburg auf. Dort wurden die mit Kutten bekleideten „Bandidos“ durch ein Mitglied oder einen Unterstützer der Flensburger „Hells Angels“ beobachtet und es erfolgte über ein Mobiltelefon eines damaligen Mitgliedes des Klägers eine entsprechende Meldung an A. in seiner Funktion als Präsident. Dieser führte binnen weniger Minuten diverse Mobilfunkgespräche mit weiteren Vereinsmitgliedern mit dem Ziel, diese schnell an die BAB 7 heranzuführen, um den als solchen empfundenen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ zu sühnen. A. begab sich mit seinem Pkw an die Autobahnauffahrt Flensburg-Harrislee, wo um ca. 23.20 Uhr der Konvoi der „Bandidos“ eintraf, und befuhr hinter der Gruppe der „Bandidos“ die BAB 7, wobei ihm ein Pkw Golf folgte, der auf das Mitglied der „Hells Angels Flensburg“ V. zugelassen war. Im Bereich einer Baustelle, in der die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herabgesetzt war, näherte sich der PKW des A. dem Motorrad des „Bandidos“-Mitglieds K. und berührte dieses kurz mit dem Vorderrad. Dabei brachen die linke Fußraste des Motorrades und das Schaltgestänge, sodass das Getriebe des Motorrades nicht mehr geschaltet werden konnte. Etwa 170 m weiter unternahm der geschädigte Motorradfahrer der „Bandidos“ eine Vollbremsung und stürzte mit dem Motorrad auf die rechte Seite, wobei er lebensgefährlich verletzt wurde. A. flüchtete mit hoher Geschwindigkeit, stellte nur wenige Minuten später sein Fahrzeug nahe einem sein Vertrauen genießenden Motorrad-Reparaturbetrieb in XXX Stadt. ab und wurde gegen 0.22 Uhr in dem 25 km entfernten Flensburg festgestellt. Ein bis zwei Minuten nach dem Sturz des „Bandidos“ K. erreichte das Mitglied des Klägers AH. in seinem Pkw Golf die Unfallstelle und wurde zusammen mit einem weiteren Unterstützer des Klägers aus der sog. „Flensburg-Crew“ Opfer einer massiven Gewaltattacke der über den Vorfall empörten „Bandidos“. Ihm wurden mehrere Messerstiche zugefügt, aufgrund derer er im Krankenhaus operativ versorgt werden musste.

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Nachfolgend erreichte auch der Pkw des Mitglieds des Klägers V. die Unfallstelle, wendete fluchtartig über die niedrige Barriere zwischen den Fahrtrichtungen und verschwand in Richtung Norden.

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Die Kammer des Landgerichts Flensburg hat in ihrem Urteil als Motiv der Tat eindeutig eine „Disziplinierung der feindlichen Rockergruppe“ identifiziert. Die „Bandidos“ hätten von weiteren „Gebietsverletzungen“ - in der Denkweise der beteiligten Rockergruppierungen - abgehalten und beeindruckt werden sollen, wobei diese Aufgabe, einen Denkzettel zu erteilen, von A. zur „Chefsache“ gemacht worden sei. Die Aktion habe eine Reaktion auf eine gezielte Provokation der „Bandidos“ dargestellt. Das Landgericht hat den Schädigungsvorsatz des Präsidenten A. gerade aus der Motivation und Entschlossenheit der Vereinigung der Flensburger „Hells Angels“ abgeleitet, keine Gebietsverletzungen zu dulden und als Ausfluss einer kompromisslosen Haltung auch schwere Verletzungen des Gegners notfalls hinzunehmen (S. 42 d. UA). Ein Tabu der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität der Mitglieder der feindlichen Gruppe scheide wegen des Verständnisses, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen sich besonders maskulin und machohaft gebärdenden Männern handele, aus. Eine Schädigung des Feindes unterstreiche erst recht die mit der Aktion bezweckte Botschaft. Bei der Strafzumessung hat das rechtskräftige Urteil das Tatmotiv, der verfeindeten Rockergruppe den Gebietsanspruch um den Raum Flensburg aufzuzeigen und zu demonstrieren, dass Versuche, diesen in Frage zu stellen, sofort mit die körperliche Integrität oder sogar das Leben gefährdenden Aktionen beantwortet werden würden, in erheblicher Weise zu Lasten des damaligen Präsidenten A. gewertet.

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In seiner Revisionsbegründungsschrift ist der Angeklagte den tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Landgerichts lediglich insoweit entgegengetreten, als er die Nachweisbarkeit seiner Täterschaft sowie eines Körperverletzungsvorsatzes in Zweifel gezogen hat. Die dargestellten Bezüge zur Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der mit ihm verfeindeten Rockergruppe der „Bandidos“ wurden im Rahmen des strafrechtlichen Revisionsverfahrens ebenso wenig in Abrede gestellt wie im vorliegenden Verfahren wegen Vereinsverbots.

102

Der Senat hält die tatsächlichen Feststellungen der strafgerichtlichen Verurteilung nach Auswertung der beigezogenen Verfahrensakten für nachvollziehbar und schließt sich ihnen an. Entgegenstehende Gesichtspunkte haben sich auch aus dem Vortrag der Beteiligten nicht ergeben. Die Tat wurde von dem höchsten damaligen Funktionsträger des Klägers, dem Präsidenten, im ausschließlichen Interesse des Vereins ausgeführt. Das Landgericht hat festgestellt, dass ein persönliches Motiv des A. gegenüber dem Geschädigten K. nicht ersichtlich war. Die Tat fand in Anwesenheit mehrerer, binnen kürzester Zeit zur nachtschlafender Zeit über Mobiltelefone heran beorderter weiterer Mitglieder und Unterstützer des Klägers statt und war im Übrigen durch eine Benachrichtigung einer namentlich nicht feststehenden, jedoch dem Mitglieder- oder Unterstützerkreis des Klägers zuzurechnenden Person ausgelöst worden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine strafrechtlich relevante Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers neben dem Präsidenten A. waren aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden zwar nicht gegeben, sodass die gegen sämtliche anderen Mitglieder des Klägers - bis auf den ortsabwesenden, per Mobiltelefon kontaktierten und für Disziplinierung eigentlich zuständigen „Sergeant at Arms“ M. - eingeleiteten Strafverfahren mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 04. Februar 2010 eingestellt wurde. In der Einstellungsverfügung heißt es insoweit, dass diese Mitglieder zwar vermutlich am Tatort gewesen seien, ein direkter Tat- oder Unterstützungsbeitrag könne ihnen aber nicht hinreichend sicher nachgewiesen werden und ein subjektiver Exzess des damaligen Beschuldigten A. sei nicht auszuschließen. Ausweislich der Strafverfahrensakten und des Strafurteils des Landgerichts Flensburg haben sich jedoch sämtliche weiteren Mitglieder des Klägers - bis auf M. - im Rahmen des Strafverfahrens auf ihr Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Das Landgericht Flensburg hat im Urteil ihre Beteiligung an der Tat ausdrücklich für möglich gehalten und daher ein Aussageverweigerungsrecht als gegeben erachtet.

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Die Tat, die von dem damaligen obersten Funktionär des klägerischen Vereins begangen worden ist, wurde im vereinsrechtlichen Sinne ermöglicht und unterstützt durch eine binnen weniger Minuten erfolgte gemeinsame Willensbildung, indem der Vereinspräsident mehrere Mitglieder und Unterstützer über Handy an die Autobahnauffahrt heran kommandierte und gleichzeitig mit einem Informanten Kontakt hielt, der den Aufenthaltsort des „Bandidos“-Konvois mitteilen sollte. Die diesbezüglichen Kommunikationsvorgänge werden durch den im strafrechtlichen Ermittlungsvorgang befindlichen Auswertebericht über Telefonüberwachungsmaßnahmen im Tatzeitraum sowie den zusammenfassenden Ermittlungsbericht des LKA vom 04. Dezember 2009 belegt. Durch Telefonüberwachungsauswertebericht vom 07. Dezember 2009 ist darüber hinaus dokumentiert, dass A. noch zwei Monate nach der Tat im Austausch mit weiteren Mitgliedern des klägerischen Vereins stand, welche Vorladungen zu einer polizeilichen Vernehmung über die Tat erhalten hatten, und dass er in diesem Kreis nach wie vor über Autorität verfügte, um eine gemeinsame Linie zum Aussageverhalten (Nichterscheinen bei der polizeilichen Vernehmung) auszugeben. Dieser Umstand wurde unter anderem im Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 25. März 2010 über die Kommunikationsüberwachung des inhaftierten damaligen Angeschuldigten A. als Anhaltspunkt für eine bestehende Gefahr der Beeinflussung vorgeladener Zeugen durch den Angeschuldigten gewürdigt. Dies spricht dafür, dass A. nach wie vor und trotz der bei den Mitgliedern bestehenden Kenntnis über die genauen Umstände der Tat über Rückhalt im klägerischen Verein verfügte und die Tat durch die Mitglieder jedenfalls widerspruchslos hingenommen, wenn nicht sogar gebilligt wurde. Eine Distanzierung der übrigen Mitglieder von ihm als Täter der gravierenden Straftat hätte jedenfalls zeitnah zur Tatbegehung erfolgen müssen, um vereinsrechtlich ins Gewicht zu fallen. Hier war sie unter Berücksichtigung der gemeinsam entwickelten Aussagestrategie der betroffenen Vereinsmitglieder in den eingeleiteten Ermittlungsverfahren nicht zu erkennen.

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Angesichts der elementar dem gemeinsamen Selbstverständnis des Vereins entsprungenen Ausführungen und Organisation der Tat, der intensiven Kommunikation und des Zusammenwirkens mehrerer Mitglieder sowie der über Monate andauernden Aufrechterhaltung der Organisationstruktur des Klägers nach der Tat, was die Position des Präsidenten anbelangt, kommt dem gesamten Ereignis eine für den klägerischen Verein prägende Funktion zu. Ohne den Macht- und Geltungsanspruch des Vereins hätte es die Tat nicht gegeben, ohne die schlagkräftige Organisationsgewalt innerhalb des Vereins wäre die Tatausführung nicht in dieser Weise erfolgt und die Geschlossenheit der von den Ereignissen berührten Mitglieder hielt in einer grundlegenden Weise auch nach der Tat an.

105

Angesichts der durch die Tat am 12. September 2009 dokumentierten organisierten und vom Willen der Vereinsmitglieder getragenen, die Anwendung von Gewalt im vereinsrechtlichen Sinne billigend in Kauf nehmenden massiven Machtentfaltung des klägerischen Vereins unmittelbar im Vorfeld der Verbotsverfügung begründet das Ereignis bereits für sich genommen einen hinreichenden Anlass für das Verbot des Klägers wegen strafgesetzwidriger Zwecke und strafgesetzwidriger Tätigkeit. Im Hinblick auf diesen Verbotstatbestand ist die Tat derart einschlägig, schwerwiegend und zentral und dokumentiert die durch ein Vereinsverbot zu begrenzende Gefahr einer weiteren, Rechtsgüter gefährdenden Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Vereinigungen, dass es einer Zurechnung strafrechtswidriger weiterer Verhaltensweisen der Mitglieder an den Verein nicht mehr bedürfte, um das Vereinsverbot zu stützen. Auch ein singuläres Geschehen, eine einzelne Straftat kann schon ausreichen, um daraus das Vorliegen der Voraussetzungen für einen vereinsrechtlichen Verbotsgrund abzuleiten (vgl. auch Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 155).

106

c) Darüber hinaus treten hier jedoch weitere in der Verbotsverfügung aufgeführte Taten, die dem Verein zurechenbar sind, zur Untermauerung des Verbotsgrundes des Zuwiderlaufens der Vereinigung gegen Strafgesetze hinzu:

107

aa) Mehrere Mitglieder des Klägers sind durch waffenrechtliche Straftaten aufgefallen, bei denen sie teilweise auch zusammen auftraten; des Weiteren bestehen wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass sie mit einem in Flensburg aufgefundenen Waffenarsenal bedeutenden Ausmaßes in Verbindung standen.

108

aaa) Der zur Tatzeit bereits als Präsident des klägerischen Vereins eingesetzte A. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten wegen Verstoßes gegen §§ 52 Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz verurteilt (Nr. 2 in der Verbotsverfügung), nachdem im Februar 2008 bei einer Durchsuchung in seiner Wohnung eine halbautomatische Selbstladepistole der Marke „Sig-Sauer P 225“ - einer funktionsfähigen scharfen Schusswaffe - mit ausgefräster Individualnummer und 50 Patronen passender Munition festgestellt worden war, für welche A. keine waffenrechtliche Erlaubnis besaß. Strafschärfend berücksichtigte das Gericht die erhebliche Menge an aufgefundener Munition. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränke Berufung des Angeklagten stelle das Landgericht Flensburg das Verfahren mit Beschluss vom 08. Juni 2009 im Hinblick auf die Verurteilung durch ein Schöffengericht in Flensburg vom 23. Januar 2008 wegen versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil die Strafe neben der anderweitig verhängten Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fiel.

109

bbb) Der damalige Treasurer S. wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wegen unerlaubten Munitionsbesitzes (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz) in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt (Nr. 7 in der Verbotsverfügung), wobei einer der beiden Fälle die Lagerung von 500 Patronen „Remington Automatic“ Kaliber 45, 20 Patronen Übungsmunition und eine weitere Patrone des Kalibers 7 ohne waffenrechtliche Erlaubnisse im Januar 2010 betraf. Der weitere mit einbezogene Fall betraf einen erst in Vollzug der Vereinsverbotsverfügung festgestellten Munitionsbesitz. Der Angeklagte S. hatte seinen Einspruch gegen den wegen des Vorfalls vor Erlass des Vereinsverbotes ergangenen Strafbefehl auf die Rechtsfolgenseite beschränkt; diesen Munitionsbesitz hatte das Gericht ausweislich der Strafzumessungserwägungen als schwerwiegender angesehen als den nachfolgenden Munitionsbesitz. S. hatte bei Auffinden der Munition angegeben, er sei Mitglied im Schützenverein in Schleswig und bewahre seine eigene Munition zu Hause auf. Im Rahmen der Hauptverhandlung gab er an, er habe die Munition aus Platzgründen nicht im Schützenverein lagern können. Er sei schon zwei Jahre nicht mehr in dem Verein gewesen.

110

ccc) Konkrete Belege für dem klägerischen Verein zurechenbare waffenrechtliche Straftaten von Mitgliedern des Klägers haben sich auch aus dem unter Nr. 6 der Verbotsverfügung aufgeführten Auffinden eines umfangreichen Waffenarsenals bei einem Flensburger Gewerbetreibenden am 02. November 2009 ergeben. In einem Umkleideraum des Gewerbebetriebes in einem Spind sowie in einer Garage wurden vier Stangen eines vom Landeskriminalamt als brisant eingestuften, sowohl militärisch als auch gewerblich verwendbaren Sprengstoffs aufgefunden, darüber hinaus mehrere funktionsfähige Maschinengewehre, doppelläufige Flinten, Pumpguns, ein Sturmgewehr, mehrere Revolver sowie zugehörige Munition. Mehrere dieser Waffen sind nach den Ermittlungsergebnissen des LKA als Kriegswaffen im Sinne der Anlage zu § 1 Abs. 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KrWaffKontrG) einzustufen. Kriminaltechnische Ermittlungen des LKA haben nach den in dem Ermittlungsvorgang der Staatsanwaltschaft A-Stadt befindlichen behördlichen Gutachten, zusammengefasst im Auswertebericht des LKA vom 03. Dezember 2010, im Wege der DNA-Analyse den Nachweis zweier S. zuzuordnender telogener (ausgefallener) Haare an einem Patronengurt, der der Erlaubnispflicht nach § 2 Waffengesetz unterliegt, erbracht. Fingerabdruckspuren von S. wurden durch Gutachten des LKA vom 05. Juli 2010 an einem silberfarbenen Koffer, in welchem sich eine Maschinenpistole befand, an Plastikeinsätzen von Munitionsbehältnissen, Fingerabdrucksspuren des C. V. sowie des A. an der Bedienungsanleitung zu einer Pistole (Gutachten des LKA v. 15.07.2010) sowie Fingerabdrücke des J. an einem schwarzen Müllsack bei den Waffen (LKA-Gutachten v. 15.07.2010) nachgewiesen.

111

Auf einen deutlichen Vereinsbezug dieses umfangreichen und schwerwiegenden Waffenfundes deuten nach den Unterlagen in dem strafrechtlichen Ermittlungsvorgang auch Telefonate mehrerer Mitglieder des Klägers noch während der Untersuchung am 02. November 2009 sowie in den Tagen danach, darüber hinaus auch Aussagen des Inhabers der betreffenden Betriebsstätte des Auffindeortes hin. Der Gewerbetreibende, bei dem die Waffen gefunden wurden, hatte nach Unterrichtung über die beabsichtigte Durchsuchung die Polizeibeamten ungefragt darauf verwiesen, er könne nicht ausschließen, dass „zwielichtige Personen“ - nämlich Mitglieder der „Hells Angels“ - in seinen Räumlichkeiten Waffen lagerten. Auf Nachfrage nannte der Gewerbetreibende ausweislich des Auswerteberichtes des LKA vom 10. November 2009 S., A., M. und J.. Noch während der laufenden Durchsuchungsmaßnahme erhielt S. eine telefonische Nachricht hierüber von einer Angestellten des Betriebes; die Durchsuchung führte noch vor ihrem Abschluss zu Telefonaten u.a. zwischen A. und S. sowie A. und M. und wurde darin thematisiert. Aufgrund des Waffenfundes wurde weitere Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt, die am 06. Januar 2010 umgesetzt wurden; in ihrem Zuge wurde im Clubhaus des Klägers u.a. in der Küche der Mitglieder M. und J. eine Handgranate mit Zünder gefunden.

112

Wegen der in Betracht kommenden Straftatbestände ist nach Mitteilung des Beklagten zwar auch aktuell noch keine Anklage erhoben worden, weil noch weitere Untersuchungen durch das Bundeskriminalamt abgewartet werden müssten. Die Frage, wem die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die aufgefundenen Kriegswaffen gemäß § 22 a Abs. 1 KrWaffKontrG in strafrechtlicher Hinsicht zuzuordnen sein wird, ist somit derzeit noch nicht geklärt. Angesichts der deutlichen, mehrere Mitglieder des Vereins und deren Kommunikation untereinander umfassenden Bezüge des Waffenarsenals zum Kläger ist die hohe strafrechtliche Relevanz des Waffenarsenals jedoch in die vereinsrechtliche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit einzubeziehen. Dabei geht der Senat aufgrund der geschilderten Ermittlungsergebnisse davon aus, dass mehrere mit herausgehobenen Funktionärstätigkeiten betraute Vereinsmitglieder Kenntnis von den aufgefundenen Waffen hatten und mit ihnen unmittelbar in Kontakt gekommen waren, wobei der Kontakt mit einer Bedienungsanleitung und mit Munition in diesem Zusammenhang hinreichend aussagekräftig ist.

113

ddd) Der den Mitgliedern des Klägers S., Y., AH., M. und V. vorgeworfene Besitz sogenannter Delta-Darts mit zugehöriger Scheide (Nrn. 4 und 8 in der Verbotsverfügung) begründete zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verbotsverfügung hingegen jedenfalls keine Verhaltensweise, die dem Kläger vereinsrechtlich als strafrechtswidrige Tätigkeit von bedeutsamem Gewicht zugerechnet werden könnte. Den Mitgliedern S., Y., AH. sowie dem in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht genannten Mitglied AB. wurde ein derartiger, um den Hals der jeweiligen Person hängender Delta-Dart mit Scheide von der schweizerischen Polizei abgenommen, als sie gemeinschaftlich am 18. Dezember 2009 in einem Pkw die schweizerische Grenze überqueren wollten. Eine waffenrechtliche Untersuchung der schweizerischen Polizei ergab im Januar 2010, dass es sich hierbei um einen nach schweizerischem Recht verbotenen Gegenstand handele. Ein Delta-Dart mit Scheide ist - wie sich aus einer Fahndungsinformation des Regierungsbezirks Freiburg vom 16. Dezember 2009 aus dem schweizerischen Ermittlungsvorgang ergibt - nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Füllfederhalter getarnt und somit als Waffe nicht erkennbar, zudem aufgrund seiner Beschaffenheit und Auslegung im Rahmen einer sog. „Nachtschattenserie“ des Herstellers bei Kontrollen durch Metalldetektoren nicht feststellbar. Die betroffenen Mitglieder hatten als Zweck des Mitsichführens eine Eigensicherung angegeben und waren von der schweizerischen Polizei als Mitglieder der „Hells Angels“ eingeordnet worden. Bei den Mitgliedern M. und V. wurde jeweils ein Delta-Dart bei Durchsuchungen am 06. Januar 2010 in ihren Wohnräumen - wobei sich die Wohnung des Mitglieds M. im Clubhaus des Klägers befand - festgestellt und als Zweck des Besitzes ebenfalls angegeben, die Waffe diene als Verteidigungsmittel. Beide Mitglieder beriefen sich auf ihre subjektive Überzeugung, die Waffe besitzen zu dürfen. Die sie betreffenden Ermittlungsverfahren wurden, wie auch die von der schweizerischen Polizei geführten Verfahren, durch das Strafgericht bzw. die Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Einstellung durch den Untersuchungsrichter des Kantons Schaffhausen in Bezugsfall 4 der Verbotsverfügung erfolgte nach schweizerischem Recht wegen geringen Unrechts der Tat, geringen Verschuldens und unbedeutender Tatfolgen; die Einstellung des Verfahrens gegen C V. durch die Staatsanwaltschaft Flensburg im Juli 2010 (Bezugstat Nr. 8 in der Verbotsverfügung) erfolgte ausdrücklich unter Hinweis auf die nicht abschließend geklärte Rechtslage. Im Verfahren gegen M. erfolgte die Verfahrenseinstellung durch das Amtsgericht Flensburg gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld und mangelndem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung im November 2010, nachdem im Verfahren sowohl ein Behördengutachten des Landeskriminalamtes vom 21. Dezember 2009 mit dem Ergebnis, es handele sich bei dem Delta-Dart mit Scheide um eine verbotene Waffe im Sinne von § 2 Abs. 3 Waffengesetz in Verbindung mit deren Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.1, als auch ein gegenteiliges Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008, wonach es sich bei dem gegenständlichen Delta-Dart nicht um einen verbotenen Gegenstand handele, vorgelegt worden waren. Bis zur nach dem Verbotszeitpunkt liegenden Verfügung des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 bestanden nach bundesdeutscher Rechtslage jedenfalls Zweifel an einer Strafrechtswidrigkeit des Besitzes dieser Hieb- und Stichwaffe. Das Bundeskriminalamt war gemäß §§ 2 Abs. 5, 48 Abs. 3 Waffengesetz nur dann für die Entscheidung über eine Einstufung des Delta-Darts als verbotene Waffe zuständig, wenn Zweifel darüber bestanden, ob dieser Gegenstand vom Waffengesetz erfasst werde oder wie er einzustufen sei. Feststellungsbescheiden des Bundeskriminalamtes nach § 2 Abs. 5 Waffengesetz kommt kein Rechtsnormcharakter zu, vielmehr stellen sie Allgemeinverfügungen im Sinne von § 35 Satz 2 VwVfG des Bundes dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2009 - 6 C 21/08 -, NVwZ-RR 2009, 838; Gade/Stoppa, Kommentar zum Waffengesetz, 2011, § 2 Rn. 10). Selbst wenn danach die objektive Strafrechtswidrigkeit des Besitzes von Delta-Darts durch die oben genannten Mitglieder des Klägers vor Erlass des Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes und vor Erlass der Verbotsverfügung nicht ausgeschlossen ist, mindert die in dem vorherigen Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008 enthaltene waffenrechtliche Bewertung das vereinsrechtlich anzusetzende Gewicht einer solchen möglichen objektiv-rechtlichen Übertretung des Strafrechts in erheblichem Maße.

114

Insgesamt weisen die waffenrechtlichen Verstöße von teilweise in Führungspositionen befindlichen Mitgliedern des klägerischen Vereins eine für die Vereinstätigkeit und seine Zielsetzung prägende Tendenz auf, da sie nach Überzeugung des Senats jedenfalls auch der Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Rockergruppen gedient haben, in dichter zeitlicher Abfolge und trotz vorhergehender strafrechtlicher Ermittlungen wegen bzw. Ahndung von anderen Waffendelikten erfolgten und ein anderweitiger Zweck als derjenige der Verwendung im Zusammenhang mit Vereinstätigkeiten nicht erkennbar war. Auch S. hatte nach eigenen Angaben zwei Jahre lang nicht mehr den Sportschützenverein besucht, für den er die bei ihm festgestellte Munition erheblichen Ausmaßes bei sich gelagert haben wollte. Ein vereinsrechtlich prägendes Zusammenwirken zeigt sich nicht zuletzt im Rahmen des noch nicht abschließend strafrechtlich aufgeklärten Flensburger Waffenfundes, dessen Dimension zugleich ein ganz erhebliches Gefahrenpotential des klägerischen Vereins verdeutlicht.

115

bb) Von einem Vereinsbezug ist auch bei der mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 abgeurteilten und unter Nr. 2 der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftat einer versuchten räuberischen Erpressung seitens des A. durch Forderung eines Schutzgeldes gegenüber einem neu eröffneten Tätowierladen in Flensburg auszugehen, auch wenn das Strafurteil sich hierzu nicht verhält. Der Täter A. ist von dem geschädigten Inhaber des Tätowierladens ausweislich der Strafanzeige vom 15. April 2006 unmittelbar den „Hells Angels“ zugeordnet worden und es ergaben sich auch aus den Angaben des geschädigten Geschäftsinhabers durchaus Bezüge zu dem klägerischen Verein. Dieser hatte angegeben, bereits vor seiner Geschäftseröffnung mit den „Hells Angels“ in Flensburg Kontakt aufgenommen zu haben und eine von diesen geforderte Bargeldsumme in Höhe von monatlich 500,-- Euro zum Zwecke einer „gütlichen Einigung“ über die konkurrierenden Geschäftsbereiche im Tätowiergewerbe nicht aufbringen zu können. Dem Geschädigten sei dann drei Wochen nach Ladeneröffnung gesagt worden, dass er kein Geschäft eröffnen dürfe. Auch in seiner Zeugenvernehmung vom 15. April 2006 wies der geschädigte Geschäftsinhaber auf die Mitgliedschaft des ihn aufsuchenden Täters in der Rockergruppe „Hells Angels“ sowie darauf hin, dass der Inhaber des konkurrierenden Tätowiergeschäftes Kontakte zu den „Hells Angels“ habe. Die Tat ist daher auf dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Betätigungsbereichs des klägerischen Vereins zu sehen; ein persönliches Motiv des Vereinspräsidenten A. bei der Verwirklichung der Straftat ist nicht ermittelt worden. Dass geschäftliche Beziehungen von „Hells Angels“-Vereinen in Schleswig-Holstein zur Tätowierszene bestehen, ist im Übrigen allgemein bekannt. Dass dieser im Fall der Tat Nr. 2 konkret durch Zeugenaussage belegte Aspekt in den strafrechtlichen Ermittlungen sowie in der Begründung des Vereinsverbotes und der diesbezüglichen Argumentation des Beklagten während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Rolle gespielt hat, entfaltet für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung keine einschränkende Wirkung.

116

cc) Demgegenüber ist ein Vereinsbezug der unter Nr. 1 der Verbotsverfügung aufgeführten, am 07. September 2008 auf einem Bürgerfest in Leck von dem Vereinsmitglied D. begangenen Körperverletzung bereits aufgrund ihrer singulären Begehungsweise und des rein persönlichen Hintergrundes eher zweifelhaft. Zwar hat der von D. niedergeschlagene Mann nach dem Polizeibericht vom Tattag noch im Rettungswagen, in dem er versorgt wurde, ausgesagt, der Angreifer habe eine Lederkutte mit der Aufschrift „Hells Angels“ getragen, was dagegen spricht, dass die Kutte unter einer weiteren Jacke verborgen gewesen sein soll - wie der Kläger vorträgt -, und einen Anhaltspunkt für einen Vereinsbezug der Tat liefern könnte. Andererseits hat die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts Niebüll am 29. Juli 2009 ergeben, dass es zu der Körperverletzung infolge eines heftigen Wortwechsels zwischen dem Geschädigten und der polnischen damaligen Freundin des D., die er nach eigener Aussage vor dem Geschädigten schützen wollte, gekommen war. Weitere Mitglieder der „Hells Angels“ waren nicht zugegen, und angesichts der aus einer rein persönlichen Konfrontation erwachsenen Tat des Mitgliedes D. kann nicht schon deshalb von einer nachträglichen Hinnahme durch den Verein ausgegangen werden, weil dieser sich nicht erkennbar von der Tat distanziert hat.

117

dd) Auch bei der unter Nr. 3 der Verbotsverfügung genannten Steuerstraftat des Vereinsmitglieds J. vom 05. Juni 2009, die zu dem Erlass eines rechtskräftigen Strafbefehls vom 03. Februar 2010 durch das Amtsgericht Flensburg führte, handelt es sich um eine eher in der persönlichen Sphäre des Täters angesiedelten Tat, bei der ein Vereinsbezug aus Sicht des Senats Zweifeln unterliegt. Insbesondere geht aus dem Ermittlungsvorgang nicht hervor, ob es sich bei dem namentlich nicht benannten Fahrer des Kfz, in welchem die unverzollten Zigaretten gefunden wurden, um eine Person aus dem Verein oder dessen Umfeld gehandelt hat. Konkrete Feststellungen des Beklagten oder der Strafverfolgungsbehörden, dass der klägerische Verein aus dem Handel mit unverzollten Zigaretten einen wirtschaftlichen Gewinn zog oder diesen überhaupt als eigenen Tätigkeitsbereich förderte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

118

ee) Auch die unter Nr. 9 der Vereinsverbotsverfügung aufgeführte, mit einem Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 28. Oktober 2011 rechtskräftig mit einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro bestrafte Steuerverkürzung durch das Vereinsmitglied Y. im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 ist als eher individuell geprägte Straftat dem Verein nicht zweifelsfrei zuzurechnen. Die Tat bezog sich auf eine im Jahr 2005 aufgegebene, vom Mitglied des Klägers Y. sowie einer weiteren Person, die nicht Vereinsmitglied war, als Gesellschafter betriebene Motorrad-Werkstatt, in der Motorräder teilweise aus gestohlenen Teilen zusammengebaut und verkauft wurden. Die Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen wiesen die Erlöse aus der Herstellung und Veräußerung der Neuaufbauten nicht vollständig aus, vielmehr wurde eine gesonderte „zweite Kasse“ geführt, wodurch auch die Herkunft der verwendeten Fahrzeugteile verschleiert werden sollte, soweit sie durch Straftaten erlangt worden waren. Dass weitere Vereinsmitglieder in die Beschaffung von Teilen oder in die durch den Strafbefehl sanktionierte Praxis der Buchführung und Angaben gegenüber dem Finanzamt verwickelt gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Zudem lagen der Betriebszeitraum der Werkstatt sowie die steuerlichen Veranlagungszeiträume mehrere Jahre vor dem Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung, sodass es wegen der gefahrenabwehrenden Intention des Verbotstatbestandes wohl eines weiteren inhaltlichen Bindegliedes zur Prägung von Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereines im Verbotszeitpunkt bedurft hätte.

119

d) Soweit die Kläger zuletzt vorgetragen haben, dass die Mitglieder A., J., V. und AH. im Januar bzw. September 2010 bzw. (V.) im Februar 2011 aus dem klägerischen Verein ausgeschieden seien, steht dies einer Zurechnung der den Verbotsgrund bereits für sich tragende Straftat Nr. 5 vom September 2009 nicht entgegen. Diese ist vor dem zuletzt vom Kläger vorgetragenen Datum des Ausscheidens von A. begangen worden; eine zeitnahe Distanzierung des Vereins war nicht erfolgt (s.o.). Was etwaige Vereinsaustritte oder -ausschlüsse nach April 2010 betrifft, so kann eine vereinsrechtliche Zuordnung strafgesetzwidriger Verhaltensweisen durch Ausscheiden aus dem Verein nach dem Zeitpunkt des Erlasses der Vereinsverbotsverfügung nicht mehr unterbrochen werden, weil sich in ihr keine Abkehr von einer zuvor geübten Unterstützung oder Verwirklichung strafgesetzwidriger Zwecke oder Tätigkeiten dokumentiert. Nach Verbot und Auflösung eines Vereins besteht dieser lediglich beschränkt auf den Zweck der Rechtsverteidigung gegenüber dem Verbot fort. Für eine weitere Tätigkeit und somit auch für deren Befürwortung oder Ablehnung seitens der Mitglieder ist daher kein Raum mehr (s.o.). Hierin liegt nicht etwa eine unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit bedenkliche Beschneidung von Dispositionsbefugnissen des klägerischen Vereins, sondern eine an der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Rechtsfolge der Auflösung eines verbotenen Vereins orientierte, der Gefahrenabwehr dienende Rechtsfolge. Im Übrigen fehlt es an glaubhaften Darlegungen, dass die Vereinsaustritte bzw. -ausschlüsse tatsächlich bereits zu den vorgetragenen Zeitpunkten erfolgt sind. Ein gewichtiges Gegenindiz liegt darin, dass die Vereinsmitglieder A. und J. noch am 05. Mai 2010 gemeinsam mit allen anderen Vereinsmitgliedern eine schriftliche Vollmacht zur Klageerhebung im vorliegenden Verfahren ausgestellt haben und in der Klagebegründung als Mitglieder bezeichnet worden sind, das Vereinsmitglied J. darüber hinaus auch den derzeitigen klägerischen Anwalt mit schriftlicher Vollmacht vom 26. März 2012 mandatiert hat.

120

3. Dagegen erweist sich die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung, dass sich der klägerische Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, als nicht hinreichend tragfähig und damit rechtswidrig. Sie ist demzufolge aufzuheben.

121

a) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sonder eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt (BVerwG, std. Rspr., vgl. Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 13 f.; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, NVwZ-RR 2009, 803; Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwG 134, 275 f., Juris Rn. 44 f; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986). Auch das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland gehört zu der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, welche eine der Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002, a.a.O., Juris Rn. 37). Ein durch eine eigene Ordnung mit Maßnahmen der Gewaltausübung zu deren Sicherung verbundener Herrschaftsanspruch, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entgegengesetzt wird, kann eine kämpferisch-aggressive Weise der Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen, wenn etwa systematisch die Legitimität der verfassungsmäßigen Ordnung bestritten wird und Anhänger der eigenen propagierten Ordnung geschult, indoktriniert und zu Verfassungsfeinden herangezogen werden (vgl. ebd., Rn. 42).

122

In der Verbotsverfügung wie auch ergänzend durch den Vortrag des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Erfüllung dieses Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Wesentlichen mit einer Auffassung des klägerischen Vereins begründet worden, zur Durchsetzung seiner Zielen legitimerweise Gewalt anwenden zu dürfen und das staatliche Gewaltmonopol zu durchbrechen, weiterhin mit der gegen den Menschenwürdegrundsatz verstoßenden „Abstrafung“ von Abweichlern gegenüber dem Herrschaftsanspruch des Vereins sowie, nunmehr als nachrangig bezeichnet, mit dem System einer Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder im Rahmen des sog. „Defense Fund“. Staatliche Sanktionen würden dadurch abgemildert und dem Gewaltmonopol des Staates eine Absage erteilt. Der klägerische Verein habe den Anspruch, partielle eine eigene, an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung tretende Ordnung zu entfalten und durchzusetzen.

123

Für das Vorliegen des zusätzlichen Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung trägt der Beklagte die materielle Beweislast.

124

Die aus den zum Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit als tragend bzw. ergänzend angeführten strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder des Klägers, welche ihm zuzurechnen sind, belegen zwar eine Bereitschaft, Vereinsziele erforderlichenfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Eine kämpferisch-aggressive Verfolgung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteter Ziele liegt in diesen konkret beim Kläger festgestellten Verhaltensweisen jedoch nach Auffassung des Senats noch nicht. Die für den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung unerlässliche Komponente einer aktiven Bekämpfung muss sich nämlich gerade gegen die für staatliche Strukturen grundlegende Prinzipien richten. Sie liegt nicht bereits vor, wenn eine Gewaltbereitschaft gegenüber anderen privaten Personen oder Gruppierungen festgestellt wird. Andernfalls wären weite Teile der organisierten Gewaltkriminalität deckungsgleich mit Bestrebungen, die sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solch weites Verständnis des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist aus Sicht des Senates weder gerechtfertigt noch notwendig, da die in einer Gewaltanwendung liegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bereits durch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit abgedeckt wird. Vielmehr bestehen für die Feststellung des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG hohe Hürden, die über die reine Strafrechtswidrigkeit eines Vereins hinausgehen. Zu einem im Sinne der angegriffenen Verbotsverfügung weit greifenden Verständnis dieses Verbotsgrundes veranlasst auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot des sog. „Kalifatstaates“, im Rahmen derer fachgerichtlich eine kämpferisch-aggressive Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele bejaht worden und dieses vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben war (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 02.10.2003 - 1 BvR 536/03 -, BVerfGK 2, 22, Juris Rn. 22 f.). Der in diesem Einzelfall festgestellte Anspruch des verbotenen Vereins, legitimerweise Gewalt anstelle einer staatlichen Ordnung ausüben zu dürfen, wurde höchstrichterlich auf dem Hintergrund eines betonten Selbstverständnisses des Vereins „Kalifatstaat“ gewürdigt, einen Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) unter gänzlicher Verdrängung der staatlichen Herrschaftsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland und anderen betroffenen Staaten existiert, zu errichten. Ein ähnlich weit reichender Anspruch, der mit der verfassungsmäßigen Ordnung notwendigerweise kollidiert, ist für den Kläger im vorliegenden Verfahren weder aus der Verbotsverfügung und dem sie verteidigenden Beklagtenvortrag noch aus den sonstigen beigezogenen Vorgängen ersichtlich. Der Kläger und seine Mitglieder haben vielmehr beansprucht, Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Vereinigungen oder Einzelpersonen auch mit Gewalt zu führen, während sie in Bezug auf die staatliche Gewalt im Wesentlichen eine Verweigerungshaltung in Bezug auf Aussagen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entfaltet haben. Selbst aus der in einzelnen Strafverfahren festgestellten oder vermuteten Beeinflussung bzw. Einschüchterung von Zeugen lässt sich ein Herrschaftsanspruch, der die rechtsstaatliche Ordnung in maßgeblicher Weise ersetzen und damit die Verfassung aktiv-kämpferisch beseitigen wollte, noch nicht ableiten.

125

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Beteiligung oder Nutzung eines sog. „Defense Fund“ der „Hells Angels“ durch den klägerischen Verein. Der Vortrag des Beklagten hierzu ist vage und unkonkret geblieben und beruht auf allgemeinen Kenntnissen über die weltweite „Hells Angels“-Bewegung, die auch den Beklagten jedoch bislang nicht zu einem flächendeckenden Verbot der in seinem Zuständigkeitsbereich angesiedelten Charter veranlasst haben. Eine konkrete Verstrickung der Mitglieder des Klägers und des Vereins insgesamt in das allgemein vom Beklagten als existent dargelegten System der Unterstützung straffällig gewordener „Hells Angels“-Mitglieder und ihrer Angehörigen ist weder nachgewiesen, noch haben sich in den Ermittlungsvorgängen oder aus dem Verwaltungsvorgang des Beklagten Hinweise hierzu ergeben. Der Kläger hat eine Beteiligung seiner Mitglieder an einem „Defense Fund“, die Einzahlung und den Erhalt von Leistungen in bzw. aus ihm ebenso bestritten wie Berührungspunkte zu den nach Vortrag des Beklagten in Gefängnissen bestehenden Gruppierungen der „Big House Crew“.

126

Es kann im vorliegenden Vereinsverbotsverfahren dahinstehen, ob eine Unterstützung des bzw. aus dem Betrieb eines „Defense Fund“ so, wie ihn der Beklagte geschildert hat, als Beleg für ein Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung ausreichen würde, was eher zweifelhaft erscheint, oder ob es sich um eine unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Verbotsgründe noch hinzunehmende Form der Unterstützung straffälliger Vereinsmitglieder handeln würde. Auch wenn ein Nachweis der Teilnahme am System eines „Defense Fund“ bei klandestin agierenden Gruppierungen und zumeist mit Bargeld abgewickelten Zahlungsvorgängen schwer zu erbringen sein wird, kann eine Unterstützung auch vereinsrechtlich nicht ohne jeglichen ersichtlichen konkreten Bezug zu einem solchen Solidaritätssystem unterstellt werden.

127

b) Der mangelnde Nachweis hinreichender Tatsachen, die für die Verwirklichung des Verbotsgrundes nach Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG sprechen, führt zur insoweit bestehenden Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung und damit zur Teilaufhebung des Bescheides im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage. Zwar wird das Vereinsverbot in hinreichender Weise durch die Verwirklichung des in dieser Vorschrift erstgenannten Verbotsgrundes der Strafrechtswidrigkeit getragen. Der Beklagte hat die Feststellung der Verwirklichung des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung jedoch eigenständig der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers in Ziffer 1 der Verbotsverfügung zur Seite gestellt. Die ausdrückliche Feststellung des im konkreten Fall nach Auffassung der Verbotsbehörde einschlägigen Verbotsgrundes gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG im verfügenden Teil des Verbots verlangt auch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Wirksamkeitsvoraussetzung für ein auf einen oder mehrere dieser Gründe zu stützendes Verbot dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978 - I A 3.76 -, BVerwGE 55, 175, Juris Rn. 37 f.; Urt. v. 28.02.1978 - I A 9.72 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 2, Juris Rn. 49; Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, Baden-Baden 1999, S. 110). Die Feststellung des Verbotsgrundes ist als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der Vereinigungsfreiheit für das Verbot konstitutiv (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, Juris Rn. 25). Das Erfordernis der besonderen Feststellung des Verbotsgrundes oder der Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG beruht darauf, dass die rechtlichen Folgen einer Tätigkeit im Rahmen einer verbotenen Vereinigung je nach dem durch die zuständige Behörde festgestellten Verbotsgrund verschieden sind. Die gegenüber der allgemeinen Strafnorm des § 20 VereinsG bestehenden Strafverschärfungen der §§ 85, 86 und 86 a StGB für die Fortführung und weitere Unterstützung bzw. Bewerbung einer verbotenen Vereinigung hängen davon ab, ob die strafbare Tätigkeit eine Vereinigung betrifft, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die an die Feststellung des Verbotsgrundes gebundenen Strafgerichte müssen aus dem verfügenden Teil der Verbotsverfügung eindeutig ersehen können, ob die Vereinigung aus einem strafrechtlich als Qualifizierungsgrund zu bewertenden Verbotsgrund verboten worden ist (vgl. auch Grundmann, a.a.O. S. 110). Jedenfalls auch diesem Zweck dient im Übrigen die auf den verfügenden Teil beschränkte Bekanntmachung des Verbots gem. §§ 3 Abs. 4, 7 Abs. 1 VereinsG bei Erlass und erneut nach Unanfechtbarkeit des Verbots durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger und dem amtlichen Mitteilungsblatt des Landes (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978, a.a.O., Juris Rn. 40). Die Feststellung des konkreten Verbotsgrundes ist besonders bedeutsam in den Fällen, in denen die Behörde mehrere Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG angenommen hat, sich aber bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung ergibt, dass nicht alle diese Gründe vorliegen. Insbesondere in diesen Fällen muss durch die abschließende Bekanntmachung des verfügenden Teils des Vereinsverbots nach § 7 Abs. 1 VereinsG mit allseitiger Verbindlichkeit festgestellt werden, aus welchem Verbotsgrund oder welchen Verbotsgründen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der Verein verboten ist (ebd.).

128

Daraus folgt, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Verbotsverfügung die Frage des Vorliegens eines Verbotsgrundes, welcher (straf-)rechtlich qualifizierende Rechtsfolgen auslösen kann, selbst dann nicht offen lassen kann, wenn es bereits festgestellt hat, dass ein anderer das Verbot mit der Folge der Auflösung des Vereins, der Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen, Forderungen und Sachen als solches vollumfänglich tragender Grund vorliegt (vgl. dagegen zum Offenbleiben der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, a.a.O., Juris Rn. 12; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, a.a.O., Juris Rn. 41 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes); Urt. v. 03.12.2004 - 6 A 10/02 -, NVwZ 2005, 1435, Juris Rn. 84; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O. Juris Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 OVG 1 A 4.09 -, NVwZ-RR 2010, 886, Juris Rn. 29; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06.52, Juris Rn. 37; dagegen das Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung bzw. den Gedanken der Völkerverständigung offen lassend: BVerwG, Beschl. v. 25.08.2009 - 6 VR 2/08 -, a.a.O. Juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.06.1997 - 1 S 1377/96 -, AuAS 1998, 19, Juris Rn. 25, 27). Ein solcher qualifizierender Verbotsgrund ist in jedem Falle das hier von dem Beklagten festgestellte Sich-Richten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

129

Die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung ist inhaltlich von den sonstigen Verfügungspunkten auch abtrennbar und somit gesondert aufhebbar (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 158 ff.). Es handelt sich hierbei um einen besonderen Verbotsgrund, der eigenständig durch in der Rechtsprechung ausgeformte Voraussetzungen ausgefüllt ist, nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem vorangestellten Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins steht und das Verbot auch im Falle einer Aufhebung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im weiteren Verlauf des Verbotsverfahrens tragen könnte.

130

4. Das durch die Strafgesetzwidrigkeit getragene Vereinsverbot erwiese sich auch als rechtmäßig, wenn die in Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG einzig vorgesehene grundrechtseinschränkende Maßnahme des Verbots und der Auflösung wegen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als „ultima ratio“ lediglich dann angewendet werden dürfte, wenn mildere Mittel wie partielle Betätigungsverbote, Warnungen oder die Anwendung von Straftatbeständen nicht in Betracht kämen bzw. ausgeschöpft wären (str., vgl. zum Meinungsstand Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 184 ff.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GGK, a.a.O., Art. 9 Rn. 46; Scholz, in : Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Januar 2012, Art. 9 Rn. 114, 134; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 60). Solche Mittel wären hier angesichts der Dichte der strafrechtlichen Verfehlungen mit Vereinsbezug und der Massivität des Geschehens am 12. September 2009 nicht ausreichend, um der Gefahr für Leib und Leben Dritter durch ein Fortbestehen der Vereinigung zu begegnen. Strafrechtliche Mittel sind von den Ermittlungsbehörden gegenüber Mitgliedern des Klägers hinreichend ausgeschöpft worden.

131

Die Bedenken gegenüber einer eigenständig vom Beklagten als Verbotsbehörde vorgenommenen Prüfung des Vorliegens der Verbotsvoraussetzungen, wie sie der Kläger zuletzt erhoben hat, teilt der Senat nicht. Vielmehr bietet § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG die Grundlage dafür, dass die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen kann, wie dies vorliegend etwa durch Einbindung der im Landeskriminalamt bestehenden, über besondere Sachkunde auf dem Gebiet der sog. Rockerkriminalität verfügenden Ermittlungsstäbe sowie durch Übermittlung von Informationen seitens der Staatsanwaltschaften geschehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die dortigen Erkenntnisse vom Beklagten unreflektiert und unbewertet übernommen worden wären, sind nicht ersichtlich. Angesichts der ausführlichen und tragfähigen, einzelfallbezogenen Begründung für den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im Verbotsbescheid bestünden Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit insoweit auch nicht wegen einer etwaigen länderübergreifenden Strategie der Innenminister zum Umgang mit sog. Rockergruppen. Das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichte Strategiepapier einer Bund-Länger-Projektgruppe „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität - Rahmenkonzeption“ datiert im Übrigen vom Oktober 2010, also nach Erlass der hier streitgegenständlichen Verbotsverfügung; es verweist in seinem Kapitel über Vereinsverbote ausdrücklich auf die im Einzelfall vorzunehmenden Prüfungen

132

Schließlich bestehen auch gegen die mit der Durchführung des Verbotsverfahrens verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Beklagten - auch soweit sie eine Übermittlung bzw. Nutzung von Daten aus Strafverfahren und von Daten betreffen, die von Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben und gespeichert worden sind - keine Bedenken, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots auswirken könnten. Zutreffend ist, dass das Vereinsgesetz selbst keine bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen für eine derartige Datenverarbeitung enthält (vgl. dazu auch Grundmann, a.a.O., S. 68). Der durch § 1 Abs. 1 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden für das öffentliche Vereinsrecht für das Verbot zuständig erklärte Beklagte kann sich als Behörde der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Abs. 2 VereinsG: „...zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit ...“) jedoch auf die Rechtsgrundlagen der §§ 177 ff. LVwG, insbesondere die Erhebungsgrundlagen der §§ 177, Abs. 1, 178 Abs. 1 Satz 2, 179 Abs. 1 Nr. 1 LVwG und die Speicherungs- und Nutzungsgrundlage des § 188 Abs. 1 LVwG, stützen. Soweit die Daten aus Strafverfahren durch gemäß § 4 Abs. 1 VereinsG zulässigerweise im Rahmen der vereinsrechtlichen Ermittlungen mit in Anspruch genommene Polizeibehörden ausgewertet und an den Beklagten als Vereinsverbotsbehörde weitergeleitet worden sind, liegen die Voraussetzung einer Datenübermittlung und -verwendung aus dem auf das LVwG als Polizeigesetz verweisenden § 481 StPO vor, wobei der Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Organisation der Polizei in Schleswig-Holstein (POG) v. 12. November 2004 (GVOBl. Schl.-H. S. 408) eine Behörde der Polizei und Landespolizei- sowie Landeskriminalamt gemäß §§ 2, 3 POG zugeordnete Ämter beim Beklagten sind. Bedenken im Hinblick auf die bereichsspezifische, präzise und normenklare Festlegung der Voraussetzungen eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, Juris Rn. 93 ff.) der Mitglieder des Klägers (unabhängig davon, ob sie im Verfahren des klägerischen Vereins überhaupt zu überprüfen sind) bestehen im Ergebnis nicht. Es handelt sich um einen auf Grundlage der genannten Normen auch für die Betroffenen überschaubaren Datenverarbeitungsvorgang, dessen Anlass, Gegenstand, Zwecksetzung und Kreis der berechtigten Behörden jedenfalls hinsichtlich der Verwendung von Daten aus Strafverfahren und aus präventiv-polizeilichen Datensammlungen hinreichend präzise festgelegt ist. Im Übrigen wäre, selbst wenn nach verfassungsrechtlichen Maßstäben eine präzisere gesetzliche Festlegung der Datenverarbeitungsbefugnisse im Zusammenhang mit dem Erlass von Vereinsverboten erforderlich wäre, vorliegend kein Verwertungsverbot der vom Beklagten im Einklang mit dem Gesetzeszweck des Vereinsgesetzes erlangten personenbezogenen Informationen aus Strafverfahren und Datensammlungen zur Gefahrenabwehr anzunehmen. Ein ausnahmsloses Beweisverwertungsverbot im Falle einer unzulässigen Datenverarbeitung lässt sich der Rechtsordnung weder allgemein noch im Bezug auf besonders tief in die Rechte Betroffener eingreifende Bereiche staatlichen Handelns entnehmen. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt für den Bereich des Strafprozesses festgestellt, dass von Verfassungs wegen kein allgemeines Verwertungsgebot rechtsfehlerhaft gewonnener Beweise besteht, vielmehr ein Beweisverwertungsgebot angesichts des ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten Belanges funktionstüchtiger Strafrechtspflege eine begründungsbedürftige Ausnahme darstellt, für die eine gesetzliche Grundlage gegeben oder ein übergeordneter wichtiger Grund anzuerkennen sein muss. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus Grundrechten ist nur in Fällen des Eingriffs in den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung anerkannt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.11.2010 - 2 BvR 2101/09 -, EuGRZ 2010, 780, Juris Rn. 43 ff.; Beschl. v. 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08 -, NJW 2010, 287, Juris Rn. 7 m.w.N.). Auf den vorliegenden Regelungszusammenhang übertragen ist zu berücksichtigen, dass § 3 Vereinsgesetz eine bereits verfassungsrechtlich vorgesehene Schranke der Vereinigungsfreiheit lediglich konkretisiert. Eine Nichtverwertung von zu Zwecken der Strafverfolgung und damit inhaltlich mit dem Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins gleichgerichteten Zwecken sowie zu Zwecken der Gefahrenabwehr gewonnenen Daten stünde mithin der Umsetzung eines bereits aus Verfassungsrecht abzuleitenden Vereinsverbots im Wege und wäre daher ähnlich wie im Strafprozessrecht ebenfalls aus übergeordneten Gesichtspunkten begründungsbedürftig, welche hier nicht ersichtlich sind.

133

5. Nachdem die in Ziffer 1 der Verbotsverfügung enthaltene Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, sich als rechtmäßig erweist, sind auch die weiteren Regelungen in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffern 2 bis 5 rechtmäßig und die Klage insoweit unbegründet. Die in Ziffer 2 verfügte Auflösung des Vereines stützt sich auf die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Untersagung jeder Vereinstätigkeit folgt unmittelbar aus dem Verbot und der Auflösung des Vereins. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Bildung von Ersatzorganisationen in Ziffer 3 des Bescheides sowie der Verbreitung und öffentlichen oder in einer Versammlung durchgeführten Verwendung seiner Kennzeichen sind die §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VereinsG. Die in Ziffer 4 der Verbotsverfügung angeordnete Vermögensbeschlagnahme und -einziehung stützt sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG, wobei ein Ausnahmefall zur gesetzlich vorgesehenen Regel nicht vorliegt. Die in Ziffer 5 der Verfügung angeordnete Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch ihre Überlassung an den Verein dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeit vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung diese Zwecke und Tätigkeit bestimmt sind, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Soweit die hinsichtlich der Ziffern 2 bis 5 bestehenden Rechtsgrundlagen als tatbestandliche Voraussetzung auf „verfassungswidrige Bestrebungen“ des Vereins verweisen, sind damit - anders als es die Ähnlichkeit dieses Tatbestandsmerkmales zum Wortlaut des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nahelegen könnte - sämtliche in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten Verbotsgründe abgedeckt. Dies folgt zum einen aus dem besonderen Hinweis auf Art. 9 Abs. 2 GG, der in § 8 Abs. 1 VereinsG enthalten ist und damit (allerdings in sprachlich wenig stringenter Form) auf eine tatbestandliche Öffnung über die verfassungsmäßige Ordnung im engeren Sinne hinaus auch für die beiden in Art. 9 Abs. 2 GG bereits genannten weiteren Verbotsgründe verweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.09.1995 - 1 VR 2.95 -, NVwZ 1997, 68 f. Juris Rn. 18). Zum anderen findet sich ein maßgeblicher Hinweis auf eine erweiternde Auslegung der Rechtsgrundlagen für die genannten Folgerungen eines Vereinsverbotes in der Entwurfsbegründung zum Vereinsgesetz, wo es heißt: „ Unter „verfassungswidrigen“ Bestrebungen im Sinne des § 8 Abs. 1 sind, wie aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen zu verstehen.“ (BT-Dr. IV/430, S. 18). Im Übrigen ließe sich auch kein inhaltlich tragfähiger Gesichtspunkt für eine Differenzierung zwischen den drei Verbotsgründen im Hinblick auf die Möglichkeit der Einziehung von Sachen Dritter, des Verbots der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Einziehung von Forderungen Dritter (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), wo der Begriff der verfassungswidrigen Bestrebungen ebenfalls verwendet wird, denken. So ist es Sinn des Verbotes der Bildung von Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG, die Schaffung eines funktionellen Ersatzes für die von der Verfassung als gefährlich und daher verboten erkannten Bestrebungen zu unterbinden (vgl. nur Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, a.a.O. S. 157 f.). Außerdem hat der Gesetzgeber in den entsprechenden Regelungen, die verfassungswidrige Bestrebungen nennen, gerade nicht ausdrücklich den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgegriffen, sondern hat ersichtlich versucht, einen übergreifenden Begriff für verbotsbegründende „Zwecke“, „Tätigkeit“ und „Sich-Richten“ zu finden. Im Ergebnis besteht daher auch in der Literatur (vgl. Grundmann, a.a.O.; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O. S. 196 Rn. 791; zur Gleichsetzung des Verbotsgründe in Art. 8 Abs. 2 GG vergleich auch Planker,Das Vereinsverbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG/§ 3 ff. Vereinsgesetz, Bonn 1994, S. 118) und in der Rechtsprechung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2012 - 1 S 2823/11 -, Juris Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89.83 -, BVerwGE 80, 299 f. Juris Rn. 82) Einigkeit, dass die Rechtsgrundlagen der §§ 3 Satz 2, 8 bis 12 Vereinsgesetz auf sämtliche verboten Vereine angewandt werden können, ganz gleich, welcher der drei Verbotsgründe vorliegt.

134

Die Klage war daher im tenorierten Umfang abzuweisen.

135

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat hat das Unterliegen des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung des Sich- Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung mit 1/4 der anfallenden Kosten bemessen, da die weiteren Rechtsfolgen des Vereinsverbotes selbstständig durch den tragfähigen Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des klägerischen Vereins begründet werden.

136

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

137

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 132 Abs. 2 VwGO hierfür nicht vorliegen.


Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Bandidos MC Probationary Chapter A-Stadt“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen ein ihn betreffendes Vereinsverbot.

2

Der aus der Vorläuferorganisation Chicanos MC A-Stadt hervorgegangene, nach den Erkenntnissen des Landeskriminalamtes unter Berufung auf die offizielle Website des Klägers im Frühjahr 2009 gegründete Bandidos MC Prospect Chapter A-Stadt ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in A-Stadt. Eine schriftliche Vereinssatzung des Chapter A-Stadt ist nicht bekannt; unstreitig hat sich jedoch der Kläger an die vom Bevollmächtigten als Anlage K 1 zur Klagebegründung vom 18. Februar 2011 eingereichten Satzungsregelungen des “Bandidos MC Europe“ (Articles of Association of the “Bandidos MC“ Motorcycle Club) gebunden gefühlt, wegen deren Wortlaut auf Blatt 72 - 79 PA verwiesen wird.

3

Die Bandidos-Bewegung, der sich der Kläger als zugehörig versteht, besteht nicht als einheitlicher Verein, sondern verfügt über zahlreiche sogenannte „Chapter“ weltweit. In Europa nimmt das National Chapter, in Deutschland das Chapter „Bandidos MC Germany“ eine übergeordnete Funktion wahr. Die darunter befindlichen einzelnen Chapter sind auf bestimmte Territorien bezogene, organisatorisch selbstständige Clubs, die ihrerseits über Supporter-Clubs, z.B. den „MC Chicanos“ oder den „MC Contras“ verfügen. Nach den Erkenntnissen des Landeskriminalamtes befindet sich der Kläger seit dem 14. November 2009 im sogenannten „Probationary-Status“, der letzten Zwischenstufe zur Vollmitgliedschaft des örtlichen Chapter in der weltweiten Bandidos-Bewegung. Organisation und Tätigkeit des Klägers beschränken sich nach den Erkenntnissen des Landeskriminalamtes auf das Land Schleswig-Holstein.

4

Der Beklagte stellte nach Einholung des mit Schreiben vom 20. April 2010 vorsorglich erteilten Benehmens des Bundesministerium des Inneren mit an den Kläger - zu Händen der namentlich genannten 17 Vereinsmitglieder - gerichteter Verfügung vom 21. April 2010 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Verein wurde verboten und aufgelöst. Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurden untersagt. Das Vermögen des Vereins wurde beschlagnahmt und eingezogen. Mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens wurde der Bescheid für sofort vollziehbar erklärt.

5

Der Beklagte begründete seine Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen, mit unter Ziffern 1 bis 15 im Einzelnen aufgelisteten Straftaten von Vereinsmitgliedern, deren Verfolgung sich teilweise im Stadium von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren befänden, teilweise bereits zu rechtskräftigen Urteilen geführt hätten. Wegen der im Einzelnen bezeichneten Straftaten wird auf die auf Seite 8 bis 15 der Verbotsverfügung (Bl. 97 - 103 der Beiakte A) bezeichneten Sachverhalte Bezug genommen. Die eigentliche Zweckbestimmung sei nicht einmal vorrangig das gemeinsame Motorradfahren oder die gemeinsame Teilnahme an Veranstaltungen, sondern eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisation der Hells Angels und ihrer Unterstützer-Vereinigungen in Schleswig-Holstein. Die Straftaten stünden in einem inneren und teilweise äußeren Zusammenhang mit den tatsächlichen strafgesetzwidrigen Zielen und Zwecken des Vereins. Sie seien mit Wissen und Billigung der verantwortlichen Funktionsträger des Vereins begangen worden. Die hierarchische Gliederung innerhalb des Vereins stelle sicher, dass zumindest die Funktionsträger über nahezu alle für den Verein bedeutende Strafttaten der einzelnen Mitglieder unterrichtet seien und ggfs. solche Straftaten auch steuernd beeinflussen könnten. Die unterschiedlichen Tatbeteiligungen der einzelnen Mitglieder ergäben sich dabei mit Zufallscharakter aus der jeweiligen Verfügbarkeit einzelner Mitglieder oder Supporter. Dabei sei zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl von Taten sich aus bestimmten Situationen heraus ergäben, in denen nicht alle Mitglieder als Täter verfügbar vor Ort seien. Insbesondere die Tat in der Gaststätte S... in A-Stadt vom 13. Januar 2010 (unter Ziff. 14 der Verbotsverfügung aufgelistet) zum Nachteil von 3 Mitgliedern des rivalisierenden „Red Devils MC A-Stadt“ sei von 8 Vereinsmitgliedern gemeinschaftlich aber ohne langfristigen Tatplan verübt worden. Diese Tat sei einem allgemeinen Muster gefolgt: Zumeist sei die Tatgelegenheit für die Vereinsmitglieder nicht planbar. Nach dem Erkennen einer Gelegenheit durch einen Funktionsträger folge eine Meldung an alle Vereinsmitglieder per Telefonkette. Alle zeitlich und örtlich verfügbaren Mitglieder begäben sich unverzüglich zu einem vereinbarten Treffpunkt und verlegten sich sodann in mehreren Kraftfahrzeugen zum Tatort, wo die Tat begangen werde. Zu diesem Zeitpunkt seien zumindest einige der Mitglieder mit Stichwaffen bewaffnet, von denen brutal Gebrauch gemacht werde. Das gemeinsame Auftreten werde durch das Tragen der Kutten unterstützt. Alle anwesenden Mitglieder seien mit diesem Vorgehen einverstanden. Nach der Tat würden alle Vereinsmitglieder gemeinsam flüchten. Im Falle des vorgenannten Angriffes seien die Mitglieder vom Lokal S... in das Haus des Präsidenten B........ geflüchtet, welches zugleich als Clubhaus fungiere. Dort seien sie festgenommen worden.

6

Durch den Verein werde den Mitgliedern und der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass der Verein hinter seinen Mitgliedern stehe. Der Präsident B........ sei in seiner Position belassen worden, obwohl gegen ihn wegen schwerer Straftaten staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren durchgeführt würden. Auch stelle die finanzielle und persönliche Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder durch den Verein eine Konkretisierung strafgesetzwidriger Zwecke des Vereins dar. Nach der Satzung der “Bandidos-Nation“ sei vorgesehen, dass jedes Vereinsmitglied, welches im Gefängnis sitze, eine finanzielle Unterstützung erhalte. Alle Chapter müssen sich um die jeweiligen Mitglieder kümmern. Eine Distanzierung von dem strafgesetzwidrigen Verhalten einzelner Mitglieder sei durch den Kläger nicht erfolgt. Die im Einzelnen aufgelisteten Straftaten seien vor dem Hintergrund des zunehmend gewalttätig und offen ausgetragenen Konfliktes zwischen den Bandidos MC Probationary Chapter A-Stadt als Teil der an diesem Konflikt beteiligten gesamten Bandidos-Bewegung und den diversen sogenannten Chartern des Hells Angels MC und seiner Supporter-Clubs einzuordnen. Vor diesem Hintergrund sei auch der Vorfall an der BAB 7 vom 12. September 2009 (aufgelistet unter Ziff. 8, S. 11 der Verbotsverfügung - Bl. 100 der Beiakte A) zu sehen, bei dem das Krad des Vereinsmitgliedes Thomas K....... durch einen Pkw, dessen Halter der Präsident des Hells Angels MC Charter Flensburg war, gerammt worden sei. Daraufhin hätten Vereinsmitglieder des Klägers zwei Insassen des vermuteten Begleitfahrzeuges des flüchtigen Täters angegriffen. In einem Gespräch am 21. Januar 2010 habe der Vereinspräsident B........ der Polizei gegenüber ausdrücklich erklärt, dass sich Mitglieder des Bandidos MC Probationary Chapter A-Stadt zukünftig auch in anderen schleswig-holsteinischen Städten mit ihren Kutten und den Vereinsemblemen zeigen würden und dabei auch tätliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern konkurrierender MC´s in Kauf nehmen würden, um das Tragen von Kutten außerhalb der Stadt A-Stadt durchzusetzen. Der erklärte Vereinszweck der “Territorialherrschaft“ in A-Stadt solle durchgesetzt werden und eine entsprechende “Territorialherrschaft“ konkurrierender Vereinigungen außerhalb A-Stadts solle in Frage gestellt werden.

7

Die Ausstattung der Mitglieder des Klägers mit Waffen sei zwar durch schriftliche Satzung nicht festgeschrieben, müsse aber anhand stereotyp festgestellter Verhaltensmuster als praktizierte Regel angesehen werden, die zu einer ständigen Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft befähige. Die festgestellte ständige Nachrüstung mit Hieb- und Stichwaffen selbst nach polizeilichen Sicherstellungen sei auf dem Hintergrund des erklärten “Krieges“ zwischen den Hells Angels und den Bandidos zu sehen. Dass diese Nachrüstung in kürzester Zeit geschehe, sei unter anderem dadurch belegt, dass am 29. Juni 2009 bei einer Wohnungsdurchsuchung bei dem Vereinsmitglied Thomas K....... ein Butterflymesser gefunden wurde und dieser noch am selben Tage in der öffentlichen Gaststätte S... in A-Stadt eine Machete mit einer Klingenlänge von mehr als 12 cm mit sich geführt habe. Dies indiziere eine allgemeine, durch den Verein geförderte Verhaltensweise. Dementsprechend sei eine Vielzahl der Vereinsmitglieder bereits wegen waffenrechtlicher Straftaten auffällig geworden, was aus den unter Ziff. 1, 2, 3 u. 7 aufgelisteten Tatbeständen hervorgehe.

8

Soweit das Vereinsverbot darauf gestützt wurde, dass sich Zweck und Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, verwies der Beklagte auch auf die sich aus den Satzungsregelungen des Vereins “Bandidos MC Europe“ ergebende Absage an das Gewaltmonopol des Staates und die Etablierung einer eigenen Rechtsordnung unter Inkaufnahme der Verwirklichung von strafrechtlichen Verstößen.

9

Das Vereinsverbot sei verhältnismäßig, weil es die organisierte strafgesetzwidrige Tätigkeit im Rahmen der Durchsetzung vermeintlicher Macht- und Territorialansprüche gegenüber rivalisierenden verfeindeten Vereinen unterbinden solle. Hierfür reiche es nicht mehr aus, nur einzelne Mitglieder oder Funktionsträger des Vereins strafrechtlich zu belangen. Vor dem Hintergrund der gewichtigen Straftaten sei das Vereinsverbot angemessen und verhältnismäßig. Ein bloßes Betätigungsverbot bei gleichzeitigem Fortbestehen des Vereins wäre zur Wahrung der Rechtsordnung nicht ausreichend. Hinzukomme, dass mit dem Vereinsverbot die Verfestigung der Struktur des Vereins vom Status eines „Prospect“-Chapters über den „Probationary“-Chapter zu einem vollgültigen Status zeitnah verhindern könne.

10

Der Kläger hat am 26. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben.

11

Er ist der Auffassung, der Bescheid sei schon aus formellen Gründen rechtswidrig, weil die nach § 87 LVwG gebotene Anhörung des Betroffenen nicht erfolgt sei. In der Verbotsverfügung würden keine Tatsachen mitgeteilt, derentwegen der Beklagte eine sofortige Entscheidung ohne Anhörung für notwendig halten durfte. Auch würden keine Tatsachen mitgeteilt, auf deren Grundlage auf ein relevantes Vereinsvermögen geschlossen werden könnte. Deshalb sei auch ein Beiseiteschaffen von Vereinsvermögen nicht nachvollziehbar zu befürchten gewesen. Beweismaterial wie Westen oder sonstige Abzeichen würden im Übrigen nicht vom Verein, sondern von den einzelnen Mitgliedern direkt bei “Bandidos MC Europe“ käuflich erworben. Letztlich könne aber die Frage der Notwendigkeit einer Anhörung vor Erlass der Verbotsverfügung dahingestellt bleiben, weil die Verbotsverfügung jedenfalls materiell rechtswidrig sei. Die Ausführungen zur Zurechenbarkeit von Straftatbeständen beruhten nicht auf festgestellten Tatsachen, sondern auf Vermutungen und Behauptungen. Die Ausführungen des Beklagten, wonach die eigentliche Zweckbestimmung des verbotenen Vereins nicht einmal vorrangig das gemeinsame Motorradfahren sei, stehe im Widerspruch zu der weiteren - zutreffenden - Ausführung, dass sich der Kläger an den Satzungsregelungen des “Bandidos MC Europe“ orientiere, welche in Artikel 6 Ziff. 8 gerade vorschrieben, dass alle Mitglieder und Kandidaten ein Motorrad der Marke Harley Davidson fahren müssten. Der Bescheid sei an den Kläger, zu Händen von 17 namentlich benannten - angeblichen - Vereinsmitglieder adressiert worden. Von diesen seien aber Peter B......, Andreas B……, Meick K......, Martin L......., Thorsten R..... Sch..... und Christian G...... im Zeitpunkt der Verbotsverfügung vom 21. April 2010 nicht Mitglied des Klägers gewesen. Von den übrigen 11 Mitgliedern hätten lediglich 3 zu diesem Zeitpunkt noch kein Motorrad und 2 noch keinen Motorradführerschein gehabt. Sie seien aber dabei gewesen, die entsprechende Fahrerlaubnis zu erwerben bzw. sich gerade eine entsprechende Maschine zu kaufen. Insofern habe sich der Kläger nicht sklavisch den Satzungsregelungen des „Bandidos MC Europe“, an denen er sich grundsätzlich orientiere, unterworfen. So sei beispielsweise von „Anwärtern“ nicht verlangt worden, dass sie bereits eine Harley Davidson besäßen, sondern es habe genügt, wenn sie bestrebt gewesen seien, sich in absehbarer Zeit eine solche Maschine zuzulegen. Lediglich für die Vollmitgliedschaft sei das entsprechende Motorrad verlangt worden. Auch habe man von jedweder finanzieller Unterstützung beschuldigter Mitglieder abgesehen. Die behauptete eigentliche Zweckbestimmung einer Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor werde im Bescheid nicht dargelegt. Es fehle eine konkrete Bezugnahme auf Förderung der Prostitution, Zuhälterei, Menschenhandel, Schutzgelderpressung oder ähnliches samt Darlegung der Zusammenhänge. Dort sei nur von Boxveranstaltungen, Konzerten, Rockfestivals, Personenschutz und Türsteherdiensten vor Discotheken und allgemein vom Markt der Sicherheitsdienstleistungen die Rede. Dies betreffe legale Dienstleistungen. Belastbare Fakten für die Behauptung, dass der Kläger versucht habe, konkurrierende Vereinigungen entweder aus einem illegalen Markt oder mit illegalen Mitteln aus einem legalen Markt zu verdrängen, habe der Beklagte nicht geliefert. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass sich der Kläger zu wirtschaftlichen Zwecken gegründet hätte oder überhaupt wirtschaftlich mit den Hells Angels konkurrieren würde. Der Kläger habe nichts unternommen, um die „Hells Angels“ und ihre Supporter-Clubs aus Schleswig-Holstein zu verdrängen, um deren vermeintliche Geschäftsfelder zu übernehmen. Vielmehr habe er sich in A-Stadt gegründet und habe dort schlichtweg in Ruhe gelassen werden wollen. Die Auseinandersetzungen mit den Hells Angels hätten begonnen, weil diese grundsätzlich kein Chapter des Bandidos MC in Schleswig-Holstein hätten dulden wollen. Für eine frühere Distanzierung gegenüber dem Vizepräsidenten Peter B...... habe kein Anlass bestanden, da Herr B...... gegenüber den übrigen Mitgliedern der Bandidos stets angegeben habe, bei der Tat vom 13. Januar 2010 den Tatort erst betreten zu haben, als das Geschehen bereits vorbei gewesen sei. Die vom Beklagten unter Ziff. 1 - 15 aufgelisteten Straftaten reichten zur Annahme einer prägenden Zurechnung nicht aus. Meick K...... sei im Dezember 2009, Peter B...... wenige Tage vor Kenntnis von der Verbotsverfügung durch Mehrheitsbeschluss der Mitglieder aus dem Verein ausgeschlossen worden. Grund für den Ausschluss von Meick K...... sei dessen vom Beklagten in der Verbotsverfügung aufgeführtes Verhalten, Grund für den Ausschluss von Peter B...... dessen nicht länger hinnehmbare Tendenz zu Waffen- und Gewaltdelikten gewesen. Die Erklärung des Beklagten in der Verfügung vom 21. April 2010, dass Meick K...... mittlerweile in ein anderes Chapter des Vereins gewechselt sei, mache sich der Kläger ausdrücklich zu Eigen. Damit reduziere sich die Zahl der überhaupt für ein Vereinsverbot in Frage kommenden Straftaten auf 8. Die Munition und das Messer, die Gegenstand der Verurteilungen in den Fällen Nr. 1 und 2 gewesen seien, hätten sich auf Grund individueller Entscheidungen im Besitz der jeweiligen Vereinsmitglieder befunden. Entsprechendes gelte für die Tat Nr. 3. Eine forcierte Gesamtbewaffnung des Klägers beziehungsweise eine Ausstattung der Mitglieder des Klägers im Sinne einer praktizierten Regel habe nicht stattgefunden. Es möge ja sein, dass das ehemalige Mitglied K...... gegenüber einer Frau, die ihre Einnahmen aus Prostitution weitgehend an ihn habe abgeben müssen, damit argumentiert habe, das Geld diene der bevorstehenden Bewaffnung des Klägers. Tatsächlich habe Meick K...... jedoch ausschließlich zur persönlichen Bereicherung gehandelt. Die Tat Nr. 4 sei offensichtlich nicht im Zusammenhang des Herrn H...... als Mitglied des Klägers, sondern als Anhänger politischen rechten Gedankenguts zu sehen. Die Taten Nr. 5 bis 7 würden möglicherweise ein bezeichnendes Licht auf die Persönlichkeit des ehemaligen Mitglieds B...... werfen, seien jedoch nicht geeignet, eine strafrechtswidrige Zweckbestimmung des Klägers zu begründen. Wegen der Tat Nr. 8 sei letztlich nur Meick K...... strafrechtlich verurteilt worden, wobei eine unreflektierte emotionale Reaktion auf das Erleben der vorsätzlich herbeigeführten Verletzung des Thomas K....... naheliege. Mit einer Durchsetzung eigener Interessen des Klägers unmittelbar gegenüber der maßgeblichen konkurrierenden Vereinigung des Hells Angels MC dürfte dies wenig zu tun haben. Die Taten Nr. 9 und Nr. 14 seien dem Kläger nicht zuzurechnen, weil - wie bereits ausgeführt - die Verurteilten Meick K...... beziehungsweise Peter B...... ausgeschlossen worden seien. Die Tat Nr. 11 spiegele einen strafbaren „Zeitvertreib“ des Mitglieds H...... wieder, der nicht ernsthaft dem Kläger zugeordnet werden könne. Entsprechendes gilt für die Tat Nr. 10, wegen derer das ehemalige Mitglied B...... verurteilt worden sei. Gleiches gelte für die Tat Nr. 12, mit der das Mitglied H...... anscheinend ein persönliches Mütchen habe kühlen wollen (dichtes Auffahren mit dem Motorrad und anschließend Zeigen des Mittelfingers in Richtung Polizeibeamte). Im Fall Nr. 15 seien mittlerweile sämtliche gegen Mitglieder des Klägers eingeleitete Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Der identifizierte Beschuldigte G.... sei gerade nicht und zu keinen Zeitpunkt Mitglied des Klägers gewesen. Es treffe nicht zu, dass Mitglieder des Klägers ständig Hieb- oder Stichwaffen am Körper tragen. Das vom Beklagten für eine Nachrüstung in kürzester Zeit angeführte Beispiel sei falsch. Zwar habe die Polizei bei einer Wohnungsdurchsuchung bei dem Vereinsmitglied Thomas K....... ein Butterflymesser gefunden, die fragliche Machete sei jedoch später von der Polizei im Wagen des Mario Steen gefunden und nicht etwa von Thomas K....... im S... mitgeführt worden. Eine angebliche „Zuständigkeit“ eines „Sergeant at Arms“ für Ausrüstung und Bewaffnung der Mitglieder des Klägers sei schlichtweg erfunden. Die vom Beklagten getätigten Ausführungen, wonach sich die Zwecke und Tätigkeiten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung richteten, seien schlicht nicht belegt.

12

Herr B....... sei zum Zeitpunkt der Erteilung der Vollmachten für den jeweiligen Prozessbevollmächtigten Vereinspräsident gewesen. Entgegen seiner Ankündigung gegenüber der Polizei sei er nicht zurückgetreten. Herr B....... habe mit Rücksicht auf seine schwerkranke Lebensgefährtin, welche mittlerweile verstorben sei, sich durch die Ankündigung gegenüber der ständigen Inanspruchnahme durch die Polizei „Luft“ verschaffen wollen. Da nach Art. 7 Nr. 3 der Satzung auch der Vizepräsident den Verein allein hätte vertreten können, habe er der Polizei mit dem Verweis auf Peter B...... aus seiner Sicht auch einen korrekten Ansprechpartner genannt.

13

Der Kläger beantragt,

14

den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 aufzuheben.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Der Beklagte ist der Auffassung, die Darstellung, wonach das Mitglied Peter B...... wenige Tage vor Kenntnis von der Verbotsverfügung durch Mehrheitsbeschluss aus dem Verein ausgeschlossen worden sei, widerspreche den Erkenntnissen des Landeskriminalamtes über die interne Funktionsverteilung bei dem Kläger in den Tagen vor der Zustellung der angegriffenen Verbotsverfügung. Der bis dahin amtierende Präsident, B........, habe am 21. April 2010 gegenüber einem Polizeivollzugsbeamten seine Absicht erklärt, sein Amt innerhalb des Vereins niederzulegen und am 24. April 2010 demselben Polizeivollzugsbeamten mitgeteilt, dass er mit sofortiger Wirkung sein Amt als Präsident niederlege und die innere Führung des Vereins ab sofort dem bisherigen Vizepräsidenten Peter B...... obliege. Dies gehe aus dem in der Anlage übermittelten Vermerk des Beamten hervor. Es sei davon auszugehen, dass der Rücktritt entgegen dem klägerischen Vortrag tatsächlich erfolgt sei. Sofern Herr B....... das Amt später wieder ausgeübt habe, ändere das an der Bewertung des Telefonats vom 21. April 2010 nichts.

18

Das Mitglied Peter B...... sei noch 5 Tage vor der Zustellung der Verfügung nicht nur Mitglied, sondern in herausgehobener Stellung Funktionär des Klägers gewesen, dem darüber hinaus noch 5 Tage vor dem Vereinsverbot weitergehende Verantwortung übertragen wurde. Der Ausschluss sei vollständig unglaubhaft und als reine nachträgliche Schutzbehauptung zu werten. Bis zu dessen Verhaftung seien diesbezügliche Bestrebungen nicht vorgetragen worden. Gegen einen Ausschluss sprächen auch die Ergebnisse einer Telekommunikationsüberwachung der Mitglieder des Klägers, die im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens im Zeitraum um die Verhaftung des Herrn B...... am 27. April 2010 herum durchgeführt wurde. Hieraus gehe hervor, dass die Verlobte des Herrn B...... nach dessen Verhaftung Zugriff auf in der Wohnung von Herrn B...... befindliche, vereinseigene Geldmittel haben sollte, die unter anderem für eine anwaltliche Verteidigung benötigt würden. Von einer Distanzierung oder einem Ausschluss des Herrn B...... sei in den abgehörten Telefonaten nicht die Rede gewesen.

19

Auch der angebliche Ausschluss von Meick K...... müsse als unsubstantiierte Schutzbehauptung zurückgewiesen werden. Unstreitig sei Meick K...... bis zum 09. Dezember 2009 sogar Präsident des klagenden Vereins gewesen. Zudem sei er noch am 02. Juni 2010 und bei anderen Gelegenheiten in der Kleidung des Vereins angetroffen worden. Seine Mitgliedschaft nach diesem Zeitpunkt sei zwar nicht eindeutig feststellbar. Eine eindeutige Distanzierung des Vereins von seiner Person sei jedoch nicht schlüssig vorgetragen worden.

20

Die Mitgliedschaft der anderen vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angeführten, angeblich nicht dem Verein angehörenden Mitglieder sei für das vorliegende Verbotsverfahren letztlich nicht von Bedeutung, da einzig Andreas B…. an einer dem Verein zuzurechnenden Straftat beteiligt war oder sein könnte, nämlich an der Tat vom 13. Januar 2010 im Schnellrestaurant S... in A-Stadt (Nr. 14 der angefochtenen Verfügung). Diese Tat sei allerdings von einer Mehrzahl von Mitgliedern des Klägers gemeinsam verübt worden.

21

Die Verbotsverfügung sei unabhängig vom Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen jedenfalls formell und materiell rechtmäßig. Einer vorherigen Anhörung des Klägers habe es gem. § 87 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 LVwG nicht bedurft. Die Anhörung hätte einen Ankündigungseffekt gehabt, der es dem Kläger ermöglicht hätte, seine vereinsinterne Infrastruktur, sein der Einziehung unterliegendes Vermögen sowie insbesondere bei dem Vollzug der angefochtenen Verfügung aufzufindende weitere Beweismittel für die Verfolgung strafgesetzwidriger Zwecke des Vereins zu verschleiern oder aus dem räumlichen Zugriffsbereich des Beklagten zu entfernen. Der Beklagte habe entgegen der Auffassung des Klägers auch vermuten dürfen, dass Vereinsvermögen vorhanden war. Zwar verfüge der Kläger nicht über ein eigenes Vereinsheim, sondern wickle das Vereinsleben in den privaten Häusern und Wohnungen seiner Mitglieder ab. Allerdings sei vor dem Wohnhaus des Vereinspräsidenten B........, wo sich die Mitglieder auch regelmäßig getroffen hätten, ein Hinweisschild auf den Kläger fest angebracht, so dass sich das Wohnhaus des Präsidenten als organisatorisch verfestigter Sitz des Klägers darstellte. Auf dieser Grundlage habe der Beklagte vermuten dürfen, dass sich im Wohnhaus des damaligen Präsidenten ein abgeschlossener Bereich des Klägers oder zumindest eindeutig dem Kläger zuzuordnende Sachen oder Unterlagen befanden, die als Vereinsvermögen oder als Beweismittel der Beschlagnahme unterlagen. Daneben sei auch eine Beschlagnahme von Beweismitteln möglich erschienen, insbesondere hinsichtlich in dem faktischen Vereinsheim des Klägers vorhandener elektronischer Datenträger oder Papier, woraus sich eine Zuordnung weiterer Straftaten oder straffälliger Mitglieder zum Verein hätte ergeben können. Auch der nunmehr erfolgte nachträgliche Vortrag, wonach zwei Mitglieder ausgeschlossen worden seien, lasse ein gewisses öffentliches Interesse an der Vermeidung eines Ankündigungseffektes erkennen: Der Kläger hätte in einem solchen Falle den (im Falle des Peter B...... wiederlegten und im Falle des Meick K...... unsubstantiiert behaupteten) Ausschluss besonders gewalttätiger Mitglieder vortäuschen können, um einem Vereinsverbot zu begegnen. Aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 05. August 2009 (BVerwGE 134, 275 ff) ergebe sich, dass selbst ein Verein, dessen Satzung die Verfolgung strafgesetzwidriger Zwecke ausschließe und dessen überwiegende Tätigkeit nicht in der Begehung, Unterstützung oder Billigung von Straftaten liege, in Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe könne, wenn dieser Verein neben der in der Satzung festgelegten Tätigkeit auch eine - und sei es nur am Rande - den Verein prägende strafgesetzwidrige Tätigkeit ausübe. Der Umstand, dass der Verein daneben auch nicht strafgesetzwidrige Tätigkeiten durchführe und offizielle Satzungen, Ordnungen und Regeln des Vereins nicht ausdrücklich die Begehung von Straftaten zum Gegenstand des Klägers machten, seien deshalb für die Frage des strafgesetzwidrigen Zwecks ohne Belang. Der Kläger könne deshalb nicht aus der Anerkennung der von ihm überreichten Satzungsbestimmungen belegen, er sei lediglich ein reiner Motorradclub. Auch komme es nicht darauf an, dass der Kläger nach seiner Darstellung eine Gebiets- und Machtentfaltung lediglich auf dem Markt von Sicherheitsdienstleistungen entfalte, bei welchem es sich um einen legalen Markt handele. Der Vorwurf laute nicht dahingehend, der Kläger versuche eine Marktmacht auf einem illegalen Markt zu erlangen, sondern vielmehr, dass der Kläger mit illegalen, weil strafgesetzwidrigen Methoden eine Marktmacht auf einem Markt zu erlangen suche, indem er konkurrierende Vereinigungen zu verdrängen suche. Die in der Verbotsverfügung unter Nr. 8, 9, 11 13, 14 und 15 genannten Straftaten dienten durchgängig der Durchsetzung eigener Interessen des Klägers unmittelbar gegenüber der maßgeblichen konkurrierenden Vereinigung des Hells Angels MC, namentlich gegenüber den örtlichen Chartern in Kiel und Flensburg, sowie gegenüber deren Supporter-Club Red Devils MC. Auch wenn einzelne Taten - so die Strafvorwürfe Nr. 2, 4 und 12 - für sich genommen nicht ausreichend wären, ein Verbot des Klägers zu begründen, so fügten sie sich doch unterstützend nahtlos in die Zurechnung des strafgesetzwidrigen Zwecks einer territorialen Machtentfaltung des Klägers ein. Die Taten zu Nr. 11, 13 und 15 seien unter Verwendung der Kennzeichen des Vereins, in den Fällen zu Nr. 13 und 15 auch von mehreren Mitgliedern gemeinsam und in Anwesenheit weiterer Mitglieder begangen worden. Die Straftaten zu 1 und 2 stellten sich als Teil der gerade zum Tatzeitraum forcierten Gesamtbewaffnung des Klägers dar und stünden damit in einem eindeutigem Bezug zum Kläger als Verein, da ein gemeinsam gefasster Gruppenwille bzw. eine Anordnung der maßgeblichen Funktionsträger des Klägers umgesetzt wurde.

22

Bereits die Straftaten Nr. 9 ( gemeint ist offensichtlich der Vorfall vom 12. September 2009 an der BAB 7 - Nr. 8 - ), Nr. 13, 14 und 15 rechtfertigten nach den Grundsätzen, die der Senat im Verfahren 4 KS 2/10 aufgestellt habe, jeder für sich allein, bei gemeinsamer Betrachtung aber erst recht das Vereinsverbot. Wenn der Kläger ausführe, die Tat Nr. 13 entspreche einem häufiger unter Angehörigen von Motorradclubs anzutreffendes Phänomen, dass man sich gegenseitig Insignien abnehme, so stelle dies eine Verharmlosung dar.

23

Auch die in der Verbotsverfügung getroffene Feststellung, dass sich der Kläger gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei rechtmäßig. Ausreichend aber auch erforderlich sei es insoweit, wenn ein Verein seine eigene Ordnung partiell an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung setze und seine eigene Ordnung gegenüber Mitgliedern und Nichtmitgliedern ggfs. gewaltsam, jedenfalls aber unter Ausschluss der verfassungsmäßigen Ordnung in Gestalt des staatlichen Gewaltmonopols durchsetze. Dies sei der Fall, wenn er eigene Gewalt zur Durchsetzung seiner vereinseigenen Ziele als legitimes Mittel ansehe und eine staatliche Sanktion seiner Gewaltausübung im Rahmen des staatlichen Gewalt- und Strafmonopols ablehne und zu behindern suche. Nach diesen Maßstäben betätige sich der Kläger kämpferisch-aggressiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Die Straftaten belegten, dass der Kläger explizit Gewalt anwende oder androhe, um seine eigenen Interessen insbesondere gegen konkurrierende Vereinigungen durchzusetzen oder aber auch, um sich einem Zugriff durch staatliche Behörden zu entziehen. Dafür, dass sich der Kläger unmittelbar gegen verfassungsrechtlich legitimierte staatliche Maßnahmen zur Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols richte, dienten die Straftaten zu Nr. 4, 5, 10 und 12 als Beleg. Außerdem übe der Kläger über seine Mitglieder Einfluss auf außenstehende Dritte aus, um diese von einer Kooperation mit staatlichen Behörden abzuhalten. Derlei Einschüchterungsversuche würden auch durch die Straftaten der einzelnen Vereinsmitglieder belegt. Im Strafverfahren Nr. 14 habe die Große Strafkammer bei dem Landgericht Kiel die vom Beklagten aus Gründen des Zeugenschutzes gem. § 96 StPO abgegebene Sperrerklärung als hinreichend begründet akzeptiert, um von einer unmittelbaren Vernehmung der Quelle abzusehen und stattdessen einen Polizeivollzugsbeamten als Quelle vom Hörensagen zu vernehmen. Die Einschüchterung möglicher Zeugen werde auch durch die Niederschrift über eine richterliche Zeugenvernehmung vom 30. Dezember 2010 im Verfahren 24 Gs 276/10 (Strafverfahren zu Nr. 13) belegt, welches als Anlage B 3 (Bl. 124 ff der Prozessakte) übersandt werde. Insgesamt ergebe sich, dass der Kläger zur Durchsetzung seiner Ziele und Vorstellungen für sich in Anspruch nehme, legitimerweise Gewalt anzuwenden und damit das staatliche Gewaltmonopol negieren zu dürfen und somit die verfassungsmäßige Ordnung in Gestalt des aus dem Demokratie- und dem Rechtstaatsprinzip fließenden staatlichen Gewaltmonopols fortlaufend kämpferisch-aggressiv zu untergraben.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Strafverfahrensakten bzw. die hieraus gefertigten Kopien verwiesen, welche den Beteiligten zur Einsicht übersandt worden sind und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

25

Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung zwei Hauptbeweisanträge gestellt, wegen deren Inhalt auf das Verhandlungsprotokoll vom 13. November 2012 Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

26

Der Senat hat über die Klage zu entscheiden, weil diese nicht gem. § 92 Abs. 2 S. 1 VwGO als zurückgenommen gilt. Der Berichterstatter hat dem Kläger mit Beschluss vom 02. Dezember 2010 aufgefordert, das Verfahren zu betreiben und die Klage zu begründen. Nachdem ein Empfangsbekenntnis trotz Anmahnung nicht übersandt wurde, ist der Beschluss durch Postzustellungsurkunde am 21. Dezember 2010 zugestellt worden. Der Prozessbevollmächtigte hat auf Anforderung des Gerichts mit Schriftsatz vom 15. März 2011 anwaltlich versichert, dass ihm die gerichtliche Aufforderung vom 02. Dezember 2010 erstmalig am 21. Dezember 2010 zugegangen sei. Bei dieser Sachlage begann die Frist des § 92 Abs. 2 S. 1 VwGO mit der durch die Postzustellungsurkunde belegten Zustellung am 21. Dezember 2010. Da die Klagebegründung am 21. Februar 2011 per Telefax bei Gericht einging, ist die Frist des § 92 Abs. 2 S. 1 VwGO gewahrt und die Rücknahmefiktion nicht ausgelöst worden.

27

Die Klage ist in zulässiger Weise erhoben worden. Die Klageerhebung für einen nicht rechtsfähigen Verein hat gem. § 62 Abs. 3 VwGO in Vollmacht seiner gesetzlichen Vertreter und Vorstände zu erfolgen. Dies sind gem. § 54 i.V.m. § 709 Abs. 1 BGB die Mitglieder des Vereins gemeinschaftlich, soweit nicht in einer Satzung Stimmenmehrheit vereinbart oder eine Übertragung der Geschäftsführung erfolgt ist. Die Vertretungsbefugnis für einen nicht rechtsfähigen Verein folgt - sofern eine Satzung vorhanden ist und diese die Vertretungsbefugnis regelt - aus der Satzung (vgl. Reichert, Vereins- und Verbandrecht, 12. Aufl. Rn. 5178). Die Satzung muss dabei nicht notwendig schriftlich festgelegt sein (Reichert, a.a.O., Rn. 5159 u. 5163). Unstreitig hat der Kläger sich an den „Articles of Association of the „Bandidos MC“ Motorcycle Club“ orientiert und diese Bestimmungen seinem Vereinsleben zugrunde gelegt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat eine Kopie dieser Satzungsbestimmungen in der Anlage zum Schriftsatz vom 18. Februar 2011 eingereicht. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Mitgliederversammlung bei der Gründung im Frühjahr 2009 diese Satzung - jedenfalls konkludent - gebilligt hat. Der Nachweis eines entsprechenden schriftlichen Gesellschafterbeschlusses ist nicht erforderlich. Der Umstand, dass sich die Vereinsmitglieder nach dem Vorbringen des Klägers nicht sklavisch an alle Satzungsbestimmungen hielten, ändert an den verbindlichen Regelungen hinsichtlich der Vertretungsbefugnis nichts. Die Vereinsorganisation und die Organe werden in Art. 7 der Satzung geregelt. Die Vertretungsbefugnis ist in Art. 7 Ziff. 3 normiert. Danach wird der Verein vom Präsidenten und dem oder der Vizepräsidenten des Chapters vertreten, wobei jeder von ihnen das Recht hat, den Klub alleine zu vertreten. Die Klagevollmacht konnte deshalb für den Verein wirksam entweder vom Präsidenten oder vom Vizepräsidenten unterzeichnet werden. Die vor Klageerhebung dem (seinerzeitigen) Prozessbevollmächtigten erteilte Vollmacht vom 10. Mai 2010 ist von Herrn B........ unterzeichnet worden, der unstreitig jedenfalls bis kurz vor dem Zeitpunkt der Zustellung der Verbotsverfügung am 29. April 2010 Präsident war. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten hat Herr B....... gegenüber einem Beamten des Landeskriminalamtes (Soko Rocker) am 21. April 2010 erklärt, er habe die Absicht, von seinem Präsidentenamt zurückzutreten. Am 24. April 2010 habe er telefonisch mitgeteilt, dass er jetzt offiziell von seinem Präsidentenamt zurücktreten würde und Peter B...... als Vizepräsident den Bandidos MC leiten würde. Herr B....... habe den Rücktritt mit seiner privaten Situation und seiner Belastung durch die Erkrankung seiner Lebensgefährtin sowie seiner häufigen Inanspruchnahme durch die Polizei begründet (vgl. Vermerk Bl 120 PA). Der Kläger hat hierzu nachvollziehbar vortragen lassen, ein Rücktritt sei tatsächlich nicht erfolgt. Herr B....... habe mit Rücksicht auf seine schwerkranke Lebensgefährtin, welche mittlerweile verstorben sei, sich durch die Ankündigung gegenüber der ständigen Inanspruchnahme durch die Polizei „Luft“ verschaffen wollen. Da nach Art. 7 Nr. 3 der Satzung auch der Vizepräsident den Verein allein hätte vertreten können, habe er der Polizei aus seiner Sicht auch einen korrekten Ansprechpartner genannt.

28

Zu dem Vortrag, der Präsident B....... sei tatsächlich nicht von seinem Amt zurückgetreten, passt, dass er weiterhin als Vertreter des Vereins aufgetreten ist und die Prozessvollmachten unterzeichnet hat. Der Senat hat deshalb keinen Zweifel daran, dass Herr B....... zum Zeitpunkt der Ausstellung der jeweiligen Prozessvollmachten Präsident gewesen ist, zumal belastbare Hinweise auf eine andere Beschlusslage der Mitgliederversammlung des Klägers fehlen.

29

Der Kläger allein ist zur Anfechtung des Verbots befugt, da die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung seiner Mitglieder als natürliche Personen, sondern die Rechtsstellung des klagenden Vereins als Gesamtheit von Personen betrifft. Der Kläger ist gem. § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (vgl. zu alledem BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, juris m.w.N.). Auch nach seinem Verbot und seiner Auflösung verbleibt ihm eine auf die Führung der Rechtsverteidigung beschränkte Rechtsstellung (vgl. Löwer in: von Münch/Kunig [Hrsg.], Komm. z. GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 59).

30

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Voraussetzung ist, dass ein Verwaltungsakt angefochten wird, der zum Zeitpunkt der Klageerhebung erlassen worden sein muss. Hieran bestehen keine Zweifel. Dass zum Zeitpunkt der Zustellung Vereinsmitglieder existierten, denen der Bescheid nicht ausgehändigt worden ist, ist nicht ersichtlich. Der Umstand, dass nach dem Vortrag des Klägers einige in der Verbotsverfügung als Vereinsmitglieder benannte Personen nicht Mitglieder des Vereins gewesen sind, berührt die wirksame Zustellung nicht. Darüber hinaus reicht für eine Zustellung aber auch aus, dass der Bescheid dem zur Vertretung berechtigten Präsidenten bekannt gegeben wurde.

31

Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist lediglich insoweit rechtswidrig und daher gem. § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben, als in ihm festgestellt wird, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ohne dass allerdings hierdurch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Feststellung, dass der Kläger verboten ist, berührt würde.

32

Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung lagen vor. Der Beklagte als für die Regelung des Vereinswesens oberste Landesbehörde war gem. § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig, da sich die nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen erkennbare Organisation und Tätigkeit des Klägers auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkte. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass dem Kläger eine eigenständige Stellung als Vereinigung innerhalb der bundes- und weltweiten sogenannten Bewegung der “Bandidos“ zukommt. Die Mitglieder des Klägers sind in Schleswig-Holstein wohnhaft; wesentliche Aktivitäten des Vereins außerhalb Schleswig-Holsteins sind nicht bekannt geworden.

33

Unabhängig von der Frage, ob der Kläger lediglich eine Teilvereinigung eines über das Gebiet Schleswig-Holsteins hinausgehenden größeren Vereins der “Bandidos-Bewegung“ darstellt und eine Einholung des Benehmens des Bundesministers des Inneren nach § 3 Abs. 2 S. 2 VereinsG erforderlich war, ist dieses Benehmen nach Übersendung des Entwurfes der Verbotsverfügung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 20. April 2010 vorsorglich erteilt worden. Der übersandte Entwurf des Bescheides enthielt ausreichende Informationen, um den Bundesinnenminister in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Nachfragen gegenüber dem Beklagten zu tätigen. Dieses ist jedoch nicht erfolgt. Die vorherige Übermittlung sämtlicher Informationsgrundlagen für die beabsichtigte Verfügung ist für eine wirksame Einholung des Benehmens nach § 3 Abs. 2 S. 2 VereinsG nicht erforderlich (Senat, Urt. v. 19.06.2012 - 4 KS 2/10 -).

34

Die weiteren formellen Voraussetzungen für die angegriffene Verbotsverfügung, insbesondere die Schriftform, die Begründung sowie die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger (BAnz 74/2010 v. 19.05.2010, 1774) und im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes Schleswig-Holstein (Amtsbl. für S-H 2010 Nr. 21/22, S. 389 f.) gem. § 3 Abs. 4 S. 1 u. 2 VereinsG, sind erfüllt.

35

Der Beklagte durfte von einer Anhörung des Klägers vor Erlass der Verbotsverfügung absehen. Zwar ist grundsätzlich dem von einem Eingriff in seinen Rechten Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 87 Abs. 1 LVwG). Hiervon kann jedoch unter anderem abgesehen werden, wenn eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG). Diese Voraussetzungen lagen vor. Mit dem Verbot des Klägers ist, entsprechend der in § 3 Abs. 1 S. 2 VereinsG vorgesehenen Regel, auch die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens sowie Sachen Dritter verfügt worden. Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, die es dem Kläger ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gem. § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war (vgl. BVerwG, ständige Rechtsprechung, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 f., beide juris, m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Klägers bleibt dieser Aspekt nachvollziehbar, auch wenn der Kläger nicht über ein eigenes Vereinsheim verfügte. Hierdurch wurde die Möglichkeit keineswegs ausgeschlossen, dass - bei einer Ankündigung des Vereinsverbotes - Vereinsvermögen oder Sachen Dritter und Beweismittel beiseite geschaffen würden. Der Umstand allein, dass sich die Mitglieder des Klägers nicht in einem eigenen Vereinsheim, sondern in der Regel im Privathaus des Präsidenten trafen, entzieht dieser Befürchtung nicht von vornherein die Grundlage. Angesichts der einer Anhörung entgegen gehaltenen Gefahren war dem Kläger auch kein Recht zuzugestehen, sich durch entsprechende Dispositionen wie eine allein durch den drohenden Erlass des Verbots veranlasste Distanzierung von Mitgliedern auf diese vereinsrechtliche Maßnahme einzustellen.

36

Die Verbotsverfügung ist insoweit rechtmäßig, als festgestellt wurde, dass der Zweck und die Tätigkeit des klagenden Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, und an diese Feststellung die in den nachfolgenden Ziffern 2 - 5 ausgesprochenen rechtlichen Folgen geknüpft wurden.

37

Die Zwecke und die Tätigkeit des Klägers laufen i.S.d. in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alt. GG den Strafgesetzen zuwider, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben.

38

Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, denn eine Vereinigung ist als solche nicht straffähig. Straffähig können nur natürliche Personen sein, da Strafbarkeit Schuldzurechnungsfähigkeit voraussetzt und diese nur natürlichen Personen zukommt. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Ergibt sich aus dieser eigenen Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln einer Vereinigung ein Verstoß gegen Strafgesetze, so ist der Verbotstatbestand erfüllt.

39

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Mitglieder der Vereinigung zugerechnet werden kann. Eine durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit muss den Charakter der Vereinigung prägen. Eine Vereinigung kann gleichzeitig verschiedene Zwecke, insbesondere neben dem satzungsmäßig ausgewiesenen legalen Zweck auch strafrechtsrelevante Ziele anstreben und durch das Verhalten ihrer Mitglieder verwirklichen. In diesem Falle ist es zur Erfüllung des Verbotstatbestandes nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht. Ebenso wenig muss eine Strafgesetzwidrigkeit auf Dauer bestehen. Es genügt vielmehr, wenn eine Vereinigung erst im Laufe der Zeit strafgesetzwidrig wird oder die Strafgesetzwidrigkeit zeitlich begrenzt ist. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen, und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt. Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Die Einbeziehung dieser Fallkonstellation ist vor allem durch den Sinn des Verbotstatbestandes geboten: Mit ihm soll nicht die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich sanktioniert, sondern einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die in der Gründung oder Fortführung einer Organisation zum Ausdruck kommt, aus der heraus Straftaten geplant oder begangen werden. Derartige Organisationen bergen eine besondere Gefahr für die durch Strafgesetze geschützten Rechtsgüter in sich. Die ihnen innewohnende Eigendynamik und ihr organisiertes Sach- und Personalpotential erleichtern und begünstigen strafbares Verhalten. Zugleich wird das Verantwortungsgefühl des einzelnen Mitgliedes häufig gemindert, die individuelle Hemmschwelle zum Begehen von Straftaten abgebaut und der Anreiz zu neuen Straftaten geweckt. Eine derartige verbotsrelevante Hilfestellung muss nicht von vornherein auf die Begehung konkreter Straftaten ausgerichtet sein oder auf einem zuvor gefassten Vereinsbeschluss beruhen. Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten der Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten, gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre zu den Straftaten ihrer Mitglieder jederzeit den erwarteten Schutz (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275, Juris Rn. 15 f.; Beschl. v. 25.08.2008 - 6 VR 2/08 -, Juris Rn. 11; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 - , BVerwGE 80, 299, DVBl. 1989, 311 Rn. 38 f.). Im Falle der Überprüfung des 1983 erlassenen Vereinsverbotes gegenüber dem „Hell‘s Angels Motor-Club e.V.“ Hamburg hat das Bundesverwaltungsgericht die Zurechnung einzelner Straftaten unter anderem mit dem Gesichtspunkt begründet, dass die Straftaten in Vereinskluft begangen wurden und dadurch den Ruf des Vereins als besonders gewalttätige und brutale Rockergruppe begründet oder bestätigt hätten (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 50). Demgegenüber kommt es auf den in der Satzung niedergelegten Zweck (Motorradclub) nicht entscheidend an, da strafrechtliche Zwecke üblicherweise nicht offen gelegt werden. Soweit in der Vereinssatzung aber der Grundsatz der Solidarität ausdrücklich als Vereinszweck genannt wird, kann dies als Ausdruck der unter den Mitgliedern angestrebten umfassenden Solidarität gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 43).

40

Der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder kann sich auch daraus ergeben, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 32, Juris Rn. 12). Eine Prägung des betreffenden Vereins durch ihm zuzurechnende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern liegt insbesondere dann nahe, wenn es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktionen handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, sowie Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.) oder wenn entsprechende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern in großer Zahl sowie auch noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder erfolgen (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009, a.a.O.). Ein prägender Charakter kann sich auch daraus ergeben, dass die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, a.a.O.).

41

Ein Verbot wegen Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins setzt eine vorherige strafrichterliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Ebenso wenig besteht eine materielle oder formelle Bindung an die rechtliche Würdigung eines bereits ergangenen Strafurteils. Die Strafgesetzwidrigkeit ist von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.; Urt. v. 18.10.1988, a.a.O.; std. Rspr.).

42

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung ist derjenige ihres Erlasses. Zur Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit können, wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht, zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986; Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.1992 - 1 S 3626/88 -; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06/52 - sowie Beschl. v. 20.09.2006 - 4 AS 06.2036 -, alle in Juris). Berücksichtigungsfähig können auch Gesichtspunkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung nach Ergehen der Verbotsverfügung sein, soweit sie eine vor Erlass der Verbotsverfügung begangene Straftat betreffen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 38). Andererseits bietet Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG aber keine Grundlage für die Berücksichtigung von Veränderungen, die der Verein nach seinem Verbot vornehmen möchte, um dessen Voraussetzungen entfallen zu lassen. Solche nach Erlass der Verbotsverfügung geschaffenen Tatsachen können keine Wirkungen auf die Sachlage zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Verbotsbescheides mehr entfalten. Dem Verein sind im Übrigen Aktivitäten, soweit sie nicht die Rechtsverteidigung gegen das Vereinsverbot betreffen, und damit auch organisatorische Umgestaltungen, untersagt.

43

In Konkretisierung der genannten, aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG abgeleiteten Maßstäbe hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 VereinsG ausdrücklich ergänzende („auch“) Maßstäbe für die Zurechnung von Handlungen von Mitgliedern zum Verein festgeschrieben, wonach ein Verbot auch dann auf Handlungen von Mitgliedern gestützt werden kann, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu der Zielsetzung des Vereines besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Eine Erweiterung oder Einschränkung der zu Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 VereinsG in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe liegt in dieser ausdrücklich zur Schließung einer Regelungslücke getroffenen ergänzenden gesetzgeberischen Regelung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 45) jedoch nicht. Die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG sind in der Verfassung abschließend benannt; der Gesetzgeber darf keine zusätzlichen Verbotsgründe einführen (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Komm. zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 63; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot - Dogmatik und Praxis des Art. 9 Abs. 2 GG, Baden-Baden 2005, S. 115).

44

Die Annahme der Strafrechtswidrigkeit eines Vereins kann im Einzelfall bereits auf Grund einer Straftat der Mitglieder des Vereins gerechtfertigt sein (Senat, Urt. v. 19.06.2012 - 4 KS 2/10 -). Die unter den Ziffern 8, 13, 14 und 15 der Verbotsverfügung bezeichneten Straftaten begründen im vorliegenden Falle bereits jede für sich genommen die Strafrechtswidrigkeit des Klägers. Erst recht ist bei einer Gesamtschau dieser dem Kläger zuzurechnenden und ihn prägenden Straftaten die Feststellung gerechtfertigt, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider laufen.

45

Eine Strafgesetzwidrigkeit des klagenden Vereins lässt sich vorliegend anhand der dargestellten Maßstäbe bereits in ausreichender Weise aus einer Zurechnung der Straftat vom 12. September 2009 - Nr. 8 in der Verbotsverfügung - ableiten. Zum Tathergang hat der Senat in dem das Verbot der „Hells Angels MC Charter Flensburg“ betreffenden Verfahren 4 KS 2/10 unter Anschluss an die Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 folgendes ausgeführt:

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„Am 12. September 2009 hielt sich eine Gruppe der im Frühjahr 2009 in A-Stadt gegründeten „Bandidos“, welche mit zeitgleicher Verfügung des Beklagen verboten worden sind, auf dem Rückweg von einer Ausfahrt nach Dänemark um 22:55 Uhr an einer Tankstelle unweit der BAB 7 bei Flensburg auf. Dort wurden die mit Kutten bekleideten „Bandidos“ durch ein Mitglied oder einen Unterstützer der Flensburger „Hells Angels“ beobachtet und es erfolgte über ein Mobiltelefon eines damaligen Mitgliedes des Klägers eine entsprechende Meldung an Stefan R..... in seiner Funktion als Präsident. Dieser führte binnen weniger Minuten diverse Mobilfunkgespräche mit weiteren Vereinsmitgliedern mit dem Ziel, diese schnell an die BAB 7 heranzuführen, um den als solchen empfundenen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ zu sühnen. R..... begab sich mit seinem Pkw an die Autobahnauffahrt Flensburg-Harrislee, wo um ca. 23:20 Uhr der Konvoi der „Bandidos“ eintraf, und befuhr hinter der Gruppe der „Bandidos“ die BAB 7, wobei ihm ein Pkw Golf folgte, der auf das Mitglied der „Hells Angels Flensburg“ Th..... zugelassen war. Im Bereich einer Baustelle, in der die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herabgesetzt war, näherte sich der PKW des R..... dem Motorrad des „Bandidos“-Mitglieds K....... und berührte dieses kurz mit dem Vorderrad. Dabei brachen die linke Fußraste des Motorrades und das Schaltgestänge, sodass das Getriebe des Motorrades nicht mehr geschaltet werden konnte. Etwa 170 m weiter unternahm der geschädigte Motorradfahrer der „Bandidos“ eine Vollbremsung und stürzte mit dem Motorrad auf die rechte Seite, wobei er lebensgefährlich verletzt wurde. Stefan R..... flüchtete mit hoher Geschwindigkeit, stellte nur wenige Minuten später sein Fahrzeug nahe einem sein Vertrauen genießenden Motorrad-Reparaturbetrieb in E… ab und wurde gegen 0:22 Uhr in dem 25 km entfernten Flensburg festgestellt. Ein bis zwei Minuten nach dem Sturz des „Bandidos“ K....... erreichte das Mitglied des Klägers Holger W....... in seinem Pkw Golf die Unfallstelle und wurde zusammen mit einem weiteren Unterstützer des Klägers aus der sog. „Flensburg-Crew“ Opfer einer massiven Gewaltattacke der über den Vorfall empörten „Bandidos“. Ihm wurden mehrere Messerstiche zugefügt, aufgrund derer er im Krankenhaus operativ versorgt werden musste.“

47

Wegen der Tat zum Nachteil des Holger W....... ist der zum Tatzeitpunkt amtierende Präsident des Klägers, Meick K......, durch Urteil des Landgerichts Kiel vom 05. Dezember 2011 (10 KLS 4/11) wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten verurteilt worden. Das Urteil ist rechtskräftig, nachdem der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 22. Mai 2012 die Revision verworfen hat. Grundlage der Verurteilung war das Geständnis des Angeklagten, welches sich nach den Feststellungen des Landgerichts mit dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme deckte. Zum Tatablauf hat das Landgericht Kiel folgendes festgestellt:

48

„Am Abend des 12. September 2009 befuhr der Angeklagte als Präsident des MC Bandidos A-Stadt auf seinem Motorrad, amtliches Kennzeichen KI ……, an der Spitze eines Konvois aus Motorrädern und einem Begleitfahrzeug mit anderen Mitgliedern dieses Motorradverein, u.a. den Zeugen D...., B...... , W......, H......, Sch..... und K......., aus Dänemark kommend die BAB 7 in Richtung Süden. Als sich der Angeklagte sowie die Zeugen D...., B...... , W......, H......, Sch..... und K....... gegen 23:25 Uhr in Höhe Km 9,4 in einem durch Baustelleneinrichtung beschränkten Streckenabschnitt mit je zwei Fahrspuren für jede Richtung befanden, stieß ein Fahrzeug, das nicht zum Konvoi der Bandidos gehörte, mit Absicht das auf dem rechten Fahrstreifen kurz hinter dem Angeklagten an zweiter Stelle fahrende Motorrad des Zeugen K....... an. Der Zeuge K....... stürzte bei erheblicher Geschwindigkeit von seinem Motorrad und kam auf der Fahrbahn zum Liegen. Er verletzte sich dabei schwer.

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Der Angeklagte sowie die Zeugen D...., B...... , W......, H...... und Sch..... bremsten ihre Fahrzeuge bis zum Stillstand ab. Sie stiegen von ihren Motorrädern ab beziehungsweise aus dem Begleitfahrzeug aus, insbesondere auch, um die Unfallstelle zu sichern und sich um den verletzten Zeugen K....... zu kümmern. Hinter dem Konvoi näherte sich neben weiteren Fahrzeugen von Unbeteiligten der Unfallstelle das von dem Zeugen W....... geführte Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen HH - ……. Als Beifahrer saß der Zeuge D…… im Fahrzeug. Die Zeugen W....... und D….. sind dem Unterstützerumfeld der Hells Angels Flensburg zuzurechnen.

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Nachdem der Angeklagte, der bereits vermutete, dass die Kollision und der Unfall des Zeugen K....... durch ein Mitglied der Hells Angels schuldhaft verursacht worden war, das Fahrzeug des Zeugen W....... wahrgenommen hatte, nahm er aus dem Begleitfahrzeug seines Konvois, einem VW-Golf-Kombi, ein Messer und einen Radmutterschlüssel. Mit diesen Gegenständen bewaffnet lief der Angeklagte mit weiteren, im Einzelnen nicht zu ermittelnden anwesenden Mitgliedern des MC Bandidos A-Stadt zu den von ihnen als Hells Angels-Unterstützer erkannten Zeugen W....... und D…., die nach dem Abbremsen von der Unfallstelle aus dem Fahrzeug ausgestiegen waren. Unter Verwendung des Radmutterschlüssels schlug der Angeklagte dem Zeugen W....... zwischen Fahrzeug und rechter Leitplanke mehrfach mit großer Wucht auf den Kopf. Der Zeuge W....... ging zu Boden. Anschließend verletzte der Angeklagte den Zeugen W....... mit dem Messer durch Stiche in den linken Oberschenkel, den linken Unterschenkel und den rechten Unterschenkel, ohne dass für seine Handlung ein rechtfertigender Anlass bestand. Der Zeuge W....... entfernte sich nach dem Angriff von der Autobahn, schleppte sich etwa 200 m in einen neben der Autobahn verlaufenden Graben und versteckte sich. Dort wurde er nach Abschluss der Erstversorgung des verletzten K....... und nach Wiederfreigabe der Fahrbahn von der Polizei gefunden, weil sein offenstehendes Fahrzeug mit laufendem Motor herrenlos auf der rechten Spur den Verkehr blockierte und die Polizei seine im Fahrzeug gefundenen Mobiltelefonnummer angerufen und ihn so erreicht hatte.“

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Die Straftat, die von dem höchsten damaligen Funktionsträger des Klägers, dem Präsidenten, ausgeführt wurde, ist dem Verein zuzurechnen. Sie kann nur vor dem Hintergrund der rivalisierenden Auseinandersetzung der Flensburger „Hells Angels“ und des Klägers gesehen werden.

52

Zu Unrecht wendet der Kläger in diesem Zusammenhang ein, eine wirtschaftliche Konkurrenz zwischen dem Kläger und den Hells Angels Flensburg sei nicht ersichtlich geschweige denn vom Beklagten belegt. Es sei auch nicht einmal ersichtlich, dass der Kläger überhaupt zum Zwecke wirtschaftlicher Betätigung - sei es auf dem kriminellen Sektor oder auf dem legalen Sektor - gegründet worden sei. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Richtig ist, dass der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder sich auch daraus ergeben kann, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 - Buchholz 402.45 Vereinsgesetz Nr. 32, juris Rn. 12). Zum einen ist das Kriterium der Konkurrenz jedoch nur eines unter mehreren Kriterien für die Frage der Zurechnung und Prägung. Zum anderen ist es im Falle rivalisierender Auseinandersetzungen unerheblich, ob diese vor einem wirtschaftlichen Hintergrund stattfinden. Das Bestehen einer Rivalität zwischen dem Kläger und den Hells Angels Flensburg steht für den Senat außer Frage. Die Mitglieder des Klägers trugen im Vorfeld der von den jeweiligen Präsidenten der Flensburger „Hells Angels“ und des Klägers verübten Straftaten auf ihrer Fahrt durch das „Territorium“ der Flensburger Hells Angels ihre Kutten, was von den Flensburger Hells Angels als Provokation verstanden wurde. Die Kammer des Landgerichts Flensburg hat in ihrem Urteil vom 29. April 2011 wegen der Straftat zu Lasten des K....... das Motiv der Tat als eine „Disziplinierung der feindlichen Rockergruppe“ identifiziert. Die Aktion habe eine Reaktion auf eine gezielte Provokation der „Bandidos“ dargestellt. Die Straftat zu Lasten von Holger W....... stellt sich in diesem Zusammenhang als unmittelbare Vergeltungsaktion der „Bandidos“ dar. Zwar ließen sich hinreichende Anhaltspunkte für eine konkret zurechenbare strafrechtliche Beteiligung einzelner weiterer Mitglieder des Klägers neben dem Präsidenten K...... nicht ermitteln, sodass die übrigen eingeleiteten Strafverfahren eingestellt wurden. Dies ändert aber nichts daran, dass die Tat nach den oben dargelegten Kriterien dem Verein zuzurechnen ist. Nach den Feststellungen des Urteils des Landgerichts Kiel, an denen der Senat keinerlei Zweifel hat, lief der seinerzeitige Präsident K...... mit weiteren, im Einzelnen nicht zu ermittelnden anwesenden Mitgliedern des MC Bandidos A-Stadt zu den Zeugen W....... (dem späteren Opfer) und D…. hin. Dabei konnte sich der Präsident K...... der jederzeitigen Unterstützung und des Rückhalts der ihn begleitenden weiteren Mitglieder sicher sein. Unabhängig von der Frage, ob der Vortrag in der Klagebegründung vom 18. Februar 2011, wonach Meick K...... „bereits“ im Dezember 2009 wegen seines Verhaltens bei der Tat vom 12. September 2009 ausgeschlossen worden sein soll, als Schutzbehauptung zu werten ist, ist diese erstmals mit Schriftsatz vom 18. Februar 2011 mitgeteilte angebliche „Distanzierung“ nicht zeitnah genug erfolgt, um vereinsrechtlich ins Gewicht zu fallen. Daneben ist zu berücksichtigen, dass - wenn auch nicht namentlich zuzuordnen - weitere Mitglieder des Klägers beim Tathergang anwesend waren und hierdurch ihrem (seinerzeitigen) Präsidenten den erforderlichen Rückhalt gewährleisteten. Der Senat wertet die Tat am 12. September 2009 nicht als privat motivierten Racheexzess eines einzelnen Mitglieds, sondern als eine vom gemeinsamen Selbstverständnis des Vereins getragene Tat, der unter Berücksichtigung auch der jedenfalls bis Dezember andauernden Aufrechterhaltung der Organisationsstruktur des Klägers nach der Tat, was die Position des Präsidenten anbelangt, eine für den klägerischen Verein prägende Funktion zukommt. Unter Berücksichtigung des Macht- und Geltungsanspruchs des Vereins, welcher sich auch durch das Zeigen der Kutten im Vorfeld der Tat ausdrückt, sowie des in der Tat zum Ausdruck kommenden Selbstverständnisses des Vereins, sein Recht in die eigene Hand zu nehmen und angesichts der maßgeblichen Beteiligung des höchsten Funktionsträgers, des Ausmaßes der Gewaltanwendung und der gemeinschaftlichen Begehung der Tat durch mehrere Mitglieder vor dem Hintergrund der offensichtlichen Rivalität beider Gruppierungen begründet das Ereignis bereits für sich genommen einen hinreichenden Anlass für das Verbot des Klägers wegen strafgesetzwidriger Zwecke und strafgesetzwidriger Tätigkeit. Die Tat dokumentiert die durch ein Vereinsverbot zu begrenzende Gefahr einer weiteren, Rechtsgüter gefährdenden Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Vereinigungen, sodass es einer Zurechnung strafrechtswidriger weiterer Verhaltensweisen der Mitglieder an den Verein nicht mehr bedürfte, um das Vereinsverbot zu stützen. Auch ein singuläres Geschehen, eine einzelne Straftat kann schon ausreichen, um darauf das Vorliegen der Voraussetzungen für einen vereinsrechtlichen Verbotsgrund abzuleiten (Senat, Urt. v. 19.06.2012 - 4 KS 2/10 -).

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Von mindestens gleichem Gewicht und ebenfalls für sich genommen die Feststellung der Strafrechtswidrigkeit zu tragen geeignet ist die dem Verein zuzurechnende Straftat vom 13. Januar 2010 (Nr. 14 der Verbotsverfügung). Nach den Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Kiel vom 15. April 2011 hielten sich am 13. Januar 2010 gegen 19:00 Uhr die geschädigten B…., W…. und C…. im Restaurant S..., Großflecken 1 in A-Stadt auf. Bei den Personen handelt es sich um Mitglieder einer Unterstützergruppierung der Hells Angels (Red Devils A…). Sie wollten nach dem Restaurantbesuch ab 20:00 Uhr an einem Clubabend der befreundeten Red Devils A-Stadt teilnehmen und trugen dabei ihre sogenannten Kutten, die sie als Mitglieder der Red Devils auswiesen. Nachdem Mitglieder des Klägers von deren Anwesenheit Kenntnis erlangt hatte, kam es in der Folge zu einer Vielzahl von Telefonaten innerhalb der Gruppe der den Bandidos-Mitgliedern zugeordneten Anschlüsse. Gegen 19:42 Uhr sammelte sich eine Personengruppe, bestehend aus Mitgliedern der Bandidos A-Stadt, an der Ecke Großflecken/Am Klostergraben in A-Stadt in unmittelbarer Nähe des Restaurants S.... Die Personengruppe bestand aus wenigstens fünf Personen. Wenigstens zwei der Mitglieder waren für alle erkennbar mit Schlagstöcken, wenigstens eine Person war für alle erkennbar mit einem Messer bewaffnet. Zu dieser Personengruppe kam der Angeklagte B......, welcher wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung wegen der Tat vom 13. Januar 2010 zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden ist, hinzu. Er hatte bis etwa 19:26 Uhr im …-Supermarkt, B-Straße 224 in A-Stadt eingekauft und um 19:31 Uhr den Anschluss des Präsidenten B....... zurückgerufen. Nachdem sich entsprechend der Vorstellung der anwesenden Bandidos genügend Mitglieder für einen Angriff auf die im S... sitzenden Red Devils gesammelt hatten, lief die Personengruppe um ca. 19:45 Uhr mit der gemeinsamen Absicht in Richtung des S... los, die Red Devils erforderlichenfalls unter Einsatz von Schlagwerkzeugen und Messern durch Schlagen und Zustechen zu überfallen und ihnen ihre Kutten wegzunehmen. Ziel des Überfalls war es, dem „Gebietsanspruch“ der Bandidos in A-Stadt Ausdruck zu verleihen. Die Personengruppe der Bandidos erreichte den Eingang des S... und griff die unbewaffneten Zeugen B…., W…. und C…. an. Eine Person aus der Gruppe forderte die Zeugen mit dem Ruf „Kutten her“ auf, ihre Kutten herauszugeben. Bei dem Handgemenge trug der Zeuge W…. zwei Messerstiche in den linken Oberarm davon, wobei eine kleinere Arterie verletzt wurde. Der Zeuge B…. erlitt Messerschnitte hinter dem Ohr, Messerstiche in den Bauch und in die Schlagader im linken Knie. Die große hintere Beinarterie wurde durch einen Messerstich derart verletzt, dass der Zeuge B…. innerhalb von rund 1 bis 2 Minuten ca. 2 bis 3 Liter Blut verlor. Der stark blutende Zeuge B…. kam im S... auf dem Fußboden etwa dort zu liegen, wo die große Fußmatte im Eingangsbereich endet und der Fliesenbereich ins Innere des Restaurants beginnt. Es bildete sich eine Blutlache ausgehend vom linken Knie des Zeugen B….. Wer aus der Gruppe zustach, konnte nicht festgestellt werden. An die Hose des Angeklagten B...... spritzte aus der entstandenen Blutlache Blut, wahrscheinlich als dieser selbst oder eine andere Person in die entstandene Blutlache trat. Die Angreifer nahmen den Zeugen W…. und C…. gegen deren Willen ihre Kutten ab, deren anschließender Verbleib nicht geklärt werden konnte.

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Die der Verurteilung zugrundeliegende Sachverhaltsfeststellung begegnet keinerlei Zweifeln. Sie beruht auf einer ausführlichen und überzeugenden Beweiswürdigung durch das Landgericht; der Senat legt diese Sachverhaltsfeststellungen zugrunde, deren Richtigkeit der Kläger im Übrigen auch im Verfahren nicht bestritten hat. Hiernach ist Peter B...... nach der Überzeugung des Landgerichts Kiel bereits zu Beginn des Überfalls mit der aus Bandidos bestehenden Personengruppe in das „S...“ hineingestürmt. Es kommt deshalb nicht mehr auf den im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 12. November 2012 erfolgten Vortrag an, wonach Peter B...... gegenüber den übrigen Mitgliedern des Klägers stets erklärt habe, an der fraglichen Straftat nicht beteiligt gewesen zu sein und das „S...“ erst betreten zu haben, als das Geschehen bereits vorbei gewesen sei. Der Umstand, dass die Übrigen Angeklagten (Ralf D...., Nils H…. und Thomas K.......) freigesprochen wurden, weil das Gericht keine Überzeugung von ihrem jeweils konkret zuzuordnenden Tatbeitrag gewinnen konnte (nur Peter B...... war unmaskiert und wurde von mehreren Zeugen identifiziert), ändert nichts daran, dass der Tathergang in exemplarischer Weise eine dem Verein zurechenbare, seinen Charakter prägende Straftat abbildet. In besonders typischer Weise diente der Überfall im S... und das Wegnehmen der Kutten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation. Eine strafrechtliche Verurteilung weiterer Personen ist für eine Zurechnung nicht erforderlich. Es reicht aus, dass feststeht, dass Peter B...... zusammen mit mehreren Mitgliedern des Vereins nach vorheriger telefonischer Abstimmung Mitglieder einer konkurrierenden Organisation überfallen und ihnen die Kutten weggenommen haben, um ihren territorialen Besitzanspruch in A-Stadt zu behaupten. Auch in diesem Falle hindert die Behauptung des seinerzeitigen Proessbevollmächtigten des Klägers, dass Peter B...... durch Mehrheitsbeschluss der Mitglieder aus dem Verein ausgeschlossen worden sei, die Zurechnung nicht, und zwar schon deshalb, weil die Tat nicht von ihm allein, sondern von mehreren Vereinsmitgliedern begangen worden ist, die Kenntnis von der Tatbeteiligung des Peter B...... hatten. Davon abgesehen wäre ein Ausschluss von Peter B...... erst wenige Tage vor Zustellung der Verbotsverfügung nicht zeitnah genug erfolgt, um eine Zurechnung seines strafbaren Verhaltens zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung zu hindern. Im Übrigen ist der Vortrag auch als Schutzbehauptung zu werten. Aus dem vom Beklagten als Anlage zum Schriftsatz vom 23. Mai 2011 beigefügten Vermerk des Landeskriminalamtes SH Soko Rocker vom 27. April 2010 (Bl. 120 der Prozessakte) ergibt sich, dass der Vereinspräsident B....... am 21. April 2010 gegenüber dem Beamten des Landeskriminalamtes seinen Rückzug vom Präsidentenamt angekündigt und am 24. April 2010 mitgeteilt habe, Peter B...... werde als Vizepräsident jetzt den Bandidos MC leiten. Hiernach hatte Peter B...... unmittelbar vor Zustellung der Verbotsverfügung innerhalb des Klägers eine Führungsposition inne. Letztlich ist die Frage, ob Peter B...... am Tage seiner Verhaftung ausgeschlossen wurde, aber unerheblich, weil - wie oben ausgeführt - hierin keine die Zurechnung hindernde zeitnahe Distanzierung läge. Die vom Beklagten im Wege des Hauptbeweisantrages beantragte Beiziehung und Verlesung des Wortlautprotokolls aus der Telekommunikationsüberwachung der Mitglieder des Klägers in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel zum Aktenzeichen 593 Js 3921/10 sowie auf „Inohrenscheinnahme“ der vorgenannten Kommunikationsvorgänge durch Abspielen der Aufzeichnungen auf der Telekommunikationsüberwachung der Mitglieder des Klägers in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft beim dem Landgericht Kiel zum Aktenzeichen 593 Js 3921/10 war deshalb abzulehnen, weil es nach allem nicht mehr darauf ankommt, ob das Mitglied Peter B...... am 27. April 2010 nicht aus dem klagenden Verein ausgeschlossen wurde.

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Auch der Tathergang vom 08. Dezember 2009, welcher zur Anklage von Peter B...... und Walter Wilhelm Alexander H...... sowie Nils H…. geführt hat (Az.: 593 Js 6498/10 - Nr. 13 der Verbotsverfügung), begründet die Strafrechtswidrigkeit des Klägers. Der Anklageschrift zufolge sollte am Abend des 08. Dezember 2009 in den Räumen der Gaststätte „T...“, ……., A-Stadt, in dem sich häufig Mitglieder des Klägers sowie der Unterstützergruppe „Contras“ aufhielten, ein Dartspiel zwischen der Heimmannschaft „Dartifanten“ und der aus Kiel stammenden Gastmannschaft „DC Other-Place“ stattfinden. Dieser Dartclub wurde nach einer gleichnamigen, insbesondere von Mitgliedern des MC Hells Angels Kiel genutzten Gaststätte benannt. Nachdem die Angeschuldigten und mehrere noch nicht ermittelte Personen von der bevorstehenden Veranstaltung Kenntnis erlangt hatten, entschlossen sie sich, gemeinsam die Gaststätte „T...“ aufzusuchen und einen der Dartspieler, nämlich den in Kiel in einem vom Präsidenten der Hells Angels betriebenen Eros-Center arbeitenden Zeugen S….…, erheblich in seiner körperlichen Integrität zu beeinträchtigen. Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend betraten die Angeschuldigten und ihre Begleiter gegen 19:45 Uhr die Räume der Gaststätte, in der sich auch schon der Zeuge St... mit seinen Mannschaftskameraden aufhielt. Absprachegemäß blieb der Angeschuldigte B...... in dem Eingangsbereich stehen, um zu verhindern, dass die Angeschuldigten H….und H...... gestört wurden. Diese beiden Angeschuldigten liefen zu dem vor einem Dartautomaten stehenden Zeugen S….. Obwohl kein rechtfertigender Anlass dafür bestand, versetzten die Angeschuldigten H...... und H..... mit Wissen und Billigung des Angeschuldigten B...... dem vollkommen arg- und wehrlosen Zeugen St... mehrere heftige Faustschläge in das Gesicht. Nachdem der Zeuge St…. auf den Boden gefallen war, traten ihn die Angeschuldigten H..... und H....... Anschließend nahm der Angeschuldigte H..... - wie von vornherein geplant - den Gürtel, der nach den Inhalt der Verbotsverfügung die Initialen „support 81“ trug, des Zeugen St..., der dieses nicht verhindern konnte, an sich. Mit diesem Gürtel schlug der Angeschuldigte H..... mehrfach in das Gesicht des am Boden liegenden Zeugen St…. Der im Gesicht stark blutende Zeuge St.…., der noch heute unter gravierenden Sehstörungen leidet, musste im …-Krankenhaus A-Stadt unter anderem wegen Nasenbeinfraktur und ausgeprägter Weichteilschwellungen im Bereich des Mittelgesichtes - insbesondere im Bereich des rechten Auges - behandelt werden.

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Auch dieser Vorgang ist nach den maßgeblichen Kriterien dem Kläger zuzuordnen und prägt seinen Charakter. Darauf, ob einer der Angeklagten deshalb verurteilt werden wird, kommt es nicht an. Der Senat hat den zum Verfahren 593 Js 6498/10 übersandten Ermittlungsakten die beim Amtsgericht A-Stadt am 30. Dezember 2010 protokollierte Zeugenaussage des damaligen Wirtes der Gaststätte T..., Horst-Dieter M…., entnommen. Dieser hat ausgesagt, so gegen zwanzig vor acht sei mit einem Liga-Dartspiel begonnen worden. Er habe nicht gewusst, um was für Personen es sich bei den Mannschaften gehandelt habe. Um 19:55 Uhr habe er aus dem Fenster geguckt und dort etliche Leute gesehen, die Kutten mit Emblemen trugen. Es seien etwa 10 Leute gewesen. Er habe sie gebeten, wegen des Spieles sich in einen anderen Raum zu setzen. Er sei von denen ziemlich schnell in Schach gehalten worden. Alexander H...... und Nils H..... hätten sich einen aus der Gruppe der Spieler geholt und ihn sofort ziemlich zusammengeschlagen. Sie hätten ihm auch den Gürtel aus der Schnalle gezogen. Das müsse wohl ein Emblem von den „Angels“ gewesen sein. Zu der Zeit habe er am Tresen gestanden und alles genau beobachten können. Er habe auch die Personen erkennen können, die er aus früheren Besuchen bei ihm gekannt habe, jedoch nicht gewusst habe, wie sie heißen. Dies habe er erst im Nachhinein erfahren. Er könne heute mit Sicherheit sagen, dass es die beiden Personen waren, die zu der Gruppe gingen, nämlich Alexander H...... und Nils H...... Sie seien gezielt auf ihr Opfer losgegangen und hätten ihn ziemlich zugerichtet. Er habe Faustschläge bekommen. Der kleine H..... habe ihm dann noch den Gürtel rausgezogen und ihn damit geschlagen. Er habe richtig durch sein Gesicht gepeitscht. Wenn sie den sehen würden, würden sie ihm so etwas nicht zutrauen. Alexander H...... sei mit Faustschlägen gegen den Kopf angefangen. Der Mann sei zu Boden gegangen. Sie hätten danach richtig Angst und Bange gehabt, dass er da versterbe. Er sei so schrecklich zugerichtet gewesen. Plötzlich seien alle wieder verschwunden. Er meine, dass Peter B...... noch ganz vorne an der Tür gewesen sei. Er könne es aber nicht hundertprozentig beschwören. Viele Leute in der Gastwirtschaft, auch die Liga-Dartmannschaften, hätten den Vorfall beobachtet. Er glaube aber kaum, dass irgendjemand aussagen werde. Sie würden alle damit nichts zu tun haben wollen. Sie hätten alle Familie und Kinder. Der Vorfall habe sich in der alten T... in der …Straße abgespielt. Aus einem weiteren Vernehmungsprotokoll vom 09. Februar 2011 ist eine Präzisierung dieser Zeugenaussage durch Horst-Dieter M…. zu entnehmen. Er sagte aus, er sei sich ganz sicher, dass Herr B...... an dem Abend in der Gastwirtschaft T... gewesen sei. Es gebe für ihn keinen Zweifel daran, dass Herr B...... dagewesen sei. Er habe aber nichts getan. Er habe am Rand gestanden und nicht mitgewirkt. Dass Peter B...... am 08. Dezember 2009 gegen 20:00 Uhr am Tatort erschien, wird durch die Ergebnisse der Überwachung seines Mobilfunkanschlusses gestützt, wonach um 19:59 Uhr in räumlicher Nähe zur Friedrichstraße 32 eine SMS mit dem Inhalt gesendet wurde: „Bin gleich da“. Fest steht auch, dass das Opfer St…. im Verlaufe des Tatherganges am 08. Dezember 2010 schwer misshandelt und verletzt worden ist. Für den Senat steht außer Zweifel, dass die Tat, welche „unter den Augen“ eines hohen Funktionsträgers des Klägers - nämlich Herrn B...... - verübt wurde im Zusammenhang mit der Rivalität der Bandidos und der Hells Angels steht und dem Kläger zuzurechnen ist und einen weiteren Beleg dafür darstellt, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider laufen.

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Gleiches gilt für den Tathergang vom 19. Februar 2010 (Nr. 15 der Verbotsverfügung; Az. der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg 108 Js 4128/10). Nach dem Ermittlungsbericht des Landeskriminalamtes Schleswig-Holstein vom 23. April 2010 überfielen gegen 19:49 Uhr am 19. Februar 2010 fünf Mitglieder der Rockergruppe Bandidos MC den Fahrer eines Pkw in Flensburg, A-Straße (Höhe …), verletzten den Fahrer mit einer Axt und beschädigten dessen Fahrzeug. Anschließend flüchteten sie in einem Fahrzeug mit Kieler Kennzeichen. Der Geschädigte Stefan K…. habe angegeben, kurz vor der Tat seinen Pkw Mercedes Benz, amtliches Kennzeichen SL - …. in Flensburg, A-Straße …. geparkt und, bekleidet mit einer dunklen Bomberjacke und einem dunklen Shirt mit einem Hells Angels-Aufdruck und einer Wollmütze das Restaurant „G... L...“ in der A-Straße ….betreten zu haben, um Nachschau zu halten, wer sich dort aufhalte. Er habe in einem Bereich des Gastraumes mehrere Mitglieder der Rockergruppe Bandidos MC bemerkt, welche er an ihren Kutten erkannt habe. Daraufhin sei er sofort umgekehrt, um zu seinem Auto zu laufen. Hierbei sei er von mehreren Bandidos verfolgt worden. Er habe sich in sein Fahrzeug flüchten und die Verriegelung betätigen können; das Fahrzeug sei jedoch nicht angesprungen. Etwa sechs bis neun Bandidos, die sich um sein Fahrzeug herum gruppiert hätten, hätten auf dieses eingeschlagen. Ein Bandido habe eine Handaxt oder ein Beil aus einer Lederhülle in die Hand genommen und mit ein bis drei Schlägen die Scheibe der Fahrertür eingeschlagen. Danach habe der Täter gezielt in Richtung seines Gesichts geschlagen, dieses jedoch nicht getroffen, weil er (der Geschädigte K…) seinen linken Arm vor das Gesicht gehalten und sich nach rechts weggeduckt habe. Die Axt habe seine linke Hand getroffen, wobei sofort Blut ausgetreten sei. Daraufhin seien die Bandidos zu ihren Fahrzeugen gelaufen, die hinter dem seinigen abgestellt gewesen seien. Dem Ermittlungsbericht zufolge gab der Geschädigte K…. weiter an, nach der Tat habe er „seine Leute“ benachrichtigt, welche auch einige Minuten später am Tatort erschienen seien. Nach einer ersten Befragung im Krankenhaus sei der Geschädigte dann nicht mehr bereit gewesen, weiter an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Die Zeugin X….. habe noch am Tattag ausgesagt, sie sei, aus Richtung Südermarkt kommend, in Begleitung einer Freundin die A-Straße entlanggegangen. Dieser sei ein dunkler Pkw Mercedes aufgefallen. Vier bis fünf Personen seien von dem Eingangsbereich des Restaurants „G... L...“ in Richtung des dunklen Mercedes gelaufen. Die Personen seien an das Fahrzeug getreten und hätten sich auf Fahrer- und Beifahrerseite verteilt. Zwei Personen hätten auf der Beifahrerseite in Richtung der Reifen herumhantiert. Sie habe aus den Bewegungen geschlossen, dass die Personen die Reifen zu zerstechen beabsichtigten und dann die Polizei verständigt. Im weiteren Verlauf habe sie hören können, dass auf der Fahrerseite Glas zerbrochen sei. Während ihres Telefonates mit der Polizei sei sie von einer Person angesprochen worden, die beobachtet haben wolle, wie die Täter in einem Pkw mit Kieler Kennzeichen gestiegen und weggefahren seien. Sie habe deshalb noch während des laufenden Telefonats das Kennzeichen KI - …..weitergegeben.

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Die Zeugin Y…. habe am 24. Februar 2010 ausgesagt, sie habe am 19. Februar 2010 gegen 19:45 Uhr in der A-Straße auf Höhe der Hausnummer …geparkt, um die dortige …-Bank aufzusuchen. Anschließend sei sie mit ihrem Fahrzeug in Richtung Südermarkt abgefahren und habe dabei beobachtet, wie fünf Personen auf dem in ihrer Fahrtrichtung gelegenen linken Bürgersteig vorbeiliefen. An vier dieser Personen habe sie auf deren Kutten deutlich den Schriftzug „Bandidos“ ablesen können, mit einem Emblem darunter, welches sie nicht näher beschreiben könne. Die Personen seien auf einen in Höhe des Dänischen Bettenlagers linksseitig abgestellten Pkw Mercedes zugelaufen, hätten sich um diesen herum gruppiert und versucht, die Türen zu öffnen. Gleichzeitig hätten sie mit Fäusten gegen die Scheiben des Fahrzeugs geschlagen. Im weiteren Verlauf der Fahrt habe sie keine weiteren Beobachtungen mehr machen können.

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Aus dem Ermittlungsbericht geht weiter hervor, dass in Bezug auf das von einer Zeugin mitgeteilte Kennzeichen KI - …. eine Ringalarmfahndung ausgelöst und als Halter dieses Fahrzeugs der Beschuldigte Thomas K....... ermittelt worden sei. Das Fahrzeug habe um 20:23 Uhr auf der BAB 7, Autobahnparkplatz „Rade“, Fahrtrichtung Süden, aufgenommen und verfolgt werden können. Um 20:46 Uhr habe es in A-Stadt in der Straße B-Straße gestoppt werden können. Die Insassen seien vorläufig festgenommen worden. Hierbei habe es sich um die Beschuldigten Thomas K......., Marco M......, Klaus Dieter W...... und Walter H...... gehandelt. Die Personen seien als Mitglieder des Bandidos MC A-Stadt bekannt gewesen und hätten entsprechende Clubkleidung getragen. Im Fahrzeug seien unter anderem ein Beil, ein Messer (Mittelkonsole) sowie ein weiteres Messer (zwischen Fahrersitz und Fahrertür) sichergestellt worden. Die Kontrolle eines etwa 300 m entfernten weiteren Fahrzeugs mit dem Kennzeichen RD - ….., welches dem polizeilich bekannten Mitglied der Bandidos MC A-Stadt, Mario S…., gehöre, habe zur Festnahme von Mario S…, Ümet G…., Grischa V….und B........ geführt. Die Festgenommenen hätten Kutten getragen. Ein Messer sei sichergestellt worden, welches rechts neben dem Beifahrersitz deponiert gewesen sei. Wegen des geschilderten Tatherganges wurde in der Folgezeit - soweit Mitglieder des Klägers betroffen sind - gegen die Beschuldigten W......, B......., M......, S…., H...... und K....... ermittelt. Das Verfahren wurde jedoch insoweit durch Verfügung vom 15. September 2011 durch die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da lediglich hinsichtlich des Beschuldigten G......, bei welchem es sich nach den Erkenntnissen der Polizei um einen Prospect-oder Probationary-Mitglied des Bandido-Chapters „Del Este“, H…, Brandenburg handele, ein hinreichender Tatverdacht (Zuordnungen seiner Blutanhaftungen zum Tatort) nachweisbar sei. Gleichwohl steht aufgrund der geschilderten Erkenntnisse, insbesondere des Umstandes, dass das Kennzeichen des Fahrzeugs des Herrn K....... von einer Zeugin mitgeteilt werden konnte, dieses Fahrzeug dann tatsächlich nach Süden in Richtung A-Stadt gefahren ist, wo es gestoppt werden konnte, sowie dem weiteren Umstand, dass sich in diesem Fahrzeug die Vereinsmitglieder K......., M......, W...... und H...... befunden haben und entsprechende Clubkleidung getragen haben, für den Senat ohne Zweifel fest, dass mehrere Mitglieder des Klägers im Zuge einer territorialen Machtbestrebungen zuzuordnenden Auseinandersetzung mit den „Hells Angels“ in Flensburg am Tathergang beteiligt waren. Auch wenn mangels gesicherter Erkenntnisse über die Gesamtzahl der Täter am Tatort für jeden einzelnen der Beschuldigten letztlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass er im Moment der Tatausführung nicht vor Ort war, geht der Senat davon aus, dass die Tat der einzelnen Mitglieder dem Willen des Vereins und insbesondere auch dem Willen des im Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen RD - …. angetroffenen Vereinspräsidenten B........ entsprach. Ferner trugen die von der Polizei nach der Tatausführung in A-Stadt festgenommenen Vereinsmitglieder die Clubkleidung des Klägers. Damit ist auch dieser Tatkomplex ein Beleg dafür, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider laufen.

60

Auf eine Wertung der einzelnen weiteren strafrechtlichen Vorwürfe kommt es nach allem nicht mehr an. Lediglich zur Abrundung sei noch angemerkt, dass das Vereinsmitglied Walter H...... durch Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 11. Juni 2010 (23 Ds 599 Js 53789/09) wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung und Sachbeschädigung, zu einer Gesamtgeldstrafe von hundert Tagessätzen verurteilt worden ist. Nach den hierzu ergangenen Feststellungen des seit dem 14. Oktober 2011 rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Kiel vom 06. Oktober 2011 (30 Ns 7/11) befand sich der Angeschuldigte am 26. Juni 2009 in der Zeit von 18:20 Uhr bis 20:15 Uhr im amtlichen Gewahrsam des 1. Polizeireviers A-Stadt, wo er in der Zelle 6 untergebracht war. Während dieser Zeit ritzte der Angeschuldigte folgende Schriftzüge in die in der Gewahrsamszelle befindliche Bank ein: „Hells Angels sind Fotzen“, „R…. du Nutte“, „Our Colors don´t Run 1 % BFFB 1 %“, „Bandidos MC 1 % A-Stadt“, „Bandidos MC“, „Club 88“ und „ACAB“, darüber hinaus ritzte er in die Bank insgesamt 6 Hakenkreuze ein.

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Auch dieser Sachverhalt hat erkennbar Vereinsbezug und ist Ausdruck eines territorialen Markierungsverhaltens. Die Feststellung, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider laufen, ist nach allem rechtlich nicht zu beanstanden. Inwieweit die bei Durchsuchungen aufgefunden Munition und Bewaffnung (Kleinkaliberpatronen und Messer), - vgl. die Darstellung des Sachverhalts zu Nr. 1 - 3 der Verbotsverfügung - und sonstige waffenrechtliche Verstöße wie zum Beispiel das Tragen eines Springmessers anlässlich der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht A-Stadt am 22. Juni 2009 durch das Vereinsmitglied B......, Ausdruck und Beleg einer systematischen Bewaffnung des Klägers sind und die einzelnen Straftaten seiner Mitglieder deshalb dem Verein zuzurechnen sind, bedarf nach allem keiner abschließenden Entscheidung mehr.

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Es bestehen auch im Übrigen keine Rechtmäßigkeitszweifel an der Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider laufen. Insbesondere bestehen keine Bedenken hinsichtlich des Verfahrens und der Entscheidungsgrundlagen der vom Beklagten als Verbotsbehörde vorgenommenen Prüfung des Vorliegens der Verbotsvoraussetzungen. Bei der Entscheidung darüber, ob die Zwecke und die Tätigkeiten eines Vereins im Sinne des in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alternative GG den Strafgesetzen zuwider laufen, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben, handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung. Die Zurechnung von Straftaten einzelner Mitglieder zum Verein auf einer unzureichenden oder falschen Tatsachengrundlage oder aufgrund einer Fehlgewichtung einzelner für die Zurechnungsentscheidung relevanter Aspekte führt für sich genommen nicht etwa zur Rechtswidrigkeit der Verbotsverfügung. Ebenso wenig handelt es sich um eine einen Abwägungsvorgang voraussetzende Entscheidung, die den Anforderungen des etwa im Planfeststellungsrecht geltenden Abwägungsgebotes genügen müsste. Dort verlangt das Abwägungsgebot zum einen, dass eine Abwägung überhaupt stattfindet, zum anderen, dass in die Abwägung Belange eingestellt werden, die nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden müssen, und schließlich, dass weder die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (vgl. dazu etwa BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 - 4 C 21.74 -, BVerwG 48, 56 63, 64). Derartige Anforderungen in verfahrensrechtlicher Hinsicht gelten im vorliegenden Vereinsverbotsverfahren nicht. Ein rechtliches Gebot zu ausschließlich eigenständiger Ermittlung und Gewichtung der Tatsachengrundlagen für die hier in Rede stehende Feststellung der Strafrechtswidrigkeit besteht nicht. § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG bietet die Grundlage dafür, dass die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen kann, wie dies vorliegend etwa durch Einbindung der im Landeskriminalamt bestehenden, über besondere Sachkunde auf dem Gebiet der sog. Rockerkriminalität verfügenden Ermittlungsstäbe sowie durch Übermittlung von Informationen seitens der Staatsanwaltschaften geschehen ist (vgl. dazu bereits Senat, Urt. v. 19 Juni 2012 - Az. 4 KS 2/10). Die Kriterien für eine Zurechnung einzelner Straftaten, welche durch Mitglieder des Vereins begangen wurden, sind - wie oben ausgeführt - in der höchstrichterlicher Rechtsprechung und in der Rechtsprechung des Senats geklärt. Ob unter Berücksichtigung dieser Kriterien einzelne Straftaten der Vereinsmitglieder den Verein prägen und deshalb seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider laufen, ist eine vom Gericht zu überprüfende Frage der Erfüllung des Tatbestandes des § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Die genannten Voraussetzungen für die getroffene Feststellung in Ziffer 1 Satz 1 der Verbotsverfügung lagen nach allem vor.

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Dagegen erweist sich die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung, dass sich der klägerische Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, als nicht hinreichend tragfähig und damit rechtswidrig. Sie ist demzufolge aufzuheben.

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Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt (BVerwG, std. Rspr., vgl. Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 13 f.; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, NVwZ-RR 2009, 803; Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwG 134, 275 f., Juris Rn. 44 f; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986). Auch das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland gehört zu der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, welche eine der Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002, a.a.O., Juris Rn. 37). Ein durch eine eigene Ordnung mit Maßnahmen der Gewaltausübung zu deren Sicherung verbundener Herrschaftsanspruch, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entgegengesetzt wird, kann eine kämpferisch-aggressive Weise der Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen, wenn etwa systematisch die Legitimität der verfassungsmäßigen Ordnung bestritten wird und Anhänger der eigenen propagierten Ordnung geschult, indoktriniert und zu Verfassungsfeinden herangezogen werden (vgl. ebd., Rn. 42).

65

In der Verbotsverfügung wie auch ergänzend durch den Vortrag des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Erfüllung dieses Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Wesentlichen mit einer Auffassung des klägerischen Vereins begründet worden, zur Durchsetzung seiner Ziele legitimerweise Gewalt anwenden zu dürfen und das staatliche Gewaltmonopol zu durchbrechen, weiterhin mit der gegen den Menschenwürdegrundsatz verstoßenden „Abstrafung“ von Abweichlern gegenüber dem Herrschaftsanspruch des Vereins. Der klägerische Verein habe den Anspruch, partiell eine eigene, an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung tretende Ordnung zu entfalten und durchzusetzen, und übe zudem über seine Mitglieder Einfluss auf außenstehende Dritte aus, um diese von einer Kooperation mit staatlichen Behörden abzuhalten. Auch aus der Einschüchterung möglicher Zeugen ergebe sich, dass der Kläger zur Durchsetzung seiner Ziele und Vorstellungen für sich in Anspruch nehme, legitimerweise Gewalt anzuwenden und somit die verfassungsmäßige Ordnung in Gestalt des aus dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip fließenden staatlichen Gewaltmonopols fortlaufend kämpferisch-aggressiv zu untergraben.

66

Für das Vorliegen des zusätzlichen Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung trägt der Beklagte die materielle Beweislast.

67

Die aus den zum Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit als tragend bzw. ergänzend angeführten strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder des Klägers, welche ihm zuzurechnen sind, belegen zwar eine Bereitschaft, Vereinsziele erforderlichenfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Eine kämpferisch-aggressive Verfolgung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteter Ziele liegt in diesen konkret beim Kläger festgestellten Verhaltensweisen jedoch nach Auffassung des Senats noch nicht. Die für den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung unerlässliche Komponente einer aktiven Bekämpfung muss sich nämlich gerade gegen die für staatliche Strukturen grundlegende Prinzipien richten. Sie liegt nicht bereits vor, wenn eine Gewaltbereitschaft gegenüber anderen privaten Personen oder Gruppierungen festgestellt wird. Andernfalls wären weite Teile der organisierten Gewaltkriminalität deckungsgleich mit Bestrebungen, die sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solch weites Verständnis des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist aus Sicht des Senates weder gerechtfertigt noch notwendig, da die in einer Gewaltanwendung liegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bereits durch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit abgedeckt wird. Vielmehr bestehen für die Feststellung des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG hohe Hürden, die über die reine Strafrechtswidrigkeit eines Vereins hinausgehen. Zu einem im Sinne der angegriffenen Verbotsverfügung weitgreifenden Verständnis dieses Verbotsgrundes veranlasst auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot des sog. „Kalifatstaates“, im Rahmen derer fachgerichtlich eine kämpferisch-aggressive Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele bejaht worden und dieses vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben war (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 02.10.2003 - 1 BvR 536/03 -, BVerfGK 2, 22, Juris Rn. 22 f.). Der in diesem Einzelfall festgestellte Anspruch des verbotenen Vereins, legitimerweise Gewalt anstelle einer staatlichen Ordnung ausüben zu dürfen, wurde höchstrichterlich auf dem Hintergrund eines betonten Selbstverständnisses des Vereins „Kalifatstaat“ gewürdigt, einen Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) unter gänzlicher Verdrängung der staatlichen Herrschaftsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland und anderen betroffenen Staaten existiert, zu errichten. Ein ähnlich weit reichender Anspruch, der mit der verfassungsmäßigen Ordnung notwendigerweise kollidiert, ist für den Kläger im vorliegenden Verfahren weder aus der Verbotsverfügung und dem sie verteidigenden Beklagtenvortrag noch aus den sonstigen beigezogenen Vorgängen ersichtlich. Der Kläger und seine Mitglieder haben vielmehr beansprucht, Auseinandersetzungen mit konkurrierenden beziehungsweise rivalisierenden Vereinigungen oder Einzelpersonen auch mit Gewalt zu führen, während sie in Bezug auf die staatliche Gewalt im Wesentlichen eine Verweigerungshaltung in Bezug auf Aussagen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entfaltet haben. Selbst aus der in einzelnen Strafverfahren festgestellten oder vermuteten Beeinflussung bzw. Einschüchterung von Zeugen lässt sich ein Herrschaftsanspruch, der die rechtsstaatliche Ordnung in maßgeblicher Weise ersetzen und damit die Verfassung aktiv-kämpferisch beseitigen wollte, noch nicht ableiten.

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Der mangelnde Nachweis hinreichender Tatsachen, die für die Verwirklichung des Verbotsgrundes nach Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG sprechen, führt zur insoweit bestehenden Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung und damit zur Teilaufhebung des Bescheides im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage. Zwar wird das Vereinsverbot in hinreichender Weise durch die Verwirklichung des in dieser Vorschrift erstgenannten Verbotsgrundes der Strafrechtswidrigkeit getragen. Der Beklagte hat die Feststellung der Verwirklichung des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung jedoch eigenständig der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers in Ziffer 1 der Verbotsverfügung zur Seite gestellt. Die ausdrückliche Feststellung des im konkreten Fall nach Auffassung der Verbotsbehörde einschlägigen Verbotsgrundes gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG im verfügenden Teil des Verbots verlangt auch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Wirksamkeitsvoraussetzung für ein auf einen oder mehrere dieser Gründe zu stützendes Verbot dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978 - I A 3.76 -, BVerwGE 55, 175, Juris Rn. 37 f.; Urt. v. 28.02.1978 - I A 9.72 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 2, Juris Rn. 49; Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, Baden-Baden 1999, S. 110). Die Feststellung des Verbotsgrundes ist als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der Vereinigungsfreiheit für das Verbot konstitutiv (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, Juris Rn. 25). Das Erfordernis der besonderen Feststellung des Verbotsgrundes oder der Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG beruht darauf, dass die rechtlichen Folgen einer Tätigkeit im Rahmen einer verbotenen Vereinigung je nach dem durch die zuständige Behörde festgestellten Verbotsgrund verschieden sind. Die gegenüber der allgemeinen Strafnorm des § 20 VereinsG bestehenden Strafverschärfungen der §§ 85, 86 und 86 a StGB für die Fortführung und weitere Unterstützung bzw. Bewerbung einer verbotenen Vereinigung hängen davon ab, ob die strafbare Tätigkeit eine Vereinigung betrifft, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die an die Feststellung des Verbotsgrundes gebundenen Strafgerichte müssen aus dem verfügenden Teil der Verbotsverfügung eindeutig ersehen können, ob die Vereinigung aus einem strafrechtlich als Qualifizierungsgrund zu bewertenden Verbotsgrund verboten worden ist (vgl. auch Grundmann, a.a.O. S. 110). Jedenfalls auch diesem Zweck dient im Übrigen die auf den verfügenden Teil beschränkte Bekanntmachung des Verbots gem. §§ 3 Abs. 4, 7 Abs. 1 VereinsG bei Erlass und erneut nach Unanfechtbarkeit des Verbots durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger und dem amtlichen Mitteilungsblatt des Landes (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978, a.a.O., Juris Rn. 40). Die Feststellung des konkreten Verbotsgrundes ist besonders bedeutsam in den Fällen, in denen die Behörde mehrere Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG angenommen hat, sich aber bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung ergibt, dass nicht alle diese Gründe vorliegen. Insbesondere in diesen Fällen muss durch die abschließende Bekanntmachung des verfügenden Teils des Vereinsverbots nach § 7 Abs. 1 VereinsG mit allseitiger Verbindlichkeit festgestellt werden, aus welchem Verbotsgrund oder welchen Verbotsgründen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der Verein verboten ist (ebd.).

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Daraus folgt, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Verbotsverfügung die Frage des Vorliegens eines Verbotsgrundes, welcher (straf-)rechtlich qualifizierende Rechtsfolgen auslösen kann, selbst dann nicht offen lassen kann, wenn es bereits festgestellt hat, dass ein anderer das Verbot mit der Folge der Auflösung des Vereins, der Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen, Forderungen und Sachen als solches vollumfänglich tragender Grund vorliegt (vgl. dagegen zum Offenbleiben der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, a.a.O., Juris Rn. 12; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, a.a.O., Juris Rn. 41 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes); Urt. v. 03.12.2004 - 6 A 10/02 -, NVwZ 2005, 1435, Juris Rn. 84; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O. Juris Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 OVG 1 A 4.09 -, NVwZ-RR 2010, 886, Juris Rn. 29; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06.52, Juris Rn. 37; dagegen das Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung bzw. den Gedanken der Völkerverständigung offen lassend: BVerwG, Beschl. v. 25.08.2009 - 6 VR 2/08 -, a.a.O. Juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.06.1997 - 1 S 1377/96 -, AuAS 1998, 19, Juris Rn. 25, 27). Ein solcher qualifizierender Verbotsgrund ist in jedem Falle das hier von dem Beklagten festgestellte Sich-Richten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

70

Die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung ist inhaltlich von den sonstigen Verfügungspunkten auch abtrennbar und somit gesondert aufhebbar (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 158 ff.). Es handelt sich hierbei um einen besonderen Verbotsgrund, der eigenständig durch in der Rechtsprechung ausgeformte Voraussetzungen ausgefüllt ist, nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem vorangestellten Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins steht und das Verbot auch im Falle einer Aufhebung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im weiteren Verlauf des Verbotsverfahrens tragen könnte.

71

Das durch die Strafgesetzwidrigkeit getragene Vereinsverbot erwiese sich auch als rechtmäßig, wenn die in Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG einzig vorgesehene grundrechtseinschränkende Maßnahme des Verbots und der Auflösung wegen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als „ultima ratio“ lediglich dann angewendet werden dürfte, wenn mildere Mittel wie partielle Betätigungsverbote, Warnungen oder die Anwendung von Straftatbeständen nicht in Betracht kämen bzw. ausgeschöpft wären (str., vgl. zum Meinungsstand Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 184 ff.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GGK, a.a.O., Art. 9 Rn. 46; Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Januar 2012, Art. 9 Rn. 114, 134; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 60). Solche Mittel wären hier angesichts der Dichte der strafrechtlichen Verfehlungen mit Vereinsbezug und der Massivität der Geschehen vom 12.09.2009, 08.12.2009, 13.01.2010 und 19.02.2010 nicht ausreichend, um der Gefahr für Leib und Leben Dritter durch ein Fortbestehen der Vereinigung zu begegnen. Strafrechtliche Mittel sind von den Ermittlungsbehörden gegenüber Mitgliedern des Klägers hinreichend ausgeschöpft worden.

72

Schließlich bestehen auch gegen die mit der Durchführung des Verbotsverfahrens verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Beklagten - auch soweit sie eine Übermittlung beziehungsweise Nutzung von Daten aus Strafverfahren und von Daten betreffen, die von Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben und gespeichert worden sind - keine Bedenken, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots auswirken könnten (vgl. Senat, Urt. v. 19.06.2012 - 4 KS 2/10 -).

73

Nachdem die in Ziffer 1 der Verbotsverfügung enthaltene Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, sich als rechtmäßig erweist, sind auch die weiteren Regelungen in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffern 2 bis 5 rechtmäßig und die Klage insoweit unbegründet. Die in Ziffer 2 verfügte Auflösung des Vereines stützt sich auf die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Untersagung jeder Vereinstätigkeit folgt unmittelbar aus dem Verbot und der Auflösung des Vereins. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Bildung von Ersatzorganisationen in Ziffer 3 des Bescheides sowie der Verbreitung und öffentlichen oder in einer Versammlung durchgeführten Verwendung seiner Kennzeichen sind die §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VereinsG. Die in Ziffer 4 der Verbotsverfügung angeordnete Vermögensbeschlagnahme und -einziehung stützt sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG, wobei ein Ausnahmefall zur gesetzlich vorgesehenen Regel nicht vorliegt. Die in Ziffer 5 der Verfügung angeordnete Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch ihre Überlassung an den Verein dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeit vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung diese Zwecke und Tätigkeit bestimmt sind, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Soweit die hinsichtlich der Ziffern 2 bis 5 bestehenden Rechtsgrundlagen als tatbestandliche Voraussetzung auf „verfassungswidrige Bestrebungen“ des Vereins verweisen, sind damit - anders als es die Ähnlichkeit dieses Tatbestandsmerkmales zum Wortlaut des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nahelegen könnte - sämtliche in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten Verbotsgründe abgedeckt. Dies folgt zum einen aus dem besonderen Hinweis auf Art. 9 Abs. 2 GG, der in § 8 Abs. 1 VereinsG enthalten ist und damit (allerdings in sprachlich wenig stringenter Form) auf eine tatbestandliche Öffnung über die verfassungsmäßige Ordnung im engeren Sinne hinaus auch für die beiden in Art. 9 Abs. 2 GG bereits genannten weiteren Verbotsgründe verweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.09.1995 - 1 VR 2.95 -, NVwZ 1997, 68 f. Juris Rn. 18). Zum anderen findet sich ein maßgeblicher Hinweis auf eine erweiternde Auslegung der Rechtsgrundlagen für die genannten Folgerungen eines Vereinsverbotes in der Entwurfsbegründung zum Vereinsgesetz, wo es heißt: „ Unter „verfassungswidrigen“ Bestrebungen im Sinne des § 8 Abs. 1 sind, wie aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen zu verstehen.“ (BT-Dr. IV/430, S. 18). Im Übrigen ließe sich auch kein inhaltlich tragfähiger Gesichtspunkt für eine Differenzierung zwischen den drei Verbotsgründen im Hinblick auf die Möglichkeit der Einziehung von Sachen Dritter, des Verbots der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Einziehung von Forderungen Dritter (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), wo der Begriff der verfassungswidrigen Bestrebungen ebenfalls verwendet wird, denken. So ist es Sinn des Verbotes der Bildung von Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG, die Schaffung eines funktionellen Ersatzes für die von der Verfassung als gefährlich und daher verboten erkannten Bestrebungen zu unterbinden (vgl. nur Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, a.a.O. S. 157 f.). Außerdem hat der Gesetzgeber in den entsprechenden Regelungen, die verfassungswidrige Bestrebungen nennen, gerade nicht ausdrücklich den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgegriffen, sondern hat ersichtlich versucht, einen übergreifenden Begriff für verbotsbegründende „Zwecke“, „Tätigkeit“ und „Sich-Richten“ zu finden. Im Ergebnis besteht daher auch in der Literatur (vgl. Grundmann, a.a.O.; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O. S. 196 Rn. 791; zur Gleichsetzung des Verbotsgründe in Art. 8 Abs. 2 GG vgl. auch Planker, Das Vereinsverbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG/§ 3 ff. Vereinsgesetz, Bonn 1994, S. 118) und in der Rechtsprechung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2012 - 1 S 2823/11 -, Juris Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89.83 -, BVerwGE 80, 299 f. Juris Rn. 82) Einigkeit, dass die Rechtsgrundlagen der §§ 3 Satz 2, 8 bis 12 Vereinsgesetz auf sämtliche verboten Vereine angewandt werden können, ganz gleich, welcher der drei Verbotsgründe vorliegt.

74

Die Klage war daher im tenorierten Umfang abzuweisen.

75

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat hat das Unterliegen des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung des Sich- Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung mit 1/4 der anfallenden Kosten bemessen, da die weiteren Rechtsfolgen des Vereinsverbotes selbstständig durch den tragfähigen Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des klägerischen Vereins begründet werden.

76

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

77

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 132 Abs. 2 VwGO hierfür nicht vorliegen.


(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein im Jahr 1990 unter dem Namen Die Heimattreue Jugend (DHJ) - Bund für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V. gegründeter eingetragener Verein mit Sitz in Plön. Er hat ca. vierhundert Mitglieder. Seinen jetzigen Namen Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt, Heimat e.V. führt er seit dem Jahr 2001. Nach § 3 seiner Vereinssatzung sieht er seinen Zweck in der Förderung der geistigen, charakterlichen und körperlichen Entwicklung der männlichen und weiblichen Jugend, des Jugendsports und der Jugendbildung. Er will danach die Jugend zu dem Nächsten hilfreichen, der Heimat und dem Vaterland treuen und dem Gedanken der Völkerverständigung aufgeschlossenen Staatsbürgern heranbilden und gibt ein Bekenntnis zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ab. Der Kläger führt Jugendlager, Jugendfahrten sowie Sport- und sog. Bildungsveranstaltungen durch. Er gibt unter anderem die Vereinszeitschrift "Funkenflug" heraus, die vierteljährlich mit einer Auflage von ca. 600 Exemplaren erscheint. Nach § 14 der Vereinssatzung ist der Kläger in sog. Leitstellen untergliedert, diese gliedern sich in sog. Einheiten.

2

Das Bundesministerium des Innern stellte ohne vorherige Anhörung des Klägers durch Verfügung vom 9. März 2009 fest, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe. Er wurde verboten und aufgelöst. Ferner wurde verboten, Ersatzorganisationen für den Kläger zu bilden, bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen und Kennzeichen des Klägers zu verwenden. Das Vermögen des Klägers sowie näher typisierte Sachen und Forderungen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen. Mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen wurde die Verfügung für sofort vollziehbar erklärt.

3

Zur Begründung des Vereinsverbotes führte das Bundesministerium des Innern aus: Der Kläger richte sich im Sinne des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Seine in der Satzung formulierten Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seien nur Fassade. Er habe eine dem Nationalsozialismus wesensverwandte Ideologie. Seine eigentliche Zielsetzung sei die Heranbildung einer neonazistischen Elite. Hierzu nehme er Einfluss auf Kinder und Jugendliche durch Verbreitung völkischer, rassistischer, nationalistischer und nationalsozialistischer Ansichten im Rahmen vorgeblich unpolitischer Freizeitangebote. Der Kläger lehne das politische System des Grundgesetzes und die von ihm garantierte freiheitliche demokratische Grundordnung ab, bekenne sich zum historischen Nationalsozialismus und propagiere Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Zudem liefen die Zwecke und Tätigkeiten des Klägers den Strafgesetzen zuwider, so dass auch der Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG eingreife. Funktionäre und Mitglieder des Klägers erfüllten den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis d StGB, verwendeten in einer nach §§ 86, 86a StGB strafbaren Weise Propagandamittel und Kennzeichen aus der Zeit des Nationalsozialismus und verstießen durch öffentliches Auftreten in ihrer sog. Kluft gegen das nach § 28 VersammlG strafbewehrte Uniformverbot aus § 3 Abs. 1 VersammlG. Sämtliche Straftaten seien dem Kläger zuzurechnen und prägten seinen Charakter.

4

Gegen die am 31. März 2009 zugestellte Verbotsverfügung hat der Kläger am 28. April 2009 Anfechtungsklage erhoben. Am 30. April 2009 hat er um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 11. August 2009 - BVerwG 6 VR 2.09 - (Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 51) abgelehnt.

5

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor, die Verbotsverfügung sei bereits aus formell-rechtlichen Gründen rechtswidrig, weil die Beklagte sie nicht ohne vorherige Anhörung habe erlassen dürfen. Materiell-rechtlich seien die von der Beklagten angenommenen Verbotsgründe der Verfassungs- und der Strafgesetzwidrigkeit nicht erfüllt.

6

Der Kläger beantragt,

die Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 9. März 2009 aufzuheben.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie verteidigt die angefochtene Verfügung mit ergänzenden Ausführungen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage ist unbegründet. Das von dem Bundesministerium des Innern unter dem 9. März 2009 verfügte Vereinsverbot (1.) sowie seine gegen den Kläger gerichteten Nebenentscheidungen (2.) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

10

1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Verbotsverfügung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz - VereinsG) vom 5. August 1964 (BGBl I S. 593), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3198), i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG. Danach darf ein Verein erst dann als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die Verbotsverfügung ist formell (a)) und materiell (b)) rechtmäßig ergangen.

11

a) Die Verfügung leidet nicht an formell-rechtlichen Mängeln. Insbesondere konnte das gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG zuständige Bundesministerium des Innern vor ihrem Erlass von einer Anhörung des Klägers absehen. Zwar ist nach § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Jedoch kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vereinsrecht (Urteil vom 13. April 1999 - BVerwG 1 A 3.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30 S. 3, Beschluss vom 10. Januar 2003 - BVerwG 6 VR 13.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 38 S. 61, Urteile vom 3. Dezember 2004 - BVerwG 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 78 und vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50 Rn. 13) genügt es, dass die Verbotsbehörde unter diesen Gesichtspunkten auf Grund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Das Bundesministerium des Innern hat nach der Begründung der angefochtenen Verfügung von einer Anhörung des Klägers deshalb abgesehen, weil es die mit einer solchen Maßnahme verbundene Unterrichtung des Klägers über den bevorstehenden Eingriff vermeiden und ihm so keine Gelegenheit bieten wollte, seine Infrastruktur, sein Vermögen und verbotsrelevante Unterlagen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Dieses Bestreben, der Verbotsverfügung eine möglichst große Wirksamkeit zu verleihen, ging nicht ins Leere, obwohl bereits vor Erlass der Verfügung in der Öffentlichkeit und im Deutschen Bundestag (vgl. BTDrucks 16/6040, 16/6101, 16/8601, 16/10442 und 16/11581) ein Verbot des Klägers gefordert worden war und Durchsuchungen und Beschlagnahmen nach § 4 Abs. 4 VereinsG stattgefunden hatten. Die Beklagte verweist entgegen der Ansicht des Klägers zu Recht darauf, dass diesen im zeitlich nicht genau zu bestimmenden Vorlauf eines etwaigen Vereinsverbots angesiedelten Erörterungen und Handlungen nicht der gleiche Ankündigungseffekt zukommen konnte, wie ihn eine Anhörung im Rahmen des konkreten Verbotsverfahrens zwangsläufig haben musste (vgl. in diesem Sinne allgemein: Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O. S. 62, Urteil vom 5. August 2009 a.a.O. S. 278 bzw. Rn. 13).

12

b) Das Verbot erweist sich auch in der Sache als rechtmäßig. Das Bundesministerium des Innern hat es zu Recht darauf gestützt, die Zwecke und Tätigkeit des Klägers richten sich im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Ob der Kläger daneben auch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG erfüllt, kann offenbleiben.

13

aa) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (Urteil vom 13. Mai 1986 - BVerwG 1 A 12.82 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 8 S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 - BVerwG 1 ER 301.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 14 S. 36 und vom 21. April 1995 - BVerwG 1 VR 9.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 21 S. 42, Urteil vom 30. August 1995 - BVerwG 1 A 14.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 22 S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 - BVerwG 1 VR 1.95 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 24 S. 72 f., Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 - BVerwG 1 A 13.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 28 S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will; sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen (Urteile vom 2. Dezember 1980 - BVerwG 1 A 3.80 - BVerwGE 61, 218 <220> = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 6 S. 51 f. und vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 6, Beschlüsse vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42 und vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Eine zum Verbot führende Zielrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist ohne Weiteres dann zu bejahen, wenn eine Vereinigung in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweist. Dieser vom Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 - 1 BvB 1/51 - BVerfGE 2, 1 <69 f.>) anlässlich des Verbotes der Sozialistischen Reichspartei zu Art. 21 Abs. 2 GG entwickelte Grundsatz gilt in gleicher Weise für ein Vereinsverbot, weil jedenfalls eine die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erstrebende Zielrichtung im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet ist. Wenn eine Vereinigung sich zur ehemaligen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und zu deren maßgeblichen Funktionsträgern bekennt und die demokratische Staatsform verächtlich macht, eine mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unvereinbare Rassenlehre propagiert und eine entsprechende Überwindung der verfassungsmäßigen Ordnung anstrebt, richtet sie sich gegen die elementaren Verfassungsgrundsätze und erfüllt damit den Verbotstatbestand (Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 a.a.O. S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44).

14

Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen (Urteil vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 f. und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 58, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45). Wird eine Publikation, die keinen offenen Markt der Meinungen darstellt (vgl. dazu: BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <83 f.>), im Auftrag einer Vereinsleitung herausgegeben, sind die dort erschienenen Beiträge in aller Regel der jeweiligen Vereinigung zuzuschreiben. Etwas anderes kommt in einer solchen Konstellation nur dann in Betracht, wenn es sich - wie beispielsweise bei Leserbriefen - um ersichtlich individuelle Meinungsäußerungen handelt und die Vereinigung derartige Äußerungen missbilligt oder sich jedenfalls von ihnen distanziert (Beschluss vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 f. und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 40, 45). Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt. Der Umstand, dass diese Belege gegebenenfalls einer mehr oder weniger großen Zahl unverfänglicher Sachverhalte scheinbar untergeordnet sind, besagt allein nichts über ihre Aussagekraft (Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 5 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45; im gleichen Sinn für Art. 21 Abs. 2 GG: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 21).

15

Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Kläger um einen verfassungswidrigen Verein, weil er nach seiner Programmatik, seiner Vorstellungswelt und seinem Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, insbesondere mit der früheren Hitlerjugend als einer Teilorganisation der ehemaligen NSDAP aufweist und das Bundesministerium des Innern deshalb die in der Satzung des Klägers enthaltenen Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit, zum Gedanken der Völkerverständigung und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu Recht als bloße Fassade bewertet hat.

16

Dies ergibt sich aus strafrichterlichen Feststellungen über Aktivitäten von Mitgliedern des Klägers, aus dem Senat vorliegenden Materialien für von dem Kläger zu verantwortende Veranstaltungen und aus schriftlichen Äußerungen, die dem Kläger zuzurechnen sind, weil sie von in ihren Funktionen herausgehobenen Mitgliedern stammen oder in Publikationen des Klägers - insbesondere in der Vereinszeitschrift "Funkenflug" (im Folgenden: FF) - veröffentlicht worden sind. Der von dem Kläger erhobene Einwand, diese Zeitschrift habe einen offenen Markt der Meinungen eröffnet, so dass ihm die dort veröffentlichten Artikel von nicht der Redaktion angehörenden Autoren nicht zugerechnet werden könnten, geht fehl. Dass die Zeitschrift mit einem für verschiedene Meinungen offenen Diskussionsforum nichts gemein hat, sondern vollständig auf die Ziele der Vereinsführung ausgerichtet ist, zeigt die Beschreibung, die der Vorsitzende des Klägers - nach § 12 der Vereinssatzung als "1. Bundesführer" bezeichnet - in einem an Vereinsmitglieder mit Leitungsfunktionen gerichteten "Führerrundbrief 2/04" (von der Beklagten vorgelegte Anlage - im Folgenden: Anl. - 4) über die Redaktionsarbeit abgegeben hat. Danach wird "je nach Ausgewogenheit" zentral entschieden, in welcher Ausgabe ein Beitrag erscheinen oder ob er anderweitig genutzt werden soll. Entsprechend hat der Vorsitzende des Klägers in der mündlichen Verhandlung bekundet, er stehe hinter jedem Satz, der im "Funkenflug" veröffentlicht worden sei.

17

bb) Der Kläger propagiert eine Vorbildfunktion des Nationalsozialismus und seiner Organisationen und offenbart dabei eine der Wiedererrichtung der nationalsozialistischen Herrschaft verhaftete Vorstellungswelt.

18

(1) Propaganda für die nationalsozialistische Herrschaft als Ganzes enthält beispielhaft der Artikel "Wo stehen wir?" (Paul, FF Nr. 2/2005, S. 14, Anl. 84). In ihm wird der Beginn dieser Diktatur, der 30. Januar 1933, mit eindeutig positiver Einschätzung als "Ausgangspunkt einer der größten Wendungen, die die Geschichte des deutschen Volkes kennt" beschrieben und das nach "Zurückgewinnung des Saarlandes, Österreichs, Sudetendeutschlands, und der Inschutzstellung Böhmen und Mährens ... neu entstandene Großdeutschland" gepriesen.

19

Der Kläger sucht die hierin liegende Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes vergeblich durch den Einwand zu relativieren, es handele sich um eine wertneutrale Feststellung. Ebenso geht es fehl, wenn er geltend macht, die Äußerung stehe, selbst wenn sie eine positive Einschätzung enthalte, nicht in der Nähe zum Nationalsozialismus, und hierzu ausführt, in der Vergangenheit habe es für jeden Staat eine positive Wendung seiner Geschicke dargestellt, wenn er sein Gebiet habe vergrößern können, im Jahr 1935 hätten über 90 Prozent und im Jahr 1938 über 99 Prozent der Stimmberechtigten für den "Anschluss" des Saarlandes bzw. Österreichs an das sog. Dritte Reich gestimmt und auch Joachim C. Fest habe geäußert, dass Hitler im Fall seines Abtritts alsbald nach Vollendung dieser Gebietsgewinne als der größte deutsche Staatsmann in die Geschichte eingegangen wäre.

20

Der Kläger bedient sich mit diesen Äußerungen eines bekannten Argumentationsmittels, das darin besteht, eine Aussage aus einem anderweitigen, nicht negativ besetzten historischen oder anerkannten wissenschaftlichen Zusammenhang zu entnehmen, diese mit einer dem Wortlaut, aber nicht dem Sinn nach übereinstimmenden positiven Aussage zum Nationalsozialismus gleichzusetzen und dann zu schlussfolgern, dass diese nicht missbilligt werden dürfe, wenn dies mit jener nicht gleichermaßen geschehe. Diese Art der Auseinandersetzung bleibt rein formal und missdeutet deshalb inhaltlich die historischen Tatsachen. Der Kläger setzt bei seinem Rechtfertigungsversuch überdies den in Rede stehenden, trotz Kenntnis des gesamten historischen Verlaufs der nationalsozialistischen Herrschaft geschriebenen Artikel in unzulässiger Weise in Beziehung zu tatsächlichen Umständen aus der Anfangszeit des Regimes und hierauf bezogenen Meinungen.

21

(2) Kennzeichnend für den Kläger ist sein Bekenntnis zur sog. Volksgemeinschaft. Sie stellt einen Kernbegriff der nationalsozialistischen Ideologie dar, der nicht nur die Ablehnung einer pluralistischen Gesellschaft und die bedingungslose Unterordnung des Einzelnen, sondern insbesondere auch die Ausgrenzung als "volksschädlich" und "volksfremd" definierter Personen zum Ausdruck bringt. Die Volksgemeinschaft, so heißt es in dem von dem Kläger herausgegebenen "Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit" (Anl. 38, S. 4), sei "die höchste Form völkischen Zusammenlebens" und habe "oberstes Ziel der Politik" zu sein. "Volksfremde" könnten in einer solchen Gemeinschaftsform "keinen Platz finden". Das Volk werde "durch einen zu hohen Anteil an Fremdvölkischen in seiner biologischen Existenz bedroht".

22

Auch im Hinblick auf diese programmatische Aussage schlägt der von dem Kläger mit Hilfe des soeben beschriebenen Argumentationsmittels unternommene Versuch einer Relativierung fehl. Wenn der Begriff der Volksgemeinschaft, wie der Kläger geltend macht, von der romantisch geprägten Jugendbewegung des Wandervogels oder von dem Sozialdemokraten Otto Wels verwandt wurde, geschah dies nicht mit dem von dem Kläger gebrauchten, insbesondere durch den unverkennbaren Bezug auf den nationalsozialistischen Rassegedanken deutlich werdenden nationalsozialistischen Inhalt des Begriffs (vgl. zur Unterscheidung auch: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 20). Um diesen Gedanken und nicht etwa, wie der Kläger glauben machen will, um eine Kritik an der in Deutschland verfolgten Einwanderungspolitik oder um eine Anlehnung an näher bezeichnete Forschungen geht es bei der von ihm befürchteten Bedrohung der "biologischen Existenz" des (deutschen) Volkes durch "Fremdvölkische( )".

23

(3) Dass der Kläger die Waffen-SS als vorbildhafte Organisation ansieht, der es auch in dem von ihm nicht akzeptierten demokratischen Rechtsstaat die Treue zu halten gilt, ergibt sich aus einer Sentenz, die in dem von dem Vorsitzenden des Klägers verfassten "Führerrundbrief 02/07" (Anl. 73) enthalten ist: "Die letzten Wochen haben gezeigt, dass sich der Staat voll auf uns eingeschossen hat. ... Wir können nicht schwülstige Reden und Feiern halten, in denen wir die Wehrmacht und Waffen SS beschwören und den toten Helden unserer Geschichte die Hand reichen, wenn wir beim leisesten Blätterhauch die 'Sinnfrage' stellen und verunsichert stillsitzen."

24

Der Vortrag des Klägers, in diesem Text werde nicht die Waffen-SS beschworen, sondern Kritik an einem solchen Tun geübt, hat ersichtlich keine tragfähige Grundlage.

25

(4) Besonders verbunden fühlt sich der Kläger der früheren Hitlerjugend, in deren Nachfolge er sich sieht. Dieser Jugendorganisation des nationalsozialistischen Staates nachzueifern, fordert Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, in dem Artikel "Jugendbewegung, woher und wohin?" (Ragnar, FF Nr. 1/2006, S. 16, Anl. 71) mit den Worten auf: "... die gesamtdeutsche Jugend (war) nun endlich wieder geeint. Fern von Standesdünkel und Einzelinteressen trat schon früh das Bewußtsein auf, daß hier das Deutschland von morgen marschierte. ... Nun war also die Brücke von der Vergangenheit zur Zukunft geschlagen und die Jugend ein zwar eigenständiger, aber doch fest eingefügter Bestandteil der Volksgemeinschaft. ... Doch aus dem neuen sittlich hochstehenden, untadeligen und uneigennützigen Menschen wurde nichts mehr. Die letzten Reste des großen Traumes gingen 1945 in den Trümmern der Reichshauptstadt unter. ... Doch auch wenn das Reich am Boden lag, schlug der Lebensbaum unseres Volkes erneut seine Triebe aus und wiederum schloß sich volkstreue Jugend zusammen ... (Sie stellt) trotz aller vermeintlichen zahlenmäßigen Schwäche das lebendige Bindeglied in die Zukunft dar. ... Wenn unsere Jugend wieder zur Bewegung werden soll, um einst das Ruder herumzureißen, dann muß sie in die Mitte des Volkes hinein."

26

Der Einwand des Klägers, dieser Artikel lobe nicht die ehemalige Hitlerjugend, sondern zolle insbesondere der bündischen Jugend Respekt, in deren Tradition er sich sehe, geht fehl. Denn es ist die Hitlerjugend, die als Überwindung der zuvor bestehenden Vielfalt und als ideale Form der Jugendorganisation im Rahmen der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft dargestellt wird.

27

In dieselbe Richtung geht ein von dem Vorsitzenden des Klägers veröffentlichter Beitrag mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/ 2005, S. 13, Anl. 21), in dem es heißt: "Wir brauchen eine Jugend, die hart ist. Wir brauchen eine Jugend, die an unser Volk glaubt und bereit ist, für diesen Glauben alles zu opfern. Wir brauchen Kameraden, die treu sind und sich einem gemeinsamen Willen unterordnen. Wir brauchen Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer."

28

Es kann den Kläger nicht entlasten, dass er sich darauf beruft, dieser Artikel stamme nicht von seinem Vorsitzenden, sondern von einem anderen Autor und sei unbeanstandet bereits in einer Ausgabe der Zeitschrift "Der Trommler" aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erschienen. Entscheidend ist, dass der Text seinem Sinn nach eine Verherrlichung der ehemaligen Hitlerjugend darstellt und dass ihn sich der Vorsitzende des Klägers durch Veröffentlichung in der Vereinszeitschrift mit Wirkung für den Kläger zu eigen gemacht hat.

29

Einen vergleichbaren Inhalt hat ein Entwurf, der auf dem Rechner des Vorsitzenden des Klägers aufgefunden wurde (Anl. 70) und folgende Sätze enthält: "Wir wollen keine brd Kinder in unseren Bund holen. ... Wir wollen die, die das Bekenntnis zu Deutschland hinter sich gebracht haben. ... Es gibt nichts dankbareres, nichts Fanatischeres als eine geführte Jugend. Nicht umsonst hat die HJ in den letzten Kriegstagen unseren Feinden das Fürchten gelehrt."

30

Die schriftsätzlich erhobene Behauptung des Klägers, sein Vorsitzender könne nicht sagen, von wem und zu welchem Zweck diese Textdatei erstellt worden sei, hat sich in der mündlichen Verhandlung als obsolet erwiesen. Denn der Vereinsvorsitzende hat ausgeführt, er allein entscheide, was er für richtig halte und auf seinem Rechner abspeichere. Allerdings haben sich sowohl der Kläger als auch sein Vorsitzender dahingehend eingelassen, der Text habe keinen Eingang in die Vereinsarbeit gefunden und könne deshalb dem Kläger nicht zugerechnet werden. Der Senat kann jedoch Texte berücksichtigen, die der Vereinsvorsitzende verfasst oder unter Billigung des Inhalts abgespeichert hat, unabhängig davon, ob dies im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Kläger stand. Denn auf die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele eines Vereins kann nach den dargestellten allgemeinen Maßstäben unter anderem von einer entsprechenden Grundeinstellung seiner Funktionsträger her geschlossen werden, so dass es insoweit eine trennscharfe Unterscheidung zwischen einer rein privaten und einer dem Verein zuzurechnenden Sphäre nicht geben kann. Dementsprechend sind Texte und Äußerungen, die von leitenden Mitgliedern eines Vereins stammen oder deren Inhalt von diesen Mitgliedern erkennbar befürwortet wird, dem Verein auch dann zuzurechnen, wenn sie als solche nicht für die Vereinstätigkeit erstellt oder in ihr verwandt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen des Vereins handeln. Danach ist eine Zurechnung insbesondere dann gerechtfertigt, wenn ein solcher Text - wie dies hier der Fall ist - inhaltlich auf einer Linie mit anderen Beiträgen liegt, die dem Verein eindeutig zugeordnet werden können.

31

cc) Der Kläger bekennt sich überdies zu maßgeblichen Repräsentanten des Nationalsozialismus und will eine positive Erinnerung an diese vermitteln. Dabei werden Anklänge an den nationalsozialistischen Helden- und Märtyrerkult deutlich.

32

In einem mit "Heldengedenken 01.08" überschriebenen Text (Anl. 26), der sich unter den elektronischen Dokumenten befindet, die bei Martin G..., dem sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, aufgefunden wurden, wird Adolf Hitler glorifiziert. Dort heißt es: "Auch der junge Hitler reifte auf diesen Schlachtfeldern (des Ersten Weltkrieges) zu dem Mann, welcher später Deutschlands Schicksal in seinen Händen halten sollte. Er, selbst als Soldat vom heldischen Epos durchdrungen, führte sein Volk zur Freiheit und stellte das heldische-soldatische Ideal als Leitbild vor die ganze Nation." Eine vergleichbare Wertschätzung bringt Holle B..., ein "Bundesführerin der Mädchen" genanntes Vorstandsmitglied des Klägers, Rudolf Heß entgegen. In einem sichergestellten handschriftlich verfassten Lebenslauf bezeichnet sie ihn als "Märtyrer des Friedens"; im Jahr 1987 habe seine "Ermordung in Spandau" stattgefunden (Anl. 27).

33

Der Kläger kann die Berücksichtigung dieser Dokumente auch hier nicht dadurch verhindern, dass er sich von ihnen distanziert und geltend macht, sie hätten, da sie unabhängig von einer Vereinstätigkeit erstellt und für diese nicht benutzt worden seien, einen rein privaten Charakter. Denn in jedem Fall kommt in ihnen die dem Nationalsozialismus verhaftete Grundeinstellung von Mitgliedern der Leitungsebene des Klägers zum Ausdruck, die ihrerseits den Nährboden für die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele des Vereins bildet.

34

dd) Der Kläger bringt seine Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus ferner dadurch zum Ausdruck, dass er nationalsozialistisch geprägte Begriffe übernimmt.

35

Den Begriff "Führer" verwendet der Kläger in jeder nur denkbaren Hinsicht. Dies gilt insbesondere für die von ihm innerhalb seines streng hierarchischen Aufbaues zu vergebenden Funktionen bzw. Dienstgrade ("Bundesführer", "Bundesführerin der Mädchen", "Zweiter Bundesführer", "Leitstellenführer", "Einheitsführer", "Unterführer") und Dienstränge ("Führer vom Dienst", "Wachführer vom Dienst", "Zeltführer/Stubenführer") sowie für seine Publikationen ("Führerrundbrief", "Führerhandbuch" ). Als Grußformel gegenüber sog. "Führern" und "Unterführern" schreibt der Kläger seinen Mitgliedern die Worte "Heil Dir!" oder "Heil Euch!" vor (Interne Arbeitsschrift, Wegweiser, Gestalt und Erscheinungsbild, Anl. 40, S. 16). Die jüngeren Veranstaltungsteilnehmer nennt er "Pimpfe" (Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit, Anl. 38, S. 93; Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin, Anl. 15, S. 5).

36

Wenn der Kläger einwendet, dass der Begriff des Führers in vielerlei Zusammenhängen, etwa für leitende Personen in einer Organisation, für themenbezogene Nachschlagewerke, für Begleitpersonen oder für Fahrer von Kraftfahrzeugen und Lokomotiven verwandt werde und auch in der bündischen Jugend sowie in Pfadfinderkreisen verbreitet sei, ist dies richtig, nimmt der hier in Rede stehenden Verwendung aber nichts von ihrem an die Führerideologie der Nationalsozialisten angelehnten Sinngehalt. Ebenso wenig vermag der Verweis auf die Bedeutung und anderweitige Verwendung des Wortes "Heil" den Zusammenhang der Grußformel "Heil Dir/Euch!" mit dem sog. Hitlergruß aufzulösen. Auch der Begriff "Pimpf" ist ersichtlich auf den Sprachgebrauch der ehemaligen Hitlerjugend bezogen.

37

ee) Der Kläger ist darüber hinaus rassistisch ausgerichtet sowie der sog. Blut-und-Boden-Ideologie und der Rassenlehre der Nationalsozialisten verhaftet, wie sie exemplarisch in der Präambel des als Teil der Nürnberger Rassegesetze verkündeten sog. Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935 (RGBl. I 1935, S. 1146) mit den Worten zusammengefasst ist: "Durchdrungen von der Erkenntnis, daß die Reinheit des deutschen Blutes die Voraussetzung für den Fortbestand des Deutschen Volkes ist, und beseelt von dem unbeugsamen Willen, die Deutsche Nation für alle Zukunft zu sichern ..."

38

(1) Durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 (Az.:(502) 81 Js 405/08 KIs (37/09)) sind der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar D..., und zwei weitere Vereinsmitglieder, Christian F... und Daniela K..., als Mittäter bzw. als Gehilfin unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Den Sachverhalt, der dem Strafausspruch zu Grunde liegt, haben die Verurteilten in dem Strafverfahren eingeräumt. Er kann deshalb von dem Senat berücksichtigt werden, obwohl das Strafurteil im Hinblick auf Ragnar D... und Daniela K... noch keine Rechtskraft erlangt hat. Danach führte Ragnar D... am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte unter Mitwirkung der beiden anderen Vereinsmitglieder eine sog. "Rasseschulung" für dreißig bis vierzig Personen - darunter zwei Minderjährige - durch. Er hielt einen Vortrag mitsamt Powerpoint-Präsentation zu dem Thema "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", in dem er sich auf rassenideologische Literatur aus der Zeit des Nationalsozialismus stützte sowie unter anderem vor der "Durchmischung" von menschlichen Rassen warnte und verschiedene Volksgruppen ins Lächerliche zog. Unmittelbar im Anschluss an seinen Vortrag stellte er seinen Laptop und seinen Beamer für die Vorführung des nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude" zur Verfügung. Die Powerpoint-Präsentation und eine Kopie des genannten Films - wenn auch nicht die für die Aufführung in Georgsmarienhütte verwandte - wurden später bei Ragnar D... beschlagnahmt.

39

Diese sog. "Rasseschulung" ist dem Kläger entgegen seiner Ansicht ungeachtet des Umstandes zuzurechnen, dass sie in einer von der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) genutzten Liegenschaft stattfand. Denn entscheidend ist, dass sie allein von Mitgliedern des Klägers - darunter eines mit einer Leitungsfunktion - organisiert und durchgeführt wurde und der Kläger selbst "Rasseschulungen" abhält.

40

(2) Über diesen festgestellten Fall hinaus wurden nämlich zur Überzeugung des Senats unter der Verantwortung des Klägers systematisch "Rasseschulungen" durchgeführt. So wurden Schulungsunterlagen über die "Biologische(n) Grundlagen unserer Weltanschauung" bei vier Mitgliedern des Klägers aufgefunden (Anl. 111 bis 114). In diesen Unterlagen wird ausgeführt: "In unserem Erbgut liegt der Schlüssel zum Fortbestehen des deutschen Volkes. Du bist Glied, nicht das Ende einer langen Kette, die sich von Deinen Urahnen bis zu Deinen Urenkeln erstreckt. Bewahre Dein Erbe und reiche es unversehrt weiter!" Ähnliches Gedankengut findet sich in dem "Volk und Sprache" überschriebenen Text (Anl. 109), der Teil eines Ordners mit Schulungsunterlagen ist, der bei Dietlind N..., der sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, beschlagnahmt wurde. Dort heißt es: "Grundpfeiler unserer Weltanschauung (sind) Volk = Blut + Lebensraum + Sprache + Kultur + Geschichte ... Wird das Blut ... durch fremdrassige Einschläge zerstört, so wird das Volk aus seinem innersten Kern heraus zugrunde gehen. Diese Zusammenhänge dürfen nicht in Vergessenheit geraten, um das Fortbestehen des deutschen Volkes zu sichern." Die ebenfalls bei Dietlind N... aufgefundene Schrift "Osterlager 2006 - Beitrag der großen Mädchen zum Bunten Abend -" (Anl. 110) enthält die Passage: "Halte dein Blut rein! ... es ist von tausend Ahnen schwer und alle Zukunft fließt darin." Der Erfolg der Vermittlung dieser Rassenideologie wird, wie bei Vereinsmitgliedern sichergestellte "Prüfungsbögen" (Anl. 76 bis 78, 124 und 125) belegen, in Form von Fragen zu "Biologie und Rassenkunde" überprüft.

41

Der Sinn der aufgeführten und der im Folgenden erwähnten Texte erschließt sich unmittelbar, so dass der Einwand des Klägers, sie ließen einen diskriminierenden Rassismus nicht erkennen, ins Leere geht. Sie knüpfen bis in die identische Wortwahl hinein nahtlos an die rassistische Ideologie der Nationalsozialisten an, wie sie in der erwähnten Präambel des sog. "Blutschutzgesetzes" formuliert ist.

42

(3) Die Blut und Boden- und Rassenideologie hat zudem in einer Reihe von Beiträgen in Publikationen des Klägers ihren Niederschlag gefunden. In einem Artikel in der Vereinszeitschrift über "Erntedank im Volksbrauch" (Eric, FF Nr. 3/2003, S. 5, Anl. 33) wird folgende Betrachtung angestellt: "Wer dankt, ordnet sich nicht unter, sondern ein in den ewigen Kreislauf der Natur. ... Dies ist der Ausdruck des ewigen Blutkreislaufes der Deutschen und eine Heimfindung zum Ich - der eigenen Art." In einem von dem Kläger herausgegebenen Kalender wird unter dem Titel "Das Kleid der Unsterblichkeit" (Anita, Unser Leben 2007, Anl. 106) ausgeführt: "Durchtränkt mit der Stärke unserer Ahnen fließt es in unseren Adern. Wurde durch seinen Verlust manch fremder Boden heimatlich gemacht, so entsprang dort eine neue Quelle des Lebens und ewigen Fortbestehens. Um die Reinheit dieses Blutes zu gewähren, muß sich jeder als ein Teil einer Artgemeinschaft fühlen und sich seiner Abstammung bewußt sein. ... (Es) wurden durch wichtige Erkenntnisse in der Menschenkunde und der Bedrohung des Fortbestehens des Deutschen Volkes Institute für Familienforschung gegründet, wie 1934 das 'Kaiser Wilhelm Institut für Genealogie und Demographie'. Zu dieser Zeit war jeder Reichsbürger verpflichtet, seine Herkunft durch eine Ahnentafel und den dazugehörigen Geburts- und Heiratsurkunden oder einen zusammengefaßten, beglaubigten Ahnenpaß vorzuweisen. ... So sollte sich jeder, der sich seiner Herkunft bewußt ist, sie in seinem gesunden Blut wahren und weitertragen." Die gleichen Inhalte werden in einem Beitrag in der Vereinszeitschrift unter der Überschrift "Du bist Deutschland" (Eric, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/ 2007, S. 17, Anl. 7) in die folgenden Worte gefasst: "Als hätte Mendel nie gelebt, will mir doch ein starkpigmentierter ortsunkundiger Fußball-'star' erzählen, ich sei mein Land, ... Volk ist ein biologischer Begriff. ... Auch ein deutscher Paß ändert an dieser Tatsache nichts, wie es auch keinen Deutschen türkischer ... Abstammung gibt. Im übertragenen Sinn ist das so zu verstehen, daß aus einem Pinscher, der sich am Napf einer Dogge satt frißt, noch lange nicht selbige wird."

43

Der Kläger verharmlost und bagatellisiert diese Äußerungen, wenn er zum Einen in bereits beschriebener Weise einen unzulässigen Vergleich konstruiert und darauf verweist, auch der SPD-Politiker Philipp Scheidemann habe im Zusammenhang mit den nach dem Ersten Weltkrieg drohenden Gebietsverlusten die Deutschen als "ein Fleisch und ein Blut" bezeichnet, und zum Anderen geltend macht, es handele sich um unverfängliche Aussagen zum Bauernstand, zur Abstammung, zur Homogenität der Bevölkerung und zur Staatsbürgerschaft. Denn durch den Gesamtzusammenhang, in dem die Aussagen stehen, wird offenbar, dass der Kläger von rassistischem Gedankengut geprägt ist.

44

ff) In engem Zusammenhang mit der rassistischen Ausrichtung des Klägers steht sein ausgeprägter Antisemitismus.

45

(1) Ein besonders aussagekräftiger Beleg ist auch hierfür der bereits genannte, dem Kläger zuzurechnende Vortrag "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", den Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte hielt. Nach den in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 enthaltenen Feststellungen flocht Ragnar D... sog. "Judenwitze" in seinen Vortrag ein und zeigte an dessen Ende eine Folie, die zu der Frage "Was bringt die Zukunft?" als Antwortalternativen das Bild einer jungen Frau mit einer Hakenkreuzbrosche und eine Abbildung des ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, präsentierte. Im unmittelbaren Anschluss an diesen Vortrag und diesem damit den Charakter einer pseudowissenschaftlichen Einführung verleihend, ermöglichte Ragnar D... die Vorführung des antisemitischen nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude". Dabei musste ihm der Inhalt dieses Films, in dem Juden als minderwertige Menschen dargestellt werden, bewusst sein, da er - wie sich bei einer späteren Durchsuchung herausstellte - selbst eine Kopie des Films besaß.

46

(2) Die sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, Dietlind N..., schreibt in ihrer Ausarbeitung "Hatte Deutschland Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges?" (Anl. 87) unter Verweis auf einen Artikel in der Zeitung "Daily Express" vom 24. März 1933, es habe eine "Kriegserklärung des Weltjudentums an Deutschland" gegeben und führt aus: "Nachdem dieser Artikel erschienen war, kam es am 01.04.1933 lediglich einen Tag lang zu Boykotten gegenüber jüdischen Geschäften in Deutschland, was in Anbetracht der ungeheuerlichen Dimension der jüdischen Kriegserklärung nur als harmlos bezeichnet werden kann. ... Erst 1938, als ein polnischer Jude einen deutschen Botschaftsangehörigen in Paris erschoß, verschlechterte sich die Stimmung gegen die Juden und gipfelte schließlich in der sog. 'Reichskristallnacht'. ... (Es gab aber) 1. nur eine Reichskristallnacht - und nicht etwa mehrere - und 2. muß man die Vorgeschichte zu dieser Nacht liefern, um die Beweggründe der Deutschen nachvollziehen zu können."

47

Diese Stellungnahme eines Vereinsmitglieds mit Leitungsfunktion trifft nach den schon näher dargelegten Zurechnungsmaßstäben den Kläger auch dann, wenn sie entsprechend seinem Vorbringen nicht als Schulungsmaterial oder in ähnlicher Weise für ihn verwandt worden ist. Sie wird zudem nicht, wie der Kläger weiter meint, durch die Mitteilung historischer Tatsachen charakterisiert, sondern durch den antisemitischen Kontext, in dessen Rahmen Tatsachen unvollständig und verfälscht präsentiert werden.

48

(3) Der Propagierung antisemitischer Thesen gibt der Kläger auch in seiner Vereinszeitschrift Raum. So finden sich in dem Artikel "Der Nahe Osten ist näher als du denkst" (Robert, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/2007, S. 14, Anl. 7) im Zusammenhang mit der Beschreibung der Ursachen des dortigen Konflikts folgende Ausführungen: "Ihrem nomadisches Wesen folgend, zogen die Juden nun in alle Welt aus, um in den anderen Völkern zu Wohlstand zu kommen. Dies taten sie sehr selten durch tüchtige Arbeit. ... Als ein Großteil der Juden feststellen mußte, daß sie in den meisten europäischen Staaten nicht erwünscht sind, begannen sie am Ende des 19. Jahrhunderts nach einem eigenen Staat zu streben." Weiter wird in einem nicht mit einem Verfassernamen versehenen "Einwurf" (FF Nr. 1/2008, S. 5, Anl. 22) Anne Frank verspottet: "Der Baum von Anne Frank, eine hohle alte Eiche, ist immer noch der Gefahr ausgesetzt, bald gefällt zu werden. Diese verhält sich also ähnlich, wie die sagenumwobenen Geschichten um das kleine Mädchen und ihrem Tagebuch."

49

In beiden Fällen verfängt es bereits im Ansatz nicht, wenn der Kläger sich auf Albernheit oder Satire beruft. Der antisemitische Gehalt der Beiträge ist objektiv unverkennbar.

50

gg) Vor dem dargestellten Hintergrund seiner Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus sowie seiner rassistischen und antisemitischen Ausrichtung lehnt der Kläger die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes ab, diffamiert sie und will sie durch ein sog. neues Reich ablösen. In diesem Bestreben orientiert er sich entgegen seinen Beteuerungen nicht an einem Reichsgedanken mit dem durch das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 48) umschriebenen, auf die nationale Einheit und die gleichberechtigte Stellung Deutschlands in der europäischen Staatengemeinschaft bezogenen Inhalt, sondern seinem Hintergrund gemäß an den Prinzipien der nationalsozialistischen Herrschaft während des sog. Dritten Reiches.

51

(1) Dies wird besonders deutlich an Texten mit einem strategisch-politischen Inhalt, die bei leitenden Mitgliedern des Klägers aufgefunden wurden. In ihnen wird die Wiederbegründung der deutschen Demokratie nach 1945 verunglimpfend als "Umerziehung" durch die Siegermächte bezeichnet und der demokratische Staat als verkommen und gegen das eigene Volk gerichtet denunziert. So führt der Vereinsvorsitzende in einer auf seinem Rechner aufgefundenen Textdatei (Anl. 130) aus: "In unserer heutigen Zeit mag man sich manchmal angewidert abwenden, wenn man die gezüchteten Krüppel sieht, die das Karren der Umerzieher schon besser vorantreiben, als die es wahrscheinlich vorhatten." Der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, Martin G..., äußert sich in einem auf seinem Computer gespeicherten Redemanuskript (Anl. 11) mit der Überschrift "Einheitsgründungsfeier" wie folgt: " ... was haben wir uns eigentlich vorzuwerfen? Etwa, daß wir deutsch fühlen, deutsch denken und auch deutsch handeln, daß wir ehrlich und aufrichtig unseren Weg gehen und wir uns dabei an den edelsten Werten unseres Volkes ausrichten? Daß wir deshalb vom derzeitigen Staat immer stärker bekämpft werden, zeigt deutlich, wo dieser steht. Er ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!" Die sog. "Bundesführerin der Mädchen", Holle B..., schreibt in einer beschlagnahmten handschriftlichen Skizze: "(Wir müssen) klarstellen, daß Ideologien wie Demokratie und Kapitalismus für unser Volk den Untergang bedeuten." Und ein Schreiben, das der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar Dam, elektronisch gespeichert hatte, enthält nach einem Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin vom 5. August 2008 (Anl. 15) sowie den Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 folgende Passage: "Ich will keine bessere BRD, ich will ein neues Reich auf den Trümmern dieses verkommenen Systems errichten. ... Als Anleihe blicke ich dabei auch gerne ein paar Jahrzehnte zurück. ... Nur so und nicht (anders) begann der Sieglauf in ein aufgehetztes Volk, welches dem Nationalsozialismus zunächst feindlich gegenüberstand."

52

Der von dem Kläger auch hier erhobene Einwand des privaten Charakters der Äußerungen steht dem Rückschluss von der in den zitierten Texten zum Ausdruck kommenden Grundeinstellung seines Leitungspersonals auf seine eigenen verfassungswidrigen Ziele wiederum nicht entgegen. Die Äußerungen gehen zudem, anders als der Kläger meint, über eine zulässige sog. Machtkritik hinaus und offenbaren eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Haltung (zu der insoweit vorzunehmenden Abgrenzung: BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2001 - BVerwG 2 WD 42.00, 43.00 - BVerwGE 114, 258 <283 ff.> = Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 3 S. 19; vgl. zum Begriff der "Umerziehung" auch: Urteil vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 30.97 - BVerwGE 110, 126 <136> = Buchholz 11 Art. 21 GG Nr. 25 S. 9).

53

(2) Derartige dem Kläger zuzurechnende Diffamierungen des demokratischen Rechtsstaates finden sich überdies nicht nur in internen Aufzeichnungen von Vereinsfunktionären, sondern auch in veröffentlichter Form in der Vereinszeitschrift. Der Vorsitzende des Klägers schreibt in einem zur Fußballweltmeisterschaft 2006 erschienenen Beitrag mit dem Titel "Neue Wegweiser in die Geschmacklosigkeit" (Sebastian, FF Nr. 3/2006, S. 5, Anl. 16): "Sicherlich wird einem lauwarm ums Herz, wenn nach über 60 Jahren Umerziehung Deutsche wieder die eigene Fahne in die Hand nehmen ... Traurig ist es, sich einzugestehen, daß selbst in unserem eigenen Lager, vom trotzigen 'schwarz-weiß-rot' auf die BRD-Fahnen umgeschaltet wurde, nur um auf den lahmenden Patriotismusgaul aufzuspringen ... Zu guter Letzt bleiben wir bei unseren Reichsfarben schwarz-weiß-rot ... Eben der Stachel im Fleisch der Spießer und Vaterlandsverräter!" Ferner heißt es in einem Artikel mit der Überschrift "Zur Gesellschaft" (Eugen, FF Nr. 3/2005 S. 7, Anl. 10): "Nach dem ersten Weltkrieg, auch damals gab es die Gesellschaft von Wucherern und Schiebern, Verrätern, Demokraten und Parteibonzen, die an der deutschen Not verdienten, und ihre entarteten und zersetzenden Ideen allen Deutschen aufzudrücken versuchten. Damals hatte der Begriff Gesellschaft allerdings einen klaren Charakter. Er benötigte nämlich, angewandt auf solche Ansammlungen übelsten Menschentums, keine weiteren negativen Adjektive. ... Diese heutige Herrschaft des Minderwertigen wird durch unsere junge sieghafte Kraft niedergerungen werden und an deren Stelle werden wir das Neue, Große, Kommende setzen: unser Volk."

54

Der Kläger verharmlost diese Aussagen in unzulässiger Weise, wenn er in ihnen lediglich eine kritische Betrachtung von Phänomenen eines allgemeinen Werteverfalls oder gesellschaftlichen Missständen erblicken will.

55

hh) Der Kläger nimmt schließlich eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung ein. Dies kommt in dem bereits zitierten Artikel des Vereinsvorsitzenden mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/2005, S. 13, Anl. 21) zum Ausdruck, in dem er die Mitglieder dazu auffordert, sich als "Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer" zu erweisen. Diese Aufforderung ergänzt der Vorsitzende des Klägers in einem ebenfalls schon erwähnten, auf seinem Rechner gespeicherten Text (Anl. 130): "Seien wir unserem Volk ehrliche und wehrhafte Männer, die das Leben achten und den Tod nicht fürchten." In einer weiteren, bereits zitierten Textdatei (Anl. 70) fügt er hinzu: "Es ist Krieg gegen Deutschland, Krieg gegen unser Volk. ... Und diesen Krieg möchte ich ganz gerne gewinnen." Eine vergleichbare Radikalität bricht sich in dem Artikel "Revolution" (Jörg, FF Nr. 4/2005, S. 8, Anl. 21) Bahn, wenn dort dargelegt wird: "Wir sind nicht angetreten, um in unserer Gemeinschaft nette Lager, Fahrten, Heimabende oder Feierstunden zu erleben, sondern um unsere Fußspuren in der Geschichte zu hinterlassen. ... Ein revolutionärer Akt, ... Scheuen wir uns also nicht vor diesem Begriff. ... Der Verfall von Ordnung, die Unregierbarkeit dieses Landes ruft den inneren Protest vieler, vieler Menschen hervor. Immer mehr wenden sich angewidert ab und lösen sich aus dem parlamentarisch-demokratischen Zwangskorsett. Sie sind bereit für revolutionäre Ideen, wir müssen sie ihnen geben. Im Vorbild und in der Tat haben wir eine Zeitenwende zu repräsentieren, um sie, gemeinsam mit unserem Volk, einzuleiten. Revolution bedeutet Geschichte schreiben: Nehmen wir die Feder in die Hand." Das gleiche gilt erst recht für die schon in anderem Zusammenhang erwähnte auf dem Computer des Martin Götze in einem Redemanuskript (Anl. 11) gespeicherte Äußerung: "Er (der derzeitige Staat) ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!"

56

Das Bestreben des Klägers, das Kämpferische und Aggressive dieser Texte in Abrede zu stellen, bleibt ohne Substanz.

57

2. Die in der Verfügung vom 9. März 2009 neben dem Vereinsverbot enthaltenen weiteren Entscheidungen zu Lasten des Klägers (Auflösung, Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen, Kennzeichenverbot, Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens) finden ihre Rechtsgrundlagen in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 und § 11 VereinsG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften knüpfen an das ausgesprochene Vereinsverbot an.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein. Er ist Teil der "Hells Angels"-Bewegung. Durch Verfügung vom 29. September 2011 stellte das Innenministerium des beklagten Landes Hessen fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen. Der Kläger sei verboten und werde aufgelöst. Ferner wurde dem Kläger jede Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen untersagt. Die Verwendung seiner Kennzeichen wurde verboten. Das Vermögen des Klägers sowie näher bezeichnete Sachen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen.

2

Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegen die Verfügung gerichtete Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Der Kläger erstrebt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision.

II.

3

Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) und des Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (2.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

4

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Eine solche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.

5

a) Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob

"es für die Herstellung des Benehmens gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG ausreichend (ist), wenn die Verbotsbehörde eines Landes dem Bundesministerium des Innern lediglich den Entwurf der Verbotsverfügung überstellt und das Einvernehmen sich auf den Hinweis 'keine Anmerkungen' beschränkt, oder (ob) es erforderlich (ist), dass (sie) dem Bundesministerium des Innern die zum Vereinsverbot gehörenden Akten und Erkenntnisquellen zur Verfügung stellt, um einen Meinungs- und Erfahrungsaustausch herbeizuführen".

6

Eine Rechtsfrage mit einem derartigen Inhalt hat sich dem Verwaltungsgerichtshof nicht gestellt und war nicht Grundlage seiner Entscheidung. Sie kann deshalb mangels Klärungsfähigkeit nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. hierzu allgemein mit Nachweisen der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts: Beschluss vom 4. Oktober 2013 - BVerwG 6 B 11.13 - juris Rn. 19).

7

Der Kläger verweist zwar zu Recht darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 12) die Frage hat dahinstehen lassen, ob der Kläger lediglich ein Teilverein eines über das Gebiet des Landes Hessen hinaus tätigen Vereins sei. Denn in diesem Fall - so der Verwaltungsgerichtshof - sei das für ein Verbot durch das beklagte Landesministerium gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG erforderliche Benehmen des Bundesministeriums des Innern durch dessen Hinweis hergestellt worden, dass zu dem nach dort übersandten Entwurf der Verbotsverfügung keine Anmerkungen bestünden. Der Kläger vernachlässigt jedoch, dass der Verwaltungsgerichtshof weiter ausgeführt hat, der übersandte Bescheidentwurf selbst habe ausreichende Informationen enthalten, um das Bundesministerium in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Aufklärung zu betreiben. Aus diesem Grund hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich einen etwaigen aus der Nichtvorlage weiterer Erkenntnisquellen resultierenden Verfahrensfehler verneint. Hierzu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht. Sie bezeichnet damit eine rechtliche Problematik als grundsätzlich bedeutsam, die sich von derjenigen, auf die die Vorinstanz abgestellt hat, wesentlich unterscheidet.

8

b) Der Kläger wirft als grundsätzlich bedeutsam die Fragen auf,

"unter welchen Voraussetzungen im Rahmen eines vereinsrechtlichen Verbotsverfahrens von der durch § 28 Abs. 1 VwVfG geforderten Anhörung des Verbotsadressaten abgesehen werden (darf)",

und

"(ob) die insoweit vorgebrachte Bezugnahme auf einen möglichen 'Ankündigungseffekt' einer behördlichen Anhörung, der es dem Verbotsadressaten ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen, und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte, weiterer Feststellungen und Erläuterungen durch die Verbotsbehörde (bedarf)".

9

Diesen Fragen kommt mangels Klärungsbedürftigkeit eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Sie sind, soweit sie einer über den Einzelfall hinausweisenden Beantwortung zugänglich sind, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 29. Januar 2013 - BVerwG 6 B 40.12 - (NVwZ 2013, 521 <524>), den der Verwaltungsgerichtshof zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht hat (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2013 S. 3, GA Bl. 398 ff.), zu den in Rede stehenden Fragen, die die auch in dem seinerzeitigen Verfahren beteiligten Prozessbevollmächtigten des Klägers wortgleich aufgeworfen hatten, das Folgende ausgeführt:

Nach § 28 Abs. 1 VwVfG … ist vor Erlass eines Verwaltungsaktes, der - wie ein Vereinsverbot - in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Jedoch kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG … von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vereinsrecht (Urteile vom 18. Oktober 1988 - BVerwG 1 A 89.83 - BVerwGE 80, 299 <303 f.> = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 13 S. 19 f., vom 13. April 1999 - BVerwG 1 A 3.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30 S. 3 und vom 27. November 2002 - BVerwG 6 A 4.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 35 S. 36, Beschluss vom 10. Januar 2003 - BVerwG 6 VR 13.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 38 S. 61 f., Urteile vom 3. Dezember 2004 - BVerwG 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 77 f., vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 Rn. 13 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50, vom 1. September 2010 - BVerwG 6 A 4.09 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 55 Rn. 11 und vom 18. April 2012 - BVerwG 6 A 2.10 - NVwZ-RR 2012, 648 Rn. 11) genügt es, dass die Verbotsbehörde unter diesen Gesichtspunkten auf Grund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Das hat das Bundesverwaltungsgericht namentlich in Fällen angenommen, in denen das Unterbleiben einer vorherigen Anhörung damit begründet wurde, dass eine Unterrichtung des betroffenen Vereins über den bevorstehenden Eingriff vermieden und ihm so keine Gelegenheit geboten werden sollte, sein Vermögen, verbotsrelevante Unterlagen oder dergleichen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Ein derartiges Bestreben, einer Verbotsverfügung größtmögliche Wirksamkeit zu verleihen, rechtfertigt in der Regel das Absehen von einer Anhörung (Urteile vom 13. April 1999 und vom 27. November 2002 jew. a.a.O., Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O.).

Eine nur theoretische, nicht durch konkrete tatsächliche Hinweise belegte Möglichkeit eines die Wirksamkeit einer Verbotsverfügung beeinträchtigenden Ankündigungseffekts rechtfertigt es danach nicht, von einer Anhörung abzusehen. Notwendig - aber auch ausreichend - ist vielmehr, dass die Verbotsbehörde auf Grund ihr bekannt gewordener Tatsachen annehmen darf, eine Anhörung könnte der betroffenen Vereinigung die Gelegenheit geben, ihr Vermögen, verbotsrelevante Unterlagen oder dergleichen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Das wird in aller Regel bereits dann der Fall sein, wenn es tatsächliche Hinweise auf das Vorhandensein von nennenswerten Vermögensgegenständen oder Beweismaterial gibt. Weitergehender Feststellungen und Erläuterungen bedarf es nicht. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in der Vergangenheit darauf abgestellt, ob die Befürchtung eines negativen Ankündigungseffekts einer Anhörung bzw. das Bestreben, einem solchen Effekt durch Absehen von einer Anhörung zu begegnen, "nach den Umständen" nicht zu beanstanden (Urteile vom 13. April 1999 und vom 27. November 2002 jew. a.a.O., Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O., Urteil vom 3. Dezember 2004 a.a.O.) bzw. "nachvollziehbar" (Urteil vom 18. April 2012 a.a.O.) war.

Eine weitere allgemeingültige Präzisierung ist angesichts der Vielgestaltigkeit denkbarer Fälle nicht möglich.

10

Gesichtspunkte, die die bezeichneten Rechtsfragen im Hinblick auf die in dem Beschluss des Senats vom 29. Januar 2013 zusammengefassten Rechtsprechungsgrundsätze als klärungsbedürftig geblieben oder wieder klärungsbedürftig geworden erscheinen lassen könnten, enthält die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger bringt mit ihr lediglich zum Ausdruck, dass er die besagten Rechtsprechungsgrundsätze für nicht überzeugend hält.

11

c) Der Kläger möchte grundsätzlich geklärt wissen,

"(ob) die ausschließliche bzw. ganz überwiegende Inanspruchnahme dritter Behörden (sog. Hilfsbehörden) zur Erlangung von Informationen und deren anschließende Verwertung durch die Verbotsbehörde eine ausreichende eigenständige Ermittlungstätigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG (darstellen), mit der ein Vereinsverbot begründet werden kann, oder (ob) eigene Ermessenserwägungen und ergebnisoffene Ermittlungstätigkeiten der Verbotsbehörde zu fordern (sind)".

12

Dass dieser Frage keine Grundsatzbedeutung zukommt, ergibt sich ebenfalls aus dem Beschluss des Senats vom 29. Januar 2013. Der Senat hat dort (a.a.O. S. 523) auf eine mit Ausnahme des letzten Halbsatzes wortgleiche Frage dargelegt:

Soweit eine über den Einzelfall hinausweisende Antwort überhaupt möglich ist, ergibt sie sich … bereits unmittelbar aus dem Gesetz und muss deshalb nicht erst in einem Revisionsverfahren gefunden werden. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG kann die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen. Es versteht sich von selbst, dass die Verbotsbehörde im Rahmen ihrer Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts (§ 24 Abs. 1 VwVfG) auf Erkenntnisse zurückgreifen darf, die je nach dem in Rede stehenden Verbotsgrund bei anderen insoweit befassten Behörden angefallen sind. Die Einholung von Informationen bei anderen Behörden ist ein wesentliches Mittel der Sachverhaltsaufklärung (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwVfG) und steht nicht etwa in einem Gegensatz zu eigenständigen Ermittlungen der Behörde, … § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG hebt als naheliegende Behörden und Dienststellen eigens diejenigen hervor, die für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständig sind. Ob die durch ihre Inanspruchnahme erlangten Informationen nach Gehalt, Dichte und Zuverlässigkeit bereits allein ein Vereinsverbot begründen können oder ob die Verbotsbehörde darüber hinaus weitere Ermittlungen anzustellen hat, ist eine Frage der Würdigung des Sachverhalts in jedem Einzelfall. Dass die Verbotsbehörde die von ihr auch mit Hilfe anderer Behörden zusammengetragenen Informationen mit Blick auf die Verbotstatbestände eigenständig zu würdigen hat, versteht sich von selbst. Ebenso versteht sich von selbst, dass es an dieser eigenständigen Würdigung nicht allein deshalb fehlt, weil die Verbotsbehörde ihr überzeugend erscheinende Feststellungen anderer Behörden und Gerichte übernimmt.

13

Woraus sich unter Berücksichtigung dieser Ausführungen eine Klärungsbedürftigkeit der von dem Kläger bezeichneten Frage ergeben könnte, wird aus der Beschwerdebegründung nicht ansatzweise deutlich. Insbesondere hat der Kläger den Gehalt der Darlegungen des Senats nicht erfasst, wenn er meint, sie ließen Raum dafür, die im Rahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr bzw. der Strafverfolgung gewonnenen Erkenntnisse weitgehend unreflektiert in das Vereinsverbotsverfahren zu übernehmen.

14

d) Der Kläger misst der Frage Grundsatzbedeutung zu,

"(ob) ein Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund des aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgenden Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in verfassungskonformer Weise die Datenabfrage von Verbotsbehörden im Rahmen von Vereinsverbotsverfahren sowie die darauf folgende Übermittlung dieser Daten seitens der angefragten Behörde verwerten (darf), ohne im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes des § 86 Abs. 1 VwGO eigene unmittelbare Auskunftsersuchen an die aktenführenden Behörden zu richten".

15

Der Kläger führt hierzu aus, zunächst habe das Innenministerium des beklagten Landes die angefochtene Verbotsverfügung allein auf Erkenntnisse aus dem Bereich der Gefahrenabwehr bzw. auf solche aus strafrechtlichen Verfahren gestützt. Insoweit sei unsicher, wo sich eine hinreichende Befugnis der Verbotsbehörde zur Datenabfrage und eine solche der angefragten Behörde zur Datenübermittlung verankern lasse. Sodann habe der Verwaltungsgerichtshof die Verbotsverfügung allein auf der Grundlage der von der Verbotsbehörde auf die besagte Weise gewonnenen Daten aufrecht erhalten. Der Verwaltungsgerichtshof habe jedoch für eine Entscheidung unabhängig von der Problematik der Rechtsgrundlage für die behördliche Datenübermittlung den Sachverhalt durch Beiziehung der einschlägigen Strafurteile und Strafverfahrensakten bzw. sonstiger Daten gemäß § 86 Abs. 1 VwGO von Amts wegen eigenständig aufklären müssen.

16

Die derart erläuterte Frage ist revisionsgerichtlich nicht klärungsfähig bzw. nicht - erneut - klärungsbedürftig.

17

Der Verwaltungsgerichtshof hat als gesetzliche Grundlage der behördlichen Übermittlung von Daten an das Innenministerium des beklagten Landes als Verbotsbehörde für den Bereich der Gefahrenabwehr § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) und für den Bereich der Strafverfolgung § 481 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HSOG benannt (UA S. 13, zum Teil unter Inbezugnahme der Klageerwiderung vom 8. August 2012, GA Bl. 259 ff.). Er hat festgestellt, dass § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HSOG als bereichsspezifische Spezialregelung zu § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 HSOG eine - auch im Anwendungsbereich des § 481 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO zu beachtende - Ausnahme von dem sog. Zweckbindungsprinzip enthält. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 29. Januar 2013 (a.a.O. S. 523) geklärt, dass die in einer solchen Konstellation relevanten Vorschriften des irrevisiblen Landesrechts auch dadurch nicht zu revisiblem Bundesrecht werden, dass - für den Bereich der Strafverfolgung - die zwar revisible, aber für sich nicht klärungsbedürftige Norm des § 481 Abs. 1 StPO an sie anknüpft. Vielmehr kommen die polizeilichen Vorschriften, da sie § 481 Abs. 1 StPO als geltend voraussetzt, auch hier ausschließlich als irrevisibles Landesrecht zur Anwendung. Der Senat hat in diesem Zusammenhang zudem entschieden, dass die Frage, ob die landesrechtlichen Bestimmungen den für sich hinreichend geklärten bundesverfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG genügen, allein die Auslegung dieser landesrechtlichen Normen betrifft und deshalb keinen bundesrechtlichen Bezug aufweist. Der Senat hat schließlich klargestellt, dass die verwaltungsgerichtliche Ermittlung von Daten im Rahmen der Überprüfung eines Vereinsverbots dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung genügende gesetzliche Grundlagen in den allgemeinen verwaltungsprozessualen Bestimmungen der § 86 Abs. 1, § 99 Abs. 1 VwGO und in speziellen Ermächtigungen wie § 474 Abs. 1 StPO hat. Was die Anwendung dieser revisiblen Vorschriften anbelangt, liegt es auf der Hand und bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass ein Verwaltungsgericht die von der Verbotsbehörde - wie im vorliegenden Fall - in nicht zu beanstandender Weise ermittelten und für das Vereinsverbot verwandten Daten nach § 86 Abs. 1, § 99 Abs. 1 VwGO anfordern und für die vorzunehmende rechtliche Prüfung verwenden darf und nicht darauf verwiesen ist, die im Zusammenhang mit dem erlassenen Vereinsverbot entstandenen Verwaltungsvorgänge unbeachtet zu lassen und durch eigene Ermittlungen eine parallele Materialsammlung zu erstellen.

18

e) Der Kläger sieht als grundsätzlich bedeutsam die Frage an,

"welche Anforderungen an die verwaltungsgerichtliche Überprüfung des Merkmals 'Strafgesetzwidrigkeit' in Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG zu stellen (sind)".

19

Zur Konkretisierung dieser in ihrer Allgemeinheit nicht klärungsfähigen Frage verweist der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 18. Oktober 1988 - BVerwG 1 A 89.83 - BVerwGE 80, 299 <305 ff.> = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 13 S. 22 ff. und vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50 Rn. 17 f.), wonach ein auf den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG gestütztes Vereinsverbot rechtlich unabhängig von einer strafrichterlichen Verurteilung einzelner Mitglieder oder Funktionäre der Vereinigung ist, die Strafgesetzwidrigkeit vielmehr von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz geprüft werden muss. Der Kläger meint, es sei ungeklärt, nach welchen verfahrensrechtlichen Maßstäben diese Prüfung stattzufinden habe. Dies sei wegen einer drohenden Verkürzung der strafprozessualen Rechte der Betroffenen nicht hinnehmbar.

20

In dieser Umschreibung ist die aufgeworfene Frage nicht klärungsbedürftig. Denn es liegt unabhängig von der Durchführung eines Revisionsverfahrens klar zu Tage, dass die behördliche Prüfung, ob die Zwecke oder die Tätigkeit eines Vereins im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG den Strafgesetzen zuwiderlaufen, nicht anders als nach den verfahrensrechtlichen Maßstäben des Vereinsgesetzes sowie des jeweils anzuwendenden Verwaltungsverfahrensgesetzes und die verwaltungsgerichtliche Kontrolle dieser Prüfung nur in dem prozessualen Rahmen der Verwaltungsgerichtsordnung vorgenommen werden können. In diesem Zusammenhang geht der Einwand einer Beeinträchtigung strafprozessualer Rechte ins Leere. Denn der Sinn und Zweck des Verbotstatbestandes des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG besteht nicht darin, die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich vereinsrechtlich zu sanktionieren. Durch ihn soll vielmehr einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die sich daraus ergibt, dass Straftaten in einem vereinsmäßig organisierten Zusammenhang begangen, hervorgerufen, ermöglicht oder erleichtert werden (Urteil vom 19. Dezember 2012 - BVerwG 6 A 6.11 - NVwZ 2013, 870 <874>).

21

f) Der Kläger möchte die Frage einer grundsätzlichen Klärung zugeführt sehen,

"(ob) der nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) aus Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) folgenden Beweislast der Verbotsbehörden bezüglich der konkreten Geeignetheit eines Vereinsverbotes bzw. des Nichtvorliegens milderer, gleich effektiver Maßnahmen eine für die tatbestandliche Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit oder die Eröffnung eines behördlichen Rechtsfolgeermessens eigenständige Bedeutung zu(kommt), unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Rezeption der EMRK im bundesdeutschen Verfassungsrecht".

22

Diese Frage hat mangels Klärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie ohne vorherige Durchführung eines Revisionsverfahrens in eindeutiger Weise beantwortet werden kann.

23

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Beschluss vom 29. Januar 2013 a.a.O. S. 525 m.w.N.) ist den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf der Tatbestandsseite der Norm, das heißt bei der Prüfung Rechnung zu tragen, ob die Voraussetzungen eines Vereinsverbotsgrundes vorliegen. Bei dem Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG bildet das Erfordernis, dass ein unter dem Gesichtspunkt der Strafgesetzwidrigkeit relevantes Verhalten einzelner Personen dem Verein zurechenbar sein und dessen Charakter prägen muss (Urteile vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 16 und vom 19. Dezember 2012 a.a.O.), den Ansatzpunkt für die Berücksichtigung der aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ableitbaren Gebote. Dass der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK weitergehende Anforderungen zu entnehmen sein könnten, legt die Beschwerde nicht nachvollziehbar dar.

24

g) Grundsätzlichen Klärungsbedarf sieht der Kläger für die Frage,

"(ob) die Verbotsbehörde bei der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG sowie der HessVGH bei der Aufrechterhaltung der auf diesen Grund gestützten Verbotsverfügung mit Blick auf die bisher obergerichtlich entwickelten Grundsätze der Zurechnung strafbaren Verhaltens von Vereinsmitgliedern das unmittelbar aus Art. 9 Abs. 2 GG folgende Verbot strafgesetzwidriger Vereine unzulässig ausgedehnt (haben)".

25

Hierdurch wird wörtlich verstanden schon keine fallübergreifende Rechtsfrage formuliert, sondern lediglich die Fehlerhaftigkeit der Rechtsanwendung durch den Verwaltungsgerichtshof in dem von ihm entschiedenen Einzelfall behauptet.

26

Soweit sich der Kläger allgemein gegen die Auslegung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit in der der vorinstanzlichen Entscheidung zu Grunde liegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wenden will, ist die aufgeworfene Frage nicht klärungsbedürftig. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 29. Januar 2013 (a.a.O. S. 525) auf eine von den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit identischem Wortlaut und im Kern gleicher Begründung wie hier gestellte Frage ausgeführt:

Danach erfüllt eine Vereinigung den Verbotstatbestand grundsätzlich dann, wenn ihre Mitglieder oder Funktionsträger Straftaten begehen, die der Vereinigung zurechenbar sind und ihren Charakter prägen (Urteil vom 18. Oktober 1988 a.a.O. S. 306 f. bzw. S. 23). Der Charakter einer Vereinigung kann durch Straftaten ihrer Mitglieder geprägt sein, wenn die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben, es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktion gehandelt hat, entsprechende strafbare Verhaltensweisen in großer Zahl sowie noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder aufgetreten sind oder die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (Urteile vom 1. Februar 2000 - BVerwG 1 A 4.98 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 32 S. 26 und vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 Rn. 42 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50). Der Kläger hält diese Kriterien für ungeeignet, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, und meint, eine den Charakter der Vereinigung prägende Kraft der von ihren Mitgliedern begangenen Straftaten dürfe erst dann angenommen werden, wenn die zugerechneten Taten im Sinne eines "allgemeinen Kriminalitätsnachweises" erkennen ließen, dass sich der Verein als Ganzes gegen die verfasste Rechtsordnung im Staat richte und daher - so der Kläger sinngemäß - den daraus folgenden Gefahren nicht mehr (allein) durch Ahndung und Verhinderung einzelner Straftaten mit den Mitteln des Strafrechts und Gefahrenabwehrrechts, sondern nur noch durch ein Vereinsverbot wirksam begegnet werden könne.

Dieses Vorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts herausgearbeiteten Kriterien, nach denen strafbares Verhalten ihrer Mitglieder einer Vereinigung zugerechnet werden darf und unter denen dieses Verhalten die Vereinigung zu prägen geeignet ist, bieten hinreichende Ansatzpunkte, um auf der Tatbestandsseite der Norm bei der Feststellung des Verbotsgrundes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen. Dies liegt auf der Hand und bedarf deshalb nicht erst einer Klärung in einem Revisionsverfahren. Die dies pauschal bestreitende gegenteilige Auffassung des Klägers läuft darauf hinaus, dass eine Vereinigung erst dann den Verbotsgrund erfüllt, wenn alle ihre Mitglieder straffällig werden und Zweck und Tätigkeiten der Vereinigung ausschließlich auf die Begehung von Straftaten gerichtet sind. Das wird seinerseits der Gefährlichkeit einer Vereinigung nicht gerecht, die durch die Straftaten ihrer Mitglieder geprägt wird. Der Schutz bedrohter Rechtsgüter Dritter erfordert ein Verbot auch dann, wenn die Vereinigung neben legalen Zielen durch das Verhalten ihrer Mitglieder strafrechtlich relevante Zwecke verwirklicht und dadurch geprägt wird.

27

Die Beschwerdebegründung lässt nicht erkennen, woraus sich trotz dieser Darlegungen des Senats - und unter Berücksichtigung der sogleich (unter h) und i) weiter folgenden Erörterungen - eine Klärungsbedürftigkeit der bezeichneten Frage ergeben könnte. Die Ausführungen, die der Kläger zur Erläuterung anbringt, stimmen in ihrem allgemeinen Teil weithin mit den Ausführungen seiner Prozessbevollmächtigten in dem Verfahren, das der Senat durch seinen Beschluss vom 29. Januar 2013 entschieden hat, überein und betreffen im Übrigen die für die Zulassung der Grundsatzrevision irrelevante Rechtsanwendung in dem durch die Vorinstanz entschiedenen Einzelfall.

28

h) Für grundsätzlich bedeutsam hält der Kläger die Frage,

"(ob) der Umstand, dass ein Verein seine in Haft befindlichen Mitglieder durch regelmäßige systematische Besuche und Unterhaltszahlungen unterstützt, dazu (führt), dass ihm die Straftaten der betroffenen Mitglieder in verbotsrelevanter Weise zugerechnet werden können".

29

Der Kläger meint, die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage ergebe sich daraus, dass eine Unterstützung inhaftierter Vereinsmitglieder nicht zwingend als Leistung von Hilfestellung und Schutz im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten angesehen werden müsse, sondern sich auch als wünschenswerter Beitrag zur Resozialisierung der Gefangenen darstellen könne.

30

Der Kläger vernachlässigt dabei, dass der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 22) festgestellt hat, dass die von dem Kläger organisierten Unterstützungsmaßnahmen für inhaftierte Vereinsmitglieder und der von ihm ins Werk gesetzte planmäßige Besuchsdienst gerade nicht als Akte legitimer Solidarität und damit auch nicht als resozialisierungsgeeignet angesehen werden konnten, sondern wenn nicht darauf angelegt, so doch jedenfalls geeignet waren, den Inhaftierten ein Gefühl bedingungsloser Wertschätzung und Geborgenheit auch nach Begehung schwer wiegender Straftaten zu vermitteln, ihre Loyalität gegenüber dem Kläger während der Inhaftierung und in der Folgezeit zu sichern und die Hemmschwelle für die Begehung künftiger Straftaten zu senken. Diese Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs hat der Kläger nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen, so dass sie den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindet. Auf ihrer Grundlage ist die gestellte Frage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats eindeutig zu bejahen und damit nicht mehr klärungsbedürftig.

31

Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 19. Dezember 2012 a.a.O. S. 874 f.) ist der Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG innerhalb des durch seinen Wortlaut gezogenen Rahmens nach seinem gefahrenabwehrrechtlichen Sinn und Zweck auch dann erfüllt, wenn Straftaten hervorgerufen, ermöglicht oder erleichtert werden. Im letzteren Fall ist es unerheblich, ob die Straftaten durch Funktionsträger, Mitglieder oder Anhänger der Vereinigung oder durch Dritte begangen werden. Dass Unterstützungshandlungen nach Art der hier von dem Kläger geleisteten eine Hervorrufung, Ermöglichung oder Erleichterung von Straftaten darstellen, hat der Senat an gleicher Stelle ebenfalls bereits entschieden.

32

i) Mit Grundsatzbedeutung ausgestattet sieht der Kläger die Frage,

"(ob) der Umstand, dass ein Verein Personen als Mitglieder aufnimmt, die in der Zeit vor der Vereinsmitgliedschaft Straftaten begangen haben, und straffällig werdende Mitglieder nicht ausschließt, eine der Vereinigung zurechenbare strafrechtswidrige Prägung (ist)".

33

Diese Frage ist, soweit sie einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung zugänglich ist, ebenfalls durch die zuletzt bezeichnete Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 19. Dezember 2012 a.a.O. S. 874 f.) bereits geklärt und deshalb nicht mehr klärungsbedürftig. Der Verwaltungsgerichtshof hat die durch den Senat herausgearbeiteten allgemeinen Grundsätze auf den für den Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht bedeutsamen Einzelfall angewandt, indem er den Umstand, dass der Kläger straffällig gewordene Personen - insbesondere Mitglieder anderer Charter der Hells Angels - übernommen und Straftäter nicht ausgeschlossen hat, als Indiz für dessen strafrechtswidrige Prägung gewertet hat.

34

j) Von grundsätzlicher Bedeutung ist nach Meinung des Klägers die Frage,

"unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Verbotsbehörde im Rahmen eines auf Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG gestützten vereinsrechtlichen Verbotsverfahrens auf der Rechtsfolgenseite ausnahmsweise Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit anstellen (muss)".

35

Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Frage im vorliegenden Fall nicht klärungsbedürftig und nicht klärungsfähig.

36

Der Senat hat in seinem Beschluss vom 29. Januar 2013 (a.a.O. S. 525) eine ähnliche Frage der Prozessbevollmächtigten des Klägers wie folgt beschieden:

Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts … geklärt. Danach muss die Verbotsbehörde auf der Rechtsfolgenseite grundsätzlich keine Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit des Verbots anstellen. Die Verbotsverfügung hat nicht die Funktion zu erfüllen, der Verbotsbehörde auf der Rechtsfolgenseite der Norm die Ausübung von Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu ermöglichen. Sie dient vielmehr - jedenfalls in der Regel - allein dazu, aus Gründen der Rechtssicherheit klarzustellen, dass eine Vereinigung einen oder mehrere Verbotsgründe erfüllt, und durch die entsprechende Feststellung die gesetzlich vorgesehene Sperre für ein Vorgehen gegen den Verein aufzuheben. Den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist deshalb bereits auf der Tatbestandsseite der Norm bei der Prüfung Rechnung zu tragen, ob die Voraussetzungen des Verbotsgrundes vorliegen (Urteile vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 87, vom 18. April 2012 - BVerwG 6 A 2.10 - NVwZ-RR 2012, 648 Rn. 75 und vom 19. Dezember 2012 - BVerwG 6 A 6.11 - Rn. 56).

37

Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass hier eine Ausnahmekonstellation bestehen könnte, die über eine durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitete Prüfung des Tatbestands des Verbotsgrundes aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG hinaus und letztlich in Widerspruch zur Regelungsstruktur des Art. 9 Abs. 2 GG (vgl. dazu: BVerfG, Beschluss vom 15. Juni 1989 - 2 BvL 4/87 - BVerfGE 80, 244 <253 f.>) ausnahmsweise Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit der Rechtsfolge in Form des ausgesprochenen Vereinsverbots erforderte. Der Kläger bringt vielmehr lediglich zum Ausdruck, dass er die von der Rechtsprechung anerkannten Kriterien für die Bejahung der Strafrechtswidrigkeit ablehnt bzw. nicht sämtlich erfüllt sieht, und kritisiert, dass die Frage einer zeitlichen Befristung des Verbots offen geblieben sei. Die Irrelevanz des erstgenannten Einwands ergibt sich bereits aus den bisherigen Darlegungen. Eine Befristung des Vereinsverbots erforderte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit schon deshalb nicht, weil sich die betroffenen Vereinsmitglieder jederzeit zu einer neuen Vereinigung zusammenschließen können, sofern diese sich nicht im Sinne des § 8 Abs. 1 VereinsG als eine Ersatzorganisation darstellt (vgl. dazu: Urteil vom 19. Dezember 2012 a.a.O. S. 875).

38

k) Der Kläger sieht eine grundsätzliche Bedeutung der Frage,

"(ob) für das Verbot eines Vereins im VereinsG hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlagen (fehlen), um der Verbotsbehörde eine dem unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgenden Gebot ausreichender Normbestimmtheit gerecht werdende Erhebung relevanter Daten von dritten Behörden zu erlauben und (ob) hieraus ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Vereins und seiner Mitglieder (folgt), der bundesverfassungsrechtlich zwingend entweder die Nichtigkeit der Verbotsverfügung gem. § 44 HVwVfG oder jedenfalls seitens der Betroffenen einen Anspruch auf Aufhebung der Verbotsverfügung gem. § 46 HVwVfG bedingt".

39

Dass diese Frage nicht klärungsfähig und nicht klärungsbedürftig ist, ergibt sich aus den obigen Darlegungen (unter c) und d).

40

2. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs leidet nicht unter den von dem Kläger geltend gemachten Verfahrensfehlern im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

41

a) Der Kläger meint, der Verwaltungsgerichtshof habe den Überzeugungsgrundsatz bzw. den Grundsatz der freien Beweiswürdigung des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO dadurch verletzt, dass er in den Gründen seiner Entscheidung (UA S. 23 f.) in Gestalt der Geschehnisse anlässlich einer Jubiläumsfeier des "MC Black Souls" bzw. deren strafrichterlicher Behandlung auf Umstände Bezug genommen habe, die ihm weder zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, noch bei der abschließenden Beratung bekannt gewesen seien. Der Verwaltungsgerichtshof habe ferner zu Unrecht die den Kläger belastenden Aspekte des fraglichen Geschehens, nicht aber die damit verbundenen entlastenden Gesichtspunkte - die Nichteröffnung der Hauptverhandlung durch das zuständige Strafgericht - gewürdigt.

42

Diese Rüge geht fehl. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er den in Rede stehenden Handlungskomplex, der in der mündlichen Verhandlung am 21. Februar 2013 zur Sprache gekommen sei, bei der Beurteilung der angefochtenen Verbotsverfügung - vollständig - unberücksichtigt gelassen habe. Er hat ausgeführt, er sei in dieser Weise verfahren, weil eine vereinsrechtliche Würdigung und Verwertung der Vorgänge eine aufwändige und langwierige Ermittlungstätigkeit mit ungewissem Ausgang vorausgesetzt hätte und die übrigen behördlichen Ermittlungsergebnisse das ausgesprochene Vereinsverbot selbständig getragen hätten. Der Umstand, dass das Landgericht Darmstadt die Eröffnung des Hauptverfahrens für die besagten Vorgänge weitgehend abgelehnt habe, sei auch bei der abschließenden Beratung am 28. Februar 2013 nicht bekannt gewesen.

43

Der Verwaltungsgerichtshof hat demnach entscheidend darauf abgestellt, dass das Vereinsverbot ungeachtet aller möglichen negativen und positiven Auswirkungen der bezeichneten Vorgänge auf eine hinreichende tatsächliche Grundlage gestützt war. Aus den Gründen seiner Entscheidung wird deutlich, dass er sich für diese Verfahrensweise wegen des Ermittlungsaufwands, den er zu genannten Vorgängen unabhängig von der erst später bekannt gewordenen strafrichterlichen Entscheidung über die Frage der Eröffnung des Hauptverfahrens hätte anstellen müssen, schon vor Abschluss seiner Beratung entschieden hat. Hiergegen bestehen keine durchgreifenden Bedenken.

44

b) Der Kläger wirft dem Verwaltungsgerichtshof vor, von einem falschen bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgegangen zu sein und dadurch die gerichtliche Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO und den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt zu haben. Der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 24 ff.) habe die sog. Strafaktion gegen das vormalige Vereinsmitglied M. in einen Zusammenhang zu einer strafrechtswidrigen und organisierten Vereinstätigkeit gerückt. Er, der Kläger, habe jedoch im Verfahren darauf hingewiesen, dass sich der Vorgang mit den von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgerichtshof angenommenen Umständen nicht ereignet habe. Es hätte einer weiteren Sachaufklärung unter seiner, des Klägers, Einbeziehung bedurft, um zu einem verfahrensgerechten und haltbaren Ergebnis zu kommen.

45

Mit diesem Vortrag hat der Kläger weder den geltend gemachten Aufklärungsmangel noch einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz entsprechend den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt. Die Aufklärungsrüge - und für die Rüge einer Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes kann in dem hier gegebenen Zusammenhang nichts anderes gelten - erfordert nicht nur die substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche Beweismittel hierfür in Betracht kamen und welche tatsächlichen Feststellungen voraussichtlich getroffen worden wären, sondern auch konkrete Angaben darüber, dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist bzw. die unterbliebene Beweisaufnahme sich diesem hätte aufdrängen müssen (stRspr; vgl. für den Senat zuletzt: Beschluss vom 19. Februar 2013 - BVerwG 6 B 37.12 - NVwZ 2013, 799 <801>). Die Beschwerdebegründung wird diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Sie können insbesondere nicht, wie es in der Beschwerdebegründung geschieht, allein durch einen Verweis auf den vorinstanzlichen Vortrag erfüllt werden, sondern verlangen eine Auseinandersetzung mit den einzelnen Erwägungen der vorinstanzlichen Entscheidung, an der es hier fehlt.

(1) Die Verbotsbehörde kann für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen. Ermittlungsersuchen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sind an die zuständige oberste Landesbehörde zu richten.

(2) Hält die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine richterliche Vernehmung von Zeugen, eine Beschlagnahme von Beweismitteln oder eine Durchsuchung für erforderlich, so stellt sie ihre Anträge bei dem Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk die Handlung vorzunehmen ist. Die richterlichen Anordnungen oder Maßnahmen trifft der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Gerichts.

(3) Für die richterliche Vernehmung von Zeugen gilt § 98 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.

(4) Für die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, gelten die §§ 94 bis 97, 98 Abs. 4 sowie die §§ 99 bis 101 der Strafprozeßordnung entsprechend. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß eine Durchsuchung zur Auffindung solcher Beweismittel führen werde, so kann die Durchsuchung der Räume des Vereins sowie der Räume, der Sachen und der Person eines Mitglieds oder Hintermannes des Vereins angeordnet werden. Bei anderen Personen ist die Durchsuchung nur zur Beschlagnahme bestimmter Beweismittel und nur dann zulässig, wenn Tatsachen darauf schließen lassen, daß sich die gesuchte Sache in ihrem Gewahrsam befindet. Die §§ 104, 105 Abs. 2 bis 4, §§ 106 bis 110 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

(5) Bei Gefahr im Verzug kann auch die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine Beschlagnahme, mit Ausnahme der Beschlagnahme nach § 99 der Strafprozeßordnung, oder eine Durchsuchung anordnen. Die Vorschriften des Absatzes 4 sowie § 98 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein. Er ist Teil der "Hells Angels"-Bewegung. Durch Verfügung vom 29. September 2011 stellte das Innenministerium des beklagten Landes Hessen fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen. Der Kläger sei verboten und werde aufgelöst. Ferner wurde dem Kläger jede Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen untersagt. Die Verwendung seiner Kennzeichen wurde verboten. Das Vermögen des Klägers sowie näher bezeichnete Sachen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen.

2

Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegen die Verfügung gerichtete Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Der Kläger erstrebt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision.

II.

3

Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) und des Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (2.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

4

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Eine solche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.

5

a) Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob

"es für die Herstellung des Benehmens gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG ausreichend (ist), wenn die Verbotsbehörde eines Landes dem Bundesministerium des Innern lediglich den Entwurf der Verbotsverfügung überstellt und das Einvernehmen sich auf den Hinweis 'keine Anmerkungen' beschränkt, oder (ob) es erforderlich (ist), dass (sie) dem Bundesministerium des Innern die zum Vereinsverbot gehörenden Akten und Erkenntnisquellen zur Verfügung stellt, um einen Meinungs- und Erfahrungsaustausch herbeizuführen".

6

Eine Rechtsfrage mit einem derartigen Inhalt hat sich dem Verwaltungsgerichtshof nicht gestellt und war nicht Grundlage seiner Entscheidung. Sie kann deshalb mangels Klärungsfähigkeit nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. hierzu allgemein mit Nachweisen der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts: Beschluss vom 4. Oktober 2013 - BVerwG 6 B 11.13 - juris Rn. 19).

7

Der Kläger verweist zwar zu Recht darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 12) die Frage hat dahinstehen lassen, ob der Kläger lediglich ein Teilverein eines über das Gebiet des Landes Hessen hinaus tätigen Vereins sei. Denn in diesem Fall - so der Verwaltungsgerichtshof - sei das für ein Verbot durch das beklagte Landesministerium gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG erforderliche Benehmen des Bundesministeriums des Innern durch dessen Hinweis hergestellt worden, dass zu dem nach dort übersandten Entwurf der Verbotsverfügung keine Anmerkungen bestünden. Der Kläger vernachlässigt jedoch, dass der Verwaltungsgerichtshof weiter ausgeführt hat, der übersandte Bescheidentwurf selbst habe ausreichende Informationen enthalten, um das Bundesministerium in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Aufklärung zu betreiben. Aus diesem Grund hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich einen etwaigen aus der Nichtvorlage weiterer Erkenntnisquellen resultierenden Verfahrensfehler verneint. Hierzu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht. Sie bezeichnet damit eine rechtliche Problematik als grundsätzlich bedeutsam, die sich von derjenigen, auf die die Vorinstanz abgestellt hat, wesentlich unterscheidet.

8

b) Der Kläger wirft als grundsätzlich bedeutsam die Fragen auf,

"unter welchen Voraussetzungen im Rahmen eines vereinsrechtlichen Verbotsverfahrens von der durch § 28 Abs. 1 VwVfG geforderten Anhörung des Verbotsadressaten abgesehen werden (darf)",

und

"(ob) die insoweit vorgebrachte Bezugnahme auf einen möglichen 'Ankündigungseffekt' einer behördlichen Anhörung, der es dem Verbotsadressaten ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen, und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte, weiterer Feststellungen und Erläuterungen durch die Verbotsbehörde (bedarf)".

9

Diesen Fragen kommt mangels Klärungsbedürftigkeit eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Sie sind, soweit sie einer über den Einzelfall hinausweisenden Beantwortung zugänglich sind, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 29. Januar 2013 - BVerwG 6 B 40.12 - (NVwZ 2013, 521 <524>), den der Verwaltungsgerichtshof zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht hat (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2013 S. 3, GA Bl. 398 ff.), zu den in Rede stehenden Fragen, die die auch in dem seinerzeitigen Verfahren beteiligten Prozessbevollmächtigten des Klägers wortgleich aufgeworfen hatten, das Folgende ausgeführt:

Nach § 28 Abs. 1 VwVfG … ist vor Erlass eines Verwaltungsaktes, der - wie ein Vereinsverbot - in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Jedoch kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG … von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vereinsrecht (Urteile vom 18. Oktober 1988 - BVerwG 1 A 89.83 - BVerwGE 80, 299 <303 f.> = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 13 S. 19 f., vom 13. April 1999 - BVerwG 1 A 3.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30 S. 3 und vom 27. November 2002 - BVerwG 6 A 4.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 35 S. 36, Beschluss vom 10. Januar 2003 - BVerwG 6 VR 13.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 38 S. 61 f., Urteile vom 3. Dezember 2004 - BVerwG 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 77 f., vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 Rn. 13 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50, vom 1. September 2010 - BVerwG 6 A 4.09 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 55 Rn. 11 und vom 18. April 2012 - BVerwG 6 A 2.10 - NVwZ-RR 2012, 648 Rn. 11) genügt es, dass die Verbotsbehörde unter diesen Gesichtspunkten auf Grund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Das hat das Bundesverwaltungsgericht namentlich in Fällen angenommen, in denen das Unterbleiben einer vorherigen Anhörung damit begründet wurde, dass eine Unterrichtung des betroffenen Vereins über den bevorstehenden Eingriff vermieden und ihm so keine Gelegenheit geboten werden sollte, sein Vermögen, verbotsrelevante Unterlagen oder dergleichen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Ein derartiges Bestreben, einer Verbotsverfügung größtmögliche Wirksamkeit zu verleihen, rechtfertigt in der Regel das Absehen von einer Anhörung (Urteile vom 13. April 1999 und vom 27. November 2002 jew. a.a.O., Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O.).

Eine nur theoretische, nicht durch konkrete tatsächliche Hinweise belegte Möglichkeit eines die Wirksamkeit einer Verbotsverfügung beeinträchtigenden Ankündigungseffekts rechtfertigt es danach nicht, von einer Anhörung abzusehen. Notwendig - aber auch ausreichend - ist vielmehr, dass die Verbotsbehörde auf Grund ihr bekannt gewordener Tatsachen annehmen darf, eine Anhörung könnte der betroffenen Vereinigung die Gelegenheit geben, ihr Vermögen, verbotsrelevante Unterlagen oder dergleichen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Das wird in aller Regel bereits dann der Fall sein, wenn es tatsächliche Hinweise auf das Vorhandensein von nennenswerten Vermögensgegenständen oder Beweismaterial gibt. Weitergehender Feststellungen und Erläuterungen bedarf es nicht. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in der Vergangenheit darauf abgestellt, ob die Befürchtung eines negativen Ankündigungseffekts einer Anhörung bzw. das Bestreben, einem solchen Effekt durch Absehen von einer Anhörung zu begegnen, "nach den Umständen" nicht zu beanstanden (Urteile vom 13. April 1999 und vom 27. November 2002 jew. a.a.O., Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O., Urteil vom 3. Dezember 2004 a.a.O.) bzw. "nachvollziehbar" (Urteil vom 18. April 2012 a.a.O.) war.

Eine weitere allgemeingültige Präzisierung ist angesichts der Vielgestaltigkeit denkbarer Fälle nicht möglich.

10

Gesichtspunkte, die die bezeichneten Rechtsfragen im Hinblick auf die in dem Beschluss des Senats vom 29. Januar 2013 zusammengefassten Rechtsprechungsgrundsätze als klärungsbedürftig geblieben oder wieder klärungsbedürftig geworden erscheinen lassen könnten, enthält die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger bringt mit ihr lediglich zum Ausdruck, dass er die besagten Rechtsprechungsgrundsätze für nicht überzeugend hält.

11

c) Der Kläger möchte grundsätzlich geklärt wissen,

"(ob) die ausschließliche bzw. ganz überwiegende Inanspruchnahme dritter Behörden (sog. Hilfsbehörden) zur Erlangung von Informationen und deren anschließende Verwertung durch die Verbotsbehörde eine ausreichende eigenständige Ermittlungstätigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG (darstellen), mit der ein Vereinsverbot begründet werden kann, oder (ob) eigene Ermessenserwägungen und ergebnisoffene Ermittlungstätigkeiten der Verbotsbehörde zu fordern (sind)".

12

Dass dieser Frage keine Grundsatzbedeutung zukommt, ergibt sich ebenfalls aus dem Beschluss des Senats vom 29. Januar 2013. Der Senat hat dort (a.a.O. S. 523) auf eine mit Ausnahme des letzten Halbsatzes wortgleiche Frage dargelegt:

Soweit eine über den Einzelfall hinausweisende Antwort überhaupt möglich ist, ergibt sie sich … bereits unmittelbar aus dem Gesetz und muss deshalb nicht erst in einem Revisionsverfahren gefunden werden. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG kann die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen. Es versteht sich von selbst, dass die Verbotsbehörde im Rahmen ihrer Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts (§ 24 Abs. 1 VwVfG) auf Erkenntnisse zurückgreifen darf, die je nach dem in Rede stehenden Verbotsgrund bei anderen insoweit befassten Behörden angefallen sind. Die Einholung von Informationen bei anderen Behörden ist ein wesentliches Mittel der Sachverhaltsaufklärung (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwVfG) und steht nicht etwa in einem Gegensatz zu eigenständigen Ermittlungen der Behörde, … § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG hebt als naheliegende Behörden und Dienststellen eigens diejenigen hervor, die für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zuständig sind. Ob die durch ihre Inanspruchnahme erlangten Informationen nach Gehalt, Dichte und Zuverlässigkeit bereits allein ein Vereinsverbot begründen können oder ob die Verbotsbehörde darüber hinaus weitere Ermittlungen anzustellen hat, ist eine Frage der Würdigung des Sachverhalts in jedem Einzelfall. Dass die Verbotsbehörde die von ihr auch mit Hilfe anderer Behörden zusammengetragenen Informationen mit Blick auf die Verbotstatbestände eigenständig zu würdigen hat, versteht sich von selbst. Ebenso versteht sich von selbst, dass es an dieser eigenständigen Würdigung nicht allein deshalb fehlt, weil die Verbotsbehörde ihr überzeugend erscheinende Feststellungen anderer Behörden und Gerichte übernimmt.

13

Woraus sich unter Berücksichtigung dieser Ausführungen eine Klärungsbedürftigkeit der von dem Kläger bezeichneten Frage ergeben könnte, wird aus der Beschwerdebegründung nicht ansatzweise deutlich. Insbesondere hat der Kläger den Gehalt der Darlegungen des Senats nicht erfasst, wenn er meint, sie ließen Raum dafür, die im Rahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr bzw. der Strafverfolgung gewonnenen Erkenntnisse weitgehend unreflektiert in das Vereinsverbotsverfahren zu übernehmen.

14

d) Der Kläger misst der Frage Grundsatzbedeutung zu,

"(ob) ein Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund des aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgenden Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in verfassungskonformer Weise die Datenabfrage von Verbotsbehörden im Rahmen von Vereinsverbotsverfahren sowie die darauf folgende Übermittlung dieser Daten seitens der angefragten Behörde verwerten (darf), ohne im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes des § 86 Abs. 1 VwGO eigene unmittelbare Auskunftsersuchen an die aktenführenden Behörden zu richten".

15

Der Kläger führt hierzu aus, zunächst habe das Innenministerium des beklagten Landes die angefochtene Verbotsverfügung allein auf Erkenntnisse aus dem Bereich der Gefahrenabwehr bzw. auf solche aus strafrechtlichen Verfahren gestützt. Insoweit sei unsicher, wo sich eine hinreichende Befugnis der Verbotsbehörde zur Datenabfrage und eine solche der angefragten Behörde zur Datenübermittlung verankern lasse. Sodann habe der Verwaltungsgerichtshof die Verbotsverfügung allein auf der Grundlage der von der Verbotsbehörde auf die besagte Weise gewonnenen Daten aufrecht erhalten. Der Verwaltungsgerichtshof habe jedoch für eine Entscheidung unabhängig von der Problematik der Rechtsgrundlage für die behördliche Datenübermittlung den Sachverhalt durch Beiziehung der einschlägigen Strafurteile und Strafverfahrensakten bzw. sonstiger Daten gemäß § 86 Abs. 1 VwGO von Amts wegen eigenständig aufklären müssen.

16

Die derart erläuterte Frage ist revisionsgerichtlich nicht klärungsfähig bzw. nicht - erneut - klärungsbedürftig.

17

Der Verwaltungsgerichtshof hat als gesetzliche Grundlage der behördlichen Übermittlung von Daten an das Innenministerium des beklagten Landes als Verbotsbehörde für den Bereich der Gefahrenabwehr § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) und für den Bereich der Strafverfolgung § 481 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HSOG benannt (UA S. 13, zum Teil unter Inbezugnahme der Klageerwiderung vom 8. August 2012, GA Bl. 259 ff.). Er hat festgestellt, dass § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HSOG als bereichsspezifische Spezialregelung zu § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 HSOG eine - auch im Anwendungsbereich des § 481 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO zu beachtende - Ausnahme von dem sog. Zweckbindungsprinzip enthält. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 29. Januar 2013 (a.a.O. S. 523) geklärt, dass die in einer solchen Konstellation relevanten Vorschriften des irrevisiblen Landesrechts auch dadurch nicht zu revisiblem Bundesrecht werden, dass - für den Bereich der Strafverfolgung - die zwar revisible, aber für sich nicht klärungsbedürftige Norm des § 481 Abs. 1 StPO an sie anknüpft. Vielmehr kommen die polizeilichen Vorschriften, da sie § 481 Abs. 1 StPO als geltend voraussetzt, auch hier ausschließlich als irrevisibles Landesrecht zur Anwendung. Der Senat hat in diesem Zusammenhang zudem entschieden, dass die Frage, ob die landesrechtlichen Bestimmungen den für sich hinreichend geklärten bundesverfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG genügen, allein die Auslegung dieser landesrechtlichen Normen betrifft und deshalb keinen bundesrechtlichen Bezug aufweist. Der Senat hat schließlich klargestellt, dass die verwaltungsgerichtliche Ermittlung von Daten im Rahmen der Überprüfung eines Vereinsverbots dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung genügende gesetzliche Grundlagen in den allgemeinen verwaltungsprozessualen Bestimmungen der § 86 Abs. 1, § 99 Abs. 1 VwGO und in speziellen Ermächtigungen wie § 474 Abs. 1 StPO hat. Was die Anwendung dieser revisiblen Vorschriften anbelangt, liegt es auf der Hand und bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass ein Verwaltungsgericht die von der Verbotsbehörde - wie im vorliegenden Fall - in nicht zu beanstandender Weise ermittelten und für das Vereinsverbot verwandten Daten nach § 86 Abs. 1, § 99 Abs. 1 VwGO anfordern und für die vorzunehmende rechtliche Prüfung verwenden darf und nicht darauf verwiesen ist, die im Zusammenhang mit dem erlassenen Vereinsverbot entstandenen Verwaltungsvorgänge unbeachtet zu lassen und durch eigene Ermittlungen eine parallele Materialsammlung zu erstellen.

18

e) Der Kläger sieht als grundsätzlich bedeutsam die Frage an,

"welche Anforderungen an die verwaltungsgerichtliche Überprüfung des Merkmals 'Strafgesetzwidrigkeit' in Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG zu stellen (sind)".

19

Zur Konkretisierung dieser in ihrer Allgemeinheit nicht klärungsfähigen Frage verweist der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 18. Oktober 1988 - BVerwG 1 A 89.83 - BVerwGE 80, 299 <305 ff.> = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 13 S. 22 ff. und vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50 Rn. 17 f.), wonach ein auf den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG gestütztes Vereinsverbot rechtlich unabhängig von einer strafrichterlichen Verurteilung einzelner Mitglieder oder Funktionäre der Vereinigung ist, die Strafgesetzwidrigkeit vielmehr von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz geprüft werden muss. Der Kläger meint, es sei ungeklärt, nach welchen verfahrensrechtlichen Maßstäben diese Prüfung stattzufinden habe. Dies sei wegen einer drohenden Verkürzung der strafprozessualen Rechte der Betroffenen nicht hinnehmbar.

20

In dieser Umschreibung ist die aufgeworfene Frage nicht klärungsbedürftig. Denn es liegt unabhängig von der Durchführung eines Revisionsverfahrens klar zu Tage, dass die behördliche Prüfung, ob die Zwecke oder die Tätigkeit eines Vereins im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG den Strafgesetzen zuwiderlaufen, nicht anders als nach den verfahrensrechtlichen Maßstäben des Vereinsgesetzes sowie des jeweils anzuwendenden Verwaltungsverfahrensgesetzes und die verwaltungsgerichtliche Kontrolle dieser Prüfung nur in dem prozessualen Rahmen der Verwaltungsgerichtsordnung vorgenommen werden können. In diesem Zusammenhang geht der Einwand einer Beeinträchtigung strafprozessualer Rechte ins Leere. Denn der Sinn und Zweck des Verbotstatbestandes des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG besteht nicht darin, die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich vereinsrechtlich zu sanktionieren. Durch ihn soll vielmehr einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die sich daraus ergibt, dass Straftaten in einem vereinsmäßig organisierten Zusammenhang begangen, hervorgerufen, ermöglicht oder erleichtert werden (Urteil vom 19. Dezember 2012 - BVerwG 6 A 6.11 - NVwZ 2013, 870 <874>).

21

f) Der Kläger möchte die Frage einer grundsätzlichen Klärung zugeführt sehen,

"(ob) der nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) aus Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) folgenden Beweislast der Verbotsbehörden bezüglich der konkreten Geeignetheit eines Vereinsverbotes bzw. des Nichtvorliegens milderer, gleich effektiver Maßnahmen eine für die tatbestandliche Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit oder die Eröffnung eines behördlichen Rechtsfolgeermessens eigenständige Bedeutung zu(kommt), unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Rezeption der EMRK im bundesdeutschen Verfassungsrecht".

22

Diese Frage hat mangels Klärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie ohne vorherige Durchführung eines Revisionsverfahrens in eindeutiger Weise beantwortet werden kann.

23

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Beschluss vom 29. Januar 2013 a.a.O. S. 525 m.w.N.) ist den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf der Tatbestandsseite der Norm, das heißt bei der Prüfung Rechnung zu tragen, ob die Voraussetzungen eines Vereinsverbotsgrundes vorliegen. Bei dem Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG bildet das Erfordernis, dass ein unter dem Gesichtspunkt der Strafgesetzwidrigkeit relevantes Verhalten einzelner Personen dem Verein zurechenbar sein und dessen Charakter prägen muss (Urteile vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 16 und vom 19. Dezember 2012 a.a.O.), den Ansatzpunkt für die Berücksichtigung der aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ableitbaren Gebote. Dass der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 11 Abs. 2 Satz 1 EMRK weitergehende Anforderungen zu entnehmen sein könnten, legt die Beschwerde nicht nachvollziehbar dar.

24

g) Grundsätzlichen Klärungsbedarf sieht der Kläger für die Frage,

"(ob) die Verbotsbehörde bei der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG sowie der HessVGH bei der Aufrechterhaltung der auf diesen Grund gestützten Verbotsverfügung mit Blick auf die bisher obergerichtlich entwickelten Grundsätze der Zurechnung strafbaren Verhaltens von Vereinsmitgliedern das unmittelbar aus Art. 9 Abs. 2 GG folgende Verbot strafgesetzwidriger Vereine unzulässig ausgedehnt (haben)".

25

Hierdurch wird wörtlich verstanden schon keine fallübergreifende Rechtsfrage formuliert, sondern lediglich die Fehlerhaftigkeit der Rechtsanwendung durch den Verwaltungsgerichtshof in dem von ihm entschiedenen Einzelfall behauptet.

26

Soweit sich der Kläger allgemein gegen die Auslegung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit in der der vorinstanzlichen Entscheidung zu Grunde liegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wenden will, ist die aufgeworfene Frage nicht klärungsbedürftig. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 29. Januar 2013 (a.a.O. S. 525) auf eine von den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit identischem Wortlaut und im Kern gleicher Begründung wie hier gestellte Frage ausgeführt:

Danach erfüllt eine Vereinigung den Verbotstatbestand grundsätzlich dann, wenn ihre Mitglieder oder Funktionsträger Straftaten begehen, die der Vereinigung zurechenbar sind und ihren Charakter prägen (Urteil vom 18. Oktober 1988 a.a.O. S. 306 f. bzw. S. 23). Der Charakter einer Vereinigung kann durch Straftaten ihrer Mitglieder geprägt sein, wenn die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben, es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktion gehandelt hat, entsprechende strafbare Verhaltensweisen in großer Zahl sowie noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder aufgetreten sind oder die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (Urteile vom 1. Februar 2000 - BVerwG 1 A 4.98 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 32 S. 26 und vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 Rn. 42 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50). Der Kläger hält diese Kriterien für ungeeignet, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, und meint, eine den Charakter der Vereinigung prägende Kraft der von ihren Mitgliedern begangenen Straftaten dürfe erst dann angenommen werden, wenn die zugerechneten Taten im Sinne eines "allgemeinen Kriminalitätsnachweises" erkennen ließen, dass sich der Verein als Ganzes gegen die verfasste Rechtsordnung im Staat richte und daher - so der Kläger sinngemäß - den daraus folgenden Gefahren nicht mehr (allein) durch Ahndung und Verhinderung einzelner Straftaten mit den Mitteln des Strafrechts und Gefahrenabwehrrechts, sondern nur noch durch ein Vereinsverbot wirksam begegnet werden könne.

Dieses Vorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts herausgearbeiteten Kriterien, nach denen strafbares Verhalten ihrer Mitglieder einer Vereinigung zugerechnet werden darf und unter denen dieses Verhalten die Vereinigung zu prägen geeignet ist, bieten hinreichende Ansatzpunkte, um auf der Tatbestandsseite der Norm bei der Feststellung des Verbotsgrundes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen. Dies liegt auf der Hand und bedarf deshalb nicht erst einer Klärung in einem Revisionsverfahren. Die dies pauschal bestreitende gegenteilige Auffassung des Klägers läuft darauf hinaus, dass eine Vereinigung erst dann den Verbotsgrund erfüllt, wenn alle ihre Mitglieder straffällig werden und Zweck und Tätigkeiten der Vereinigung ausschließlich auf die Begehung von Straftaten gerichtet sind. Das wird seinerseits der Gefährlichkeit einer Vereinigung nicht gerecht, die durch die Straftaten ihrer Mitglieder geprägt wird. Der Schutz bedrohter Rechtsgüter Dritter erfordert ein Verbot auch dann, wenn die Vereinigung neben legalen Zielen durch das Verhalten ihrer Mitglieder strafrechtlich relevante Zwecke verwirklicht und dadurch geprägt wird.

27

Die Beschwerdebegründung lässt nicht erkennen, woraus sich trotz dieser Darlegungen des Senats - und unter Berücksichtigung der sogleich (unter h) und i) weiter folgenden Erörterungen - eine Klärungsbedürftigkeit der bezeichneten Frage ergeben könnte. Die Ausführungen, die der Kläger zur Erläuterung anbringt, stimmen in ihrem allgemeinen Teil weithin mit den Ausführungen seiner Prozessbevollmächtigten in dem Verfahren, das der Senat durch seinen Beschluss vom 29. Januar 2013 entschieden hat, überein und betreffen im Übrigen die für die Zulassung der Grundsatzrevision irrelevante Rechtsanwendung in dem durch die Vorinstanz entschiedenen Einzelfall.

28

h) Für grundsätzlich bedeutsam hält der Kläger die Frage,

"(ob) der Umstand, dass ein Verein seine in Haft befindlichen Mitglieder durch regelmäßige systematische Besuche und Unterhaltszahlungen unterstützt, dazu (führt), dass ihm die Straftaten der betroffenen Mitglieder in verbotsrelevanter Weise zugerechnet werden können".

29

Der Kläger meint, die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage ergebe sich daraus, dass eine Unterstützung inhaftierter Vereinsmitglieder nicht zwingend als Leistung von Hilfestellung und Schutz im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten angesehen werden müsse, sondern sich auch als wünschenswerter Beitrag zur Resozialisierung der Gefangenen darstellen könne.

30

Der Kläger vernachlässigt dabei, dass der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 22) festgestellt hat, dass die von dem Kläger organisierten Unterstützungsmaßnahmen für inhaftierte Vereinsmitglieder und der von ihm ins Werk gesetzte planmäßige Besuchsdienst gerade nicht als Akte legitimer Solidarität und damit auch nicht als resozialisierungsgeeignet angesehen werden konnten, sondern wenn nicht darauf angelegt, so doch jedenfalls geeignet waren, den Inhaftierten ein Gefühl bedingungsloser Wertschätzung und Geborgenheit auch nach Begehung schwer wiegender Straftaten zu vermitteln, ihre Loyalität gegenüber dem Kläger während der Inhaftierung und in der Folgezeit zu sichern und die Hemmschwelle für die Begehung künftiger Straftaten zu senken. Diese Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs hat der Kläger nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen, so dass sie den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindet. Auf ihrer Grundlage ist die gestellte Frage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats eindeutig zu bejahen und damit nicht mehr klärungsbedürftig.

31

Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 19. Dezember 2012 a.a.O. S. 874 f.) ist der Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG innerhalb des durch seinen Wortlaut gezogenen Rahmens nach seinem gefahrenabwehrrechtlichen Sinn und Zweck auch dann erfüllt, wenn Straftaten hervorgerufen, ermöglicht oder erleichtert werden. Im letzteren Fall ist es unerheblich, ob die Straftaten durch Funktionsträger, Mitglieder oder Anhänger der Vereinigung oder durch Dritte begangen werden. Dass Unterstützungshandlungen nach Art der hier von dem Kläger geleisteten eine Hervorrufung, Ermöglichung oder Erleichterung von Straftaten darstellen, hat der Senat an gleicher Stelle ebenfalls bereits entschieden.

32

i) Mit Grundsatzbedeutung ausgestattet sieht der Kläger die Frage,

"(ob) der Umstand, dass ein Verein Personen als Mitglieder aufnimmt, die in der Zeit vor der Vereinsmitgliedschaft Straftaten begangen haben, und straffällig werdende Mitglieder nicht ausschließt, eine der Vereinigung zurechenbare strafrechtswidrige Prägung (ist)".

33

Diese Frage ist, soweit sie einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung zugänglich ist, ebenfalls durch die zuletzt bezeichnete Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 19. Dezember 2012 a.a.O. S. 874 f.) bereits geklärt und deshalb nicht mehr klärungsbedürftig. Der Verwaltungsgerichtshof hat die durch den Senat herausgearbeiteten allgemeinen Grundsätze auf den für den Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht bedeutsamen Einzelfall angewandt, indem er den Umstand, dass der Kläger straffällig gewordene Personen - insbesondere Mitglieder anderer Charter der Hells Angels - übernommen und Straftäter nicht ausgeschlossen hat, als Indiz für dessen strafrechtswidrige Prägung gewertet hat.

34

j) Von grundsätzlicher Bedeutung ist nach Meinung des Klägers die Frage,

"unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Verbotsbehörde im Rahmen eines auf Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG gestützten vereinsrechtlichen Verbotsverfahrens auf der Rechtsfolgenseite ausnahmsweise Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit anstellen (muss)".

35

Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Frage im vorliegenden Fall nicht klärungsbedürftig und nicht klärungsfähig.

36

Der Senat hat in seinem Beschluss vom 29. Januar 2013 (a.a.O. S. 525) eine ähnliche Frage der Prozessbevollmächtigten des Klägers wie folgt beschieden:

Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts … geklärt. Danach muss die Verbotsbehörde auf der Rechtsfolgenseite grundsätzlich keine Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit des Verbots anstellen. Die Verbotsverfügung hat nicht die Funktion zu erfüllen, der Verbotsbehörde auf der Rechtsfolgenseite der Norm die Ausübung von Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu ermöglichen. Sie dient vielmehr - jedenfalls in der Regel - allein dazu, aus Gründen der Rechtssicherheit klarzustellen, dass eine Vereinigung einen oder mehrere Verbotsgründe erfüllt, und durch die entsprechende Feststellung die gesetzlich vorgesehene Sperre für ein Vorgehen gegen den Verein aufzuheben. Den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist deshalb bereits auf der Tatbestandsseite der Norm bei der Prüfung Rechnung zu tragen, ob die Voraussetzungen des Verbotsgrundes vorliegen (Urteile vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 87, vom 18. April 2012 - BVerwG 6 A 2.10 - NVwZ-RR 2012, 648 Rn. 75 und vom 19. Dezember 2012 - BVerwG 6 A 6.11 - Rn. 56).

37

Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass hier eine Ausnahmekonstellation bestehen könnte, die über eine durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitete Prüfung des Tatbestands des Verbotsgrundes aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG hinaus und letztlich in Widerspruch zur Regelungsstruktur des Art. 9 Abs. 2 GG (vgl. dazu: BVerfG, Beschluss vom 15. Juni 1989 - 2 BvL 4/87 - BVerfGE 80, 244 <253 f.>) ausnahmsweise Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit der Rechtsfolge in Form des ausgesprochenen Vereinsverbots erforderte. Der Kläger bringt vielmehr lediglich zum Ausdruck, dass er die von der Rechtsprechung anerkannten Kriterien für die Bejahung der Strafrechtswidrigkeit ablehnt bzw. nicht sämtlich erfüllt sieht, und kritisiert, dass die Frage einer zeitlichen Befristung des Verbots offen geblieben sei. Die Irrelevanz des erstgenannten Einwands ergibt sich bereits aus den bisherigen Darlegungen. Eine Befristung des Vereinsverbots erforderte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit schon deshalb nicht, weil sich die betroffenen Vereinsmitglieder jederzeit zu einer neuen Vereinigung zusammenschließen können, sofern diese sich nicht im Sinne des § 8 Abs. 1 VereinsG als eine Ersatzorganisation darstellt (vgl. dazu: Urteil vom 19. Dezember 2012 a.a.O. S. 875).

38

k) Der Kläger sieht eine grundsätzliche Bedeutung der Frage,

"(ob) für das Verbot eines Vereins im VereinsG hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlagen (fehlen), um der Verbotsbehörde eine dem unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgenden Gebot ausreichender Normbestimmtheit gerecht werdende Erhebung relevanter Daten von dritten Behörden zu erlauben und (ob) hieraus ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Vereins und seiner Mitglieder (folgt), der bundesverfassungsrechtlich zwingend entweder die Nichtigkeit der Verbotsverfügung gem. § 44 HVwVfG oder jedenfalls seitens der Betroffenen einen Anspruch auf Aufhebung der Verbotsverfügung gem. § 46 HVwVfG bedingt".

39

Dass diese Frage nicht klärungsfähig und nicht klärungsbedürftig ist, ergibt sich aus den obigen Darlegungen (unter c) und d).

40

2. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs leidet nicht unter den von dem Kläger geltend gemachten Verfahrensfehlern im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

41

a) Der Kläger meint, der Verwaltungsgerichtshof habe den Überzeugungsgrundsatz bzw. den Grundsatz der freien Beweiswürdigung des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO dadurch verletzt, dass er in den Gründen seiner Entscheidung (UA S. 23 f.) in Gestalt der Geschehnisse anlässlich einer Jubiläumsfeier des "MC Black Souls" bzw. deren strafrichterlicher Behandlung auf Umstände Bezug genommen habe, die ihm weder zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, noch bei der abschließenden Beratung bekannt gewesen seien. Der Verwaltungsgerichtshof habe ferner zu Unrecht die den Kläger belastenden Aspekte des fraglichen Geschehens, nicht aber die damit verbundenen entlastenden Gesichtspunkte - die Nichteröffnung der Hauptverhandlung durch das zuständige Strafgericht - gewürdigt.

42

Diese Rüge geht fehl. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er den in Rede stehenden Handlungskomplex, der in der mündlichen Verhandlung am 21. Februar 2013 zur Sprache gekommen sei, bei der Beurteilung der angefochtenen Verbotsverfügung - vollständig - unberücksichtigt gelassen habe. Er hat ausgeführt, er sei in dieser Weise verfahren, weil eine vereinsrechtliche Würdigung und Verwertung der Vorgänge eine aufwändige und langwierige Ermittlungstätigkeit mit ungewissem Ausgang vorausgesetzt hätte und die übrigen behördlichen Ermittlungsergebnisse das ausgesprochene Vereinsverbot selbständig getragen hätten. Der Umstand, dass das Landgericht Darmstadt die Eröffnung des Hauptverfahrens für die besagten Vorgänge weitgehend abgelehnt habe, sei auch bei der abschließenden Beratung am 28. Februar 2013 nicht bekannt gewesen.

43

Der Verwaltungsgerichtshof hat demnach entscheidend darauf abgestellt, dass das Vereinsverbot ungeachtet aller möglichen negativen und positiven Auswirkungen der bezeichneten Vorgänge auf eine hinreichende tatsächliche Grundlage gestützt war. Aus den Gründen seiner Entscheidung wird deutlich, dass er sich für diese Verfahrensweise wegen des Ermittlungsaufwands, den er zu genannten Vorgängen unabhängig von der erst später bekannt gewordenen strafrichterlichen Entscheidung über die Frage der Eröffnung des Hauptverfahrens hätte anstellen müssen, schon vor Abschluss seiner Beratung entschieden hat. Hiergegen bestehen keine durchgreifenden Bedenken.

44

b) Der Kläger wirft dem Verwaltungsgerichtshof vor, von einem falschen bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgegangen zu sein und dadurch die gerichtliche Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO und den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt zu haben. Der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 24 ff.) habe die sog. Strafaktion gegen das vormalige Vereinsmitglied M. in einen Zusammenhang zu einer strafrechtswidrigen und organisierten Vereinstätigkeit gerückt. Er, der Kläger, habe jedoch im Verfahren darauf hingewiesen, dass sich der Vorgang mit den von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgerichtshof angenommenen Umständen nicht ereignet habe. Es hätte einer weiteren Sachaufklärung unter seiner, des Klägers, Einbeziehung bedurft, um zu einem verfahrensgerechten und haltbaren Ergebnis zu kommen.

45

Mit diesem Vortrag hat der Kläger weder den geltend gemachten Aufklärungsmangel noch einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz entsprechend den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt. Die Aufklärungsrüge - und für die Rüge einer Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes kann in dem hier gegebenen Zusammenhang nichts anderes gelten - erfordert nicht nur die substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche Beweismittel hierfür in Betracht kamen und welche tatsächlichen Feststellungen voraussichtlich getroffen worden wären, sondern auch konkrete Angaben darüber, dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist bzw. die unterbliebene Beweisaufnahme sich diesem hätte aufdrängen müssen (stRspr; vgl. für den Senat zuletzt: Beschluss vom 19. Februar 2013 - BVerwG 6 B 37.12 - NVwZ 2013, 799 <801>). Die Beschwerdebegründung wird diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Sie können insbesondere nicht, wie es in der Beschwerdebegründung geschieht, allein durch einen Verweis auf den vorinstanzlichen Vortrag erfüllt werden, sondern verlangen eine Auseinandersetzung mit den einzelnen Erwägungen der vorinstanzlichen Entscheidung, an der es hier fehlt.

(1) Die Verbotsbehörde kann für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen. Ermittlungsersuchen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sind an die zuständige oberste Landesbehörde zu richten.

(2) Hält die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine richterliche Vernehmung von Zeugen, eine Beschlagnahme von Beweismitteln oder eine Durchsuchung für erforderlich, so stellt sie ihre Anträge bei dem Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk die Handlung vorzunehmen ist. Die richterlichen Anordnungen oder Maßnahmen trifft der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Gerichts.

(3) Für die richterliche Vernehmung von Zeugen gilt § 98 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.

(4) Für die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, gelten die §§ 94 bis 97, 98 Abs. 4 sowie die §§ 99 bis 101 der Strafprozeßordnung entsprechend. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß eine Durchsuchung zur Auffindung solcher Beweismittel führen werde, so kann die Durchsuchung der Räume des Vereins sowie der Räume, der Sachen und der Person eines Mitglieds oder Hintermannes des Vereins angeordnet werden. Bei anderen Personen ist die Durchsuchung nur zur Beschlagnahme bestimmter Beweismittel und nur dann zulässig, wenn Tatsachen darauf schließen lassen, daß sich die gesuchte Sache in ihrem Gewahrsam befindet. Die §§ 104, 105 Abs. 2 bis 4, §§ 106 bis 110 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

(5) Bei Gefahr im Verzug kann auch die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine Beschlagnahme, mit Ausnahme der Beschlagnahme nach § 99 der Strafprozeßordnung, oder eine Durchsuchung anordnen. Die Vorschriften des Absatzes 4 sowie § 98 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Hells Angels MC Charter Flensburg“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Flensburg. Mit der vorliegenden Klage wendet er sich gegen das vom Innenminister des Landes Schleswig-Holstein ihm gegenüber im April 2010 ausgesprochene Vereinsverbot.

2

Der klägerische Verein ging im Jahre 2003 aus der Spaltung des langjährigen Motorradclubs „Satisfaction Grenz MC“ mit Sitz in A. bei N. in die Chapter „West-Coast“ (A.) und „East-Coast“ (Flensburg) hervor. Das Chapter „East-Coast“ erhielt im April 2006 den Status eines „Prospect-Charters“ innerhalb der „Hells Angels“-Bewegung und am 06. Juni 2008 den endgültigen Status als Ortsverein. Im April 2010 bestand der Kläger nach Informationen des Beklagten aus 12 Mitgliedern, nämlich A. als Präsidenten des Ortsvereins, D. als Vizepräsidenten, S. als Schatzmeister, G. als Sekretär, M. als für die Durchsetzung von Recht und Ordnung innerhalb des Vereins, für die Ausführung von Anordnungen des Präsidenten sowie für die Verwaltung des Clubeigentums zuständigem sog. „Sergeant at Arms“ und J. als für die Logistik der sog. „Runs“ zuständigem „Road Captain“.

3

Eine geschriebene Vereinssatzung des Flensburger Ortsvereins (Chapters) ist nicht bekannt.

4

Der Beklagte stellte nach Einholung des mit Schreiben vom 20. April 2010 erteilten Benehmens des Bundesministeriums des Innern mit an den Kläger - zu Händen der namentlich genannten 12 Vereinsmitglieder - gerichteter Verfügung vom 21. April 2010 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Verein wurde verboten und aufgelöst. Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurden untersagt. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Der Bescheid wurde mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens für sofort vollziehbar erklärt.

5

Die Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen, begründete der Beklagte wie folgt:

6

Die Zweckbestimmung des Vereins sei neben dem gemeinsamen Motorradfahren auch eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisationen der „Bandidos“ und deren Supporterclubs in Schleswig-Holstein. Zum Beleg führte der Beklagte mehrere Straftaten an, deren Verfolgung sich überwiegend im Stadium staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren befinde (der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren bekannte Verfahrensstand wird jeweils nachfolgend wiedergegeben):

7

1. Strafverfahren gegen D. wegen Körperverletzung durch Zubodenschlagen eines Mannes bei einem Straßenfest in Leck im September 2008. - Dieses Strafverfahren wurde am 02. September 2009 vom Amtsgericht G-Stadt gemäß § 153 a Abs. 2 StPO nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt.

8

2. Versuchte räuberische Erpressung und Verstoß gegen § 52 des Waffengesetzes durch A.: Dieser habe den Geschäftsführer eines Flensburger Tattoo-Ladens durch Versuch einer Schutzgelderpressung geschädigt. In der Wohnung des A. sei im Dezember 2007 eine Schusswaffe mit Patronen sichergestellt worden, für die er keine waffenrechtliche Erlaubnis besessen habe. - Wegen der versuchten räuberischen Erpressung im April 2006 sowie einer vorsätzlichen Körperverletzung aus dem Jahr 2007 wurde A. mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Wegen des bis Februar 2008 andauernden Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Dieses Verfahren wurde durch Urteil des Landgerichts Flensburg vom 08. Juni 2009 gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die vorgenannte Verurteilung vom 23. Januar 2008 eingestellt.

9

3. Verstoß gegen § 374 Abgabenordnung (Steuerhehlerei) durch J. wegen Besitzes von 50 Stangen unverzollter Zigaretten mit russischen Banderolen im Juni 2009 bei einer PKW-Kontrolle von J. und C. V.. Im Hinblick auf diese Tat wurde J. mit Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 03. Februar 2010 zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 15,-- Euro verurteilt.

10

4. Mitsichführen verbotener Waffen (Dreikantstoßdolche, sogenannte Delta-Darts) durch S., Y. und AH. im Dezember 2009 bei der Einreise in die Schweiz. - Die insoweit von der schweizerischen Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen die gemeinsam eingereisten genannten Personen sowie gegen AB. wegen Vergehens gegen das schweizerische Waffengesetz wurden mit Verfügung des Untersuchungsrichters des Kantons Schaffhausen vom 24. August 2010 wegen Geringfügigkeit eingestellt; die beschlagnahmten Dolche wurden eingezogen.

11

5. Strafverfahren gegen A. sowie gegen M., P., S., V. und AH. wegen versuchten gemeinschaftlichen Totschlages durch Rammen des Motorrades eines Mitglieds der „Bandidos Neumünster“ auf der BAB 7 am 12. September 2009, bei dem der Geschädigte lebensgefährlich verletzt wurde. - A. wurde wegen des Vorfalls mit seit dem 11. Januar 2012 rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Die Ermittlungsverfahren gegen die übrigen Tatverdächtigen wurden von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg bereits im Februar 2010 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts eingestellt.

12

6. Verdacht des Verstoßes gegen § 22 a des Kriegswaffenkontrollgesetzes durch A., V. und S. aufgrund des Fundes eines umfangreichen Waffenarsenals im November 2009, welches nach bisherigen Erkenntnissen dem Kläger zuzuordnen sei, bei einem Flensburger Gewerbetreibenden.- Das entsprechende Ermittlungsverfahren befindet sich noch im Stadium der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen; Anklage ist noch nicht erhoben.

13

7. Verdacht gegen S. wegen Hehlerei von bei einem Getränkegroßhandel in A-Stadt gestohlenen alkoholischen Getränken, die im Januar 2010 sichergestellt wurden, sowie Munitionsbesitz des S. im Januar 2010. - Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wurde S. wegen unerlaubten Munitionsbesitzes in dem vorgenannten sowie einem weiteren, Ende April 2010 festgestellten Fall zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt. Ein Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wegen Hehlerei von Getränken ist nicht bekannt.

14

8. Besitz verbotener Waffen - sogenannter Delta-Darts - durch M. und V. im Januar 2010. - Das Verfahren gegen V. wegen Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde am 15. Juli 2010 von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg nach § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen geringer Schuld eingestellt. Das entsprechende Verfahren gegen M. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 19. November 2010 gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld eingestellt.

15

9. Verfahren gegen Y. wegen mittelbarer Falschbeurkundung sowie gewerbsmäßiger Hehlerei durch Handel mit gestohlenen Motorradteilen und Veranlassung nicht ordnungsgemäßer TÜV-Gutachten für Abnahmen nach der Straßenverkehrsordnung. - Y. wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 27. Oktober 2011 wegen Steuerverkürzung zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro verurteilt. Ein Abschluss eines Ermittlungsverfahrens wegen mittelbarer Falschbeurkundung ist nicht bekannt.

16

Die angeführten Straftaten charakterisierten nach Einschätzung des Innenministeriums das von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen geprägte Vereinsleben, das tatsächliche Ziel des Vereins und den wirklichen Zweck der Vereinstätigkeit in prägender Weise. Die Taten seien durch den Kampf um Territorial- und Machtansprüche gekennzeichnet. Insbesondere Straftat Nr. 5 diene erkennbar der Selbstbehauptung des Vereins gegenüber einer konkurrierenden Organisation und zeichne sich durch die gemeinschaftliche Beteiligung einer relativ großen Anzahl von Vereinsmitgliedern und Funktionsträgern aus. Auch der Waffenfund der Straftat Nr. 6 sei nicht mehr einer einzelnen Person zuzuordnen, sondern weise aufgrund des paramilitärischen Charakters der Waffen bzw. des Sprengstoffes auf eine gemeinsam begangene Tat einer organisierten Gruppe hin. Eine Vielzahl der Taten sei nicht längerfristig geplant, sondern ergebe sich aus Situationen heraus, in denen nicht alle Mitglieder spontan vor Ort verfügbar seien. Die Tatsache, dass einige der Mitglieder aufgrund ihrer räumlichen Entfernung zum Stadtgebiet von Flensburg kaum oder nicht an Taten beteiligt gewesen seien, stehe einer Zurechnung der Straftaten zum Verein nicht entgegen. Der Verein begünstige auch strafbares Verhalten seiner Mitglieder, indem er diesen Rückhalt biete, die individuelle Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten abbaue und Anreiz zu neuen Taten wecke. So sei der Präsident A. weiterhin in seiner Position als Vereinspräsident belassen worden, obwohl gegen ihn wegen zahlreicher teilweise schwerer Straftaten ermittelt worden sei. Auch hierin liege ein Anknüpfungspunkt für die Zurechnung seiner Taten zum Verein. Weiterhin werde durch finanzielle und persönliche Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder der Begehung weiterer Straftaten Vorschub geleistet, indem negative Auswirkungen der strafrechtlichen Verfolgung gemildert würden. Entsprechend den sog. „Rules“ der „Hells Angels“-Vereinigung kämen auch die Mitglieder des Klägers in den Genuss von Leistungen des sog. „Defense Fund“, der bei Verbüßen einer Gefängnisstrafe für finanzielle Unterstützung der Vereinsmitglieder, ggf. auch ihrer Angehörigen, sorge. Eine Zurechnung des strafgesetzwidrigen Verhaltens einzelner Mitglieder zum Kläger könne auch aus der fehlenden Distanzierung des Vereins zu solchen Verhaltensweisen abgeleitet werden.

17

Die zahlreichen festgestellten Waffendelikte ergäben ein stereotyp festgestelltes Verhaltensmuster der durchgehenden Ausstattung der Mitglieder des Vereins mit Waffen, die sie zu einer ständigen Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft befähige. Die festgestellte ständige Nachrüstung mit Hieb- und Stichwaffen selbst nach polizeilichen Sicherstellungen sei auf dem Hintergrund des erklärten „Krieges“ zwischen den „Hells Angels“ und den „Bandidos“ zu sehen. Das im Rahmen der Straftat Nr. 6 aufgefundene Waffenlager ermögliche eine Komplettausstattung aller Vereinsmitglieder und darüber hinaus auch von Supportern.

18

Soweit das Vereinsverbot darauf gestützt wurde, dass sich Zwecke und Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, verwies der Beklagten auf die Unterstützungsleistungen des sog. „Defense Fund“ an straffällige Mitglieder, welche eine eigene Rechtsordnung unter Inkaufnahme strafrechtlicher Verstöße und damit eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates beinhalteten.

19

Das Vereinsverbot sei verhältnismäßig, weil es die organisierte strafgesetzwidrige Tätigkeit des Klägers im Rahmen der anhaltenden Auseinandersetzungen mit den verfeindeten „Bandidos“ in Schleswig-Holstein unterbinden solle. Hierfür reiche es nicht mehr aus, nur einzelne Mitglieder oder Funktionsträger des Vereins strafrechtlich zu belangen. Auch ein bloßes Betätigungsverbot bei gleichzeitigem Fortbestehen des Vereins wäre zur Wahrung der Rechtsordnung nicht ausreichend, da der Verein die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit grob missachte.

20

Der Kläger hat am 28. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben. Diese wird wie folgt begründet:

21

Der Bescheid sei schon aus formellen Gründen rechtswidrig, weil die nach § 87 LVwG gebotene Anhörung des Betroffenen vor seinem Erlass nicht erfolgt sei. Eine Eil- oder Geheimhaltungsbedürftigkeit, die einen Verzicht auf eine Anhörung hätte rechtfertigen können, sei nicht gegeben.

22

Der Beklagte habe die aus § 4 VereinsG folgende Handlungsanweisung verletzt, dass das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren vor Erlass der Verbotsverfügung durchzuführen und abzuschließen sei. Stattdessen sei von den Ermittlungsbefugnissen vor dem Verbot kein Gebrauch gemacht worden. Der Beklagte habe sich ausschließlich auf eine Informationssammlung der ihm unterstellten Hilfsbehörden gestützt. Die Ermittlungen seien vorliegend nach Ergehen der Verbotsverfügung weitergeführt worden, während dem Kläger nach Zustellung der Verbotsverfügung jegliche Dispositionen und Handlungsmöglichkeiten, einem Vereinsverbot entgegenzuwirken, abgesprochen worden seien. Hierdurch werde die Gehörsverletzung noch verstärkt.

23

Das unter dem 15. April 2010 eingeholte Einvernehmen des Bundesministers des Inneren zu der beabsichtigten Verbotsverfügung sei fehlerhaft, weil die zugehörigen Behördenakten nicht mit vorgelegt worden seien und ein geordnetes Prüfungsverfahren des Bundesministers daher nicht möglich gewesen sei.

24

Angesichts der herausragenden Bedeutung der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG sei eine restriktive Anwendung vereinsrechtlicher Verbotsnormen erforderlich. Art. 9 Abs. 2 GG stelle eine verfassungsrechtlich zwingende Eingriffsschranke auf, die einer über sie hinausgehenden einfachgesetzlichen Ausgestaltung von Verbotsgründen entgegenstehe. Darüber hinaus sei von der Verbotsbehörde entsprechend dem polizeirechtlichen Übermaßverbot zu prüfen, ob vor Erlass eines Verbots mildere Maßnahmen möglich und geeignet seien, um eine Änderung der Statuten, Programmen oder Handlungsformen des Vereins zu erreichen oder diesen unter Aufsicht zu stellen.

25

Darüber hinaus könnten lediglich erhebliche Verstöße gegen Strafgesetze, die in einem angemessenen Verhältnis zur Verbotssanktion stünden, ein Vereinsverbot nach sich ziehen, sofern sie sich für den Charakter der Vereinigung als prägend erwiesen. Sie müssten im Verhältnis zu erlaubten Vereinsaktivitäten im Vordergrund stehen und den Charakter des Vereins ausmachen. Straftaten, die ausschließlich in der Privatsphäre der Vereinsmitglieder begangen worden seien, dürften keine Berücksichtigung finden, selbst wenn sie von mehreren Vereinsmitgliedern gemeinsam begangen worden seien. Maßgeblich sei, dass die strafrechtlich relevanten Aktivitäten der Mitglieder ohne organisatorischen Zusammenhang mit dem Verein nicht möglich gewesen seien. Insofern müsse ein Funktionszusammenhang mit dem Verein festgestellt werden, der beispielsweise in einer Anordnung oder Billigung von Straftaten durch Vereinsorgane liegen könne. Nicht ausreichend sei etwa eine das Vereinsleben prägende solidarische Pflicht zu „kameradschaftlichem Verhalten“. Relevant könnten schließlich lediglich solche Taten sein, die von Mitgliedern während der Dauer ihrer Mitgliedschaft begangen worden seien.

26

§ 4 VereinsG verpflichte die Verbotsbehörde zu eigenständigen Ermittlungen, denen gegenüber den Informationen von sog. Hilfsbehörden wie den Dienststellen der Polizei ein eigenständiger, unbeeinflusster Wert zukommen müsse. Eine ausschließliche und unreflektierte Übernahme von Erkenntnissen aus Strafverfolgungsverfahren und Strafurteilen sei vereinsrechtlich unzulässig. Auch wenn Ermittlungen zur Untermauerung bereits benannter Verbotsgründe noch nach dem Erlass der Verbotsverfügung fortgeführt werden könnten, müssten diese Gründe zum Zeitpunkt des Verbotserlasses bereits ausermittelt und benannt sein. Jedenfalls sei eine Verlagerung des eigentlichen Ermittlungsverfahrens auf eine Zeit nach Erlass der Verbotsverfügung rechtswidrig. Vorliegend hätten keine eigenständigen Ermittlungen der Verbotsbehörde stattgefunden, sondern diese habe ausschließlich die von dem Bestreben nach einem allgemeinen Verbot von Biker-Clubs getragenen Vorgaben des Landeskriminalamtes übernommen. Dies sei sachfremd und verletze das Übermaßverbot. Für die gerichtliche Entscheidung könnten lediglich die Verhältnisse im Zeitpunkt der angefochtenen Verbotsverfügung maßgeblich sein. Soweit nach diesem Zeitpunkt zu Tage getretene Umstände Berücksichtigung fänden, seien auch veränderte Verhältnisse der betroffenen Vereinigung zu berücksichtigen, jedenfalls soweit sie der Rechtsverteidigung dienten. Die dem Kläger zuzubilligenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkten sich nicht auf eine bloße Prozessführung, sondern ermöglichten auch den Ausschluss von Mitgliedern und die Aufgabe von Mitgliedschaften.

27

Die Verbotsverfügung lasse wesentliche soziologische Forschungsergebnisse, nach denen die subkulturellen Organisationsformen der Motorrad-Clubs zur Verhinderung krimineller Handlungen Einzelner beitrügen, indem sie eine integrativ wirkende Umgebung schüfen, unberücksichtigt.

28

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die in der Verbotsverfügung aufgelisteten Straftaten der acht aktuellen Mitglieder in keinem Zusammenhang zu den Aktivitäten der Vereinigung stünden, da sie überwiegend individuell veranlasst und auf einen spontanen Entschluss zurückzuführen seien. Überwiegend seien die Straftaten von nur geringem Gewicht und die entsprechenden Ermittlungsverfahren zum Teil durch die Strafverfolgungsbehörden eingestellt worden. Soweit die Verbotsverfügung eine außergesetzliche Ausrichtung des Vereins aus den Beziehungen des Klägers zur weltweiten Dachorganisation der „Hells Angels“ sowie aus der szenetypischen Bezeichnung des Vereins als „Outlaw-Motorcycle-Club“ ziehen wolle, verkenne dies zum einen die subkulturell integrative Ausrichtung der betreffenden Motorrad-Clubs und zum anderen die Herkunft des Begriffes „Outlaw“, durch den man sich lediglich den Versuchen der Monopolisierung des Motorradsports durch eine dominierende amerikanische Vereinigung habe widersetzen wollen. Verallgemeinernde Schlussfolgerungen der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung seien vereinsrechtlich verfehlt. Ein allgemeiner „Kriminalitätsnachweis“ von Motorrad-Clubs sei bislang nicht geführt worden. Ein strafrechtliches Inerscheinungtreten der Vereinsmitglieder sei auch nicht erforderlich, um den durch Vereinszusammenschluss gewünschten Statusgewinn zu erreichen. Dieser ergebe sich für den Einzelnen bereits mit dem Erhalt des Club-Emblems, da die Aufnahme in ein elitäres Kollektiv ihn physisch und psychisch stärker mache und an dem Anspruch, sich niemandem unterzuordnen, teilhaben lasse.

29

Das auch in Motorradclubs gelebte Prinzip der Solidarität könne sich auf allgemeine Wertorientierungen berufen, welche auch die staatsethische Grundlage für das soziale Staatsziel wie auch eine Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens innerhalb einer christlichen Werteordnung bildeten. Dass eine innerhalb des Vereins geltende Solidaritätsverpflichtung in rechtlich problematischer Weise über die Verhaltenserwartungen der herrschenden Gesellschaftskultur gestellt worden sei, sei vorliegend nicht in einer Weise dargelegt und ermittelt worden, welche den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG genügen könne. Vielmehr seien auch insoweit Erkenntnisse der ermittelnden Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden lediglich unreflektiert und ohne eigene Überprüfungen der Vereinsverbotsbehörde übernommen worden.

30

Der Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass sich der Kläger mit dem politischen Ziel einer Veränderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befasse. Er erkenne in der unterstellten organisierten Rechtsverteidigung und finanziellen Unterstützung straffällig gewordener Mitglieder lediglich ein unangepasstes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung. Dies könne im Ansatz nicht ausreichen, um ein Sich-Richten der Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung anzunehmen. Die Mitglieder des Klägers nähmen für sich lediglich die Rechte jedes Staatsbürgers in Anspruch. Der Kläger sei auch nach Darstellung des Beklagten weder kämpferisch noch aggressiv in Erscheinung getreten, um die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Die unterstellte wirtschaftliche Absicherung und Unterstützung über einen „Defense Fund“ wäre lediglich als organisiertes Handeln zur Wahrnehmung von Vereinsrechten ohne Außenwirkung einzuordnen. Die vom Beklagten diesbezüglich angeführten allgemeinen Satzungen und Regelungen der „Hells Angels“ seien den Mitgliedern des klägerischen Vereins bis zur Vorlage durch den Beklagten unbekannt gewesen und für ihn nicht konstitutiv. Eine Berücksichtigung zu Lasten des Klägers scheide daher aus. Der Beklagte habe keine Nachweise für den Bestand und die Funktionsweise eines „Defense Fund“ vorgelegt. Es existiere kein „Defense Fund“, auf den die Mitglieder des Klägers zurückgreifen könnten. Eine Unterstützung von Mitgliedern im Rahmen der Rechtsverteidigung erfolge seitens des Klägers nicht. Es würden lediglich im Einzelfall von Mitgliedern freiwillige Spenden geleistet und Darlehen gewährt, ohne dass hierfür Quoten vorgegeben oder Verpflichtungen errichtet würden. Es bestehe kein Anspruch auf derartige Unterstützung. Auch Angehörige von Mitgliedern würden grundsätzlich nicht finanziell oder sachlich unterstützt.

31

Gleiches treffe auf die vom Beklagten unterstellte Existenz einer Organisation inhaftierter Mitglieder der „Hells Angels“ mit Namen „Big House Crew“ zu. Zu einer solchen angeblichen Vereinigung bestehe kein Kontakt des Klägers oder seiner Mitglieder.

32

Zuletzt hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Mai 2012 - nach Anwaltswechsel - vorgetragen, dass dem Kläger aktuell acht Vollmitglieder angehörten, davon als Präsident Peter AE., als Vizepräsident Y., als Secretary G., als Sergeant at Arms M. und als Treasurer P.. Diese fünf Mitglieder bildeten den Vorstand. Weitere Mitglieder seien D., S. und AB.. Der vormalige Präsident A. sei im Januar 2010 aufgrund einstimmigen Beschlusses der übrigen Mitglieder aus dem klägerischen Verein ausgeschlossen worden. Auch J. habe den Verein im Januar 2010 verlassen und übe seither keine Vereinsfunktionen aus. V. sei im Februar 2011 aus dem Verein ausgeschieden. AH. sei zunächst lediglich sog. „Hangaround“ und dann „Prospect“ gewesen, der Verein habe ihm jedoch die Mitgliedschaft versagt. Im September 2010 habe AH. daraufhin den klägerischen Verein verlassen.

33

Weiterhin ist der Kläger der Auffassung, die bei insgesamt sechs Mitgliedern festgestellten „Delta Darts“ könnten nicht als Beleg einer allgemeinen Bewaffnung der Vereinigung ins Feld geführt werden, da zum Zeitpunkt ihres Auffindens nach bundesdeutscher Rechtslage nicht festgestanden habe, ob es sich um eine verbotene Waffe handele. Das Bundeskriminalamt habe die verbotsrechtliche Waffeneigenschaft, soweit durch eine Scheide der Eindruck eines anderen Gegenstandes entstehen könne, erst mit Bescheid vom 01. September 2010 festgestellt. Die Mitglieder des Klägers hätten lediglich Gegenstände mit sich geführt, die nach wie vor jedermann zugänglich seien.

34

Zu den einzelnen in der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Kläger Folgendes vor:

35

zu Tat Nr. 1.: Bei der 2008 vom Mitglied D. begangenen Körperverletzung habe es sich um eine vollkommene individuelle, spontane und keinen Bezug zum klägerischen Verein aufweisende Tat gehandelt. Die vom Täter getragene Kutte sei unter der zusätzlich übergezogenen Jacke nicht sichtbar gewesen. Es seien keine weiteren Mitglieder des Klägers anwesend gewesen. Der Streit sei wegen einer Zudringlichkeit gegenüber der damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau von D. entstanden.

36

zu Tat Nr. 2.: Die bereits im Jahre 2008 abgeurteilte Tat der versuchten räuberischen Erpressung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz des Vereinsmitgliedes A. liege vor dessen erst 2009 begründeter Mitgliedschaft.

37

zu Tat Nr. 3.: Eine Zurechnung des Verstoßes gegen die Abgabenordnung durch Mitsichführen unverzollter Zigaretten seitens des J. zum Verein komme nicht in Betracht, weil selbst der Beklagte dem Kläger keine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang unterstelle.

38

zu Taten Nr. 4. und 8.: Ein vereinsrechtlicher Funktionszusammenhang des den Mitgliedern S., Y., AH. und A. unterstellten waffenrechtlichen Verstoßes sei nicht erkennbar. Die Zurechnung nicht begangener Straftaten sei als unzulässige Kriminalisierung der Vereinigung zu werten, zumal das Ermittlungsverfahren vermutlich auch wegen des Rückwirkungsverbotes des erst am 01. September 2010 erlassenen Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes eingestellt worden sei. Die Zurechnung eines waffenrechtlichen Verstoßes setze voraus, dass die betreffenden Mitglieder überhaupt eine strafgesetzwidrige Tatbegehung erkennen könnten, welche sich der Verein zu Eigen mache könne. Dies sei vorliegend wegen des verspätet ergangenen Feststellungsbescheides des BKA denknotwendig ausgeschlossen.

39

zu Tat Nr. 5.: Bei der am 12. September 2009 vom ehemaligen Vereinsmitglied A. begangenen Tat auf der BAB 7 handele es sich um den einzigen von der Verbotsverfügung angeführten Fall eines organisatorischen Zusammenwirkens von Vereinsmitgliedern mit strafrechtlicher Relevanz. Die Ermittlungen hätten allerdings ergeben, dass es sich auch hier lediglich um ein Einzeldelikt ohne Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers gehandelt habe. Eine strafrechtliche Einbeziehung der übrigen anwesenden Mitglieder sei nicht etwa an der Nachweisbarkeit gescheitert, sondern diese in den Blick geratenden Vereinsmitglieder hätten zur Deeskalation beigetragen. Sie hätten der Tatausführung entgegengewirkt und damit zielgerichtet auf die Vermeidung von Straftaten hingewirkt, indem sie das Mittel ihrer Präsenz vor Ort eingesetzt hätten. Die Inanspruchnahme gegenseitiger Autorität sei Ausdruck einer gesellschaftlich anerkannten Methode der Konfliktvermeidung. Im Übrigen habe sich die Vereinigung durch den Ausschluss ihres Präsidenten A. deutlich von diesem distanziert. Das Handeln des ehemaligen Präsidenten habe daher in keiner Weise eine kollektive Anerkennung erfahren. Soweit das Mitglied A. auch während des laufenden Ermittlungsverfahrens bzw. seiner zeitweiligen Untersuchungshaft im Amt des Präsidenten belassen worden sei, liege darin kein verbotsrelevanter Rückhalt durch den Kläger, da selbst Beamte ihre Position regelmäßig bis zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe behielten. Auch in sonstiger Weise sei kein Rückhalt des Vereins für die Begehung der vorgeworfenen Taten erkennbar.

40

zu Tat Nr. 6.: Die Vermutungen, welche den Beklagten zur Zurechnung des Flensburger Waffenfundes an den Kläger geführt hätten, seien in keiner verwertbaren Weise belegt, zumal die Ermittlungen bis heute nicht abgeschlossen seien. Fingerabdrücke von A. und V. seien nicht auf den Waffen, sondern auf Bedienungsanleitungen gefunden worden. Fingerabdrücke des S. seien ebenfalls nicht an Waffen, sondern auf einer Kiste festgestellt worden. S. habe auch nicht über einen Schlüssel zur Werkstatt verfügt und sei im Übrigen Mitglied in einem Schützenverein, in dem auch großkalibrige Waffen beschossen würden. Auch weitere Spuren auf einer Außenhülle ließen keinen Bezug des Inhaltes zu einer bestimmten Person zu. Es bestehe auch kein Bezug der klagenden Vereinigung zu dem Handel des betreffenden Gewerbetreibenden mit Alu-Felgen, da Motorräder in der Werkstatt dieses Gewerbetreibenden nicht gewartet oder repariert würden.

41

zu Tat Nr. 7.: Ein Funktionszusammenhang der strafrechtlich nicht verfolgten Getränkehehlerei des S. zur Tätigkeit des Klägers sei nicht ersichtlich.

42

zu Tat Nr. 9.: Die dem Mitglied Y. zugeschriebene Begehung einer Fälschung von TÜV-Zertifikaten und des Handels mit entwendeten Motorrad-Teilen datierten aus dem Jahre 2004. Zu diesem Zeitpunkt seien weder der Kläger oder sein Vorgängerverein der „HAMC East-Coast“ existent gewesen, noch sei Y. damals Mitglied in einem Motorrad-Club gewesen. Eine Zurechnung von Verhaltensweisen, die die übrigen Vereinsmitglieder nicht zum Schutze des Vereines hätten verhindern können, müsse ausscheiden.

43

Insgesamt sei festzustellen, dass nur eine Minderheit von Mitgliedern, und zwar erhebliche Zeit vor Erlass der Verfügung, vereinzelt straffällig geworden sei, ohne dass eine Verbindung zum Vereinszweck ersichtlich wäre. Ein Vereinsverbot erweise sich daher als unverhältnismäßig. Zumal bei Berücksichtigung der Vereinsausschlüsse bzw. -austritte könne weder eine zeitliche Dichte von Straftaten noch eine Konzentration auf Funktionsträger der Vereinigung festgestellt werden. Es lägen keine Hinweise auf eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor vor. Widerlegt sei insbesondere eine hierarchische, Straftaten steuernde Handlungs- und Anweisungskompetenz des Vorstandes. Der Beklagte gründe seine Zurechnungsargumentation auf bloße Unterstellungen und Zuschreibungen, mit denen auf die „eigentliche Zweckbestimmung“ des Vereins geschlossen werden solle. Auch Anhaltspunkte für eine Betätigung des Klägers in unzulässigen Wirtschaftsbereichen seien nicht dargelegt.

44

Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, es fehle an einer verfassungsrechtlich erforderlichen bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage für Datenübermittlungen aus dem Bereich der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung an die Vereinsverbotsbehörde. § 4 VereinsG stelle lediglich eine Aufgabenzuweisung, aber nicht eine datenschutzrechtliche Befugnisnorm dar.

45

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Vorbringen vertieft und ergänzend geltend gemacht. Das bundesweite Vorgehen der Sicherheitsbehörden basiere auf einem gemeinsamen Strategiepapier vom Oktober 2010 und einer textbausteinartig vorbereiteten Musterverbotsverfügung, begleitet von einem von unzutreffenden diskreditierenden Zuschreibungen getragenen Aufbau eines negativen Bildes der sog. „Rocker“ über die Medien. Die konkrete Ermittlungsarbeit der Verbotsbehörde im jeweiligen Einzelfall sei hingegen völlig unzureichend. Nach dem kürzlichen Ausscheiden eines weiteren Mitgliedes, D., bestehe der Verein nunmehr nur noch aus sieben Mitgliedern, welche schlechterdings keinen Machtausübungsanspruch verkörpern könnten.

46

Der Kläger beantragt,

47

den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 aufzuheben.

48

Der Beklagte beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Er ist der Auffassung, dass der klägerische Verein trotz der Veränderung seines Namens und seines Status bis hin zur vollgültigen Aufnahme als rechtlich selbstständiges Charter der „Hells Angels“ MC im Jahre 2008 jedenfalls seit 2003, ggf. auch schon seit einem früheren Zeitpunkt, unter Fortführung seiner Identität bestanden habe. Von den zum Verbotszeitpunkt 12 Vereinsmitgliedern seien 9 Mitglieder selbst strafrechtlich in Erscheinung getreten, wobei die nicht oder nur in geringem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getretenen Mitglieder keine Funktionsämter innerhalb des Vereines bekleideten bzw. in relativ weiter Entfernung zum Vereinsstandort Flensburg wohnhaft seien, mithin für spontane Aktionen des Vereins wie die Straftat Nr. 5 auf der BAB 7 nicht zur Verfügung stünden.

51

Zur Zulässigkeit der Klage ist der Beklagte der Auffassung, dass der Kläger als nicht rechtsfähiger Verein gemäß § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 54, 709 Abs. 1 BGB nur durch alle Mitglieder gemeinsam prozessfähig sei, solange eine besondere Vertretungsmacht einzelner Mitglieder aufgrund der Satzung nicht nachgewiesen sei. Letzteres sei gerade nicht der Fall.

52

Der Beklagte bestreitet anhand eigener Erkenntnisse, dass der Präsident des Klägers A. im Januar 2010 aus dem Verein ausgeschlossen worden sein soll, und verweist auf gegenteiligen Vortrag des Klägers mit dem ursprünglich klagebegründenden Schriftsatz. Vielmehr sei A. nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2010 im gegenseitigen Einvernehmen in sog. „good standing“ aus der Mitgliedschaft entlassen worden. Nicht entscheidungserheblich sei der neuere Vortrag zum Austritt des J., da jedenfalls dessen Straftaten zuvor begangen worden seien. Soweit der Kläger nunmehr Statusänderungen der Mitglieder AB. und AH. nach Zustellung der Verbotsverfügung vortrage, sei dies als Betätigung entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 20 VereinsG sogar strafrechtlich relevant, in der Sache aber für die Begründung des Verbots nicht erheblich.

53

Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet.

54

Der Beklagte sei unabhängig davon, ob der Kläger zu einer bundesweit tätigen Organisation gehöre, wegen des auf das Land Schleswig-Holstein beschränkten Wirkungsbereichs des Vereins oder Teilvereins für dessen Verbot zuständig. Zur Erteilung des hier herzustellenden Benehmens des Bundesministers des Inneren sei die Übermittlung des Entwurfs der Verbotsverfügung ausreichend gewesen. Die Ermittlungen zur Erarbeitung der Verbotsverfügung seien durch ein eigenes Fachreferat des Beklagten unter Verwertung von Ermittlungsergebnissen und Erkenntnissen auch der dem Beklagten zugeordneten Ämter des Landeskriminalamtes und des Landespolizeiamtes erfolgt.

55

Die Verbotsverfügung sei nicht wegen unterbliebener Anhörung formell rechtswidrig, da mit einer Anhörung der mit der Verfügung verfolgte Zweck vereitelt worden wäre. Eine Anhörung hätte einen Ankündigungseffekt gehabt und es dem Kläger ermöglicht, seine vereinsinterne Infrastruktur, sein der Einziehung unterliegendes Vermögen sowie weitere beim Vollzug der Verbotsverfügung aufzufindende Beweismittel für die Verfolgung strafgesetzwidriger Vereinszwecke zu verschleiern, zu verdecken oder aus dem Zugriff des Beklagten zu entfernen. Einer Anhörung habe daher ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne von § 87 Abs. 4 LVwG entgegengestanden. Die Verschleierungs- bzw. Verschiebungsgefahr auf Seiten des Klägers werde beispielhaft deutlich an Vorgängen wie dem Abstellen des Tat-Pkw des A. nach der Tat vom 12. September 2009 auf einem Bauhof sowie dem Auffinden von eindeutig den Mitgliedern des Klägers zuzuordnenden Waffen bei einem Gewerbetreibenden in A-Stadt.

56

Die im Zusammenhang mit der Verbotsverfügung erfolgte Datenverarbeitung des Beklagten einschließlich der Übermittlung von Daten aus Strafverfahren könne auf die hinreichend bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen der § 11 Abs. 1 Nr. 2 LDSG i.V.m. §§ 177 ff. LVwG gestützt werden, da der Beklagte als für das Vereinsverbot durch Landesverordnung für zuständig erklärte Behörde Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehme. Hilfsweise sei auf die Generalklausel des § 14 Abs. 2 Nr. 6 BDSG zu verweisen.

57

Vor dem Hintergrund der durch die obergerichtliche Rechtsprechung im Rahmen des § 3 Abs. 1, Abs. 5 VereinsG errichteten Maßstäbe für eine Zurechnung von Straftaten zu einem Verein sei das klägerische Vorbringen nicht geeignet, eine Zuordnung der den einzelnen Mitgliedern zur Last gelegten Straftaten zu widerlegen. Insbesondere könne sich ein strafgesetzwidriger Zweck im Sinne von § 3 Abs. 1 VereinsG auch aus dem tatsächlichen Verhalten Einzelner oder erst recht der Mehrheit der Vereinsmitglieder ergeben, ohne dass Satzung und Ordnungen sowie die institutionell verfestigten Ziele und Programme eines Vereins ihn vorsähen. Die Begehung von Straftaten müsse auch nach den obergerichtlichen Maßstäben nicht der Hauptzweck des Vereins sein, um die Strafgesetzwidrigkeit seines Zwecks zu begründen; vielmehr könnten die den Verein prägenden Straftaten auch eine begleitende Erscheinung des Vereinszwecks sein.

58

Das klägerische Vorbringen stelle nicht in Abrede, dass der Kläger als Verein „entsprechend dem geltenden Ehrenkodex“ seine Mitglieder auch dann unterstütze, wenn sie selbst Straftaten begingen oder begangen hätten. So hätten mehrere Mitglieder durch ihre Anwesenheit die Tat ihres Präsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 vor und während ihrer Begehung durch körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern des rivalisierenden Vereins unterstützt und damit das Verhalten des Präsidenten gebilligt. Die Tat sei ein Beispiel für die Wirkung des Ehrenkodex. Ein weiterer Beleg für die Zurechenbarkeit einzelner Straftaten zum Verein sei das System des sog. „Defense Fund“, der gerade nicht auf eine Vorbereitung des jeweiligen Mitgliedes auf ein Leben im Anschluss an die Haftzeit gerichtet sei, sondern die Wirkungen einer Haftstrafe soweit wie praktisch möglich aufheben und die soziale Einbindung in den Verein sichern wolle. Der „Defense Fund“ belege, dass der Verein sich von vornherein auf eine Inhaftierung von Mitgliedern einstelle und die Wirkung der staatlichen Strafdrohung bzw. eines Entdeckungsrisikos bei Straftaten herabsetze. Er gehe über die Gewährleistungen einer Rechtsschutzversicherung bei weitem hinaus, greife auch bei vorsätzlichen Taten ein und sichere auch finanzielle Verpflichtungen eines vorläufig Inhaftierten oder eines zu einer Freiheitsstrafe Verurteilen im Sinne einer Schadensversicherung.

59

Soweit der Kläger eine Unterstützungshandlung des Vereins durch Belassen des Präsidenten A. in seinem Amt auch nach erheblichen Straftatenvorwürfen durch einen Hinweis auf das Beamtenrecht in Abrede stelle, sei darauf hinzuweisen, dass betroffene Beamte wegen des disziplinarischen Überhangs einer Straftat noch vor abschließender Feststellung der Strafbarkeit ihres Verhaltens vorläufig ihres Dienstes enthoben würden oder ihnen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werde.

60

Zu den einzelnen in der Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Beklagte wie folgt vor:

61

1. Bei seiner im September 2008 in Leck begangenen Körperverletzung habe das Mitglied D. die seine Zugehörigkeit zum Kläger ausdrückende Weste mit dem Vereinsabzeichen - die sogenannte Kutte - getragen und damit nach außen seine Mitgliedschaft kundgetan. Dies belege, dass sich die Mitglieder des Klägers allein durch ihre Identifikation mit dem Verein einer Außenwirkung bewusst gewesen seien, die ihnen die Begehung von Straftaten erleichtere und zugleich die Wirkungen der Strafverfolgung abzumildern geeignet sei. In diesem Strafverfahren hätten sich die Auswirkungen der Tendenzen des Vereins gezeigt, jegliche Zusammenarbeit mit staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden und Strafverfahren gegen Mitglieder soweit wie möglich zu behindern. So habe eine Zeugin ausdrücklich von Warnungen berichtet, gegen D. auszusagen, da er ein Mitglied des Klägers sei und man von solchen Leuten lieber die Finger lassen solle. Diese Zeugin habe eine Verhinderung für den Termin zur Hauptverhandlung angezeigt, was das Strafgericht als Angst vor einer Aussage gewertet habe. Ein vernommener Zeuge habe eine offensichtlich zu Gunsten des Angeklagten gesteuerte, unglaubwürdige Zeugenaussage abgegeben und versucht, seine Zugehörigkeit zum Umfeld des Klägers zu verschleiern. An diesem Vorgang lasse sich eine Einflussnahme des Klägers auf Personen aus seinem Umfeld ablesen, als deren Folge diese eine Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden verweigerten. Die Straftat des D. sei für sich genommen nicht in jeglichem Zusammenhang als einem Verein zurechenbar anzusehen, stelle sich jedoch in dem hier vorliegenden Gesamtzusammenhang als Teil einer gewaltsamen Selbstbehauptung des Klägers und seiner Mitglieder dar. Der Beklagte gehe entgegen dem Vortrag des Klägers von einer Mitgliedschaft des D. zum Begehungszeitpunkt aus, zumal er bereits im März 2008 bei einer Veranstaltung der „Hells Angels“ MC in Hannover als Mitglied des Klägers aufgetreten sei und bereits 2009 als Vizepräsident fungiert habe.

62

2. Die zu Ziffer 2 der Verbotsverfügung abgeurteilte Tat des Präsidenten A. sei insbesondere wegen des Verstoßes gegen §§ 51 f. Waffengesetz bedeutsam. Aus dieser Tat lasse sich ebenfalls die Tendenz zur gewaltsamen Selbstbehauptung des Vereins und seiner Mitglieder ableiten.

63

3. Auch der zu Ziffer 3 der Verbotsverfügung abgeurteilte Strafvorwurf gegen die Mitglieder J. und V. wegen Steuerhehlerei zeige sich als szenetypisch, da durch den Schmuggel von Zigaretten unter anderem an einer Basis für den wirtschaftlichen Erwerb im Vergnügungsgewerbe mitgewirkt werde. Dort suche der Kläger eine Vormachtstellung zu erlangen. Die Tatsache, dass bei der Tat zwei Mitglieder des Vereins gemeinsam ohne weitere vereinsexterne Personen tätig gewesen seien, lege eine Unterstützung oder Billigung seitens des Vereins nahe.

64

4. Die Ermittlungsverfahren der schweizerischen Polizei gegen die Mitglieder S., Y., AH. und den in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht aufgeführten AB. seien zwar wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, jedoch seien die sichergestellten Delta-Darts als verbotene Waffen eingezogen worden. In der hier festgestellten Variante mit Scheide sei dieses Kunststoffmesser durch Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 als Hieb- und Stoßwaffe, die ihrer Form nach geeignet sei, einen anderen Gegenstand vorzutäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauch verkleidet sei, eindeutig als waffenrechtlicher Verstoß gewertet worden. Der Bescheid habe lediglich deklaratorische Wirkung und unterliege daher keinem Rückwirkungsverbot. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum sei angesichts der Beschaffenheit der Waffe ausgeschlossen. Ein solcher Delta-Dart mit Scheide sei auch bei der Festnahme des Präsidenten des Klägers A. im Januar 2010 sichergestellt und das entsprechende Strafverfahren vor dem Amtsgericht A-Stadt im November 2010 gemäß § 153 a StPO unter der Auflage der Ableistung gemeinnütziger Arbeit eingestellt worden, was vom Angeklagten akzeptiert worden sei. Diese Straftat des A. sei zwar nicht Bestandteil der Begründung des Verbotsbescheides, belege jedoch eine strafrichterliche Bestätigung der Auffassung des Beklagten in Übereinstimmung mit dem Feststellungsbescheides des BKA.

65

5. Was die Straftat des Vereinspräsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 anbelange, so ließen sich die für eine vereinsrechtliche Zurechnung zum Kläger erforderlichen tatsächlichen Umstände dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 zweifelsfrei entnehmen. Das Landgericht habe ausdrücklich klargestellt, dass sich die abgeurteilte Tat in den Kontext des allgemeinen Konflikts zwischen dem „Hells Angels MC“ und dem „Bandidos MC“ einfüge. So habe das Landgericht als Motiv der Tat eine Disziplinierung der Mitglieder des gegnerischen Vereins wegen eines als solchem verstandenen „Gebietsverstoßes“ erkannt und die Tat demnach als Durchsetzung des vom Kläger mit strafbaren Mitteln verteidigten, die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols ausschließenden Territorialprinzips der Vereinigung gesehen. Ebenfalls sei durch das Landgericht festgestellt, dass diese zur Chefsache gemachte Reaktion auf einen vermeintlichen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ an einer Tankstelle im Raum Flensburg auf einer organisierten Willensbildung der Mitglieder des Klägers basiert habe. Durch die Feststellungen des Strafgerichts sei belegt, dass der damalige Präsident A. mitten in der Nacht per Mobilfunk binnen 20 Minuten insgesamt 3 Fahrzeuge mit mehreren Mitgliedern bzw. Unterstützern des Vereins zu einer bestimmten Stelle auf BAB 7 habe dirigieren können. Die dahingehende Willensbildung und -unterwerfung seitens der Mitglieder und Unterstützer belege den Rückhalt und die Unterstützung, die der Präsident bei seiner Tatausführung durch den Verein in vereinsrechtlich zurechenbarer Weise erfahren habe. Diese Unterstützungsleistungen umfassten sowohl die Vor- als auch die Nachtatphase, da festgestellt worden sei, dass A. das Tatfahrzeug nach der Tat auf einem Bauhof in XXX Stadt abgestellt habe und kurz darauf in der Innenstadt von Flensburg gewesen sei, wobei ihn angesichts des Wochentages und der Uhrzeit eine weitere Person gefahren haben müsse. Insgesamt habe die Tat nur auf Grundlage einer funktionierenden internen Willensbildung innerhalb des Klägers ins Werk gesetzt können, an der sich eine Vielzahl, nämlich insgesamt die Hälfte der Mitglieder, beteiligt habe. Es sei im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft Flensburg für eine Anklage der übrigen beteiligten Mitglieder des Klägers keine strafrechtlich hinreichende Grundlage gesehen habe, da sie dieses maßgeblich mit rechtlichen Unsicherheiten im Bereich des subjektiven Tatbestandes begründet habe. Der vereinsrechtliche Zurechnungszusammenhang reiche jedoch weiter und erlaube vorliegend die Zuordnung der Unterstützungsbeiträge der vor Ort festgestellten, teilweise auch in körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der gegnerischen Vereinigung verwickelten Mitglieder und damit des Klägers insgesamt. Aus den Ermittlungsakten ergebe sich, dass neben A. die Mitglieder V., S. und P. sowie der nach der Straftat in den Status eines Vollmitglieds aufgerückte AH. am Tatort gewesen seien und dem Präsidenten die vereinsrechtlich relevante Hilfestellung geleistet hätten. Der bei den körperlichen Auseinandersetzungen auf der BAB 7 im Nachgang zu der Straftat des Präsidenten A. am 12. September 2009 seinerseits schwer verletzte AH. habe zu diesem Zeitpunkt den für eine vereinsrechtliche Zurechnung seiner Mitwirkung ausreichenden Status eines sog. „Hangaround“ gehabt, wie sich durch Aufnäher an seiner sichergestellten Kutte ergeben habe.

66

6. Die vereinsrechtliche Zurechnung des bei einem Flensburger Gewerbetreibenden aufgefundenen Waffenlagers zum Kläger stehe für den Beklagten auf dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens außer Frage. Eine Anklage sei ausschließlich deshalb noch nicht erfolgt, weil noch nicht alle Ermittlungsansätze, die zum Auffinden noch weiterer Täter führen könnten, erschöpft seien; insoweit seien zwar auf den aufgefundene Waffen und Kriegswaffen genetische Spuren des Mitglieds des Klägers S. sowie daktyloskopische Spuren des Präsidenten des Klägers A. sowie der Mitglieder V. und - über die Erkenntnisse in der angefochtenen Verfügung hinaus - des Mitglieds J. nachgewiesen worden. Zudem habe der Gewerbetreibende, in dessen Betrieb die Waffen aufgefunden worden seien, angegeben, dass er von diesen keine Kenntnis habe, dass aber das Mitglied des Klägers S. über Schlüssel zu den betreffenden Geschäftsräumen verfüge. Somit ließen sich Spuren an dem Waffenlager von einem Drittel der Vereinsmitglieder nachweisen. Der Gewerbetreibende, in dessen Räumlichkeiten der Fund erfolgte, unterhalte zu weiteren Mitgliedern des Klägers geschäftliche Beziehungen, sodass insgesamt die Hälfte der Vereinsmitglieder theoretisch Zugang zu den aufgefundenen Waffen gehabt hätten. Angesichts der Dimension des Waffenlagers, die auf eine Ausrüstung einer größeren Organisation hinweise, sei die Tat der Willensbildung des Vereins zuzurechnen. Von Bedeutung sei auch, dass drei der strafrechtlich beteiligten Mitglieder - der Präsident A., der sog. Treasurer S. und der Road Captain J. - hochrangige Funktionsträger des Klägers seien.

67

Die Zuordnung von Spuren habe im Einzelnen ergeben, dass eine genetische Spur an einem Patronengurt sowie drei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem Koffer zur Aufbewahrung von Waffen und an einem Munitionskarton eindeutig dem Mitglied S. zugeordnet werden konnten. Dem Mitglied V. hätten zwei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einer bei den Waffen befindlichen Bedienungsanleitung für eine Pistole zugeordnet werden können, dem Vereinspräsidenten A. vier daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an derselben Bedienungsanleitung sowie dem Mitglied J. insgesamt acht daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem bei den aufgefundenen Waffen befindlichen Müllsack.

68

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. April 2012 ergänzend mitgeteilt, dass das diesbezügliche Ermittlungsverfahrens wegen des Waffenfundes immer noch nicht abgeschlossen sei. Ein kriminaltechnischer Beschuss der Waffen habe stattgefunden, wobei aber noch kein Ergebnis des Vergleichs mit der Tatmunitionssammlung des Bundeskriminalamtes vorliege, um eine Zuordnung zu anderen Straftaten zu ermöglichen. Er trägt vor, durch eine Zeugenaussage in einem Ermittlungsverfahren betreffend die „Hells Angels Kiel“ sei bestätigt worden, dass von diesen die in Flensburg aufgefundenen Waffen dem dortigen Charter der „Hells Angels“ zuzurechnen seien.

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7. Im Vordergrund der in der Verbotsverfügung unter Ziffer 7 aufgeführten Straftat stehe rechtlich gesehen nicht die Getränkehehlerei, wegen derer das Strafverfahren inzwischen eingestellt worden sei, sondern der am 06. Januar 2010 wie auch erneut am 29. April 2010 festgestellte, dem betreffenden Vereinsmitglied S. waffenrechtlich nicht erlaubte Besitz von Munition. Der Verbotsbehörde dürfte auch nach Erlass des Vereinsverbotes Ermittlungen gemäß § 4 VereinsG zum Zwecke der Sachverhalts-feststellung und zum Auffinden von weiteren Beweisen durchführen und Erkenntnisse anschließend in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung des Vereinsverbotes verwenden. Daher sei auch die bei der Untersuchung am 29. April 2010 bei dem Mitglied S. zur Beschlagnahme von Vereinsvermögen aufgefundene, waffenrechtlich nicht erlaubte Munition im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung des Vereinsverbots zu berücksichtigen. Die bei S. aufgefundene Munition belege, dass die unter der vorgenannten Ziffer 6 aufgeführte Tat im Zusammenhang mit dem Waffenfund bei dem Flensburger Gewerbetreibenden keine singuläre Aktion einzelner Mitglieder und des Vereins darstelle, sondern sich in ein verbreitetes Verhaltensmuster der Mitglieder im Rahmen einer gemeinsamen Willensbildung einfüge. Daraus ergebe sich ein innerer Zusammenhang der Taten Nr. 6 und 7 mit der Folge einer Zurechenbarkeit zum Kläger als Verein. Im Übrigen sei auch die Getränkehehlerei als sog. Absatzhehlerei dem Verein zuzurechnen, da S. - wie auch das Mitglied D. - mehrere Gaststätten mit Bezug zum Verein (u.a. durch Namensgebung „X. X“, welche die „corporate identity“ des Klägers berühre) betreibe bzw. betrieben habe.

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8. In den beiden durch Verfahrenseinstellung beendeten Verfahren wegen Besitzes eines verbotenen Delta-Darts mit Scheide gegen die Mitglieder des Klägers M. und V. sei bestätigt worden, dass der objektive Tatbestand einer Straftat erfüllt gewesen sei. Für eine Zurechnung an den Verein im Rahmen der Überprüfung des Vereinsverbotes sei es unerheblich, dass beide Angeklagte sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB berufen hätten. Die objektiv begangenen Taten belegten den allgemeinen Hang der Mitglieder des Klägers zur Bewaffnung und damit zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Interessen. Zu berücksichtigen seien auch die in den Ermittlungsakten erwähnten weiteren Funde von Waffen, insbesondere einer Handgranate.

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9. Die 2004 von dem Mitglied Y., dessen Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt der Kläger zunächst nicht bestritten habe, begangene Straftat des Handels mit Motorradzubehör und hiermit verwandte Dienstleistungen sei als szenetypisch im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer eigenen Vormacht- oder zumindest einer starken Stellung in jenem Wirtschaftsbereich anzusehen. Eine strafbare Tätigkeit eines Mitglieds in einem solchen Bereich komme typischerweise auch den Mitgliedern eines Vereins wie dem Kläger zugute, sodass das unwiderlegliche Indiz bestehe, dass der Kläger sein Mitglied zu seinem eigenen Vorteil in dieser Tätigkeit unterstütze. Die durch den rechtskräftigen Strafbefehl abgeurteilte Tat der Steuerverkürzung stehe im Zusammenhang mit der noch gesondert verfolgten Hehlerei gestohlener Motorradteile und dem Abverkauf von aus gestohlenen Teilen zusammengesetzten Motorrädern.

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Zur ergänzenden Begründung der Verbotsverfügung damit, dass der Kläger sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei zentral auf den vom Kläger eingerichtete sog. „Defense Fund“ zu verweisen. Nach den Erkenntnissen des Beklagten unterwürfen sich grundsätzlich alle bundesweit tätigen Charter des „Hells Angels MC Germany“ den Regeln des „Defense Fund“. Gleichwohl sei ein Vorgehen des Beklagten lediglich gegen einzelne Charter unter dem Gesichtspunkt einer Willkürfreiheit systemgerecht. Entscheidend sei insoweit, ob dem „Defense Fund“ in dem jeweiligen Charter eine Bedeutung zukomme. Die Einrichtung des sog. „Defense Fund“ beweise bereits eine abstrakt verfassungsfeindliche Gesinnung des einrichtenden Vereins, da wegen der Milderung der sozialen Folgen einer Freiheitsstrafe dem staatlichen Gewaltmonopol aktiv entgegengetreten werde. Eine kämpferisch-aggressive Betätigung eines Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung folge jedoch erst aus der praktischen Anwendung und Umsetzung des „Defense Fund“. Dieser schlage in die Grundlage eines aktiven Sich-Richtens des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung um, wenn innerhalb des Vereins Straftaten begangen würden, die unter anderem dadurch motiviert seien, dass angesichts des „Defense Fund“ die Wirkung der Strafe für eine begangene Tat deutlich hinter dem zurückbleibe, was mit der Bestrafung staatlich bezweckt sei. Entscheidend sei somit der „gelebte“ „Defense Fund“. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger vor. Insoweit unterscheide sich der Kläger auch von anderen Chartern des „Hells Angels MC Germany“ in Schleswig-Holstein, die im Vergleich zu ihm keine oder lediglich Straftaten geringerer Art und Umfangs aufwiesen.

73

Für eine kämpferisch-aggressive Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele sei bereits ausreichend, dass eine Vereinigung ihre eigene Ordnung partiell an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung setze und diese gegenüber Mitgliedern und Nichtmitgliedern ggf. gewaltsam, jedenfalls aber unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols durchsetze. Dies sei der Fall, wenn der Verein eigene Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung seiner Vereinsziele ansehe und eine staatliche Sanktion seiner Gewaltausübung ablehne, zu behindern oder in den Folgen abzuschwächen suche, was auf den Kläger, in Übereinstimmung mit allgemeinen Erkenntnissen über örtliche Charter des „Hells Angels MC Germany“ zutreffe. Die staatliche Ordnung werde unter anderem im Wege einer Selbstverpflichtung wie auch Verpflichtung Außenstehender zum Schweigen unterlaufen. In diese Schweigeverpflichtung würden auch Zeugen, die rechtlich zur Aussage verpflichtet seien, einbezogen.

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Die vom Landeskriminalamt zusammengestellten Ermittlungsergebnisse ergäben, dass die allgemeinen Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Betätigungen innerhalb der Bewegung der „Hells Angels“ in Deutschland auch auf den Kläger zuträfen. Insoweit wird auf eine Ausarbeitung des LKA vom 09. April 2011 über den „Hells Angels MC“ als Phänomen der organisierten Kriminalität“ verwiesen. Aus ihr ergebe sich, dass dem Kläger eine koordinierende Rolle für strafgesetzwidrige Zwecke und als alternativer Organisationsstruktur einer Macht- und Gewaltordnung für Mitglieder und bestimmte außenstehende Dritte unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols zukomme. So hätten sich auch Belege für eine Beteiligung des klägerischen Charters an der Wirkweise der Organisation der sog. „Big House Crew“ als Vereinigung inhaftierter Mitglieder des Klägers gefunden.

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Die Errichtung einer eigenen Rechts- und Gewaltordnung unter Ausschluss der staatlichen Ordnung zeige sich namentlich in den Straftaten des unerlaubten Waffenbesitzes und in Körperverletzungsdelikten zur Durchsetzung der Vereinsinteressen des Klägers. Insoweit verweist der Beklagte auf die in der Verbotsverfügung genannten Straftaten unter Nr. 2, 4, 7, 8 und dem Ereignis unter Nr. 6 (Waffenfund), welches eine Ausrüstung für paramilitärische Konflikte nahelege. Auch die Straftat zu Nr. 5 einschließlich des gesamten Tatablaufs der Alarmierung von Mitgliedern durch einen Supporter und die gemeinsame Anfahrt zum Tatort auf der BAB deute auf einen Anspruch des Klägers auf unbedingte Machtentfaltung hin, der mit dem staatlichen Gewaltmonopol nicht vereinbar sei. Insgesamt lasse sich den belegten Straftaten und dem Verhalten der Mitglieder entnehmen, dass der Kläger zwar nicht einen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung bezwecke, wohl aber das staatliche Gewaltmonopol ablehne und durch eine eigene Gewaltordnung zu ersetzen suche. Dies erfülle die Voraussetzungen eines kämpferisch-aggressiven Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

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In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, aus Art. 9 Abs. 2 GG folge die lediglich deklaratorische Wirkung einer Verbotsfeststellung, auf deren Bestand das nachträgliche Verhalten der Mitglieder keinen Einfluss mehr haben könne. Zum Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung hat er seinen schriftsätzlichen Vortrag vertieft und ergänzend ausgeführt, der klägerische Verein richte sich gegen die für die verfassungsmäßige Ordnung zentrale Gewährleistung der Menschenwürde, indem er Abweichler bestrafe und sie dadurch zum Objekt ihres Handels degradiere. Die kämpferisch-aggressive Ausrichtung des Klägers werde auch insoweit durch die Ausführung der Tat Nr. 5 auf der BAB 7 unzweifelhaft belegt. Demgegenüber komme dem - auch in Flensburg praktizierten - System des „Defense Funds“ für das Verbot eine vergleichsweise nachrangige Bedeutung zu.

77

Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 (4 MR 1/10) hat der Senat einen Antrag des Klägers vom 21. Oktober 2010 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung im Wesentlichen abgelehnt und die aufschiebende Wirkung der Klage lediglich insoweit angeordnet, als in der Verfügung die Einziehung von Sachen Dritter für sofort vollziehbar erklärt worden war.

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Das Gericht hat die Strafverfahrensakten zu den in der Verbotsverfügung genannten Taten beigezogen, ausgewertet und den Beteiligten zur Einsichtnahme zugesandt.

79

In der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2012 hat der Vertreter des Klägers nach Stellung der Anträge und Erörterung der Sach- und Rechtslage die Rücknahme der Klage erklärt. Der Beklagte hat seine Einwilligung hierzu nicht erteilt und hilfsweise für den Fall, dass der Senat nicht schon aufgrund der bislang vorgetragenen Straftaten von Vereinsmitgliedern zu der Überzeugung gelange, dass der Verbotsgrund des Zuwiderlaufens von Zwecken oder Tätigkeit des Vereins gegen Strafgesetze vorliege, einen Beweisantrag zu einem weiteren diesbezüglich relevanten, erst kürzlich zu seiner Kenntnis gelangten Sachverhalt der Schutzgelderpressung gestellt, wegen dessen Inhalt auf die Sitzungsniederschrift verwiesen wird.

80

Auch wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Strafverfahrensakten bzw. die hieraus gefertigten Kopien, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Der Senat hat trotz der in der mündlichen Verhandlung erklärten Klagrücknahme über die Klage zu entscheiden, weil die gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO nach der erfolgten Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung erforderliche Einwilligung des Beklagten in die Zurücknahme ausdrücklich nicht erteilt worden ist. Das Einwilligungserfordernis aus § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO dient dem Schutz des Beklagten, der den Rückzug des Klägers aus dem Verfahren verhindern können soll, nachdem durch Antragstellung verhandelt worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.06.2010 - 5 LB 110/10 -). Letzteres war vorliegend geschehen.

82

II. Die Klage ist in zulässiger Weise durch sämtliche nach Informationsstand des Beklagten und nach dem Vorbringen der Klägerseite in der Klageschrift zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorhandene Mitglieder des klägerischen Vereins erhoben worden. Die Klageerhebung für einen nicht rechtsfähigen Verein hat gemäß § 62 Abs. 3 VwGO in Vollmacht seiner gesetzlichen Vertreter und Vorstände zu erfolgen. Dies sind gemäß § 54 i.V.m. § 709 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Mitglieder des Vereins gemeinschaftlich, soweit nicht in einer Satzung Stimmenmehrheit vereinbart oder eine Übertragung der Geschäftsführung erfolgt ist. Letzteres ist hier nicht ersichtlich. Mit der Klageerhebung sind Vollmachten sämtlicher zwölf damals auch in der Klageschrift als Mitglieder namentlich benannter Personen - entsprechend dem Mitgliederstand nach Informationen des Beklagten -, alle datiert auf den 05. Mai 2010, zu den Akten gereicht worden. Zweifel an der Erfüllung der vereins- und prozessrechtlichen Voraussetzungen für die wirksame Klageerhebung des Vereins bestehen daher nicht. Soweit mit dem Anwaltswechsel im April 2012 Vollmachten lediglich von neun der ursprünglich zwölf vollmachtgebenden Mitglieder eingereicht worden sind, darunter eine Vollmacht des im nachfolgenden Schriftsatz vom 16. Mai 2012 nicht mehr als Mitglied bezeichneten J., begründet dies Zweifel weder hinsichtlich der Zulässigkeit noch hinsichtlich der wirksamen Mandatierung des klägerischen Anwaltes und Antragstellung. Nach dem klägerischen Vortrag sollen die nunmehr nicht mehr vollmachtgebenden ursprünglichen Mitglieder sowie zwei weitere Mitglieder zwischenzeitlich ausgeschieden oder ausgeschlossen worden sein. Jedenfalls für den insoweit allein maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat kann mangels gegenteiliger Erkenntnisse die Richtigkeit dieses Vortrages zugrunde gelegt werden, weil eine Trennung eines Mitgliedes selbst von einem lediglich zum Zwecke der Rechtsverteidigung gegen ein ausgesprochenes Verbot noch weiterbestehenden Verein möglich sein muss. Inwieweit dies Auswirkungen auf das Vorliegen der Verbotsvoraussetzungen hat, ist eine im Rahmen der Begründetheitsprüfung gesondert zu beantwortende Frage.

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Der Kläger ist allein zur Anfechtung des Verbots befugt, da die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung seiner Mitglieder als natürliche Personen, sondern die Rechtsstellung des klagenden Vereins als Gesamtheit von Personen betrifft. Der Kläger ist gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (vgl. zu alledem BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, Juris m.w.N.). Auch nach seinem Verbot und seiner Auflösung verbleibt ihm eine auf die Führung der Rechtsverteidigung beschränkte Rechtsstellung (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Kommentar zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 59).

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III. Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist lediglich insoweit rechtswidrig und daher gemäß § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben, als in ihm festgestellt wird, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ohne dass allerdings hierdurch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Feststellung, dass der Kläger verboten ist, berührt würde.

85

1. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung lagen vor. Der Beklagte als für die Regelung des Vereinswesens oberste Landesbehörde war gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig, da sich die nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen erkennbare Organisation und Tätigkeit des Klägers auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkte. Es ist von beiden Beteiligten vorgetragen und unbestritten, dass dem „Hells Angels MC Charter Flensburg“ eine eigenständige Stellung als Vereinigung innerhalb der bundes- und weltweiten sog. Bewegung der „Hells Angels“ zukommt. Die Mitglieder des Charter Flensburg sind sämtlich in Schleswig-Holstein wohnhaft und tätig; wesentliche Aktivitäten des Vereins außerhalb Schleswig-Holsteins sind nicht bekannt geworden.

86

Unabhängig von der Frage, ob der klägerische Verein lediglich eine Teilvereinigung eines über das Gebiet Schleswig-Holsteins hinausgehenden größeren Vereins der „Hells Angels“-Bewegung darstellt und eine Einholung des Benehmens des Bundesministers des Inneren nach § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG erforderlich war, ist dieses Benehmen nach Übersendung des Entwurfes der Verbotsverfügung mit Schreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 20. April 2010 vorsorglich erteilt worden. Darin, dass dem Bundesministerium nicht die weiteren Informationsgrundlagen zur Verfügung gestellt worden sind, welche zum Erlass des Vereinsverbots geführt haben, liegt kein Verfahrensfehler, der Zweifel an der Wirksamkeit des vorsorglich hergestellten Benehmens erwecken könnte. Der übersandte Entwurf des Bescheides enthielt selbst ausreichende Informationen, um den Bundesinnenminister jedenfalls in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Nachfragen gegenüber dem Beklagten zu tätigen. Dieses ist jedoch nicht erfolgt.

87

Die weiteren formellen Voraussetzungen für die angegriffene Verbotsverfügung, insbesondere die Schriftform, die Begründung und die Zustellung an den Verein sowie die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger (BAnz 74/2010 v. 19.05.2010, 1774) und im Amtlichen Mitteilungsblatt des Landes Schleswig-Holstein (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2010 Nr. 21/22, S. 389 f.) gemäß § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VereinsG, sind erfüllt.

88

Der Beklagte durfte von einer Anhörung des Klägers vor Erlass der Verbotsverfügung absehen. Zwar ist grundsätzlich dem von einem Eingriff in seinen Rechten Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 87 Abs. 1 LVwG). Hiervon kann jedoch unter anderem abgesehen werden, wenn eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG). Diese Voraussetzungen lagen vor. Mit dem Verbot des Klägers ist, entsprechend der in § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG vorgesehenen Regel, auch die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens sowie Sachen Dritter verfügt worden. Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, der es dem Kläger ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen, und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war (vgl. BVerwG, std. Rspr., Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 f., beide Juris, m.w.N.). Angesichts der einer Anhörung hier entgegengehaltenen Gefahren war dem Kläger auch kein Recht zuzugestehen, sich durch entsprechende Dispositionen wie eine allein durch den drohenden Erlass des Verbots veranlasste Distanzierung von Mitgliedern auf diese vereinsrechtliche Maßnahme einzustellen, wie es der Kläger in Anspruch nimmt.

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2. Die Verbotsverfügung ist insoweit rechtmäßig, als in ihr festgestellt wurde, dass der Zweck und die Tätigkeit des klagenden Vereines den Strafgesetzes zuwiderlaufen, und an diese Feststellung die in den nachfolgenden Ziffern 2 bis 5 ausgesprochenen rechtlichen Folgen geknüpft wurden. Der Senat ist zu dieser Überzeugung bereits aufgrund der Bewertung der Tatkomplexe gelangt, die Gegenstand der Verbotsverfügung waren, so dass es auf den mit dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag erstmals angesprochenen Sachverhaltskomplex einer Schutzgelderpressung gegenüber einer Flensburger Gastwirtin nicht ankam.

90

a) Die Zwecke und die Tätigkeit des Klägers laufen i.S.d. in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alt. GG den Strafgesetzen zuwider, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben.

91

Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, denn eine Vereinigung ist als solche nicht straffähig. Straffähig können nur natürliche Personen sein, da Strafbarkeit Schuldzurechnungsfähigkeit voraussetzt und diese nur natürlichen Personen zukommt. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Ergibt sich aus dieser eigenen Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln einer Vereinigung ein Verstoß gegen Strafgesetze, so ist der Verbotstatbestand erfüllt.

92

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Mitglieder der Vereinigung zugerechnet werden kann. Eine durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit muss den Charakter der Vereinigung prägen. Eine Vereinigung kann gleichzeitig verschiedene Zwecke, insbesondere neben dem satzungsmäßig ausgewiesenen legalen Zweck auch strafrechtsrelevante Ziele anstreben und durch das Verhalten ihrer Mitglieder verwirklichen. In diesem Falle ist es zur Erfüllung des Verbotstatbestandes nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht. Ebensowenig muss eine Strafgesetzwidrigkeit auf Dauer bestehen. Es genügt vielmehr, wenn eine Vereinigung erst im Laufe der Zeit strafgesetzwidrig wird oder die Strafgesetzwidrigkeit zeitlich begrenzt ist. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen, und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt. Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Die Einbeziehung dieser Fallkonstellation ist vor allem durch den Sinn des Verbotstatbestandes geboten: Mit ihm soll nicht die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich sanktioniert, sondern einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die in der Gründung oder Fortführung einer Organisation zum Ausdruck kommt, aus der heraus Straftaten geplant oder begangen werden. Derartige Organisationen bergen eine besondere Gefahr für die durch Strafgesetze geschützten Rechtsgüter in sich. Die ihnen innewohnende Eigendynamik und ihr organisiertes Sach- und Personalpotential erleichtern und begünstigen strafbares Verhalten. Zugleich wird das Verantwortungsgefühl des einzelnen Mitgliedes häufig gemindert, die individuelle Hemmschwelle zum Begehen von Straftaten abgebaut und der Anreiz zu neuen Straftaten geweckt. Eine derartige verbotsrelevante Hilfestellung muss nicht von vornherein auf die Begehung konkreter Straftaten ausgerichtet sein oder auf einem zuvor gefassten Vereinsbeschluss beruhen. Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten der Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten, gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre zu den Straftaten ihrer Mitglieder jederzeit den erwarteten Schutz (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275, Juris Rn. 15 f.; Beschl. v. 25.08.2008 - 6 VR 2/08 -, Juris Rn. 11; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, BVerwGE 80, 299, DVBl. 1989, 311 Rn. 38 f.). Im Falle der Überprüfung des 1983 erlassenen Vereinsverbotes gegenüber dem „Hell‘s Angels Motor-Club e.V.“ Hamburg hat das Bundesverwaltungsgericht die Zurechnung einzelner Straftaten unter anderem mit dem Gesichtspunkt begründet, dass die Straftaten in Vereinskluft begangen wurden und dadurch den Ruf des Vereins als besonders gewalttätige und brutale Rockergruppe begründet oder bestätigt hätten (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 50). Demgegenüber kommt es auf den in der Satzung niedergelegten Zweck (Motorradclub) nicht entscheidend an, da strafrechtliche Zwecke üblicherweise nicht offen gelegt werden. Soweit in der Vereinssatzung aber der Grundsatz der Solidarität ausdrücklich als Vereinszweck genannt wird, kann dies als Ausdruck der unter den Mitgliedern angestrebten umfassenden Solidarität gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 43).

93

Der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder kann sich auch daraus ergeben, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 32, Juris Rn. 12). Eine Prägung des betreffenden Vereins durch ihm zuzurechnende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern liegt insbesondere dann nahe, wenn es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktionen handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, sowie Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.) oder wenn entsprechende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern in großer Zahl sowie auch noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder erfolgen (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009, a.a.O.). Ein prägender Charakter kann sich auch daraus ergeben, dass die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, a.a.O.).

94

Ein Verbot wegen Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins setzt eine vorherige strafrichterliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Ebenso wenig besteht eine materielle oder formelle Bindung an die rechtliche Würdigung eines bereits ergangenen Strafurteils. Die Strafgesetzwidrigkeit ist von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.; Urt. v. 18.10.1988, a.a.O.; std. Rspr.).

95

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung ist derjenige ihres Erlasses. Zur Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit können, wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht, zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986; Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.1992 - 1 S 3626/88 -; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06/52 - sowie Beschl. v. 20.09.2006 - 4 AS 06.2036 -, alle in Juris). Berücksichtigungsfähig können auch Gesichtspunkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung nach Ergehen der Verbotsverfügung sein, soweit sie eine vor Erlass der Verbotsverfügung begangene Straftat betreffen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 38). Andererseits bietet Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG aber keine Grundlage für die Berücksichtigung von Veränderungen, die der Verein nach seinem Verbot vornehmen möchte, um dessen Voraussetzungen entfallen zu lassen. Solche nach Erlass der Verbotsverfügung geschaffenen Tatsachen können keine Wirkungen auf die Sachlage zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Verbotsbescheides mehr entfalten. Dem Verein sind im Übrigen Aktivitäten, soweit sie nicht die Rechtsverteidigung gegen das Vereinsverbot betreffen, und damit auch organisatorische Umgestaltungen, untersagt.

96

In Konkretisierung der genannten, aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG abgeleiteten Maßstäbe hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 VereinsG ausdrücklich ergänzende („auch“) Maßstäbe für die Zurechnung von Handlungen von Mitgliedern zum Verein festgeschrieben, wonach ein Verbot auch dann auf Handlungen von Mitgliedern gestützt werden kann, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu der Zielsetzung des Vereines besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Eine Erweiterung oder Einschränkung der zu Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 VereinsG in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe liegt in dieser ausdrücklich zur Schließung einer Regelungslücke getroffenen ergänzenden gesetzgeberischen Regelung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 45) jedoch nicht. Die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG sind in der Verfassung abschließend benannt; der Gesetzgeber darf keine zusätzlichen Verbotsgründe einführen (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Komm. zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 63; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot - Dogmatik und Praxis des Art. 9 Abs. 2 GG, Baden-Baden 2005, S. 115).

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b) Eine Strafgesetzwidrigkeit des klagenden Vereins lässt sich vorliegend anhand der dargestellten Maßstäbe bereits in ausreichender Weise aus einer Zurechnung der Straftat des damaligen Präsidenten des Klägers, A., vom 12. September 2009 - Nr. 5 in der Verbotsverfügung - ableiten. Wegen dieser Tat ist A. mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden. Die Tat und die sie begleitenden Umstände weisen ausweislich der Urteilsgründe einen eindeutigen Vereinsbezug auf. Der Tathergang gestaltete sich nach den rechtskräftigen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Flensburg wie folgt:

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Am 12. September 2009 hielt sich eine Gruppe der im Frühjahr 2009 in Neumünster gegründeten „Bandidos“, welche mit zeitgleicher Verfügung des Beklagen verboten worden sind, auf dem Rückweg von einer Ausfahrt nach Dänemark um 22.55 Uhr an einer Tankstelle unweit der BAB 7 bei Flensburg auf. Dort wurden die mit Kutten bekleideten „Bandidos“ durch ein Mitglied oder einen Unterstützer der Flensburger „Hells Angels“ beobachtet und es erfolgte über ein Mobiltelefon eines damaligen Mitgliedes des Klägers eine entsprechende Meldung an A. in seiner Funktion als Präsident. Dieser führte binnen weniger Minuten diverse Mobilfunkgespräche mit weiteren Vereinsmitgliedern mit dem Ziel, diese schnell an die BAB 7 heranzuführen, um den als solchen empfundenen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ zu sühnen. A. begab sich mit seinem Pkw an die Autobahnauffahrt Flensburg-Harrislee, wo um ca. 23.20 Uhr der Konvoi der „Bandidos“ eintraf, und befuhr hinter der Gruppe der „Bandidos“ die BAB 7, wobei ihm ein Pkw Golf folgte, der auf das Mitglied der „Hells Angels Flensburg“ V. zugelassen war. Im Bereich einer Baustelle, in der die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herabgesetzt war, näherte sich der PKW des A. dem Motorrad des „Bandidos“-Mitglieds K. und berührte dieses kurz mit dem Vorderrad. Dabei brachen die linke Fußraste des Motorrades und das Schaltgestänge, sodass das Getriebe des Motorrades nicht mehr geschaltet werden konnte. Etwa 170 m weiter unternahm der geschädigte Motorradfahrer der „Bandidos“ eine Vollbremsung und stürzte mit dem Motorrad auf die rechte Seite, wobei er lebensgefährlich verletzt wurde. A. flüchtete mit hoher Geschwindigkeit, stellte nur wenige Minuten später sein Fahrzeug nahe einem sein Vertrauen genießenden Motorrad-Reparaturbetrieb in XXX Stadt. ab und wurde gegen 0.22 Uhr in dem 25 km entfernten Flensburg festgestellt. Ein bis zwei Minuten nach dem Sturz des „Bandidos“ K. erreichte das Mitglied des Klägers AH. in seinem Pkw Golf die Unfallstelle und wurde zusammen mit einem weiteren Unterstützer des Klägers aus der sog. „Flensburg-Crew“ Opfer einer massiven Gewaltattacke der über den Vorfall empörten „Bandidos“. Ihm wurden mehrere Messerstiche zugefügt, aufgrund derer er im Krankenhaus operativ versorgt werden musste.

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Nachfolgend erreichte auch der Pkw des Mitglieds des Klägers V. die Unfallstelle, wendete fluchtartig über die niedrige Barriere zwischen den Fahrtrichtungen und verschwand in Richtung Norden.

100

Die Kammer des Landgerichts Flensburg hat in ihrem Urteil als Motiv der Tat eindeutig eine „Disziplinierung der feindlichen Rockergruppe“ identifiziert. Die „Bandidos“ hätten von weiteren „Gebietsverletzungen“ - in der Denkweise der beteiligten Rockergruppierungen - abgehalten und beeindruckt werden sollen, wobei diese Aufgabe, einen Denkzettel zu erteilen, von A. zur „Chefsache“ gemacht worden sei. Die Aktion habe eine Reaktion auf eine gezielte Provokation der „Bandidos“ dargestellt. Das Landgericht hat den Schädigungsvorsatz des Präsidenten A. gerade aus der Motivation und Entschlossenheit der Vereinigung der Flensburger „Hells Angels“ abgeleitet, keine Gebietsverletzungen zu dulden und als Ausfluss einer kompromisslosen Haltung auch schwere Verletzungen des Gegners notfalls hinzunehmen (S. 42 d. UA). Ein Tabu der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität der Mitglieder der feindlichen Gruppe scheide wegen des Verständnisses, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen sich besonders maskulin und machohaft gebärdenden Männern handele, aus. Eine Schädigung des Feindes unterstreiche erst recht die mit der Aktion bezweckte Botschaft. Bei der Strafzumessung hat das rechtskräftige Urteil das Tatmotiv, der verfeindeten Rockergruppe den Gebietsanspruch um den Raum Flensburg aufzuzeigen und zu demonstrieren, dass Versuche, diesen in Frage zu stellen, sofort mit die körperliche Integrität oder sogar das Leben gefährdenden Aktionen beantwortet werden würden, in erheblicher Weise zu Lasten des damaligen Präsidenten A. gewertet.

101

In seiner Revisionsbegründungsschrift ist der Angeklagte den tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Landgerichts lediglich insoweit entgegengetreten, als er die Nachweisbarkeit seiner Täterschaft sowie eines Körperverletzungsvorsatzes in Zweifel gezogen hat. Die dargestellten Bezüge zur Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der mit ihm verfeindeten Rockergruppe der „Bandidos“ wurden im Rahmen des strafrechtlichen Revisionsverfahrens ebenso wenig in Abrede gestellt wie im vorliegenden Verfahren wegen Vereinsverbots.

102

Der Senat hält die tatsächlichen Feststellungen der strafgerichtlichen Verurteilung nach Auswertung der beigezogenen Verfahrensakten für nachvollziehbar und schließt sich ihnen an. Entgegenstehende Gesichtspunkte haben sich auch aus dem Vortrag der Beteiligten nicht ergeben. Die Tat wurde von dem höchsten damaligen Funktionsträger des Klägers, dem Präsidenten, im ausschließlichen Interesse des Vereins ausgeführt. Das Landgericht hat festgestellt, dass ein persönliches Motiv des A. gegenüber dem Geschädigten K. nicht ersichtlich war. Die Tat fand in Anwesenheit mehrerer, binnen kürzester Zeit zur nachtschlafender Zeit über Mobiltelefone heran beorderter weiterer Mitglieder und Unterstützer des Klägers statt und war im Übrigen durch eine Benachrichtigung einer namentlich nicht feststehenden, jedoch dem Mitglieder- oder Unterstützerkreis des Klägers zuzurechnenden Person ausgelöst worden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine strafrechtlich relevante Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers neben dem Präsidenten A. waren aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden zwar nicht gegeben, sodass die gegen sämtliche anderen Mitglieder des Klägers - bis auf den ortsabwesenden, per Mobiltelefon kontaktierten und für Disziplinierung eigentlich zuständigen „Sergeant at Arms“ M. - eingeleiteten Strafverfahren mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 04. Februar 2010 eingestellt wurde. In der Einstellungsverfügung heißt es insoweit, dass diese Mitglieder zwar vermutlich am Tatort gewesen seien, ein direkter Tat- oder Unterstützungsbeitrag könne ihnen aber nicht hinreichend sicher nachgewiesen werden und ein subjektiver Exzess des damaligen Beschuldigten A. sei nicht auszuschließen. Ausweislich der Strafverfahrensakten und des Strafurteils des Landgerichts Flensburg haben sich jedoch sämtliche weiteren Mitglieder des Klägers - bis auf M. - im Rahmen des Strafverfahrens auf ihr Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Das Landgericht Flensburg hat im Urteil ihre Beteiligung an der Tat ausdrücklich für möglich gehalten und daher ein Aussageverweigerungsrecht als gegeben erachtet.

103

Die Tat, die von dem damaligen obersten Funktionär des klägerischen Vereins begangen worden ist, wurde im vereinsrechtlichen Sinne ermöglicht und unterstützt durch eine binnen weniger Minuten erfolgte gemeinsame Willensbildung, indem der Vereinspräsident mehrere Mitglieder und Unterstützer über Handy an die Autobahnauffahrt heran kommandierte und gleichzeitig mit einem Informanten Kontakt hielt, der den Aufenthaltsort des „Bandidos“-Konvois mitteilen sollte. Die diesbezüglichen Kommunikationsvorgänge werden durch den im strafrechtlichen Ermittlungsvorgang befindlichen Auswertebericht über Telefonüberwachungsmaßnahmen im Tatzeitraum sowie den zusammenfassenden Ermittlungsbericht des LKA vom 04. Dezember 2009 belegt. Durch Telefonüberwachungsauswertebericht vom 07. Dezember 2009 ist darüber hinaus dokumentiert, dass A. noch zwei Monate nach der Tat im Austausch mit weiteren Mitgliedern des klägerischen Vereins stand, welche Vorladungen zu einer polizeilichen Vernehmung über die Tat erhalten hatten, und dass er in diesem Kreis nach wie vor über Autorität verfügte, um eine gemeinsame Linie zum Aussageverhalten (Nichterscheinen bei der polizeilichen Vernehmung) auszugeben. Dieser Umstand wurde unter anderem im Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 25. März 2010 über die Kommunikationsüberwachung des inhaftierten damaligen Angeschuldigten A. als Anhaltspunkt für eine bestehende Gefahr der Beeinflussung vorgeladener Zeugen durch den Angeschuldigten gewürdigt. Dies spricht dafür, dass A. nach wie vor und trotz der bei den Mitgliedern bestehenden Kenntnis über die genauen Umstände der Tat über Rückhalt im klägerischen Verein verfügte und die Tat durch die Mitglieder jedenfalls widerspruchslos hingenommen, wenn nicht sogar gebilligt wurde. Eine Distanzierung der übrigen Mitglieder von ihm als Täter der gravierenden Straftat hätte jedenfalls zeitnah zur Tatbegehung erfolgen müssen, um vereinsrechtlich ins Gewicht zu fallen. Hier war sie unter Berücksichtigung der gemeinsam entwickelten Aussagestrategie der betroffenen Vereinsmitglieder in den eingeleiteten Ermittlungsverfahren nicht zu erkennen.

104

Angesichts der elementar dem gemeinsamen Selbstverständnis des Vereins entsprungenen Ausführungen und Organisation der Tat, der intensiven Kommunikation und des Zusammenwirkens mehrerer Mitglieder sowie der über Monate andauernden Aufrechterhaltung der Organisationstruktur des Klägers nach der Tat, was die Position des Präsidenten anbelangt, kommt dem gesamten Ereignis eine für den klägerischen Verein prägende Funktion zu. Ohne den Macht- und Geltungsanspruch des Vereins hätte es die Tat nicht gegeben, ohne die schlagkräftige Organisationsgewalt innerhalb des Vereins wäre die Tatausführung nicht in dieser Weise erfolgt und die Geschlossenheit der von den Ereignissen berührten Mitglieder hielt in einer grundlegenden Weise auch nach der Tat an.

105

Angesichts der durch die Tat am 12. September 2009 dokumentierten organisierten und vom Willen der Vereinsmitglieder getragenen, die Anwendung von Gewalt im vereinsrechtlichen Sinne billigend in Kauf nehmenden massiven Machtentfaltung des klägerischen Vereins unmittelbar im Vorfeld der Verbotsverfügung begründet das Ereignis bereits für sich genommen einen hinreichenden Anlass für das Verbot des Klägers wegen strafgesetzwidriger Zwecke und strafgesetzwidriger Tätigkeit. Im Hinblick auf diesen Verbotstatbestand ist die Tat derart einschlägig, schwerwiegend und zentral und dokumentiert die durch ein Vereinsverbot zu begrenzende Gefahr einer weiteren, Rechtsgüter gefährdenden Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Vereinigungen, dass es einer Zurechnung strafrechtswidriger weiterer Verhaltensweisen der Mitglieder an den Verein nicht mehr bedürfte, um das Vereinsverbot zu stützen. Auch ein singuläres Geschehen, eine einzelne Straftat kann schon ausreichen, um daraus das Vorliegen der Voraussetzungen für einen vereinsrechtlichen Verbotsgrund abzuleiten (vgl. auch Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 155).

106

c) Darüber hinaus treten hier jedoch weitere in der Verbotsverfügung aufgeführte Taten, die dem Verein zurechenbar sind, zur Untermauerung des Verbotsgrundes des Zuwiderlaufens der Vereinigung gegen Strafgesetze hinzu:

107

aa) Mehrere Mitglieder des Klägers sind durch waffenrechtliche Straftaten aufgefallen, bei denen sie teilweise auch zusammen auftraten; des Weiteren bestehen wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass sie mit einem in Flensburg aufgefundenen Waffenarsenal bedeutenden Ausmaßes in Verbindung standen.

108

aaa) Der zur Tatzeit bereits als Präsident des klägerischen Vereins eingesetzte A. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten wegen Verstoßes gegen §§ 52 Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz verurteilt (Nr. 2 in der Verbotsverfügung), nachdem im Februar 2008 bei einer Durchsuchung in seiner Wohnung eine halbautomatische Selbstladepistole der Marke „Sig-Sauer P 225“ - einer funktionsfähigen scharfen Schusswaffe - mit ausgefräster Individualnummer und 50 Patronen passender Munition festgestellt worden war, für welche A. keine waffenrechtliche Erlaubnis besaß. Strafschärfend berücksichtigte das Gericht die erhebliche Menge an aufgefundener Munition. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränke Berufung des Angeklagten stelle das Landgericht Flensburg das Verfahren mit Beschluss vom 08. Juni 2009 im Hinblick auf die Verurteilung durch ein Schöffengericht in Flensburg vom 23. Januar 2008 wegen versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil die Strafe neben der anderweitig verhängten Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fiel.

109

bbb) Der damalige Treasurer S. wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wegen unerlaubten Munitionsbesitzes (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz) in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt (Nr. 7 in der Verbotsverfügung), wobei einer der beiden Fälle die Lagerung von 500 Patronen „Remington Automatic“ Kaliber 45, 20 Patronen Übungsmunition und eine weitere Patrone des Kalibers 7 ohne waffenrechtliche Erlaubnisse im Januar 2010 betraf. Der weitere mit einbezogene Fall betraf einen erst in Vollzug der Vereinsverbotsverfügung festgestellten Munitionsbesitz. Der Angeklagte S. hatte seinen Einspruch gegen den wegen des Vorfalls vor Erlass des Vereinsverbotes ergangenen Strafbefehl auf die Rechtsfolgenseite beschränkt; diesen Munitionsbesitz hatte das Gericht ausweislich der Strafzumessungserwägungen als schwerwiegender angesehen als den nachfolgenden Munitionsbesitz. S. hatte bei Auffinden der Munition angegeben, er sei Mitglied im Schützenverein in Schleswig und bewahre seine eigene Munition zu Hause auf. Im Rahmen der Hauptverhandlung gab er an, er habe die Munition aus Platzgründen nicht im Schützenverein lagern können. Er sei schon zwei Jahre nicht mehr in dem Verein gewesen.

110

ccc) Konkrete Belege für dem klägerischen Verein zurechenbare waffenrechtliche Straftaten von Mitgliedern des Klägers haben sich auch aus dem unter Nr. 6 der Verbotsverfügung aufgeführten Auffinden eines umfangreichen Waffenarsenals bei einem Flensburger Gewerbetreibenden am 02. November 2009 ergeben. In einem Umkleideraum des Gewerbebetriebes in einem Spind sowie in einer Garage wurden vier Stangen eines vom Landeskriminalamt als brisant eingestuften, sowohl militärisch als auch gewerblich verwendbaren Sprengstoffs aufgefunden, darüber hinaus mehrere funktionsfähige Maschinengewehre, doppelläufige Flinten, Pumpguns, ein Sturmgewehr, mehrere Revolver sowie zugehörige Munition. Mehrere dieser Waffen sind nach den Ermittlungsergebnissen des LKA als Kriegswaffen im Sinne der Anlage zu § 1 Abs. 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KrWaffKontrG) einzustufen. Kriminaltechnische Ermittlungen des LKA haben nach den in dem Ermittlungsvorgang der Staatsanwaltschaft A-Stadt befindlichen behördlichen Gutachten, zusammengefasst im Auswertebericht des LKA vom 03. Dezember 2010, im Wege der DNA-Analyse den Nachweis zweier S. zuzuordnender telogener (ausgefallener) Haare an einem Patronengurt, der der Erlaubnispflicht nach § 2 Waffengesetz unterliegt, erbracht. Fingerabdruckspuren von S. wurden durch Gutachten des LKA vom 05. Juli 2010 an einem silberfarbenen Koffer, in welchem sich eine Maschinenpistole befand, an Plastikeinsätzen von Munitionsbehältnissen, Fingerabdrucksspuren des C. V. sowie des A. an der Bedienungsanleitung zu einer Pistole (Gutachten des LKA v. 15.07.2010) sowie Fingerabdrücke des J. an einem schwarzen Müllsack bei den Waffen (LKA-Gutachten v. 15.07.2010) nachgewiesen.

111

Auf einen deutlichen Vereinsbezug dieses umfangreichen und schwerwiegenden Waffenfundes deuten nach den Unterlagen in dem strafrechtlichen Ermittlungsvorgang auch Telefonate mehrerer Mitglieder des Klägers noch während der Untersuchung am 02. November 2009 sowie in den Tagen danach, darüber hinaus auch Aussagen des Inhabers der betreffenden Betriebsstätte des Auffindeortes hin. Der Gewerbetreibende, bei dem die Waffen gefunden wurden, hatte nach Unterrichtung über die beabsichtigte Durchsuchung die Polizeibeamten ungefragt darauf verwiesen, er könne nicht ausschließen, dass „zwielichtige Personen“ - nämlich Mitglieder der „Hells Angels“ - in seinen Räumlichkeiten Waffen lagerten. Auf Nachfrage nannte der Gewerbetreibende ausweislich des Auswerteberichtes des LKA vom 10. November 2009 S., A., M. und J.. Noch während der laufenden Durchsuchungsmaßnahme erhielt S. eine telefonische Nachricht hierüber von einer Angestellten des Betriebes; die Durchsuchung führte noch vor ihrem Abschluss zu Telefonaten u.a. zwischen A. und S. sowie A. und M. und wurde darin thematisiert. Aufgrund des Waffenfundes wurde weitere Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt, die am 06. Januar 2010 umgesetzt wurden; in ihrem Zuge wurde im Clubhaus des Klägers u.a. in der Küche der Mitglieder M. und J. eine Handgranate mit Zünder gefunden.

112

Wegen der in Betracht kommenden Straftatbestände ist nach Mitteilung des Beklagten zwar auch aktuell noch keine Anklage erhoben worden, weil noch weitere Untersuchungen durch das Bundeskriminalamt abgewartet werden müssten. Die Frage, wem die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die aufgefundenen Kriegswaffen gemäß § 22 a Abs. 1 KrWaffKontrG in strafrechtlicher Hinsicht zuzuordnen sein wird, ist somit derzeit noch nicht geklärt. Angesichts der deutlichen, mehrere Mitglieder des Vereins und deren Kommunikation untereinander umfassenden Bezüge des Waffenarsenals zum Kläger ist die hohe strafrechtliche Relevanz des Waffenarsenals jedoch in die vereinsrechtliche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit einzubeziehen. Dabei geht der Senat aufgrund der geschilderten Ermittlungsergebnisse davon aus, dass mehrere mit herausgehobenen Funktionärstätigkeiten betraute Vereinsmitglieder Kenntnis von den aufgefundenen Waffen hatten und mit ihnen unmittelbar in Kontakt gekommen waren, wobei der Kontakt mit einer Bedienungsanleitung und mit Munition in diesem Zusammenhang hinreichend aussagekräftig ist.

113

ddd) Der den Mitgliedern des Klägers S., Y., AH., M. und V. vorgeworfene Besitz sogenannter Delta-Darts mit zugehöriger Scheide (Nrn. 4 und 8 in der Verbotsverfügung) begründete zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verbotsverfügung hingegen jedenfalls keine Verhaltensweise, die dem Kläger vereinsrechtlich als strafrechtswidrige Tätigkeit von bedeutsamem Gewicht zugerechnet werden könnte. Den Mitgliedern S., Y., AH. sowie dem in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht genannten Mitglied AB. wurde ein derartiger, um den Hals der jeweiligen Person hängender Delta-Dart mit Scheide von der schweizerischen Polizei abgenommen, als sie gemeinschaftlich am 18. Dezember 2009 in einem Pkw die schweizerische Grenze überqueren wollten. Eine waffenrechtliche Untersuchung der schweizerischen Polizei ergab im Januar 2010, dass es sich hierbei um einen nach schweizerischem Recht verbotenen Gegenstand handele. Ein Delta-Dart mit Scheide ist - wie sich aus einer Fahndungsinformation des Regierungsbezirks Freiburg vom 16. Dezember 2009 aus dem schweizerischen Ermittlungsvorgang ergibt - nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Füllfederhalter getarnt und somit als Waffe nicht erkennbar, zudem aufgrund seiner Beschaffenheit und Auslegung im Rahmen einer sog. „Nachtschattenserie“ des Herstellers bei Kontrollen durch Metalldetektoren nicht feststellbar. Die betroffenen Mitglieder hatten als Zweck des Mitsichführens eine Eigensicherung angegeben und waren von der schweizerischen Polizei als Mitglieder der „Hells Angels“ eingeordnet worden. Bei den Mitgliedern M. und V. wurde jeweils ein Delta-Dart bei Durchsuchungen am 06. Januar 2010 in ihren Wohnräumen - wobei sich die Wohnung des Mitglieds M. im Clubhaus des Klägers befand - festgestellt und als Zweck des Besitzes ebenfalls angegeben, die Waffe diene als Verteidigungsmittel. Beide Mitglieder beriefen sich auf ihre subjektive Überzeugung, die Waffe besitzen zu dürfen. Die sie betreffenden Ermittlungsverfahren wurden, wie auch die von der schweizerischen Polizei geführten Verfahren, durch das Strafgericht bzw. die Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Einstellung durch den Untersuchungsrichter des Kantons Schaffhausen in Bezugsfall 4 der Verbotsverfügung erfolgte nach schweizerischem Recht wegen geringen Unrechts der Tat, geringen Verschuldens und unbedeutender Tatfolgen; die Einstellung des Verfahrens gegen C V. durch die Staatsanwaltschaft Flensburg im Juli 2010 (Bezugstat Nr. 8 in der Verbotsverfügung) erfolgte ausdrücklich unter Hinweis auf die nicht abschließend geklärte Rechtslage. Im Verfahren gegen M. erfolgte die Verfahrenseinstellung durch das Amtsgericht Flensburg gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld und mangelndem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung im November 2010, nachdem im Verfahren sowohl ein Behördengutachten des Landeskriminalamtes vom 21. Dezember 2009 mit dem Ergebnis, es handele sich bei dem Delta-Dart mit Scheide um eine verbotene Waffe im Sinne von § 2 Abs. 3 Waffengesetz in Verbindung mit deren Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.1, als auch ein gegenteiliges Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008, wonach es sich bei dem gegenständlichen Delta-Dart nicht um einen verbotenen Gegenstand handele, vorgelegt worden waren. Bis zur nach dem Verbotszeitpunkt liegenden Verfügung des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 bestanden nach bundesdeutscher Rechtslage jedenfalls Zweifel an einer Strafrechtswidrigkeit des Besitzes dieser Hieb- und Stichwaffe. Das Bundeskriminalamt war gemäß §§ 2 Abs. 5, 48 Abs. 3 Waffengesetz nur dann für die Entscheidung über eine Einstufung des Delta-Darts als verbotene Waffe zuständig, wenn Zweifel darüber bestanden, ob dieser Gegenstand vom Waffengesetz erfasst werde oder wie er einzustufen sei. Feststellungsbescheiden des Bundeskriminalamtes nach § 2 Abs. 5 Waffengesetz kommt kein Rechtsnormcharakter zu, vielmehr stellen sie Allgemeinverfügungen im Sinne von § 35 Satz 2 VwVfG des Bundes dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2009 - 6 C 21/08 -, NVwZ-RR 2009, 838; Gade/Stoppa, Kommentar zum Waffengesetz, 2011, § 2 Rn. 10). Selbst wenn danach die objektive Strafrechtswidrigkeit des Besitzes von Delta-Darts durch die oben genannten Mitglieder des Klägers vor Erlass des Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes und vor Erlass der Verbotsverfügung nicht ausgeschlossen ist, mindert die in dem vorherigen Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008 enthaltene waffenrechtliche Bewertung das vereinsrechtlich anzusetzende Gewicht einer solchen möglichen objektiv-rechtlichen Übertretung des Strafrechts in erheblichem Maße.

114

Insgesamt weisen die waffenrechtlichen Verstöße von teilweise in Führungspositionen befindlichen Mitgliedern des klägerischen Vereins eine für die Vereinstätigkeit und seine Zielsetzung prägende Tendenz auf, da sie nach Überzeugung des Senats jedenfalls auch der Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Rockergruppen gedient haben, in dichter zeitlicher Abfolge und trotz vorhergehender strafrechtlicher Ermittlungen wegen bzw. Ahndung von anderen Waffendelikten erfolgten und ein anderweitiger Zweck als derjenige der Verwendung im Zusammenhang mit Vereinstätigkeiten nicht erkennbar war. Auch S. hatte nach eigenen Angaben zwei Jahre lang nicht mehr den Sportschützenverein besucht, für den er die bei ihm festgestellte Munition erheblichen Ausmaßes bei sich gelagert haben wollte. Ein vereinsrechtlich prägendes Zusammenwirken zeigt sich nicht zuletzt im Rahmen des noch nicht abschließend strafrechtlich aufgeklärten Flensburger Waffenfundes, dessen Dimension zugleich ein ganz erhebliches Gefahrenpotential des klägerischen Vereins verdeutlicht.

115

bb) Von einem Vereinsbezug ist auch bei der mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 abgeurteilten und unter Nr. 2 der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftat einer versuchten räuberischen Erpressung seitens des A. durch Forderung eines Schutzgeldes gegenüber einem neu eröffneten Tätowierladen in Flensburg auszugehen, auch wenn das Strafurteil sich hierzu nicht verhält. Der Täter A. ist von dem geschädigten Inhaber des Tätowierladens ausweislich der Strafanzeige vom 15. April 2006 unmittelbar den „Hells Angels“ zugeordnet worden und es ergaben sich auch aus den Angaben des geschädigten Geschäftsinhabers durchaus Bezüge zu dem klägerischen Verein. Dieser hatte angegeben, bereits vor seiner Geschäftseröffnung mit den „Hells Angels“ in Flensburg Kontakt aufgenommen zu haben und eine von diesen geforderte Bargeldsumme in Höhe von monatlich 500,-- Euro zum Zwecke einer „gütlichen Einigung“ über die konkurrierenden Geschäftsbereiche im Tätowiergewerbe nicht aufbringen zu können. Dem Geschädigten sei dann drei Wochen nach Ladeneröffnung gesagt worden, dass er kein Geschäft eröffnen dürfe. Auch in seiner Zeugenvernehmung vom 15. April 2006 wies der geschädigte Geschäftsinhaber auf die Mitgliedschaft des ihn aufsuchenden Täters in der Rockergruppe „Hells Angels“ sowie darauf hin, dass der Inhaber des konkurrierenden Tätowiergeschäftes Kontakte zu den „Hells Angels“ habe. Die Tat ist daher auf dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Betätigungsbereichs des klägerischen Vereins zu sehen; ein persönliches Motiv des Vereinspräsidenten A. bei der Verwirklichung der Straftat ist nicht ermittelt worden. Dass geschäftliche Beziehungen von „Hells Angels“-Vereinen in Schleswig-Holstein zur Tätowierszene bestehen, ist im Übrigen allgemein bekannt. Dass dieser im Fall der Tat Nr. 2 konkret durch Zeugenaussage belegte Aspekt in den strafrechtlichen Ermittlungen sowie in der Begründung des Vereinsverbotes und der diesbezüglichen Argumentation des Beklagten während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Rolle gespielt hat, entfaltet für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung keine einschränkende Wirkung.

116

cc) Demgegenüber ist ein Vereinsbezug der unter Nr. 1 der Verbotsverfügung aufgeführten, am 07. September 2008 auf einem Bürgerfest in Leck von dem Vereinsmitglied D. begangenen Körperverletzung bereits aufgrund ihrer singulären Begehungsweise und des rein persönlichen Hintergrundes eher zweifelhaft. Zwar hat der von D. niedergeschlagene Mann nach dem Polizeibericht vom Tattag noch im Rettungswagen, in dem er versorgt wurde, ausgesagt, der Angreifer habe eine Lederkutte mit der Aufschrift „Hells Angels“ getragen, was dagegen spricht, dass die Kutte unter einer weiteren Jacke verborgen gewesen sein soll - wie der Kläger vorträgt -, und einen Anhaltspunkt für einen Vereinsbezug der Tat liefern könnte. Andererseits hat die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts Niebüll am 29. Juli 2009 ergeben, dass es zu der Körperverletzung infolge eines heftigen Wortwechsels zwischen dem Geschädigten und der polnischen damaligen Freundin des D., die er nach eigener Aussage vor dem Geschädigten schützen wollte, gekommen war. Weitere Mitglieder der „Hells Angels“ waren nicht zugegen, und angesichts der aus einer rein persönlichen Konfrontation erwachsenen Tat des Mitgliedes D. kann nicht schon deshalb von einer nachträglichen Hinnahme durch den Verein ausgegangen werden, weil dieser sich nicht erkennbar von der Tat distanziert hat.

117

dd) Auch bei der unter Nr. 3 der Verbotsverfügung genannten Steuerstraftat des Vereinsmitglieds J. vom 05. Juni 2009, die zu dem Erlass eines rechtskräftigen Strafbefehls vom 03. Februar 2010 durch das Amtsgericht Flensburg führte, handelt es sich um eine eher in der persönlichen Sphäre des Täters angesiedelten Tat, bei der ein Vereinsbezug aus Sicht des Senats Zweifeln unterliegt. Insbesondere geht aus dem Ermittlungsvorgang nicht hervor, ob es sich bei dem namentlich nicht benannten Fahrer des Kfz, in welchem die unverzollten Zigaretten gefunden wurden, um eine Person aus dem Verein oder dessen Umfeld gehandelt hat. Konkrete Feststellungen des Beklagten oder der Strafverfolgungsbehörden, dass der klägerische Verein aus dem Handel mit unverzollten Zigaretten einen wirtschaftlichen Gewinn zog oder diesen überhaupt als eigenen Tätigkeitsbereich förderte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

118

ee) Auch die unter Nr. 9 der Vereinsverbotsverfügung aufgeführte, mit einem Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 28. Oktober 2011 rechtskräftig mit einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro bestrafte Steuerverkürzung durch das Vereinsmitglied Y. im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 ist als eher individuell geprägte Straftat dem Verein nicht zweifelsfrei zuzurechnen. Die Tat bezog sich auf eine im Jahr 2005 aufgegebene, vom Mitglied des Klägers Y. sowie einer weiteren Person, die nicht Vereinsmitglied war, als Gesellschafter betriebene Motorrad-Werkstatt, in der Motorräder teilweise aus gestohlenen Teilen zusammengebaut und verkauft wurden. Die Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen wiesen die Erlöse aus der Herstellung und Veräußerung der Neuaufbauten nicht vollständig aus, vielmehr wurde eine gesonderte „zweite Kasse“ geführt, wodurch auch die Herkunft der verwendeten Fahrzeugteile verschleiert werden sollte, soweit sie durch Straftaten erlangt worden waren. Dass weitere Vereinsmitglieder in die Beschaffung von Teilen oder in die durch den Strafbefehl sanktionierte Praxis der Buchführung und Angaben gegenüber dem Finanzamt verwickelt gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Zudem lagen der Betriebszeitraum der Werkstatt sowie die steuerlichen Veranlagungszeiträume mehrere Jahre vor dem Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung, sodass es wegen der gefahrenabwehrenden Intention des Verbotstatbestandes wohl eines weiteren inhaltlichen Bindegliedes zur Prägung von Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereines im Verbotszeitpunkt bedurft hätte.

119

d) Soweit die Kläger zuletzt vorgetragen haben, dass die Mitglieder A., J., V. und AH. im Januar bzw. September 2010 bzw. (V.) im Februar 2011 aus dem klägerischen Verein ausgeschieden seien, steht dies einer Zurechnung der den Verbotsgrund bereits für sich tragende Straftat Nr. 5 vom September 2009 nicht entgegen. Diese ist vor dem zuletzt vom Kläger vorgetragenen Datum des Ausscheidens von A. begangen worden; eine zeitnahe Distanzierung des Vereins war nicht erfolgt (s.o.). Was etwaige Vereinsaustritte oder -ausschlüsse nach April 2010 betrifft, so kann eine vereinsrechtliche Zuordnung strafgesetzwidriger Verhaltensweisen durch Ausscheiden aus dem Verein nach dem Zeitpunkt des Erlasses der Vereinsverbotsverfügung nicht mehr unterbrochen werden, weil sich in ihr keine Abkehr von einer zuvor geübten Unterstützung oder Verwirklichung strafgesetzwidriger Zwecke oder Tätigkeiten dokumentiert. Nach Verbot und Auflösung eines Vereins besteht dieser lediglich beschränkt auf den Zweck der Rechtsverteidigung gegenüber dem Verbot fort. Für eine weitere Tätigkeit und somit auch für deren Befürwortung oder Ablehnung seitens der Mitglieder ist daher kein Raum mehr (s.o.). Hierin liegt nicht etwa eine unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit bedenkliche Beschneidung von Dispositionsbefugnissen des klägerischen Vereins, sondern eine an der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Rechtsfolge der Auflösung eines verbotenen Vereins orientierte, der Gefahrenabwehr dienende Rechtsfolge. Im Übrigen fehlt es an glaubhaften Darlegungen, dass die Vereinsaustritte bzw. -ausschlüsse tatsächlich bereits zu den vorgetragenen Zeitpunkten erfolgt sind. Ein gewichtiges Gegenindiz liegt darin, dass die Vereinsmitglieder A. und J. noch am 05. Mai 2010 gemeinsam mit allen anderen Vereinsmitgliedern eine schriftliche Vollmacht zur Klageerhebung im vorliegenden Verfahren ausgestellt haben und in der Klagebegründung als Mitglieder bezeichnet worden sind, das Vereinsmitglied J. darüber hinaus auch den derzeitigen klägerischen Anwalt mit schriftlicher Vollmacht vom 26. März 2012 mandatiert hat.

120

3. Dagegen erweist sich die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung, dass sich der klägerische Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, als nicht hinreichend tragfähig und damit rechtswidrig. Sie ist demzufolge aufzuheben.

121

a) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sonder eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt (BVerwG, std. Rspr., vgl. Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 13 f.; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, NVwZ-RR 2009, 803; Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwG 134, 275 f., Juris Rn. 44 f; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986). Auch das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland gehört zu der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, welche eine der Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002, a.a.O., Juris Rn. 37). Ein durch eine eigene Ordnung mit Maßnahmen der Gewaltausübung zu deren Sicherung verbundener Herrschaftsanspruch, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entgegengesetzt wird, kann eine kämpferisch-aggressive Weise der Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen, wenn etwa systematisch die Legitimität der verfassungsmäßigen Ordnung bestritten wird und Anhänger der eigenen propagierten Ordnung geschult, indoktriniert und zu Verfassungsfeinden herangezogen werden (vgl. ebd., Rn. 42).

122

In der Verbotsverfügung wie auch ergänzend durch den Vortrag des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Erfüllung dieses Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Wesentlichen mit einer Auffassung des klägerischen Vereins begründet worden, zur Durchsetzung seiner Zielen legitimerweise Gewalt anwenden zu dürfen und das staatliche Gewaltmonopol zu durchbrechen, weiterhin mit der gegen den Menschenwürdegrundsatz verstoßenden „Abstrafung“ von Abweichlern gegenüber dem Herrschaftsanspruch des Vereins sowie, nunmehr als nachrangig bezeichnet, mit dem System einer Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder im Rahmen des sog. „Defense Fund“. Staatliche Sanktionen würden dadurch abgemildert und dem Gewaltmonopol des Staates eine Absage erteilt. Der klägerische Verein habe den Anspruch, partielle eine eigene, an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung tretende Ordnung zu entfalten und durchzusetzen.

123

Für das Vorliegen des zusätzlichen Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung trägt der Beklagte die materielle Beweislast.

124

Die aus den zum Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit als tragend bzw. ergänzend angeführten strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder des Klägers, welche ihm zuzurechnen sind, belegen zwar eine Bereitschaft, Vereinsziele erforderlichenfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Eine kämpferisch-aggressive Verfolgung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteter Ziele liegt in diesen konkret beim Kläger festgestellten Verhaltensweisen jedoch nach Auffassung des Senats noch nicht. Die für den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung unerlässliche Komponente einer aktiven Bekämpfung muss sich nämlich gerade gegen die für staatliche Strukturen grundlegende Prinzipien richten. Sie liegt nicht bereits vor, wenn eine Gewaltbereitschaft gegenüber anderen privaten Personen oder Gruppierungen festgestellt wird. Andernfalls wären weite Teile der organisierten Gewaltkriminalität deckungsgleich mit Bestrebungen, die sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solch weites Verständnis des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist aus Sicht des Senates weder gerechtfertigt noch notwendig, da die in einer Gewaltanwendung liegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bereits durch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit abgedeckt wird. Vielmehr bestehen für die Feststellung des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG hohe Hürden, die über die reine Strafrechtswidrigkeit eines Vereins hinausgehen. Zu einem im Sinne der angegriffenen Verbotsverfügung weit greifenden Verständnis dieses Verbotsgrundes veranlasst auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot des sog. „Kalifatstaates“, im Rahmen derer fachgerichtlich eine kämpferisch-aggressive Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele bejaht worden und dieses vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben war (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 02.10.2003 - 1 BvR 536/03 -, BVerfGK 2, 22, Juris Rn. 22 f.). Der in diesem Einzelfall festgestellte Anspruch des verbotenen Vereins, legitimerweise Gewalt anstelle einer staatlichen Ordnung ausüben zu dürfen, wurde höchstrichterlich auf dem Hintergrund eines betonten Selbstverständnisses des Vereins „Kalifatstaat“ gewürdigt, einen Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) unter gänzlicher Verdrängung der staatlichen Herrschaftsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland und anderen betroffenen Staaten existiert, zu errichten. Ein ähnlich weit reichender Anspruch, der mit der verfassungsmäßigen Ordnung notwendigerweise kollidiert, ist für den Kläger im vorliegenden Verfahren weder aus der Verbotsverfügung und dem sie verteidigenden Beklagtenvortrag noch aus den sonstigen beigezogenen Vorgängen ersichtlich. Der Kläger und seine Mitglieder haben vielmehr beansprucht, Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Vereinigungen oder Einzelpersonen auch mit Gewalt zu führen, während sie in Bezug auf die staatliche Gewalt im Wesentlichen eine Verweigerungshaltung in Bezug auf Aussagen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entfaltet haben. Selbst aus der in einzelnen Strafverfahren festgestellten oder vermuteten Beeinflussung bzw. Einschüchterung von Zeugen lässt sich ein Herrschaftsanspruch, der die rechtsstaatliche Ordnung in maßgeblicher Weise ersetzen und damit die Verfassung aktiv-kämpferisch beseitigen wollte, noch nicht ableiten.

125

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Beteiligung oder Nutzung eines sog. „Defense Fund“ der „Hells Angels“ durch den klägerischen Verein. Der Vortrag des Beklagten hierzu ist vage und unkonkret geblieben und beruht auf allgemeinen Kenntnissen über die weltweite „Hells Angels“-Bewegung, die auch den Beklagten jedoch bislang nicht zu einem flächendeckenden Verbot der in seinem Zuständigkeitsbereich angesiedelten Charter veranlasst haben. Eine konkrete Verstrickung der Mitglieder des Klägers und des Vereins insgesamt in das allgemein vom Beklagten als existent dargelegten System der Unterstützung straffällig gewordener „Hells Angels“-Mitglieder und ihrer Angehörigen ist weder nachgewiesen, noch haben sich in den Ermittlungsvorgängen oder aus dem Verwaltungsvorgang des Beklagten Hinweise hierzu ergeben. Der Kläger hat eine Beteiligung seiner Mitglieder an einem „Defense Fund“, die Einzahlung und den Erhalt von Leistungen in bzw. aus ihm ebenso bestritten wie Berührungspunkte zu den nach Vortrag des Beklagten in Gefängnissen bestehenden Gruppierungen der „Big House Crew“.

126

Es kann im vorliegenden Vereinsverbotsverfahren dahinstehen, ob eine Unterstützung des bzw. aus dem Betrieb eines „Defense Fund“ so, wie ihn der Beklagte geschildert hat, als Beleg für ein Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung ausreichen würde, was eher zweifelhaft erscheint, oder ob es sich um eine unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Verbotsgründe noch hinzunehmende Form der Unterstützung straffälliger Vereinsmitglieder handeln würde. Auch wenn ein Nachweis der Teilnahme am System eines „Defense Fund“ bei klandestin agierenden Gruppierungen und zumeist mit Bargeld abgewickelten Zahlungsvorgängen schwer zu erbringen sein wird, kann eine Unterstützung auch vereinsrechtlich nicht ohne jeglichen ersichtlichen konkreten Bezug zu einem solchen Solidaritätssystem unterstellt werden.

127

b) Der mangelnde Nachweis hinreichender Tatsachen, die für die Verwirklichung des Verbotsgrundes nach Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG sprechen, führt zur insoweit bestehenden Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung und damit zur Teilaufhebung des Bescheides im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage. Zwar wird das Vereinsverbot in hinreichender Weise durch die Verwirklichung des in dieser Vorschrift erstgenannten Verbotsgrundes der Strafrechtswidrigkeit getragen. Der Beklagte hat die Feststellung der Verwirklichung des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung jedoch eigenständig der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers in Ziffer 1 der Verbotsverfügung zur Seite gestellt. Die ausdrückliche Feststellung des im konkreten Fall nach Auffassung der Verbotsbehörde einschlägigen Verbotsgrundes gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG im verfügenden Teil des Verbots verlangt auch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Wirksamkeitsvoraussetzung für ein auf einen oder mehrere dieser Gründe zu stützendes Verbot dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978 - I A 3.76 -, BVerwGE 55, 175, Juris Rn. 37 f.; Urt. v. 28.02.1978 - I A 9.72 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 2, Juris Rn. 49; Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, Baden-Baden 1999, S. 110). Die Feststellung des Verbotsgrundes ist als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der Vereinigungsfreiheit für das Verbot konstitutiv (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, Juris Rn. 25). Das Erfordernis der besonderen Feststellung des Verbotsgrundes oder der Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG beruht darauf, dass die rechtlichen Folgen einer Tätigkeit im Rahmen einer verbotenen Vereinigung je nach dem durch die zuständige Behörde festgestellten Verbotsgrund verschieden sind. Die gegenüber der allgemeinen Strafnorm des § 20 VereinsG bestehenden Strafverschärfungen der §§ 85, 86 und 86 a StGB für die Fortführung und weitere Unterstützung bzw. Bewerbung einer verbotenen Vereinigung hängen davon ab, ob die strafbare Tätigkeit eine Vereinigung betrifft, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die an die Feststellung des Verbotsgrundes gebundenen Strafgerichte müssen aus dem verfügenden Teil der Verbotsverfügung eindeutig ersehen können, ob die Vereinigung aus einem strafrechtlich als Qualifizierungsgrund zu bewertenden Verbotsgrund verboten worden ist (vgl. auch Grundmann, a.a.O. S. 110). Jedenfalls auch diesem Zweck dient im Übrigen die auf den verfügenden Teil beschränkte Bekanntmachung des Verbots gem. §§ 3 Abs. 4, 7 Abs. 1 VereinsG bei Erlass und erneut nach Unanfechtbarkeit des Verbots durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger und dem amtlichen Mitteilungsblatt des Landes (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978, a.a.O., Juris Rn. 40). Die Feststellung des konkreten Verbotsgrundes ist besonders bedeutsam in den Fällen, in denen die Behörde mehrere Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG angenommen hat, sich aber bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung ergibt, dass nicht alle diese Gründe vorliegen. Insbesondere in diesen Fällen muss durch die abschließende Bekanntmachung des verfügenden Teils des Vereinsverbots nach § 7 Abs. 1 VereinsG mit allseitiger Verbindlichkeit festgestellt werden, aus welchem Verbotsgrund oder welchen Verbotsgründen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der Verein verboten ist (ebd.).

128

Daraus folgt, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Verbotsverfügung die Frage des Vorliegens eines Verbotsgrundes, welcher (straf-)rechtlich qualifizierende Rechtsfolgen auslösen kann, selbst dann nicht offen lassen kann, wenn es bereits festgestellt hat, dass ein anderer das Verbot mit der Folge der Auflösung des Vereins, der Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen, Forderungen und Sachen als solches vollumfänglich tragender Grund vorliegt (vgl. dagegen zum Offenbleiben der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, a.a.O., Juris Rn. 12; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, a.a.O., Juris Rn. 41 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes); Urt. v. 03.12.2004 - 6 A 10/02 -, NVwZ 2005, 1435, Juris Rn. 84; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O. Juris Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 OVG 1 A 4.09 -, NVwZ-RR 2010, 886, Juris Rn. 29; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06.52, Juris Rn. 37; dagegen das Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung bzw. den Gedanken der Völkerverständigung offen lassend: BVerwG, Beschl. v. 25.08.2009 - 6 VR 2/08 -, a.a.O. Juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.06.1997 - 1 S 1377/96 -, AuAS 1998, 19, Juris Rn. 25, 27). Ein solcher qualifizierender Verbotsgrund ist in jedem Falle das hier von dem Beklagten festgestellte Sich-Richten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

129

Die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung ist inhaltlich von den sonstigen Verfügungspunkten auch abtrennbar und somit gesondert aufhebbar (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 158 ff.). Es handelt sich hierbei um einen besonderen Verbotsgrund, der eigenständig durch in der Rechtsprechung ausgeformte Voraussetzungen ausgefüllt ist, nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem vorangestellten Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins steht und das Verbot auch im Falle einer Aufhebung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im weiteren Verlauf des Verbotsverfahrens tragen könnte.

130

4. Das durch die Strafgesetzwidrigkeit getragene Vereinsverbot erwiese sich auch als rechtmäßig, wenn die in Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG einzig vorgesehene grundrechtseinschränkende Maßnahme des Verbots und der Auflösung wegen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als „ultima ratio“ lediglich dann angewendet werden dürfte, wenn mildere Mittel wie partielle Betätigungsverbote, Warnungen oder die Anwendung von Straftatbeständen nicht in Betracht kämen bzw. ausgeschöpft wären (str., vgl. zum Meinungsstand Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 184 ff.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GGK, a.a.O., Art. 9 Rn. 46; Scholz, in : Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Januar 2012, Art. 9 Rn. 114, 134; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 60). Solche Mittel wären hier angesichts der Dichte der strafrechtlichen Verfehlungen mit Vereinsbezug und der Massivität des Geschehens am 12. September 2009 nicht ausreichend, um der Gefahr für Leib und Leben Dritter durch ein Fortbestehen der Vereinigung zu begegnen. Strafrechtliche Mittel sind von den Ermittlungsbehörden gegenüber Mitgliedern des Klägers hinreichend ausgeschöpft worden.

131

Die Bedenken gegenüber einer eigenständig vom Beklagten als Verbotsbehörde vorgenommenen Prüfung des Vorliegens der Verbotsvoraussetzungen, wie sie der Kläger zuletzt erhoben hat, teilt der Senat nicht. Vielmehr bietet § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG die Grundlage dafür, dass die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen kann, wie dies vorliegend etwa durch Einbindung der im Landeskriminalamt bestehenden, über besondere Sachkunde auf dem Gebiet der sog. Rockerkriminalität verfügenden Ermittlungsstäbe sowie durch Übermittlung von Informationen seitens der Staatsanwaltschaften geschehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die dortigen Erkenntnisse vom Beklagten unreflektiert und unbewertet übernommen worden wären, sind nicht ersichtlich. Angesichts der ausführlichen und tragfähigen, einzelfallbezogenen Begründung für den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im Verbotsbescheid bestünden Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit insoweit auch nicht wegen einer etwaigen länderübergreifenden Strategie der Innenminister zum Umgang mit sog. Rockergruppen. Das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichte Strategiepapier einer Bund-Länger-Projektgruppe „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität - Rahmenkonzeption“ datiert im Übrigen vom Oktober 2010, also nach Erlass der hier streitgegenständlichen Verbotsverfügung; es verweist in seinem Kapitel über Vereinsverbote ausdrücklich auf die im Einzelfall vorzunehmenden Prüfungen

132

Schließlich bestehen auch gegen die mit der Durchführung des Verbotsverfahrens verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Beklagten - auch soweit sie eine Übermittlung bzw. Nutzung von Daten aus Strafverfahren und von Daten betreffen, die von Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben und gespeichert worden sind - keine Bedenken, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots auswirken könnten. Zutreffend ist, dass das Vereinsgesetz selbst keine bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen für eine derartige Datenverarbeitung enthält (vgl. dazu auch Grundmann, a.a.O., S. 68). Der durch § 1 Abs. 1 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden für das öffentliche Vereinsrecht für das Verbot zuständig erklärte Beklagte kann sich als Behörde der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Abs. 2 VereinsG: „...zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit ...“) jedoch auf die Rechtsgrundlagen der §§ 177 ff. LVwG, insbesondere die Erhebungsgrundlagen der §§ 177, Abs. 1, 178 Abs. 1 Satz 2, 179 Abs. 1 Nr. 1 LVwG und die Speicherungs- und Nutzungsgrundlage des § 188 Abs. 1 LVwG, stützen. Soweit die Daten aus Strafverfahren durch gemäß § 4 Abs. 1 VereinsG zulässigerweise im Rahmen der vereinsrechtlichen Ermittlungen mit in Anspruch genommene Polizeibehörden ausgewertet und an den Beklagten als Vereinsverbotsbehörde weitergeleitet worden sind, liegen die Voraussetzung einer Datenübermittlung und -verwendung aus dem auf das LVwG als Polizeigesetz verweisenden § 481 StPO vor, wobei der Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Organisation der Polizei in Schleswig-Holstein (POG) v. 12. November 2004 (GVOBl. Schl.-H. S. 408) eine Behörde der Polizei und Landespolizei- sowie Landeskriminalamt gemäß §§ 2, 3 POG zugeordnete Ämter beim Beklagten sind. Bedenken im Hinblick auf die bereichsspezifische, präzise und normenklare Festlegung der Voraussetzungen eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, Juris Rn. 93 ff.) der Mitglieder des Klägers (unabhängig davon, ob sie im Verfahren des klägerischen Vereins überhaupt zu überprüfen sind) bestehen im Ergebnis nicht. Es handelt sich um einen auf Grundlage der genannten Normen auch für die Betroffenen überschaubaren Datenverarbeitungsvorgang, dessen Anlass, Gegenstand, Zwecksetzung und Kreis der berechtigten Behörden jedenfalls hinsichtlich der Verwendung von Daten aus Strafverfahren und aus präventiv-polizeilichen Datensammlungen hinreichend präzise festgelegt ist. Im Übrigen wäre, selbst wenn nach verfassungsrechtlichen Maßstäben eine präzisere gesetzliche Festlegung der Datenverarbeitungsbefugnisse im Zusammenhang mit dem Erlass von Vereinsverboten erforderlich wäre, vorliegend kein Verwertungsverbot der vom Beklagten im Einklang mit dem Gesetzeszweck des Vereinsgesetzes erlangten personenbezogenen Informationen aus Strafverfahren und Datensammlungen zur Gefahrenabwehr anzunehmen. Ein ausnahmsloses Beweisverwertungsverbot im Falle einer unzulässigen Datenverarbeitung lässt sich der Rechtsordnung weder allgemein noch im Bezug auf besonders tief in die Rechte Betroffener eingreifende Bereiche staatlichen Handelns entnehmen. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt für den Bereich des Strafprozesses festgestellt, dass von Verfassungs wegen kein allgemeines Verwertungsgebot rechtsfehlerhaft gewonnener Beweise besteht, vielmehr ein Beweisverwertungsgebot angesichts des ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten Belanges funktionstüchtiger Strafrechtspflege eine begründungsbedürftige Ausnahme darstellt, für die eine gesetzliche Grundlage gegeben oder ein übergeordneter wichtiger Grund anzuerkennen sein muss. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus Grundrechten ist nur in Fällen des Eingriffs in den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung anerkannt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.11.2010 - 2 BvR 2101/09 -, EuGRZ 2010, 780, Juris Rn. 43 ff.; Beschl. v. 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08 -, NJW 2010, 287, Juris Rn. 7 m.w.N.). Auf den vorliegenden Regelungszusammenhang übertragen ist zu berücksichtigen, dass § 3 Vereinsgesetz eine bereits verfassungsrechtlich vorgesehene Schranke der Vereinigungsfreiheit lediglich konkretisiert. Eine Nichtverwertung von zu Zwecken der Strafverfolgung und damit inhaltlich mit dem Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins gleichgerichteten Zwecken sowie zu Zwecken der Gefahrenabwehr gewonnenen Daten stünde mithin der Umsetzung eines bereits aus Verfassungsrecht abzuleitenden Vereinsverbots im Wege und wäre daher ähnlich wie im Strafprozessrecht ebenfalls aus übergeordneten Gesichtspunkten begründungsbedürftig, welche hier nicht ersichtlich sind.

133

5. Nachdem die in Ziffer 1 der Verbotsverfügung enthaltene Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, sich als rechtmäßig erweist, sind auch die weiteren Regelungen in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffern 2 bis 5 rechtmäßig und die Klage insoweit unbegründet. Die in Ziffer 2 verfügte Auflösung des Vereines stützt sich auf die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Untersagung jeder Vereinstätigkeit folgt unmittelbar aus dem Verbot und der Auflösung des Vereins. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Bildung von Ersatzorganisationen in Ziffer 3 des Bescheides sowie der Verbreitung und öffentlichen oder in einer Versammlung durchgeführten Verwendung seiner Kennzeichen sind die §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VereinsG. Die in Ziffer 4 der Verbotsverfügung angeordnete Vermögensbeschlagnahme und -einziehung stützt sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG, wobei ein Ausnahmefall zur gesetzlich vorgesehenen Regel nicht vorliegt. Die in Ziffer 5 der Verfügung angeordnete Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch ihre Überlassung an den Verein dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeit vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung diese Zwecke und Tätigkeit bestimmt sind, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Soweit die hinsichtlich der Ziffern 2 bis 5 bestehenden Rechtsgrundlagen als tatbestandliche Voraussetzung auf „verfassungswidrige Bestrebungen“ des Vereins verweisen, sind damit - anders als es die Ähnlichkeit dieses Tatbestandsmerkmales zum Wortlaut des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nahelegen könnte - sämtliche in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten Verbotsgründe abgedeckt. Dies folgt zum einen aus dem besonderen Hinweis auf Art. 9 Abs. 2 GG, der in § 8 Abs. 1 VereinsG enthalten ist und damit (allerdings in sprachlich wenig stringenter Form) auf eine tatbestandliche Öffnung über die verfassungsmäßige Ordnung im engeren Sinne hinaus auch für die beiden in Art. 9 Abs. 2 GG bereits genannten weiteren Verbotsgründe verweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.09.1995 - 1 VR 2.95 -, NVwZ 1997, 68 f. Juris Rn. 18). Zum anderen findet sich ein maßgeblicher Hinweis auf eine erweiternde Auslegung der Rechtsgrundlagen für die genannten Folgerungen eines Vereinsverbotes in der Entwurfsbegründung zum Vereinsgesetz, wo es heißt: „ Unter „verfassungswidrigen“ Bestrebungen im Sinne des § 8 Abs. 1 sind, wie aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen zu verstehen.“ (BT-Dr. IV/430, S. 18). Im Übrigen ließe sich auch kein inhaltlich tragfähiger Gesichtspunkt für eine Differenzierung zwischen den drei Verbotsgründen im Hinblick auf die Möglichkeit der Einziehung von Sachen Dritter, des Verbots der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Einziehung von Forderungen Dritter (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), wo der Begriff der verfassungswidrigen Bestrebungen ebenfalls verwendet wird, denken. So ist es Sinn des Verbotes der Bildung von Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG, die Schaffung eines funktionellen Ersatzes für die von der Verfassung als gefährlich und daher verboten erkannten Bestrebungen zu unterbinden (vgl. nur Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, a.a.O. S. 157 f.). Außerdem hat der Gesetzgeber in den entsprechenden Regelungen, die verfassungswidrige Bestrebungen nennen, gerade nicht ausdrücklich den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgegriffen, sondern hat ersichtlich versucht, einen übergreifenden Begriff für verbotsbegründende „Zwecke“, „Tätigkeit“ und „Sich-Richten“ zu finden. Im Ergebnis besteht daher auch in der Literatur (vgl. Grundmann, a.a.O.; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O. S. 196 Rn. 791; zur Gleichsetzung des Verbotsgründe in Art. 8 Abs. 2 GG vergleich auch Planker,Das Vereinsverbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG/§ 3 ff. Vereinsgesetz, Bonn 1994, S. 118) und in der Rechtsprechung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2012 - 1 S 2823/11 -, Juris Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89.83 -, BVerwGE 80, 299 f. Juris Rn. 82) Einigkeit, dass die Rechtsgrundlagen der §§ 3 Satz 2, 8 bis 12 Vereinsgesetz auf sämtliche verboten Vereine angewandt werden können, ganz gleich, welcher der drei Verbotsgründe vorliegt.

134

Die Klage war daher im tenorierten Umfang abzuweisen.

135

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat hat das Unterliegen des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung des Sich- Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung mit 1/4 der anfallenden Kosten bemessen, da die weiteren Rechtsfolgen des Vereinsverbotes selbstständig durch den tragfähigen Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des klägerischen Vereins begründet werden.

136

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

137

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 132 Abs. 2 VwGO hierfür nicht vorliegen.


(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Hells Angels MC Charter Flensburg“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Flensburg. Mit der vorliegenden Klage wendet er sich gegen das vom Innenminister des Landes Schleswig-Holstein ihm gegenüber im April 2010 ausgesprochene Vereinsverbot.

2

Der klägerische Verein ging im Jahre 2003 aus der Spaltung des langjährigen Motorradclubs „Satisfaction Grenz MC“ mit Sitz in A. bei N. in die Chapter „West-Coast“ (A.) und „East-Coast“ (Flensburg) hervor. Das Chapter „East-Coast“ erhielt im April 2006 den Status eines „Prospect-Charters“ innerhalb der „Hells Angels“-Bewegung und am 06. Juni 2008 den endgültigen Status als Ortsverein. Im April 2010 bestand der Kläger nach Informationen des Beklagten aus 12 Mitgliedern, nämlich A. als Präsidenten des Ortsvereins, D. als Vizepräsidenten, S. als Schatzmeister, G. als Sekretär, M. als für die Durchsetzung von Recht und Ordnung innerhalb des Vereins, für die Ausführung von Anordnungen des Präsidenten sowie für die Verwaltung des Clubeigentums zuständigem sog. „Sergeant at Arms“ und J. als für die Logistik der sog. „Runs“ zuständigem „Road Captain“.

3

Eine geschriebene Vereinssatzung des Flensburger Ortsvereins (Chapters) ist nicht bekannt.

4

Der Beklagte stellte nach Einholung des mit Schreiben vom 20. April 2010 erteilten Benehmens des Bundesministeriums des Innern mit an den Kläger - zu Händen der namentlich genannten 12 Vereinsmitglieder - gerichteter Verfügung vom 21. April 2010 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Verein wurde verboten und aufgelöst. Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurden untersagt. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Der Bescheid wurde mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens für sofort vollziehbar erklärt.

5

Die Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen, begründete der Beklagte wie folgt:

6

Die Zweckbestimmung des Vereins sei neben dem gemeinsamen Motorradfahren auch eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisationen der „Bandidos“ und deren Supporterclubs in Schleswig-Holstein. Zum Beleg führte der Beklagte mehrere Straftaten an, deren Verfolgung sich überwiegend im Stadium staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren befinde (der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren bekannte Verfahrensstand wird jeweils nachfolgend wiedergegeben):

7

1. Strafverfahren gegen D. wegen Körperverletzung durch Zubodenschlagen eines Mannes bei einem Straßenfest in Leck im September 2008. - Dieses Strafverfahren wurde am 02. September 2009 vom Amtsgericht G-Stadt gemäß § 153 a Abs. 2 StPO nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt.

8

2. Versuchte räuberische Erpressung und Verstoß gegen § 52 des Waffengesetzes durch A.: Dieser habe den Geschäftsführer eines Flensburger Tattoo-Ladens durch Versuch einer Schutzgelderpressung geschädigt. In der Wohnung des A. sei im Dezember 2007 eine Schusswaffe mit Patronen sichergestellt worden, für die er keine waffenrechtliche Erlaubnis besessen habe. - Wegen der versuchten räuberischen Erpressung im April 2006 sowie einer vorsätzlichen Körperverletzung aus dem Jahr 2007 wurde A. mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Wegen des bis Februar 2008 andauernden Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Dieses Verfahren wurde durch Urteil des Landgerichts Flensburg vom 08. Juni 2009 gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die vorgenannte Verurteilung vom 23. Januar 2008 eingestellt.

9

3. Verstoß gegen § 374 Abgabenordnung (Steuerhehlerei) durch J. wegen Besitzes von 50 Stangen unverzollter Zigaretten mit russischen Banderolen im Juni 2009 bei einer PKW-Kontrolle von J. und C. V.. Im Hinblick auf diese Tat wurde J. mit Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 03. Februar 2010 zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 15,-- Euro verurteilt.

10

4. Mitsichführen verbotener Waffen (Dreikantstoßdolche, sogenannte Delta-Darts) durch S., Y. und AH. im Dezember 2009 bei der Einreise in die Schweiz. - Die insoweit von der schweizerischen Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen die gemeinsam eingereisten genannten Personen sowie gegen AB. wegen Vergehens gegen das schweizerische Waffengesetz wurden mit Verfügung des Untersuchungsrichters des Kantons Schaffhausen vom 24. August 2010 wegen Geringfügigkeit eingestellt; die beschlagnahmten Dolche wurden eingezogen.

11

5. Strafverfahren gegen A. sowie gegen M., P., S., V. und AH. wegen versuchten gemeinschaftlichen Totschlages durch Rammen des Motorrades eines Mitglieds der „Bandidos Neumünster“ auf der BAB 7 am 12. September 2009, bei dem der Geschädigte lebensgefährlich verletzt wurde. - A. wurde wegen des Vorfalls mit seit dem 11. Januar 2012 rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Die Ermittlungsverfahren gegen die übrigen Tatverdächtigen wurden von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg bereits im Februar 2010 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts eingestellt.

12

6. Verdacht des Verstoßes gegen § 22 a des Kriegswaffenkontrollgesetzes durch A., V. und S. aufgrund des Fundes eines umfangreichen Waffenarsenals im November 2009, welches nach bisherigen Erkenntnissen dem Kläger zuzuordnen sei, bei einem Flensburger Gewerbetreibenden.- Das entsprechende Ermittlungsverfahren befindet sich noch im Stadium der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen; Anklage ist noch nicht erhoben.

13

7. Verdacht gegen S. wegen Hehlerei von bei einem Getränkegroßhandel in A-Stadt gestohlenen alkoholischen Getränken, die im Januar 2010 sichergestellt wurden, sowie Munitionsbesitz des S. im Januar 2010. - Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wurde S. wegen unerlaubten Munitionsbesitzes in dem vorgenannten sowie einem weiteren, Ende April 2010 festgestellten Fall zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt. Ein Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wegen Hehlerei von Getränken ist nicht bekannt.

14

8. Besitz verbotener Waffen - sogenannter Delta-Darts - durch M. und V. im Januar 2010. - Das Verfahren gegen V. wegen Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde am 15. Juli 2010 von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg nach § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen geringer Schuld eingestellt. Das entsprechende Verfahren gegen M. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 19. November 2010 gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld eingestellt.

15

9. Verfahren gegen Y. wegen mittelbarer Falschbeurkundung sowie gewerbsmäßiger Hehlerei durch Handel mit gestohlenen Motorradteilen und Veranlassung nicht ordnungsgemäßer TÜV-Gutachten für Abnahmen nach der Straßenverkehrsordnung. - Y. wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 27. Oktober 2011 wegen Steuerverkürzung zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro verurteilt. Ein Abschluss eines Ermittlungsverfahrens wegen mittelbarer Falschbeurkundung ist nicht bekannt.

16

Die angeführten Straftaten charakterisierten nach Einschätzung des Innenministeriums das von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen geprägte Vereinsleben, das tatsächliche Ziel des Vereins und den wirklichen Zweck der Vereinstätigkeit in prägender Weise. Die Taten seien durch den Kampf um Territorial- und Machtansprüche gekennzeichnet. Insbesondere Straftat Nr. 5 diene erkennbar der Selbstbehauptung des Vereins gegenüber einer konkurrierenden Organisation und zeichne sich durch die gemeinschaftliche Beteiligung einer relativ großen Anzahl von Vereinsmitgliedern und Funktionsträgern aus. Auch der Waffenfund der Straftat Nr. 6 sei nicht mehr einer einzelnen Person zuzuordnen, sondern weise aufgrund des paramilitärischen Charakters der Waffen bzw. des Sprengstoffes auf eine gemeinsam begangene Tat einer organisierten Gruppe hin. Eine Vielzahl der Taten sei nicht längerfristig geplant, sondern ergebe sich aus Situationen heraus, in denen nicht alle Mitglieder spontan vor Ort verfügbar seien. Die Tatsache, dass einige der Mitglieder aufgrund ihrer räumlichen Entfernung zum Stadtgebiet von Flensburg kaum oder nicht an Taten beteiligt gewesen seien, stehe einer Zurechnung der Straftaten zum Verein nicht entgegen. Der Verein begünstige auch strafbares Verhalten seiner Mitglieder, indem er diesen Rückhalt biete, die individuelle Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten abbaue und Anreiz zu neuen Taten wecke. So sei der Präsident A. weiterhin in seiner Position als Vereinspräsident belassen worden, obwohl gegen ihn wegen zahlreicher teilweise schwerer Straftaten ermittelt worden sei. Auch hierin liege ein Anknüpfungspunkt für die Zurechnung seiner Taten zum Verein. Weiterhin werde durch finanzielle und persönliche Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder der Begehung weiterer Straftaten Vorschub geleistet, indem negative Auswirkungen der strafrechtlichen Verfolgung gemildert würden. Entsprechend den sog. „Rules“ der „Hells Angels“-Vereinigung kämen auch die Mitglieder des Klägers in den Genuss von Leistungen des sog. „Defense Fund“, der bei Verbüßen einer Gefängnisstrafe für finanzielle Unterstützung der Vereinsmitglieder, ggf. auch ihrer Angehörigen, sorge. Eine Zurechnung des strafgesetzwidrigen Verhaltens einzelner Mitglieder zum Kläger könne auch aus der fehlenden Distanzierung des Vereins zu solchen Verhaltensweisen abgeleitet werden.

17

Die zahlreichen festgestellten Waffendelikte ergäben ein stereotyp festgestelltes Verhaltensmuster der durchgehenden Ausstattung der Mitglieder des Vereins mit Waffen, die sie zu einer ständigen Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft befähige. Die festgestellte ständige Nachrüstung mit Hieb- und Stichwaffen selbst nach polizeilichen Sicherstellungen sei auf dem Hintergrund des erklärten „Krieges“ zwischen den „Hells Angels“ und den „Bandidos“ zu sehen. Das im Rahmen der Straftat Nr. 6 aufgefundene Waffenlager ermögliche eine Komplettausstattung aller Vereinsmitglieder und darüber hinaus auch von Supportern.

18

Soweit das Vereinsverbot darauf gestützt wurde, dass sich Zwecke und Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, verwies der Beklagten auf die Unterstützungsleistungen des sog. „Defense Fund“ an straffällige Mitglieder, welche eine eigene Rechtsordnung unter Inkaufnahme strafrechtlicher Verstöße und damit eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates beinhalteten.

19

Das Vereinsverbot sei verhältnismäßig, weil es die organisierte strafgesetzwidrige Tätigkeit des Klägers im Rahmen der anhaltenden Auseinandersetzungen mit den verfeindeten „Bandidos“ in Schleswig-Holstein unterbinden solle. Hierfür reiche es nicht mehr aus, nur einzelne Mitglieder oder Funktionsträger des Vereins strafrechtlich zu belangen. Auch ein bloßes Betätigungsverbot bei gleichzeitigem Fortbestehen des Vereins wäre zur Wahrung der Rechtsordnung nicht ausreichend, da der Verein die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit grob missachte.

20

Der Kläger hat am 28. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben. Diese wird wie folgt begründet:

21

Der Bescheid sei schon aus formellen Gründen rechtswidrig, weil die nach § 87 LVwG gebotene Anhörung des Betroffenen vor seinem Erlass nicht erfolgt sei. Eine Eil- oder Geheimhaltungsbedürftigkeit, die einen Verzicht auf eine Anhörung hätte rechtfertigen können, sei nicht gegeben.

22

Der Beklagte habe die aus § 4 VereinsG folgende Handlungsanweisung verletzt, dass das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren vor Erlass der Verbotsverfügung durchzuführen und abzuschließen sei. Stattdessen sei von den Ermittlungsbefugnissen vor dem Verbot kein Gebrauch gemacht worden. Der Beklagte habe sich ausschließlich auf eine Informationssammlung der ihm unterstellten Hilfsbehörden gestützt. Die Ermittlungen seien vorliegend nach Ergehen der Verbotsverfügung weitergeführt worden, während dem Kläger nach Zustellung der Verbotsverfügung jegliche Dispositionen und Handlungsmöglichkeiten, einem Vereinsverbot entgegenzuwirken, abgesprochen worden seien. Hierdurch werde die Gehörsverletzung noch verstärkt.

23

Das unter dem 15. April 2010 eingeholte Einvernehmen des Bundesministers des Inneren zu der beabsichtigten Verbotsverfügung sei fehlerhaft, weil die zugehörigen Behördenakten nicht mit vorgelegt worden seien und ein geordnetes Prüfungsverfahren des Bundesministers daher nicht möglich gewesen sei.

24

Angesichts der herausragenden Bedeutung der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG sei eine restriktive Anwendung vereinsrechtlicher Verbotsnormen erforderlich. Art. 9 Abs. 2 GG stelle eine verfassungsrechtlich zwingende Eingriffsschranke auf, die einer über sie hinausgehenden einfachgesetzlichen Ausgestaltung von Verbotsgründen entgegenstehe. Darüber hinaus sei von der Verbotsbehörde entsprechend dem polizeirechtlichen Übermaßverbot zu prüfen, ob vor Erlass eines Verbots mildere Maßnahmen möglich und geeignet seien, um eine Änderung der Statuten, Programmen oder Handlungsformen des Vereins zu erreichen oder diesen unter Aufsicht zu stellen.

25

Darüber hinaus könnten lediglich erhebliche Verstöße gegen Strafgesetze, die in einem angemessenen Verhältnis zur Verbotssanktion stünden, ein Vereinsverbot nach sich ziehen, sofern sie sich für den Charakter der Vereinigung als prägend erwiesen. Sie müssten im Verhältnis zu erlaubten Vereinsaktivitäten im Vordergrund stehen und den Charakter des Vereins ausmachen. Straftaten, die ausschließlich in der Privatsphäre der Vereinsmitglieder begangen worden seien, dürften keine Berücksichtigung finden, selbst wenn sie von mehreren Vereinsmitgliedern gemeinsam begangen worden seien. Maßgeblich sei, dass die strafrechtlich relevanten Aktivitäten der Mitglieder ohne organisatorischen Zusammenhang mit dem Verein nicht möglich gewesen seien. Insofern müsse ein Funktionszusammenhang mit dem Verein festgestellt werden, der beispielsweise in einer Anordnung oder Billigung von Straftaten durch Vereinsorgane liegen könne. Nicht ausreichend sei etwa eine das Vereinsleben prägende solidarische Pflicht zu „kameradschaftlichem Verhalten“. Relevant könnten schließlich lediglich solche Taten sein, die von Mitgliedern während der Dauer ihrer Mitgliedschaft begangen worden seien.

26

§ 4 VereinsG verpflichte die Verbotsbehörde zu eigenständigen Ermittlungen, denen gegenüber den Informationen von sog. Hilfsbehörden wie den Dienststellen der Polizei ein eigenständiger, unbeeinflusster Wert zukommen müsse. Eine ausschließliche und unreflektierte Übernahme von Erkenntnissen aus Strafverfolgungsverfahren und Strafurteilen sei vereinsrechtlich unzulässig. Auch wenn Ermittlungen zur Untermauerung bereits benannter Verbotsgründe noch nach dem Erlass der Verbotsverfügung fortgeführt werden könnten, müssten diese Gründe zum Zeitpunkt des Verbotserlasses bereits ausermittelt und benannt sein. Jedenfalls sei eine Verlagerung des eigentlichen Ermittlungsverfahrens auf eine Zeit nach Erlass der Verbotsverfügung rechtswidrig. Vorliegend hätten keine eigenständigen Ermittlungen der Verbotsbehörde stattgefunden, sondern diese habe ausschließlich die von dem Bestreben nach einem allgemeinen Verbot von Biker-Clubs getragenen Vorgaben des Landeskriminalamtes übernommen. Dies sei sachfremd und verletze das Übermaßverbot. Für die gerichtliche Entscheidung könnten lediglich die Verhältnisse im Zeitpunkt der angefochtenen Verbotsverfügung maßgeblich sein. Soweit nach diesem Zeitpunkt zu Tage getretene Umstände Berücksichtigung fänden, seien auch veränderte Verhältnisse der betroffenen Vereinigung zu berücksichtigen, jedenfalls soweit sie der Rechtsverteidigung dienten. Die dem Kläger zuzubilligenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkten sich nicht auf eine bloße Prozessführung, sondern ermöglichten auch den Ausschluss von Mitgliedern und die Aufgabe von Mitgliedschaften.

27

Die Verbotsverfügung lasse wesentliche soziologische Forschungsergebnisse, nach denen die subkulturellen Organisationsformen der Motorrad-Clubs zur Verhinderung krimineller Handlungen Einzelner beitrügen, indem sie eine integrativ wirkende Umgebung schüfen, unberücksichtigt.

28

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die in der Verbotsverfügung aufgelisteten Straftaten der acht aktuellen Mitglieder in keinem Zusammenhang zu den Aktivitäten der Vereinigung stünden, da sie überwiegend individuell veranlasst und auf einen spontanen Entschluss zurückzuführen seien. Überwiegend seien die Straftaten von nur geringem Gewicht und die entsprechenden Ermittlungsverfahren zum Teil durch die Strafverfolgungsbehörden eingestellt worden. Soweit die Verbotsverfügung eine außergesetzliche Ausrichtung des Vereins aus den Beziehungen des Klägers zur weltweiten Dachorganisation der „Hells Angels“ sowie aus der szenetypischen Bezeichnung des Vereins als „Outlaw-Motorcycle-Club“ ziehen wolle, verkenne dies zum einen die subkulturell integrative Ausrichtung der betreffenden Motorrad-Clubs und zum anderen die Herkunft des Begriffes „Outlaw“, durch den man sich lediglich den Versuchen der Monopolisierung des Motorradsports durch eine dominierende amerikanische Vereinigung habe widersetzen wollen. Verallgemeinernde Schlussfolgerungen der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung seien vereinsrechtlich verfehlt. Ein allgemeiner „Kriminalitätsnachweis“ von Motorrad-Clubs sei bislang nicht geführt worden. Ein strafrechtliches Inerscheinungtreten der Vereinsmitglieder sei auch nicht erforderlich, um den durch Vereinszusammenschluss gewünschten Statusgewinn zu erreichen. Dieser ergebe sich für den Einzelnen bereits mit dem Erhalt des Club-Emblems, da die Aufnahme in ein elitäres Kollektiv ihn physisch und psychisch stärker mache und an dem Anspruch, sich niemandem unterzuordnen, teilhaben lasse.

29

Das auch in Motorradclubs gelebte Prinzip der Solidarität könne sich auf allgemeine Wertorientierungen berufen, welche auch die staatsethische Grundlage für das soziale Staatsziel wie auch eine Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens innerhalb einer christlichen Werteordnung bildeten. Dass eine innerhalb des Vereins geltende Solidaritätsverpflichtung in rechtlich problematischer Weise über die Verhaltenserwartungen der herrschenden Gesellschaftskultur gestellt worden sei, sei vorliegend nicht in einer Weise dargelegt und ermittelt worden, welche den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG genügen könne. Vielmehr seien auch insoweit Erkenntnisse der ermittelnden Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden lediglich unreflektiert und ohne eigene Überprüfungen der Vereinsverbotsbehörde übernommen worden.

30

Der Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass sich der Kläger mit dem politischen Ziel einer Veränderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befasse. Er erkenne in der unterstellten organisierten Rechtsverteidigung und finanziellen Unterstützung straffällig gewordener Mitglieder lediglich ein unangepasstes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung. Dies könne im Ansatz nicht ausreichen, um ein Sich-Richten der Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung anzunehmen. Die Mitglieder des Klägers nähmen für sich lediglich die Rechte jedes Staatsbürgers in Anspruch. Der Kläger sei auch nach Darstellung des Beklagten weder kämpferisch noch aggressiv in Erscheinung getreten, um die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Die unterstellte wirtschaftliche Absicherung und Unterstützung über einen „Defense Fund“ wäre lediglich als organisiertes Handeln zur Wahrnehmung von Vereinsrechten ohne Außenwirkung einzuordnen. Die vom Beklagten diesbezüglich angeführten allgemeinen Satzungen und Regelungen der „Hells Angels“ seien den Mitgliedern des klägerischen Vereins bis zur Vorlage durch den Beklagten unbekannt gewesen und für ihn nicht konstitutiv. Eine Berücksichtigung zu Lasten des Klägers scheide daher aus. Der Beklagte habe keine Nachweise für den Bestand und die Funktionsweise eines „Defense Fund“ vorgelegt. Es existiere kein „Defense Fund“, auf den die Mitglieder des Klägers zurückgreifen könnten. Eine Unterstützung von Mitgliedern im Rahmen der Rechtsverteidigung erfolge seitens des Klägers nicht. Es würden lediglich im Einzelfall von Mitgliedern freiwillige Spenden geleistet und Darlehen gewährt, ohne dass hierfür Quoten vorgegeben oder Verpflichtungen errichtet würden. Es bestehe kein Anspruch auf derartige Unterstützung. Auch Angehörige von Mitgliedern würden grundsätzlich nicht finanziell oder sachlich unterstützt.

31

Gleiches treffe auf die vom Beklagten unterstellte Existenz einer Organisation inhaftierter Mitglieder der „Hells Angels“ mit Namen „Big House Crew“ zu. Zu einer solchen angeblichen Vereinigung bestehe kein Kontakt des Klägers oder seiner Mitglieder.

32

Zuletzt hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Mai 2012 - nach Anwaltswechsel - vorgetragen, dass dem Kläger aktuell acht Vollmitglieder angehörten, davon als Präsident Peter AE., als Vizepräsident Y., als Secretary G., als Sergeant at Arms M. und als Treasurer P.. Diese fünf Mitglieder bildeten den Vorstand. Weitere Mitglieder seien D., S. und AB.. Der vormalige Präsident A. sei im Januar 2010 aufgrund einstimmigen Beschlusses der übrigen Mitglieder aus dem klägerischen Verein ausgeschlossen worden. Auch J. habe den Verein im Januar 2010 verlassen und übe seither keine Vereinsfunktionen aus. V. sei im Februar 2011 aus dem Verein ausgeschieden. AH. sei zunächst lediglich sog. „Hangaround“ und dann „Prospect“ gewesen, der Verein habe ihm jedoch die Mitgliedschaft versagt. Im September 2010 habe AH. daraufhin den klägerischen Verein verlassen.

33

Weiterhin ist der Kläger der Auffassung, die bei insgesamt sechs Mitgliedern festgestellten „Delta Darts“ könnten nicht als Beleg einer allgemeinen Bewaffnung der Vereinigung ins Feld geführt werden, da zum Zeitpunkt ihres Auffindens nach bundesdeutscher Rechtslage nicht festgestanden habe, ob es sich um eine verbotene Waffe handele. Das Bundeskriminalamt habe die verbotsrechtliche Waffeneigenschaft, soweit durch eine Scheide der Eindruck eines anderen Gegenstandes entstehen könne, erst mit Bescheid vom 01. September 2010 festgestellt. Die Mitglieder des Klägers hätten lediglich Gegenstände mit sich geführt, die nach wie vor jedermann zugänglich seien.

34

Zu den einzelnen in der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Kläger Folgendes vor:

35

zu Tat Nr. 1.: Bei der 2008 vom Mitglied D. begangenen Körperverletzung habe es sich um eine vollkommene individuelle, spontane und keinen Bezug zum klägerischen Verein aufweisende Tat gehandelt. Die vom Täter getragene Kutte sei unter der zusätzlich übergezogenen Jacke nicht sichtbar gewesen. Es seien keine weiteren Mitglieder des Klägers anwesend gewesen. Der Streit sei wegen einer Zudringlichkeit gegenüber der damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau von D. entstanden.

36

zu Tat Nr. 2.: Die bereits im Jahre 2008 abgeurteilte Tat der versuchten räuberischen Erpressung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz des Vereinsmitgliedes A. liege vor dessen erst 2009 begründeter Mitgliedschaft.

37

zu Tat Nr. 3.: Eine Zurechnung des Verstoßes gegen die Abgabenordnung durch Mitsichführen unverzollter Zigaretten seitens des J. zum Verein komme nicht in Betracht, weil selbst der Beklagte dem Kläger keine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang unterstelle.

38

zu Taten Nr. 4. und 8.: Ein vereinsrechtlicher Funktionszusammenhang des den Mitgliedern S., Y., AH. und A. unterstellten waffenrechtlichen Verstoßes sei nicht erkennbar. Die Zurechnung nicht begangener Straftaten sei als unzulässige Kriminalisierung der Vereinigung zu werten, zumal das Ermittlungsverfahren vermutlich auch wegen des Rückwirkungsverbotes des erst am 01. September 2010 erlassenen Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes eingestellt worden sei. Die Zurechnung eines waffenrechtlichen Verstoßes setze voraus, dass die betreffenden Mitglieder überhaupt eine strafgesetzwidrige Tatbegehung erkennen könnten, welche sich der Verein zu Eigen mache könne. Dies sei vorliegend wegen des verspätet ergangenen Feststellungsbescheides des BKA denknotwendig ausgeschlossen.

39

zu Tat Nr. 5.: Bei der am 12. September 2009 vom ehemaligen Vereinsmitglied A. begangenen Tat auf der BAB 7 handele es sich um den einzigen von der Verbotsverfügung angeführten Fall eines organisatorischen Zusammenwirkens von Vereinsmitgliedern mit strafrechtlicher Relevanz. Die Ermittlungen hätten allerdings ergeben, dass es sich auch hier lediglich um ein Einzeldelikt ohne Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers gehandelt habe. Eine strafrechtliche Einbeziehung der übrigen anwesenden Mitglieder sei nicht etwa an der Nachweisbarkeit gescheitert, sondern diese in den Blick geratenden Vereinsmitglieder hätten zur Deeskalation beigetragen. Sie hätten der Tatausführung entgegengewirkt und damit zielgerichtet auf die Vermeidung von Straftaten hingewirkt, indem sie das Mittel ihrer Präsenz vor Ort eingesetzt hätten. Die Inanspruchnahme gegenseitiger Autorität sei Ausdruck einer gesellschaftlich anerkannten Methode der Konfliktvermeidung. Im Übrigen habe sich die Vereinigung durch den Ausschluss ihres Präsidenten A. deutlich von diesem distanziert. Das Handeln des ehemaligen Präsidenten habe daher in keiner Weise eine kollektive Anerkennung erfahren. Soweit das Mitglied A. auch während des laufenden Ermittlungsverfahrens bzw. seiner zeitweiligen Untersuchungshaft im Amt des Präsidenten belassen worden sei, liege darin kein verbotsrelevanter Rückhalt durch den Kläger, da selbst Beamte ihre Position regelmäßig bis zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe behielten. Auch in sonstiger Weise sei kein Rückhalt des Vereins für die Begehung der vorgeworfenen Taten erkennbar.

40

zu Tat Nr. 6.: Die Vermutungen, welche den Beklagten zur Zurechnung des Flensburger Waffenfundes an den Kläger geführt hätten, seien in keiner verwertbaren Weise belegt, zumal die Ermittlungen bis heute nicht abgeschlossen seien. Fingerabdrücke von A. und V. seien nicht auf den Waffen, sondern auf Bedienungsanleitungen gefunden worden. Fingerabdrücke des S. seien ebenfalls nicht an Waffen, sondern auf einer Kiste festgestellt worden. S. habe auch nicht über einen Schlüssel zur Werkstatt verfügt und sei im Übrigen Mitglied in einem Schützenverein, in dem auch großkalibrige Waffen beschossen würden. Auch weitere Spuren auf einer Außenhülle ließen keinen Bezug des Inhaltes zu einer bestimmten Person zu. Es bestehe auch kein Bezug der klagenden Vereinigung zu dem Handel des betreffenden Gewerbetreibenden mit Alu-Felgen, da Motorräder in der Werkstatt dieses Gewerbetreibenden nicht gewartet oder repariert würden.

41

zu Tat Nr. 7.: Ein Funktionszusammenhang der strafrechtlich nicht verfolgten Getränkehehlerei des S. zur Tätigkeit des Klägers sei nicht ersichtlich.

42

zu Tat Nr. 9.: Die dem Mitglied Y. zugeschriebene Begehung einer Fälschung von TÜV-Zertifikaten und des Handels mit entwendeten Motorrad-Teilen datierten aus dem Jahre 2004. Zu diesem Zeitpunkt seien weder der Kläger oder sein Vorgängerverein der „HAMC East-Coast“ existent gewesen, noch sei Y. damals Mitglied in einem Motorrad-Club gewesen. Eine Zurechnung von Verhaltensweisen, die die übrigen Vereinsmitglieder nicht zum Schutze des Vereines hätten verhindern können, müsse ausscheiden.

43

Insgesamt sei festzustellen, dass nur eine Minderheit von Mitgliedern, und zwar erhebliche Zeit vor Erlass der Verfügung, vereinzelt straffällig geworden sei, ohne dass eine Verbindung zum Vereinszweck ersichtlich wäre. Ein Vereinsverbot erweise sich daher als unverhältnismäßig. Zumal bei Berücksichtigung der Vereinsausschlüsse bzw. -austritte könne weder eine zeitliche Dichte von Straftaten noch eine Konzentration auf Funktionsträger der Vereinigung festgestellt werden. Es lägen keine Hinweise auf eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor vor. Widerlegt sei insbesondere eine hierarchische, Straftaten steuernde Handlungs- und Anweisungskompetenz des Vorstandes. Der Beklagte gründe seine Zurechnungsargumentation auf bloße Unterstellungen und Zuschreibungen, mit denen auf die „eigentliche Zweckbestimmung“ des Vereins geschlossen werden solle. Auch Anhaltspunkte für eine Betätigung des Klägers in unzulässigen Wirtschaftsbereichen seien nicht dargelegt.

44

Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, es fehle an einer verfassungsrechtlich erforderlichen bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage für Datenübermittlungen aus dem Bereich der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung an die Vereinsverbotsbehörde. § 4 VereinsG stelle lediglich eine Aufgabenzuweisung, aber nicht eine datenschutzrechtliche Befugnisnorm dar.

45

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Vorbringen vertieft und ergänzend geltend gemacht. Das bundesweite Vorgehen der Sicherheitsbehörden basiere auf einem gemeinsamen Strategiepapier vom Oktober 2010 und einer textbausteinartig vorbereiteten Musterverbotsverfügung, begleitet von einem von unzutreffenden diskreditierenden Zuschreibungen getragenen Aufbau eines negativen Bildes der sog. „Rocker“ über die Medien. Die konkrete Ermittlungsarbeit der Verbotsbehörde im jeweiligen Einzelfall sei hingegen völlig unzureichend. Nach dem kürzlichen Ausscheiden eines weiteren Mitgliedes, D., bestehe der Verein nunmehr nur noch aus sieben Mitgliedern, welche schlechterdings keinen Machtausübungsanspruch verkörpern könnten.

46

Der Kläger beantragt,

47

den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 aufzuheben.

48

Der Beklagte beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Er ist der Auffassung, dass der klägerische Verein trotz der Veränderung seines Namens und seines Status bis hin zur vollgültigen Aufnahme als rechtlich selbstständiges Charter der „Hells Angels“ MC im Jahre 2008 jedenfalls seit 2003, ggf. auch schon seit einem früheren Zeitpunkt, unter Fortführung seiner Identität bestanden habe. Von den zum Verbotszeitpunkt 12 Vereinsmitgliedern seien 9 Mitglieder selbst strafrechtlich in Erscheinung getreten, wobei die nicht oder nur in geringem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getretenen Mitglieder keine Funktionsämter innerhalb des Vereines bekleideten bzw. in relativ weiter Entfernung zum Vereinsstandort Flensburg wohnhaft seien, mithin für spontane Aktionen des Vereins wie die Straftat Nr. 5 auf der BAB 7 nicht zur Verfügung stünden.

51

Zur Zulässigkeit der Klage ist der Beklagte der Auffassung, dass der Kläger als nicht rechtsfähiger Verein gemäß § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 54, 709 Abs. 1 BGB nur durch alle Mitglieder gemeinsam prozessfähig sei, solange eine besondere Vertretungsmacht einzelner Mitglieder aufgrund der Satzung nicht nachgewiesen sei. Letzteres sei gerade nicht der Fall.

52

Der Beklagte bestreitet anhand eigener Erkenntnisse, dass der Präsident des Klägers A. im Januar 2010 aus dem Verein ausgeschlossen worden sein soll, und verweist auf gegenteiligen Vortrag des Klägers mit dem ursprünglich klagebegründenden Schriftsatz. Vielmehr sei A. nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2010 im gegenseitigen Einvernehmen in sog. „good standing“ aus der Mitgliedschaft entlassen worden. Nicht entscheidungserheblich sei der neuere Vortrag zum Austritt des J., da jedenfalls dessen Straftaten zuvor begangen worden seien. Soweit der Kläger nunmehr Statusänderungen der Mitglieder AB. und AH. nach Zustellung der Verbotsverfügung vortrage, sei dies als Betätigung entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 20 VereinsG sogar strafrechtlich relevant, in der Sache aber für die Begründung des Verbots nicht erheblich.

53

Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet.

54

Der Beklagte sei unabhängig davon, ob der Kläger zu einer bundesweit tätigen Organisation gehöre, wegen des auf das Land Schleswig-Holstein beschränkten Wirkungsbereichs des Vereins oder Teilvereins für dessen Verbot zuständig. Zur Erteilung des hier herzustellenden Benehmens des Bundesministers des Inneren sei die Übermittlung des Entwurfs der Verbotsverfügung ausreichend gewesen. Die Ermittlungen zur Erarbeitung der Verbotsverfügung seien durch ein eigenes Fachreferat des Beklagten unter Verwertung von Ermittlungsergebnissen und Erkenntnissen auch der dem Beklagten zugeordneten Ämter des Landeskriminalamtes und des Landespolizeiamtes erfolgt.

55

Die Verbotsverfügung sei nicht wegen unterbliebener Anhörung formell rechtswidrig, da mit einer Anhörung der mit der Verfügung verfolgte Zweck vereitelt worden wäre. Eine Anhörung hätte einen Ankündigungseffekt gehabt und es dem Kläger ermöglicht, seine vereinsinterne Infrastruktur, sein der Einziehung unterliegendes Vermögen sowie weitere beim Vollzug der Verbotsverfügung aufzufindende Beweismittel für die Verfolgung strafgesetzwidriger Vereinszwecke zu verschleiern, zu verdecken oder aus dem Zugriff des Beklagten zu entfernen. Einer Anhörung habe daher ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne von § 87 Abs. 4 LVwG entgegengestanden. Die Verschleierungs- bzw. Verschiebungsgefahr auf Seiten des Klägers werde beispielhaft deutlich an Vorgängen wie dem Abstellen des Tat-Pkw des A. nach der Tat vom 12. September 2009 auf einem Bauhof sowie dem Auffinden von eindeutig den Mitgliedern des Klägers zuzuordnenden Waffen bei einem Gewerbetreibenden in A-Stadt.

56

Die im Zusammenhang mit der Verbotsverfügung erfolgte Datenverarbeitung des Beklagten einschließlich der Übermittlung von Daten aus Strafverfahren könne auf die hinreichend bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen der § 11 Abs. 1 Nr. 2 LDSG i.V.m. §§ 177 ff. LVwG gestützt werden, da der Beklagte als für das Vereinsverbot durch Landesverordnung für zuständig erklärte Behörde Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehme. Hilfsweise sei auf die Generalklausel des § 14 Abs. 2 Nr. 6 BDSG zu verweisen.

57

Vor dem Hintergrund der durch die obergerichtliche Rechtsprechung im Rahmen des § 3 Abs. 1, Abs. 5 VereinsG errichteten Maßstäbe für eine Zurechnung von Straftaten zu einem Verein sei das klägerische Vorbringen nicht geeignet, eine Zuordnung der den einzelnen Mitgliedern zur Last gelegten Straftaten zu widerlegen. Insbesondere könne sich ein strafgesetzwidriger Zweck im Sinne von § 3 Abs. 1 VereinsG auch aus dem tatsächlichen Verhalten Einzelner oder erst recht der Mehrheit der Vereinsmitglieder ergeben, ohne dass Satzung und Ordnungen sowie die institutionell verfestigten Ziele und Programme eines Vereins ihn vorsähen. Die Begehung von Straftaten müsse auch nach den obergerichtlichen Maßstäben nicht der Hauptzweck des Vereins sein, um die Strafgesetzwidrigkeit seines Zwecks zu begründen; vielmehr könnten die den Verein prägenden Straftaten auch eine begleitende Erscheinung des Vereinszwecks sein.

58

Das klägerische Vorbringen stelle nicht in Abrede, dass der Kläger als Verein „entsprechend dem geltenden Ehrenkodex“ seine Mitglieder auch dann unterstütze, wenn sie selbst Straftaten begingen oder begangen hätten. So hätten mehrere Mitglieder durch ihre Anwesenheit die Tat ihres Präsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 vor und während ihrer Begehung durch körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern des rivalisierenden Vereins unterstützt und damit das Verhalten des Präsidenten gebilligt. Die Tat sei ein Beispiel für die Wirkung des Ehrenkodex. Ein weiterer Beleg für die Zurechenbarkeit einzelner Straftaten zum Verein sei das System des sog. „Defense Fund“, der gerade nicht auf eine Vorbereitung des jeweiligen Mitgliedes auf ein Leben im Anschluss an die Haftzeit gerichtet sei, sondern die Wirkungen einer Haftstrafe soweit wie praktisch möglich aufheben und die soziale Einbindung in den Verein sichern wolle. Der „Defense Fund“ belege, dass der Verein sich von vornherein auf eine Inhaftierung von Mitgliedern einstelle und die Wirkung der staatlichen Strafdrohung bzw. eines Entdeckungsrisikos bei Straftaten herabsetze. Er gehe über die Gewährleistungen einer Rechtsschutzversicherung bei weitem hinaus, greife auch bei vorsätzlichen Taten ein und sichere auch finanzielle Verpflichtungen eines vorläufig Inhaftierten oder eines zu einer Freiheitsstrafe Verurteilen im Sinne einer Schadensversicherung.

59

Soweit der Kläger eine Unterstützungshandlung des Vereins durch Belassen des Präsidenten A. in seinem Amt auch nach erheblichen Straftatenvorwürfen durch einen Hinweis auf das Beamtenrecht in Abrede stelle, sei darauf hinzuweisen, dass betroffene Beamte wegen des disziplinarischen Überhangs einer Straftat noch vor abschließender Feststellung der Strafbarkeit ihres Verhaltens vorläufig ihres Dienstes enthoben würden oder ihnen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werde.

60

Zu den einzelnen in der Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Beklagte wie folgt vor:

61

1. Bei seiner im September 2008 in Leck begangenen Körperverletzung habe das Mitglied D. die seine Zugehörigkeit zum Kläger ausdrückende Weste mit dem Vereinsabzeichen - die sogenannte Kutte - getragen und damit nach außen seine Mitgliedschaft kundgetan. Dies belege, dass sich die Mitglieder des Klägers allein durch ihre Identifikation mit dem Verein einer Außenwirkung bewusst gewesen seien, die ihnen die Begehung von Straftaten erleichtere und zugleich die Wirkungen der Strafverfolgung abzumildern geeignet sei. In diesem Strafverfahren hätten sich die Auswirkungen der Tendenzen des Vereins gezeigt, jegliche Zusammenarbeit mit staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden und Strafverfahren gegen Mitglieder soweit wie möglich zu behindern. So habe eine Zeugin ausdrücklich von Warnungen berichtet, gegen D. auszusagen, da er ein Mitglied des Klägers sei und man von solchen Leuten lieber die Finger lassen solle. Diese Zeugin habe eine Verhinderung für den Termin zur Hauptverhandlung angezeigt, was das Strafgericht als Angst vor einer Aussage gewertet habe. Ein vernommener Zeuge habe eine offensichtlich zu Gunsten des Angeklagten gesteuerte, unglaubwürdige Zeugenaussage abgegeben und versucht, seine Zugehörigkeit zum Umfeld des Klägers zu verschleiern. An diesem Vorgang lasse sich eine Einflussnahme des Klägers auf Personen aus seinem Umfeld ablesen, als deren Folge diese eine Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden verweigerten. Die Straftat des D. sei für sich genommen nicht in jeglichem Zusammenhang als einem Verein zurechenbar anzusehen, stelle sich jedoch in dem hier vorliegenden Gesamtzusammenhang als Teil einer gewaltsamen Selbstbehauptung des Klägers und seiner Mitglieder dar. Der Beklagte gehe entgegen dem Vortrag des Klägers von einer Mitgliedschaft des D. zum Begehungszeitpunkt aus, zumal er bereits im März 2008 bei einer Veranstaltung der „Hells Angels“ MC in Hannover als Mitglied des Klägers aufgetreten sei und bereits 2009 als Vizepräsident fungiert habe.

62

2. Die zu Ziffer 2 der Verbotsverfügung abgeurteilte Tat des Präsidenten A. sei insbesondere wegen des Verstoßes gegen §§ 51 f. Waffengesetz bedeutsam. Aus dieser Tat lasse sich ebenfalls die Tendenz zur gewaltsamen Selbstbehauptung des Vereins und seiner Mitglieder ableiten.

63

3. Auch der zu Ziffer 3 der Verbotsverfügung abgeurteilte Strafvorwurf gegen die Mitglieder J. und V. wegen Steuerhehlerei zeige sich als szenetypisch, da durch den Schmuggel von Zigaretten unter anderem an einer Basis für den wirtschaftlichen Erwerb im Vergnügungsgewerbe mitgewirkt werde. Dort suche der Kläger eine Vormachtstellung zu erlangen. Die Tatsache, dass bei der Tat zwei Mitglieder des Vereins gemeinsam ohne weitere vereinsexterne Personen tätig gewesen seien, lege eine Unterstützung oder Billigung seitens des Vereins nahe.

64

4. Die Ermittlungsverfahren der schweizerischen Polizei gegen die Mitglieder S., Y., AH. und den in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht aufgeführten AB. seien zwar wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, jedoch seien die sichergestellten Delta-Darts als verbotene Waffen eingezogen worden. In der hier festgestellten Variante mit Scheide sei dieses Kunststoffmesser durch Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 als Hieb- und Stoßwaffe, die ihrer Form nach geeignet sei, einen anderen Gegenstand vorzutäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauch verkleidet sei, eindeutig als waffenrechtlicher Verstoß gewertet worden. Der Bescheid habe lediglich deklaratorische Wirkung und unterliege daher keinem Rückwirkungsverbot. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum sei angesichts der Beschaffenheit der Waffe ausgeschlossen. Ein solcher Delta-Dart mit Scheide sei auch bei der Festnahme des Präsidenten des Klägers A. im Januar 2010 sichergestellt und das entsprechende Strafverfahren vor dem Amtsgericht A-Stadt im November 2010 gemäß § 153 a StPO unter der Auflage der Ableistung gemeinnütziger Arbeit eingestellt worden, was vom Angeklagten akzeptiert worden sei. Diese Straftat des A. sei zwar nicht Bestandteil der Begründung des Verbotsbescheides, belege jedoch eine strafrichterliche Bestätigung der Auffassung des Beklagten in Übereinstimmung mit dem Feststellungsbescheides des BKA.

65

5. Was die Straftat des Vereinspräsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 anbelange, so ließen sich die für eine vereinsrechtliche Zurechnung zum Kläger erforderlichen tatsächlichen Umstände dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 zweifelsfrei entnehmen. Das Landgericht habe ausdrücklich klargestellt, dass sich die abgeurteilte Tat in den Kontext des allgemeinen Konflikts zwischen dem „Hells Angels MC“ und dem „Bandidos MC“ einfüge. So habe das Landgericht als Motiv der Tat eine Disziplinierung der Mitglieder des gegnerischen Vereins wegen eines als solchem verstandenen „Gebietsverstoßes“ erkannt und die Tat demnach als Durchsetzung des vom Kläger mit strafbaren Mitteln verteidigten, die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols ausschließenden Territorialprinzips der Vereinigung gesehen. Ebenfalls sei durch das Landgericht festgestellt, dass diese zur Chefsache gemachte Reaktion auf einen vermeintlichen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ an einer Tankstelle im Raum Flensburg auf einer organisierten Willensbildung der Mitglieder des Klägers basiert habe. Durch die Feststellungen des Strafgerichts sei belegt, dass der damalige Präsident A. mitten in der Nacht per Mobilfunk binnen 20 Minuten insgesamt 3 Fahrzeuge mit mehreren Mitgliedern bzw. Unterstützern des Vereins zu einer bestimmten Stelle auf BAB 7 habe dirigieren können. Die dahingehende Willensbildung und -unterwerfung seitens der Mitglieder und Unterstützer belege den Rückhalt und die Unterstützung, die der Präsident bei seiner Tatausführung durch den Verein in vereinsrechtlich zurechenbarer Weise erfahren habe. Diese Unterstützungsleistungen umfassten sowohl die Vor- als auch die Nachtatphase, da festgestellt worden sei, dass A. das Tatfahrzeug nach der Tat auf einem Bauhof in XXX Stadt abgestellt habe und kurz darauf in der Innenstadt von Flensburg gewesen sei, wobei ihn angesichts des Wochentages und der Uhrzeit eine weitere Person gefahren haben müsse. Insgesamt habe die Tat nur auf Grundlage einer funktionierenden internen Willensbildung innerhalb des Klägers ins Werk gesetzt können, an der sich eine Vielzahl, nämlich insgesamt die Hälfte der Mitglieder, beteiligt habe. Es sei im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft Flensburg für eine Anklage der übrigen beteiligten Mitglieder des Klägers keine strafrechtlich hinreichende Grundlage gesehen habe, da sie dieses maßgeblich mit rechtlichen Unsicherheiten im Bereich des subjektiven Tatbestandes begründet habe. Der vereinsrechtliche Zurechnungszusammenhang reiche jedoch weiter und erlaube vorliegend die Zuordnung der Unterstützungsbeiträge der vor Ort festgestellten, teilweise auch in körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der gegnerischen Vereinigung verwickelten Mitglieder und damit des Klägers insgesamt. Aus den Ermittlungsakten ergebe sich, dass neben A. die Mitglieder V., S. und P. sowie der nach der Straftat in den Status eines Vollmitglieds aufgerückte AH. am Tatort gewesen seien und dem Präsidenten die vereinsrechtlich relevante Hilfestellung geleistet hätten. Der bei den körperlichen Auseinandersetzungen auf der BAB 7 im Nachgang zu der Straftat des Präsidenten A. am 12. September 2009 seinerseits schwer verletzte AH. habe zu diesem Zeitpunkt den für eine vereinsrechtliche Zurechnung seiner Mitwirkung ausreichenden Status eines sog. „Hangaround“ gehabt, wie sich durch Aufnäher an seiner sichergestellten Kutte ergeben habe.

66

6. Die vereinsrechtliche Zurechnung des bei einem Flensburger Gewerbetreibenden aufgefundenen Waffenlagers zum Kläger stehe für den Beklagten auf dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens außer Frage. Eine Anklage sei ausschließlich deshalb noch nicht erfolgt, weil noch nicht alle Ermittlungsansätze, die zum Auffinden noch weiterer Täter führen könnten, erschöpft seien; insoweit seien zwar auf den aufgefundene Waffen und Kriegswaffen genetische Spuren des Mitglieds des Klägers S. sowie daktyloskopische Spuren des Präsidenten des Klägers A. sowie der Mitglieder V. und - über die Erkenntnisse in der angefochtenen Verfügung hinaus - des Mitglieds J. nachgewiesen worden. Zudem habe der Gewerbetreibende, in dessen Betrieb die Waffen aufgefunden worden seien, angegeben, dass er von diesen keine Kenntnis habe, dass aber das Mitglied des Klägers S. über Schlüssel zu den betreffenden Geschäftsräumen verfüge. Somit ließen sich Spuren an dem Waffenlager von einem Drittel der Vereinsmitglieder nachweisen. Der Gewerbetreibende, in dessen Räumlichkeiten der Fund erfolgte, unterhalte zu weiteren Mitgliedern des Klägers geschäftliche Beziehungen, sodass insgesamt die Hälfte der Vereinsmitglieder theoretisch Zugang zu den aufgefundenen Waffen gehabt hätten. Angesichts der Dimension des Waffenlagers, die auf eine Ausrüstung einer größeren Organisation hinweise, sei die Tat der Willensbildung des Vereins zuzurechnen. Von Bedeutung sei auch, dass drei der strafrechtlich beteiligten Mitglieder - der Präsident A., der sog. Treasurer S. und der Road Captain J. - hochrangige Funktionsträger des Klägers seien.

67

Die Zuordnung von Spuren habe im Einzelnen ergeben, dass eine genetische Spur an einem Patronengurt sowie drei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem Koffer zur Aufbewahrung von Waffen und an einem Munitionskarton eindeutig dem Mitglied S. zugeordnet werden konnten. Dem Mitglied V. hätten zwei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einer bei den Waffen befindlichen Bedienungsanleitung für eine Pistole zugeordnet werden können, dem Vereinspräsidenten A. vier daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an derselben Bedienungsanleitung sowie dem Mitglied J. insgesamt acht daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem bei den aufgefundenen Waffen befindlichen Müllsack.

68

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. April 2012 ergänzend mitgeteilt, dass das diesbezügliche Ermittlungsverfahrens wegen des Waffenfundes immer noch nicht abgeschlossen sei. Ein kriminaltechnischer Beschuss der Waffen habe stattgefunden, wobei aber noch kein Ergebnis des Vergleichs mit der Tatmunitionssammlung des Bundeskriminalamtes vorliege, um eine Zuordnung zu anderen Straftaten zu ermöglichen. Er trägt vor, durch eine Zeugenaussage in einem Ermittlungsverfahren betreffend die „Hells Angels Kiel“ sei bestätigt worden, dass von diesen die in Flensburg aufgefundenen Waffen dem dortigen Charter der „Hells Angels“ zuzurechnen seien.

69

7. Im Vordergrund der in der Verbotsverfügung unter Ziffer 7 aufgeführten Straftat stehe rechtlich gesehen nicht die Getränkehehlerei, wegen derer das Strafverfahren inzwischen eingestellt worden sei, sondern der am 06. Januar 2010 wie auch erneut am 29. April 2010 festgestellte, dem betreffenden Vereinsmitglied S. waffenrechtlich nicht erlaubte Besitz von Munition. Der Verbotsbehörde dürfte auch nach Erlass des Vereinsverbotes Ermittlungen gemäß § 4 VereinsG zum Zwecke der Sachverhalts-feststellung und zum Auffinden von weiteren Beweisen durchführen und Erkenntnisse anschließend in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung des Vereinsverbotes verwenden. Daher sei auch die bei der Untersuchung am 29. April 2010 bei dem Mitglied S. zur Beschlagnahme von Vereinsvermögen aufgefundene, waffenrechtlich nicht erlaubte Munition im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung des Vereinsverbots zu berücksichtigen. Die bei S. aufgefundene Munition belege, dass die unter der vorgenannten Ziffer 6 aufgeführte Tat im Zusammenhang mit dem Waffenfund bei dem Flensburger Gewerbetreibenden keine singuläre Aktion einzelner Mitglieder und des Vereins darstelle, sondern sich in ein verbreitetes Verhaltensmuster der Mitglieder im Rahmen einer gemeinsamen Willensbildung einfüge. Daraus ergebe sich ein innerer Zusammenhang der Taten Nr. 6 und 7 mit der Folge einer Zurechenbarkeit zum Kläger als Verein. Im Übrigen sei auch die Getränkehehlerei als sog. Absatzhehlerei dem Verein zuzurechnen, da S. - wie auch das Mitglied D. - mehrere Gaststätten mit Bezug zum Verein (u.a. durch Namensgebung „X. X“, welche die „corporate identity“ des Klägers berühre) betreibe bzw. betrieben habe.

70

8. In den beiden durch Verfahrenseinstellung beendeten Verfahren wegen Besitzes eines verbotenen Delta-Darts mit Scheide gegen die Mitglieder des Klägers M. und V. sei bestätigt worden, dass der objektive Tatbestand einer Straftat erfüllt gewesen sei. Für eine Zurechnung an den Verein im Rahmen der Überprüfung des Vereinsverbotes sei es unerheblich, dass beide Angeklagte sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB berufen hätten. Die objektiv begangenen Taten belegten den allgemeinen Hang der Mitglieder des Klägers zur Bewaffnung und damit zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Interessen. Zu berücksichtigen seien auch die in den Ermittlungsakten erwähnten weiteren Funde von Waffen, insbesondere einer Handgranate.

71

9. Die 2004 von dem Mitglied Y., dessen Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt der Kläger zunächst nicht bestritten habe, begangene Straftat des Handels mit Motorradzubehör und hiermit verwandte Dienstleistungen sei als szenetypisch im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer eigenen Vormacht- oder zumindest einer starken Stellung in jenem Wirtschaftsbereich anzusehen. Eine strafbare Tätigkeit eines Mitglieds in einem solchen Bereich komme typischerweise auch den Mitgliedern eines Vereins wie dem Kläger zugute, sodass das unwiderlegliche Indiz bestehe, dass der Kläger sein Mitglied zu seinem eigenen Vorteil in dieser Tätigkeit unterstütze. Die durch den rechtskräftigen Strafbefehl abgeurteilte Tat der Steuerverkürzung stehe im Zusammenhang mit der noch gesondert verfolgten Hehlerei gestohlener Motorradteile und dem Abverkauf von aus gestohlenen Teilen zusammengesetzten Motorrädern.

72

Zur ergänzenden Begründung der Verbotsverfügung damit, dass der Kläger sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei zentral auf den vom Kläger eingerichtete sog. „Defense Fund“ zu verweisen. Nach den Erkenntnissen des Beklagten unterwürfen sich grundsätzlich alle bundesweit tätigen Charter des „Hells Angels MC Germany“ den Regeln des „Defense Fund“. Gleichwohl sei ein Vorgehen des Beklagten lediglich gegen einzelne Charter unter dem Gesichtspunkt einer Willkürfreiheit systemgerecht. Entscheidend sei insoweit, ob dem „Defense Fund“ in dem jeweiligen Charter eine Bedeutung zukomme. Die Einrichtung des sog. „Defense Fund“ beweise bereits eine abstrakt verfassungsfeindliche Gesinnung des einrichtenden Vereins, da wegen der Milderung der sozialen Folgen einer Freiheitsstrafe dem staatlichen Gewaltmonopol aktiv entgegengetreten werde. Eine kämpferisch-aggressive Betätigung eines Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung folge jedoch erst aus der praktischen Anwendung und Umsetzung des „Defense Fund“. Dieser schlage in die Grundlage eines aktiven Sich-Richtens des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung um, wenn innerhalb des Vereins Straftaten begangen würden, die unter anderem dadurch motiviert seien, dass angesichts des „Defense Fund“ die Wirkung der Strafe für eine begangene Tat deutlich hinter dem zurückbleibe, was mit der Bestrafung staatlich bezweckt sei. Entscheidend sei somit der „gelebte“ „Defense Fund“. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger vor. Insoweit unterscheide sich der Kläger auch von anderen Chartern des „Hells Angels MC Germany“ in Schleswig-Holstein, die im Vergleich zu ihm keine oder lediglich Straftaten geringerer Art und Umfangs aufwiesen.

73

Für eine kämpferisch-aggressive Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele sei bereits ausreichend, dass eine Vereinigung ihre eigene Ordnung partiell an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung setze und diese gegenüber Mitgliedern und Nichtmitgliedern ggf. gewaltsam, jedenfalls aber unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols durchsetze. Dies sei der Fall, wenn der Verein eigene Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung seiner Vereinsziele ansehe und eine staatliche Sanktion seiner Gewaltausübung ablehne, zu behindern oder in den Folgen abzuschwächen suche, was auf den Kläger, in Übereinstimmung mit allgemeinen Erkenntnissen über örtliche Charter des „Hells Angels MC Germany“ zutreffe. Die staatliche Ordnung werde unter anderem im Wege einer Selbstverpflichtung wie auch Verpflichtung Außenstehender zum Schweigen unterlaufen. In diese Schweigeverpflichtung würden auch Zeugen, die rechtlich zur Aussage verpflichtet seien, einbezogen.

74

Die vom Landeskriminalamt zusammengestellten Ermittlungsergebnisse ergäben, dass die allgemeinen Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Betätigungen innerhalb der Bewegung der „Hells Angels“ in Deutschland auch auf den Kläger zuträfen. Insoweit wird auf eine Ausarbeitung des LKA vom 09. April 2011 über den „Hells Angels MC“ als Phänomen der organisierten Kriminalität“ verwiesen. Aus ihr ergebe sich, dass dem Kläger eine koordinierende Rolle für strafgesetzwidrige Zwecke und als alternativer Organisationsstruktur einer Macht- und Gewaltordnung für Mitglieder und bestimmte außenstehende Dritte unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols zukomme. So hätten sich auch Belege für eine Beteiligung des klägerischen Charters an der Wirkweise der Organisation der sog. „Big House Crew“ als Vereinigung inhaftierter Mitglieder des Klägers gefunden.

75

Die Errichtung einer eigenen Rechts- und Gewaltordnung unter Ausschluss der staatlichen Ordnung zeige sich namentlich in den Straftaten des unerlaubten Waffenbesitzes und in Körperverletzungsdelikten zur Durchsetzung der Vereinsinteressen des Klägers. Insoweit verweist der Beklagte auf die in der Verbotsverfügung genannten Straftaten unter Nr. 2, 4, 7, 8 und dem Ereignis unter Nr. 6 (Waffenfund), welches eine Ausrüstung für paramilitärische Konflikte nahelege. Auch die Straftat zu Nr. 5 einschließlich des gesamten Tatablaufs der Alarmierung von Mitgliedern durch einen Supporter und die gemeinsame Anfahrt zum Tatort auf der BAB deute auf einen Anspruch des Klägers auf unbedingte Machtentfaltung hin, der mit dem staatlichen Gewaltmonopol nicht vereinbar sei. Insgesamt lasse sich den belegten Straftaten und dem Verhalten der Mitglieder entnehmen, dass der Kläger zwar nicht einen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung bezwecke, wohl aber das staatliche Gewaltmonopol ablehne und durch eine eigene Gewaltordnung zu ersetzen suche. Dies erfülle die Voraussetzungen eines kämpferisch-aggressiven Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

76

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, aus Art. 9 Abs. 2 GG folge die lediglich deklaratorische Wirkung einer Verbotsfeststellung, auf deren Bestand das nachträgliche Verhalten der Mitglieder keinen Einfluss mehr haben könne. Zum Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung hat er seinen schriftsätzlichen Vortrag vertieft und ergänzend ausgeführt, der klägerische Verein richte sich gegen die für die verfassungsmäßige Ordnung zentrale Gewährleistung der Menschenwürde, indem er Abweichler bestrafe und sie dadurch zum Objekt ihres Handels degradiere. Die kämpferisch-aggressive Ausrichtung des Klägers werde auch insoweit durch die Ausführung der Tat Nr. 5 auf der BAB 7 unzweifelhaft belegt. Demgegenüber komme dem - auch in Flensburg praktizierten - System des „Defense Funds“ für das Verbot eine vergleichsweise nachrangige Bedeutung zu.

77

Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 (4 MR 1/10) hat der Senat einen Antrag des Klägers vom 21. Oktober 2010 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung im Wesentlichen abgelehnt und die aufschiebende Wirkung der Klage lediglich insoweit angeordnet, als in der Verfügung die Einziehung von Sachen Dritter für sofort vollziehbar erklärt worden war.

78

Das Gericht hat die Strafverfahrensakten zu den in der Verbotsverfügung genannten Taten beigezogen, ausgewertet und den Beteiligten zur Einsichtnahme zugesandt.

79

In der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2012 hat der Vertreter des Klägers nach Stellung der Anträge und Erörterung der Sach- und Rechtslage die Rücknahme der Klage erklärt. Der Beklagte hat seine Einwilligung hierzu nicht erteilt und hilfsweise für den Fall, dass der Senat nicht schon aufgrund der bislang vorgetragenen Straftaten von Vereinsmitgliedern zu der Überzeugung gelange, dass der Verbotsgrund des Zuwiderlaufens von Zwecken oder Tätigkeit des Vereins gegen Strafgesetze vorliege, einen Beweisantrag zu einem weiteren diesbezüglich relevanten, erst kürzlich zu seiner Kenntnis gelangten Sachverhalt der Schutzgelderpressung gestellt, wegen dessen Inhalt auf die Sitzungsniederschrift verwiesen wird.

80

Auch wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Strafverfahrensakten bzw. die hieraus gefertigten Kopien, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

81

I. Der Senat hat trotz der in der mündlichen Verhandlung erklärten Klagrücknahme über die Klage zu entscheiden, weil die gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO nach der erfolgten Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung erforderliche Einwilligung des Beklagten in die Zurücknahme ausdrücklich nicht erteilt worden ist. Das Einwilligungserfordernis aus § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO dient dem Schutz des Beklagten, der den Rückzug des Klägers aus dem Verfahren verhindern können soll, nachdem durch Antragstellung verhandelt worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.06.2010 - 5 LB 110/10 -). Letzteres war vorliegend geschehen.

82

II. Die Klage ist in zulässiger Weise durch sämtliche nach Informationsstand des Beklagten und nach dem Vorbringen der Klägerseite in der Klageschrift zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorhandene Mitglieder des klägerischen Vereins erhoben worden. Die Klageerhebung für einen nicht rechtsfähigen Verein hat gemäß § 62 Abs. 3 VwGO in Vollmacht seiner gesetzlichen Vertreter und Vorstände zu erfolgen. Dies sind gemäß § 54 i.V.m. § 709 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Mitglieder des Vereins gemeinschaftlich, soweit nicht in einer Satzung Stimmenmehrheit vereinbart oder eine Übertragung der Geschäftsführung erfolgt ist. Letzteres ist hier nicht ersichtlich. Mit der Klageerhebung sind Vollmachten sämtlicher zwölf damals auch in der Klageschrift als Mitglieder namentlich benannter Personen - entsprechend dem Mitgliederstand nach Informationen des Beklagten -, alle datiert auf den 05. Mai 2010, zu den Akten gereicht worden. Zweifel an der Erfüllung der vereins- und prozessrechtlichen Voraussetzungen für die wirksame Klageerhebung des Vereins bestehen daher nicht. Soweit mit dem Anwaltswechsel im April 2012 Vollmachten lediglich von neun der ursprünglich zwölf vollmachtgebenden Mitglieder eingereicht worden sind, darunter eine Vollmacht des im nachfolgenden Schriftsatz vom 16. Mai 2012 nicht mehr als Mitglied bezeichneten J., begründet dies Zweifel weder hinsichtlich der Zulässigkeit noch hinsichtlich der wirksamen Mandatierung des klägerischen Anwaltes und Antragstellung. Nach dem klägerischen Vortrag sollen die nunmehr nicht mehr vollmachtgebenden ursprünglichen Mitglieder sowie zwei weitere Mitglieder zwischenzeitlich ausgeschieden oder ausgeschlossen worden sein. Jedenfalls für den insoweit allein maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat kann mangels gegenteiliger Erkenntnisse die Richtigkeit dieses Vortrages zugrunde gelegt werden, weil eine Trennung eines Mitgliedes selbst von einem lediglich zum Zwecke der Rechtsverteidigung gegen ein ausgesprochenes Verbot noch weiterbestehenden Verein möglich sein muss. Inwieweit dies Auswirkungen auf das Vorliegen der Verbotsvoraussetzungen hat, ist eine im Rahmen der Begründetheitsprüfung gesondert zu beantwortende Frage.

83

Der Kläger ist allein zur Anfechtung des Verbots befugt, da die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung seiner Mitglieder als natürliche Personen, sondern die Rechtsstellung des klagenden Vereins als Gesamtheit von Personen betrifft. Der Kläger ist gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (vgl. zu alledem BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, Juris m.w.N.). Auch nach seinem Verbot und seiner Auflösung verbleibt ihm eine auf die Führung der Rechtsverteidigung beschränkte Rechtsstellung (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Kommentar zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 59).

84

III. Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist lediglich insoweit rechtswidrig und daher gemäß § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben, als in ihm festgestellt wird, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ohne dass allerdings hierdurch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Feststellung, dass der Kläger verboten ist, berührt würde.

85

1. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung lagen vor. Der Beklagte als für die Regelung des Vereinswesens oberste Landesbehörde war gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig, da sich die nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen erkennbare Organisation und Tätigkeit des Klägers auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkte. Es ist von beiden Beteiligten vorgetragen und unbestritten, dass dem „Hells Angels MC Charter Flensburg“ eine eigenständige Stellung als Vereinigung innerhalb der bundes- und weltweiten sog. Bewegung der „Hells Angels“ zukommt. Die Mitglieder des Charter Flensburg sind sämtlich in Schleswig-Holstein wohnhaft und tätig; wesentliche Aktivitäten des Vereins außerhalb Schleswig-Holsteins sind nicht bekannt geworden.

86

Unabhängig von der Frage, ob der klägerische Verein lediglich eine Teilvereinigung eines über das Gebiet Schleswig-Holsteins hinausgehenden größeren Vereins der „Hells Angels“-Bewegung darstellt und eine Einholung des Benehmens des Bundesministers des Inneren nach § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG erforderlich war, ist dieses Benehmen nach Übersendung des Entwurfes der Verbotsverfügung mit Schreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 20. April 2010 vorsorglich erteilt worden. Darin, dass dem Bundesministerium nicht die weiteren Informationsgrundlagen zur Verfügung gestellt worden sind, welche zum Erlass des Vereinsverbots geführt haben, liegt kein Verfahrensfehler, der Zweifel an der Wirksamkeit des vorsorglich hergestellten Benehmens erwecken könnte. Der übersandte Entwurf des Bescheides enthielt selbst ausreichende Informationen, um den Bundesinnenminister jedenfalls in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Nachfragen gegenüber dem Beklagten zu tätigen. Dieses ist jedoch nicht erfolgt.

87

Die weiteren formellen Voraussetzungen für die angegriffene Verbotsverfügung, insbesondere die Schriftform, die Begründung und die Zustellung an den Verein sowie die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger (BAnz 74/2010 v. 19.05.2010, 1774) und im Amtlichen Mitteilungsblatt des Landes Schleswig-Holstein (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2010 Nr. 21/22, S. 389 f.) gemäß § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VereinsG, sind erfüllt.

88

Der Beklagte durfte von einer Anhörung des Klägers vor Erlass der Verbotsverfügung absehen. Zwar ist grundsätzlich dem von einem Eingriff in seinen Rechten Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 87 Abs. 1 LVwG). Hiervon kann jedoch unter anderem abgesehen werden, wenn eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG). Diese Voraussetzungen lagen vor. Mit dem Verbot des Klägers ist, entsprechend der in § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG vorgesehenen Regel, auch die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens sowie Sachen Dritter verfügt worden. Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, der es dem Kläger ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen, und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war (vgl. BVerwG, std. Rspr., Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 f., beide Juris, m.w.N.). Angesichts der einer Anhörung hier entgegengehaltenen Gefahren war dem Kläger auch kein Recht zuzugestehen, sich durch entsprechende Dispositionen wie eine allein durch den drohenden Erlass des Verbots veranlasste Distanzierung von Mitgliedern auf diese vereinsrechtliche Maßnahme einzustellen, wie es der Kläger in Anspruch nimmt.

89

2. Die Verbotsverfügung ist insoweit rechtmäßig, als in ihr festgestellt wurde, dass der Zweck und die Tätigkeit des klagenden Vereines den Strafgesetzes zuwiderlaufen, und an diese Feststellung die in den nachfolgenden Ziffern 2 bis 5 ausgesprochenen rechtlichen Folgen geknüpft wurden. Der Senat ist zu dieser Überzeugung bereits aufgrund der Bewertung der Tatkomplexe gelangt, die Gegenstand der Verbotsverfügung waren, so dass es auf den mit dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag erstmals angesprochenen Sachverhaltskomplex einer Schutzgelderpressung gegenüber einer Flensburger Gastwirtin nicht ankam.

90

a) Die Zwecke und die Tätigkeit des Klägers laufen i.S.d. in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alt. GG den Strafgesetzen zuwider, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben.

91

Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, denn eine Vereinigung ist als solche nicht straffähig. Straffähig können nur natürliche Personen sein, da Strafbarkeit Schuldzurechnungsfähigkeit voraussetzt und diese nur natürlichen Personen zukommt. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Ergibt sich aus dieser eigenen Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln einer Vereinigung ein Verstoß gegen Strafgesetze, so ist der Verbotstatbestand erfüllt.

92

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Mitglieder der Vereinigung zugerechnet werden kann. Eine durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit muss den Charakter der Vereinigung prägen. Eine Vereinigung kann gleichzeitig verschiedene Zwecke, insbesondere neben dem satzungsmäßig ausgewiesenen legalen Zweck auch strafrechtsrelevante Ziele anstreben und durch das Verhalten ihrer Mitglieder verwirklichen. In diesem Falle ist es zur Erfüllung des Verbotstatbestandes nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht. Ebensowenig muss eine Strafgesetzwidrigkeit auf Dauer bestehen. Es genügt vielmehr, wenn eine Vereinigung erst im Laufe der Zeit strafgesetzwidrig wird oder die Strafgesetzwidrigkeit zeitlich begrenzt ist. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen, und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt. Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Die Einbeziehung dieser Fallkonstellation ist vor allem durch den Sinn des Verbotstatbestandes geboten: Mit ihm soll nicht die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich sanktioniert, sondern einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die in der Gründung oder Fortführung einer Organisation zum Ausdruck kommt, aus der heraus Straftaten geplant oder begangen werden. Derartige Organisationen bergen eine besondere Gefahr für die durch Strafgesetze geschützten Rechtsgüter in sich. Die ihnen innewohnende Eigendynamik und ihr organisiertes Sach- und Personalpotential erleichtern und begünstigen strafbares Verhalten. Zugleich wird das Verantwortungsgefühl des einzelnen Mitgliedes häufig gemindert, die individuelle Hemmschwelle zum Begehen von Straftaten abgebaut und der Anreiz zu neuen Straftaten geweckt. Eine derartige verbotsrelevante Hilfestellung muss nicht von vornherein auf die Begehung konkreter Straftaten ausgerichtet sein oder auf einem zuvor gefassten Vereinsbeschluss beruhen. Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten der Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten, gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre zu den Straftaten ihrer Mitglieder jederzeit den erwarteten Schutz (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275, Juris Rn. 15 f.; Beschl. v. 25.08.2008 - 6 VR 2/08 -, Juris Rn. 11; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, BVerwGE 80, 299, DVBl. 1989, 311 Rn. 38 f.). Im Falle der Überprüfung des 1983 erlassenen Vereinsverbotes gegenüber dem „Hell‘s Angels Motor-Club e.V.“ Hamburg hat das Bundesverwaltungsgericht die Zurechnung einzelner Straftaten unter anderem mit dem Gesichtspunkt begründet, dass die Straftaten in Vereinskluft begangen wurden und dadurch den Ruf des Vereins als besonders gewalttätige und brutale Rockergruppe begründet oder bestätigt hätten (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 50). Demgegenüber kommt es auf den in der Satzung niedergelegten Zweck (Motorradclub) nicht entscheidend an, da strafrechtliche Zwecke üblicherweise nicht offen gelegt werden. Soweit in der Vereinssatzung aber der Grundsatz der Solidarität ausdrücklich als Vereinszweck genannt wird, kann dies als Ausdruck der unter den Mitgliedern angestrebten umfassenden Solidarität gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 43).

93

Der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder kann sich auch daraus ergeben, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 32, Juris Rn. 12). Eine Prägung des betreffenden Vereins durch ihm zuzurechnende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern liegt insbesondere dann nahe, wenn es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktionen handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, sowie Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.) oder wenn entsprechende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern in großer Zahl sowie auch noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder erfolgen (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009, a.a.O.). Ein prägender Charakter kann sich auch daraus ergeben, dass die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, a.a.O.).

94

Ein Verbot wegen Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins setzt eine vorherige strafrichterliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Ebenso wenig besteht eine materielle oder formelle Bindung an die rechtliche Würdigung eines bereits ergangenen Strafurteils. Die Strafgesetzwidrigkeit ist von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.; Urt. v. 18.10.1988, a.a.O.; std. Rspr.).

95

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung ist derjenige ihres Erlasses. Zur Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit können, wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht, zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986; Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.1992 - 1 S 3626/88 -; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06/52 - sowie Beschl. v. 20.09.2006 - 4 AS 06.2036 -, alle in Juris). Berücksichtigungsfähig können auch Gesichtspunkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung nach Ergehen der Verbotsverfügung sein, soweit sie eine vor Erlass der Verbotsverfügung begangene Straftat betreffen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 38). Andererseits bietet Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG aber keine Grundlage für die Berücksichtigung von Veränderungen, die der Verein nach seinem Verbot vornehmen möchte, um dessen Voraussetzungen entfallen zu lassen. Solche nach Erlass der Verbotsverfügung geschaffenen Tatsachen können keine Wirkungen auf die Sachlage zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Verbotsbescheides mehr entfalten. Dem Verein sind im Übrigen Aktivitäten, soweit sie nicht die Rechtsverteidigung gegen das Vereinsverbot betreffen, und damit auch organisatorische Umgestaltungen, untersagt.

96

In Konkretisierung der genannten, aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG abgeleiteten Maßstäbe hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 VereinsG ausdrücklich ergänzende („auch“) Maßstäbe für die Zurechnung von Handlungen von Mitgliedern zum Verein festgeschrieben, wonach ein Verbot auch dann auf Handlungen von Mitgliedern gestützt werden kann, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu der Zielsetzung des Vereines besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Eine Erweiterung oder Einschränkung der zu Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 VereinsG in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe liegt in dieser ausdrücklich zur Schließung einer Regelungslücke getroffenen ergänzenden gesetzgeberischen Regelung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 45) jedoch nicht. Die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG sind in der Verfassung abschließend benannt; der Gesetzgeber darf keine zusätzlichen Verbotsgründe einführen (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Komm. zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 63; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot - Dogmatik und Praxis des Art. 9 Abs. 2 GG, Baden-Baden 2005, S. 115).

97

b) Eine Strafgesetzwidrigkeit des klagenden Vereins lässt sich vorliegend anhand der dargestellten Maßstäbe bereits in ausreichender Weise aus einer Zurechnung der Straftat des damaligen Präsidenten des Klägers, A., vom 12. September 2009 - Nr. 5 in der Verbotsverfügung - ableiten. Wegen dieser Tat ist A. mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden. Die Tat und die sie begleitenden Umstände weisen ausweislich der Urteilsgründe einen eindeutigen Vereinsbezug auf. Der Tathergang gestaltete sich nach den rechtskräftigen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Flensburg wie folgt:

98

Am 12. September 2009 hielt sich eine Gruppe der im Frühjahr 2009 in Neumünster gegründeten „Bandidos“, welche mit zeitgleicher Verfügung des Beklagen verboten worden sind, auf dem Rückweg von einer Ausfahrt nach Dänemark um 22.55 Uhr an einer Tankstelle unweit der BAB 7 bei Flensburg auf. Dort wurden die mit Kutten bekleideten „Bandidos“ durch ein Mitglied oder einen Unterstützer der Flensburger „Hells Angels“ beobachtet und es erfolgte über ein Mobiltelefon eines damaligen Mitgliedes des Klägers eine entsprechende Meldung an A. in seiner Funktion als Präsident. Dieser führte binnen weniger Minuten diverse Mobilfunkgespräche mit weiteren Vereinsmitgliedern mit dem Ziel, diese schnell an die BAB 7 heranzuführen, um den als solchen empfundenen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ zu sühnen. A. begab sich mit seinem Pkw an die Autobahnauffahrt Flensburg-Harrislee, wo um ca. 23.20 Uhr der Konvoi der „Bandidos“ eintraf, und befuhr hinter der Gruppe der „Bandidos“ die BAB 7, wobei ihm ein Pkw Golf folgte, der auf das Mitglied der „Hells Angels Flensburg“ V. zugelassen war. Im Bereich einer Baustelle, in der die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herabgesetzt war, näherte sich der PKW des A. dem Motorrad des „Bandidos“-Mitglieds K. und berührte dieses kurz mit dem Vorderrad. Dabei brachen die linke Fußraste des Motorrades und das Schaltgestänge, sodass das Getriebe des Motorrades nicht mehr geschaltet werden konnte. Etwa 170 m weiter unternahm der geschädigte Motorradfahrer der „Bandidos“ eine Vollbremsung und stürzte mit dem Motorrad auf die rechte Seite, wobei er lebensgefährlich verletzt wurde. A. flüchtete mit hoher Geschwindigkeit, stellte nur wenige Minuten später sein Fahrzeug nahe einem sein Vertrauen genießenden Motorrad-Reparaturbetrieb in XXX Stadt. ab und wurde gegen 0.22 Uhr in dem 25 km entfernten Flensburg festgestellt. Ein bis zwei Minuten nach dem Sturz des „Bandidos“ K. erreichte das Mitglied des Klägers AH. in seinem Pkw Golf die Unfallstelle und wurde zusammen mit einem weiteren Unterstützer des Klägers aus der sog. „Flensburg-Crew“ Opfer einer massiven Gewaltattacke der über den Vorfall empörten „Bandidos“. Ihm wurden mehrere Messerstiche zugefügt, aufgrund derer er im Krankenhaus operativ versorgt werden musste.

99

Nachfolgend erreichte auch der Pkw des Mitglieds des Klägers V. die Unfallstelle, wendete fluchtartig über die niedrige Barriere zwischen den Fahrtrichtungen und verschwand in Richtung Norden.

100

Die Kammer des Landgerichts Flensburg hat in ihrem Urteil als Motiv der Tat eindeutig eine „Disziplinierung der feindlichen Rockergruppe“ identifiziert. Die „Bandidos“ hätten von weiteren „Gebietsverletzungen“ - in der Denkweise der beteiligten Rockergruppierungen - abgehalten und beeindruckt werden sollen, wobei diese Aufgabe, einen Denkzettel zu erteilen, von A. zur „Chefsache“ gemacht worden sei. Die Aktion habe eine Reaktion auf eine gezielte Provokation der „Bandidos“ dargestellt. Das Landgericht hat den Schädigungsvorsatz des Präsidenten A. gerade aus der Motivation und Entschlossenheit der Vereinigung der Flensburger „Hells Angels“ abgeleitet, keine Gebietsverletzungen zu dulden und als Ausfluss einer kompromisslosen Haltung auch schwere Verletzungen des Gegners notfalls hinzunehmen (S. 42 d. UA). Ein Tabu der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität der Mitglieder der feindlichen Gruppe scheide wegen des Verständnisses, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen sich besonders maskulin und machohaft gebärdenden Männern handele, aus. Eine Schädigung des Feindes unterstreiche erst recht die mit der Aktion bezweckte Botschaft. Bei der Strafzumessung hat das rechtskräftige Urteil das Tatmotiv, der verfeindeten Rockergruppe den Gebietsanspruch um den Raum Flensburg aufzuzeigen und zu demonstrieren, dass Versuche, diesen in Frage zu stellen, sofort mit die körperliche Integrität oder sogar das Leben gefährdenden Aktionen beantwortet werden würden, in erheblicher Weise zu Lasten des damaligen Präsidenten A. gewertet.

101

In seiner Revisionsbegründungsschrift ist der Angeklagte den tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Landgerichts lediglich insoweit entgegengetreten, als er die Nachweisbarkeit seiner Täterschaft sowie eines Körperverletzungsvorsatzes in Zweifel gezogen hat. Die dargestellten Bezüge zur Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der mit ihm verfeindeten Rockergruppe der „Bandidos“ wurden im Rahmen des strafrechtlichen Revisionsverfahrens ebenso wenig in Abrede gestellt wie im vorliegenden Verfahren wegen Vereinsverbots.

102

Der Senat hält die tatsächlichen Feststellungen der strafgerichtlichen Verurteilung nach Auswertung der beigezogenen Verfahrensakten für nachvollziehbar und schließt sich ihnen an. Entgegenstehende Gesichtspunkte haben sich auch aus dem Vortrag der Beteiligten nicht ergeben. Die Tat wurde von dem höchsten damaligen Funktionsträger des Klägers, dem Präsidenten, im ausschließlichen Interesse des Vereins ausgeführt. Das Landgericht hat festgestellt, dass ein persönliches Motiv des A. gegenüber dem Geschädigten K. nicht ersichtlich war. Die Tat fand in Anwesenheit mehrerer, binnen kürzester Zeit zur nachtschlafender Zeit über Mobiltelefone heran beorderter weiterer Mitglieder und Unterstützer des Klägers statt und war im Übrigen durch eine Benachrichtigung einer namentlich nicht feststehenden, jedoch dem Mitglieder- oder Unterstützerkreis des Klägers zuzurechnenden Person ausgelöst worden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine strafrechtlich relevante Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers neben dem Präsidenten A. waren aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden zwar nicht gegeben, sodass die gegen sämtliche anderen Mitglieder des Klägers - bis auf den ortsabwesenden, per Mobiltelefon kontaktierten und für Disziplinierung eigentlich zuständigen „Sergeant at Arms“ M. - eingeleiteten Strafverfahren mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 04. Februar 2010 eingestellt wurde. In der Einstellungsverfügung heißt es insoweit, dass diese Mitglieder zwar vermutlich am Tatort gewesen seien, ein direkter Tat- oder Unterstützungsbeitrag könne ihnen aber nicht hinreichend sicher nachgewiesen werden und ein subjektiver Exzess des damaligen Beschuldigten A. sei nicht auszuschließen. Ausweislich der Strafverfahrensakten und des Strafurteils des Landgerichts Flensburg haben sich jedoch sämtliche weiteren Mitglieder des Klägers - bis auf M. - im Rahmen des Strafverfahrens auf ihr Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Das Landgericht Flensburg hat im Urteil ihre Beteiligung an der Tat ausdrücklich für möglich gehalten und daher ein Aussageverweigerungsrecht als gegeben erachtet.

103

Die Tat, die von dem damaligen obersten Funktionär des klägerischen Vereins begangen worden ist, wurde im vereinsrechtlichen Sinne ermöglicht und unterstützt durch eine binnen weniger Minuten erfolgte gemeinsame Willensbildung, indem der Vereinspräsident mehrere Mitglieder und Unterstützer über Handy an die Autobahnauffahrt heran kommandierte und gleichzeitig mit einem Informanten Kontakt hielt, der den Aufenthaltsort des „Bandidos“-Konvois mitteilen sollte. Die diesbezüglichen Kommunikationsvorgänge werden durch den im strafrechtlichen Ermittlungsvorgang befindlichen Auswertebericht über Telefonüberwachungsmaßnahmen im Tatzeitraum sowie den zusammenfassenden Ermittlungsbericht des LKA vom 04. Dezember 2009 belegt. Durch Telefonüberwachungsauswertebericht vom 07. Dezember 2009 ist darüber hinaus dokumentiert, dass A. noch zwei Monate nach der Tat im Austausch mit weiteren Mitgliedern des klägerischen Vereins stand, welche Vorladungen zu einer polizeilichen Vernehmung über die Tat erhalten hatten, und dass er in diesem Kreis nach wie vor über Autorität verfügte, um eine gemeinsame Linie zum Aussageverhalten (Nichterscheinen bei der polizeilichen Vernehmung) auszugeben. Dieser Umstand wurde unter anderem im Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 25. März 2010 über die Kommunikationsüberwachung des inhaftierten damaligen Angeschuldigten A. als Anhaltspunkt für eine bestehende Gefahr der Beeinflussung vorgeladener Zeugen durch den Angeschuldigten gewürdigt. Dies spricht dafür, dass A. nach wie vor und trotz der bei den Mitgliedern bestehenden Kenntnis über die genauen Umstände der Tat über Rückhalt im klägerischen Verein verfügte und die Tat durch die Mitglieder jedenfalls widerspruchslos hingenommen, wenn nicht sogar gebilligt wurde. Eine Distanzierung der übrigen Mitglieder von ihm als Täter der gravierenden Straftat hätte jedenfalls zeitnah zur Tatbegehung erfolgen müssen, um vereinsrechtlich ins Gewicht zu fallen. Hier war sie unter Berücksichtigung der gemeinsam entwickelten Aussagestrategie der betroffenen Vereinsmitglieder in den eingeleiteten Ermittlungsverfahren nicht zu erkennen.

104

Angesichts der elementar dem gemeinsamen Selbstverständnis des Vereins entsprungenen Ausführungen und Organisation der Tat, der intensiven Kommunikation und des Zusammenwirkens mehrerer Mitglieder sowie der über Monate andauernden Aufrechterhaltung der Organisationstruktur des Klägers nach der Tat, was die Position des Präsidenten anbelangt, kommt dem gesamten Ereignis eine für den klägerischen Verein prägende Funktion zu. Ohne den Macht- und Geltungsanspruch des Vereins hätte es die Tat nicht gegeben, ohne die schlagkräftige Organisationsgewalt innerhalb des Vereins wäre die Tatausführung nicht in dieser Weise erfolgt und die Geschlossenheit der von den Ereignissen berührten Mitglieder hielt in einer grundlegenden Weise auch nach der Tat an.

105

Angesichts der durch die Tat am 12. September 2009 dokumentierten organisierten und vom Willen der Vereinsmitglieder getragenen, die Anwendung von Gewalt im vereinsrechtlichen Sinne billigend in Kauf nehmenden massiven Machtentfaltung des klägerischen Vereins unmittelbar im Vorfeld der Verbotsverfügung begründet das Ereignis bereits für sich genommen einen hinreichenden Anlass für das Verbot des Klägers wegen strafgesetzwidriger Zwecke und strafgesetzwidriger Tätigkeit. Im Hinblick auf diesen Verbotstatbestand ist die Tat derart einschlägig, schwerwiegend und zentral und dokumentiert die durch ein Vereinsverbot zu begrenzende Gefahr einer weiteren, Rechtsgüter gefährdenden Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Vereinigungen, dass es einer Zurechnung strafrechtswidriger weiterer Verhaltensweisen der Mitglieder an den Verein nicht mehr bedürfte, um das Vereinsverbot zu stützen. Auch ein singuläres Geschehen, eine einzelne Straftat kann schon ausreichen, um daraus das Vorliegen der Voraussetzungen für einen vereinsrechtlichen Verbotsgrund abzuleiten (vgl. auch Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 155).

106

c) Darüber hinaus treten hier jedoch weitere in der Verbotsverfügung aufgeführte Taten, die dem Verein zurechenbar sind, zur Untermauerung des Verbotsgrundes des Zuwiderlaufens der Vereinigung gegen Strafgesetze hinzu:

107

aa) Mehrere Mitglieder des Klägers sind durch waffenrechtliche Straftaten aufgefallen, bei denen sie teilweise auch zusammen auftraten; des Weiteren bestehen wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass sie mit einem in Flensburg aufgefundenen Waffenarsenal bedeutenden Ausmaßes in Verbindung standen.

108

aaa) Der zur Tatzeit bereits als Präsident des klägerischen Vereins eingesetzte A. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten wegen Verstoßes gegen §§ 52 Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz verurteilt (Nr. 2 in der Verbotsverfügung), nachdem im Februar 2008 bei einer Durchsuchung in seiner Wohnung eine halbautomatische Selbstladepistole der Marke „Sig-Sauer P 225“ - einer funktionsfähigen scharfen Schusswaffe - mit ausgefräster Individualnummer und 50 Patronen passender Munition festgestellt worden war, für welche A. keine waffenrechtliche Erlaubnis besaß. Strafschärfend berücksichtigte das Gericht die erhebliche Menge an aufgefundener Munition. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränke Berufung des Angeklagten stelle das Landgericht Flensburg das Verfahren mit Beschluss vom 08. Juni 2009 im Hinblick auf die Verurteilung durch ein Schöffengericht in Flensburg vom 23. Januar 2008 wegen versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil die Strafe neben der anderweitig verhängten Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fiel.

109

bbb) Der damalige Treasurer S. wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wegen unerlaubten Munitionsbesitzes (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz) in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt (Nr. 7 in der Verbotsverfügung), wobei einer der beiden Fälle die Lagerung von 500 Patronen „Remington Automatic“ Kaliber 45, 20 Patronen Übungsmunition und eine weitere Patrone des Kalibers 7 ohne waffenrechtliche Erlaubnisse im Januar 2010 betraf. Der weitere mit einbezogene Fall betraf einen erst in Vollzug der Vereinsverbotsverfügung festgestellten Munitionsbesitz. Der Angeklagte S. hatte seinen Einspruch gegen den wegen des Vorfalls vor Erlass des Vereinsverbotes ergangenen Strafbefehl auf die Rechtsfolgenseite beschränkt; diesen Munitionsbesitz hatte das Gericht ausweislich der Strafzumessungserwägungen als schwerwiegender angesehen als den nachfolgenden Munitionsbesitz. S. hatte bei Auffinden der Munition angegeben, er sei Mitglied im Schützenverein in Schleswig und bewahre seine eigene Munition zu Hause auf. Im Rahmen der Hauptverhandlung gab er an, er habe die Munition aus Platzgründen nicht im Schützenverein lagern können. Er sei schon zwei Jahre nicht mehr in dem Verein gewesen.

110

ccc) Konkrete Belege für dem klägerischen Verein zurechenbare waffenrechtliche Straftaten von Mitgliedern des Klägers haben sich auch aus dem unter Nr. 6 der Verbotsverfügung aufgeführten Auffinden eines umfangreichen Waffenarsenals bei einem Flensburger Gewerbetreibenden am 02. November 2009 ergeben. In einem Umkleideraum des Gewerbebetriebes in einem Spind sowie in einer Garage wurden vier Stangen eines vom Landeskriminalamt als brisant eingestuften, sowohl militärisch als auch gewerblich verwendbaren Sprengstoffs aufgefunden, darüber hinaus mehrere funktionsfähige Maschinengewehre, doppelläufige Flinten, Pumpguns, ein Sturmgewehr, mehrere Revolver sowie zugehörige Munition. Mehrere dieser Waffen sind nach den Ermittlungsergebnissen des LKA als Kriegswaffen im Sinne der Anlage zu § 1 Abs. 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KrWaffKontrG) einzustufen. Kriminaltechnische Ermittlungen des LKA haben nach den in dem Ermittlungsvorgang der Staatsanwaltschaft A-Stadt befindlichen behördlichen Gutachten, zusammengefasst im Auswertebericht des LKA vom 03. Dezember 2010, im Wege der DNA-Analyse den Nachweis zweier S. zuzuordnender telogener (ausgefallener) Haare an einem Patronengurt, der der Erlaubnispflicht nach § 2 Waffengesetz unterliegt, erbracht. Fingerabdruckspuren von S. wurden durch Gutachten des LKA vom 05. Juli 2010 an einem silberfarbenen Koffer, in welchem sich eine Maschinenpistole befand, an Plastikeinsätzen von Munitionsbehältnissen, Fingerabdrucksspuren des C. V. sowie des A. an der Bedienungsanleitung zu einer Pistole (Gutachten des LKA v. 15.07.2010) sowie Fingerabdrücke des J. an einem schwarzen Müllsack bei den Waffen (LKA-Gutachten v. 15.07.2010) nachgewiesen.

111

Auf einen deutlichen Vereinsbezug dieses umfangreichen und schwerwiegenden Waffenfundes deuten nach den Unterlagen in dem strafrechtlichen Ermittlungsvorgang auch Telefonate mehrerer Mitglieder des Klägers noch während der Untersuchung am 02. November 2009 sowie in den Tagen danach, darüber hinaus auch Aussagen des Inhabers der betreffenden Betriebsstätte des Auffindeortes hin. Der Gewerbetreibende, bei dem die Waffen gefunden wurden, hatte nach Unterrichtung über die beabsichtigte Durchsuchung die Polizeibeamten ungefragt darauf verwiesen, er könne nicht ausschließen, dass „zwielichtige Personen“ - nämlich Mitglieder der „Hells Angels“ - in seinen Räumlichkeiten Waffen lagerten. Auf Nachfrage nannte der Gewerbetreibende ausweislich des Auswerteberichtes des LKA vom 10. November 2009 S., A., M. und J.. Noch während der laufenden Durchsuchungsmaßnahme erhielt S. eine telefonische Nachricht hierüber von einer Angestellten des Betriebes; die Durchsuchung führte noch vor ihrem Abschluss zu Telefonaten u.a. zwischen A. und S. sowie A. und M. und wurde darin thematisiert. Aufgrund des Waffenfundes wurde weitere Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt, die am 06. Januar 2010 umgesetzt wurden; in ihrem Zuge wurde im Clubhaus des Klägers u.a. in der Küche der Mitglieder M. und J. eine Handgranate mit Zünder gefunden.

112

Wegen der in Betracht kommenden Straftatbestände ist nach Mitteilung des Beklagten zwar auch aktuell noch keine Anklage erhoben worden, weil noch weitere Untersuchungen durch das Bundeskriminalamt abgewartet werden müssten. Die Frage, wem die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die aufgefundenen Kriegswaffen gemäß § 22 a Abs. 1 KrWaffKontrG in strafrechtlicher Hinsicht zuzuordnen sein wird, ist somit derzeit noch nicht geklärt. Angesichts der deutlichen, mehrere Mitglieder des Vereins und deren Kommunikation untereinander umfassenden Bezüge des Waffenarsenals zum Kläger ist die hohe strafrechtliche Relevanz des Waffenarsenals jedoch in die vereinsrechtliche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit einzubeziehen. Dabei geht der Senat aufgrund der geschilderten Ermittlungsergebnisse davon aus, dass mehrere mit herausgehobenen Funktionärstätigkeiten betraute Vereinsmitglieder Kenntnis von den aufgefundenen Waffen hatten und mit ihnen unmittelbar in Kontakt gekommen waren, wobei der Kontakt mit einer Bedienungsanleitung und mit Munition in diesem Zusammenhang hinreichend aussagekräftig ist.

113

ddd) Der den Mitgliedern des Klägers S., Y., AH., M. und V. vorgeworfene Besitz sogenannter Delta-Darts mit zugehöriger Scheide (Nrn. 4 und 8 in der Verbotsverfügung) begründete zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verbotsverfügung hingegen jedenfalls keine Verhaltensweise, die dem Kläger vereinsrechtlich als strafrechtswidrige Tätigkeit von bedeutsamem Gewicht zugerechnet werden könnte. Den Mitgliedern S., Y., AH. sowie dem in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht genannten Mitglied AB. wurde ein derartiger, um den Hals der jeweiligen Person hängender Delta-Dart mit Scheide von der schweizerischen Polizei abgenommen, als sie gemeinschaftlich am 18. Dezember 2009 in einem Pkw die schweizerische Grenze überqueren wollten. Eine waffenrechtliche Untersuchung der schweizerischen Polizei ergab im Januar 2010, dass es sich hierbei um einen nach schweizerischem Recht verbotenen Gegenstand handele. Ein Delta-Dart mit Scheide ist - wie sich aus einer Fahndungsinformation des Regierungsbezirks Freiburg vom 16. Dezember 2009 aus dem schweizerischen Ermittlungsvorgang ergibt - nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Füllfederhalter getarnt und somit als Waffe nicht erkennbar, zudem aufgrund seiner Beschaffenheit und Auslegung im Rahmen einer sog. „Nachtschattenserie“ des Herstellers bei Kontrollen durch Metalldetektoren nicht feststellbar. Die betroffenen Mitglieder hatten als Zweck des Mitsichführens eine Eigensicherung angegeben und waren von der schweizerischen Polizei als Mitglieder der „Hells Angels“ eingeordnet worden. Bei den Mitgliedern M. und V. wurde jeweils ein Delta-Dart bei Durchsuchungen am 06. Januar 2010 in ihren Wohnräumen - wobei sich die Wohnung des Mitglieds M. im Clubhaus des Klägers befand - festgestellt und als Zweck des Besitzes ebenfalls angegeben, die Waffe diene als Verteidigungsmittel. Beide Mitglieder beriefen sich auf ihre subjektive Überzeugung, die Waffe besitzen zu dürfen. Die sie betreffenden Ermittlungsverfahren wurden, wie auch die von der schweizerischen Polizei geführten Verfahren, durch das Strafgericht bzw. die Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Einstellung durch den Untersuchungsrichter des Kantons Schaffhausen in Bezugsfall 4 der Verbotsverfügung erfolgte nach schweizerischem Recht wegen geringen Unrechts der Tat, geringen Verschuldens und unbedeutender Tatfolgen; die Einstellung des Verfahrens gegen C V. durch die Staatsanwaltschaft Flensburg im Juli 2010 (Bezugstat Nr. 8 in der Verbotsverfügung) erfolgte ausdrücklich unter Hinweis auf die nicht abschließend geklärte Rechtslage. Im Verfahren gegen M. erfolgte die Verfahrenseinstellung durch das Amtsgericht Flensburg gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld und mangelndem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung im November 2010, nachdem im Verfahren sowohl ein Behördengutachten des Landeskriminalamtes vom 21. Dezember 2009 mit dem Ergebnis, es handele sich bei dem Delta-Dart mit Scheide um eine verbotene Waffe im Sinne von § 2 Abs. 3 Waffengesetz in Verbindung mit deren Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.1, als auch ein gegenteiliges Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008, wonach es sich bei dem gegenständlichen Delta-Dart nicht um einen verbotenen Gegenstand handele, vorgelegt worden waren. Bis zur nach dem Verbotszeitpunkt liegenden Verfügung des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 bestanden nach bundesdeutscher Rechtslage jedenfalls Zweifel an einer Strafrechtswidrigkeit des Besitzes dieser Hieb- und Stichwaffe. Das Bundeskriminalamt war gemäß §§ 2 Abs. 5, 48 Abs. 3 Waffengesetz nur dann für die Entscheidung über eine Einstufung des Delta-Darts als verbotene Waffe zuständig, wenn Zweifel darüber bestanden, ob dieser Gegenstand vom Waffengesetz erfasst werde oder wie er einzustufen sei. Feststellungsbescheiden des Bundeskriminalamtes nach § 2 Abs. 5 Waffengesetz kommt kein Rechtsnormcharakter zu, vielmehr stellen sie Allgemeinverfügungen im Sinne von § 35 Satz 2 VwVfG des Bundes dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2009 - 6 C 21/08 -, NVwZ-RR 2009, 838; Gade/Stoppa, Kommentar zum Waffengesetz, 2011, § 2 Rn. 10). Selbst wenn danach die objektive Strafrechtswidrigkeit des Besitzes von Delta-Darts durch die oben genannten Mitglieder des Klägers vor Erlass des Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes und vor Erlass der Verbotsverfügung nicht ausgeschlossen ist, mindert die in dem vorherigen Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008 enthaltene waffenrechtliche Bewertung das vereinsrechtlich anzusetzende Gewicht einer solchen möglichen objektiv-rechtlichen Übertretung des Strafrechts in erheblichem Maße.

114

Insgesamt weisen die waffenrechtlichen Verstöße von teilweise in Führungspositionen befindlichen Mitgliedern des klägerischen Vereins eine für die Vereinstätigkeit und seine Zielsetzung prägende Tendenz auf, da sie nach Überzeugung des Senats jedenfalls auch der Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Rockergruppen gedient haben, in dichter zeitlicher Abfolge und trotz vorhergehender strafrechtlicher Ermittlungen wegen bzw. Ahndung von anderen Waffendelikten erfolgten und ein anderweitiger Zweck als derjenige der Verwendung im Zusammenhang mit Vereinstätigkeiten nicht erkennbar war. Auch S. hatte nach eigenen Angaben zwei Jahre lang nicht mehr den Sportschützenverein besucht, für den er die bei ihm festgestellte Munition erheblichen Ausmaßes bei sich gelagert haben wollte. Ein vereinsrechtlich prägendes Zusammenwirken zeigt sich nicht zuletzt im Rahmen des noch nicht abschließend strafrechtlich aufgeklärten Flensburger Waffenfundes, dessen Dimension zugleich ein ganz erhebliches Gefahrenpotential des klägerischen Vereins verdeutlicht.

115

bb) Von einem Vereinsbezug ist auch bei der mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 abgeurteilten und unter Nr. 2 der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftat einer versuchten räuberischen Erpressung seitens des A. durch Forderung eines Schutzgeldes gegenüber einem neu eröffneten Tätowierladen in Flensburg auszugehen, auch wenn das Strafurteil sich hierzu nicht verhält. Der Täter A. ist von dem geschädigten Inhaber des Tätowierladens ausweislich der Strafanzeige vom 15. April 2006 unmittelbar den „Hells Angels“ zugeordnet worden und es ergaben sich auch aus den Angaben des geschädigten Geschäftsinhabers durchaus Bezüge zu dem klägerischen Verein. Dieser hatte angegeben, bereits vor seiner Geschäftseröffnung mit den „Hells Angels“ in Flensburg Kontakt aufgenommen zu haben und eine von diesen geforderte Bargeldsumme in Höhe von monatlich 500,-- Euro zum Zwecke einer „gütlichen Einigung“ über die konkurrierenden Geschäftsbereiche im Tätowiergewerbe nicht aufbringen zu können. Dem Geschädigten sei dann drei Wochen nach Ladeneröffnung gesagt worden, dass er kein Geschäft eröffnen dürfe. Auch in seiner Zeugenvernehmung vom 15. April 2006 wies der geschädigte Geschäftsinhaber auf die Mitgliedschaft des ihn aufsuchenden Täters in der Rockergruppe „Hells Angels“ sowie darauf hin, dass der Inhaber des konkurrierenden Tätowiergeschäftes Kontakte zu den „Hells Angels“ habe. Die Tat ist daher auf dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Betätigungsbereichs des klägerischen Vereins zu sehen; ein persönliches Motiv des Vereinspräsidenten A. bei der Verwirklichung der Straftat ist nicht ermittelt worden. Dass geschäftliche Beziehungen von „Hells Angels“-Vereinen in Schleswig-Holstein zur Tätowierszene bestehen, ist im Übrigen allgemein bekannt. Dass dieser im Fall der Tat Nr. 2 konkret durch Zeugenaussage belegte Aspekt in den strafrechtlichen Ermittlungen sowie in der Begründung des Vereinsverbotes und der diesbezüglichen Argumentation des Beklagten während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Rolle gespielt hat, entfaltet für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung keine einschränkende Wirkung.

116

cc) Demgegenüber ist ein Vereinsbezug der unter Nr. 1 der Verbotsverfügung aufgeführten, am 07. September 2008 auf einem Bürgerfest in Leck von dem Vereinsmitglied D. begangenen Körperverletzung bereits aufgrund ihrer singulären Begehungsweise und des rein persönlichen Hintergrundes eher zweifelhaft. Zwar hat der von D. niedergeschlagene Mann nach dem Polizeibericht vom Tattag noch im Rettungswagen, in dem er versorgt wurde, ausgesagt, der Angreifer habe eine Lederkutte mit der Aufschrift „Hells Angels“ getragen, was dagegen spricht, dass die Kutte unter einer weiteren Jacke verborgen gewesen sein soll - wie der Kläger vorträgt -, und einen Anhaltspunkt für einen Vereinsbezug der Tat liefern könnte. Andererseits hat die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts Niebüll am 29. Juli 2009 ergeben, dass es zu der Körperverletzung infolge eines heftigen Wortwechsels zwischen dem Geschädigten und der polnischen damaligen Freundin des D., die er nach eigener Aussage vor dem Geschädigten schützen wollte, gekommen war. Weitere Mitglieder der „Hells Angels“ waren nicht zugegen, und angesichts der aus einer rein persönlichen Konfrontation erwachsenen Tat des Mitgliedes D. kann nicht schon deshalb von einer nachträglichen Hinnahme durch den Verein ausgegangen werden, weil dieser sich nicht erkennbar von der Tat distanziert hat.

117

dd) Auch bei der unter Nr. 3 der Verbotsverfügung genannten Steuerstraftat des Vereinsmitglieds J. vom 05. Juni 2009, die zu dem Erlass eines rechtskräftigen Strafbefehls vom 03. Februar 2010 durch das Amtsgericht Flensburg führte, handelt es sich um eine eher in der persönlichen Sphäre des Täters angesiedelten Tat, bei der ein Vereinsbezug aus Sicht des Senats Zweifeln unterliegt. Insbesondere geht aus dem Ermittlungsvorgang nicht hervor, ob es sich bei dem namentlich nicht benannten Fahrer des Kfz, in welchem die unverzollten Zigaretten gefunden wurden, um eine Person aus dem Verein oder dessen Umfeld gehandelt hat. Konkrete Feststellungen des Beklagten oder der Strafverfolgungsbehörden, dass der klägerische Verein aus dem Handel mit unverzollten Zigaretten einen wirtschaftlichen Gewinn zog oder diesen überhaupt als eigenen Tätigkeitsbereich förderte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

118

ee) Auch die unter Nr. 9 der Vereinsverbotsverfügung aufgeführte, mit einem Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 28. Oktober 2011 rechtskräftig mit einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro bestrafte Steuerverkürzung durch das Vereinsmitglied Y. im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 ist als eher individuell geprägte Straftat dem Verein nicht zweifelsfrei zuzurechnen. Die Tat bezog sich auf eine im Jahr 2005 aufgegebene, vom Mitglied des Klägers Y. sowie einer weiteren Person, die nicht Vereinsmitglied war, als Gesellschafter betriebene Motorrad-Werkstatt, in der Motorräder teilweise aus gestohlenen Teilen zusammengebaut und verkauft wurden. Die Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen wiesen die Erlöse aus der Herstellung und Veräußerung der Neuaufbauten nicht vollständig aus, vielmehr wurde eine gesonderte „zweite Kasse“ geführt, wodurch auch die Herkunft der verwendeten Fahrzeugteile verschleiert werden sollte, soweit sie durch Straftaten erlangt worden waren. Dass weitere Vereinsmitglieder in die Beschaffung von Teilen oder in die durch den Strafbefehl sanktionierte Praxis der Buchführung und Angaben gegenüber dem Finanzamt verwickelt gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Zudem lagen der Betriebszeitraum der Werkstatt sowie die steuerlichen Veranlagungszeiträume mehrere Jahre vor dem Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung, sodass es wegen der gefahrenabwehrenden Intention des Verbotstatbestandes wohl eines weiteren inhaltlichen Bindegliedes zur Prägung von Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereines im Verbotszeitpunkt bedurft hätte.

119

d) Soweit die Kläger zuletzt vorgetragen haben, dass die Mitglieder A., J., V. und AH. im Januar bzw. September 2010 bzw. (V.) im Februar 2011 aus dem klägerischen Verein ausgeschieden seien, steht dies einer Zurechnung der den Verbotsgrund bereits für sich tragende Straftat Nr. 5 vom September 2009 nicht entgegen. Diese ist vor dem zuletzt vom Kläger vorgetragenen Datum des Ausscheidens von A. begangen worden; eine zeitnahe Distanzierung des Vereins war nicht erfolgt (s.o.). Was etwaige Vereinsaustritte oder -ausschlüsse nach April 2010 betrifft, so kann eine vereinsrechtliche Zuordnung strafgesetzwidriger Verhaltensweisen durch Ausscheiden aus dem Verein nach dem Zeitpunkt des Erlasses der Vereinsverbotsverfügung nicht mehr unterbrochen werden, weil sich in ihr keine Abkehr von einer zuvor geübten Unterstützung oder Verwirklichung strafgesetzwidriger Zwecke oder Tätigkeiten dokumentiert. Nach Verbot und Auflösung eines Vereins besteht dieser lediglich beschränkt auf den Zweck der Rechtsverteidigung gegenüber dem Verbot fort. Für eine weitere Tätigkeit und somit auch für deren Befürwortung oder Ablehnung seitens der Mitglieder ist daher kein Raum mehr (s.o.). Hierin liegt nicht etwa eine unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit bedenkliche Beschneidung von Dispositionsbefugnissen des klägerischen Vereins, sondern eine an der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Rechtsfolge der Auflösung eines verbotenen Vereins orientierte, der Gefahrenabwehr dienende Rechtsfolge. Im Übrigen fehlt es an glaubhaften Darlegungen, dass die Vereinsaustritte bzw. -ausschlüsse tatsächlich bereits zu den vorgetragenen Zeitpunkten erfolgt sind. Ein gewichtiges Gegenindiz liegt darin, dass die Vereinsmitglieder A. und J. noch am 05. Mai 2010 gemeinsam mit allen anderen Vereinsmitgliedern eine schriftliche Vollmacht zur Klageerhebung im vorliegenden Verfahren ausgestellt haben und in der Klagebegründung als Mitglieder bezeichnet worden sind, das Vereinsmitglied J. darüber hinaus auch den derzeitigen klägerischen Anwalt mit schriftlicher Vollmacht vom 26. März 2012 mandatiert hat.

120

3. Dagegen erweist sich die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung, dass sich der klägerische Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, als nicht hinreichend tragfähig und damit rechtswidrig. Sie ist demzufolge aufzuheben.

121

a) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sonder eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt (BVerwG, std. Rspr., vgl. Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 13 f.; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, NVwZ-RR 2009, 803; Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwG 134, 275 f., Juris Rn. 44 f; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986). Auch das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland gehört zu der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, welche eine der Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002, a.a.O., Juris Rn. 37). Ein durch eine eigene Ordnung mit Maßnahmen der Gewaltausübung zu deren Sicherung verbundener Herrschaftsanspruch, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entgegengesetzt wird, kann eine kämpferisch-aggressive Weise der Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen, wenn etwa systematisch die Legitimität der verfassungsmäßigen Ordnung bestritten wird und Anhänger der eigenen propagierten Ordnung geschult, indoktriniert und zu Verfassungsfeinden herangezogen werden (vgl. ebd., Rn. 42).

122

In der Verbotsverfügung wie auch ergänzend durch den Vortrag des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Erfüllung dieses Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Wesentlichen mit einer Auffassung des klägerischen Vereins begründet worden, zur Durchsetzung seiner Zielen legitimerweise Gewalt anwenden zu dürfen und das staatliche Gewaltmonopol zu durchbrechen, weiterhin mit der gegen den Menschenwürdegrundsatz verstoßenden „Abstrafung“ von Abweichlern gegenüber dem Herrschaftsanspruch des Vereins sowie, nunmehr als nachrangig bezeichnet, mit dem System einer Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder im Rahmen des sog. „Defense Fund“. Staatliche Sanktionen würden dadurch abgemildert und dem Gewaltmonopol des Staates eine Absage erteilt. Der klägerische Verein habe den Anspruch, partielle eine eigene, an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung tretende Ordnung zu entfalten und durchzusetzen.

123

Für das Vorliegen des zusätzlichen Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung trägt der Beklagte die materielle Beweislast.

124

Die aus den zum Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit als tragend bzw. ergänzend angeführten strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder des Klägers, welche ihm zuzurechnen sind, belegen zwar eine Bereitschaft, Vereinsziele erforderlichenfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Eine kämpferisch-aggressive Verfolgung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteter Ziele liegt in diesen konkret beim Kläger festgestellten Verhaltensweisen jedoch nach Auffassung des Senats noch nicht. Die für den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung unerlässliche Komponente einer aktiven Bekämpfung muss sich nämlich gerade gegen die für staatliche Strukturen grundlegende Prinzipien richten. Sie liegt nicht bereits vor, wenn eine Gewaltbereitschaft gegenüber anderen privaten Personen oder Gruppierungen festgestellt wird. Andernfalls wären weite Teile der organisierten Gewaltkriminalität deckungsgleich mit Bestrebungen, die sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solch weites Verständnis des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist aus Sicht des Senates weder gerechtfertigt noch notwendig, da die in einer Gewaltanwendung liegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bereits durch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit abgedeckt wird. Vielmehr bestehen für die Feststellung des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG hohe Hürden, die über die reine Strafrechtswidrigkeit eines Vereins hinausgehen. Zu einem im Sinne der angegriffenen Verbotsverfügung weit greifenden Verständnis dieses Verbotsgrundes veranlasst auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot des sog. „Kalifatstaates“, im Rahmen derer fachgerichtlich eine kämpferisch-aggressive Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele bejaht worden und dieses vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben war (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 02.10.2003 - 1 BvR 536/03 -, BVerfGK 2, 22, Juris Rn. 22 f.). Der in diesem Einzelfall festgestellte Anspruch des verbotenen Vereins, legitimerweise Gewalt anstelle einer staatlichen Ordnung ausüben zu dürfen, wurde höchstrichterlich auf dem Hintergrund eines betonten Selbstverständnisses des Vereins „Kalifatstaat“ gewürdigt, einen Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) unter gänzlicher Verdrängung der staatlichen Herrschaftsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland und anderen betroffenen Staaten existiert, zu errichten. Ein ähnlich weit reichender Anspruch, der mit der verfassungsmäßigen Ordnung notwendigerweise kollidiert, ist für den Kläger im vorliegenden Verfahren weder aus der Verbotsverfügung und dem sie verteidigenden Beklagtenvortrag noch aus den sonstigen beigezogenen Vorgängen ersichtlich. Der Kläger und seine Mitglieder haben vielmehr beansprucht, Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Vereinigungen oder Einzelpersonen auch mit Gewalt zu führen, während sie in Bezug auf die staatliche Gewalt im Wesentlichen eine Verweigerungshaltung in Bezug auf Aussagen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entfaltet haben. Selbst aus der in einzelnen Strafverfahren festgestellten oder vermuteten Beeinflussung bzw. Einschüchterung von Zeugen lässt sich ein Herrschaftsanspruch, der die rechtsstaatliche Ordnung in maßgeblicher Weise ersetzen und damit die Verfassung aktiv-kämpferisch beseitigen wollte, noch nicht ableiten.

125

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Beteiligung oder Nutzung eines sog. „Defense Fund“ der „Hells Angels“ durch den klägerischen Verein. Der Vortrag des Beklagten hierzu ist vage und unkonkret geblieben und beruht auf allgemeinen Kenntnissen über die weltweite „Hells Angels“-Bewegung, die auch den Beklagten jedoch bislang nicht zu einem flächendeckenden Verbot der in seinem Zuständigkeitsbereich angesiedelten Charter veranlasst haben. Eine konkrete Verstrickung der Mitglieder des Klägers und des Vereins insgesamt in das allgemein vom Beklagten als existent dargelegten System der Unterstützung straffällig gewordener „Hells Angels“-Mitglieder und ihrer Angehörigen ist weder nachgewiesen, noch haben sich in den Ermittlungsvorgängen oder aus dem Verwaltungsvorgang des Beklagten Hinweise hierzu ergeben. Der Kläger hat eine Beteiligung seiner Mitglieder an einem „Defense Fund“, die Einzahlung und den Erhalt von Leistungen in bzw. aus ihm ebenso bestritten wie Berührungspunkte zu den nach Vortrag des Beklagten in Gefängnissen bestehenden Gruppierungen der „Big House Crew“.

126

Es kann im vorliegenden Vereinsverbotsverfahren dahinstehen, ob eine Unterstützung des bzw. aus dem Betrieb eines „Defense Fund“ so, wie ihn der Beklagte geschildert hat, als Beleg für ein Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung ausreichen würde, was eher zweifelhaft erscheint, oder ob es sich um eine unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Verbotsgründe noch hinzunehmende Form der Unterstützung straffälliger Vereinsmitglieder handeln würde. Auch wenn ein Nachweis der Teilnahme am System eines „Defense Fund“ bei klandestin agierenden Gruppierungen und zumeist mit Bargeld abgewickelten Zahlungsvorgängen schwer zu erbringen sein wird, kann eine Unterstützung auch vereinsrechtlich nicht ohne jeglichen ersichtlichen konkreten Bezug zu einem solchen Solidaritätssystem unterstellt werden.

127

b) Der mangelnde Nachweis hinreichender Tatsachen, die für die Verwirklichung des Verbotsgrundes nach Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG sprechen, führt zur insoweit bestehenden Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung und damit zur Teilaufhebung des Bescheides im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage. Zwar wird das Vereinsverbot in hinreichender Weise durch die Verwirklichung des in dieser Vorschrift erstgenannten Verbotsgrundes der Strafrechtswidrigkeit getragen. Der Beklagte hat die Feststellung der Verwirklichung des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung jedoch eigenständig der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers in Ziffer 1 der Verbotsverfügung zur Seite gestellt. Die ausdrückliche Feststellung des im konkreten Fall nach Auffassung der Verbotsbehörde einschlägigen Verbotsgrundes gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG im verfügenden Teil des Verbots verlangt auch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Wirksamkeitsvoraussetzung für ein auf einen oder mehrere dieser Gründe zu stützendes Verbot dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978 - I A 3.76 -, BVerwGE 55, 175, Juris Rn. 37 f.; Urt. v. 28.02.1978 - I A 9.72 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 2, Juris Rn. 49; Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, Baden-Baden 1999, S. 110). Die Feststellung des Verbotsgrundes ist als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der Vereinigungsfreiheit für das Verbot konstitutiv (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, Juris Rn. 25). Das Erfordernis der besonderen Feststellung des Verbotsgrundes oder der Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG beruht darauf, dass die rechtlichen Folgen einer Tätigkeit im Rahmen einer verbotenen Vereinigung je nach dem durch die zuständige Behörde festgestellten Verbotsgrund verschieden sind. Die gegenüber der allgemeinen Strafnorm des § 20 VereinsG bestehenden Strafverschärfungen der §§ 85, 86 und 86 a StGB für die Fortführung und weitere Unterstützung bzw. Bewerbung einer verbotenen Vereinigung hängen davon ab, ob die strafbare Tätigkeit eine Vereinigung betrifft, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die an die Feststellung des Verbotsgrundes gebundenen Strafgerichte müssen aus dem verfügenden Teil der Verbotsverfügung eindeutig ersehen können, ob die Vereinigung aus einem strafrechtlich als Qualifizierungsgrund zu bewertenden Verbotsgrund verboten worden ist (vgl. auch Grundmann, a.a.O. S. 110). Jedenfalls auch diesem Zweck dient im Übrigen die auf den verfügenden Teil beschränkte Bekanntmachung des Verbots gem. §§ 3 Abs. 4, 7 Abs. 1 VereinsG bei Erlass und erneut nach Unanfechtbarkeit des Verbots durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger und dem amtlichen Mitteilungsblatt des Landes (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978, a.a.O., Juris Rn. 40). Die Feststellung des konkreten Verbotsgrundes ist besonders bedeutsam in den Fällen, in denen die Behörde mehrere Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG angenommen hat, sich aber bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung ergibt, dass nicht alle diese Gründe vorliegen. Insbesondere in diesen Fällen muss durch die abschließende Bekanntmachung des verfügenden Teils des Vereinsverbots nach § 7 Abs. 1 VereinsG mit allseitiger Verbindlichkeit festgestellt werden, aus welchem Verbotsgrund oder welchen Verbotsgründen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der Verein verboten ist (ebd.).

128

Daraus folgt, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Verbotsverfügung die Frage des Vorliegens eines Verbotsgrundes, welcher (straf-)rechtlich qualifizierende Rechtsfolgen auslösen kann, selbst dann nicht offen lassen kann, wenn es bereits festgestellt hat, dass ein anderer das Verbot mit der Folge der Auflösung des Vereins, der Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen, Forderungen und Sachen als solches vollumfänglich tragender Grund vorliegt (vgl. dagegen zum Offenbleiben der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, a.a.O., Juris Rn. 12; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, a.a.O., Juris Rn. 41 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes); Urt. v. 03.12.2004 - 6 A 10/02 -, NVwZ 2005, 1435, Juris Rn. 84; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O. Juris Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 OVG 1 A 4.09 -, NVwZ-RR 2010, 886, Juris Rn. 29; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06.52, Juris Rn. 37; dagegen das Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung bzw. den Gedanken der Völkerverständigung offen lassend: BVerwG, Beschl. v. 25.08.2009 - 6 VR 2/08 -, a.a.O. Juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.06.1997 - 1 S 1377/96 -, AuAS 1998, 19, Juris Rn. 25, 27). Ein solcher qualifizierender Verbotsgrund ist in jedem Falle das hier von dem Beklagten festgestellte Sich-Richten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

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Die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung ist inhaltlich von den sonstigen Verfügungspunkten auch abtrennbar und somit gesondert aufhebbar (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 158 ff.). Es handelt sich hierbei um einen besonderen Verbotsgrund, der eigenständig durch in der Rechtsprechung ausgeformte Voraussetzungen ausgefüllt ist, nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem vorangestellten Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins steht und das Verbot auch im Falle einer Aufhebung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im weiteren Verlauf des Verbotsverfahrens tragen könnte.

130

4. Das durch die Strafgesetzwidrigkeit getragene Vereinsverbot erwiese sich auch als rechtmäßig, wenn die in Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG einzig vorgesehene grundrechtseinschränkende Maßnahme des Verbots und der Auflösung wegen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als „ultima ratio“ lediglich dann angewendet werden dürfte, wenn mildere Mittel wie partielle Betätigungsverbote, Warnungen oder die Anwendung von Straftatbeständen nicht in Betracht kämen bzw. ausgeschöpft wären (str., vgl. zum Meinungsstand Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 184 ff.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GGK, a.a.O., Art. 9 Rn. 46; Scholz, in : Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Januar 2012, Art. 9 Rn. 114, 134; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 60). Solche Mittel wären hier angesichts der Dichte der strafrechtlichen Verfehlungen mit Vereinsbezug und der Massivität des Geschehens am 12. September 2009 nicht ausreichend, um der Gefahr für Leib und Leben Dritter durch ein Fortbestehen der Vereinigung zu begegnen. Strafrechtliche Mittel sind von den Ermittlungsbehörden gegenüber Mitgliedern des Klägers hinreichend ausgeschöpft worden.

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Die Bedenken gegenüber einer eigenständig vom Beklagten als Verbotsbehörde vorgenommenen Prüfung des Vorliegens der Verbotsvoraussetzungen, wie sie der Kläger zuletzt erhoben hat, teilt der Senat nicht. Vielmehr bietet § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG die Grundlage dafür, dass die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen kann, wie dies vorliegend etwa durch Einbindung der im Landeskriminalamt bestehenden, über besondere Sachkunde auf dem Gebiet der sog. Rockerkriminalität verfügenden Ermittlungsstäbe sowie durch Übermittlung von Informationen seitens der Staatsanwaltschaften geschehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die dortigen Erkenntnisse vom Beklagten unreflektiert und unbewertet übernommen worden wären, sind nicht ersichtlich. Angesichts der ausführlichen und tragfähigen, einzelfallbezogenen Begründung für den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im Verbotsbescheid bestünden Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit insoweit auch nicht wegen einer etwaigen länderübergreifenden Strategie der Innenminister zum Umgang mit sog. Rockergruppen. Das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichte Strategiepapier einer Bund-Länger-Projektgruppe „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität - Rahmenkonzeption“ datiert im Übrigen vom Oktober 2010, also nach Erlass der hier streitgegenständlichen Verbotsverfügung; es verweist in seinem Kapitel über Vereinsverbote ausdrücklich auf die im Einzelfall vorzunehmenden Prüfungen

132

Schließlich bestehen auch gegen die mit der Durchführung des Verbotsverfahrens verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Beklagten - auch soweit sie eine Übermittlung bzw. Nutzung von Daten aus Strafverfahren und von Daten betreffen, die von Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben und gespeichert worden sind - keine Bedenken, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots auswirken könnten. Zutreffend ist, dass das Vereinsgesetz selbst keine bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen für eine derartige Datenverarbeitung enthält (vgl. dazu auch Grundmann, a.a.O., S. 68). Der durch § 1 Abs. 1 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden für das öffentliche Vereinsrecht für das Verbot zuständig erklärte Beklagte kann sich als Behörde der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Abs. 2 VereinsG: „...zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit ...“) jedoch auf die Rechtsgrundlagen der §§ 177 ff. LVwG, insbesondere die Erhebungsgrundlagen der §§ 177, Abs. 1, 178 Abs. 1 Satz 2, 179 Abs. 1 Nr. 1 LVwG und die Speicherungs- und Nutzungsgrundlage des § 188 Abs. 1 LVwG, stützen. Soweit die Daten aus Strafverfahren durch gemäß § 4 Abs. 1 VereinsG zulässigerweise im Rahmen der vereinsrechtlichen Ermittlungen mit in Anspruch genommene Polizeibehörden ausgewertet und an den Beklagten als Vereinsverbotsbehörde weitergeleitet worden sind, liegen die Voraussetzung einer Datenübermittlung und -verwendung aus dem auf das LVwG als Polizeigesetz verweisenden § 481 StPO vor, wobei der Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Organisation der Polizei in Schleswig-Holstein (POG) v. 12. November 2004 (GVOBl. Schl.-H. S. 408) eine Behörde der Polizei und Landespolizei- sowie Landeskriminalamt gemäß §§ 2, 3 POG zugeordnete Ämter beim Beklagten sind. Bedenken im Hinblick auf die bereichsspezifische, präzise und normenklare Festlegung der Voraussetzungen eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, Juris Rn. 93 ff.) der Mitglieder des Klägers (unabhängig davon, ob sie im Verfahren des klägerischen Vereins überhaupt zu überprüfen sind) bestehen im Ergebnis nicht. Es handelt sich um einen auf Grundlage der genannten Normen auch für die Betroffenen überschaubaren Datenverarbeitungsvorgang, dessen Anlass, Gegenstand, Zwecksetzung und Kreis der berechtigten Behörden jedenfalls hinsichtlich der Verwendung von Daten aus Strafverfahren und aus präventiv-polizeilichen Datensammlungen hinreichend präzise festgelegt ist. Im Übrigen wäre, selbst wenn nach verfassungsrechtlichen Maßstäben eine präzisere gesetzliche Festlegung der Datenverarbeitungsbefugnisse im Zusammenhang mit dem Erlass von Vereinsverboten erforderlich wäre, vorliegend kein Verwertungsverbot der vom Beklagten im Einklang mit dem Gesetzeszweck des Vereinsgesetzes erlangten personenbezogenen Informationen aus Strafverfahren und Datensammlungen zur Gefahrenabwehr anzunehmen. Ein ausnahmsloses Beweisverwertungsverbot im Falle einer unzulässigen Datenverarbeitung lässt sich der Rechtsordnung weder allgemein noch im Bezug auf besonders tief in die Rechte Betroffener eingreifende Bereiche staatlichen Handelns entnehmen. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt für den Bereich des Strafprozesses festgestellt, dass von Verfassungs wegen kein allgemeines Verwertungsgebot rechtsfehlerhaft gewonnener Beweise besteht, vielmehr ein Beweisverwertungsgebot angesichts des ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten Belanges funktionstüchtiger Strafrechtspflege eine begründungsbedürftige Ausnahme darstellt, für die eine gesetzliche Grundlage gegeben oder ein übergeordneter wichtiger Grund anzuerkennen sein muss. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus Grundrechten ist nur in Fällen des Eingriffs in den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung anerkannt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.11.2010 - 2 BvR 2101/09 -, EuGRZ 2010, 780, Juris Rn. 43 ff.; Beschl. v. 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08 -, NJW 2010, 287, Juris Rn. 7 m.w.N.). Auf den vorliegenden Regelungszusammenhang übertragen ist zu berücksichtigen, dass § 3 Vereinsgesetz eine bereits verfassungsrechtlich vorgesehene Schranke der Vereinigungsfreiheit lediglich konkretisiert. Eine Nichtverwertung von zu Zwecken der Strafverfolgung und damit inhaltlich mit dem Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins gleichgerichteten Zwecken sowie zu Zwecken der Gefahrenabwehr gewonnenen Daten stünde mithin der Umsetzung eines bereits aus Verfassungsrecht abzuleitenden Vereinsverbots im Wege und wäre daher ähnlich wie im Strafprozessrecht ebenfalls aus übergeordneten Gesichtspunkten begründungsbedürftig, welche hier nicht ersichtlich sind.

133

5. Nachdem die in Ziffer 1 der Verbotsverfügung enthaltene Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, sich als rechtmäßig erweist, sind auch die weiteren Regelungen in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffern 2 bis 5 rechtmäßig und die Klage insoweit unbegründet. Die in Ziffer 2 verfügte Auflösung des Vereines stützt sich auf die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Untersagung jeder Vereinstätigkeit folgt unmittelbar aus dem Verbot und der Auflösung des Vereins. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Bildung von Ersatzorganisationen in Ziffer 3 des Bescheides sowie der Verbreitung und öffentlichen oder in einer Versammlung durchgeführten Verwendung seiner Kennzeichen sind die §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VereinsG. Die in Ziffer 4 der Verbotsverfügung angeordnete Vermögensbeschlagnahme und -einziehung stützt sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG, wobei ein Ausnahmefall zur gesetzlich vorgesehenen Regel nicht vorliegt. Die in Ziffer 5 der Verfügung angeordnete Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch ihre Überlassung an den Verein dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeit vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung diese Zwecke und Tätigkeit bestimmt sind, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Soweit die hinsichtlich der Ziffern 2 bis 5 bestehenden Rechtsgrundlagen als tatbestandliche Voraussetzung auf „verfassungswidrige Bestrebungen“ des Vereins verweisen, sind damit - anders als es die Ähnlichkeit dieses Tatbestandsmerkmales zum Wortlaut des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nahelegen könnte - sämtliche in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten Verbotsgründe abgedeckt. Dies folgt zum einen aus dem besonderen Hinweis auf Art. 9 Abs. 2 GG, der in § 8 Abs. 1 VereinsG enthalten ist und damit (allerdings in sprachlich wenig stringenter Form) auf eine tatbestandliche Öffnung über die verfassungsmäßige Ordnung im engeren Sinne hinaus auch für die beiden in Art. 9 Abs. 2 GG bereits genannten weiteren Verbotsgründe verweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.09.1995 - 1 VR 2.95 -, NVwZ 1997, 68 f. Juris Rn. 18). Zum anderen findet sich ein maßgeblicher Hinweis auf eine erweiternde Auslegung der Rechtsgrundlagen für die genannten Folgerungen eines Vereinsverbotes in der Entwurfsbegründung zum Vereinsgesetz, wo es heißt: „ Unter „verfassungswidrigen“ Bestrebungen im Sinne des § 8 Abs. 1 sind, wie aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen zu verstehen.“ (BT-Dr. IV/430, S. 18). Im Übrigen ließe sich auch kein inhaltlich tragfähiger Gesichtspunkt für eine Differenzierung zwischen den drei Verbotsgründen im Hinblick auf die Möglichkeit der Einziehung von Sachen Dritter, des Verbots der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Einziehung von Forderungen Dritter (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), wo der Begriff der verfassungswidrigen Bestrebungen ebenfalls verwendet wird, denken. So ist es Sinn des Verbotes der Bildung von Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG, die Schaffung eines funktionellen Ersatzes für die von der Verfassung als gefährlich und daher verboten erkannten Bestrebungen zu unterbinden (vgl. nur Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, a.a.O. S. 157 f.). Außerdem hat der Gesetzgeber in den entsprechenden Regelungen, die verfassungswidrige Bestrebungen nennen, gerade nicht ausdrücklich den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgegriffen, sondern hat ersichtlich versucht, einen übergreifenden Begriff für verbotsbegründende „Zwecke“, „Tätigkeit“ und „Sich-Richten“ zu finden. Im Ergebnis besteht daher auch in der Literatur (vgl. Grundmann, a.a.O.; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O. S. 196 Rn. 791; zur Gleichsetzung des Verbotsgründe in Art. 8 Abs. 2 GG vergleich auch Planker,Das Vereinsverbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG/§ 3 ff. Vereinsgesetz, Bonn 1994, S. 118) und in der Rechtsprechung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2012 - 1 S 2823/11 -, Juris Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89.83 -, BVerwGE 80, 299 f. Juris Rn. 82) Einigkeit, dass die Rechtsgrundlagen der §§ 3 Satz 2, 8 bis 12 Vereinsgesetz auf sämtliche verboten Vereine angewandt werden können, ganz gleich, welcher der drei Verbotsgründe vorliegt.

134

Die Klage war daher im tenorierten Umfang abzuweisen.

135

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat hat das Unterliegen des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung des Sich- Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung mit 1/4 der anfallenden Kosten bemessen, da die weiteren Rechtsfolgen des Vereinsverbotes selbstständig durch den tragfähigen Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des klägerischen Vereins begründet werden.

136

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

137

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 132 Abs. 2 VwGO hierfür nicht vorliegen.


(1) Die Bildung von Vereinen ist frei (Vereinsfreiheit).

(2) Gegen Vereine, die die Vereinsfreiheit mißbrauchen, kann zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nur nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschritten werden.

(1) Die Verbotsbehörde kann für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen. Ermittlungsersuchen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sind an die zuständige oberste Landesbehörde zu richten.

(2) Hält die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine richterliche Vernehmung von Zeugen, eine Beschlagnahme von Beweismitteln oder eine Durchsuchung für erforderlich, so stellt sie ihre Anträge bei dem Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk die Handlung vorzunehmen ist. Die richterlichen Anordnungen oder Maßnahmen trifft der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Gerichts.

(3) Für die richterliche Vernehmung von Zeugen gilt § 98 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.

(4) Für die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, gelten die §§ 94 bis 97, 98 Abs. 4 sowie die §§ 99 bis 101 der Strafprozeßordnung entsprechend. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß eine Durchsuchung zur Auffindung solcher Beweismittel führen werde, so kann die Durchsuchung der Räume des Vereins sowie der Räume, der Sachen und der Person eines Mitglieds oder Hintermannes des Vereins angeordnet werden. Bei anderen Personen ist die Durchsuchung nur zur Beschlagnahme bestimmter Beweismittel und nur dann zulässig, wenn Tatsachen darauf schließen lassen, daß sich die gesuchte Sache in ihrem Gewahrsam befindet. Die §§ 104, 105 Abs. 2 bis 4, §§ 106 bis 110 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

(5) Bei Gefahr im Verzug kann auch die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine Beschlagnahme, mit Ausnahme der Beschlagnahme nach § 99 der Strafprozeßordnung, oder eine Durchsuchung anordnen. Die Vorschriften des Absatzes 4 sowie § 98 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

(1) Die Polizeibehörden dürfen nach Maßgabe der Polizeigesetze personenbezogene Daten aus Strafverfahren verwenden. Zu den dort genannten Zwecken dürfen Strafverfolgungsbehörden und Gerichte an Polizeibehörden personenbezogene Daten aus Strafverfahren übermitteln oder Akteneinsicht gewähren. Mitteilungen nach Satz 2 können auch durch Bewährungshelfer und Führungsaufsichtsstellen erfolgen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut erforderlich und eine rechtzeitige Übermittlung durch die in Satz 2 genannten Stellen nicht gewährleistet ist. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen, in denen die Polizei ausschließlich zum Schutz privater Rechte tätig wird.

(2) Die Verwendung ist unzulässig, soweit besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.

(3) Hat die Polizeibehörde Zweifel, ob eine Verwendung personenbezogener Daten nach dieser Bestimmung zulässig ist, gilt § 480 Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung in einem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Die Beschwerdeführer wenden sich dagegen, dass der Anfangsverdacht auf Daten gestützt worden ist, die die Bundesrepublik Deutschland von einer Privatperson aus Liechtenstein erworben hat.

I.

2

Gegen die Beschwerdeführer wird wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung in den Veranlagungszeiträumen 2002 bis 2006 ermittelt.

3

1. Das Amtsgericht Bochum ordnete mit Beschluss vom 10. April 2008 die Durchsuchung der Wohnung der Beschwerdeführer an. Im Rahmen der Ermittlungen gegen einen Liechtensteiner Treuhänder sei bekannt geworden, dass die Beschwerdeführer bei der L. AG in Liechtenstein am 17. Januar 2000 die K. Stiftung und am 14. Juni 2000 die T. S.A. gegründet hätten. Vermögensanlagen über diese Gesellschaften bei der L. AG in Liechtenstein seien den Beschwerdeführern zuzurechnen. Der Beschwerdeführer zu 1. habe zudem ein Konto bei der B. Bank in den Steuererklärungen nicht angegeben. Es seien Kapitalerträge aus den Vermögen der Stiftung und der S.A. in Höhe von etwa 2.000.000 DM nicht erklärt und dadurch voraussichtlich Steuern in den Jahren 2002 bis 2006 zwischen 16.390 € und 24.270 € verkürzt worden.

4

Bei der am 23. September 2008 vollzogenen Durchsuchung wurden ein Umschlag mit Unterlagen der L. AG sichergestellt und fünf Computerdateien ausgedruckt.

5

2. Die Beschwerdeführer legten gegen die Durchsuchungsanordnung Beschwerde ein und beantragten umfassende Akteneinsicht. Sie seien daran interessiert, die Daten einzusehen, die die Grundlage der Durchsuchungsanordnung bildeten.

6

Die Staatsanwaltschaft gewährte Akteneinsicht in die Ermittlungsakte und teilte den Beschwerdeführern mit, dass eine Akteneinsicht in alle Akten über die Gewinnung, den Weg und den Inhalt von Daten der L. AG nicht gewährt werden könne, weil darin Daten einer Vielzahl von Beschuldigten enthalten seien, die durch das Steuergeheimnis geschützt würden. Es könne jedoch mitgeteilt werden, dass es sich um Daten handele, die der Steuerfahndung im Wege der Amtshilfe durch den Bundesnachrichtendienst zur Verfügung gestellt worden seien.

7

Der Beschwerdeführer zu 1. beantragte daraufhin Einsicht in das Sicherstellungsverzeichnis bezüglich des Datenträgers und in Protokolle über die Vernehmung der Person, die die Daten geliefert habe. Auf diesen Antrag teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass diese Unterlagen bei den Ermittlungsbehörden nicht vorhanden seien. Den Beschwerdeführern wurde Einsicht in die bei der Staatsanwaltschaft vorhandenen Ermittlungsakten gegeben.

8

3. a) Mit der Beschwerde machten die Beschwerdeführer geltend, die der Durchsuchung zugrundeliegenden Erkenntnisse seien unverwertbar. Die Erhebung der verfahrensgegenständlichen Daten verstoße gegen das Völkerrecht, weil die Bundesrepublik die Daten außerhalb des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen und des Übereinkommens über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten vom 8. November 1990 erlangt habe. Die Verwendung der Daten verstoße auch gegen innerstaatliches Recht. Die Entgegennahme der Daten durch den Bundesnachrichtendienst sei rechtswidrig und strafbar gewesen. Der Bundesnachrichtendienst sei zur Entgegennahme der Daten nicht ermächtigt gewesen; die Weitergabe an die Staatsanwaltschaft verstoße darüber hinaus gegen das Trennungsgebot. Der Ankauf der Daten sei auch strafbar gewesen, denn hierdurch sei gegen § 17 Abs. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstoßen worden.

9

Aufgrund der zahlreichen Rechtsverstöße seien die von der L. AG erlangten Daten unverwertbar; die Aufnahme und Fortführung des Ermittlungsverfahrens sei bereits deshalb unzulässig, weil die L. AG-Daten die einzigen Erkenntnisquellen seien, auf die sich die Strafverfolgungsbehörden berufen könnten. Wenn sich ein Strafverfahren allein auf rechtswidrig erlangte Beweismittel stütze, werde gegen das in Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierte Recht auf ein faires Verfahren verstoßen.

10

b) Die Staatsanwaltschaft beantragte, den Beschwerden nicht abzuhelfen.

11

Der Verwertung der von privaten Personen überlassenen Beweismittel könne ein ausländischer Staat nicht widersprechen; völkerrechtliche Verträge seien insoweit nicht berührt. Aus dem innerstaatlichen Recht lasse sich ebenfalls kein Beweisverwertungsverbot ableiten; insbesondere beruhe die Verschaffung des Datenträgers nicht auf rechtswidrigen Handlungen. Es existiere keine Norm, die den Erwerb von steuerlich und steuerstrafrechtlich relevantem Informationsmaterial gegen Entgelt verbiete. Die Zahlung von Geld für Informationen sei dem Strafverfahren auch nicht fremd (z.B. Auslobung und Belohnung für Zeugen und V-Leute). Die Beschaffung des Datenträgers verstoße auch nicht gegen § 17 UWG.

12

Selbst wenn von einer rechtswidrigen Beweiserhebung ausgegangen würde, ergäbe sich nach der nach herrschender Meinung relevanten Abwägungslehre kein Beweisverwertungsverbot. Insoweit bezieht sich die Staatsanwaltschaft auf den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 22. April 2008 - 2 Qs 10/08 -, der eine Unverwertbarkeit der angekauften Daten selbst dann ablehnt, wenn zugunsten der Beschuldigten davon auszugehen wäre, dass deutsches Strafrecht über § 7 StGB anwendbar sei, der Ankauf sich als Begünstigung im Sinne des § 257 StGB und als Beihilfe zum Geheimnisverrat nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG darstelle und die Vortat den Tatbestand der Betriebsspionage nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG erfülle. Es gehe in der vorliegenden Konstellation nicht um ein zunächst rechtswidriges Verhalten staatlicher Ermittlungsbehörden, sondern um strafrechtlich relevantes Verhalten einer Privatperson. Die Regelungen der Strafprozessordnung über die Beweisgewinnung würden sich an die Strafverfolgungsorgane, nicht jedoch an Privatpersonen richten. Daraus folge, dass durch Private in rechtswidriger Art und Weise gewonnene Beweismittel grundsätzlich verwertbar seien.

13

Im Rahmen der erforderlichen Abwägung sei zu berücksichtigen, dass die Verwertung der durch die Daten eröffneten Erkenntnisse nicht den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung, sondern den geschäftlichen Bereich berühre. Die eventuelle Straftat richte sich auch nicht primär gegen den Beschuldigten. Zudem diene die Verwertung der Kenntnisse der Aufklärung einer Straftat, deren Aufklärung im besonderen Allgemeininteresse liege.

14

4. a) Das Amtsgericht half den Beschwerden nicht ab. Ergänzend zur Stellungnahme der Staatsanwaltschaft stellte das Gericht darauf ab, dass weder ein direkter Verstoß gegen das Völkerrecht vorliege noch multi- oder bilaterale Völkerrechtsbestimmungen umgangen worden seien. Die Daten seien weder auf Ersuchen an den Staat Liechtenstein noch auf Ersuchen an eine dritte Person zur Verfügung gestellt worden. Die Daten seien in keinem Fall auf Geheiß des Bundesnachrichtendienstes oder der Strafverfolgungsbehörden hergestellt, beschafft oder in sonstiger Weise erfasst, sondern lediglich passiv entgegengenommen worden. Hierzu sei der Bundesnachrichtendienst befugt gewesen, weil die DVD über 9.600 Datensätze über internationale Geldflüsse enthalte und lediglich auch die Daten der Beschwerdeführer.

15

b) Das Landgericht Bochum verwarf die Beschwerden mit Beschluss vom 7. August 2009 als unbegründet. Der für die Durchsuchung erforderliche Tatverdacht dürfe auf die strittigen Daten gestützt werden. Es bestehe kein Beweisverwertungsverbot. Das gelte selbst dann, wenn dabei nach innerstaatlichem Recht rechtswidrig oder gar strafbar gehandelt worden sein sollte.

16

Es sei bereits zweifelhaft, ob - wie die Beschwerdeführer behaupteten - das Europäische Übereinkommen über Rechtshilfe und das Übereinkommen über Geldwäsche umgangen worden sei. Der "Datendiebstahl" sei der Bundesrepublik Deutschland nicht zuzurechnen. Selbst wenn völkerrechtliche Übereinkommen umgangen worden sein sollten, sei dies unschädlich, weil sich aus der Verletzung eines völkerrechtlichen Vertrages, der keine persönlichen Rechte gewähre, kein Verwertungsverbot ergebe. Im Übrigen sei das möglicherweise völkerrechtswidrige Geschehen ("Datendiebstahl" und Ankauf der "gestohlenen" Daten) abgeschlossen gewesen; durch die Benutzung der Daten in dem Ermittlungsverfahren gegen die Beschwerdeführer würden die Übereinkommen nicht erneut beeinträchtigt.

II.

17

Mit der Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer die Verletzung ihrer Rechte auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 25 GG), die Verletzung von Art. 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und der Rechtsschutzgarantie und die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG.

18

1. Die Beschwerdeführer seien in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 25 GG und dem Rechtsstaatsprinzip verletzt, weil die Daten als Grundlage für den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses verwendet worden seien. Die Nutzung der Daten aus Liechtenstein gegen dessen Widerspruch in einem Strafverfahren in Deutschland verstoße gegen das Völkerrecht und verletze zudem die Souveränität Liechtensteins, weil dessen territoriale Integrität nicht beachtet worden sei.

19

Die Bedeutung des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens, der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen über die Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidrige Handlungen und der Regeln des Völkerrechts über die Souveränität von Staaten sei nicht hinreichend berücksichtigt worden. Die Daten seien mit Blick auf die Grundrechte der Beschwerdeführer unverwertbar. Jedenfalls hätten die Gerichte die Verstöße gegen das Völkerrecht bei der Prüfung des Beweisverwertungsverbotes in die Abwägung einstellen müssen.

20

2. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Art. 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und der Rechtsschutzgarantie, weil die Anforderungen an die Übermittlung von Daten durch Nachrichtendienste an andere Behörden nicht eingehalten worden seien und weil die mehrfachen Rechtsverstöße zu einem Beweisverwertungsverbot der Daten führten.

21

a) Der Bundesnachrichtendienst habe die Daten unter Verstoß gegen strafrechtliche Normen erlangt, denn der Datendiebstahl sei in Liechtenstein strafbar. Daher habe die Erhebung der Daten von vornherein nicht im Einklang mit ausländischen Verfahrensvorschriften stehen können. Darüber hinaus gebe es keine Rechtsgrundlage für die Entgegennahme der Daten durch den Bundesnachrichtendienst. Dies gelte auch für die Weitergabe der Daten vom Bundesnachrichtendienst an die Staatsanwaltschaften. Es habe dafür weder eine Befugnis nach § 9 BNDG noch nach § 116 AO bestanden. Der Bundesnachrichtendienst habe auch keine Amtshilfe leisten dürfen, weil diese hier nach § 112 Abs. 2 AO ausgeschlossen gewesen sei.

22

Mit dem Ankauf der Daten hätten sich die deutschen Behörden nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG und wegen Begünstigung nach § 257 StGB strafbar gemacht. § 34 StGB scheide als Rechtfertigungsnorm aus. Für eine Begünstigung reiche die Hilfestellung beim Verkauf aus.

23

b) Für die Daten bestehe ein Verwertungsverbot. Die vorliegenden Verfahrensverstöße (Verstoß gegen das Völkerrecht und das Trennungsgebot, Beteiligung an der unbefugten Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen) seien so schwerwiegend, dass das gesamte Ermittlungsverfahren dem Rechtsstaatsprinzip nicht mehr gerecht werden könne. Es gehe auch um rechtswidriges und strafbares Verhalten der Ermittlungsbehörden und nicht allein um strafrechtlich relevantes Verhalten einer Privatperson. Die großzügige Rechtsprechung zur rechtswidrigen Erlangung eines Beweismittels durch eine Privatperson könne daher nicht als Gewichtung der Verfahrensverstöße herangezogen werden.

24

Die Einschaltung des Bundesnachrichtendienstes sei allein deshalb erfolgt, um dessen besondere Möglichkeiten auszunutzen und das Geschehen weitestgehend einer gerichtlichen Kontrolle zu entziehen. Das Trennungsgebot diene dem Schutz des Einzelnen vor unkontrollierbaren staatlichen Eingriffen. Der schwerwiegende und bewusste Verfahrensverstoß könne nicht durch das Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung einer funktionierenden Strafrechtspflege aufgewogen werden.

25

Im Übrigen wiederholen und vertiefen die Beschwerdeführer ihr Vorbringen aus dem fachgerichtlichen Verfahren.

26

3. Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt, weil den Beschwerdeführern nicht offengelegt worden sei, wie die Daten der L. AG zu den Strafverfolgungsbehörden gelangt seien und welche Rolle der Bundesnachrichtendienst beim Ankauf der Daten im Einzelnen gespielt habe. Die Staatsanwaltschaft habe das Akteneinsichtsgesuch zu Unrecht unter Hinweis auf das Steuergeheimnis nach § 30 AO verweigert. Mangels ausreichender Informationen und aufgrund von Widersprüchen zwischen Mitteilungen der Strafverfolgungsbehörden und Presseberichten sei es den Beschwerdeführern nicht möglich gewesen, den Sachverhalt vollständig zu würdigen und alle entlastenden Argumente vorzubringen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Gerichte bei Vorbringen weiterer Argumente anders entschieden hätten.

III.

27

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu (vgl. BVerfGE 90, 22 <24>; 96, 245 <248>). Die mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen sind hinreichend geklärt; sie lassen sich mit Hilfe der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Maßstäbe ohne weiteres entscheiden. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Verfassungsbeschwerde ist zum Teil unzulässig und im Übrigen unbegründet.

28

1. Die Beschwerdeführer haben den Rechtsweg nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erschöpft. Gegen die angegriffene Entscheidung des Landgerichts ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben (vgl. § 310 Abs. 2 StPO). Die Beschwerdeführer können auch nicht auf die vorherige Erhebung einer Anhörungsrüge nach § 33a StPO verwiesen werden.

29

a) Wird mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht, so zählt eine Anhörungsrüge an das Fachgericht zum Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG im Regelfall abhängig ist (vgl. BVerfGE 42, 243 <245>; 74, 358 <380>; 122, 190 <198>). Das gilt jedoch nicht, wenn die Anhörungsrüge offensichtlich aussichtslos wäre (vgl. BVerfGK 7, 403 <407>). Auf einen offensichtlich aussichtslosen Rechtsbehelf kann ein Beschwerdeführer als Voraussetzung der Zulässigkeit seiner Verfassungsbeschwerde nicht verwiesen werden (vgl. BVerfGE 51, 386 <395 f.>; 52, 380 <387>; 78, 58 <68 f.>).

30

b) Im vorliegenden Fall wäre eine Anhörungsrüge offensichtlich aussichtslos, weil eine Gehörsverletzung nach dem Vortrag der Beschwerdeführer ersichtlich nicht in Betracht kommt.

31

Rechtliches Gehör sichert den Beteiligten ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess selbstbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. Art. 103 Abs. 1 GG steht in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 81, 123 <129>). Dem kommt besondere Bedeutung zu, wenn im strafprozessualen Ermittlungsverfahren Eingriffsmaßnahmen ohne vorherige Anhörung des Betroffenen gerichtlich angeordnet werden (§ 33 Abs. 4 StPO). Dann ist das rechtliche Gehör jedenfalls im Beschwerdeverfahren nachträglich zu gewähren (vgl. BVerfGK 3, 197 <204>; 7, 205 <211>; 12, 111 <115>). Eine dem Betroffenen nachteilige Gerichtsentscheidung darf jedenfalls in der Beschwerdeinstanz nur auf der Grundlage solcher Tatsachen und Beweismittel getroffen werden, über die dieser zuvor sachgerecht unterrichtet worden ist und zu denen er sich äußern konnte. §§ 33, 33a StPO beschränken die gebotene Anhörung nicht auf Tatsachen und Beweisergebnisse; vielmehr ist über den Wortlaut der Bestimmung im engeren Sinne hinaus jeder Aspekt des rechtlichen Gehörs davon erfasst (vgl. BVerfGE 42, 243 <250>). Zum Anspruch auf Gehör vor Gericht gehört demnach auch die Information über die entscheidungserheblichen Beweismittel. Eine gerichtliche Entscheidung darf nur auf Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, die dem Beschuldigten durch Akteneinsicht der Verteidigung bekannt sind (vgl. BVerfGK 7, 205 <211>).

32

Die Beschwerdeführer haben sich in ihrer Verfassungsbeschwerde zwar auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG berufen. Sie beanstanden jedoch nicht, das Gericht habe Tatsachen verwertet, zu denen sie zuvor nicht gehört worden seien. Ein solcher Verstoß scheidet auch offensichtlich aus, denn die Beschwerdeführer haben umfassend Akteneinsicht in alle dem Beschwerdegericht vorliegenden Unterlagen erhalten und hatten die Möglichkeit, sich dazu zu äußern. Die Beschwerdeführer haben auch nicht behauptet, das Landgericht hätte Erkenntnisse verwertet, die ihnen zuvor nicht zugänglich gemacht worden seien.

33

Die Beschwerdeführer machen vielmehr geltend, das Gericht hätte weitere Informationen über die Umstände der Erlangung der Datenträger beschaffen und ihnen zur Verfügung stellen müssen, damit sie in der Lage seien, den Sachverhalt entsprechend zu würdigen. Damit rügen sie jedoch in der Sache nicht eine Verletzung rechtlichen Gehörs, sondern des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG.

34

2. Soweit die Beschwerdeführer der Sache nach eine Verletzung des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG rügen, weil die Fachgerichte hätten aufklären müssen, wie die Strafverfolgungsbehörden in den Besitz der Daten gelangt seien und welche Rolle der Bundesnachrichtendienst dabei gespielt habe, haben sie nicht dem in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde Genüge getan.

35

Dieser erfordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung vor den vorrangig hierzu berufenen Fachgerichten zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (stRspr, vgl. BVerfGE 77, 381 <401>; 81, 22 <27>).

36

Diesem Erfordernis sind die Beschwerdeführer im fachgerichtlichen Verfahren nicht nachgekommen. Dort haben sie weder ausdrücklich noch konkludent von den Strafverfolgungsbehörden verlangt, den Sachverhalt in Bezug auf die Beschaffung der Datenträger aufzuklären. Sie haben zwar im Rahmen ihres Akteneinsichtsgesuches dargelegt, dass es ihnen darum gehe, auf welchem Wege die Daten erlangt worden seien. Spätestens nach der Mitteilung der Staatsanwaltschaft, die von den Beschwerdeführern bezeichneten Unterlagen und Informationen (Sicherstellungsprotokoll des Datenträgers, Protokoll über die Zeugenvernehmung des Informanten) seien bei den Strafverfolgungsbehörden nicht vorhanden, hätten die Beschwerdeführer ihr Aufklärungsbegehren jedoch geltend machen können. Das haben sie indes nicht getan, sondern lediglich die Einsicht in die bei den Strafverfolgungsbehörden befindlichen Unterlagen begehrt.

37

Im Verfassungsbeschwerdeverfahren beanstanden die Beschwerdeführer erstmals ausdrücklich, die Strafverfolgungsbehörden hätten die Umstände des Datenankaufs und die Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes daran aufklären müssen. Damit haben sie den Fachgerichten die Möglichkeit genommen, dazu Stellung zu nehmen oder die entsprechenden Ermittlungen anzustellen. Nach dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde können die Beschwerdeführer daher mit dieser Rüge hier nicht gehört werden.

38

3. Im Übrigen hat die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihrem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG.

39

Mit einer Durchsuchung wird schwerwiegend in die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) eingegriffen. Notwendiger und grundsätzlich auch hinreichender Eingriffsanlass für eine solche Zwangsmaßnahme im Strafverfahren ist der Verdacht einer Straftat. Der Verdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfGE 44, 353 <381 f.>; 59, 95 <97 f.>).

40

Der für die Durchsuchung erforderliche Anfangsverdacht einer Steuerstraftat ist in den angegriffenen Entscheidungen ausreichend dargelegt worden. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Fachgerichte den Verdacht, die Beschwerdeführer hätten Kapitaleinkünfte aus Vermögen Liechtensteiner Stiftungen gegenüber den deutschen Finanzbehörden nicht erklärt, auch auf die Erkenntnisse der Daten aus Liechtenstein gestützt haben.

41

a) aa) Der von den Beschwerdeführern in ihrer Verfassungsbeschwerde geschilderte Ablauf des Erwerbs der Daten von einem Informanten aus Liechtenstein stimmt nicht mit dem in den angegriffenen Beschlüssen festgestellten Sachverhalt überein. Da die Beschwerdeführer insoweit weder im fachgerichtlichen Verfahren substantiierte Einwendungen noch mit der Verfassungsbeschwerde durchgreifende Rügen erhoben haben, ist von den Feststellungen in den angegriffenen Entscheidungen auszugehen.

42

bb) Bei der Frage, ob die aus Liechtenstein stammenden Daten für die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts für eine strafprozessuale Durchsuchung zugrunde gelegt werden dürfen, geht es nicht um die unmittelbare Geltung eines Beweisverwertungsverbotes, denn dieses betrifft grundsätzlich lediglich die unmittelbare Verwertung von rechtswidrig erlangten Beweismitteln im Strafverfahren zur Feststellung der Schuldfrage (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. 2010, Einl. Rn. 55). Ob und inwieweit Tatsachen, die einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, zur Begründung eines Anfangsverdachts einer Durchsuchung herangezogen werden dürfen, betrifft vielmehr die Vorauswirkung von Verwertungsverboten und gehört in den größeren Zusammenhang der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten (vgl. Beulke, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 152 Rn. 26 f.). Insoweit ist anerkannt, dass Verfahrensfehlern, die ein Verwertungsverbot für ein Beweismittel zur Folge haben, nicht ohne weiteres Fernwirkung für das gesamte Strafverfahren zukommt (vgl. auch BVerfGK 7, 61 <63>).

43

cc) Unabhängig davon besteht von Verfassungs wegen kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnen Beweise stets unzulässig wäre (vgl. BVerfGK 9, 174 <196>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. April 2000 - 2 BvR 1990/96 -, NStZ 2000, S. 488; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. April 2000 - 2 BvR 75/94 -, NStZ 2000, S. 489; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 1. März 2000 - 2 BvR 2017/94, 2 BvR 2039/94 -, NStZ 2000, S. 489 <490>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juni 2005 - 2 BvR 1502/04 -, NStZ 2006, S. 46; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Juli 2009 - 2 BvR 2225/08 -, NJW 2009, S. 3225). Die Beurteilung der Frage, welche Folgen ein möglicher Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensvorschriften hat und ob hierzu insbesondere ein Beweisverwertungsverbot zählt, obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten (vgl. BVerfGK 4, 283 <285>; 9, 174 <196>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Juli 2008 - 2 BvR 784/08 -, NJW 2008, S. 3053 <3054>).

44

Die Strafgerichte gehen in gefestigter, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Rechtsprechung davon aus, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, demzufolge jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist, und dass die Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Juli 2008 - 2 BvR 784/08 -, NJW 2008, S. 3053; BGHSt 38, 214 <219 f.>; 44, 243 <249>; 51, 285 <289 f.>; vgl. auch Nack, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, vor § 94 Rn. 10). Auch wenn die Strafprozessordnung nicht auf Wahrheitserforschung "um jeden Preis" gerichtet ist, schränkt die Annahme eines Verwertungsverbotes eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts ein, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen hat und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind. Das Rechtsstaatsprinzip gestattet und verlangt die Berücksichtigung der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann (vgl. BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222>; 122, 248 <272>). Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden (vgl. BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222>; 122, 248 <272 f.>; stRspr). Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (vgl. BGHSt 40, 211 <217>; 44, 243 <249>; 51, 285 <290>). Die strafgerichtliche Rechtsprechung geht daher davon aus, dass insbesondere das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers ein Verwertungsverbot nach sich ziehen kann (vgl. BGHSt 51, 285 <292>; BGH, Beschluss vom 18. November 2003 - 1 StR 455/03 -, NStZ 2004, S. 449 <450>).

45

Die Unzulässigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung führt auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht ohne weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot (vgl. BVerfGK 9, 174 <196>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. April 2000 - 2 BvR 1990/96 -, NStZ 2000, S. 488, und - 2 BvR 75/94 -, NStZ 2000, S. 489; vom 1. März 2000 - 2 BvR 2017/94, 2 BvR 2039/94 -, NStZ 2000, S. 489 <490>; vom 30. Juni 2005 - 2 BvR 1502/04 -, NStZ 2006, S. 46; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Juli 2009 - 2 BvR 2225/08 -, NJW 2009, S. 3225). Dies gilt auch für Fälle einer fehlerhaften Durchsuchung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 8. November 2001 - 2 BvR 2257/00 -, StV 2002, S. 113; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Juli 2009 - 2 BvR 2225/08 -, NJW 2009, S. 3225 <3226>). Ein Beweisverwertungsverbot ist von Verfassungs wegen aber zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer acht gelassen worden sind, geboten (vgl. BVerfGE 113, 29 <61>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Juli 1998 - 2 BvR 446/98 -, NJW 1999, S. 273 <274>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2006 - 2 BvR 954/02 -, NJW 2006, S. 2684 <2686>). Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus den Grundrechten hat das Bundesverfassungsgericht nur in den Fällen anerkannt, in denen der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist (vgl. BVerfGE 34, 238 <245 f.>; 80, 367 <374 f.>; 109, 279 <320>). Ob ein Sachverhalt zum unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung oder zu jenem Bereich des privaten Lebens, der unter bestimmten Voraussetzungen dem staatlichen Zugriff offen steht, zuzuordnen ist, lässt sich nicht abstrakt beschreiben, sondern kann befriedigend nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des einzelnen Falls beantwortet werden (vgl. BVerfGE 34, 238 <248>; 80, 367 <374>).

46

dd) Bei der Prüfung, ob die angegriffenen Entscheidungen die Grenzen richterlicher Rechtsfindung wahren, hat das Bundesverfassungsgericht die Auslegung einfachen Gesetzesrechts einschließlich der Wahl der hierbei anzuwendenden Methode nicht umfassend auf seine Richtigkeit zu untersuchen. Vielmehr beschränkt es auch im Bereich des Strafprozessrechts seine Kontrolle auf die Prüfung, ob das Fachgericht bei der Rechtsfindung die gesetzgeberische Grundentscheidung respektiert und von den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung in vertretbarer Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerfGE 82, 6 <13>; 96, 375 <394>; 122, 248 <258>).

47

Die Beurteilung der Frage, welche Folgen ein möglicher Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensvorschriften hat und ob hierzu insbesondere ein Verwertungsverbot zählt, obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten (vgl. BVerfGK 4, 283 <285>; 9, 174 <196>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Juli 2008 - 2 BvR 784/08 -, NJW 2008, S. 3053 <3054>). Das Bundesverfassungsgericht prüft die von den Fachgerichten vorgenommene Abwägung zwischen dem durch den Verfahrensverstoß bewirkten Eingriff in die Rechtsstellung der Beschwerdeführer einerseits und den Strafverfolgungsinteressen des Staates anderseits daher nicht im einzelnen nach. Die Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich vielmehr auf die Kontrolle, ob die Fachgerichte in verfassungsrechtlich erheblicher Weise den Schutzbereich der verletzten Verfahrensnorm verkannt oder die weiteren Anforderungen für die Annahme eines Verwertungsverbotes hinsichtlich rechtswidrig gewonnener Beweise überspannt haben.

48

b) Ausgehend von diesen Maßstäben sind die angegriffenen Entscheidungen von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

49

aa) Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob und inwieweit Amtsträger bei der Beschaffung der Daten nach innerstaatlichem Recht rechtswidrig oder gar strafbar gehandelt haben. Die Gerichte haben für ihre Bewertung, ob die Daten einem für die Durchsuchung erforderlichen Anfangsverdacht nicht zugrunde gelegt werden dürfen, unterstellt, dass die Beschaffung der Daten nicht mit geltendem Recht übereinstimmt. Gleiches gilt für die Behauptung der Beschwerdeführer, dass die Beschaffung der Daten gegen völkerrechtliche Übereinkommen verstoßen habe. Auch insoweit unterstellen die angegriffenen Entscheidungen, dass diese Übereinkommen bei der Beschaffung umgangen worden sein könnten.

50

Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde unter anderem gegen die einfachrechtliche Beurteilung des Verhaltens von Amtsträgern im Zusammenhang mit dem Erwerb der Daten aus Liechtenstein. Insoweit ist es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die Rechtslage im Einzelnen nachzuprüfen. Die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts ist Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen, soweit bei der zu treffenden Entscheidung nicht Willkür vorliegt oder spezifisches Verfassungsrecht verletzt ist. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn eine Entscheidung, am einfachen Recht gemessen, möglicherweise fehlerhaft ist; der Fehler muss gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten liegen oder die einfachrechtliche Beurteilung darf unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar sein (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 34, 369 <379>).

51

(1) Soweit die angegriffenen Entscheidungen darauf abstellen, dass sich die Beschwerdeführer nicht auf die von ihnen gerügten Völkerrechtsverstöße berufen können, greifen die Rügen der Beschwerdeführer in ihrer Verfassungsbeschwerde nicht durch. Die Beschwerdeführer kommen entgegen der Auffassung des Landgerichts in ihrer Auslegung der völkerrechtlichen Verträge zu dem Ergebnis, dass das Verhalten des Informanten, der die Daten an den Bundesnachrichtendienst übergeben hat, der Bundesrepublik Deutschland zugerechnet werden müsse. Alleine aus dieser abweichenden Auslegung der völkerrechtlichen Verträge durch die Beschwerdeführer ergibt sich aber noch nicht, dass die Auffassung des Landgerichts, die Voraussetzungen der Zurechnungsregelungen der hier streitigen völkerrechtlichen Übereinkommen lägen nicht vor, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar ist oder dass die Grundrechte der Beschwerdeführer nicht berücksichtigt wurden.

52

Auch die Wertung des Landgerichts, dass selbst bei einer etwaigen Umgehung der völkerrechtlichen Übereinkommen der möglicherweise vorliegende Rechtsverstoß abgeschlossen gewesen sei und die Nutzung der Daten für einen Anfangsverdacht keine erneute Beeinträchtigung der Übereinkommen bedeute, ist jedenfalls nicht willkürlich.

53

(2) Soweit die Beschwerdeführer rügen, dass die Beschaffung der Daten rechtswidrig oder gar strafbar gewesen ist, ergibt sich aus ihren Ausführungen ebenfalls nicht, dass die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene Auslegung des Strafrechts unvertretbar ist oder Grundrechte der Beschwerdeführer nicht hinreichend berücksichtigt worden sind.

54

Das Landgericht hat die Frage, ob die Beschaffung der Daten rechtswidrig oder gar strafbar gewesen ist, nicht abschließend beurteilt, sondern für die Beurteilung der Frage, ob ein Beweisverwertungsverbot vorliegt, unterstellt, dass sich die Amtsträger nach innerstaatlichem Recht rechtswidrig verhalten oder sogar Straftatbestände verwirklicht hätten. Damit hat das Landgericht die von den Beschwerdeführern insoweit für sich in Anspruch genommenen Positionen bei der Prüfung des für eine Durchsuchung erforderlichen Anfangsverdachts hinreichend berücksichtigt.

55

Soweit die Beschwerdeführer sich im Übrigen mit der Rechtswidrigkeit und Strafbarkeit des Verhaltens bei dem Erwerb der Daten auseinandersetzen, stellen sie lediglich ihre eigene Rechtsauffassung derjenigen der Fachgerichte entgegen. Dies genügt jedoch nicht, um die Unvertretbarkeit der angegriffenen Entscheidungen zu belegen.

56

bb) Die Verfassungsbeschwerde zeigt auch keine Grundrechtsverletzung auf, soweit sie die in den angefochtenen Entscheidungen vorgenommene Abwägung zwischen den Belangen der Beschwerdeführer und dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung angreift, die zu dem Ergebnis führt, dass die erlangten Daten weiteren Ermittlungsmaßnahmen zugrunde gelegt werden dürfen. Das Vorbringen der Beschwerdeführer, die von ihnen gerügten Verfahrensverstöße wögen so schwer, dass das gesamte Ermittlungsverfahren dem Rechtsstaatsprinzip nicht mehr gerecht werden könne und daher die Daten nicht für die Begründung eines Anfangsverdachts herangezogen werden könnten, hat keinen Erfolg.

57

Zu Recht weist das Landgericht in dem in Bezug genommenen Beschluss vom 22. April 2008 darauf hin, dass die Verwendung der fraglichen Daten für die Annahme eines Anfangsverdachts nicht den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt. Es handelt sich vielmehr um Daten über geschäftliche Kontakte der Beschwerdeführer mit Kreditinstituten.

58

Bei der Beurteilung, ob der Verwendung der Daten für einen Anfangsverdacht schwerwiegende Rechtsverletzungen entgegenstehen, haben die Gerichte zugunsten der Beschwerdeführer unterstellt, dass nach innerstaatlichem Recht rechtswidrig oder gar strafbar gehandelt worden sei. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich die Vorschriften der Strafprozessordnung zur Beweiserhebung und -verwertung nach Systematik, Wortlaut und Zweck ausschließlich an die staatlichen Strafverfolgungsorgane richten. Beweismittel, die von Privaten erlangt wurden, sind - selbst wenn dies in strafbewehrter Weise erfolgte - grundsätzlich verwertbar (h.M.; vgl. BGHSt 27, 355 <357>; 34, 39 <52>; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 6. Aufl. 2008, Rn. 397 m.w.N.). Dies bedeutet, dass allein von dem Informanten begangene Straftaten bei der Beurteilung eines möglichen Verwertungsverbotes von vornherein nicht berücksichtigt werden müssen.

59

Ausgehend von der tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung durch das Landgericht ergibt sich auch nicht aus dem von den Beschwerdeführern als verletzt angesehenen Trennungsgebot, dass die Daten für weitere Ermittlungsmaßnahmen nicht verwendet werden dürften. Amtsgericht und Landgericht sind davon ausgegangen, dass der Bundesnachrichtendienst die Daten im Wege der Amtshilfe lediglich entgegengenommen und weitergeleitet habe. Weder der Bundesnachrichtendienst noch die Strafverfolgungsbehörden hätten veranlasst, dass die Daten hergestellt, beschafft oder auf sonstige Weise erfasst worden seien. Der Informant habe sich vielmehr von sich aus an den Bundesnachrichtendienst gewandt. Die angegriffenen Entscheidungen haben diesen Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass eine Verletzung des Trennungsgebots von vornherein ausscheidet. Dieses Gebot besagt, dass Geheimdienste keine polizeilichen Zwangsbefugnisse besitzen dürfen, also etwa keine Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen durchführen oder anderen Zwang ausüben dürfen. Sie dürfen mithin nicht zur gezielten Erlangung von Zufallsfunden für nicht-nachrichtendienstliche Zwecke eingesetzt werden (vgl. Roggan/Bergemann,NJW 2007, S. 876). Die Behauptung der Beschwerdeführer, der Bundesnachrichtendienst sei nur eingeschaltet worden, um dessen besondere Möglichkeiten auszunutzen, ist durch nichts belegt.

60

Soweit die angegriffenen Entscheidungen nach Abwägung der verschiedenen Interessen zu dem Ergebnis gelangen, dass die Daten aus Liechtenstein verwendet werden dürfen, um den Anfangsverdacht für die Durchsuchung zu begründen, ist dies nachvollziehbar und lässt eine verfassungsrechtlich relevante Fehlgewichtung nicht erkennen. Die von den Gerichten unterstellten Verfahrensverstöße und die Möglichkeit rechtswidrigen oder gar strafbaren Verhaltens beim Erwerb der Daten führen nicht zu einem absoluten Verwertungsverbot. Die Gerichte haben die verschiedenen rechtserheblichen Aspekte erkannt und in die Abwägung zwischen den Rechten der Beschwerdeführer, insbesondere dem Anspruch auf Einhaltung der Regeln für strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen, und dem konkreten Strafverfolgungsinteresse eingestellt. Soweit die Gerichte aufgrund ihrer Abwägung zu dem Ergebnis kommen, dass ein Verwertungsverbot für die gewonnenen Daten nicht besteht, wird der fachgerichtliche Wertungsrahmen nicht überschritten. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass es sich bei den unterstellten Rechtsverletzungen um schwerwiegende, bewusste oder willkürliche Verfahrensverstöße handelt, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer acht gelassen worden sind. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass es sich hier lediglich um die mittelbaren Wirkungen eines als verfahrensfehlerhaft unterstellten Erwerbs der Daten handelt.

61

4. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

62

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein im Jahr 1990 unter dem Namen Die Heimattreue Jugend (DHJ) - Bund für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V. gegründeter eingetragener Verein mit Sitz in Plön. Er hat ca. vierhundert Mitglieder. Seinen jetzigen Namen Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt, Heimat e.V. führt er seit dem Jahr 2001. Nach § 3 seiner Vereinssatzung sieht er seinen Zweck in der Förderung der geistigen, charakterlichen und körperlichen Entwicklung der männlichen und weiblichen Jugend, des Jugendsports und der Jugendbildung. Er will danach die Jugend zu dem Nächsten hilfreichen, der Heimat und dem Vaterland treuen und dem Gedanken der Völkerverständigung aufgeschlossenen Staatsbürgern heranbilden und gibt ein Bekenntnis zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ab. Der Kläger führt Jugendlager, Jugendfahrten sowie Sport- und sog. Bildungsveranstaltungen durch. Er gibt unter anderem die Vereinszeitschrift "Funkenflug" heraus, die vierteljährlich mit einer Auflage von ca. 600 Exemplaren erscheint. Nach § 14 der Vereinssatzung ist der Kläger in sog. Leitstellen untergliedert, diese gliedern sich in sog. Einheiten.

2

Das Bundesministerium des Innern stellte ohne vorherige Anhörung des Klägers durch Verfügung vom 9. März 2009 fest, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe. Er wurde verboten und aufgelöst. Ferner wurde verboten, Ersatzorganisationen für den Kläger zu bilden, bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen und Kennzeichen des Klägers zu verwenden. Das Vermögen des Klägers sowie näher typisierte Sachen und Forderungen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen. Mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen wurde die Verfügung für sofort vollziehbar erklärt.

3

Zur Begründung des Vereinsverbotes führte das Bundesministerium des Innern aus: Der Kläger richte sich im Sinne des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Seine in der Satzung formulierten Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seien nur Fassade. Er habe eine dem Nationalsozialismus wesensverwandte Ideologie. Seine eigentliche Zielsetzung sei die Heranbildung einer neonazistischen Elite. Hierzu nehme er Einfluss auf Kinder und Jugendliche durch Verbreitung völkischer, rassistischer, nationalistischer und nationalsozialistischer Ansichten im Rahmen vorgeblich unpolitischer Freizeitangebote. Der Kläger lehne das politische System des Grundgesetzes und die von ihm garantierte freiheitliche demokratische Grundordnung ab, bekenne sich zum historischen Nationalsozialismus und propagiere Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Zudem liefen die Zwecke und Tätigkeiten des Klägers den Strafgesetzen zuwider, so dass auch der Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG eingreife. Funktionäre und Mitglieder des Klägers erfüllten den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis d StGB, verwendeten in einer nach §§ 86, 86a StGB strafbaren Weise Propagandamittel und Kennzeichen aus der Zeit des Nationalsozialismus und verstießen durch öffentliches Auftreten in ihrer sog. Kluft gegen das nach § 28 VersammlG strafbewehrte Uniformverbot aus § 3 Abs. 1 VersammlG. Sämtliche Straftaten seien dem Kläger zuzurechnen und prägten seinen Charakter.

4

Gegen die am 31. März 2009 zugestellte Verbotsverfügung hat der Kläger am 28. April 2009 Anfechtungsklage erhoben. Am 30. April 2009 hat er um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 11. August 2009 - BVerwG 6 VR 2.09 - (Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 51) abgelehnt.

5

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor, die Verbotsverfügung sei bereits aus formell-rechtlichen Gründen rechtswidrig, weil die Beklagte sie nicht ohne vorherige Anhörung habe erlassen dürfen. Materiell-rechtlich seien die von der Beklagten angenommenen Verbotsgründe der Verfassungs- und der Strafgesetzwidrigkeit nicht erfüllt.

6

Der Kläger beantragt,

die Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 9. März 2009 aufzuheben.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie verteidigt die angefochtene Verfügung mit ergänzenden Ausführungen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage ist unbegründet. Das von dem Bundesministerium des Innern unter dem 9. März 2009 verfügte Vereinsverbot (1.) sowie seine gegen den Kläger gerichteten Nebenentscheidungen (2.) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

10

1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Verbotsverfügung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz - VereinsG) vom 5. August 1964 (BGBl I S. 593), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3198), i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG. Danach darf ein Verein erst dann als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die Verbotsverfügung ist formell (a)) und materiell (b)) rechtmäßig ergangen.

11

a) Die Verfügung leidet nicht an formell-rechtlichen Mängeln. Insbesondere konnte das gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG zuständige Bundesministerium des Innern vor ihrem Erlass von einer Anhörung des Klägers absehen. Zwar ist nach § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Jedoch kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vereinsrecht (Urteil vom 13. April 1999 - BVerwG 1 A 3.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30 S. 3, Beschluss vom 10. Januar 2003 - BVerwG 6 VR 13.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 38 S. 61, Urteile vom 3. Dezember 2004 - BVerwG 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 78 und vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50 Rn. 13) genügt es, dass die Verbotsbehörde unter diesen Gesichtspunkten auf Grund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Das Bundesministerium des Innern hat nach der Begründung der angefochtenen Verfügung von einer Anhörung des Klägers deshalb abgesehen, weil es die mit einer solchen Maßnahme verbundene Unterrichtung des Klägers über den bevorstehenden Eingriff vermeiden und ihm so keine Gelegenheit bieten wollte, seine Infrastruktur, sein Vermögen und verbotsrelevante Unterlagen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Dieses Bestreben, der Verbotsverfügung eine möglichst große Wirksamkeit zu verleihen, ging nicht ins Leere, obwohl bereits vor Erlass der Verfügung in der Öffentlichkeit und im Deutschen Bundestag (vgl. BTDrucks 16/6040, 16/6101, 16/8601, 16/10442 und 16/11581) ein Verbot des Klägers gefordert worden war und Durchsuchungen und Beschlagnahmen nach § 4 Abs. 4 VereinsG stattgefunden hatten. Die Beklagte verweist entgegen der Ansicht des Klägers zu Recht darauf, dass diesen im zeitlich nicht genau zu bestimmenden Vorlauf eines etwaigen Vereinsverbots angesiedelten Erörterungen und Handlungen nicht der gleiche Ankündigungseffekt zukommen konnte, wie ihn eine Anhörung im Rahmen des konkreten Verbotsverfahrens zwangsläufig haben musste (vgl. in diesem Sinne allgemein: Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O. S. 62, Urteil vom 5. August 2009 a.a.O. S. 278 bzw. Rn. 13).

12

b) Das Verbot erweist sich auch in der Sache als rechtmäßig. Das Bundesministerium des Innern hat es zu Recht darauf gestützt, die Zwecke und Tätigkeit des Klägers richten sich im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Ob der Kläger daneben auch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG erfüllt, kann offenbleiben.

13

aa) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (Urteil vom 13. Mai 1986 - BVerwG 1 A 12.82 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 8 S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 - BVerwG 1 ER 301.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 14 S. 36 und vom 21. April 1995 - BVerwG 1 VR 9.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 21 S. 42, Urteil vom 30. August 1995 - BVerwG 1 A 14.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 22 S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 - BVerwG 1 VR 1.95 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 24 S. 72 f., Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 - BVerwG 1 A 13.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 28 S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will; sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen (Urteile vom 2. Dezember 1980 - BVerwG 1 A 3.80 - BVerwGE 61, 218 <220> = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 6 S. 51 f. und vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 6, Beschlüsse vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42 und vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Eine zum Verbot führende Zielrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist ohne Weiteres dann zu bejahen, wenn eine Vereinigung in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweist. Dieser vom Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 - 1 BvB 1/51 - BVerfGE 2, 1 <69 f.>) anlässlich des Verbotes der Sozialistischen Reichspartei zu Art. 21 Abs. 2 GG entwickelte Grundsatz gilt in gleicher Weise für ein Vereinsverbot, weil jedenfalls eine die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erstrebende Zielrichtung im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet ist. Wenn eine Vereinigung sich zur ehemaligen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und zu deren maßgeblichen Funktionsträgern bekennt und die demokratische Staatsform verächtlich macht, eine mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unvereinbare Rassenlehre propagiert und eine entsprechende Überwindung der verfassungsmäßigen Ordnung anstrebt, richtet sie sich gegen die elementaren Verfassungsgrundsätze und erfüllt damit den Verbotstatbestand (Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 a.a.O. S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44).

14

Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen (Urteil vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 f. und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 58, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45). Wird eine Publikation, die keinen offenen Markt der Meinungen darstellt (vgl. dazu: BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <83 f.>), im Auftrag einer Vereinsleitung herausgegeben, sind die dort erschienenen Beiträge in aller Regel der jeweiligen Vereinigung zuzuschreiben. Etwas anderes kommt in einer solchen Konstellation nur dann in Betracht, wenn es sich - wie beispielsweise bei Leserbriefen - um ersichtlich individuelle Meinungsäußerungen handelt und die Vereinigung derartige Äußerungen missbilligt oder sich jedenfalls von ihnen distanziert (Beschluss vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 f. und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 40, 45). Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt. Der Umstand, dass diese Belege gegebenenfalls einer mehr oder weniger großen Zahl unverfänglicher Sachverhalte scheinbar untergeordnet sind, besagt allein nichts über ihre Aussagekraft (Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 5 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45; im gleichen Sinn für Art. 21 Abs. 2 GG: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 21).

15

Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Kläger um einen verfassungswidrigen Verein, weil er nach seiner Programmatik, seiner Vorstellungswelt und seinem Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, insbesondere mit der früheren Hitlerjugend als einer Teilorganisation der ehemaligen NSDAP aufweist und das Bundesministerium des Innern deshalb die in der Satzung des Klägers enthaltenen Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit, zum Gedanken der Völkerverständigung und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu Recht als bloße Fassade bewertet hat.

16

Dies ergibt sich aus strafrichterlichen Feststellungen über Aktivitäten von Mitgliedern des Klägers, aus dem Senat vorliegenden Materialien für von dem Kläger zu verantwortende Veranstaltungen und aus schriftlichen Äußerungen, die dem Kläger zuzurechnen sind, weil sie von in ihren Funktionen herausgehobenen Mitgliedern stammen oder in Publikationen des Klägers - insbesondere in der Vereinszeitschrift "Funkenflug" (im Folgenden: FF) - veröffentlicht worden sind. Der von dem Kläger erhobene Einwand, diese Zeitschrift habe einen offenen Markt der Meinungen eröffnet, so dass ihm die dort veröffentlichten Artikel von nicht der Redaktion angehörenden Autoren nicht zugerechnet werden könnten, geht fehl. Dass die Zeitschrift mit einem für verschiedene Meinungen offenen Diskussionsforum nichts gemein hat, sondern vollständig auf die Ziele der Vereinsführung ausgerichtet ist, zeigt die Beschreibung, die der Vorsitzende des Klägers - nach § 12 der Vereinssatzung als "1. Bundesführer" bezeichnet - in einem an Vereinsmitglieder mit Leitungsfunktionen gerichteten "Führerrundbrief 2/04" (von der Beklagten vorgelegte Anlage - im Folgenden: Anl. - 4) über die Redaktionsarbeit abgegeben hat. Danach wird "je nach Ausgewogenheit" zentral entschieden, in welcher Ausgabe ein Beitrag erscheinen oder ob er anderweitig genutzt werden soll. Entsprechend hat der Vorsitzende des Klägers in der mündlichen Verhandlung bekundet, er stehe hinter jedem Satz, der im "Funkenflug" veröffentlicht worden sei.

17

bb) Der Kläger propagiert eine Vorbildfunktion des Nationalsozialismus und seiner Organisationen und offenbart dabei eine der Wiedererrichtung der nationalsozialistischen Herrschaft verhaftete Vorstellungswelt.

18

(1) Propaganda für die nationalsozialistische Herrschaft als Ganzes enthält beispielhaft der Artikel "Wo stehen wir?" (Paul, FF Nr. 2/2005, S. 14, Anl. 84). In ihm wird der Beginn dieser Diktatur, der 30. Januar 1933, mit eindeutig positiver Einschätzung als "Ausgangspunkt einer der größten Wendungen, die die Geschichte des deutschen Volkes kennt" beschrieben und das nach "Zurückgewinnung des Saarlandes, Österreichs, Sudetendeutschlands, und der Inschutzstellung Böhmen und Mährens ... neu entstandene Großdeutschland" gepriesen.

19

Der Kläger sucht die hierin liegende Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes vergeblich durch den Einwand zu relativieren, es handele sich um eine wertneutrale Feststellung. Ebenso geht es fehl, wenn er geltend macht, die Äußerung stehe, selbst wenn sie eine positive Einschätzung enthalte, nicht in der Nähe zum Nationalsozialismus, und hierzu ausführt, in der Vergangenheit habe es für jeden Staat eine positive Wendung seiner Geschicke dargestellt, wenn er sein Gebiet habe vergrößern können, im Jahr 1935 hätten über 90 Prozent und im Jahr 1938 über 99 Prozent der Stimmberechtigten für den "Anschluss" des Saarlandes bzw. Österreichs an das sog. Dritte Reich gestimmt und auch Joachim C. Fest habe geäußert, dass Hitler im Fall seines Abtritts alsbald nach Vollendung dieser Gebietsgewinne als der größte deutsche Staatsmann in die Geschichte eingegangen wäre.

20

Der Kläger bedient sich mit diesen Äußerungen eines bekannten Argumentationsmittels, das darin besteht, eine Aussage aus einem anderweitigen, nicht negativ besetzten historischen oder anerkannten wissenschaftlichen Zusammenhang zu entnehmen, diese mit einer dem Wortlaut, aber nicht dem Sinn nach übereinstimmenden positiven Aussage zum Nationalsozialismus gleichzusetzen und dann zu schlussfolgern, dass diese nicht missbilligt werden dürfe, wenn dies mit jener nicht gleichermaßen geschehe. Diese Art der Auseinandersetzung bleibt rein formal und missdeutet deshalb inhaltlich die historischen Tatsachen. Der Kläger setzt bei seinem Rechtfertigungsversuch überdies den in Rede stehenden, trotz Kenntnis des gesamten historischen Verlaufs der nationalsozialistischen Herrschaft geschriebenen Artikel in unzulässiger Weise in Beziehung zu tatsächlichen Umständen aus der Anfangszeit des Regimes und hierauf bezogenen Meinungen.

21

(2) Kennzeichnend für den Kläger ist sein Bekenntnis zur sog. Volksgemeinschaft. Sie stellt einen Kernbegriff der nationalsozialistischen Ideologie dar, der nicht nur die Ablehnung einer pluralistischen Gesellschaft und die bedingungslose Unterordnung des Einzelnen, sondern insbesondere auch die Ausgrenzung als "volksschädlich" und "volksfremd" definierter Personen zum Ausdruck bringt. Die Volksgemeinschaft, so heißt es in dem von dem Kläger herausgegebenen "Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit" (Anl. 38, S. 4), sei "die höchste Form völkischen Zusammenlebens" und habe "oberstes Ziel der Politik" zu sein. "Volksfremde" könnten in einer solchen Gemeinschaftsform "keinen Platz finden". Das Volk werde "durch einen zu hohen Anteil an Fremdvölkischen in seiner biologischen Existenz bedroht".

22

Auch im Hinblick auf diese programmatische Aussage schlägt der von dem Kläger mit Hilfe des soeben beschriebenen Argumentationsmittels unternommene Versuch einer Relativierung fehl. Wenn der Begriff der Volksgemeinschaft, wie der Kläger geltend macht, von der romantisch geprägten Jugendbewegung des Wandervogels oder von dem Sozialdemokraten Otto Wels verwandt wurde, geschah dies nicht mit dem von dem Kläger gebrauchten, insbesondere durch den unverkennbaren Bezug auf den nationalsozialistischen Rassegedanken deutlich werdenden nationalsozialistischen Inhalt des Begriffs (vgl. zur Unterscheidung auch: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 20). Um diesen Gedanken und nicht etwa, wie der Kläger glauben machen will, um eine Kritik an der in Deutschland verfolgten Einwanderungspolitik oder um eine Anlehnung an näher bezeichnete Forschungen geht es bei der von ihm befürchteten Bedrohung der "biologischen Existenz" des (deutschen) Volkes durch "Fremdvölkische( )".

23

(3) Dass der Kläger die Waffen-SS als vorbildhafte Organisation ansieht, der es auch in dem von ihm nicht akzeptierten demokratischen Rechtsstaat die Treue zu halten gilt, ergibt sich aus einer Sentenz, die in dem von dem Vorsitzenden des Klägers verfassten "Führerrundbrief 02/07" (Anl. 73) enthalten ist: "Die letzten Wochen haben gezeigt, dass sich der Staat voll auf uns eingeschossen hat. ... Wir können nicht schwülstige Reden und Feiern halten, in denen wir die Wehrmacht und Waffen SS beschwören und den toten Helden unserer Geschichte die Hand reichen, wenn wir beim leisesten Blätterhauch die 'Sinnfrage' stellen und verunsichert stillsitzen."

24

Der Vortrag des Klägers, in diesem Text werde nicht die Waffen-SS beschworen, sondern Kritik an einem solchen Tun geübt, hat ersichtlich keine tragfähige Grundlage.

25

(4) Besonders verbunden fühlt sich der Kläger der früheren Hitlerjugend, in deren Nachfolge er sich sieht. Dieser Jugendorganisation des nationalsozialistischen Staates nachzueifern, fordert Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, in dem Artikel "Jugendbewegung, woher und wohin?" (Ragnar, FF Nr. 1/2006, S. 16, Anl. 71) mit den Worten auf: "... die gesamtdeutsche Jugend (war) nun endlich wieder geeint. Fern von Standesdünkel und Einzelinteressen trat schon früh das Bewußtsein auf, daß hier das Deutschland von morgen marschierte. ... Nun war also die Brücke von der Vergangenheit zur Zukunft geschlagen und die Jugend ein zwar eigenständiger, aber doch fest eingefügter Bestandteil der Volksgemeinschaft. ... Doch aus dem neuen sittlich hochstehenden, untadeligen und uneigennützigen Menschen wurde nichts mehr. Die letzten Reste des großen Traumes gingen 1945 in den Trümmern der Reichshauptstadt unter. ... Doch auch wenn das Reich am Boden lag, schlug der Lebensbaum unseres Volkes erneut seine Triebe aus und wiederum schloß sich volkstreue Jugend zusammen ... (Sie stellt) trotz aller vermeintlichen zahlenmäßigen Schwäche das lebendige Bindeglied in die Zukunft dar. ... Wenn unsere Jugend wieder zur Bewegung werden soll, um einst das Ruder herumzureißen, dann muß sie in die Mitte des Volkes hinein."

26

Der Einwand des Klägers, dieser Artikel lobe nicht die ehemalige Hitlerjugend, sondern zolle insbesondere der bündischen Jugend Respekt, in deren Tradition er sich sehe, geht fehl. Denn es ist die Hitlerjugend, die als Überwindung der zuvor bestehenden Vielfalt und als ideale Form der Jugendorganisation im Rahmen der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft dargestellt wird.

27

In dieselbe Richtung geht ein von dem Vorsitzenden des Klägers veröffentlichter Beitrag mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/ 2005, S. 13, Anl. 21), in dem es heißt: "Wir brauchen eine Jugend, die hart ist. Wir brauchen eine Jugend, die an unser Volk glaubt und bereit ist, für diesen Glauben alles zu opfern. Wir brauchen Kameraden, die treu sind und sich einem gemeinsamen Willen unterordnen. Wir brauchen Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer."

28

Es kann den Kläger nicht entlasten, dass er sich darauf beruft, dieser Artikel stamme nicht von seinem Vorsitzenden, sondern von einem anderen Autor und sei unbeanstandet bereits in einer Ausgabe der Zeitschrift "Der Trommler" aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erschienen. Entscheidend ist, dass der Text seinem Sinn nach eine Verherrlichung der ehemaligen Hitlerjugend darstellt und dass ihn sich der Vorsitzende des Klägers durch Veröffentlichung in der Vereinszeitschrift mit Wirkung für den Kläger zu eigen gemacht hat.

29

Einen vergleichbaren Inhalt hat ein Entwurf, der auf dem Rechner des Vorsitzenden des Klägers aufgefunden wurde (Anl. 70) und folgende Sätze enthält: "Wir wollen keine brd Kinder in unseren Bund holen. ... Wir wollen die, die das Bekenntnis zu Deutschland hinter sich gebracht haben. ... Es gibt nichts dankbareres, nichts Fanatischeres als eine geführte Jugend. Nicht umsonst hat die HJ in den letzten Kriegstagen unseren Feinden das Fürchten gelehrt."

30

Die schriftsätzlich erhobene Behauptung des Klägers, sein Vorsitzender könne nicht sagen, von wem und zu welchem Zweck diese Textdatei erstellt worden sei, hat sich in der mündlichen Verhandlung als obsolet erwiesen. Denn der Vereinsvorsitzende hat ausgeführt, er allein entscheide, was er für richtig halte und auf seinem Rechner abspeichere. Allerdings haben sich sowohl der Kläger als auch sein Vorsitzender dahingehend eingelassen, der Text habe keinen Eingang in die Vereinsarbeit gefunden und könne deshalb dem Kläger nicht zugerechnet werden. Der Senat kann jedoch Texte berücksichtigen, die der Vereinsvorsitzende verfasst oder unter Billigung des Inhalts abgespeichert hat, unabhängig davon, ob dies im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Kläger stand. Denn auf die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele eines Vereins kann nach den dargestellten allgemeinen Maßstäben unter anderem von einer entsprechenden Grundeinstellung seiner Funktionsträger her geschlossen werden, so dass es insoweit eine trennscharfe Unterscheidung zwischen einer rein privaten und einer dem Verein zuzurechnenden Sphäre nicht geben kann. Dementsprechend sind Texte und Äußerungen, die von leitenden Mitgliedern eines Vereins stammen oder deren Inhalt von diesen Mitgliedern erkennbar befürwortet wird, dem Verein auch dann zuzurechnen, wenn sie als solche nicht für die Vereinstätigkeit erstellt oder in ihr verwandt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen des Vereins handeln. Danach ist eine Zurechnung insbesondere dann gerechtfertigt, wenn ein solcher Text - wie dies hier der Fall ist - inhaltlich auf einer Linie mit anderen Beiträgen liegt, die dem Verein eindeutig zugeordnet werden können.

31

cc) Der Kläger bekennt sich überdies zu maßgeblichen Repräsentanten des Nationalsozialismus und will eine positive Erinnerung an diese vermitteln. Dabei werden Anklänge an den nationalsozialistischen Helden- und Märtyrerkult deutlich.

32

In einem mit "Heldengedenken 01.08" überschriebenen Text (Anl. 26), der sich unter den elektronischen Dokumenten befindet, die bei Martin G..., dem sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, aufgefunden wurden, wird Adolf Hitler glorifiziert. Dort heißt es: "Auch der junge Hitler reifte auf diesen Schlachtfeldern (des Ersten Weltkrieges) zu dem Mann, welcher später Deutschlands Schicksal in seinen Händen halten sollte. Er, selbst als Soldat vom heldischen Epos durchdrungen, führte sein Volk zur Freiheit und stellte das heldische-soldatische Ideal als Leitbild vor die ganze Nation." Eine vergleichbare Wertschätzung bringt Holle B..., ein "Bundesführerin der Mädchen" genanntes Vorstandsmitglied des Klägers, Rudolf Heß entgegen. In einem sichergestellten handschriftlich verfassten Lebenslauf bezeichnet sie ihn als "Märtyrer des Friedens"; im Jahr 1987 habe seine "Ermordung in Spandau" stattgefunden (Anl. 27).

33

Der Kläger kann die Berücksichtigung dieser Dokumente auch hier nicht dadurch verhindern, dass er sich von ihnen distanziert und geltend macht, sie hätten, da sie unabhängig von einer Vereinstätigkeit erstellt und für diese nicht benutzt worden seien, einen rein privaten Charakter. Denn in jedem Fall kommt in ihnen die dem Nationalsozialismus verhaftete Grundeinstellung von Mitgliedern der Leitungsebene des Klägers zum Ausdruck, die ihrerseits den Nährboden für die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele des Vereins bildet.

34

dd) Der Kläger bringt seine Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus ferner dadurch zum Ausdruck, dass er nationalsozialistisch geprägte Begriffe übernimmt.

35

Den Begriff "Führer" verwendet der Kläger in jeder nur denkbaren Hinsicht. Dies gilt insbesondere für die von ihm innerhalb seines streng hierarchischen Aufbaues zu vergebenden Funktionen bzw. Dienstgrade ("Bundesführer", "Bundesführerin der Mädchen", "Zweiter Bundesführer", "Leitstellenführer", "Einheitsführer", "Unterführer") und Dienstränge ("Führer vom Dienst", "Wachführer vom Dienst", "Zeltführer/Stubenführer") sowie für seine Publikationen ("Führerrundbrief", "Führerhandbuch" ). Als Grußformel gegenüber sog. "Führern" und "Unterführern" schreibt der Kläger seinen Mitgliedern die Worte "Heil Dir!" oder "Heil Euch!" vor (Interne Arbeitsschrift, Wegweiser, Gestalt und Erscheinungsbild, Anl. 40, S. 16). Die jüngeren Veranstaltungsteilnehmer nennt er "Pimpfe" (Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit, Anl. 38, S. 93; Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin, Anl. 15, S. 5).

36

Wenn der Kläger einwendet, dass der Begriff des Führers in vielerlei Zusammenhängen, etwa für leitende Personen in einer Organisation, für themenbezogene Nachschlagewerke, für Begleitpersonen oder für Fahrer von Kraftfahrzeugen und Lokomotiven verwandt werde und auch in der bündischen Jugend sowie in Pfadfinderkreisen verbreitet sei, ist dies richtig, nimmt der hier in Rede stehenden Verwendung aber nichts von ihrem an die Führerideologie der Nationalsozialisten angelehnten Sinngehalt. Ebenso wenig vermag der Verweis auf die Bedeutung und anderweitige Verwendung des Wortes "Heil" den Zusammenhang der Grußformel "Heil Dir/Euch!" mit dem sog. Hitlergruß aufzulösen. Auch der Begriff "Pimpf" ist ersichtlich auf den Sprachgebrauch der ehemaligen Hitlerjugend bezogen.

37

ee) Der Kläger ist darüber hinaus rassistisch ausgerichtet sowie der sog. Blut-und-Boden-Ideologie und der Rassenlehre der Nationalsozialisten verhaftet, wie sie exemplarisch in der Präambel des als Teil der Nürnberger Rassegesetze verkündeten sog. Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935 (RGBl. I 1935, S. 1146) mit den Worten zusammengefasst ist: "Durchdrungen von der Erkenntnis, daß die Reinheit des deutschen Blutes die Voraussetzung für den Fortbestand des Deutschen Volkes ist, und beseelt von dem unbeugsamen Willen, die Deutsche Nation für alle Zukunft zu sichern ..."

38

(1) Durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 (Az.:(502) 81 Js 405/08 KIs (37/09)) sind der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar D..., und zwei weitere Vereinsmitglieder, Christian F... und Daniela K..., als Mittäter bzw. als Gehilfin unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Den Sachverhalt, der dem Strafausspruch zu Grunde liegt, haben die Verurteilten in dem Strafverfahren eingeräumt. Er kann deshalb von dem Senat berücksichtigt werden, obwohl das Strafurteil im Hinblick auf Ragnar D... und Daniela K... noch keine Rechtskraft erlangt hat. Danach führte Ragnar D... am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte unter Mitwirkung der beiden anderen Vereinsmitglieder eine sog. "Rasseschulung" für dreißig bis vierzig Personen - darunter zwei Minderjährige - durch. Er hielt einen Vortrag mitsamt Powerpoint-Präsentation zu dem Thema "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", in dem er sich auf rassenideologische Literatur aus der Zeit des Nationalsozialismus stützte sowie unter anderem vor der "Durchmischung" von menschlichen Rassen warnte und verschiedene Volksgruppen ins Lächerliche zog. Unmittelbar im Anschluss an seinen Vortrag stellte er seinen Laptop und seinen Beamer für die Vorführung des nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude" zur Verfügung. Die Powerpoint-Präsentation und eine Kopie des genannten Films - wenn auch nicht die für die Aufführung in Georgsmarienhütte verwandte - wurden später bei Ragnar D... beschlagnahmt.

39

Diese sog. "Rasseschulung" ist dem Kläger entgegen seiner Ansicht ungeachtet des Umstandes zuzurechnen, dass sie in einer von der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) genutzten Liegenschaft stattfand. Denn entscheidend ist, dass sie allein von Mitgliedern des Klägers - darunter eines mit einer Leitungsfunktion - organisiert und durchgeführt wurde und der Kläger selbst "Rasseschulungen" abhält.

40

(2) Über diesen festgestellten Fall hinaus wurden nämlich zur Überzeugung des Senats unter der Verantwortung des Klägers systematisch "Rasseschulungen" durchgeführt. So wurden Schulungsunterlagen über die "Biologische(n) Grundlagen unserer Weltanschauung" bei vier Mitgliedern des Klägers aufgefunden (Anl. 111 bis 114). In diesen Unterlagen wird ausgeführt: "In unserem Erbgut liegt der Schlüssel zum Fortbestehen des deutschen Volkes. Du bist Glied, nicht das Ende einer langen Kette, die sich von Deinen Urahnen bis zu Deinen Urenkeln erstreckt. Bewahre Dein Erbe und reiche es unversehrt weiter!" Ähnliches Gedankengut findet sich in dem "Volk und Sprache" überschriebenen Text (Anl. 109), der Teil eines Ordners mit Schulungsunterlagen ist, der bei Dietlind N..., der sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, beschlagnahmt wurde. Dort heißt es: "Grundpfeiler unserer Weltanschauung (sind) Volk = Blut + Lebensraum + Sprache + Kultur + Geschichte ... Wird das Blut ... durch fremdrassige Einschläge zerstört, so wird das Volk aus seinem innersten Kern heraus zugrunde gehen. Diese Zusammenhänge dürfen nicht in Vergessenheit geraten, um das Fortbestehen des deutschen Volkes zu sichern." Die ebenfalls bei Dietlind N... aufgefundene Schrift "Osterlager 2006 - Beitrag der großen Mädchen zum Bunten Abend -" (Anl. 110) enthält die Passage: "Halte dein Blut rein! ... es ist von tausend Ahnen schwer und alle Zukunft fließt darin." Der Erfolg der Vermittlung dieser Rassenideologie wird, wie bei Vereinsmitgliedern sichergestellte "Prüfungsbögen" (Anl. 76 bis 78, 124 und 125) belegen, in Form von Fragen zu "Biologie und Rassenkunde" überprüft.

41

Der Sinn der aufgeführten und der im Folgenden erwähnten Texte erschließt sich unmittelbar, so dass der Einwand des Klägers, sie ließen einen diskriminierenden Rassismus nicht erkennen, ins Leere geht. Sie knüpfen bis in die identische Wortwahl hinein nahtlos an die rassistische Ideologie der Nationalsozialisten an, wie sie in der erwähnten Präambel des sog. "Blutschutzgesetzes" formuliert ist.

42

(3) Die Blut und Boden- und Rassenideologie hat zudem in einer Reihe von Beiträgen in Publikationen des Klägers ihren Niederschlag gefunden. In einem Artikel in der Vereinszeitschrift über "Erntedank im Volksbrauch" (Eric, FF Nr. 3/2003, S. 5, Anl. 33) wird folgende Betrachtung angestellt: "Wer dankt, ordnet sich nicht unter, sondern ein in den ewigen Kreislauf der Natur. ... Dies ist der Ausdruck des ewigen Blutkreislaufes der Deutschen und eine Heimfindung zum Ich - der eigenen Art." In einem von dem Kläger herausgegebenen Kalender wird unter dem Titel "Das Kleid der Unsterblichkeit" (Anita, Unser Leben 2007, Anl. 106) ausgeführt: "Durchtränkt mit der Stärke unserer Ahnen fließt es in unseren Adern. Wurde durch seinen Verlust manch fremder Boden heimatlich gemacht, so entsprang dort eine neue Quelle des Lebens und ewigen Fortbestehens. Um die Reinheit dieses Blutes zu gewähren, muß sich jeder als ein Teil einer Artgemeinschaft fühlen und sich seiner Abstammung bewußt sein. ... (Es) wurden durch wichtige Erkenntnisse in der Menschenkunde und der Bedrohung des Fortbestehens des Deutschen Volkes Institute für Familienforschung gegründet, wie 1934 das 'Kaiser Wilhelm Institut für Genealogie und Demographie'. Zu dieser Zeit war jeder Reichsbürger verpflichtet, seine Herkunft durch eine Ahnentafel und den dazugehörigen Geburts- und Heiratsurkunden oder einen zusammengefaßten, beglaubigten Ahnenpaß vorzuweisen. ... So sollte sich jeder, der sich seiner Herkunft bewußt ist, sie in seinem gesunden Blut wahren und weitertragen." Die gleichen Inhalte werden in einem Beitrag in der Vereinszeitschrift unter der Überschrift "Du bist Deutschland" (Eric, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/ 2007, S. 17, Anl. 7) in die folgenden Worte gefasst: "Als hätte Mendel nie gelebt, will mir doch ein starkpigmentierter ortsunkundiger Fußball-'star' erzählen, ich sei mein Land, ... Volk ist ein biologischer Begriff. ... Auch ein deutscher Paß ändert an dieser Tatsache nichts, wie es auch keinen Deutschen türkischer ... Abstammung gibt. Im übertragenen Sinn ist das so zu verstehen, daß aus einem Pinscher, der sich am Napf einer Dogge satt frißt, noch lange nicht selbige wird."

43

Der Kläger verharmlost und bagatellisiert diese Äußerungen, wenn er zum Einen in bereits beschriebener Weise einen unzulässigen Vergleich konstruiert und darauf verweist, auch der SPD-Politiker Philipp Scheidemann habe im Zusammenhang mit den nach dem Ersten Weltkrieg drohenden Gebietsverlusten die Deutschen als "ein Fleisch und ein Blut" bezeichnet, und zum Anderen geltend macht, es handele sich um unverfängliche Aussagen zum Bauernstand, zur Abstammung, zur Homogenität der Bevölkerung und zur Staatsbürgerschaft. Denn durch den Gesamtzusammenhang, in dem die Aussagen stehen, wird offenbar, dass der Kläger von rassistischem Gedankengut geprägt ist.

44

ff) In engem Zusammenhang mit der rassistischen Ausrichtung des Klägers steht sein ausgeprägter Antisemitismus.

45

(1) Ein besonders aussagekräftiger Beleg ist auch hierfür der bereits genannte, dem Kläger zuzurechnende Vortrag "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", den Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte hielt. Nach den in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 enthaltenen Feststellungen flocht Ragnar D... sog. "Judenwitze" in seinen Vortrag ein und zeigte an dessen Ende eine Folie, die zu der Frage "Was bringt die Zukunft?" als Antwortalternativen das Bild einer jungen Frau mit einer Hakenkreuzbrosche und eine Abbildung des ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, präsentierte. Im unmittelbaren Anschluss an diesen Vortrag und diesem damit den Charakter einer pseudowissenschaftlichen Einführung verleihend, ermöglichte Ragnar D... die Vorführung des antisemitischen nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude". Dabei musste ihm der Inhalt dieses Films, in dem Juden als minderwertige Menschen dargestellt werden, bewusst sein, da er - wie sich bei einer späteren Durchsuchung herausstellte - selbst eine Kopie des Films besaß.

46

(2) Die sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, Dietlind N..., schreibt in ihrer Ausarbeitung "Hatte Deutschland Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges?" (Anl. 87) unter Verweis auf einen Artikel in der Zeitung "Daily Express" vom 24. März 1933, es habe eine "Kriegserklärung des Weltjudentums an Deutschland" gegeben und führt aus: "Nachdem dieser Artikel erschienen war, kam es am 01.04.1933 lediglich einen Tag lang zu Boykotten gegenüber jüdischen Geschäften in Deutschland, was in Anbetracht der ungeheuerlichen Dimension der jüdischen Kriegserklärung nur als harmlos bezeichnet werden kann. ... Erst 1938, als ein polnischer Jude einen deutschen Botschaftsangehörigen in Paris erschoß, verschlechterte sich die Stimmung gegen die Juden und gipfelte schließlich in der sog. 'Reichskristallnacht'. ... (Es gab aber) 1. nur eine Reichskristallnacht - und nicht etwa mehrere - und 2. muß man die Vorgeschichte zu dieser Nacht liefern, um die Beweggründe der Deutschen nachvollziehen zu können."

47

Diese Stellungnahme eines Vereinsmitglieds mit Leitungsfunktion trifft nach den schon näher dargelegten Zurechnungsmaßstäben den Kläger auch dann, wenn sie entsprechend seinem Vorbringen nicht als Schulungsmaterial oder in ähnlicher Weise für ihn verwandt worden ist. Sie wird zudem nicht, wie der Kläger weiter meint, durch die Mitteilung historischer Tatsachen charakterisiert, sondern durch den antisemitischen Kontext, in dessen Rahmen Tatsachen unvollständig und verfälscht präsentiert werden.

48

(3) Der Propagierung antisemitischer Thesen gibt der Kläger auch in seiner Vereinszeitschrift Raum. So finden sich in dem Artikel "Der Nahe Osten ist näher als du denkst" (Robert, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/2007, S. 14, Anl. 7) im Zusammenhang mit der Beschreibung der Ursachen des dortigen Konflikts folgende Ausführungen: "Ihrem nomadisches Wesen folgend, zogen die Juden nun in alle Welt aus, um in den anderen Völkern zu Wohlstand zu kommen. Dies taten sie sehr selten durch tüchtige Arbeit. ... Als ein Großteil der Juden feststellen mußte, daß sie in den meisten europäischen Staaten nicht erwünscht sind, begannen sie am Ende des 19. Jahrhunderts nach einem eigenen Staat zu streben." Weiter wird in einem nicht mit einem Verfassernamen versehenen "Einwurf" (FF Nr. 1/2008, S. 5, Anl. 22) Anne Frank verspottet: "Der Baum von Anne Frank, eine hohle alte Eiche, ist immer noch der Gefahr ausgesetzt, bald gefällt zu werden. Diese verhält sich also ähnlich, wie die sagenumwobenen Geschichten um das kleine Mädchen und ihrem Tagebuch."

49

In beiden Fällen verfängt es bereits im Ansatz nicht, wenn der Kläger sich auf Albernheit oder Satire beruft. Der antisemitische Gehalt der Beiträge ist objektiv unverkennbar.

50

gg) Vor dem dargestellten Hintergrund seiner Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus sowie seiner rassistischen und antisemitischen Ausrichtung lehnt der Kläger die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes ab, diffamiert sie und will sie durch ein sog. neues Reich ablösen. In diesem Bestreben orientiert er sich entgegen seinen Beteuerungen nicht an einem Reichsgedanken mit dem durch das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 48) umschriebenen, auf die nationale Einheit und die gleichberechtigte Stellung Deutschlands in der europäischen Staatengemeinschaft bezogenen Inhalt, sondern seinem Hintergrund gemäß an den Prinzipien der nationalsozialistischen Herrschaft während des sog. Dritten Reiches.

51

(1) Dies wird besonders deutlich an Texten mit einem strategisch-politischen Inhalt, die bei leitenden Mitgliedern des Klägers aufgefunden wurden. In ihnen wird die Wiederbegründung der deutschen Demokratie nach 1945 verunglimpfend als "Umerziehung" durch die Siegermächte bezeichnet und der demokratische Staat als verkommen und gegen das eigene Volk gerichtet denunziert. So führt der Vereinsvorsitzende in einer auf seinem Rechner aufgefundenen Textdatei (Anl. 130) aus: "In unserer heutigen Zeit mag man sich manchmal angewidert abwenden, wenn man die gezüchteten Krüppel sieht, die das Karren der Umerzieher schon besser vorantreiben, als die es wahrscheinlich vorhatten." Der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, Martin G..., äußert sich in einem auf seinem Computer gespeicherten Redemanuskript (Anl. 11) mit der Überschrift "Einheitsgründungsfeier" wie folgt: " ... was haben wir uns eigentlich vorzuwerfen? Etwa, daß wir deutsch fühlen, deutsch denken und auch deutsch handeln, daß wir ehrlich und aufrichtig unseren Weg gehen und wir uns dabei an den edelsten Werten unseres Volkes ausrichten? Daß wir deshalb vom derzeitigen Staat immer stärker bekämpft werden, zeigt deutlich, wo dieser steht. Er ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!" Die sog. "Bundesführerin der Mädchen", Holle B..., schreibt in einer beschlagnahmten handschriftlichen Skizze: "(Wir müssen) klarstellen, daß Ideologien wie Demokratie und Kapitalismus für unser Volk den Untergang bedeuten." Und ein Schreiben, das der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar Dam, elektronisch gespeichert hatte, enthält nach einem Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin vom 5. August 2008 (Anl. 15) sowie den Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 folgende Passage: "Ich will keine bessere BRD, ich will ein neues Reich auf den Trümmern dieses verkommenen Systems errichten. ... Als Anleihe blicke ich dabei auch gerne ein paar Jahrzehnte zurück. ... Nur so und nicht (anders) begann der Sieglauf in ein aufgehetztes Volk, welches dem Nationalsozialismus zunächst feindlich gegenüberstand."

52

Der von dem Kläger auch hier erhobene Einwand des privaten Charakters der Äußerungen steht dem Rückschluss von der in den zitierten Texten zum Ausdruck kommenden Grundeinstellung seines Leitungspersonals auf seine eigenen verfassungswidrigen Ziele wiederum nicht entgegen. Die Äußerungen gehen zudem, anders als der Kläger meint, über eine zulässige sog. Machtkritik hinaus und offenbaren eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Haltung (zu der insoweit vorzunehmenden Abgrenzung: BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2001 - BVerwG 2 WD 42.00, 43.00 - BVerwGE 114, 258 <283 ff.> = Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 3 S. 19; vgl. zum Begriff der "Umerziehung" auch: Urteil vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 30.97 - BVerwGE 110, 126 <136> = Buchholz 11 Art. 21 GG Nr. 25 S. 9).

53

(2) Derartige dem Kläger zuzurechnende Diffamierungen des demokratischen Rechtsstaates finden sich überdies nicht nur in internen Aufzeichnungen von Vereinsfunktionären, sondern auch in veröffentlichter Form in der Vereinszeitschrift. Der Vorsitzende des Klägers schreibt in einem zur Fußballweltmeisterschaft 2006 erschienenen Beitrag mit dem Titel "Neue Wegweiser in die Geschmacklosigkeit" (Sebastian, FF Nr. 3/2006, S. 5, Anl. 16): "Sicherlich wird einem lauwarm ums Herz, wenn nach über 60 Jahren Umerziehung Deutsche wieder die eigene Fahne in die Hand nehmen ... Traurig ist es, sich einzugestehen, daß selbst in unserem eigenen Lager, vom trotzigen 'schwarz-weiß-rot' auf die BRD-Fahnen umgeschaltet wurde, nur um auf den lahmenden Patriotismusgaul aufzuspringen ... Zu guter Letzt bleiben wir bei unseren Reichsfarben schwarz-weiß-rot ... Eben der Stachel im Fleisch der Spießer und Vaterlandsverräter!" Ferner heißt es in einem Artikel mit der Überschrift "Zur Gesellschaft" (Eugen, FF Nr. 3/2005 S. 7, Anl. 10): "Nach dem ersten Weltkrieg, auch damals gab es die Gesellschaft von Wucherern und Schiebern, Verrätern, Demokraten und Parteibonzen, die an der deutschen Not verdienten, und ihre entarteten und zersetzenden Ideen allen Deutschen aufzudrücken versuchten. Damals hatte der Begriff Gesellschaft allerdings einen klaren Charakter. Er benötigte nämlich, angewandt auf solche Ansammlungen übelsten Menschentums, keine weiteren negativen Adjektive. ... Diese heutige Herrschaft des Minderwertigen wird durch unsere junge sieghafte Kraft niedergerungen werden und an deren Stelle werden wir das Neue, Große, Kommende setzen: unser Volk."

54

Der Kläger verharmlost diese Aussagen in unzulässiger Weise, wenn er in ihnen lediglich eine kritische Betrachtung von Phänomenen eines allgemeinen Werteverfalls oder gesellschaftlichen Missständen erblicken will.

55

hh) Der Kläger nimmt schließlich eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung ein. Dies kommt in dem bereits zitierten Artikel des Vereinsvorsitzenden mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/2005, S. 13, Anl. 21) zum Ausdruck, in dem er die Mitglieder dazu auffordert, sich als "Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer" zu erweisen. Diese Aufforderung ergänzt der Vorsitzende des Klägers in einem ebenfalls schon erwähnten, auf seinem Rechner gespeicherten Text (Anl. 130): "Seien wir unserem Volk ehrliche und wehrhafte Männer, die das Leben achten und den Tod nicht fürchten." In einer weiteren, bereits zitierten Textdatei (Anl. 70) fügt er hinzu: "Es ist Krieg gegen Deutschland, Krieg gegen unser Volk. ... Und diesen Krieg möchte ich ganz gerne gewinnen." Eine vergleichbare Radikalität bricht sich in dem Artikel "Revolution" (Jörg, FF Nr. 4/2005, S. 8, Anl. 21) Bahn, wenn dort dargelegt wird: "Wir sind nicht angetreten, um in unserer Gemeinschaft nette Lager, Fahrten, Heimabende oder Feierstunden zu erleben, sondern um unsere Fußspuren in der Geschichte zu hinterlassen. ... Ein revolutionärer Akt, ... Scheuen wir uns also nicht vor diesem Begriff. ... Der Verfall von Ordnung, die Unregierbarkeit dieses Landes ruft den inneren Protest vieler, vieler Menschen hervor. Immer mehr wenden sich angewidert ab und lösen sich aus dem parlamentarisch-demokratischen Zwangskorsett. Sie sind bereit für revolutionäre Ideen, wir müssen sie ihnen geben. Im Vorbild und in der Tat haben wir eine Zeitenwende zu repräsentieren, um sie, gemeinsam mit unserem Volk, einzuleiten. Revolution bedeutet Geschichte schreiben: Nehmen wir die Feder in die Hand." Das gleiche gilt erst recht für die schon in anderem Zusammenhang erwähnte auf dem Computer des Martin Götze in einem Redemanuskript (Anl. 11) gespeicherte Äußerung: "Er (der derzeitige Staat) ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!"

56

Das Bestreben des Klägers, das Kämpferische und Aggressive dieser Texte in Abrede zu stellen, bleibt ohne Substanz.

57

2. Die in der Verfügung vom 9. März 2009 neben dem Vereinsverbot enthaltenen weiteren Entscheidungen zu Lasten des Klägers (Auflösung, Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen, Kennzeichenverbot, Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens) finden ihre Rechtsgrundlagen in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 und § 11 VereinsG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften knüpfen an das ausgesprochene Vereinsverbot an.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Hells Angels MC Charter Flensburg“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Flensburg. Mit der vorliegenden Klage wendet er sich gegen das vom Innenminister des Landes Schleswig-Holstein ihm gegenüber im April 2010 ausgesprochene Vereinsverbot.

2

Der klägerische Verein ging im Jahre 2003 aus der Spaltung des langjährigen Motorradclubs „Satisfaction Grenz MC“ mit Sitz in A. bei N. in die Chapter „West-Coast“ (A.) und „East-Coast“ (Flensburg) hervor. Das Chapter „East-Coast“ erhielt im April 2006 den Status eines „Prospect-Charters“ innerhalb der „Hells Angels“-Bewegung und am 06. Juni 2008 den endgültigen Status als Ortsverein. Im April 2010 bestand der Kläger nach Informationen des Beklagten aus 12 Mitgliedern, nämlich A. als Präsidenten des Ortsvereins, D. als Vizepräsidenten, S. als Schatzmeister, G. als Sekretär, M. als für die Durchsetzung von Recht und Ordnung innerhalb des Vereins, für die Ausführung von Anordnungen des Präsidenten sowie für die Verwaltung des Clubeigentums zuständigem sog. „Sergeant at Arms“ und J. als für die Logistik der sog. „Runs“ zuständigem „Road Captain“.

3

Eine geschriebene Vereinssatzung des Flensburger Ortsvereins (Chapters) ist nicht bekannt.

4

Der Beklagte stellte nach Einholung des mit Schreiben vom 20. April 2010 erteilten Benehmens des Bundesministeriums des Innern mit an den Kläger - zu Händen der namentlich genannten 12 Vereinsmitglieder - gerichteter Verfügung vom 21. April 2010 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Verein wurde verboten und aufgelöst. Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurden untersagt. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Der Bescheid wurde mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens für sofort vollziehbar erklärt.

5

Die Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen, begründete der Beklagte wie folgt:

6

Die Zweckbestimmung des Vereins sei neben dem gemeinsamen Motorradfahren auch eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisationen der „Bandidos“ und deren Supporterclubs in Schleswig-Holstein. Zum Beleg führte der Beklagte mehrere Straftaten an, deren Verfolgung sich überwiegend im Stadium staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren befinde (der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren bekannte Verfahrensstand wird jeweils nachfolgend wiedergegeben):

7

1. Strafverfahren gegen D. wegen Körperverletzung durch Zubodenschlagen eines Mannes bei einem Straßenfest in Leck im September 2008. - Dieses Strafverfahren wurde am 02. September 2009 vom Amtsgericht G-Stadt gemäß § 153 a Abs. 2 StPO nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt.

8

2. Versuchte räuberische Erpressung und Verstoß gegen § 52 des Waffengesetzes durch A.: Dieser habe den Geschäftsführer eines Flensburger Tattoo-Ladens durch Versuch einer Schutzgelderpressung geschädigt. In der Wohnung des A. sei im Dezember 2007 eine Schusswaffe mit Patronen sichergestellt worden, für die er keine waffenrechtliche Erlaubnis besessen habe. - Wegen der versuchten räuberischen Erpressung im April 2006 sowie einer vorsätzlichen Körperverletzung aus dem Jahr 2007 wurde A. mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Wegen des bis Februar 2008 andauernden Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Dieses Verfahren wurde durch Urteil des Landgerichts Flensburg vom 08. Juni 2009 gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die vorgenannte Verurteilung vom 23. Januar 2008 eingestellt.

9

3. Verstoß gegen § 374 Abgabenordnung (Steuerhehlerei) durch J. wegen Besitzes von 50 Stangen unverzollter Zigaretten mit russischen Banderolen im Juni 2009 bei einer PKW-Kontrolle von J. und C. V.. Im Hinblick auf diese Tat wurde J. mit Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 03. Februar 2010 zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 15,-- Euro verurteilt.

10

4. Mitsichführen verbotener Waffen (Dreikantstoßdolche, sogenannte Delta-Darts) durch S., Y. und AH. im Dezember 2009 bei der Einreise in die Schweiz. - Die insoweit von der schweizerischen Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen die gemeinsam eingereisten genannten Personen sowie gegen AB. wegen Vergehens gegen das schweizerische Waffengesetz wurden mit Verfügung des Untersuchungsrichters des Kantons Schaffhausen vom 24. August 2010 wegen Geringfügigkeit eingestellt; die beschlagnahmten Dolche wurden eingezogen.

11

5. Strafverfahren gegen A. sowie gegen M., P., S., V. und AH. wegen versuchten gemeinschaftlichen Totschlages durch Rammen des Motorrades eines Mitglieds der „Bandidos Neumünster“ auf der BAB 7 am 12. September 2009, bei dem der Geschädigte lebensgefährlich verletzt wurde. - A. wurde wegen des Vorfalls mit seit dem 11. Januar 2012 rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Die Ermittlungsverfahren gegen die übrigen Tatverdächtigen wurden von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg bereits im Februar 2010 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts eingestellt.

12

6. Verdacht des Verstoßes gegen § 22 a des Kriegswaffenkontrollgesetzes durch A., V. und S. aufgrund des Fundes eines umfangreichen Waffenarsenals im November 2009, welches nach bisherigen Erkenntnissen dem Kläger zuzuordnen sei, bei einem Flensburger Gewerbetreibenden.- Das entsprechende Ermittlungsverfahren befindet sich noch im Stadium der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen; Anklage ist noch nicht erhoben.

13

7. Verdacht gegen S. wegen Hehlerei von bei einem Getränkegroßhandel in A-Stadt gestohlenen alkoholischen Getränken, die im Januar 2010 sichergestellt wurden, sowie Munitionsbesitz des S. im Januar 2010. - Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wurde S. wegen unerlaubten Munitionsbesitzes in dem vorgenannten sowie einem weiteren, Ende April 2010 festgestellten Fall zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt. Ein Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wegen Hehlerei von Getränken ist nicht bekannt.

14

8. Besitz verbotener Waffen - sogenannter Delta-Darts - durch M. und V. im Januar 2010. - Das Verfahren gegen V. wegen Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde am 15. Juli 2010 von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg nach § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen geringer Schuld eingestellt. Das entsprechende Verfahren gegen M. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 19. November 2010 gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld eingestellt.

15

9. Verfahren gegen Y. wegen mittelbarer Falschbeurkundung sowie gewerbsmäßiger Hehlerei durch Handel mit gestohlenen Motorradteilen und Veranlassung nicht ordnungsgemäßer TÜV-Gutachten für Abnahmen nach der Straßenverkehrsordnung. - Y. wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 27. Oktober 2011 wegen Steuerverkürzung zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro verurteilt. Ein Abschluss eines Ermittlungsverfahrens wegen mittelbarer Falschbeurkundung ist nicht bekannt.

16

Die angeführten Straftaten charakterisierten nach Einschätzung des Innenministeriums das von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen geprägte Vereinsleben, das tatsächliche Ziel des Vereins und den wirklichen Zweck der Vereinstätigkeit in prägender Weise. Die Taten seien durch den Kampf um Territorial- und Machtansprüche gekennzeichnet. Insbesondere Straftat Nr. 5 diene erkennbar der Selbstbehauptung des Vereins gegenüber einer konkurrierenden Organisation und zeichne sich durch die gemeinschaftliche Beteiligung einer relativ großen Anzahl von Vereinsmitgliedern und Funktionsträgern aus. Auch der Waffenfund der Straftat Nr. 6 sei nicht mehr einer einzelnen Person zuzuordnen, sondern weise aufgrund des paramilitärischen Charakters der Waffen bzw. des Sprengstoffes auf eine gemeinsam begangene Tat einer organisierten Gruppe hin. Eine Vielzahl der Taten sei nicht längerfristig geplant, sondern ergebe sich aus Situationen heraus, in denen nicht alle Mitglieder spontan vor Ort verfügbar seien. Die Tatsache, dass einige der Mitglieder aufgrund ihrer räumlichen Entfernung zum Stadtgebiet von Flensburg kaum oder nicht an Taten beteiligt gewesen seien, stehe einer Zurechnung der Straftaten zum Verein nicht entgegen. Der Verein begünstige auch strafbares Verhalten seiner Mitglieder, indem er diesen Rückhalt biete, die individuelle Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten abbaue und Anreiz zu neuen Taten wecke. So sei der Präsident A. weiterhin in seiner Position als Vereinspräsident belassen worden, obwohl gegen ihn wegen zahlreicher teilweise schwerer Straftaten ermittelt worden sei. Auch hierin liege ein Anknüpfungspunkt für die Zurechnung seiner Taten zum Verein. Weiterhin werde durch finanzielle und persönliche Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder der Begehung weiterer Straftaten Vorschub geleistet, indem negative Auswirkungen der strafrechtlichen Verfolgung gemildert würden. Entsprechend den sog. „Rules“ der „Hells Angels“-Vereinigung kämen auch die Mitglieder des Klägers in den Genuss von Leistungen des sog. „Defense Fund“, der bei Verbüßen einer Gefängnisstrafe für finanzielle Unterstützung der Vereinsmitglieder, ggf. auch ihrer Angehörigen, sorge. Eine Zurechnung des strafgesetzwidrigen Verhaltens einzelner Mitglieder zum Kläger könne auch aus der fehlenden Distanzierung des Vereins zu solchen Verhaltensweisen abgeleitet werden.

17

Die zahlreichen festgestellten Waffendelikte ergäben ein stereotyp festgestelltes Verhaltensmuster der durchgehenden Ausstattung der Mitglieder des Vereins mit Waffen, die sie zu einer ständigen Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft befähige. Die festgestellte ständige Nachrüstung mit Hieb- und Stichwaffen selbst nach polizeilichen Sicherstellungen sei auf dem Hintergrund des erklärten „Krieges“ zwischen den „Hells Angels“ und den „Bandidos“ zu sehen. Das im Rahmen der Straftat Nr. 6 aufgefundene Waffenlager ermögliche eine Komplettausstattung aller Vereinsmitglieder und darüber hinaus auch von Supportern.

18

Soweit das Vereinsverbot darauf gestützt wurde, dass sich Zwecke und Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, verwies der Beklagten auf die Unterstützungsleistungen des sog. „Defense Fund“ an straffällige Mitglieder, welche eine eigene Rechtsordnung unter Inkaufnahme strafrechtlicher Verstöße und damit eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates beinhalteten.

19

Das Vereinsverbot sei verhältnismäßig, weil es die organisierte strafgesetzwidrige Tätigkeit des Klägers im Rahmen der anhaltenden Auseinandersetzungen mit den verfeindeten „Bandidos“ in Schleswig-Holstein unterbinden solle. Hierfür reiche es nicht mehr aus, nur einzelne Mitglieder oder Funktionsträger des Vereins strafrechtlich zu belangen. Auch ein bloßes Betätigungsverbot bei gleichzeitigem Fortbestehen des Vereins wäre zur Wahrung der Rechtsordnung nicht ausreichend, da der Verein die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit grob missachte.

20

Der Kläger hat am 28. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben. Diese wird wie folgt begründet:

21

Der Bescheid sei schon aus formellen Gründen rechtswidrig, weil die nach § 87 LVwG gebotene Anhörung des Betroffenen vor seinem Erlass nicht erfolgt sei. Eine Eil- oder Geheimhaltungsbedürftigkeit, die einen Verzicht auf eine Anhörung hätte rechtfertigen können, sei nicht gegeben.

22

Der Beklagte habe die aus § 4 VereinsG folgende Handlungsanweisung verletzt, dass das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren vor Erlass der Verbotsverfügung durchzuführen und abzuschließen sei. Stattdessen sei von den Ermittlungsbefugnissen vor dem Verbot kein Gebrauch gemacht worden. Der Beklagte habe sich ausschließlich auf eine Informationssammlung der ihm unterstellten Hilfsbehörden gestützt. Die Ermittlungen seien vorliegend nach Ergehen der Verbotsverfügung weitergeführt worden, während dem Kläger nach Zustellung der Verbotsverfügung jegliche Dispositionen und Handlungsmöglichkeiten, einem Vereinsverbot entgegenzuwirken, abgesprochen worden seien. Hierdurch werde die Gehörsverletzung noch verstärkt.

23

Das unter dem 15. April 2010 eingeholte Einvernehmen des Bundesministers des Inneren zu der beabsichtigten Verbotsverfügung sei fehlerhaft, weil die zugehörigen Behördenakten nicht mit vorgelegt worden seien und ein geordnetes Prüfungsverfahren des Bundesministers daher nicht möglich gewesen sei.

24

Angesichts der herausragenden Bedeutung der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG sei eine restriktive Anwendung vereinsrechtlicher Verbotsnormen erforderlich. Art. 9 Abs. 2 GG stelle eine verfassungsrechtlich zwingende Eingriffsschranke auf, die einer über sie hinausgehenden einfachgesetzlichen Ausgestaltung von Verbotsgründen entgegenstehe. Darüber hinaus sei von der Verbotsbehörde entsprechend dem polizeirechtlichen Übermaßverbot zu prüfen, ob vor Erlass eines Verbots mildere Maßnahmen möglich und geeignet seien, um eine Änderung der Statuten, Programmen oder Handlungsformen des Vereins zu erreichen oder diesen unter Aufsicht zu stellen.

25

Darüber hinaus könnten lediglich erhebliche Verstöße gegen Strafgesetze, die in einem angemessenen Verhältnis zur Verbotssanktion stünden, ein Vereinsverbot nach sich ziehen, sofern sie sich für den Charakter der Vereinigung als prägend erwiesen. Sie müssten im Verhältnis zu erlaubten Vereinsaktivitäten im Vordergrund stehen und den Charakter des Vereins ausmachen. Straftaten, die ausschließlich in der Privatsphäre der Vereinsmitglieder begangen worden seien, dürften keine Berücksichtigung finden, selbst wenn sie von mehreren Vereinsmitgliedern gemeinsam begangen worden seien. Maßgeblich sei, dass die strafrechtlich relevanten Aktivitäten der Mitglieder ohne organisatorischen Zusammenhang mit dem Verein nicht möglich gewesen seien. Insofern müsse ein Funktionszusammenhang mit dem Verein festgestellt werden, der beispielsweise in einer Anordnung oder Billigung von Straftaten durch Vereinsorgane liegen könne. Nicht ausreichend sei etwa eine das Vereinsleben prägende solidarische Pflicht zu „kameradschaftlichem Verhalten“. Relevant könnten schließlich lediglich solche Taten sein, die von Mitgliedern während der Dauer ihrer Mitgliedschaft begangen worden seien.

26

§ 4 VereinsG verpflichte die Verbotsbehörde zu eigenständigen Ermittlungen, denen gegenüber den Informationen von sog. Hilfsbehörden wie den Dienststellen der Polizei ein eigenständiger, unbeeinflusster Wert zukommen müsse. Eine ausschließliche und unreflektierte Übernahme von Erkenntnissen aus Strafverfolgungsverfahren und Strafurteilen sei vereinsrechtlich unzulässig. Auch wenn Ermittlungen zur Untermauerung bereits benannter Verbotsgründe noch nach dem Erlass der Verbotsverfügung fortgeführt werden könnten, müssten diese Gründe zum Zeitpunkt des Verbotserlasses bereits ausermittelt und benannt sein. Jedenfalls sei eine Verlagerung des eigentlichen Ermittlungsverfahrens auf eine Zeit nach Erlass der Verbotsverfügung rechtswidrig. Vorliegend hätten keine eigenständigen Ermittlungen der Verbotsbehörde stattgefunden, sondern diese habe ausschließlich die von dem Bestreben nach einem allgemeinen Verbot von Biker-Clubs getragenen Vorgaben des Landeskriminalamtes übernommen. Dies sei sachfremd und verletze das Übermaßverbot. Für die gerichtliche Entscheidung könnten lediglich die Verhältnisse im Zeitpunkt der angefochtenen Verbotsverfügung maßgeblich sein. Soweit nach diesem Zeitpunkt zu Tage getretene Umstände Berücksichtigung fänden, seien auch veränderte Verhältnisse der betroffenen Vereinigung zu berücksichtigen, jedenfalls soweit sie der Rechtsverteidigung dienten. Die dem Kläger zuzubilligenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkten sich nicht auf eine bloße Prozessführung, sondern ermöglichten auch den Ausschluss von Mitgliedern und die Aufgabe von Mitgliedschaften.

27

Die Verbotsverfügung lasse wesentliche soziologische Forschungsergebnisse, nach denen die subkulturellen Organisationsformen der Motorrad-Clubs zur Verhinderung krimineller Handlungen Einzelner beitrügen, indem sie eine integrativ wirkende Umgebung schüfen, unberücksichtigt.

28

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die in der Verbotsverfügung aufgelisteten Straftaten der acht aktuellen Mitglieder in keinem Zusammenhang zu den Aktivitäten der Vereinigung stünden, da sie überwiegend individuell veranlasst und auf einen spontanen Entschluss zurückzuführen seien. Überwiegend seien die Straftaten von nur geringem Gewicht und die entsprechenden Ermittlungsverfahren zum Teil durch die Strafverfolgungsbehörden eingestellt worden. Soweit die Verbotsverfügung eine außergesetzliche Ausrichtung des Vereins aus den Beziehungen des Klägers zur weltweiten Dachorganisation der „Hells Angels“ sowie aus der szenetypischen Bezeichnung des Vereins als „Outlaw-Motorcycle-Club“ ziehen wolle, verkenne dies zum einen die subkulturell integrative Ausrichtung der betreffenden Motorrad-Clubs und zum anderen die Herkunft des Begriffes „Outlaw“, durch den man sich lediglich den Versuchen der Monopolisierung des Motorradsports durch eine dominierende amerikanische Vereinigung habe widersetzen wollen. Verallgemeinernde Schlussfolgerungen der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung seien vereinsrechtlich verfehlt. Ein allgemeiner „Kriminalitätsnachweis“ von Motorrad-Clubs sei bislang nicht geführt worden. Ein strafrechtliches Inerscheinungtreten der Vereinsmitglieder sei auch nicht erforderlich, um den durch Vereinszusammenschluss gewünschten Statusgewinn zu erreichen. Dieser ergebe sich für den Einzelnen bereits mit dem Erhalt des Club-Emblems, da die Aufnahme in ein elitäres Kollektiv ihn physisch und psychisch stärker mache und an dem Anspruch, sich niemandem unterzuordnen, teilhaben lasse.

29

Das auch in Motorradclubs gelebte Prinzip der Solidarität könne sich auf allgemeine Wertorientierungen berufen, welche auch die staatsethische Grundlage für das soziale Staatsziel wie auch eine Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens innerhalb einer christlichen Werteordnung bildeten. Dass eine innerhalb des Vereins geltende Solidaritätsverpflichtung in rechtlich problematischer Weise über die Verhaltenserwartungen der herrschenden Gesellschaftskultur gestellt worden sei, sei vorliegend nicht in einer Weise dargelegt und ermittelt worden, welche den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG genügen könne. Vielmehr seien auch insoweit Erkenntnisse der ermittelnden Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden lediglich unreflektiert und ohne eigene Überprüfungen der Vereinsverbotsbehörde übernommen worden.

30

Der Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass sich der Kläger mit dem politischen Ziel einer Veränderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befasse. Er erkenne in der unterstellten organisierten Rechtsverteidigung und finanziellen Unterstützung straffällig gewordener Mitglieder lediglich ein unangepasstes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung. Dies könne im Ansatz nicht ausreichen, um ein Sich-Richten der Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung anzunehmen. Die Mitglieder des Klägers nähmen für sich lediglich die Rechte jedes Staatsbürgers in Anspruch. Der Kläger sei auch nach Darstellung des Beklagten weder kämpferisch noch aggressiv in Erscheinung getreten, um die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Die unterstellte wirtschaftliche Absicherung und Unterstützung über einen „Defense Fund“ wäre lediglich als organisiertes Handeln zur Wahrnehmung von Vereinsrechten ohne Außenwirkung einzuordnen. Die vom Beklagten diesbezüglich angeführten allgemeinen Satzungen und Regelungen der „Hells Angels“ seien den Mitgliedern des klägerischen Vereins bis zur Vorlage durch den Beklagten unbekannt gewesen und für ihn nicht konstitutiv. Eine Berücksichtigung zu Lasten des Klägers scheide daher aus. Der Beklagte habe keine Nachweise für den Bestand und die Funktionsweise eines „Defense Fund“ vorgelegt. Es existiere kein „Defense Fund“, auf den die Mitglieder des Klägers zurückgreifen könnten. Eine Unterstützung von Mitgliedern im Rahmen der Rechtsverteidigung erfolge seitens des Klägers nicht. Es würden lediglich im Einzelfall von Mitgliedern freiwillige Spenden geleistet und Darlehen gewährt, ohne dass hierfür Quoten vorgegeben oder Verpflichtungen errichtet würden. Es bestehe kein Anspruch auf derartige Unterstützung. Auch Angehörige von Mitgliedern würden grundsätzlich nicht finanziell oder sachlich unterstützt.

31

Gleiches treffe auf die vom Beklagten unterstellte Existenz einer Organisation inhaftierter Mitglieder der „Hells Angels“ mit Namen „Big House Crew“ zu. Zu einer solchen angeblichen Vereinigung bestehe kein Kontakt des Klägers oder seiner Mitglieder.

32

Zuletzt hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Mai 2012 - nach Anwaltswechsel - vorgetragen, dass dem Kläger aktuell acht Vollmitglieder angehörten, davon als Präsident Peter AE., als Vizepräsident Y., als Secretary G., als Sergeant at Arms M. und als Treasurer P.. Diese fünf Mitglieder bildeten den Vorstand. Weitere Mitglieder seien D., S. und AB.. Der vormalige Präsident A. sei im Januar 2010 aufgrund einstimmigen Beschlusses der übrigen Mitglieder aus dem klägerischen Verein ausgeschlossen worden. Auch J. habe den Verein im Januar 2010 verlassen und übe seither keine Vereinsfunktionen aus. V. sei im Februar 2011 aus dem Verein ausgeschieden. AH. sei zunächst lediglich sog. „Hangaround“ und dann „Prospect“ gewesen, der Verein habe ihm jedoch die Mitgliedschaft versagt. Im September 2010 habe AH. daraufhin den klägerischen Verein verlassen.

33

Weiterhin ist der Kläger der Auffassung, die bei insgesamt sechs Mitgliedern festgestellten „Delta Darts“ könnten nicht als Beleg einer allgemeinen Bewaffnung der Vereinigung ins Feld geführt werden, da zum Zeitpunkt ihres Auffindens nach bundesdeutscher Rechtslage nicht festgestanden habe, ob es sich um eine verbotene Waffe handele. Das Bundeskriminalamt habe die verbotsrechtliche Waffeneigenschaft, soweit durch eine Scheide der Eindruck eines anderen Gegenstandes entstehen könne, erst mit Bescheid vom 01. September 2010 festgestellt. Die Mitglieder des Klägers hätten lediglich Gegenstände mit sich geführt, die nach wie vor jedermann zugänglich seien.

34

Zu den einzelnen in der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Kläger Folgendes vor:

35

zu Tat Nr. 1.: Bei der 2008 vom Mitglied D. begangenen Körperverletzung habe es sich um eine vollkommene individuelle, spontane und keinen Bezug zum klägerischen Verein aufweisende Tat gehandelt. Die vom Täter getragene Kutte sei unter der zusätzlich übergezogenen Jacke nicht sichtbar gewesen. Es seien keine weiteren Mitglieder des Klägers anwesend gewesen. Der Streit sei wegen einer Zudringlichkeit gegenüber der damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau von D. entstanden.

36

zu Tat Nr. 2.: Die bereits im Jahre 2008 abgeurteilte Tat der versuchten räuberischen Erpressung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz des Vereinsmitgliedes A. liege vor dessen erst 2009 begründeter Mitgliedschaft.

37

zu Tat Nr. 3.: Eine Zurechnung des Verstoßes gegen die Abgabenordnung durch Mitsichführen unverzollter Zigaretten seitens des J. zum Verein komme nicht in Betracht, weil selbst der Beklagte dem Kläger keine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang unterstelle.

38

zu Taten Nr. 4. und 8.: Ein vereinsrechtlicher Funktionszusammenhang des den Mitgliedern S., Y., AH. und A. unterstellten waffenrechtlichen Verstoßes sei nicht erkennbar. Die Zurechnung nicht begangener Straftaten sei als unzulässige Kriminalisierung der Vereinigung zu werten, zumal das Ermittlungsverfahren vermutlich auch wegen des Rückwirkungsverbotes des erst am 01. September 2010 erlassenen Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes eingestellt worden sei. Die Zurechnung eines waffenrechtlichen Verstoßes setze voraus, dass die betreffenden Mitglieder überhaupt eine strafgesetzwidrige Tatbegehung erkennen könnten, welche sich der Verein zu Eigen mache könne. Dies sei vorliegend wegen des verspätet ergangenen Feststellungsbescheides des BKA denknotwendig ausgeschlossen.

39

zu Tat Nr. 5.: Bei der am 12. September 2009 vom ehemaligen Vereinsmitglied A. begangenen Tat auf der BAB 7 handele es sich um den einzigen von der Verbotsverfügung angeführten Fall eines organisatorischen Zusammenwirkens von Vereinsmitgliedern mit strafrechtlicher Relevanz. Die Ermittlungen hätten allerdings ergeben, dass es sich auch hier lediglich um ein Einzeldelikt ohne Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers gehandelt habe. Eine strafrechtliche Einbeziehung der übrigen anwesenden Mitglieder sei nicht etwa an der Nachweisbarkeit gescheitert, sondern diese in den Blick geratenden Vereinsmitglieder hätten zur Deeskalation beigetragen. Sie hätten der Tatausführung entgegengewirkt und damit zielgerichtet auf die Vermeidung von Straftaten hingewirkt, indem sie das Mittel ihrer Präsenz vor Ort eingesetzt hätten. Die Inanspruchnahme gegenseitiger Autorität sei Ausdruck einer gesellschaftlich anerkannten Methode der Konfliktvermeidung. Im Übrigen habe sich die Vereinigung durch den Ausschluss ihres Präsidenten A. deutlich von diesem distanziert. Das Handeln des ehemaligen Präsidenten habe daher in keiner Weise eine kollektive Anerkennung erfahren. Soweit das Mitglied A. auch während des laufenden Ermittlungsverfahrens bzw. seiner zeitweiligen Untersuchungshaft im Amt des Präsidenten belassen worden sei, liege darin kein verbotsrelevanter Rückhalt durch den Kläger, da selbst Beamte ihre Position regelmäßig bis zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe behielten. Auch in sonstiger Weise sei kein Rückhalt des Vereins für die Begehung der vorgeworfenen Taten erkennbar.

40

zu Tat Nr. 6.: Die Vermutungen, welche den Beklagten zur Zurechnung des Flensburger Waffenfundes an den Kläger geführt hätten, seien in keiner verwertbaren Weise belegt, zumal die Ermittlungen bis heute nicht abgeschlossen seien. Fingerabdrücke von A. und V. seien nicht auf den Waffen, sondern auf Bedienungsanleitungen gefunden worden. Fingerabdrücke des S. seien ebenfalls nicht an Waffen, sondern auf einer Kiste festgestellt worden. S. habe auch nicht über einen Schlüssel zur Werkstatt verfügt und sei im Übrigen Mitglied in einem Schützenverein, in dem auch großkalibrige Waffen beschossen würden. Auch weitere Spuren auf einer Außenhülle ließen keinen Bezug des Inhaltes zu einer bestimmten Person zu. Es bestehe auch kein Bezug der klagenden Vereinigung zu dem Handel des betreffenden Gewerbetreibenden mit Alu-Felgen, da Motorräder in der Werkstatt dieses Gewerbetreibenden nicht gewartet oder repariert würden.

41

zu Tat Nr. 7.: Ein Funktionszusammenhang der strafrechtlich nicht verfolgten Getränkehehlerei des S. zur Tätigkeit des Klägers sei nicht ersichtlich.

42

zu Tat Nr. 9.: Die dem Mitglied Y. zugeschriebene Begehung einer Fälschung von TÜV-Zertifikaten und des Handels mit entwendeten Motorrad-Teilen datierten aus dem Jahre 2004. Zu diesem Zeitpunkt seien weder der Kläger oder sein Vorgängerverein der „HAMC East-Coast“ existent gewesen, noch sei Y. damals Mitglied in einem Motorrad-Club gewesen. Eine Zurechnung von Verhaltensweisen, die die übrigen Vereinsmitglieder nicht zum Schutze des Vereines hätten verhindern können, müsse ausscheiden.

43

Insgesamt sei festzustellen, dass nur eine Minderheit von Mitgliedern, und zwar erhebliche Zeit vor Erlass der Verfügung, vereinzelt straffällig geworden sei, ohne dass eine Verbindung zum Vereinszweck ersichtlich wäre. Ein Vereinsverbot erweise sich daher als unverhältnismäßig. Zumal bei Berücksichtigung der Vereinsausschlüsse bzw. -austritte könne weder eine zeitliche Dichte von Straftaten noch eine Konzentration auf Funktionsträger der Vereinigung festgestellt werden. Es lägen keine Hinweise auf eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor vor. Widerlegt sei insbesondere eine hierarchische, Straftaten steuernde Handlungs- und Anweisungskompetenz des Vorstandes. Der Beklagte gründe seine Zurechnungsargumentation auf bloße Unterstellungen und Zuschreibungen, mit denen auf die „eigentliche Zweckbestimmung“ des Vereins geschlossen werden solle. Auch Anhaltspunkte für eine Betätigung des Klägers in unzulässigen Wirtschaftsbereichen seien nicht dargelegt.

44

Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, es fehle an einer verfassungsrechtlich erforderlichen bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage für Datenübermittlungen aus dem Bereich der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung an die Vereinsverbotsbehörde. § 4 VereinsG stelle lediglich eine Aufgabenzuweisung, aber nicht eine datenschutzrechtliche Befugnisnorm dar.

45

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Vorbringen vertieft und ergänzend geltend gemacht. Das bundesweite Vorgehen der Sicherheitsbehörden basiere auf einem gemeinsamen Strategiepapier vom Oktober 2010 und einer textbausteinartig vorbereiteten Musterverbotsverfügung, begleitet von einem von unzutreffenden diskreditierenden Zuschreibungen getragenen Aufbau eines negativen Bildes der sog. „Rocker“ über die Medien. Die konkrete Ermittlungsarbeit der Verbotsbehörde im jeweiligen Einzelfall sei hingegen völlig unzureichend. Nach dem kürzlichen Ausscheiden eines weiteren Mitgliedes, D., bestehe der Verein nunmehr nur noch aus sieben Mitgliedern, welche schlechterdings keinen Machtausübungsanspruch verkörpern könnten.

46

Der Kläger beantragt,

47

den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 aufzuheben.

48

Der Beklagte beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Er ist der Auffassung, dass der klägerische Verein trotz der Veränderung seines Namens und seines Status bis hin zur vollgültigen Aufnahme als rechtlich selbstständiges Charter der „Hells Angels“ MC im Jahre 2008 jedenfalls seit 2003, ggf. auch schon seit einem früheren Zeitpunkt, unter Fortführung seiner Identität bestanden habe. Von den zum Verbotszeitpunkt 12 Vereinsmitgliedern seien 9 Mitglieder selbst strafrechtlich in Erscheinung getreten, wobei die nicht oder nur in geringem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getretenen Mitglieder keine Funktionsämter innerhalb des Vereines bekleideten bzw. in relativ weiter Entfernung zum Vereinsstandort Flensburg wohnhaft seien, mithin für spontane Aktionen des Vereins wie die Straftat Nr. 5 auf der BAB 7 nicht zur Verfügung stünden.

51

Zur Zulässigkeit der Klage ist der Beklagte der Auffassung, dass der Kläger als nicht rechtsfähiger Verein gemäß § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 54, 709 Abs. 1 BGB nur durch alle Mitglieder gemeinsam prozessfähig sei, solange eine besondere Vertretungsmacht einzelner Mitglieder aufgrund der Satzung nicht nachgewiesen sei. Letzteres sei gerade nicht der Fall.

52

Der Beklagte bestreitet anhand eigener Erkenntnisse, dass der Präsident des Klägers A. im Januar 2010 aus dem Verein ausgeschlossen worden sein soll, und verweist auf gegenteiligen Vortrag des Klägers mit dem ursprünglich klagebegründenden Schriftsatz. Vielmehr sei A. nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2010 im gegenseitigen Einvernehmen in sog. „good standing“ aus der Mitgliedschaft entlassen worden. Nicht entscheidungserheblich sei der neuere Vortrag zum Austritt des J., da jedenfalls dessen Straftaten zuvor begangen worden seien. Soweit der Kläger nunmehr Statusänderungen der Mitglieder AB. und AH. nach Zustellung der Verbotsverfügung vortrage, sei dies als Betätigung entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 20 VereinsG sogar strafrechtlich relevant, in der Sache aber für die Begründung des Verbots nicht erheblich.

53

Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet.

54

Der Beklagte sei unabhängig davon, ob der Kläger zu einer bundesweit tätigen Organisation gehöre, wegen des auf das Land Schleswig-Holstein beschränkten Wirkungsbereichs des Vereins oder Teilvereins für dessen Verbot zuständig. Zur Erteilung des hier herzustellenden Benehmens des Bundesministers des Inneren sei die Übermittlung des Entwurfs der Verbotsverfügung ausreichend gewesen. Die Ermittlungen zur Erarbeitung der Verbotsverfügung seien durch ein eigenes Fachreferat des Beklagten unter Verwertung von Ermittlungsergebnissen und Erkenntnissen auch der dem Beklagten zugeordneten Ämter des Landeskriminalamtes und des Landespolizeiamtes erfolgt.

55

Die Verbotsverfügung sei nicht wegen unterbliebener Anhörung formell rechtswidrig, da mit einer Anhörung der mit der Verfügung verfolgte Zweck vereitelt worden wäre. Eine Anhörung hätte einen Ankündigungseffekt gehabt und es dem Kläger ermöglicht, seine vereinsinterne Infrastruktur, sein der Einziehung unterliegendes Vermögen sowie weitere beim Vollzug der Verbotsverfügung aufzufindende Beweismittel für die Verfolgung strafgesetzwidriger Vereinszwecke zu verschleiern, zu verdecken oder aus dem Zugriff des Beklagten zu entfernen. Einer Anhörung habe daher ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne von § 87 Abs. 4 LVwG entgegengestanden. Die Verschleierungs- bzw. Verschiebungsgefahr auf Seiten des Klägers werde beispielhaft deutlich an Vorgängen wie dem Abstellen des Tat-Pkw des A. nach der Tat vom 12. September 2009 auf einem Bauhof sowie dem Auffinden von eindeutig den Mitgliedern des Klägers zuzuordnenden Waffen bei einem Gewerbetreibenden in A-Stadt.

56

Die im Zusammenhang mit der Verbotsverfügung erfolgte Datenverarbeitung des Beklagten einschließlich der Übermittlung von Daten aus Strafverfahren könne auf die hinreichend bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen der § 11 Abs. 1 Nr. 2 LDSG i.V.m. §§ 177 ff. LVwG gestützt werden, da der Beklagte als für das Vereinsverbot durch Landesverordnung für zuständig erklärte Behörde Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehme. Hilfsweise sei auf die Generalklausel des § 14 Abs. 2 Nr. 6 BDSG zu verweisen.

57

Vor dem Hintergrund der durch die obergerichtliche Rechtsprechung im Rahmen des § 3 Abs. 1, Abs. 5 VereinsG errichteten Maßstäbe für eine Zurechnung von Straftaten zu einem Verein sei das klägerische Vorbringen nicht geeignet, eine Zuordnung der den einzelnen Mitgliedern zur Last gelegten Straftaten zu widerlegen. Insbesondere könne sich ein strafgesetzwidriger Zweck im Sinne von § 3 Abs. 1 VereinsG auch aus dem tatsächlichen Verhalten Einzelner oder erst recht der Mehrheit der Vereinsmitglieder ergeben, ohne dass Satzung und Ordnungen sowie die institutionell verfestigten Ziele und Programme eines Vereins ihn vorsähen. Die Begehung von Straftaten müsse auch nach den obergerichtlichen Maßstäben nicht der Hauptzweck des Vereins sein, um die Strafgesetzwidrigkeit seines Zwecks zu begründen; vielmehr könnten die den Verein prägenden Straftaten auch eine begleitende Erscheinung des Vereinszwecks sein.

58

Das klägerische Vorbringen stelle nicht in Abrede, dass der Kläger als Verein „entsprechend dem geltenden Ehrenkodex“ seine Mitglieder auch dann unterstütze, wenn sie selbst Straftaten begingen oder begangen hätten. So hätten mehrere Mitglieder durch ihre Anwesenheit die Tat ihres Präsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 vor und während ihrer Begehung durch körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern des rivalisierenden Vereins unterstützt und damit das Verhalten des Präsidenten gebilligt. Die Tat sei ein Beispiel für die Wirkung des Ehrenkodex. Ein weiterer Beleg für die Zurechenbarkeit einzelner Straftaten zum Verein sei das System des sog. „Defense Fund“, der gerade nicht auf eine Vorbereitung des jeweiligen Mitgliedes auf ein Leben im Anschluss an die Haftzeit gerichtet sei, sondern die Wirkungen einer Haftstrafe soweit wie praktisch möglich aufheben und die soziale Einbindung in den Verein sichern wolle. Der „Defense Fund“ belege, dass der Verein sich von vornherein auf eine Inhaftierung von Mitgliedern einstelle und die Wirkung der staatlichen Strafdrohung bzw. eines Entdeckungsrisikos bei Straftaten herabsetze. Er gehe über die Gewährleistungen einer Rechtsschutzversicherung bei weitem hinaus, greife auch bei vorsätzlichen Taten ein und sichere auch finanzielle Verpflichtungen eines vorläufig Inhaftierten oder eines zu einer Freiheitsstrafe Verurteilen im Sinne einer Schadensversicherung.

59

Soweit der Kläger eine Unterstützungshandlung des Vereins durch Belassen des Präsidenten A. in seinem Amt auch nach erheblichen Straftatenvorwürfen durch einen Hinweis auf das Beamtenrecht in Abrede stelle, sei darauf hinzuweisen, dass betroffene Beamte wegen des disziplinarischen Überhangs einer Straftat noch vor abschließender Feststellung der Strafbarkeit ihres Verhaltens vorläufig ihres Dienstes enthoben würden oder ihnen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werde.

60

Zu den einzelnen in der Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Beklagte wie folgt vor:

61

1. Bei seiner im September 2008 in Leck begangenen Körperverletzung habe das Mitglied D. die seine Zugehörigkeit zum Kläger ausdrückende Weste mit dem Vereinsabzeichen - die sogenannte Kutte - getragen und damit nach außen seine Mitgliedschaft kundgetan. Dies belege, dass sich die Mitglieder des Klägers allein durch ihre Identifikation mit dem Verein einer Außenwirkung bewusst gewesen seien, die ihnen die Begehung von Straftaten erleichtere und zugleich die Wirkungen der Strafverfolgung abzumildern geeignet sei. In diesem Strafverfahren hätten sich die Auswirkungen der Tendenzen des Vereins gezeigt, jegliche Zusammenarbeit mit staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden und Strafverfahren gegen Mitglieder soweit wie möglich zu behindern. So habe eine Zeugin ausdrücklich von Warnungen berichtet, gegen D. auszusagen, da er ein Mitglied des Klägers sei und man von solchen Leuten lieber die Finger lassen solle. Diese Zeugin habe eine Verhinderung für den Termin zur Hauptverhandlung angezeigt, was das Strafgericht als Angst vor einer Aussage gewertet habe. Ein vernommener Zeuge habe eine offensichtlich zu Gunsten des Angeklagten gesteuerte, unglaubwürdige Zeugenaussage abgegeben und versucht, seine Zugehörigkeit zum Umfeld des Klägers zu verschleiern. An diesem Vorgang lasse sich eine Einflussnahme des Klägers auf Personen aus seinem Umfeld ablesen, als deren Folge diese eine Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden verweigerten. Die Straftat des D. sei für sich genommen nicht in jeglichem Zusammenhang als einem Verein zurechenbar anzusehen, stelle sich jedoch in dem hier vorliegenden Gesamtzusammenhang als Teil einer gewaltsamen Selbstbehauptung des Klägers und seiner Mitglieder dar. Der Beklagte gehe entgegen dem Vortrag des Klägers von einer Mitgliedschaft des D. zum Begehungszeitpunkt aus, zumal er bereits im März 2008 bei einer Veranstaltung der „Hells Angels“ MC in Hannover als Mitglied des Klägers aufgetreten sei und bereits 2009 als Vizepräsident fungiert habe.

62

2. Die zu Ziffer 2 der Verbotsverfügung abgeurteilte Tat des Präsidenten A. sei insbesondere wegen des Verstoßes gegen §§ 51 f. Waffengesetz bedeutsam. Aus dieser Tat lasse sich ebenfalls die Tendenz zur gewaltsamen Selbstbehauptung des Vereins und seiner Mitglieder ableiten.

63

3. Auch der zu Ziffer 3 der Verbotsverfügung abgeurteilte Strafvorwurf gegen die Mitglieder J. und V. wegen Steuerhehlerei zeige sich als szenetypisch, da durch den Schmuggel von Zigaretten unter anderem an einer Basis für den wirtschaftlichen Erwerb im Vergnügungsgewerbe mitgewirkt werde. Dort suche der Kläger eine Vormachtstellung zu erlangen. Die Tatsache, dass bei der Tat zwei Mitglieder des Vereins gemeinsam ohne weitere vereinsexterne Personen tätig gewesen seien, lege eine Unterstützung oder Billigung seitens des Vereins nahe.

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4. Die Ermittlungsverfahren der schweizerischen Polizei gegen die Mitglieder S., Y., AH. und den in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht aufgeführten AB. seien zwar wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, jedoch seien die sichergestellten Delta-Darts als verbotene Waffen eingezogen worden. In der hier festgestellten Variante mit Scheide sei dieses Kunststoffmesser durch Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 als Hieb- und Stoßwaffe, die ihrer Form nach geeignet sei, einen anderen Gegenstand vorzutäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauch verkleidet sei, eindeutig als waffenrechtlicher Verstoß gewertet worden. Der Bescheid habe lediglich deklaratorische Wirkung und unterliege daher keinem Rückwirkungsverbot. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum sei angesichts der Beschaffenheit der Waffe ausgeschlossen. Ein solcher Delta-Dart mit Scheide sei auch bei der Festnahme des Präsidenten des Klägers A. im Januar 2010 sichergestellt und das entsprechende Strafverfahren vor dem Amtsgericht A-Stadt im November 2010 gemäß § 153 a StPO unter der Auflage der Ableistung gemeinnütziger Arbeit eingestellt worden, was vom Angeklagten akzeptiert worden sei. Diese Straftat des A. sei zwar nicht Bestandteil der Begründung des Verbotsbescheides, belege jedoch eine strafrichterliche Bestätigung der Auffassung des Beklagten in Übereinstimmung mit dem Feststellungsbescheides des BKA.

65

5. Was die Straftat des Vereinspräsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 anbelange, so ließen sich die für eine vereinsrechtliche Zurechnung zum Kläger erforderlichen tatsächlichen Umstände dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 zweifelsfrei entnehmen. Das Landgericht habe ausdrücklich klargestellt, dass sich die abgeurteilte Tat in den Kontext des allgemeinen Konflikts zwischen dem „Hells Angels MC“ und dem „Bandidos MC“ einfüge. So habe das Landgericht als Motiv der Tat eine Disziplinierung der Mitglieder des gegnerischen Vereins wegen eines als solchem verstandenen „Gebietsverstoßes“ erkannt und die Tat demnach als Durchsetzung des vom Kläger mit strafbaren Mitteln verteidigten, die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols ausschließenden Territorialprinzips der Vereinigung gesehen. Ebenfalls sei durch das Landgericht festgestellt, dass diese zur Chefsache gemachte Reaktion auf einen vermeintlichen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ an einer Tankstelle im Raum Flensburg auf einer organisierten Willensbildung der Mitglieder des Klägers basiert habe. Durch die Feststellungen des Strafgerichts sei belegt, dass der damalige Präsident A. mitten in der Nacht per Mobilfunk binnen 20 Minuten insgesamt 3 Fahrzeuge mit mehreren Mitgliedern bzw. Unterstützern des Vereins zu einer bestimmten Stelle auf BAB 7 habe dirigieren können. Die dahingehende Willensbildung und -unterwerfung seitens der Mitglieder und Unterstützer belege den Rückhalt und die Unterstützung, die der Präsident bei seiner Tatausführung durch den Verein in vereinsrechtlich zurechenbarer Weise erfahren habe. Diese Unterstützungsleistungen umfassten sowohl die Vor- als auch die Nachtatphase, da festgestellt worden sei, dass A. das Tatfahrzeug nach der Tat auf einem Bauhof in XXX Stadt abgestellt habe und kurz darauf in der Innenstadt von Flensburg gewesen sei, wobei ihn angesichts des Wochentages und der Uhrzeit eine weitere Person gefahren haben müsse. Insgesamt habe die Tat nur auf Grundlage einer funktionierenden internen Willensbildung innerhalb des Klägers ins Werk gesetzt können, an der sich eine Vielzahl, nämlich insgesamt die Hälfte der Mitglieder, beteiligt habe. Es sei im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft Flensburg für eine Anklage der übrigen beteiligten Mitglieder des Klägers keine strafrechtlich hinreichende Grundlage gesehen habe, da sie dieses maßgeblich mit rechtlichen Unsicherheiten im Bereich des subjektiven Tatbestandes begründet habe. Der vereinsrechtliche Zurechnungszusammenhang reiche jedoch weiter und erlaube vorliegend die Zuordnung der Unterstützungsbeiträge der vor Ort festgestellten, teilweise auch in körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der gegnerischen Vereinigung verwickelten Mitglieder und damit des Klägers insgesamt. Aus den Ermittlungsakten ergebe sich, dass neben A. die Mitglieder V., S. und P. sowie der nach der Straftat in den Status eines Vollmitglieds aufgerückte AH. am Tatort gewesen seien und dem Präsidenten die vereinsrechtlich relevante Hilfestellung geleistet hätten. Der bei den körperlichen Auseinandersetzungen auf der BAB 7 im Nachgang zu der Straftat des Präsidenten A. am 12. September 2009 seinerseits schwer verletzte AH. habe zu diesem Zeitpunkt den für eine vereinsrechtliche Zurechnung seiner Mitwirkung ausreichenden Status eines sog. „Hangaround“ gehabt, wie sich durch Aufnäher an seiner sichergestellten Kutte ergeben habe.

66

6. Die vereinsrechtliche Zurechnung des bei einem Flensburger Gewerbetreibenden aufgefundenen Waffenlagers zum Kläger stehe für den Beklagten auf dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens außer Frage. Eine Anklage sei ausschließlich deshalb noch nicht erfolgt, weil noch nicht alle Ermittlungsansätze, die zum Auffinden noch weiterer Täter führen könnten, erschöpft seien; insoweit seien zwar auf den aufgefundene Waffen und Kriegswaffen genetische Spuren des Mitglieds des Klägers S. sowie daktyloskopische Spuren des Präsidenten des Klägers A. sowie der Mitglieder V. und - über die Erkenntnisse in der angefochtenen Verfügung hinaus - des Mitglieds J. nachgewiesen worden. Zudem habe der Gewerbetreibende, in dessen Betrieb die Waffen aufgefunden worden seien, angegeben, dass er von diesen keine Kenntnis habe, dass aber das Mitglied des Klägers S. über Schlüssel zu den betreffenden Geschäftsräumen verfüge. Somit ließen sich Spuren an dem Waffenlager von einem Drittel der Vereinsmitglieder nachweisen. Der Gewerbetreibende, in dessen Räumlichkeiten der Fund erfolgte, unterhalte zu weiteren Mitgliedern des Klägers geschäftliche Beziehungen, sodass insgesamt die Hälfte der Vereinsmitglieder theoretisch Zugang zu den aufgefundenen Waffen gehabt hätten. Angesichts der Dimension des Waffenlagers, die auf eine Ausrüstung einer größeren Organisation hinweise, sei die Tat der Willensbildung des Vereins zuzurechnen. Von Bedeutung sei auch, dass drei der strafrechtlich beteiligten Mitglieder - der Präsident A., der sog. Treasurer S. und der Road Captain J. - hochrangige Funktionsträger des Klägers seien.

67

Die Zuordnung von Spuren habe im Einzelnen ergeben, dass eine genetische Spur an einem Patronengurt sowie drei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem Koffer zur Aufbewahrung von Waffen und an einem Munitionskarton eindeutig dem Mitglied S. zugeordnet werden konnten. Dem Mitglied V. hätten zwei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einer bei den Waffen befindlichen Bedienungsanleitung für eine Pistole zugeordnet werden können, dem Vereinspräsidenten A. vier daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an derselben Bedienungsanleitung sowie dem Mitglied J. insgesamt acht daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem bei den aufgefundenen Waffen befindlichen Müllsack.

68

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. April 2012 ergänzend mitgeteilt, dass das diesbezügliche Ermittlungsverfahrens wegen des Waffenfundes immer noch nicht abgeschlossen sei. Ein kriminaltechnischer Beschuss der Waffen habe stattgefunden, wobei aber noch kein Ergebnis des Vergleichs mit der Tatmunitionssammlung des Bundeskriminalamtes vorliege, um eine Zuordnung zu anderen Straftaten zu ermöglichen. Er trägt vor, durch eine Zeugenaussage in einem Ermittlungsverfahren betreffend die „Hells Angels Kiel“ sei bestätigt worden, dass von diesen die in Flensburg aufgefundenen Waffen dem dortigen Charter der „Hells Angels“ zuzurechnen seien.

69

7. Im Vordergrund der in der Verbotsverfügung unter Ziffer 7 aufgeführten Straftat stehe rechtlich gesehen nicht die Getränkehehlerei, wegen derer das Strafverfahren inzwischen eingestellt worden sei, sondern der am 06. Januar 2010 wie auch erneut am 29. April 2010 festgestellte, dem betreffenden Vereinsmitglied S. waffenrechtlich nicht erlaubte Besitz von Munition. Der Verbotsbehörde dürfte auch nach Erlass des Vereinsverbotes Ermittlungen gemäß § 4 VereinsG zum Zwecke der Sachverhalts-feststellung und zum Auffinden von weiteren Beweisen durchführen und Erkenntnisse anschließend in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung des Vereinsverbotes verwenden. Daher sei auch die bei der Untersuchung am 29. April 2010 bei dem Mitglied S. zur Beschlagnahme von Vereinsvermögen aufgefundene, waffenrechtlich nicht erlaubte Munition im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung des Vereinsverbots zu berücksichtigen. Die bei S. aufgefundene Munition belege, dass die unter der vorgenannten Ziffer 6 aufgeführte Tat im Zusammenhang mit dem Waffenfund bei dem Flensburger Gewerbetreibenden keine singuläre Aktion einzelner Mitglieder und des Vereins darstelle, sondern sich in ein verbreitetes Verhaltensmuster der Mitglieder im Rahmen einer gemeinsamen Willensbildung einfüge. Daraus ergebe sich ein innerer Zusammenhang der Taten Nr. 6 und 7 mit der Folge einer Zurechenbarkeit zum Kläger als Verein. Im Übrigen sei auch die Getränkehehlerei als sog. Absatzhehlerei dem Verein zuzurechnen, da S. - wie auch das Mitglied D. - mehrere Gaststätten mit Bezug zum Verein (u.a. durch Namensgebung „X. X“, welche die „corporate identity“ des Klägers berühre) betreibe bzw. betrieben habe.

70

8. In den beiden durch Verfahrenseinstellung beendeten Verfahren wegen Besitzes eines verbotenen Delta-Darts mit Scheide gegen die Mitglieder des Klägers M. und V. sei bestätigt worden, dass der objektive Tatbestand einer Straftat erfüllt gewesen sei. Für eine Zurechnung an den Verein im Rahmen der Überprüfung des Vereinsverbotes sei es unerheblich, dass beide Angeklagte sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB berufen hätten. Die objektiv begangenen Taten belegten den allgemeinen Hang der Mitglieder des Klägers zur Bewaffnung und damit zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Interessen. Zu berücksichtigen seien auch die in den Ermittlungsakten erwähnten weiteren Funde von Waffen, insbesondere einer Handgranate.

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9. Die 2004 von dem Mitglied Y., dessen Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt der Kläger zunächst nicht bestritten habe, begangene Straftat des Handels mit Motorradzubehör und hiermit verwandte Dienstleistungen sei als szenetypisch im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer eigenen Vormacht- oder zumindest einer starken Stellung in jenem Wirtschaftsbereich anzusehen. Eine strafbare Tätigkeit eines Mitglieds in einem solchen Bereich komme typischerweise auch den Mitgliedern eines Vereins wie dem Kläger zugute, sodass das unwiderlegliche Indiz bestehe, dass der Kläger sein Mitglied zu seinem eigenen Vorteil in dieser Tätigkeit unterstütze. Die durch den rechtskräftigen Strafbefehl abgeurteilte Tat der Steuerverkürzung stehe im Zusammenhang mit der noch gesondert verfolgten Hehlerei gestohlener Motorradteile und dem Abverkauf von aus gestohlenen Teilen zusammengesetzten Motorrädern.

72

Zur ergänzenden Begründung der Verbotsverfügung damit, dass der Kläger sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei zentral auf den vom Kläger eingerichtete sog. „Defense Fund“ zu verweisen. Nach den Erkenntnissen des Beklagten unterwürfen sich grundsätzlich alle bundesweit tätigen Charter des „Hells Angels MC Germany“ den Regeln des „Defense Fund“. Gleichwohl sei ein Vorgehen des Beklagten lediglich gegen einzelne Charter unter dem Gesichtspunkt einer Willkürfreiheit systemgerecht. Entscheidend sei insoweit, ob dem „Defense Fund“ in dem jeweiligen Charter eine Bedeutung zukomme. Die Einrichtung des sog. „Defense Fund“ beweise bereits eine abstrakt verfassungsfeindliche Gesinnung des einrichtenden Vereins, da wegen der Milderung der sozialen Folgen einer Freiheitsstrafe dem staatlichen Gewaltmonopol aktiv entgegengetreten werde. Eine kämpferisch-aggressive Betätigung eines Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung folge jedoch erst aus der praktischen Anwendung und Umsetzung des „Defense Fund“. Dieser schlage in die Grundlage eines aktiven Sich-Richtens des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung um, wenn innerhalb des Vereins Straftaten begangen würden, die unter anderem dadurch motiviert seien, dass angesichts des „Defense Fund“ die Wirkung der Strafe für eine begangene Tat deutlich hinter dem zurückbleibe, was mit der Bestrafung staatlich bezweckt sei. Entscheidend sei somit der „gelebte“ „Defense Fund“. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger vor. Insoweit unterscheide sich der Kläger auch von anderen Chartern des „Hells Angels MC Germany“ in Schleswig-Holstein, die im Vergleich zu ihm keine oder lediglich Straftaten geringerer Art und Umfangs aufwiesen.

73

Für eine kämpferisch-aggressive Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele sei bereits ausreichend, dass eine Vereinigung ihre eigene Ordnung partiell an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung setze und diese gegenüber Mitgliedern und Nichtmitgliedern ggf. gewaltsam, jedenfalls aber unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols durchsetze. Dies sei der Fall, wenn der Verein eigene Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung seiner Vereinsziele ansehe und eine staatliche Sanktion seiner Gewaltausübung ablehne, zu behindern oder in den Folgen abzuschwächen suche, was auf den Kläger, in Übereinstimmung mit allgemeinen Erkenntnissen über örtliche Charter des „Hells Angels MC Germany“ zutreffe. Die staatliche Ordnung werde unter anderem im Wege einer Selbstverpflichtung wie auch Verpflichtung Außenstehender zum Schweigen unterlaufen. In diese Schweigeverpflichtung würden auch Zeugen, die rechtlich zur Aussage verpflichtet seien, einbezogen.

74

Die vom Landeskriminalamt zusammengestellten Ermittlungsergebnisse ergäben, dass die allgemeinen Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Betätigungen innerhalb der Bewegung der „Hells Angels“ in Deutschland auch auf den Kläger zuträfen. Insoweit wird auf eine Ausarbeitung des LKA vom 09. April 2011 über den „Hells Angels MC“ als Phänomen der organisierten Kriminalität“ verwiesen. Aus ihr ergebe sich, dass dem Kläger eine koordinierende Rolle für strafgesetzwidrige Zwecke und als alternativer Organisationsstruktur einer Macht- und Gewaltordnung für Mitglieder und bestimmte außenstehende Dritte unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols zukomme. So hätten sich auch Belege für eine Beteiligung des klägerischen Charters an der Wirkweise der Organisation der sog. „Big House Crew“ als Vereinigung inhaftierter Mitglieder des Klägers gefunden.

75

Die Errichtung einer eigenen Rechts- und Gewaltordnung unter Ausschluss der staatlichen Ordnung zeige sich namentlich in den Straftaten des unerlaubten Waffenbesitzes und in Körperverletzungsdelikten zur Durchsetzung der Vereinsinteressen des Klägers. Insoweit verweist der Beklagte auf die in der Verbotsverfügung genannten Straftaten unter Nr. 2, 4, 7, 8 und dem Ereignis unter Nr. 6 (Waffenfund), welches eine Ausrüstung für paramilitärische Konflikte nahelege. Auch die Straftat zu Nr. 5 einschließlich des gesamten Tatablaufs der Alarmierung von Mitgliedern durch einen Supporter und die gemeinsame Anfahrt zum Tatort auf der BAB deute auf einen Anspruch des Klägers auf unbedingte Machtentfaltung hin, der mit dem staatlichen Gewaltmonopol nicht vereinbar sei. Insgesamt lasse sich den belegten Straftaten und dem Verhalten der Mitglieder entnehmen, dass der Kläger zwar nicht einen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung bezwecke, wohl aber das staatliche Gewaltmonopol ablehne und durch eine eigene Gewaltordnung zu ersetzen suche. Dies erfülle die Voraussetzungen eines kämpferisch-aggressiven Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

76

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, aus Art. 9 Abs. 2 GG folge die lediglich deklaratorische Wirkung einer Verbotsfeststellung, auf deren Bestand das nachträgliche Verhalten der Mitglieder keinen Einfluss mehr haben könne. Zum Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung hat er seinen schriftsätzlichen Vortrag vertieft und ergänzend ausgeführt, der klägerische Verein richte sich gegen die für die verfassungsmäßige Ordnung zentrale Gewährleistung der Menschenwürde, indem er Abweichler bestrafe und sie dadurch zum Objekt ihres Handels degradiere. Die kämpferisch-aggressive Ausrichtung des Klägers werde auch insoweit durch die Ausführung der Tat Nr. 5 auf der BAB 7 unzweifelhaft belegt. Demgegenüber komme dem - auch in Flensburg praktizierten - System des „Defense Funds“ für das Verbot eine vergleichsweise nachrangige Bedeutung zu.

77

Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 (4 MR 1/10) hat der Senat einen Antrag des Klägers vom 21. Oktober 2010 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung im Wesentlichen abgelehnt und die aufschiebende Wirkung der Klage lediglich insoweit angeordnet, als in der Verfügung die Einziehung von Sachen Dritter für sofort vollziehbar erklärt worden war.

78

Das Gericht hat die Strafverfahrensakten zu den in der Verbotsverfügung genannten Taten beigezogen, ausgewertet und den Beteiligten zur Einsichtnahme zugesandt.

79

In der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2012 hat der Vertreter des Klägers nach Stellung der Anträge und Erörterung der Sach- und Rechtslage die Rücknahme der Klage erklärt. Der Beklagte hat seine Einwilligung hierzu nicht erteilt und hilfsweise für den Fall, dass der Senat nicht schon aufgrund der bislang vorgetragenen Straftaten von Vereinsmitgliedern zu der Überzeugung gelange, dass der Verbotsgrund des Zuwiderlaufens von Zwecken oder Tätigkeit des Vereins gegen Strafgesetze vorliege, einen Beweisantrag zu einem weiteren diesbezüglich relevanten, erst kürzlich zu seiner Kenntnis gelangten Sachverhalt der Schutzgelderpressung gestellt, wegen dessen Inhalt auf die Sitzungsniederschrift verwiesen wird.

80

Auch wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Strafverfahrensakten bzw. die hieraus gefertigten Kopien, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

81

I. Der Senat hat trotz der in der mündlichen Verhandlung erklärten Klagrücknahme über die Klage zu entscheiden, weil die gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO nach der erfolgten Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung erforderliche Einwilligung des Beklagten in die Zurücknahme ausdrücklich nicht erteilt worden ist. Das Einwilligungserfordernis aus § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO dient dem Schutz des Beklagten, der den Rückzug des Klägers aus dem Verfahren verhindern können soll, nachdem durch Antragstellung verhandelt worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.06.2010 - 5 LB 110/10 -). Letzteres war vorliegend geschehen.

82

II. Die Klage ist in zulässiger Weise durch sämtliche nach Informationsstand des Beklagten und nach dem Vorbringen der Klägerseite in der Klageschrift zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorhandene Mitglieder des klägerischen Vereins erhoben worden. Die Klageerhebung für einen nicht rechtsfähigen Verein hat gemäß § 62 Abs. 3 VwGO in Vollmacht seiner gesetzlichen Vertreter und Vorstände zu erfolgen. Dies sind gemäß § 54 i.V.m. § 709 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Mitglieder des Vereins gemeinschaftlich, soweit nicht in einer Satzung Stimmenmehrheit vereinbart oder eine Übertragung der Geschäftsführung erfolgt ist. Letzteres ist hier nicht ersichtlich. Mit der Klageerhebung sind Vollmachten sämtlicher zwölf damals auch in der Klageschrift als Mitglieder namentlich benannter Personen - entsprechend dem Mitgliederstand nach Informationen des Beklagten -, alle datiert auf den 05. Mai 2010, zu den Akten gereicht worden. Zweifel an der Erfüllung der vereins- und prozessrechtlichen Voraussetzungen für die wirksame Klageerhebung des Vereins bestehen daher nicht. Soweit mit dem Anwaltswechsel im April 2012 Vollmachten lediglich von neun der ursprünglich zwölf vollmachtgebenden Mitglieder eingereicht worden sind, darunter eine Vollmacht des im nachfolgenden Schriftsatz vom 16. Mai 2012 nicht mehr als Mitglied bezeichneten J., begründet dies Zweifel weder hinsichtlich der Zulässigkeit noch hinsichtlich der wirksamen Mandatierung des klägerischen Anwaltes und Antragstellung. Nach dem klägerischen Vortrag sollen die nunmehr nicht mehr vollmachtgebenden ursprünglichen Mitglieder sowie zwei weitere Mitglieder zwischenzeitlich ausgeschieden oder ausgeschlossen worden sein. Jedenfalls für den insoweit allein maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat kann mangels gegenteiliger Erkenntnisse die Richtigkeit dieses Vortrages zugrunde gelegt werden, weil eine Trennung eines Mitgliedes selbst von einem lediglich zum Zwecke der Rechtsverteidigung gegen ein ausgesprochenes Verbot noch weiterbestehenden Verein möglich sein muss. Inwieweit dies Auswirkungen auf das Vorliegen der Verbotsvoraussetzungen hat, ist eine im Rahmen der Begründetheitsprüfung gesondert zu beantwortende Frage.

83

Der Kläger ist allein zur Anfechtung des Verbots befugt, da die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung seiner Mitglieder als natürliche Personen, sondern die Rechtsstellung des klagenden Vereins als Gesamtheit von Personen betrifft. Der Kläger ist gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (vgl. zu alledem BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, Juris m.w.N.). Auch nach seinem Verbot und seiner Auflösung verbleibt ihm eine auf die Führung der Rechtsverteidigung beschränkte Rechtsstellung (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Kommentar zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 59).

84

III. Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist lediglich insoweit rechtswidrig und daher gemäß § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben, als in ihm festgestellt wird, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ohne dass allerdings hierdurch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Feststellung, dass der Kläger verboten ist, berührt würde.

85

1. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung lagen vor. Der Beklagte als für die Regelung des Vereinswesens oberste Landesbehörde war gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig, da sich die nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen erkennbare Organisation und Tätigkeit des Klägers auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkte. Es ist von beiden Beteiligten vorgetragen und unbestritten, dass dem „Hells Angels MC Charter Flensburg“ eine eigenständige Stellung als Vereinigung innerhalb der bundes- und weltweiten sog. Bewegung der „Hells Angels“ zukommt. Die Mitglieder des Charter Flensburg sind sämtlich in Schleswig-Holstein wohnhaft und tätig; wesentliche Aktivitäten des Vereins außerhalb Schleswig-Holsteins sind nicht bekannt geworden.

86

Unabhängig von der Frage, ob der klägerische Verein lediglich eine Teilvereinigung eines über das Gebiet Schleswig-Holsteins hinausgehenden größeren Vereins der „Hells Angels“-Bewegung darstellt und eine Einholung des Benehmens des Bundesministers des Inneren nach § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG erforderlich war, ist dieses Benehmen nach Übersendung des Entwurfes der Verbotsverfügung mit Schreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 20. April 2010 vorsorglich erteilt worden. Darin, dass dem Bundesministerium nicht die weiteren Informationsgrundlagen zur Verfügung gestellt worden sind, welche zum Erlass des Vereinsverbots geführt haben, liegt kein Verfahrensfehler, der Zweifel an der Wirksamkeit des vorsorglich hergestellten Benehmens erwecken könnte. Der übersandte Entwurf des Bescheides enthielt selbst ausreichende Informationen, um den Bundesinnenminister jedenfalls in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Nachfragen gegenüber dem Beklagten zu tätigen. Dieses ist jedoch nicht erfolgt.

87

Die weiteren formellen Voraussetzungen für die angegriffene Verbotsverfügung, insbesondere die Schriftform, die Begründung und die Zustellung an den Verein sowie die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger (BAnz 74/2010 v. 19.05.2010, 1774) und im Amtlichen Mitteilungsblatt des Landes Schleswig-Holstein (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2010 Nr. 21/22, S. 389 f.) gemäß § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VereinsG, sind erfüllt.

88

Der Beklagte durfte von einer Anhörung des Klägers vor Erlass der Verbotsverfügung absehen. Zwar ist grundsätzlich dem von einem Eingriff in seinen Rechten Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 87 Abs. 1 LVwG). Hiervon kann jedoch unter anderem abgesehen werden, wenn eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG). Diese Voraussetzungen lagen vor. Mit dem Verbot des Klägers ist, entsprechend der in § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG vorgesehenen Regel, auch die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens sowie Sachen Dritter verfügt worden. Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, der es dem Kläger ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen, und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war (vgl. BVerwG, std. Rspr., Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 f., beide Juris, m.w.N.). Angesichts der einer Anhörung hier entgegengehaltenen Gefahren war dem Kläger auch kein Recht zuzugestehen, sich durch entsprechende Dispositionen wie eine allein durch den drohenden Erlass des Verbots veranlasste Distanzierung von Mitgliedern auf diese vereinsrechtliche Maßnahme einzustellen, wie es der Kläger in Anspruch nimmt.

89

2. Die Verbotsverfügung ist insoweit rechtmäßig, als in ihr festgestellt wurde, dass der Zweck und die Tätigkeit des klagenden Vereines den Strafgesetzes zuwiderlaufen, und an diese Feststellung die in den nachfolgenden Ziffern 2 bis 5 ausgesprochenen rechtlichen Folgen geknüpft wurden. Der Senat ist zu dieser Überzeugung bereits aufgrund der Bewertung der Tatkomplexe gelangt, die Gegenstand der Verbotsverfügung waren, so dass es auf den mit dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag erstmals angesprochenen Sachverhaltskomplex einer Schutzgelderpressung gegenüber einer Flensburger Gastwirtin nicht ankam.

90

a) Die Zwecke und die Tätigkeit des Klägers laufen i.S.d. in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alt. GG den Strafgesetzen zuwider, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben.

91

Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, denn eine Vereinigung ist als solche nicht straffähig. Straffähig können nur natürliche Personen sein, da Strafbarkeit Schuldzurechnungsfähigkeit voraussetzt und diese nur natürlichen Personen zukommt. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Ergibt sich aus dieser eigenen Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln einer Vereinigung ein Verstoß gegen Strafgesetze, so ist der Verbotstatbestand erfüllt.

92

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Mitglieder der Vereinigung zugerechnet werden kann. Eine durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit muss den Charakter der Vereinigung prägen. Eine Vereinigung kann gleichzeitig verschiedene Zwecke, insbesondere neben dem satzungsmäßig ausgewiesenen legalen Zweck auch strafrechtsrelevante Ziele anstreben und durch das Verhalten ihrer Mitglieder verwirklichen. In diesem Falle ist es zur Erfüllung des Verbotstatbestandes nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht. Ebensowenig muss eine Strafgesetzwidrigkeit auf Dauer bestehen. Es genügt vielmehr, wenn eine Vereinigung erst im Laufe der Zeit strafgesetzwidrig wird oder die Strafgesetzwidrigkeit zeitlich begrenzt ist. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen, und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt. Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Die Einbeziehung dieser Fallkonstellation ist vor allem durch den Sinn des Verbotstatbestandes geboten: Mit ihm soll nicht die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich sanktioniert, sondern einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die in der Gründung oder Fortführung einer Organisation zum Ausdruck kommt, aus der heraus Straftaten geplant oder begangen werden. Derartige Organisationen bergen eine besondere Gefahr für die durch Strafgesetze geschützten Rechtsgüter in sich. Die ihnen innewohnende Eigendynamik und ihr organisiertes Sach- und Personalpotential erleichtern und begünstigen strafbares Verhalten. Zugleich wird das Verantwortungsgefühl des einzelnen Mitgliedes häufig gemindert, die individuelle Hemmschwelle zum Begehen von Straftaten abgebaut und der Anreiz zu neuen Straftaten geweckt. Eine derartige verbotsrelevante Hilfestellung muss nicht von vornherein auf die Begehung konkreter Straftaten ausgerichtet sein oder auf einem zuvor gefassten Vereinsbeschluss beruhen. Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten der Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten, gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre zu den Straftaten ihrer Mitglieder jederzeit den erwarteten Schutz (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275, Juris Rn. 15 f.; Beschl. v. 25.08.2008 - 6 VR 2/08 -, Juris Rn. 11; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, BVerwGE 80, 299, DVBl. 1989, 311 Rn. 38 f.). Im Falle der Überprüfung des 1983 erlassenen Vereinsverbotes gegenüber dem „Hell‘s Angels Motor-Club e.V.“ Hamburg hat das Bundesverwaltungsgericht die Zurechnung einzelner Straftaten unter anderem mit dem Gesichtspunkt begründet, dass die Straftaten in Vereinskluft begangen wurden und dadurch den Ruf des Vereins als besonders gewalttätige und brutale Rockergruppe begründet oder bestätigt hätten (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 50). Demgegenüber kommt es auf den in der Satzung niedergelegten Zweck (Motorradclub) nicht entscheidend an, da strafrechtliche Zwecke üblicherweise nicht offen gelegt werden. Soweit in der Vereinssatzung aber der Grundsatz der Solidarität ausdrücklich als Vereinszweck genannt wird, kann dies als Ausdruck der unter den Mitgliedern angestrebten umfassenden Solidarität gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 43).

93

Der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder kann sich auch daraus ergeben, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 32, Juris Rn. 12). Eine Prägung des betreffenden Vereins durch ihm zuzurechnende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern liegt insbesondere dann nahe, wenn es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktionen handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, sowie Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.) oder wenn entsprechende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern in großer Zahl sowie auch noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder erfolgen (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009, a.a.O.). Ein prägender Charakter kann sich auch daraus ergeben, dass die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, a.a.O.).

94

Ein Verbot wegen Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins setzt eine vorherige strafrichterliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Ebenso wenig besteht eine materielle oder formelle Bindung an die rechtliche Würdigung eines bereits ergangenen Strafurteils. Die Strafgesetzwidrigkeit ist von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.; Urt. v. 18.10.1988, a.a.O.; std. Rspr.).

95

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung ist derjenige ihres Erlasses. Zur Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit können, wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht, zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986; Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.1992 - 1 S 3626/88 -; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06/52 - sowie Beschl. v. 20.09.2006 - 4 AS 06.2036 -, alle in Juris). Berücksichtigungsfähig können auch Gesichtspunkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung nach Ergehen der Verbotsverfügung sein, soweit sie eine vor Erlass der Verbotsverfügung begangene Straftat betreffen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 38). Andererseits bietet Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG aber keine Grundlage für die Berücksichtigung von Veränderungen, die der Verein nach seinem Verbot vornehmen möchte, um dessen Voraussetzungen entfallen zu lassen. Solche nach Erlass der Verbotsverfügung geschaffenen Tatsachen können keine Wirkungen auf die Sachlage zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Verbotsbescheides mehr entfalten. Dem Verein sind im Übrigen Aktivitäten, soweit sie nicht die Rechtsverteidigung gegen das Vereinsverbot betreffen, und damit auch organisatorische Umgestaltungen, untersagt.

96

In Konkretisierung der genannten, aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG abgeleiteten Maßstäbe hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 VereinsG ausdrücklich ergänzende („auch“) Maßstäbe für die Zurechnung von Handlungen von Mitgliedern zum Verein festgeschrieben, wonach ein Verbot auch dann auf Handlungen von Mitgliedern gestützt werden kann, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu der Zielsetzung des Vereines besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Eine Erweiterung oder Einschränkung der zu Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 VereinsG in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe liegt in dieser ausdrücklich zur Schließung einer Regelungslücke getroffenen ergänzenden gesetzgeberischen Regelung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 45) jedoch nicht. Die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG sind in der Verfassung abschließend benannt; der Gesetzgeber darf keine zusätzlichen Verbotsgründe einführen (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Komm. zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 63; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot - Dogmatik und Praxis des Art. 9 Abs. 2 GG, Baden-Baden 2005, S. 115).

97

b) Eine Strafgesetzwidrigkeit des klagenden Vereins lässt sich vorliegend anhand der dargestellten Maßstäbe bereits in ausreichender Weise aus einer Zurechnung der Straftat des damaligen Präsidenten des Klägers, A., vom 12. September 2009 - Nr. 5 in der Verbotsverfügung - ableiten. Wegen dieser Tat ist A. mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden. Die Tat und die sie begleitenden Umstände weisen ausweislich der Urteilsgründe einen eindeutigen Vereinsbezug auf. Der Tathergang gestaltete sich nach den rechtskräftigen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Flensburg wie folgt:

98

Am 12. September 2009 hielt sich eine Gruppe der im Frühjahr 2009 in Neumünster gegründeten „Bandidos“, welche mit zeitgleicher Verfügung des Beklagen verboten worden sind, auf dem Rückweg von einer Ausfahrt nach Dänemark um 22.55 Uhr an einer Tankstelle unweit der BAB 7 bei Flensburg auf. Dort wurden die mit Kutten bekleideten „Bandidos“ durch ein Mitglied oder einen Unterstützer der Flensburger „Hells Angels“ beobachtet und es erfolgte über ein Mobiltelefon eines damaligen Mitgliedes des Klägers eine entsprechende Meldung an A. in seiner Funktion als Präsident. Dieser führte binnen weniger Minuten diverse Mobilfunkgespräche mit weiteren Vereinsmitgliedern mit dem Ziel, diese schnell an die BAB 7 heranzuführen, um den als solchen empfundenen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ zu sühnen. A. begab sich mit seinem Pkw an die Autobahnauffahrt Flensburg-Harrislee, wo um ca. 23.20 Uhr der Konvoi der „Bandidos“ eintraf, und befuhr hinter der Gruppe der „Bandidos“ die BAB 7, wobei ihm ein Pkw Golf folgte, der auf das Mitglied der „Hells Angels Flensburg“ V. zugelassen war. Im Bereich einer Baustelle, in der die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herabgesetzt war, näherte sich der PKW des A. dem Motorrad des „Bandidos“-Mitglieds K. und berührte dieses kurz mit dem Vorderrad. Dabei brachen die linke Fußraste des Motorrades und das Schaltgestänge, sodass das Getriebe des Motorrades nicht mehr geschaltet werden konnte. Etwa 170 m weiter unternahm der geschädigte Motorradfahrer der „Bandidos“ eine Vollbremsung und stürzte mit dem Motorrad auf die rechte Seite, wobei er lebensgefährlich verletzt wurde. A. flüchtete mit hoher Geschwindigkeit, stellte nur wenige Minuten später sein Fahrzeug nahe einem sein Vertrauen genießenden Motorrad-Reparaturbetrieb in XXX Stadt. ab und wurde gegen 0.22 Uhr in dem 25 km entfernten Flensburg festgestellt. Ein bis zwei Minuten nach dem Sturz des „Bandidos“ K. erreichte das Mitglied des Klägers AH. in seinem Pkw Golf die Unfallstelle und wurde zusammen mit einem weiteren Unterstützer des Klägers aus der sog. „Flensburg-Crew“ Opfer einer massiven Gewaltattacke der über den Vorfall empörten „Bandidos“. Ihm wurden mehrere Messerstiche zugefügt, aufgrund derer er im Krankenhaus operativ versorgt werden musste.

99

Nachfolgend erreichte auch der Pkw des Mitglieds des Klägers V. die Unfallstelle, wendete fluchtartig über die niedrige Barriere zwischen den Fahrtrichtungen und verschwand in Richtung Norden.

100

Die Kammer des Landgerichts Flensburg hat in ihrem Urteil als Motiv der Tat eindeutig eine „Disziplinierung der feindlichen Rockergruppe“ identifiziert. Die „Bandidos“ hätten von weiteren „Gebietsverletzungen“ - in der Denkweise der beteiligten Rockergruppierungen - abgehalten und beeindruckt werden sollen, wobei diese Aufgabe, einen Denkzettel zu erteilen, von A. zur „Chefsache“ gemacht worden sei. Die Aktion habe eine Reaktion auf eine gezielte Provokation der „Bandidos“ dargestellt. Das Landgericht hat den Schädigungsvorsatz des Präsidenten A. gerade aus der Motivation und Entschlossenheit der Vereinigung der Flensburger „Hells Angels“ abgeleitet, keine Gebietsverletzungen zu dulden und als Ausfluss einer kompromisslosen Haltung auch schwere Verletzungen des Gegners notfalls hinzunehmen (S. 42 d. UA). Ein Tabu der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität der Mitglieder der feindlichen Gruppe scheide wegen des Verständnisses, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen sich besonders maskulin und machohaft gebärdenden Männern handele, aus. Eine Schädigung des Feindes unterstreiche erst recht die mit der Aktion bezweckte Botschaft. Bei der Strafzumessung hat das rechtskräftige Urteil das Tatmotiv, der verfeindeten Rockergruppe den Gebietsanspruch um den Raum Flensburg aufzuzeigen und zu demonstrieren, dass Versuche, diesen in Frage zu stellen, sofort mit die körperliche Integrität oder sogar das Leben gefährdenden Aktionen beantwortet werden würden, in erheblicher Weise zu Lasten des damaligen Präsidenten A. gewertet.

101

In seiner Revisionsbegründungsschrift ist der Angeklagte den tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Landgerichts lediglich insoweit entgegengetreten, als er die Nachweisbarkeit seiner Täterschaft sowie eines Körperverletzungsvorsatzes in Zweifel gezogen hat. Die dargestellten Bezüge zur Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der mit ihm verfeindeten Rockergruppe der „Bandidos“ wurden im Rahmen des strafrechtlichen Revisionsverfahrens ebenso wenig in Abrede gestellt wie im vorliegenden Verfahren wegen Vereinsverbots.

102

Der Senat hält die tatsächlichen Feststellungen der strafgerichtlichen Verurteilung nach Auswertung der beigezogenen Verfahrensakten für nachvollziehbar und schließt sich ihnen an. Entgegenstehende Gesichtspunkte haben sich auch aus dem Vortrag der Beteiligten nicht ergeben. Die Tat wurde von dem höchsten damaligen Funktionsträger des Klägers, dem Präsidenten, im ausschließlichen Interesse des Vereins ausgeführt. Das Landgericht hat festgestellt, dass ein persönliches Motiv des A. gegenüber dem Geschädigten K. nicht ersichtlich war. Die Tat fand in Anwesenheit mehrerer, binnen kürzester Zeit zur nachtschlafender Zeit über Mobiltelefone heran beorderter weiterer Mitglieder und Unterstützer des Klägers statt und war im Übrigen durch eine Benachrichtigung einer namentlich nicht feststehenden, jedoch dem Mitglieder- oder Unterstützerkreis des Klägers zuzurechnenden Person ausgelöst worden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine strafrechtlich relevante Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers neben dem Präsidenten A. waren aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden zwar nicht gegeben, sodass die gegen sämtliche anderen Mitglieder des Klägers - bis auf den ortsabwesenden, per Mobiltelefon kontaktierten und für Disziplinierung eigentlich zuständigen „Sergeant at Arms“ M. - eingeleiteten Strafverfahren mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 04. Februar 2010 eingestellt wurde. In der Einstellungsverfügung heißt es insoweit, dass diese Mitglieder zwar vermutlich am Tatort gewesen seien, ein direkter Tat- oder Unterstützungsbeitrag könne ihnen aber nicht hinreichend sicher nachgewiesen werden und ein subjektiver Exzess des damaligen Beschuldigten A. sei nicht auszuschließen. Ausweislich der Strafverfahrensakten und des Strafurteils des Landgerichts Flensburg haben sich jedoch sämtliche weiteren Mitglieder des Klägers - bis auf M. - im Rahmen des Strafverfahrens auf ihr Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Das Landgericht Flensburg hat im Urteil ihre Beteiligung an der Tat ausdrücklich für möglich gehalten und daher ein Aussageverweigerungsrecht als gegeben erachtet.

103

Die Tat, die von dem damaligen obersten Funktionär des klägerischen Vereins begangen worden ist, wurde im vereinsrechtlichen Sinne ermöglicht und unterstützt durch eine binnen weniger Minuten erfolgte gemeinsame Willensbildung, indem der Vereinspräsident mehrere Mitglieder und Unterstützer über Handy an die Autobahnauffahrt heran kommandierte und gleichzeitig mit einem Informanten Kontakt hielt, der den Aufenthaltsort des „Bandidos“-Konvois mitteilen sollte. Die diesbezüglichen Kommunikationsvorgänge werden durch den im strafrechtlichen Ermittlungsvorgang befindlichen Auswertebericht über Telefonüberwachungsmaßnahmen im Tatzeitraum sowie den zusammenfassenden Ermittlungsbericht des LKA vom 04. Dezember 2009 belegt. Durch Telefonüberwachungsauswertebericht vom 07. Dezember 2009 ist darüber hinaus dokumentiert, dass A. noch zwei Monate nach der Tat im Austausch mit weiteren Mitgliedern des klägerischen Vereins stand, welche Vorladungen zu einer polizeilichen Vernehmung über die Tat erhalten hatten, und dass er in diesem Kreis nach wie vor über Autorität verfügte, um eine gemeinsame Linie zum Aussageverhalten (Nichterscheinen bei der polizeilichen Vernehmung) auszugeben. Dieser Umstand wurde unter anderem im Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 25. März 2010 über die Kommunikationsüberwachung des inhaftierten damaligen Angeschuldigten A. als Anhaltspunkt für eine bestehende Gefahr der Beeinflussung vorgeladener Zeugen durch den Angeschuldigten gewürdigt. Dies spricht dafür, dass A. nach wie vor und trotz der bei den Mitgliedern bestehenden Kenntnis über die genauen Umstände der Tat über Rückhalt im klägerischen Verein verfügte und die Tat durch die Mitglieder jedenfalls widerspruchslos hingenommen, wenn nicht sogar gebilligt wurde. Eine Distanzierung der übrigen Mitglieder von ihm als Täter der gravierenden Straftat hätte jedenfalls zeitnah zur Tatbegehung erfolgen müssen, um vereinsrechtlich ins Gewicht zu fallen. Hier war sie unter Berücksichtigung der gemeinsam entwickelten Aussagestrategie der betroffenen Vereinsmitglieder in den eingeleiteten Ermittlungsverfahren nicht zu erkennen.

104

Angesichts der elementar dem gemeinsamen Selbstverständnis des Vereins entsprungenen Ausführungen und Organisation der Tat, der intensiven Kommunikation und des Zusammenwirkens mehrerer Mitglieder sowie der über Monate andauernden Aufrechterhaltung der Organisationstruktur des Klägers nach der Tat, was die Position des Präsidenten anbelangt, kommt dem gesamten Ereignis eine für den klägerischen Verein prägende Funktion zu. Ohne den Macht- und Geltungsanspruch des Vereins hätte es die Tat nicht gegeben, ohne die schlagkräftige Organisationsgewalt innerhalb des Vereins wäre die Tatausführung nicht in dieser Weise erfolgt und die Geschlossenheit der von den Ereignissen berührten Mitglieder hielt in einer grundlegenden Weise auch nach der Tat an.

105

Angesichts der durch die Tat am 12. September 2009 dokumentierten organisierten und vom Willen der Vereinsmitglieder getragenen, die Anwendung von Gewalt im vereinsrechtlichen Sinne billigend in Kauf nehmenden massiven Machtentfaltung des klägerischen Vereins unmittelbar im Vorfeld der Verbotsverfügung begründet das Ereignis bereits für sich genommen einen hinreichenden Anlass für das Verbot des Klägers wegen strafgesetzwidriger Zwecke und strafgesetzwidriger Tätigkeit. Im Hinblick auf diesen Verbotstatbestand ist die Tat derart einschlägig, schwerwiegend und zentral und dokumentiert die durch ein Vereinsverbot zu begrenzende Gefahr einer weiteren, Rechtsgüter gefährdenden Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Vereinigungen, dass es einer Zurechnung strafrechtswidriger weiterer Verhaltensweisen der Mitglieder an den Verein nicht mehr bedürfte, um das Vereinsverbot zu stützen. Auch ein singuläres Geschehen, eine einzelne Straftat kann schon ausreichen, um daraus das Vorliegen der Voraussetzungen für einen vereinsrechtlichen Verbotsgrund abzuleiten (vgl. auch Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 155).

106

c) Darüber hinaus treten hier jedoch weitere in der Verbotsverfügung aufgeführte Taten, die dem Verein zurechenbar sind, zur Untermauerung des Verbotsgrundes des Zuwiderlaufens der Vereinigung gegen Strafgesetze hinzu:

107

aa) Mehrere Mitglieder des Klägers sind durch waffenrechtliche Straftaten aufgefallen, bei denen sie teilweise auch zusammen auftraten; des Weiteren bestehen wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass sie mit einem in Flensburg aufgefundenen Waffenarsenal bedeutenden Ausmaßes in Verbindung standen.

108

aaa) Der zur Tatzeit bereits als Präsident des klägerischen Vereins eingesetzte A. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten wegen Verstoßes gegen §§ 52 Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz verurteilt (Nr. 2 in der Verbotsverfügung), nachdem im Februar 2008 bei einer Durchsuchung in seiner Wohnung eine halbautomatische Selbstladepistole der Marke „Sig-Sauer P 225“ - einer funktionsfähigen scharfen Schusswaffe - mit ausgefräster Individualnummer und 50 Patronen passender Munition festgestellt worden war, für welche A. keine waffenrechtliche Erlaubnis besaß. Strafschärfend berücksichtigte das Gericht die erhebliche Menge an aufgefundener Munition. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränke Berufung des Angeklagten stelle das Landgericht Flensburg das Verfahren mit Beschluss vom 08. Juni 2009 im Hinblick auf die Verurteilung durch ein Schöffengericht in Flensburg vom 23. Januar 2008 wegen versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil die Strafe neben der anderweitig verhängten Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fiel.

109

bbb) Der damalige Treasurer S. wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wegen unerlaubten Munitionsbesitzes (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz) in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt (Nr. 7 in der Verbotsverfügung), wobei einer der beiden Fälle die Lagerung von 500 Patronen „Remington Automatic“ Kaliber 45, 20 Patronen Übungsmunition und eine weitere Patrone des Kalibers 7 ohne waffenrechtliche Erlaubnisse im Januar 2010 betraf. Der weitere mit einbezogene Fall betraf einen erst in Vollzug der Vereinsverbotsverfügung festgestellten Munitionsbesitz. Der Angeklagte S. hatte seinen Einspruch gegen den wegen des Vorfalls vor Erlass des Vereinsverbotes ergangenen Strafbefehl auf die Rechtsfolgenseite beschränkt; diesen Munitionsbesitz hatte das Gericht ausweislich der Strafzumessungserwägungen als schwerwiegender angesehen als den nachfolgenden Munitionsbesitz. S. hatte bei Auffinden der Munition angegeben, er sei Mitglied im Schützenverein in Schleswig und bewahre seine eigene Munition zu Hause auf. Im Rahmen der Hauptverhandlung gab er an, er habe die Munition aus Platzgründen nicht im Schützenverein lagern können. Er sei schon zwei Jahre nicht mehr in dem Verein gewesen.

110

ccc) Konkrete Belege für dem klägerischen Verein zurechenbare waffenrechtliche Straftaten von Mitgliedern des Klägers haben sich auch aus dem unter Nr. 6 der Verbotsverfügung aufgeführten Auffinden eines umfangreichen Waffenarsenals bei einem Flensburger Gewerbetreibenden am 02. November 2009 ergeben. In einem Umkleideraum des Gewerbebetriebes in einem Spind sowie in einer Garage wurden vier Stangen eines vom Landeskriminalamt als brisant eingestuften, sowohl militärisch als auch gewerblich verwendbaren Sprengstoffs aufgefunden, darüber hinaus mehrere funktionsfähige Maschinengewehre, doppelläufige Flinten, Pumpguns, ein Sturmgewehr, mehrere Revolver sowie zugehörige Munition. Mehrere dieser Waffen sind nach den Ermittlungsergebnissen des LKA als Kriegswaffen im Sinne der Anlage zu § 1 Abs. 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KrWaffKontrG) einzustufen. Kriminaltechnische Ermittlungen des LKA haben nach den in dem Ermittlungsvorgang der Staatsanwaltschaft A-Stadt befindlichen behördlichen Gutachten, zusammengefasst im Auswertebericht des LKA vom 03. Dezember 2010, im Wege der DNA-Analyse den Nachweis zweier S. zuzuordnender telogener (ausgefallener) Haare an einem Patronengurt, der der Erlaubnispflicht nach § 2 Waffengesetz unterliegt, erbracht. Fingerabdruckspuren von S. wurden durch Gutachten des LKA vom 05. Juli 2010 an einem silberfarbenen Koffer, in welchem sich eine Maschinenpistole befand, an Plastikeinsätzen von Munitionsbehältnissen, Fingerabdrucksspuren des C. V. sowie des A. an der Bedienungsanleitung zu einer Pistole (Gutachten des LKA v. 15.07.2010) sowie Fingerabdrücke des J. an einem schwarzen Müllsack bei den Waffen (LKA-Gutachten v. 15.07.2010) nachgewiesen.

111

Auf einen deutlichen Vereinsbezug dieses umfangreichen und schwerwiegenden Waffenfundes deuten nach den Unterlagen in dem strafrechtlichen Ermittlungsvorgang auch Telefonate mehrerer Mitglieder des Klägers noch während der Untersuchung am 02. November 2009 sowie in den Tagen danach, darüber hinaus auch Aussagen des Inhabers der betreffenden Betriebsstätte des Auffindeortes hin. Der Gewerbetreibende, bei dem die Waffen gefunden wurden, hatte nach Unterrichtung über die beabsichtigte Durchsuchung die Polizeibeamten ungefragt darauf verwiesen, er könne nicht ausschließen, dass „zwielichtige Personen“ - nämlich Mitglieder der „Hells Angels“ - in seinen Räumlichkeiten Waffen lagerten. Auf Nachfrage nannte der Gewerbetreibende ausweislich des Auswerteberichtes des LKA vom 10. November 2009 S., A., M. und J.. Noch während der laufenden Durchsuchungsmaßnahme erhielt S. eine telefonische Nachricht hierüber von einer Angestellten des Betriebes; die Durchsuchung führte noch vor ihrem Abschluss zu Telefonaten u.a. zwischen A. und S. sowie A. und M. und wurde darin thematisiert. Aufgrund des Waffenfundes wurde weitere Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt, die am 06. Januar 2010 umgesetzt wurden; in ihrem Zuge wurde im Clubhaus des Klägers u.a. in der Küche der Mitglieder M. und J. eine Handgranate mit Zünder gefunden.

112

Wegen der in Betracht kommenden Straftatbestände ist nach Mitteilung des Beklagten zwar auch aktuell noch keine Anklage erhoben worden, weil noch weitere Untersuchungen durch das Bundeskriminalamt abgewartet werden müssten. Die Frage, wem die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die aufgefundenen Kriegswaffen gemäß § 22 a Abs. 1 KrWaffKontrG in strafrechtlicher Hinsicht zuzuordnen sein wird, ist somit derzeit noch nicht geklärt. Angesichts der deutlichen, mehrere Mitglieder des Vereins und deren Kommunikation untereinander umfassenden Bezüge des Waffenarsenals zum Kläger ist die hohe strafrechtliche Relevanz des Waffenarsenals jedoch in die vereinsrechtliche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit einzubeziehen. Dabei geht der Senat aufgrund der geschilderten Ermittlungsergebnisse davon aus, dass mehrere mit herausgehobenen Funktionärstätigkeiten betraute Vereinsmitglieder Kenntnis von den aufgefundenen Waffen hatten und mit ihnen unmittelbar in Kontakt gekommen waren, wobei der Kontakt mit einer Bedienungsanleitung und mit Munition in diesem Zusammenhang hinreichend aussagekräftig ist.

113

ddd) Der den Mitgliedern des Klägers S., Y., AH., M. und V. vorgeworfene Besitz sogenannter Delta-Darts mit zugehöriger Scheide (Nrn. 4 und 8 in der Verbotsverfügung) begründete zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verbotsverfügung hingegen jedenfalls keine Verhaltensweise, die dem Kläger vereinsrechtlich als strafrechtswidrige Tätigkeit von bedeutsamem Gewicht zugerechnet werden könnte. Den Mitgliedern S., Y., AH. sowie dem in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht genannten Mitglied AB. wurde ein derartiger, um den Hals der jeweiligen Person hängender Delta-Dart mit Scheide von der schweizerischen Polizei abgenommen, als sie gemeinschaftlich am 18. Dezember 2009 in einem Pkw die schweizerische Grenze überqueren wollten. Eine waffenrechtliche Untersuchung der schweizerischen Polizei ergab im Januar 2010, dass es sich hierbei um einen nach schweizerischem Recht verbotenen Gegenstand handele. Ein Delta-Dart mit Scheide ist - wie sich aus einer Fahndungsinformation des Regierungsbezirks Freiburg vom 16. Dezember 2009 aus dem schweizerischen Ermittlungsvorgang ergibt - nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Füllfederhalter getarnt und somit als Waffe nicht erkennbar, zudem aufgrund seiner Beschaffenheit und Auslegung im Rahmen einer sog. „Nachtschattenserie“ des Herstellers bei Kontrollen durch Metalldetektoren nicht feststellbar. Die betroffenen Mitglieder hatten als Zweck des Mitsichführens eine Eigensicherung angegeben und waren von der schweizerischen Polizei als Mitglieder der „Hells Angels“ eingeordnet worden. Bei den Mitgliedern M. und V. wurde jeweils ein Delta-Dart bei Durchsuchungen am 06. Januar 2010 in ihren Wohnräumen - wobei sich die Wohnung des Mitglieds M. im Clubhaus des Klägers befand - festgestellt und als Zweck des Besitzes ebenfalls angegeben, die Waffe diene als Verteidigungsmittel. Beide Mitglieder beriefen sich auf ihre subjektive Überzeugung, die Waffe besitzen zu dürfen. Die sie betreffenden Ermittlungsverfahren wurden, wie auch die von der schweizerischen Polizei geführten Verfahren, durch das Strafgericht bzw. die Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Einstellung durch den Untersuchungsrichter des Kantons Schaffhausen in Bezugsfall 4 der Verbotsverfügung erfolgte nach schweizerischem Recht wegen geringen Unrechts der Tat, geringen Verschuldens und unbedeutender Tatfolgen; die Einstellung des Verfahrens gegen C V. durch die Staatsanwaltschaft Flensburg im Juli 2010 (Bezugstat Nr. 8 in der Verbotsverfügung) erfolgte ausdrücklich unter Hinweis auf die nicht abschließend geklärte Rechtslage. Im Verfahren gegen M. erfolgte die Verfahrenseinstellung durch das Amtsgericht Flensburg gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld und mangelndem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung im November 2010, nachdem im Verfahren sowohl ein Behördengutachten des Landeskriminalamtes vom 21. Dezember 2009 mit dem Ergebnis, es handele sich bei dem Delta-Dart mit Scheide um eine verbotene Waffe im Sinne von § 2 Abs. 3 Waffengesetz in Verbindung mit deren Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.1, als auch ein gegenteiliges Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008, wonach es sich bei dem gegenständlichen Delta-Dart nicht um einen verbotenen Gegenstand handele, vorgelegt worden waren. Bis zur nach dem Verbotszeitpunkt liegenden Verfügung des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 bestanden nach bundesdeutscher Rechtslage jedenfalls Zweifel an einer Strafrechtswidrigkeit des Besitzes dieser Hieb- und Stichwaffe. Das Bundeskriminalamt war gemäß §§ 2 Abs. 5, 48 Abs. 3 Waffengesetz nur dann für die Entscheidung über eine Einstufung des Delta-Darts als verbotene Waffe zuständig, wenn Zweifel darüber bestanden, ob dieser Gegenstand vom Waffengesetz erfasst werde oder wie er einzustufen sei. Feststellungsbescheiden des Bundeskriminalamtes nach § 2 Abs. 5 Waffengesetz kommt kein Rechtsnormcharakter zu, vielmehr stellen sie Allgemeinverfügungen im Sinne von § 35 Satz 2 VwVfG des Bundes dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2009 - 6 C 21/08 -, NVwZ-RR 2009, 838; Gade/Stoppa, Kommentar zum Waffengesetz, 2011, § 2 Rn. 10). Selbst wenn danach die objektive Strafrechtswidrigkeit des Besitzes von Delta-Darts durch die oben genannten Mitglieder des Klägers vor Erlass des Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes und vor Erlass der Verbotsverfügung nicht ausgeschlossen ist, mindert die in dem vorherigen Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008 enthaltene waffenrechtliche Bewertung das vereinsrechtlich anzusetzende Gewicht einer solchen möglichen objektiv-rechtlichen Übertretung des Strafrechts in erheblichem Maße.

114

Insgesamt weisen die waffenrechtlichen Verstöße von teilweise in Führungspositionen befindlichen Mitgliedern des klägerischen Vereins eine für die Vereinstätigkeit und seine Zielsetzung prägende Tendenz auf, da sie nach Überzeugung des Senats jedenfalls auch der Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Rockergruppen gedient haben, in dichter zeitlicher Abfolge und trotz vorhergehender strafrechtlicher Ermittlungen wegen bzw. Ahndung von anderen Waffendelikten erfolgten und ein anderweitiger Zweck als derjenige der Verwendung im Zusammenhang mit Vereinstätigkeiten nicht erkennbar war. Auch S. hatte nach eigenen Angaben zwei Jahre lang nicht mehr den Sportschützenverein besucht, für den er die bei ihm festgestellte Munition erheblichen Ausmaßes bei sich gelagert haben wollte. Ein vereinsrechtlich prägendes Zusammenwirken zeigt sich nicht zuletzt im Rahmen des noch nicht abschließend strafrechtlich aufgeklärten Flensburger Waffenfundes, dessen Dimension zugleich ein ganz erhebliches Gefahrenpotential des klägerischen Vereins verdeutlicht.

115

bb) Von einem Vereinsbezug ist auch bei der mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 abgeurteilten und unter Nr. 2 der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftat einer versuchten räuberischen Erpressung seitens des A. durch Forderung eines Schutzgeldes gegenüber einem neu eröffneten Tätowierladen in Flensburg auszugehen, auch wenn das Strafurteil sich hierzu nicht verhält. Der Täter A. ist von dem geschädigten Inhaber des Tätowierladens ausweislich der Strafanzeige vom 15. April 2006 unmittelbar den „Hells Angels“ zugeordnet worden und es ergaben sich auch aus den Angaben des geschädigten Geschäftsinhabers durchaus Bezüge zu dem klägerischen Verein. Dieser hatte angegeben, bereits vor seiner Geschäftseröffnung mit den „Hells Angels“ in Flensburg Kontakt aufgenommen zu haben und eine von diesen geforderte Bargeldsumme in Höhe von monatlich 500,-- Euro zum Zwecke einer „gütlichen Einigung“ über die konkurrierenden Geschäftsbereiche im Tätowiergewerbe nicht aufbringen zu können. Dem Geschädigten sei dann drei Wochen nach Ladeneröffnung gesagt worden, dass er kein Geschäft eröffnen dürfe. Auch in seiner Zeugenvernehmung vom 15. April 2006 wies der geschädigte Geschäftsinhaber auf die Mitgliedschaft des ihn aufsuchenden Täters in der Rockergruppe „Hells Angels“ sowie darauf hin, dass der Inhaber des konkurrierenden Tätowiergeschäftes Kontakte zu den „Hells Angels“ habe. Die Tat ist daher auf dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Betätigungsbereichs des klägerischen Vereins zu sehen; ein persönliches Motiv des Vereinspräsidenten A. bei der Verwirklichung der Straftat ist nicht ermittelt worden. Dass geschäftliche Beziehungen von „Hells Angels“-Vereinen in Schleswig-Holstein zur Tätowierszene bestehen, ist im Übrigen allgemein bekannt. Dass dieser im Fall der Tat Nr. 2 konkret durch Zeugenaussage belegte Aspekt in den strafrechtlichen Ermittlungen sowie in der Begründung des Vereinsverbotes und der diesbezüglichen Argumentation des Beklagten während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Rolle gespielt hat, entfaltet für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung keine einschränkende Wirkung.

116

cc) Demgegenüber ist ein Vereinsbezug der unter Nr. 1 der Verbotsverfügung aufgeführten, am 07. September 2008 auf einem Bürgerfest in Leck von dem Vereinsmitglied D. begangenen Körperverletzung bereits aufgrund ihrer singulären Begehungsweise und des rein persönlichen Hintergrundes eher zweifelhaft. Zwar hat der von D. niedergeschlagene Mann nach dem Polizeibericht vom Tattag noch im Rettungswagen, in dem er versorgt wurde, ausgesagt, der Angreifer habe eine Lederkutte mit der Aufschrift „Hells Angels“ getragen, was dagegen spricht, dass die Kutte unter einer weiteren Jacke verborgen gewesen sein soll - wie der Kläger vorträgt -, und einen Anhaltspunkt für einen Vereinsbezug der Tat liefern könnte. Andererseits hat die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts Niebüll am 29. Juli 2009 ergeben, dass es zu der Körperverletzung infolge eines heftigen Wortwechsels zwischen dem Geschädigten und der polnischen damaligen Freundin des D., die er nach eigener Aussage vor dem Geschädigten schützen wollte, gekommen war. Weitere Mitglieder der „Hells Angels“ waren nicht zugegen, und angesichts der aus einer rein persönlichen Konfrontation erwachsenen Tat des Mitgliedes D. kann nicht schon deshalb von einer nachträglichen Hinnahme durch den Verein ausgegangen werden, weil dieser sich nicht erkennbar von der Tat distanziert hat.

117

dd) Auch bei der unter Nr. 3 der Verbotsverfügung genannten Steuerstraftat des Vereinsmitglieds J. vom 05. Juni 2009, die zu dem Erlass eines rechtskräftigen Strafbefehls vom 03. Februar 2010 durch das Amtsgericht Flensburg führte, handelt es sich um eine eher in der persönlichen Sphäre des Täters angesiedelten Tat, bei der ein Vereinsbezug aus Sicht des Senats Zweifeln unterliegt. Insbesondere geht aus dem Ermittlungsvorgang nicht hervor, ob es sich bei dem namentlich nicht benannten Fahrer des Kfz, in welchem die unverzollten Zigaretten gefunden wurden, um eine Person aus dem Verein oder dessen Umfeld gehandelt hat. Konkrete Feststellungen des Beklagten oder der Strafverfolgungsbehörden, dass der klägerische Verein aus dem Handel mit unverzollten Zigaretten einen wirtschaftlichen Gewinn zog oder diesen überhaupt als eigenen Tätigkeitsbereich förderte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

118

ee) Auch die unter Nr. 9 der Vereinsverbotsverfügung aufgeführte, mit einem Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 28. Oktober 2011 rechtskräftig mit einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro bestrafte Steuerverkürzung durch das Vereinsmitglied Y. im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 ist als eher individuell geprägte Straftat dem Verein nicht zweifelsfrei zuzurechnen. Die Tat bezog sich auf eine im Jahr 2005 aufgegebene, vom Mitglied des Klägers Y. sowie einer weiteren Person, die nicht Vereinsmitglied war, als Gesellschafter betriebene Motorrad-Werkstatt, in der Motorräder teilweise aus gestohlenen Teilen zusammengebaut und verkauft wurden. Die Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen wiesen die Erlöse aus der Herstellung und Veräußerung der Neuaufbauten nicht vollständig aus, vielmehr wurde eine gesonderte „zweite Kasse“ geführt, wodurch auch die Herkunft der verwendeten Fahrzeugteile verschleiert werden sollte, soweit sie durch Straftaten erlangt worden waren. Dass weitere Vereinsmitglieder in die Beschaffung von Teilen oder in die durch den Strafbefehl sanktionierte Praxis der Buchführung und Angaben gegenüber dem Finanzamt verwickelt gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Zudem lagen der Betriebszeitraum der Werkstatt sowie die steuerlichen Veranlagungszeiträume mehrere Jahre vor dem Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung, sodass es wegen der gefahrenabwehrenden Intention des Verbotstatbestandes wohl eines weiteren inhaltlichen Bindegliedes zur Prägung von Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereines im Verbotszeitpunkt bedurft hätte.

119

d) Soweit die Kläger zuletzt vorgetragen haben, dass die Mitglieder A., J., V. und AH. im Januar bzw. September 2010 bzw. (V.) im Februar 2011 aus dem klägerischen Verein ausgeschieden seien, steht dies einer Zurechnung der den Verbotsgrund bereits für sich tragende Straftat Nr. 5 vom September 2009 nicht entgegen. Diese ist vor dem zuletzt vom Kläger vorgetragenen Datum des Ausscheidens von A. begangen worden; eine zeitnahe Distanzierung des Vereins war nicht erfolgt (s.o.). Was etwaige Vereinsaustritte oder -ausschlüsse nach April 2010 betrifft, so kann eine vereinsrechtliche Zuordnung strafgesetzwidriger Verhaltensweisen durch Ausscheiden aus dem Verein nach dem Zeitpunkt des Erlasses der Vereinsverbotsverfügung nicht mehr unterbrochen werden, weil sich in ihr keine Abkehr von einer zuvor geübten Unterstützung oder Verwirklichung strafgesetzwidriger Zwecke oder Tätigkeiten dokumentiert. Nach Verbot und Auflösung eines Vereins besteht dieser lediglich beschränkt auf den Zweck der Rechtsverteidigung gegenüber dem Verbot fort. Für eine weitere Tätigkeit und somit auch für deren Befürwortung oder Ablehnung seitens der Mitglieder ist daher kein Raum mehr (s.o.). Hierin liegt nicht etwa eine unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit bedenkliche Beschneidung von Dispositionsbefugnissen des klägerischen Vereins, sondern eine an der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Rechtsfolge der Auflösung eines verbotenen Vereins orientierte, der Gefahrenabwehr dienende Rechtsfolge. Im Übrigen fehlt es an glaubhaften Darlegungen, dass die Vereinsaustritte bzw. -ausschlüsse tatsächlich bereits zu den vorgetragenen Zeitpunkten erfolgt sind. Ein gewichtiges Gegenindiz liegt darin, dass die Vereinsmitglieder A. und J. noch am 05. Mai 2010 gemeinsam mit allen anderen Vereinsmitgliedern eine schriftliche Vollmacht zur Klageerhebung im vorliegenden Verfahren ausgestellt haben und in der Klagebegründung als Mitglieder bezeichnet worden sind, das Vereinsmitglied J. darüber hinaus auch den derzeitigen klägerischen Anwalt mit schriftlicher Vollmacht vom 26. März 2012 mandatiert hat.

120

3. Dagegen erweist sich die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung, dass sich der klägerische Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, als nicht hinreichend tragfähig und damit rechtswidrig. Sie ist demzufolge aufzuheben.

121

a) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sonder eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt (BVerwG, std. Rspr., vgl. Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 13 f.; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, NVwZ-RR 2009, 803; Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwG 134, 275 f., Juris Rn. 44 f; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986). Auch das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland gehört zu der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, welche eine der Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002, a.a.O., Juris Rn. 37). Ein durch eine eigene Ordnung mit Maßnahmen der Gewaltausübung zu deren Sicherung verbundener Herrschaftsanspruch, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entgegengesetzt wird, kann eine kämpferisch-aggressive Weise der Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen, wenn etwa systematisch die Legitimität der verfassungsmäßigen Ordnung bestritten wird und Anhänger der eigenen propagierten Ordnung geschult, indoktriniert und zu Verfassungsfeinden herangezogen werden (vgl. ebd., Rn. 42).

122

In der Verbotsverfügung wie auch ergänzend durch den Vortrag des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Erfüllung dieses Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Wesentlichen mit einer Auffassung des klägerischen Vereins begründet worden, zur Durchsetzung seiner Zielen legitimerweise Gewalt anwenden zu dürfen und das staatliche Gewaltmonopol zu durchbrechen, weiterhin mit der gegen den Menschenwürdegrundsatz verstoßenden „Abstrafung“ von Abweichlern gegenüber dem Herrschaftsanspruch des Vereins sowie, nunmehr als nachrangig bezeichnet, mit dem System einer Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder im Rahmen des sog. „Defense Fund“. Staatliche Sanktionen würden dadurch abgemildert und dem Gewaltmonopol des Staates eine Absage erteilt. Der klägerische Verein habe den Anspruch, partielle eine eigene, an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung tretende Ordnung zu entfalten und durchzusetzen.

123

Für das Vorliegen des zusätzlichen Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung trägt der Beklagte die materielle Beweislast.

124

Die aus den zum Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit als tragend bzw. ergänzend angeführten strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder des Klägers, welche ihm zuzurechnen sind, belegen zwar eine Bereitschaft, Vereinsziele erforderlichenfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Eine kämpferisch-aggressive Verfolgung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteter Ziele liegt in diesen konkret beim Kläger festgestellten Verhaltensweisen jedoch nach Auffassung des Senats noch nicht. Die für den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung unerlässliche Komponente einer aktiven Bekämpfung muss sich nämlich gerade gegen die für staatliche Strukturen grundlegende Prinzipien richten. Sie liegt nicht bereits vor, wenn eine Gewaltbereitschaft gegenüber anderen privaten Personen oder Gruppierungen festgestellt wird. Andernfalls wären weite Teile der organisierten Gewaltkriminalität deckungsgleich mit Bestrebungen, die sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solch weites Verständnis des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist aus Sicht des Senates weder gerechtfertigt noch notwendig, da die in einer Gewaltanwendung liegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bereits durch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit abgedeckt wird. Vielmehr bestehen für die Feststellung des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG hohe Hürden, die über die reine Strafrechtswidrigkeit eines Vereins hinausgehen. Zu einem im Sinne der angegriffenen Verbotsverfügung weit greifenden Verständnis dieses Verbotsgrundes veranlasst auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot des sog. „Kalifatstaates“, im Rahmen derer fachgerichtlich eine kämpferisch-aggressive Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele bejaht worden und dieses vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben war (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 02.10.2003 - 1 BvR 536/03 -, BVerfGK 2, 22, Juris Rn. 22 f.). Der in diesem Einzelfall festgestellte Anspruch des verbotenen Vereins, legitimerweise Gewalt anstelle einer staatlichen Ordnung ausüben zu dürfen, wurde höchstrichterlich auf dem Hintergrund eines betonten Selbstverständnisses des Vereins „Kalifatstaat“ gewürdigt, einen Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) unter gänzlicher Verdrängung der staatlichen Herrschaftsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland und anderen betroffenen Staaten existiert, zu errichten. Ein ähnlich weit reichender Anspruch, der mit der verfassungsmäßigen Ordnung notwendigerweise kollidiert, ist für den Kläger im vorliegenden Verfahren weder aus der Verbotsverfügung und dem sie verteidigenden Beklagtenvortrag noch aus den sonstigen beigezogenen Vorgängen ersichtlich. Der Kläger und seine Mitglieder haben vielmehr beansprucht, Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Vereinigungen oder Einzelpersonen auch mit Gewalt zu führen, während sie in Bezug auf die staatliche Gewalt im Wesentlichen eine Verweigerungshaltung in Bezug auf Aussagen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entfaltet haben. Selbst aus der in einzelnen Strafverfahren festgestellten oder vermuteten Beeinflussung bzw. Einschüchterung von Zeugen lässt sich ein Herrschaftsanspruch, der die rechtsstaatliche Ordnung in maßgeblicher Weise ersetzen und damit die Verfassung aktiv-kämpferisch beseitigen wollte, noch nicht ableiten.

125

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Beteiligung oder Nutzung eines sog. „Defense Fund“ der „Hells Angels“ durch den klägerischen Verein. Der Vortrag des Beklagten hierzu ist vage und unkonkret geblieben und beruht auf allgemeinen Kenntnissen über die weltweite „Hells Angels“-Bewegung, die auch den Beklagten jedoch bislang nicht zu einem flächendeckenden Verbot der in seinem Zuständigkeitsbereich angesiedelten Charter veranlasst haben. Eine konkrete Verstrickung der Mitglieder des Klägers und des Vereins insgesamt in das allgemein vom Beklagten als existent dargelegten System der Unterstützung straffällig gewordener „Hells Angels“-Mitglieder und ihrer Angehörigen ist weder nachgewiesen, noch haben sich in den Ermittlungsvorgängen oder aus dem Verwaltungsvorgang des Beklagten Hinweise hierzu ergeben. Der Kläger hat eine Beteiligung seiner Mitglieder an einem „Defense Fund“, die Einzahlung und den Erhalt von Leistungen in bzw. aus ihm ebenso bestritten wie Berührungspunkte zu den nach Vortrag des Beklagten in Gefängnissen bestehenden Gruppierungen der „Big House Crew“.

126

Es kann im vorliegenden Vereinsverbotsverfahren dahinstehen, ob eine Unterstützung des bzw. aus dem Betrieb eines „Defense Fund“ so, wie ihn der Beklagte geschildert hat, als Beleg für ein Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung ausreichen würde, was eher zweifelhaft erscheint, oder ob es sich um eine unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Verbotsgründe noch hinzunehmende Form der Unterstützung straffälliger Vereinsmitglieder handeln würde. Auch wenn ein Nachweis der Teilnahme am System eines „Defense Fund“ bei klandestin agierenden Gruppierungen und zumeist mit Bargeld abgewickelten Zahlungsvorgängen schwer zu erbringen sein wird, kann eine Unterstützung auch vereinsrechtlich nicht ohne jeglichen ersichtlichen konkreten Bezug zu einem solchen Solidaritätssystem unterstellt werden.

127

b) Der mangelnde Nachweis hinreichender Tatsachen, die für die Verwirklichung des Verbotsgrundes nach Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG sprechen, führt zur insoweit bestehenden Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung und damit zur Teilaufhebung des Bescheides im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage. Zwar wird das Vereinsverbot in hinreichender Weise durch die Verwirklichung des in dieser Vorschrift erstgenannten Verbotsgrundes der Strafrechtswidrigkeit getragen. Der Beklagte hat die Feststellung der Verwirklichung des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung jedoch eigenständig der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers in Ziffer 1 der Verbotsverfügung zur Seite gestellt. Die ausdrückliche Feststellung des im konkreten Fall nach Auffassung der Verbotsbehörde einschlägigen Verbotsgrundes gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG im verfügenden Teil des Verbots verlangt auch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Wirksamkeitsvoraussetzung für ein auf einen oder mehrere dieser Gründe zu stützendes Verbot dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978 - I A 3.76 -, BVerwGE 55, 175, Juris Rn. 37 f.; Urt. v. 28.02.1978 - I A 9.72 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 2, Juris Rn. 49; Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, Baden-Baden 1999, S. 110). Die Feststellung des Verbotsgrundes ist als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der Vereinigungsfreiheit für das Verbot konstitutiv (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, Juris Rn. 25). Das Erfordernis der besonderen Feststellung des Verbotsgrundes oder der Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG beruht darauf, dass die rechtlichen Folgen einer Tätigkeit im Rahmen einer verbotenen Vereinigung je nach dem durch die zuständige Behörde festgestellten Verbotsgrund verschieden sind. Die gegenüber der allgemeinen Strafnorm des § 20 VereinsG bestehenden Strafverschärfungen der §§ 85, 86 und 86 a StGB für die Fortführung und weitere Unterstützung bzw. Bewerbung einer verbotenen Vereinigung hängen davon ab, ob die strafbare Tätigkeit eine Vereinigung betrifft, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die an die Feststellung des Verbotsgrundes gebundenen Strafgerichte müssen aus dem verfügenden Teil der Verbotsverfügung eindeutig ersehen können, ob die Vereinigung aus einem strafrechtlich als Qualifizierungsgrund zu bewertenden Verbotsgrund verboten worden ist (vgl. auch Grundmann, a.a.O. S. 110). Jedenfalls auch diesem Zweck dient im Übrigen die auf den verfügenden Teil beschränkte Bekanntmachung des Verbots gem. §§ 3 Abs. 4, 7 Abs. 1 VereinsG bei Erlass und erneut nach Unanfechtbarkeit des Verbots durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger und dem amtlichen Mitteilungsblatt des Landes (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978, a.a.O., Juris Rn. 40). Die Feststellung des konkreten Verbotsgrundes ist besonders bedeutsam in den Fällen, in denen die Behörde mehrere Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG angenommen hat, sich aber bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung ergibt, dass nicht alle diese Gründe vorliegen. Insbesondere in diesen Fällen muss durch die abschließende Bekanntmachung des verfügenden Teils des Vereinsverbots nach § 7 Abs. 1 VereinsG mit allseitiger Verbindlichkeit festgestellt werden, aus welchem Verbotsgrund oder welchen Verbotsgründen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der Verein verboten ist (ebd.).

128

Daraus folgt, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Verbotsverfügung die Frage des Vorliegens eines Verbotsgrundes, welcher (straf-)rechtlich qualifizierende Rechtsfolgen auslösen kann, selbst dann nicht offen lassen kann, wenn es bereits festgestellt hat, dass ein anderer das Verbot mit der Folge der Auflösung des Vereins, der Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen, Forderungen und Sachen als solches vollumfänglich tragender Grund vorliegt (vgl. dagegen zum Offenbleiben der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, a.a.O., Juris Rn. 12; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, a.a.O., Juris Rn. 41 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes); Urt. v. 03.12.2004 - 6 A 10/02 -, NVwZ 2005, 1435, Juris Rn. 84; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O. Juris Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 OVG 1 A 4.09 -, NVwZ-RR 2010, 886, Juris Rn. 29; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06.52, Juris Rn. 37; dagegen das Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung bzw. den Gedanken der Völkerverständigung offen lassend: BVerwG, Beschl. v. 25.08.2009 - 6 VR 2/08 -, a.a.O. Juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.06.1997 - 1 S 1377/96 -, AuAS 1998, 19, Juris Rn. 25, 27). Ein solcher qualifizierender Verbotsgrund ist in jedem Falle das hier von dem Beklagten festgestellte Sich-Richten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

129

Die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung ist inhaltlich von den sonstigen Verfügungspunkten auch abtrennbar und somit gesondert aufhebbar (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 158 ff.). Es handelt sich hierbei um einen besonderen Verbotsgrund, der eigenständig durch in der Rechtsprechung ausgeformte Voraussetzungen ausgefüllt ist, nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem vorangestellten Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins steht und das Verbot auch im Falle einer Aufhebung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im weiteren Verlauf des Verbotsverfahrens tragen könnte.

130

4. Das durch die Strafgesetzwidrigkeit getragene Vereinsverbot erwiese sich auch als rechtmäßig, wenn die in Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG einzig vorgesehene grundrechtseinschränkende Maßnahme des Verbots und der Auflösung wegen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als „ultima ratio“ lediglich dann angewendet werden dürfte, wenn mildere Mittel wie partielle Betätigungsverbote, Warnungen oder die Anwendung von Straftatbeständen nicht in Betracht kämen bzw. ausgeschöpft wären (str., vgl. zum Meinungsstand Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 184 ff.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GGK, a.a.O., Art. 9 Rn. 46; Scholz, in : Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Januar 2012, Art. 9 Rn. 114, 134; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 60). Solche Mittel wären hier angesichts der Dichte der strafrechtlichen Verfehlungen mit Vereinsbezug und der Massivität des Geschehens am 12. September 2009 nicht ausreichend, um der Gefahr für Leib und Leben Dritter durch ein Fortbestehen der Vereinigung zu begegnen. Strafrechtliche Mittel sind von den Ermittlungsbehörden gegenüber Mitgliedern des Klägers hinreichend ausgeschöpft worden.

131

Die Bedenken gegenüber einer eigenständig vom Beklagten als Verbotsbehörde vorgenommenen Prüfung des Vorliegens der Verbotsvoraussetzungen, wie sie der Kläger zuletzt erhoben hat, teilt der Senat nicht. Vielmehr bietet § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG die Grundlage dafür, dass die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen kann, wie dies vorliegend etwa durch Einbindung der im Landeskriminalamt bestehenden, über besondere Sachkunde auf dem Gebiet der sog. Rockerkriminalität verfügenden Ermittlungsstäbe sowie durch Übermittlung von Informationen seitens der Staatsanwaltschaften geschehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die dortigen Erkenntnisse vom Beklagten unreflektiert und unbewertet übernommen worden wären, sind nicht ersichtlich. Angesichts der ausführlichen und tragfähigen, einzelfallbezogenen Begründung für den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im Verbotsbescheid bestünden Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit insoweit auch nicht wegen einer etwaigen länderübergreifenden Strategie der Innenminister zum Umgang mit sog. Rockergruppen. Das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichte Strategiepapier einer Bund-Länger-Projektgruppe „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität - Rahmenkonzeption“ datiert im Übrigen vom Oktober 2010, also nach Erlass der hier streitgegenständlichen Verbotsverfügung; es verweist in seinem Kapitel über Vereinsverbote ausdrücklich auf die im Einzelfall vorzunehmenden Prüfungen

132

Schließlich bestehen auch gegen die mit der Durchführung des Verbotsverfahrens verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Beklagten - auch soweit sie eine Übermittlung bzw. Nutzung von Daten aus Strafverfahren und von Daten betreffen, die von Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben und gespeichert worden sind - keine Bedenken, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots auswirken könnten. Zutreffend ist, dass das Vereinsgesetz selbst keine bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen für eine derartige Datenverarbeitung enthält (vgl. dazu auch Grundmann, a.a.O., S. 68). Der durch § 1 Abs. 1 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden für das öffentliche Vereinsrecht für das Verbot zuständig erklärte Beklagte kann sich als Behörde der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Abs. 2 VereinsG: „...zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit ...“) jedoch auf die Rechtsgrundlagen der §§ 177 ff. LVwG, insbesondere die Erhebungsgrundlagen der §§ 177, Abs. 1, 178 Abs. 1 Satz 2, 179 Abs. 1 Nr. 1 LVwG und die Speicherungs- und Nutzungsgrundlage des § 188 Abs. 1 LVwG, stützen. Soweit die Daten aus Strafverfahren durch gemäß § 4 Abs. 1 VereinsG zulässigerweise im Rahmen der vereinsrechtlichen Ermittlungen mit in Anspruch genommene Polizeibehörden ausgewertet und an den Beklagten als Vereinsverbotsbehörde weitergeleitet worden sind, liegen die Voraussetzung einer Datenübermittlung und -verwendung aus dem auf das LVwG als Polizeigesetz verweisenden § 481 StPO vor, wobei der Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Organisation der Polizei in Schleswig-Holstein (POG) v. 12. November 2004 (GVOBl. Schl.-H. S. 408) eine Behörde der Polizei und Landespolizei- sowie Landeskriminalamt gemäß §§ 2, 3 POG zugeordnete Ämter beim Beklagten sind. Bedenken im Hinblick auf die bereichsspezifische, präzise und normenklare Festlegung der Voraussetzungen eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, Juris Rn. 93 ff.) der Mitglieder des Klägers (unabhängig davon, ob sie im Verfahren des klägerischen Vereins überhaupt zu überprüfen sind) bestehen im Ergebnis nicht. Es handelt sich um einen auf Grundlage der genannten Normen auch für die Betroffenen überschaubaren Datenverarbeitungsvorgang, dessen Anlass, Gegenstand, Zwecksetzung und Kreis der berechtigten Behörden jedenfalls hinsichtlich der Verwendung von Daten aus Strafverfahren und aus präventiv-polizeilichen Datensammlungen hinreichend präzise festgelegt ist. Im Übrigen wäre, selbst wenn nach verfassungsrechtlichen Maßstäben eine präzisere gesetzliche Festlegung der Datenverarbeitungsbefugnisse im Zusammenhang mit dem Erlass von Vereinsverboten erforderlich wäre, vorliegend kein Verwertungsverbot der vom Beklagten im Einklang mit dem Gesetzeszweck des Vereinsgesetzes erlangten personenbezogenen Informationen aus Strafverfahren und Datensammlungen zur Gefahrenabwehr anzunehmen. Ein ausnahmsloses Beweisverwertungsverbot im Falle einer unzulässigen Datenverarbeitung lässt sich der Rechtsordnung weder allgemein noch im Bezug auf besonders tief in die Rechte Betroffener eingreifende Bereiche staatlichen Handelns entnehmen. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt für den Bereich des Strafprozesses festgestellt, dass von Verfassungs wegen kein allgemeines Verwertungsgebot rechtsfehlerhaft gewonnener Beweise besteht, vielmehr ein Beweisverwertungsgebot angesichts des ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten Belanges funktionstüchtiger Strafrechtspflege eine begründungsbedürftige Ausnahme darstellt, für die eine gesetzliche Grundlage gegeben oder ein übergeordneter wichtiger Grund anzuerkennen sein muss. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus Grundrechten ist nur in Fällen des Eingriffs in den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung anerkannt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.11.2010 - 2 BvR 2101/09 -, EuGRZ 2010, 780, Juris Rn. 43 ff.; Beschl. v. 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08 -, NJW 2010, 287, Juris Rn. 7 m.w.N.). Auf den vorliegenden Regelungszusammenhang übertragen ist zu berücksichtigen, dass § 3 Vereinsgesetz eine bereits verfassungsrechtlich vorgesehene Schranke der Vereinigungsfreiheit lediglich konkretisiert. Eine Nichtverwertung von zu Zwecken der Strafverfolgung und damit inhaltlich mit dem Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins gleichgerichteten Zwecken sowie zu Zwecken der Gefahrenabwehr gewonnenen Daten stünde mithin der Umsetzung eines bereits aus Verfassungsrecht abzuleitenden Vereinsverbots im Wege und wäre daher ähnlich wie im Strafprozessrecht ebenfalls aus übergeordneten Gesichtspunkten begründungsbedürftig, welche hier nicht ersichtlich sind.

133

5. Nachdem die in Ziffer 1 der Verbotsverfügung enthaltene Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, sich als rechtmäßig erweist, sind auch die weiteren Regelungen in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffern 2 bis 5 rechtmäßig und die Klage insoweit unbegründet. Die in Ziffer 2 verfügte Auflösung des Vereines stützt sich auf die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Untersagung jeder Vereinstätigkeit folgt unmittelbar aus dem Verbot und der Auflösung des Vereins. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Bildung von Ersatzorganisationen in Ziffer 3 des Bescheides sowie der Verbreitung und öffentlichen oder in einer Versammlung durchgeführten Verwendung seiner Kennzeichen sind die §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VereinsG. Die in Ziffer 4 der Verbotsverfügung angeordnete Vermögensbeschlagnahme und -einziehung stützt sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG, wobei ein Ausnahmefall zur gesetzlich vorgesehenen Regel nicht vorliegt. Die in Ziffer 5 der Verfügung angeordnete Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch ihre Überlassung an den Verein dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeit vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung diese Zwecke und Tätigkeit bestimmt sind, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Soweit die hinsichtlich der Ziffern 2 bis 5 bestehenden Rechtsgrundlagen als tatbestandliche Voraussetzung auf „verfassungswidrige Bestrebungen“ des Vereins verweisen, sind damit - anders als es die Ähnlichkeit dieses Tatbestandsmerkmales zum Wortlaut des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nahelegen könnte - sämtliche in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten Verbotsgründe abgedeckt. Dies folgt zum einen aus dem besonderen Hinweis auf Art. 9 Abs. 2 GG, der in § 8 Abs. 1 VereinsG enthalten ist und damit (allerdings in sprachlich wenig stringenter Form) auf eine tatbestandliche Öffnung über die verfassungsmäßige Ordnung im engeren Sinne hinaus auch für die beiden in Art. 9 Abs. 2 GG bereits genannten weiteren Verbotsgründe verweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.09.1995 - 1 VR 2.95 -, NVwZ 1997, 68 f. Juris Rn. 18). Zum anderen findet sich ein maßgeblicher Hinweis auf eine erweiternde Auslegung der Rechtsgrundlagen für die genannten Folgerungen eines Vereinsverbotes in der Entwurfsbegründung zum Vereinsgesetz, wo es heißt: „ Unter „verfassungswidrigen“ Bestrebungen im Sinne des § 8 Abs. 1 sind, wie aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen zu verstehen.“ (BT-Dr. IV/430, S. 18). Im Übrigen ließe sich auch kein inhaltlich tragfähiger Gesichtspunkt für eine Differenzierung zwischen den drei Verbotsgründen im Hinblick auf die Möglichkeit der Einziehung von Sachen Dritter, des Verbots der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Einziehung von Forderungen Dritter (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), wo der Begriff der verfassungswidrigen Bestrebungen ebenfalls verwendet wird, denken. So ist es Sinn des Verbotes der Bildung von Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG, die Schaffung eines funktionellen Ersatzes für die von der Verfassung als gefährlich und daher verboten erkannten Bestrebungen zu unterbinden (vgl. nur Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, a.a.O. S. 157 f.). Außerdem hat der Gesetzgeber in den entsprechenden Regelungen, die verfassungswidrige Bestrebungen nennen, gerade nicht ausdrücklich den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgegriffen, sondern hat ersichtlich versucht, einen übergreifenden Begriff für verbotsbegründende „Zwecke“, „Tätigkeit“ und „Sich-Richten“ zu finden. Im Ergebnis besteht daher auch in der Literatur (vgl. Grundmann, a.a.O.; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O. S. 196 Rn. 791; zur Gleichsetzung des Verbotsgründe in Art. 8 Abs. 2 GG vergleich auch Planker,Das Vereinsverbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG/§ 3 ff. Vereinsgesetz, Bonn 1994, S. 118) und in der Rechtsprechung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2012 - 1 S 2823/11 -, Juris Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89.83 -, BVerwGE 80, 299 f. Juris Rn. 82) Einigkeit, dass die Rechtsgrundlagen der §§ 3 Satz 2, 8 bis 12 Vereinsgesetz auf sämtliche verboten Vereine angewandt werden können, ganz gleich, welcher der drei Verbotsgründe vorliegt.

134

Die Klage war daher im tenorierten Umfang abzuweisen.

135

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat hat das Unterliegen des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung des Sich- Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung mit 1/4 der anfallenden Kosten bemessen, da die weiteren Rechtsfolgen des Vereinsverbotes selbstständig durch den tragfähigen Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des klägerischen Vereins begründet werden.

136

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

137

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 132 Abs. 2 VwGO hierfür nicht vorliegen.


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Die Einziehung (§ 3 Abs. 1 Satz 2) wird im Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 1 zugunsten des Landes, im Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 2 zugunsten des Bundes angeordnet. Die Einziehung erfaßt auch die Gegenstände, auf die sich nach § 10 Abs. 1 Satz 3 die Beschlagnahme erstreckt, mit Ausnahme der vom Verein einem Dritten zur Sicherung übertragenen Gegenstände.

(2) Mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verbots und der Einziehungsanordnung erwirbt der Einziehungsbegünstigte das Vereinsvermögen und die nach Absatz 1 Satz 2 eingezogenen Gegenstände als besondere Vermögensmasse. Gegenstände, die einer Teilorganisation in der Rechtsform eines Vereins, einer Gesellschaft oder einer Stiftung gehört haben, bilden eine eigene Vermögensmasse. Der Verein und die von der Einziehung betroffenen Teilorganisationen erlöschen. Ihre Rechtsverhältnisse sind im Einziehungsverfahren abzuwickeln.

(3) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat als Verbotsbehörde kann mit der Durchführung der Einziehung und mit der Abwicklung (§ 13) das Bundesverwaltungsamt oder eine andere Bundesbehörde beauftragen (Einziehungsbehörde). § 10 Abs. 3 gilt entsprechend. Die Beauftragung ist im Bundesanzeiger und in dem in § 3 Abs. 4 Satz 2 genannten Mitteilungsblatt zu veröffentlichen.

(4) Die Verbotsbehörde kann von der Einziehung absehen, wenn keine Gefahr besteht, daß Vermögenswerte des Vereins von neuem zur Förderung von Handlungen oder Bestrebungen der in Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes genannten Art verwendet werden oder daß die Vermögensauseinandersetzung dazu mißbraucht wird, den organisatorischen Zusammenhalt des Vereins aufrechtzuerhalten, ferner, soweit es sich um Gegenstände von unerheblichem Wert handelt. Die Verbotsbehörde kann die Liquidatoren bestellen. § 12 Abs. 1 Satz 1 gilt sinngemäß für den Anspruch auf den Liquidationserlös.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein im Jahr 1990 unter dem Namen Die Heimattreue Jugend (DHJ) - Bund für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V. gegründeter eingetragener Verein mit Sitz in Plön. Er hat ca. vierhundert Mitglieder. Seinen jetzigen Namen Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt, Heimat e.V. führt er seit dem Jahr 2001. Nach § 3 seiner Vereinssatzung sieht er seinen Zweck in der Förderung der geistigen, charakterlichen und körperlichen Entwicklung der männlichen und weiblichen Jugend, des Jugendsports und der Jugendbildung. Er will danach die Jugend zu dem Nächsten hilfreichen, der Heimat und dem Vaterland treuen und dem Gedanken der Völkerverständigung aufgeschlossenen Staatsbürgern heranbilden und gibt ein Bekenntnis zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ab. Der Kläger führt Jugendlager, Jugendfahrten sowie Sport- und sog. Bildungsveranstaltungen durch. Er gibt unter anderem die Vereinszeitschrift "Funkenflug" heraus, die vierteljährlich mit einer Auflage von ca. 600 Exemplaren erscheint. Nach § 14 der Vereinssatzung ist der Kläger in sog. Leitstellen untergliedert, diese gliedern sich in sog. Einheiten.

2

Das Bundesministerium des Innern stellte ohne vorherige Anhörung des Klägers durch Verfügung vom 9. März 2009 fest, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe. Er wurde verboten und aufgelöst. Ferner wurde verboten, Ersatzorganisationen für den Kläger zu bilden, bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen und Kennzeichen des Klägers zu verwenden. Das Vermögen des Klägers sowie näher typisierte Sachen und Forderungen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen. Mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen wurde die Verfügung für sofort vollziehbar erklärt.

3

Zur Begründung des Vereinsverbotes führte das Bundesministerium des Innern aus: Der Kläger richte sich im Sinne des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Seine in der Satzung formulierten Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seien nur Fassade. Er habe eine dem Nationalsozialismus wesensverwandte Ideologie. Seine eigentliche Zielsetzung sei die Heranbildung einer neonazistischen Elite. Hierzu nehme er Einfluss auf Kinder und Jugendliche durch Verbreitung völkischer, rassistischer, nationalistischer und nationalsozialistischer Ansichten im Rahmen vorgeblich unpolitischer Freizeitangebote. Der Kläger lehne das politische System des Grundgesetzes und die von ihm garantierte freiheitliche demokratische Grundordnung ab, bekenne sich zum historischen Nationalsozialismus und propagiere Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Zudem liefen die Zwecke und Tätigkeiten des Klägers den Strafgesetzen zuwider, so dass auch der Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG eingreife. Funktionäre und Mitglieder des Klägers erfüllten den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis d StGB, verwendeten in einer nach §§ 86, 86a StGB strafbaren Weise Propagandamittel und Kennzeichen aus der Zeit des Nationalsozialismus und verstießen durch öffentliches Auftreten in ihrer sog. Kluft gegen das nach § 28 VersammlG strafbewehrte Uniformverbot aus § 3 Abs. 1 VersammlG. Sämtliche Straftaten seien dem Kläger zuzurechnen und prägten seinen Charakter.

4

Gegen die am 31. März 2009 zugestellte Verbotsverfügung hat der Kläger am 28. April 2009 Anfechtungsklage erhoben. Am 30. April 2009 hat er um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 11. August 2009 - BVerwG 6 VR 2.09 - (Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 51) abgelehnt.

5

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor, die Verbotsverfügung sei bereits aus formell-rechtlichen Gründen rechtswidrig, weil die Beklagte sie nicht ohne vorherige Anhörung habe erlassen dürfen. Materiell-rechtlich seien die von der Beklagten angenommenen Verbotsgründe der Verfassungs- und der Strafgesetzwidrigkeit nicht erfüllt.

6

Der Kläger beantragt,

die Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 9. März 2009 aufzuheben.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie verteidigt die angefochtene Verfügung mit ergänzenden Ausführungen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage ist unbegründet. Das von dem Bundesministerium des Innern unter dem 9. März 2009 verfügte Vereinsverbot (1.) sowie seine gegen den Kläger gerichteten Nebenentscheidungen (2.) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

10

1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Verbotsverfügung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz - VereinsG) vom 5. August 1964 (BGBl I S. 593), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3198), i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG. Danach darf ein Verein erst dann als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die Verbotsverfügung ist formell (a)) und materiell (b)) rechtmäßig ergangen.

11

a) Die Verfügung leidet nicht an formell-rechtlichen Mängeln. Insbesondere konnte das gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG zuständige Bundesministerium des Innern vor ihrem Erlass von einer Anhörung des Klägers absehen. Zwar ist nach § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Jedoch kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vereinsrecht (Urteil vom 13. April 1999 - BVerwG 1 A 3.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30 S. 3, Beschluss vom 10. Januar 2003 - BVerwG 6 VR 13.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 38 S. 61, Urteile vom 3. Dezember 2004 - BVerwG 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 78 und vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50 Rn. 13) genügt es, dass die Verbotsbehörde unter diesen Gesichtspunkten auf Grund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Das Bundesministerium des Innern hat nach der Begründung der angefochtenen Verfügung von einer Anhörung des Klägers deshalb abgesehen, weil es die mit einer solchen Maßnahme verbundene Unterrichtung des Klägers über den bevorstehenden Eingriff vermeiden und ihm so keine Gelegenheit bieten wollte, seine Infrastruktur, sein Vermögen und verbotsrelevante Unterlagen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Dieses Bestreben, der Verbotsverfügung eine möglichst große Wirksamkeit zu verleihen, ging nicht ins Leere, obwohl bereits vor Erlass der Verfügung in der Öffentlichkeit und im Deutschen Bundestag (vgl. BTDrucks 16/6040, 16/6101, 16/8601, 16/10442 und 16/11581) ein Verbot des Klägers gefordert worden war und Durchsuchungen und Beschlagnahmen nach § 4 Abs. 4 VereinsG stattgefunden hatten. Die Beklagte verweist entgegen der Ansicht des Klägers zu Recht darauf, dass diesen im zeitlich nicht genau zu bestimmenden Vorlauf eines etwaigen Vereinsverbots angesiedelten Erörterungen und Handlungen nicht der gleiche Ankündigungseffekt zukommen konnte, wie ihn eine Anhörung im Rahmen des konkreten Verbotsverfahrens zwangsläufig haben musste (vgl. in diesem Sinne allgemein: Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O. S. 62, Urteil vom 5. August 2009 a.a.O. S. 278 bzw. Rn. 13).

12

b) Das Verbot erweist sich auch in der Sache als rechtmäßig. Das Bundesministerium des Innern hat es zu Recht darauf gestützt, die Zwecke und Tätigkeit des Klägers richten sich im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Ob der Kläger daneben auch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG erfüllt, kann offenbleiben.

13

aa) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (Urteil vom 13. Mai 1986 - BVerwG 1 A 12.82 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 8 S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 - BVerwG 1 ER 301.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 14 S. 36 und vom 21. April 1995 - BVerwG 1 VR 9.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 21 S. 42, Urteil vom 30. August 1995 - BVerwG 1 A 14.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 22 S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 - BVerwG 1 VR 1.95 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 24 S. 72 f., Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 - BVerwG 1 A 13.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 28 S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will; sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen (Urteile vom 2. Dezember 1980 - BVerwG 1 A 3.80 - BVerwGE 61, 218 <220> = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 6 S. 51 f. und vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 6, Beschlüsse vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42 und vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Eine zum Verbot führende Zielrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist ohne Weiteres dann zu bejahen, wenn eine Vereinigung in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweist. Dieser vom Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 - 1 BvB 1/51 - BVerfGE 2, 1 <69 f.>) anlässlich des Verbotes der Sozialistischen Reichspartei zu Art. 21 Abs. 2 GG entwickelte Grundsatz gilt in gleicher Weise für ein Vereinsverbot, weil jedenfalls eine die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erstrebende Zielrichtung im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet ist. Wenn eine Vereinigung sich zur ehemaligen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und zu deren maßgeblichen Funktionsträgern bekennt und die demokratische Staatsform verächtlich macht, eine mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unvereinbare Rassenlehre propagiert und eine entsprechende Überwindung der verfassungsmäßigen Ordnung anstrebt, richtet sie sich gegen die elementaren Verfassungsgrundsätze und erfüllt damit den Verbotstatbestand (Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 a.a.O. S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44).

14

Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen (Urteil vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 f. und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 58, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45). Wird eine Publikation, die keinen offenen Markt der Meinungen darstellt (vgl. dazu: BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <83 f.>), im Auftrag einer Vereinsleitung herausgegeben, sind die dort erschienenen Beiträge in aller Regel der jeweiligen Vereinigung zuzuschreiben. Etwas anderes kommt in einer solchen Konstellation nur dann in Betracht, wenn es sich - wie beispielsweise bei Leserbriefen - um ersichtlich individuelle Meinungsäußerungen handelt und die Vereinigung derartige Äußerungen missbilligt oder sich jedenfalls von ihnen distanziert (Beschluss vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 f. und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 40, 45). Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt. Der Umstand, dass diese Belege gegebenenfalls einer mehr oder weniger großen Zahl unverfänglicher Sachverhalte scheinbar untergeordnet sind, besagt allein nichts über ihre Aussagekraft (Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 5 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45; im gleichen Sinn für Art. 21 Abs. 2 GG: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 21).

15

Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Kläger um einen verfassungswidrigen Verein, weil er nach seiner Programmatik, seiner Vorstellungswelt und seinem Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, insbesondere mit der früheren Hitlerjugend als einer Teilorganisation der ehemaligen NSDAP aufweist und das Bundesministerium des Innern deshalb die in der Satzung des Klägers enthaltenen Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit, zum Gedanken der Völkerverständigung und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu Recht als bloße Fassade bewertet hat.

16

Dies ergibt sich aus strafrichterlichen Feststellungen über Aktivitäten von Mitgliedern des Klägers, aus dem Senat vorliegenden Materialien für von dem Kläger zu verantwortende Veranstaltungen und aus schriftlichen Äußerungen, die dem Kläger zuzurechnen sind, weil sie von in ihren Funktionen herausgehobenen Mitgliedern stammen oder in Publikationen des Klägers - insbesondere in der Vereinszeitschrift "Funkenflug" (im Folgenden: FF) - veröffentlicht worden sind. Der von dem Kläger erhobene Einwand, diese Zeitschrift habe einen offenen Markt der Meinungen eröffnet, so dass ihm die dort veröffentlichten Artikel von nicht der Redaktion angehörenden Autoren nicht zugerechnet werden könnten, geht fehl. Dass die Zeitschrift mit einem für verschiedene Meinungen offenen Diskussionsforum nichts gemein hat, sondern vollständig auf die Ziele der Vereinsführung ausgerichtet ist, zeigt die Beschreibung, die der Vorsitzende des Klägers - nach § 12 der Vereinssatzung als "1. Bundesführer" bezeichnet - in einem an Vereinsmitglieder mit Leitungsfunktionen gerichteten "Führerrundbrief 2/04" (von der Beklagten vorgelegte Anlage - im Folgenden: Anl. - 4) über die Redaktionsarbeit abgegeben hat. Danach wird "je nach Ausgewogenheit" zentral entschieden, in welcher Ausgabe ein Beitrag erscheinen oder ob er anderweitig genutzt werden soll. Entsprechend hat der Vorsitzende des Klägers in der mündlichen Verhandlung bekundet, er stehe hinter jedem Satz, der im "Funkenflug" veröffentlicht worden sei.

17

bb) Der Kläger propagiert eine Vorbildfunktion des Nationalsozialismus und seiner Organisationen und offenbart dabei eine der Wiedererrichtung der nationalsozialistischen Herrschaft verhaftete Vorstellungswelt.

18

(1) Propaganda für die nationalsozialistische Herrschaft als Ganzes enthält beispielhaft der Artikel "Wo stehen wir?" (Paul, FF Nr. 2/2005, S. 14, Anl. 84). In ihm wird der Beginn dieser Diktatur, der 30. Januar 1933, mit eindeutig positiver Einschätzung als "Ausgangspunkt einer der größten Wendungen, die die Geschichte des deutschen Volkes kennt" beschrieben und das nach "Zurückgewinnung des Saarlandes, Österreichs, Sudetendeutschlands, und der Inschutzstellung Böhmen und Mährens ... neu entstandene Großdeutschland" gepriesen.

19

Der Kläger sucht die hierin liegende Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes vergeblich durch den Einwand zu relativieren, es handele sich um eine wertneutrale Feststellung. Ebenso geht es fehl, wenn er geltend macht, die Äußerung stehe, selbst wenn sie eine positive Einschätzung enthalte, nicht in der Nähe zum Nationalsozialismus, und hierzu ausführt, in der Vergangenheit habe es für jeden Staat eine positive Wendung seiner Geschicke dargestellt, wenn er sein Gebiet habe vergrößern können, im Jahr 1935 hätten über 90 Prozent und im Jahr 1938 über 99 Prozent der Stimmberechtigten für den "Anschluss" des Saarlandes bzw. Österreichs an das sog. Dritte Reich gestimmt und auch Joachim C. Fest habe geäußert, dass Hitler im Fall seines Abtritts alsbald nach Vollendung dieser Gebietsgewinne als der größte deutsche Staatsmann in die Geschichte eingegangen wäre.

20

Der Kläger bedient sich mit diesen Äußerungen eines bekannten Argumentationsmittels, das darin besteht, eine Aussage aus einem anderweitigen, nicht negativ besetzten historischen oder anerkannten wissenschaftlichen Zusammenhang zu entnehmen, diese mit einer dem Wortlaut, aber nicht dem Sinn nach übereinstimmenden positiven Aussage zum Nationalsozialismus gleichzusetzen und dann zu schlussfolgern, dass diese nicht missbilligt werden dürfe, wenn dies mit jener nicht gleichermaßen geschehe. Diese Art der Auseinandersetzung bleibt rein formal und missdeutet deshalb inhaltlich die historischen Tatsachen. Der Kläger setzt bei seinem Rechtfertigungsversuch überdies den in Rede stehenden, trotz Kenntnis des gesamten historischen Verlaufs der nationalsozialistischen Herrschaft geschriebenen Artikel in unzulässiger Weise in Beziehung zu tatsächlichen Umständen aus der Anfangszeit des Regimes und hierauf bezogenen Meinungen.

21

(2) Kennzeichnend für den Kläger ist sein Bekenntnis zur sog. Volksgemeinschaft. Sie stellt einen Kernbegriff der nationalsozialistischen Ideologie dar, der nicht nur die Ablehnung einer pluralistischen Gesellschaft und die bedingungslose Unterordnung des Einzelnen, sondern insbesondere auch die Ausgrenzung als "volksschädlich" und "volksfremd" definierter Personen zum Ausdruck bringt. Die Volksgemeinschaft, so heißt es in dem von dem Kläger herausgegebenen "Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit" (Anl. 38, S. 4), sei "die höchste Form völkischen Zusammenlebens" und habe "oberstes Ziel der Politik" zu sein. "Volksfremde" könnten in einer solchen Gemeinschaftsform "keinen Platz finden". Das Volk werde "durch einen zu hohen Anteil an Fremdvölkischen in seiner biologischen Existenz bedroht".

22

Auch im Hinblick auf diese programmatische Aussage schlägt der von dem Kläger mit Hilfe des soeben beschriebenen Argumentationsmittels unternommene Versuch einer Relativierung fehl. Wenn der Begriff der Volksgemeinschaft, wie der Kläger geltend macht, von der romantisch geprägten Jugendbewegung des Wandervogels oder von dem Sozialdemokraten Otto Wels verwandt wurde, geschah dies nicht mit dem von dem Kläger gebrauchten, insbesondere durch den unverkennbaren Bezug auf den nationalsozialistischen Rassegedanken deutlich werdenden nationalsozialistischen Inhalt des Begriffs (vgl. zur Unterscheidung auch: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 20). Um diesen Gedanken und nicht etwa, wie der Kläger glauben machen will, um eine Kritik an der in Deutschland verfolgten Einwanderungspolitik oder um eine Anlehnung an näher bezeichnete Forschungen geht es bei der von ihm befürchteten Bedrohung der "biologischen Existenz" des (deutschen) Volkes durch "Fremdvölkische( )".

23

(3) Dass der Kläger die Waffen-SS als vorbildhafte Organisation ansieht, der es auch in dem von ihm nicht akzeptierten demokratischen Rechtsstaat die Treue zu halten gilt, ergibt sich aus einer Sentenz, die in dem von dem Vorsitzenden des Klägers verfassten "Führerrundbrief 02/07" (Anl. 73) enthalten ist: "Die letzten Wochen haben gezeigt, dass sich der Staat voll auf uns eingeschossen hat. ... Wir können nicht schwülstige Reden und Feiern halten, in denen wir die Wehrmacht und Waffen SS beschwören und den toten Helden unserer Geschichte die Hand reichen, wenn wir beim leisesten Blätterhauch die 'Sinnfrage' stellen und verunsichert stillsitzen."

24

Der Vortrag des Klägers, in diesem Text werde nicht die Waffen-SS beschworen, sondern Kritik an einem solchen Tun geübt, hat ersichtlich keine tragfähige Grundlage.

25

(4) Besonders verbunden fühlt sich der Kläger der früheren Hitlerjugend, in deren Nachfolge er sich sieht. Dieser Jugendorganisation des nationalsozialistischen Staates nachzueifern, fordert Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, in dem Artikel "Jugendbewegung, woher und wohin?" (Ragnar, FF Nr. 1/2006, S. 16, Anl. 71) mit den Worten auf: "... die gesamtdeutsche Jugend (war) nun endlich wieder geeint. Fern von Standesdünkel und Einzelinteressen trat schon früh das Bewußtsein auf, daß hier das Deutschland von morgen marschierte. ... Nun war also die Brücke von der Vergangenheit zur Zukunft geschlagen und die Jugend ein zwar eigenständiger, aber doch fest eingefügter Bestandteil der Volksgemeinschaft. ... Doch aus dem neuen sittlich hochstehenden, untadeligen und uneigennützigen Menschen wurde nichts mehr. Die letzten Reste des großen Traumes gingen 1945 in den Trümmern der Reichshauptstadt unter. ... Doch auch wenn das Reich am Boden lag, schlug der Lebensbaum unseres Volkes erneut seine Triebe aus und wiederum schloß sich volkstreue Jugend zusammen ... (Sie stellt) trotz aller vermeintlichen zahlenmäßigen Schwäche das lebendige Bindeglied in die Zukunft dar. ... Wenn unsere Jugend wieder zur Bewegung werden soll, um einst das Ruder herumzureißen, dann muß sie in die Mitte des Volkes hinein."

26

Der Einwand des Klägers, dieser Artikel lobe nicht die ehemalige Hitlerjugend, sondern zolle insbesondere der bündischen Jugend Respekt, in deren Tradition er sich sehe, geht fehl. Denn es ist die Hitlerjugend, die als Überwindung der zuvor bestehenden Vielfalt und als ideale Form der Jugendorganisation im Rahmen der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft dargestellt wird.

27

In dieselbe Richtung geht ein von dem Vorsitzenden des Klägers veröffentlichter Beitrag mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/ 2005, S. 13, Anl. 21), in dem es heißt: "Wir brauchen eine Jugend, die hart ist. Wir brauchen eine Jugend, die an unser Volk glaubt und bereit ist, für diesen Glauben alles zu opfern. Wir brauchen Kameraden, die treu sind und sich einem gemeinsamen Willen unterordnen. Wir brauchen Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer."

28

Es kann den Kläger nicht entlasten, dass er sich darauf beruft, dieser Artikel stamme nicht von seinem Vorsitzenden, sondern von einem anderen Autor und sei unbeanstandet bereits in einer Ausgabe der Zeitschrift "Der Trommler" aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erschienen. Entscheidend ist, dass der Text seinem Sinn nach eine Verherrlichung der ehemaligen Hitlerjugend darstellt und dass ihn sich der Vorsitzende des Klägers durch Veröffentlichung in der Vereinszeitschrift mit Wirkung für den Kläger zu eigen gemacht hat.

29

Einen vergleichbaren Inhalt hat ein Entwurf, der auf dem Rechner des Vorsitzenden des Klägers aufgefunden wurde (Anl. 70) und folgende Sätze enthält: "Wir wollen keine brd Kinder in unseren Bund holen. ... Wir wollen die, die das Bekenntnis zu Deutschland hinter sich gebracht haben. ... Es gibt nichts dankbareres, nichts Fanatischeres als eine geführte Jugend. Nicht umsonst hat die HJ in den letzten Kriegstagen unseren Feinden das Fürchten gelehrt."

30

Die schriftsätzlich erhobene Behauptung des Klägers, sein Vorsitzender könne nicht sagen, von wem und zu welchem Zweck diese Textdatei erstellt worden sei, hat sich in der mündlichen Verhandlung als obsolet erwiesen. Denn der Vereinsvorsitzende hat ausgeführt, er allein entscheide, was er für richtig halte und auf seinem Rechner abspeichere. Allerdings haben sich sowohl der Kläger als auch sein Vorsitzender dahingehend eingelassen, der Text habe keinen Eingang in die Vereinsarbeit gefunden und könne deshalb dem Kläger nicht zugerechnet werden. Der Senat kann jedoch Texte berücksichtigen, die der Vereinsvorsitzende verfasst oder unter Billigung des Inhalts abgespeichert hat, unabhängig davon, ob dies im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Kläger stand. Denn auf die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele eines Vereins kann nach den dargestellten allgemeinen Maßstäben unter anderem von einer entsprechenden Grundeinstellung seiner Funktionsträger her geschlossen werden, so dass es insoweit eine trennscharfe Unterscheidung zwischen einer rein privaten und einer dem Verein zuzurechnenden Sphäre nicht geben kann. Dementsprechend sind Texte und Äußerungen, die von leitenden Mitgliedern eines Vereins stammen oder deren Inhalt von diesen Mitgliedern erkennbar befürwortet wird, dem Verein auch dann zuzurechnen, wenn sie als solche nicht für die Vereinstätigkeit erstellt oder in ihr verwandt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen des Vereins handeln. Danach ist eine Zurechnung insbesondere dann gerechtfertigt, wenn ein solcher Text - wie dies hier der Fall ist - inhaltlich auf einer Linie mit anderen Beiträgen liegt, die dem Verein eindeutig zugeordnet werden können.

31

cc) Der Kläger bekennt sich überdies zu maßgeblichen Repräsentanten des Nationalsozialismus und will eine positive Erinnerung an diese vermitteln. Dabei werden Anklänge an den nationalsozialistischen Helden- und Märtyrerkult deutlich.

32

In einem mit "Heldengedenken 01.08" überschriebenen Text (Anl. 26), der sich unter den elektronischen Dokumenten befindet, die bei Martin G..., dem sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, aufgefunden wurden, wird Adolf Hitler glorifiziert. Dort heißt es: "Auch der junge Hitler reifte auf diesen Schlachtfeldern (des Ersten Weltkrieges) zu dem Mann, welcher später Deutschlands Schicksal in seinen Händen halten sollte. Er, selbst als Soldat vom heldischen Epos durchdrungen, führte sein Volk zur Freiheit und stellte das heldische-soldatische Ideal als Leitbild vor die ganze Nation." Eine vergleichbare Wertschätzung bringt Holle B..., ein "Bundesführerin der Mädchen" genanntes Vorstandsmitglied des Klägers, Rudolf Heß entgegen. In einem sichergestellten handschriftlich verfassten Lebenslauf bezeichnet sie ihn als "Märtyrer des Friedens"; im Jahr 1987 habe seine "Ermordung in Spandau" stattgefunden (Anl. 27).

33

Der Kläger kann die Berücksichtigung dieser Dokumente auch hier nicht dadurch verhindern, dass er sich von ihnen distanziert und geltend macht, sie hätten, da sie unabhängig von einer Vereinstätigkeit erstellt und für diese nicht benutzt worden seien, einen rein privaten Charakter. Denn in jedem Fall kommt in ihnen die dem Nationalsozialismus verhaftete Grundeinstellung von Mitgliedern der Leitungsebene des Klägers zum Ausdruck, die ihrerseits den Nährboden für die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele des Vereins bildet.

34

dd) Der Kläger bringt seine Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus ferner dadurch zum Ausdruck, dass er nationalsozialistisch geprägte Begriffe übernimmt.

35

Den Begriff "Führer" verwendet der Kläger in jeder nur denkbaren Hinsicht. Dies gilt insbesondere für die von ihm innerhalb seines streng hierarchischen Aufbaues zu vergebenden Funktionen bzw. Dienstgrade ("Bundesführer", "Bundesführerin der Mädchen", "Zweiter Bundesführer", "Leitstellenführer", "Einheitsführer", "Unterführer") und Dienstränge ("Führer vom Dienst", "Wachführer vom Dienst", "Zeltführer/Stubenführer") sowie für seine Publikationen ("Führerrundbrief", "Führerhandbuch" ). Als Grußformel gegenüber sog. "Führern" und "Unterführern" schreibt der Kläger seinen Mitgliedern die Worte "Heil Dir!" oder "Heil Euch!" vor (Interne Arbeitsschrift, Wegweiser, Gestalt und Erscheinungsbild, Anl. 40, S. 16). Die jüngeren Veranstaltungsteilnehmer nennt er "Pimpfe" (Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit, Anl. 38, S. 93; Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin, Anl. 15, S. 5).

36

Wenn der Kläger einwendet, dass der Begriff des Führers in vielerlei Zusammenhängen, etwa für leitende Personen in einer Organisation, für themenbezogene Nachschlagewerke, für Begleitpersonen oder für Fahrer von Kraftfahrzeugen und Lokomotiven verwandt werde und auch in der bündischen Jugend sowie in Pfadfinderkreisen verbreitet sei, ist dies richtig, nimmt der hier in Rede stehenden Verwendung aber nichts von ihrem an die Führerideologie der Nationalsozialisten angelehnten Sinngehalt. Ebenso wenig vermag der Verweis auf die Bedeutung und anderweitige Verwendung des Wortes "Heil" den Zusammenhang der Grußformel "Heil Dir/Euch!" mit dem sog. Hitlergruß aufzulösen. Auch der Begriff "Pimpf" ist ersichtlich auf den Sprachgebrauch der ehemaligen Hitlerjugend bezogen.

37

ee) Der Kläger ist darüber hinaus rassistisch ausgerichtet sowie der sog. Blut-und-Boden-Ideologie und der Rassenlehre der Nationalsozialisten verhaftet, wie sie exemplarisch in der Präambel des als Teil der Nürnberger Rassegesetze verkündeten sog. Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935 (RGBl. I 1935, S. 1146) mit den Worten zusammengefasst ist: "Durchdrungen von der Erkenntnis, daß die Reinheit des deutschen Blutes die Voraussetzung für den Fortbestand des Deutschen Volkes ist, und beseelt von dem unbeugsamen Willen, die Deutsche Nation für alle Zukunft zu sichern ..."

38

(1) Durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 (Az.:(502) 81 Js 405/08 KIs (37/09)) sind der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar D..., und zwei weitere Vereinsmitglieder, Christian F... und Daniela K..., als Mittäter bzw. als Gehilfin unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Den Sachverhalt, der dem Strafausspruch zu Grunde liegt, haben die Verurteilten in dem Strafverfahren eingeräumt. Er kann deshalb von dem Senat berücksichtigt werden, obwohl das Strafurteil im Hinblick auf Ragnar D... und Daniela K... noch keine Rechtskraft erlangt hat. Danach führte Ragnar D... am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte unter Mitwirkung der beiden anderen Vereinsmitglieder eine sog. "Rasseschulung" für dreißig bis vierzig Personen - darunter zwei Minderjährige - durch. Er hielt einen Vortrag mitsamt Powerpoint-Präsentation zu dem Thema "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", in dem er sich auf rassenideologische Literatur aus der Zeit des Nationalsozialismus stützte sowie unter anderem vor der "Durchmischung" von menschlichen Rassen warnte und verschiedene Volksgruppen ins Lächerliche zog. Unmittelbar im Anschluss an seinen Vortrag stellte er seinen Laptop und seinen Beamer für die Vorführung des nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude" zur Verfügung. Die Powerpoint-Präsentation und eine Kopie des genannten Films - wenn auch nicht die für die Aufführung in Georgsmarienhütte verwandte - wurden später bei Ragnar D... beschlagnahmt.

39

Diese sog. "Rasseschulung" ist dem Kläger entgegen seiner Ansicht ungeachtet des Umstandes zuzurechnen, dass sie in einer von der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) genutzten Liegenschaft stattfand. Denn entscheidend ist, dass sie allein von Mitgliedern des Klägers - darunter eines mit einer Leitungsfunktion - organisiert und durchgeführt wurde und der Kläger selbst "Rasseschulungen" abhält.

40

(2) Über diesen festgestellten Fall hinaus wurden nämlich zur Überzeugung des Senats unter der Verantwortung des Klägers systematisch "Rasseschulungen" durchgeführt. So wurden Schulungsunterlagen über die "Biologische(n) Grundlagen unserer Weltanschauung" bei vier Mitgliedern des Klägers aufgefunden (Anl. 111 bis 114). In diesen Unterlagen wird ausgeführt: "In unserem Erbgut liegt der Schlüssel zum Fortbestehen des deutschen Volkes. Du bist Glied, nicht das Ende einer langen Kette, die sich von Deinen Urahnen bis zu Deinen Urenkeln erstreckt. Bewahre Dein Erbe und reiche es unversehrt weiter!" Ähnliches Gedankengut findet sich in dem "Volk und Sprache" überschriebenen Text (Anl. 109), der Teil eines Ordners mit Schulungsunterlagen ist, der bei Dietlind N..., der sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, beschlagnahmt wurde. Dort heißt es: "Grundpfeiler unserer Weltanschauung (sind) Volk = Blut + Lebensraum + Sprache + Kultur + Geschichte ... Wird das Blut ... durch fremdrassige Einschläge zerstört, so wird das Volk aus seinem innersten Kern heraus zugrunde gehen. Diese Zusammenhänge dürfen nicht in Vergessenheit geraten, um das Fortbestehen des deutschen Volkes zu sichern." Die ebenfalls bei Dietlind N... aufgefundene Schrift "Osterlager 2006 - Beitrag der großen Mädchen zum Bunten Abend -" (Anl. 110) enthält die Passage: "Halte dein Blut rein! ... es ist von tausend Ahnen schwer und alle Zukunft fließt darin." Der Erfolg der Vermittlung dieser Rassenideologie wird, wie bei Vereinsmitgliedern sichergestellte "Prüfungsbögen" (Anl. 76 bis 78, 124 und 125) belegen, in Form von Fragen zu "Biologie und Rassenkunde" überprüft.

41

Der Sinn der aufgeführten und der im Folgenden erwähnten Texte erschließt sich unmittelbar, so dass der Einwand des Klägers, sie ließen einen diskriminierenden Rassismus nicht erkennen, ins Leere geht. Sie knüpfen bis in die identische Wortwahl hinein nahtlos an die rassistische Ideologie der Nationalsozialisten an, wie sie in der erwähnten Präambel des sog. "Blutschutzgesetzes" formuliert ist.

42

(3) Die Blut und Boden- und Rassenideologie hat zudem in einer Reihe von Beiträgen in Publikationen des Klägers ihren Niederschlag gefunden. In einem Artikel in der Vereinszeitschrift über "Erntedank im Volksbrauch" (Eric, FF Nr. 3/2003, S. 5, Anl. 33) wird folgende Betrachtung angestellt: "Wer dankt, ordnet sich nicht unter, sondern ein in den ewigen Kreislauf der Natur. ... Dies ist der Ausdruck des ewigen Blutkreislaufes der Deutschen und eine Heimfindung zum Ich - der eigenen Art." In einem von dem Kläger herausgegebenen Kalender wird unter dem Titel "Das Kleid der Unsterblichkeit" (Anita, Unser Leben 2007, Anl. 106) ausgeführt: "Durchtränkt mit der Stärke unserer Ahnen fließt es in unseren Adern. Wurde durch seinen Verlust manch fremder Boden heimatlich gemacht, so entsprang dort eine neue Quelle des Lebens und ewigen Fortbestehens. Um die Reinheit dieses Blutes zu gewähren, muß sich jeder als ein Teil einer Artgemeinschaft fühlen und sich seiner Abstammung bewußt sein. ... (Es) wurden durch wichtige Erkenntnisse in der Menschenkunde und der Bedrohung des Fortbestehens des Deutschen Volkes Institute für Familienforschung gegründet, wie 1934 das 'Kaiser Wilhelm Institut für Genealogie und Demographie'. Zu dieser Zeit war jeder Reichsbürger verpflichtet, seine Herkunft durch eine Ahnentafel und den dazugehörigen Geburts- und Heiratsurkunden oder einen zusammengefaßten, beglaubigten Ahnenpaß vorzuweisen. ... So sollte sich jeder, der sich seiner Herkunft bewußt ist, sie in seinem gesunden Blut wahren und weitertragen." Die gleichen Inhalte werden in einem Beitrag in der Vereinszeitschrift unter der Überschrift "Du bist Deutschland" (Eric, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/ 2007, S. 17, Anl. 7) in die folgenden Worte gefasst: "Als hätte Mendel nie gelebt, will mir doch ein starkpigmentierter ortsunkundiger Fußball-'star' erzählen, ich sei mein Land, ... Volk ist ein biologischer Begriff. ... Auch ein deutscher Paß ändert an dieser Tatsache nichts, wie es auch keinen Deutschen türkischer ... Abstammung gibt. Im übertragenen Sinn ist das so zu verstehen, daß aus einem Pinscher, der sich am Napf einer Dogge satt frißt, noch lange nicht selbige wird."

43

Der Kläger verharmlost und bagatellisiert diese Äußerungen, wenn er zum Einen in bereits beschriebener Weise einen unzulässigen Vergleich konstruiert und darauf verweist, auch der SPD-Politiker Philipp Scheidemann habe im Zusammenhang mit den nach dem Ersten Weltkrieg drohenden Gebietsverlusten die Deutschen als "ein Fleisch und ein Blut" bezeichnet, und zum Anderen geltend macht, es handele sich um unverfängliche Aussagen zum Bauernstand, zur Abstammung, zur Homogenität der Bevölkerung und zur Staatsbürgerschaft. Denn durch den Gesamtzusammenhang, in dem die Aussagen stehen, wird offenbar, dass der Kläger von rassistischem Gedankengut geprägt ist.

44

ff) In engem Zusammenhang mit der rassistischen Ausrichtung des Klägers steht sein ausgeprägter Antisemitismus.

45

(1) Ein besonders aussagekräftiger Beleg ist auch hierfür der bereits genannte, dem Kläger zuzurechnende Vortrag "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", den Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte hielt. Nach den in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 enthaltenen Feststellungen flocht Ragnar D... sog. "Judenwitze" in seinen Vortrag ein und zeigte an dessen Ende eine Folie, die zu der Frage "Was bringt die Zukunft?" als Antwortalternativen das Bild einer jungen Frau mit einer Hakenkreuzbrosche und eine Abbildung des ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, präsentierte. Im unmittelbaren Anschluss an diesen Vortrag und diesem damit den Charakter einer pseudowissenschaftlichen Einführung verleihend, ermöglichte Ragnar D... die Vorführung des antisemitischen nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude". Dabei musste ihm der Inhalt dieses Films, in dem Juden als minderwertige Menschen dargestellt werden, bewusst sein, da er - wie sich bei einer späteren Durchsuchung herausstellte - selbst eine Kopie des Films besaß.

46

(2) Die sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, Dietlind N..., schreibt in ihrer Ausarbeitung "Hatte Deutschland Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges?" (Anl. 87) unter Verweis auf einen Artikel in der Zeitung "Daily Express" vom 24. März 1933, es habe eine "Kriegserklärung des Weltjudentums an Deutschland" gegeben und führt aus: "Nachdem dieser Artikel erschienen war, kam es am 01.04.1933 lediglich einen Tag lang zu Boykotten gegenüber jüdischen Geschäften in Deutschland, was in Anbetracht der ungeheuerlichen Dimension der jüdischen Kriegserklärung nur als harmlos bezeichnet werden kann. ... Erst 1938, als ein polnischer Jude einen deutschen Botschaftsangehörigen in Paris erschoß, verschlechterte sich die Stimmung gegen die Juden und gipfelte schließlich in der sog. 'Reichskristallnacht'. ... (Es gab aber) 1. nur eine Reichskristallnacht - und nicht etwa mehrere - und 2. muß man die Vorgeschichte zu dieser Nacht liefern, um die Beweggründe der Deutschen nachvollziehen zu können."

47

Diese Stellungnahme eines Vereinsmitglieds mit Leitungsfunktion trifft nach den schon näher dargelegten Zurechnungsmaßstäben den Kläger auch dann, wenn sie entsprechend seinem Vorbringen nicht als Schulungsmaterial oder in ähnlicher Weise für ihn verwandt worden ist. Sie wird zudem nicht, wie der Kläger weiter meint, durch die Mitteilung historischer Tatsachen charakterisiert, sondern durch den antisemitischen Kontext, in dessen Rahmen Tatsachen unvollständig und verfälscht präsentiert werden.

48

(3) Der Propagierung antisemitischer Thesen gibt der Kläger auch in seiner Vereinszeitschrift Raum. So finden sich in dem Artikel "Der Nahe Osten ist näher als du denkst" (Robert, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/2007, S. 14, Anl. 7) im Zusammenhang mit der Beschreibung der Ursachen des dortigen Konflikts folgende Ausführungen: "Ihrem nomadisches Wesen folgend, zogen die Juden nun in alle Welt aus, um in den anderen Völkern zu Wohlstand zu kommen. Dies taten sie sehr selten durch tüchtige Arbeit. ... Als ein Großteil der Juden feststellen mußte, daß sie in den meisten europäischen Staaten nicht erwünscht sind, begannen sie am Ende des 19. Jahrhunderts nach einem eigenen Staat zu streben." Weiter wird in einem nicht mit einem Verfassernamen versehenen "Einwurf" (FF Nr. 1/2008, S. 5, Anl. 22) Anne Frank verspottet: "Der Baum von Anne Frank, eine hohle alte Eiche, ist immer noch der Gefahr ausgesetzt, bald gefällt zu werden. Diese verhält sich also ähnlich, wie die sagenumwobenen Geschichten um das kleine Mädchen und ihrem Tagebuch."

49

In beiden Fällen verfängt es bereits im Ansatz nicht, wenn der Kläger sich auf Albernheit oder Satire beruft. Der antisemitische Gehalt der Beiträge ist objektiv unverkennbar.

50

gg) Vor dem dargestellten Hintergrund seiner Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus sowie seiner rassistischen und antisemitischen Ausrichtung lehnt der Kläger die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes ab, diffamiert sie und will sie durch ein sog. neues Reich ablösen. In diesem Bestreben orientiert er sich entgegen seinen Beteuerungen nicht an einem Reichsgedanken mit dem durch das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 48) umschriebenen, auf die nationale Einheit und die gleichberechtigte Stellung Deutschlands in der europäischen Staatengemeinschaft bezogenen Inhalt, sondern seinem Hintergrund gemäß an den Prinzipien der nationalsozialistischen Herrschaft während des sog. Dritten Reiches.

51

(1) Dies wird besonders deutlich an Texten mit einem strategisch-politischen Inhalt, die bei leitenden Mitgliedern des Klägers aufgefunden wurden. In ihnen wird die Wiederbegründung der deutschen Demokratie nach 1945 verunglimpfend als "Umerziehung" durch die Siegermächte bezeichnet und der demokratische Staat als verkommen und gegen das eigene Volk gerichtet denunziert. So führt der Vereinsvorsitzende in einer auf seinem Rechner aufgefundenen Textdatei (Anl. 130) aus: "In unserer heutigen Zeit mag man sich manchmal angewidert abwenden, wenn man die gezüchteten Krüppel sieht, die das Karren der Umerzieher schon besser vorantreiben, als die es wahrscheinlich vorhatten." Der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, Martin G..., äußert sich in einem auf seinem Computer gespeicherten Redemanuskript (Anl. 11) mit der Überschrift "Einheitsgründungsfeier" wie folgt: " ... was haben wir uns eigentlich vorzuwerfen? Etwa, daß wir deutsch fühlen, deutsch denken und auch deutsch handeln, daß wir ehrlich und aufrichtig unseren Weg gehen und wir uns dabei an den edelsten Werten unseres Volkes ausrichten? Daß wir deshalb vom derzeitigen Staat immer stärker bekämpft werden, zeigt deutlich, wo dieser steht. Er ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!" Die sog. "Bundesführerin der Mädchen", Holle B..., schreibt in einer beschlagnahmten handschriftlichen Skizze: "(Wir müssen) klarstellen, daß Ideologien wie Demokratie und Kapitalismus für unser Volk den Untergang bedeuten." Und ein Schreiben, das der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar Dam, elektronisch gespeichert hatte, enthält nach einem Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin vom 5. August 2008 (Anl. 15) sowie den Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 folgende Passage: "Ich will keine bessere BRD, ich will ein neues Reich auf den Trümmern dieses verkommenen Systems errichten. ... Als Anleihe blicke ich dabei auch gerne ein paar Jahrzehnte zurück. ... Nur so und nicht (anders) begann der Sieglauf in ein aufgehetztes Volk, welches dem Nationalsozialismus zunächst feindlich gegenüberstand."

52

Der von dem Kläger auch hier erhobene Einwand des privaten Charakters der Äußerungen steht dem Rückschluss von der in den zitierten Texten zum Ausdruck kommenden Grundeinstellung seines Leitungspersonals auf seine eigenen verfassungswidrigen Ziele wiederum nicht entgegen. Die Äußerungen gehen zudem, anders als der Kläger meint, über eine zulässige sog. Machtkritik hinaus und offenbaren eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Haltung (zu der insoweit vorzunehmenden Abgrenzung: BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2001 - BVerwG 2 WD 42.00, 43.00 - BVerwGE 114, 258 <283 ff.> = Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 3 S. 19; vgl. zum Begriff der "Umerziehung" auch: Urteil vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 30.97 - BVerwGE 110, 126 <136> = Buchholz 11 Art. 21 GG Nr. 25 S. 9).

53

(2) Derartige dem Kläger zuzurechnende Diffamierungen des demokratischen Rechtsstaates finden sich überdies nicht nur in internen Aufzeichnungen von Vereinsfunktionären, sondern auch in veröffentlichter Form in der Vereinszeitschrift. Der Vorsitzende des Klägers schreibt in einem zur Fußballweltmeisterschaft 2006 erschienenen Beitrag mit dem Titel "Neue Wegweiser in die Geschmacklosigkeit" (Sebastian, FF Nr. 3/2006, S. 5, Anl. 16): "Sicherlich wird einem lauwarm ums Herz, wenn nach über 60 Jahren Umerziehung Deutsche wieder die eigene Fahne in die Hand nehmen ... Traurig ist es, sich einzugestehen, daß selbst in unserem eigenen Lager, vom trotzigen 'schwarz-weiß-rot' auf die BRD-Fahnen umgeschaltet wurde, nur um auf den lahmenden Patriotismusgaul aufzuspringen ... Zu guter Letzt bleiben wir bei unseren Reichsfarben schwarz-weiß-rot ... Eben der Stachel im Fleisch der Spießer und Vaterlandsverräter!" Ferner heißt es in einem Artikel mit der Überschrift "Zur Gesellschaft" (Eugen, FF Nr. 3/2005 S. 7, Anl. 10): "Nach dem ersten Weltkrieg, auch damals gab es die Gesellschaft von Wucherern und Schiebern, Verrätern, Demokraten und Parteibonzen, die an der deutschen Not verdienten, und ihre entarteten und zersetzenden Ideen allen Deutschen aufzudrücken versuchten. Damals hatte der Begriff Gesellschaft allerdings einen klaren Charakter. Er benötigte nämlich, angewandt auf solche Ansammlungen übelsten Menschentums, keine weiteren negativen Adjektive. ... Diese heutige Herrschaft des Minderwertigen wird durch unsere junge sieghafte Kraft niedergerungen werden und an deren Stelle werden wir das Neue, Große, Kommende setzen: unser Volk."

54

Der Kläger verharmlost diese Aussagen in unzulässiger Weise, wenn er in ihnen lediglich eine kritische Betrachtung von Phänomenen eines allgemeinen Werteverfalls oder gesellschaftlichen Missständen erblicken will.

55

hh) Der Kläger nimmt schließlich eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung ein. Dies kommt in dem bereits zitierten Artikel des Vereinsvorsitzenden mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/2005, S. 13, Anl. 21) zum Ausdruck, in dem er die Mitglieder dazu auffordert, sich als "Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer" zu erweisen. Diese Aufforderung ergänzt der Vorsitzende des Klägers in einem ebenfalls schon erwähnten, auf seinem Rechner gespeicherten Text (Anl. 130): "Seien wir unserem Volk ehrliche und wehrhafte Männer, die das Leben achten und den Tod nicht fürchten." In einer weiteren, bereits zitierten Textdatei (Anl. 70) fügt er hinzu: "Es ist Krieg gegen Deutschland, Krieg gegen unser Volk. ... Und diesen Krieg möchte ich ganz gerne gewinnen." Eine vergleichbare Radikalität bricht sich in dem Artikel "Revolution" (Jörg, FF Nr. 4/2005, S. 8, Anl. 21) Bahn, wenn dort dargelegt wird: "Wir sind nicht angetreten, um in unserer Gemeinschaft nette Lager, Fahrten, Heimabende oder Feierstunden zu erleben, sondern um unsere Fußspuren in der Geschichte zu hinterlassen. ... Ein revolutionärer Akt, ... Scheuen wir uns also nicht vor diesem Begriff. ... Der Verfall von Ordnung, die Unregierbarkeit dieses Landes ruft den inneren Protest vieler, vieler Menschen hervor. Immer mehr wenden sich angewidert ab und lösen sich aus dem parlamentarisch-demokratischen Zwangskorsett. Sie sind bereit für revolutionäre Ideen, wir müssen sie ihnen geben. Im Vorbild und in der Tat haben wir eine Zeitenwende zu repräsentieren, um sie, gemeinsam mit unserem Volk, einzuleiten. Revolution bedeutet Geschichte schreiben: Nehmen wir die Feder in die Hand." Das gleiche gilt erst recht für die schon in anderem Zusammenhang erwähnte auf dem Computer des Martin Götze in einem Redemanuskript (Anl. 11) gespeicherte Äußerung: "Er (der derzeitige Staat) ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!"

56

Das Bestreben des Klägers, das Kämpferische und Aggressive dieser Texte in Abrede zu stellen, bleibt ohne Substanz.

57

2. Die in der Verfügung vom 9. März 2009 neben dem Vereinsverbot enthaltenen weiteren Entscheidungen zu Lasten des Klägers (Auflösung, Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen, Kennzeichenverbot, Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens) finden ihre Rechtsgrundlagen in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 und § 11 VereinsG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften knüpfen an das ausgesprochene Vereinsverbot an.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit

1.
den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereins entgegen einem vollziehbaren Verbot oder entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß er Ersatzorganisation eines verbotenen Vereins ist, aufrechterhält oder sich in einem solchen Verein als Mitglied betätigt,
2.
den organisatorischen Zusammenhalt einer Partei oder eines Vereins entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei sind (§ 33 Abs. 3 des Parteiengesetzes), aufrechterhält oder sich in einer solchen Partei oder in einem solchen Verein als Mitglied betätigt,
3.
den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereines oder einer Partei der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Art oder deren weitere Betätigung unterstützt,
4.
einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5.
Kennzeichen einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Vereine oder Parteien oder eines von einem Betätigungsverbot nach § 15 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 3 Satz 1 betroffenen Vereins während der Vollziehbarkeit des Verbots oder der Feststellung verbreitet oder öffentlich oder in einer Versammlung verwendet,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ 84, 85, 86a oder den §§ 129 bis 129b des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist. In den Fällen der Nummer 5 gilt § 9 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 oder 3 entsprechend.

(2) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach Absatz 1 absehen, wenn

1.
bei Beteiligten die Schuld gering oder deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist oder
2.
der Täter sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Partei oder des Vereins zu verhindern; erreicht er dieses Ziel oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird der Täter nicht bestraft.

(3) Kennzeichen, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Nr. 5 bezieht, können eingezogen werden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ist das Verbot unanfechtbar geworden, so ist sein verfügender Teil nochmals unter Hinweis auf die Unanfechtbarkeit im Bundesanzeiger und in dem in § 3 Abs. 4 Satz 2 genannten Mitteilungsblatt zu veröffentlichen.

(2) Ist der Verein oder eine Teilorganisation in ein öffentliches Register eingetragen, so sind auf Anzeige der Verbotsbehörde einzutragen
die Beschlagnahme des Vereinsvermögens und ihre Aufhebung,
die Bestellung und Abberufung von Verwaltern (§ 10 Abs. 3),
die Auflösung des Vereins, nachdem das Verbot unanfechtbar geworden ist, und
das Erlöschen des Vereins.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein im Jahr 1990 unter dem Namen Die Heimattreue Jugend (DHJ) - Bund für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V. gegründeter eingetragener Verein mit Sitz in Plön. Er hat ca. vierhundert Mitglieder. Seinen jetzigen Namen Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt, Heimat e.V. führt er seit dem Jahr 2001. Nach § 3 seiner Vereinssatzung sieht er seinen Zweck in der Förderung der geistigen, charakterlichen und körperlichen Entwicklung der männlichen und weiblichen Jugend, des Jugendsports und der Jugendbildung. Er will danach die Jugend zu dem Nächsten hilfreichen, der Heimat und dem Vaterland treuen und dem Gedanken der Völkerverständigung aufgeschlossenen Staatsbürgern heranbilden und gibt ein Bekenntnis zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ab. Der Kläger führt Jugendlager, Jugendfahrten sowie Sport- und sog. Bildungsveranstaltungen durch. Er gibt unter anderem die Vereinszeitschrift "Funkenflug" heraus, die vierteljährlich mit einer Auflage von ca. 600 Exemplaren erscheint. Nach § 14 der Vereinssatzung ist der Kläger in sog. Leitstellen untergliedert, diese gliedern sich in sog. Einheiten.

2

Das Bundesministerium des Innern stellte ohne vorherige Anhörung des Klägers durch Verfügung vom 9. März 2009 fest, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe. Er wurde verboten und aufgelöst. Ferner wurde verboten, Ersatzorganisationen für den Kläger zu bilden, bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen und Kennzeichen des Klägers zu verwenden. Das Vermögen des Klägers sowie näher typisierte Sachen und Forderungen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen. Mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen wurde die Verfügung für sofort vollziehbar erklärt.

3

Zur Begründung des Vereinsverbotes führte das Bundesministerium des Innern aus: Der Kläger richte sich im Sinne des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Seine in der Satzung formulierten Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seien nur Fassade. Er habe eine dem Nationalsozialismus wesensverwandte Ideologie. Seine eigentliche Zielsetzung sei die Heranbildung einer neonazistischen Elite. Hierzu nehme er Einfluss auf Kinder und Jugendliche durch Verbreitung völkischer, rassistischer, nationalistischer und nationalsozialistischer Ansichten im Rahmen vorgeblich unpolitischer Freizeitangebote. Der Kläger lehne das politische System des Grundgesetzes und die von ihm garantierte freiheitliche demokratische Grundordnung ab, bekenne sich zum historischen Nationalsozialismus und propagiere Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Zudem liefen die Zwecke und Tätigkeiten des Klägers den Strafgesetzen zuwider, so dass auch der Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG eingreife. Funktionäre und Mitglieder des Klägers erfüllten den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis d StGB, verwendeten in einer nach §§ 86, 86a StGB strafbaren Weise Propagandamittel und Kennzeichen aus der Zeit des Nationalsozialismus und verstießen durch öffentliches Auftreten in ihrer sog. Kluft gegen das nach § 28 VersammlG strafbewehrte Uniformverbot aus § 3 Abs. 1 VersammlG. Sämtliche Straftaten seien dem Kläger zuzurechnen und prägten seinen Charakter.

4

Gegen die am 31. März 2009 zugestellte Verbotsverfügung hat der Kläger am 28. April 2009 Anfechtungsklage erhoben. Am 30. April 2009 hat er um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 11. August 2009 - BVerwG 6 VR 2.09 - (Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 51) abgelehnt.

5

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor, die Verbotsverfügung sei bereits aus formell-rechtlichen Gründen rechtswidrig, weil die Beklagte sie nicht ohne vorherige Anhörung habe erlassen dürfen. Materiell-rechtlich seien die von der Beklagten angenommenen Verbotsgründe der Verfassungs- und der Strafgesetzwidrigkeit nicht erfüllt.

6

Der Kläger beantragt,

die Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 9. März 2009 aufzuheben.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie verteidigt die angefochtene Verfügung mit ergänzenden Ausführungen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage ist unbegründet. Das von dem Bundesministerium des Innern unter dem 9. März 2009 verfügte Vereinsverbot (1.) sowie seine gegen den Kläger gerichteten Nebenentscheidungen (2.) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

10

1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Verbotsverfügung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz - VereinsG) vom 5. August 1964 (BGBl I S. 593), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3198), i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG. Danach darf ein Verein erst dann als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die Verbotsverfügung ist formell (a)) und materiell (b)) rechtmäßig ergangen.

11

a) Die Verfügung leidet nicht an formell-rechtlichen Mängeln. Insbesondere konnte das gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG zuständige Bundesministerium des Innern vor ihrem Erlass von einer Anhörung des Klägers absehen. Zwar ist nach § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Jedoch kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vereinsrecht (Urteil vom 13. April 1999 - BVerwG 1 A 3.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30 S. 3, Beschluss vom 10. Januar 2003 - BVerwG 6 VR 13.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 38 S. 61, Urteile vom 3. Dezember 2004 - BVerwG 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 78 und vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50 Rn. 13) genügt es, dass die Verbotsbehörde unter diesen Gesichtspunkten auf Grund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Das Bundesministerium des Innern hat nach der Begründung der angefochtenen Verfügung von einer Anhörung des Klägers deshalb abgesehen, weil es die mit einer solchen Maßnahme verbundene Unterrichtung des Klägers über den bevorstehenden Eingriff vermeiden und ihm so keine Gelegenheit bieten wollte, seine Infrastruktur, sein Vermögen und verbotsrelevante Unterlagen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Dieses Bestreben, der Verbotsverfügung eine möglichst große Wirksamkeit zu verleihen, ging nicht ins Leere, obwohl bereits vor Erlass der Verfügung in der Öffentlichkeit und im Deutschen Bundestag (vgl. BTDrucks 16/6040, 16/6101, 16/8601, 16/10442 und 16/11581) ein Verbot des Klägers gefordert worden war und Durchsuchungen und Beschlagnahmen nach § 4 Abs. 4 VereinsG stattgefunden hatten. Die Beklagte verweist entgegen der Ansicht des Klägers zu Recht darauf, dass diesen im zeitlich nicht genau zu bestimmenden Vorlauf eines etwaigen Vereinsverbots angesiedelten Erörterungen und Handlungen nicht der gleiche Ankündigungseffekt zukommen konnte, wie ihn eine Anhörung im Rahmen des konkreten Verbotsverfahrens zwangsläufig haben musste (vgl. in diesem Sinne allgemein: Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O. S. 62, Urteil vom 5. August 2009 a.a.O. S. 278 bzw. Rn. 13).

12

b) Das Verbot erweist sich auch in der Sache als rechtmäßig. Das Bundesministerium des Innern hat es zu Recht darauf gestützt, die Zwecke und Tätigkeit des Klägers richten sich im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Ob der Kläger daneben auch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG erfüllt, kann offenbleiben.

13

aa) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (Urteil vom 13. Mai 1986 - BVerwG 1 A 12.82 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 8 S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 - BVerwG 1 ER 301.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 14 S. 36 und vom 21. April 1995 - BVerwG 1 VR 9.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 21 S. 42, Urteil vom 30. August 1995 - BVerwG 1 A 14.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 22 S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 - BVerwG 1 VR 1.95 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 24 S. 72 f., Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 - BVerwG 1 A 13.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 28 S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will; sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen (Urteile vom 2. Dezember 1980 - BVerwG 1 A 3.80 - BVerwGE 61, 218 <220> = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 6 S. 51 f. und vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 6, Beschlüsse vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42 und vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Eine zum Verbot führende Zielrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist ohne Weiteres dann zu bejahen, wenn eine Vereinigung in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweist. Dieser vom Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 - 1 BvB 1/51 - BVerfGE 2, 1 <69 f.>) anlässlich des Verbotes der Sozialistischen Reichspartei zu Art. 21 Abs. 2 GG entwickelte Grundsatz gilt in gleicher Weise für ein Vereinsverbot, weil jedenfalls eine die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erstrebende Zielrichtung im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet ist. Wenn eine Vereinigung sich zur ehemaligen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und zu deren maßgeblichen Funktionsträgern bekennt und die demokratische Staatsform verächtlich macht, eine mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unvereinbare Rassenlehre propagiert und eine entsprechende Überwindung der verfassungsmäßigen Ordnung anstrebt, richtet sie sich gegen die elementaren Verfassungsgrundsätze und erfüllt damit den Verbotstatbestand (Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 a.a.O. S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44).

14

Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen (Urteil vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 f. und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 58, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45). Wird eine Publikation, die keinen offenen Markt der Meinungen darstellt (vgl. dazu: BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <83 f.>), im Auftrag einer Vereinsleitung herausgegeben, sind die dort erschienenen Beiträge in aller Regel der jeweiligen Vereinigung zuzuschreiben. Etwas anderes kommt in einer solchen Konstellation nur dann in Betracht, wenn es sich - wie beispielsweise bei Leserbriefen - um ersichtlich individuelle Meinungsäußerungen handelt und die Vereinigung derartige Äußerungen missbilligt oder sich jedenfalls von ihnen distanziert (Beschluss vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 f. und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 40, 45). Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt. Der Umstand, dass diese Belege gegebenenfalls einer mehr oder weniger großen Zahl unverfänglicher Sachverhalte scheinbar untergeordnet sind, besagt allein nichts über ihre Aussagekraft (Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 5 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45; im gleichen Sinn für Art. 21 Abs. 2 GG: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 21).

15

Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Kläger um einen verfassungswidrigen Verein, weil er nach seiner Programmatik, seiner Vorstellungswelt und seinem Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, insbesondere mit der früheren Hitlerjugend als einer Teilorganisation der ehemaligen NSDAP aufweist und das Bundesministerium des Innern deshalb die in der Satzung des Klägers enthaltenen Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit, zum Gedanken der Völkerverständigung und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu Recht als bloße Fassade bewertet hat.

16

Dies ergibt sich aus strafrichterlichen Feststellungen über Aktivitäten von Mitgliedern des Klägers, aus dem Senat vorliegenden Materialien für von dem Kläger zu verantwortende Veranstaltungen und aus schriftlichen Äußerungen, die dem Kläger zuzurechnen sind, weil sie von in ihren Funktionen herausgehobenen Mitgliedern stammen oder in Publikationen des Klägers - insbesondere in der Vereinszeitschrift "Funkenflug" (im Folgenden: FF) - veröffentlicht worden sind. Der von dem Kläger erhobene Einwand, diese Zeitschrift habe einen offenen Markt der Meinungen eröffnet, so dass ihm die dort veröffentlichten Artikel von nicht der Redaktion angehörenden Autoren nicht zugerechnet werden könnten, geht fehl. Dass die Zeitschrift mit einem für verschiedene Meinungen offenen Diskussionsforum nichts gemein hat, sondern vollständig auf die Ziele der Vereinsführung ausgerichtet ist, zeigt die Beschreibung, die der Vorsitzende des Klägers - nach § 12 der Vereinssatzung als "1. Bundesführer" bezeichnet - in einem an Vereinsmitglieder mit Leitungsfunktionen gerichteten "Führerrundbrief 2/04" (von der Beklagten vorgelegte Anlage - im Folgenden: Anl. - 4) über die Redaktionsarbeit abgegeben hat. Danach wird "je nach Ausgewogenheit" zentral entschieden, in welcher Ausgabe ein Beitrag erscheinen oder ob er anderweitig genutzt werden soll. Entsprechend hat der Vorsitzende des Klägers in der mündlichen Verhandlung bekundet, er stehe hinter jedem Satz, der im "Funkenflug" veröffentlicht worden sei.

17

bb) Der Kläger propagiert eine Vorbildfunktion des Nationalsozialismus und seiner Organisationen und offenbart dabei eine der Wiedererrichtung der nationalsozialistischen Herrschaft verhaftete Vorstellungswelt.

18

(1) Propaganda für die nationalsozialistische Herrschaft als Ganzes enthält beispielhaft der Artikel "Wo stehen wir?" (Paul, FF Nr. 2/2005, S. 14, Anl. 84). In ihm wird der Beginn dieser Diktatur, der 30. Januar 1933, mit eindeutig positiver Einschätzung als "Ausgangspunkt einer der größten Wendungen, die die Geschichte des deutschen Volkes kennt" beschrieben und das nach "Zurückgewinnung des Saarlandes, Österreichs, Sudetendeutschlands, und der Inschutzstellung Böhmen und Mährens ... neu entstandene Großdeutschland" gepriesen.

19

Der Kläger sucht die hierin liegende Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes vergeblich durch den Einwand zu relativieren, es handele sich um eine wertneutrale Feststellung. Ebenso geht es fehl, wenn er geltend macht, die Äußerung stehe, selbst wenn sie eine positive Einschätzung enthalte, nicht in der Nähe zum Nationalsozialismus, und hierzu ausführt, in der Vergangenheit habe es für jeden Staat eine positive Wendung seiner Geschicke dargestellt, wenn er sein Gebiet habe vergrößern können, im Jahr 1935 hätten über 90 Prozent und im Jahr 1938 über 99 Prozent der Stimmberechtigten für den "Anschluss" des Saarlandes bzw. Österreichs an das sog. Dritte Reich gestimmt und auch Joachim C. Fest habe geäußert, dass Hitler im Fall seines Abtritts alsbald nach Vollendung dieser Gebietsgewinne als der größte deutsche Staatsmann in die Geschichte eingegangen wäre.

20

Der Kläger bedient sich mit diesen Äußerungen eines bekannten Argumentationsmittels, das darin besteht, eine Aussage aus einem anderweitigen, nicht negativ besetzten historischen oder anerkannten wissenschaftlichen Zusammenhang zu entnehmen, diese mit einer dem Wortlaut, aber nicht dem Sinn nach übereinstimmenden positiven Aussage zum Nationalsozialismus gleichzusetzen und dann zu schlussfolgern, dass diese nicht missbilligt werden dürfe, wenn dies mit jener nicht gleichermaßen geschehe. Diese Art der Auseinandersetzung bleibt rein formal und missdeutet deshalb inhaltlich die historischen Tatsachen. Der Kläger setzt bei seinem Rechtfertigungsversuch überdies den in Rede stehenden, trotz Kenntnis des gesamten historischen Verlaufs der nationalsozialistischen Herrschaft geschriebenen Artikel in unzulässiger Weise in Beziehung zu tatsächlichen Umständen aus der Anfangszeit des Regimes und hierauf bezogenen Meinungen.

21

(2) Kennzeichnend für den Kläger ist sein Bekenntnis zur sog. Volksgemeinschaft. Sie stellt einen Kernbegriff der nationalsozialistischen Ideologie dar, der nicht nur die Ablehnung einer pluralistischen Gesellschaft und die bedingungslose Unterordnung des Einzelnen, sondern insbesondere auch die Ausgrenzung als "volksschädlich" und "volksfremd" definierter Personen zum Ausdruck bringt. Die Volksgemeinschaft, so heißt es in dem von dem Kläger herausgegebenen "Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit" (Anl. 38, S. 4), sei "die höchste Form völkischen Zusammenlebens" und habe "oberstes Ziel der Politik" zu sein. "Volksfremde" könnten in einer solchen Gemeinschaftsform "keinen Platz finden". Das Volk werde "durch einen zu hohen Anteil an Fremdvölkischen in seiner biologischen Existenz bedroht".

22

Auch im Hinblick auf diese programmatische Aussage schlägt der von dem Kläger mit Hilfe des soeben beschriebenen Argumentationsmittels unternommene Versuch einer Relativierung fehl. Wenn der Begriff der Volksgemeinschaft, wie der Kläger geltend macht, von der romantisch geprägten Jugendbewegung des Wandervogels oder von dem Sozialdemokraten Otto Wels verwandt wurde, geschah dies nicht mit dem von dem Kläger gebrauchten, insbesondere durch den unverkennbaren Bezug auf den nationalsozialistischen Rassegedanken deutlich werdenden nationalsozialistischen Inhalt des Begriffs (vgl. zur Unterscheidung auch: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 20). Um diesen Gedanken und nicht etwa, wie der Kläger glauben machen will, um eine Kritik an der in Deutschland verfolgten Einwanderungspolitik oder um eine Anlehnung an näher bezeichnete Forschungen geht es bei der von ihm befürchteten Bedrohung der "biologischen Existenz" des (deutschen) Volkes durch "Fremdvölkische( )".

23

(3) Dass der Kläger die Waffen-SS als vorbildhafte Organisation ansieht, der es auch in dem von ihm nicht akzeptierten demokratischen Rechtsstaat die Treue zu halten gilt, ergibt sich aus einer Sentenz, die in dem von dem Vorsitzenden des Klägers verfassten "Führerrundbrief 02/07" (Anl. 73) enthalten ist: "Die letzten Wochen haben gezeigt, dass sich der Staat voll auf uns eingeschossen hat. ... Wir können nicht schwülstige Reden und Feiern halten, in denen wir die Wehrmacht und Waffen SS beschwören und den toten Helden unserer Geschichte die Hand reichen, wenn wir beim leisesten Blätterhauch die 'Sinnfrage' stellen und verunsichert stillsitzen."

24

Der Vortrag des Klägers, in diesem Text werde nicht die Waffen-SS beschworen, sondern Kritik an einem solchen Tun geübt, hat ersichtlich keine tragfähige Grundlage.

25

(4) Besonders verbunden fühlt sich der Kläger der früheren Hitlerjugend, in deren Nachfolge er sich sieht. Dieser Jugendorganisation des nationalsozialistischen Staates nachzueifern, fordert Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, in dem Artikel "Jugendbewegung, woher und wohin?" (Ragnar, FF Nr. 1/2006, S. 16, Anl. 71) mit den Worten auf: "... die gesamtdeutsche Jugend (war) nun endlich wieder geeint. Fern von Standesdünkel und Einzelinteressen trat schon früh das Bewußtsein auf, daß hier das Deutschland von morgen marschierte. ... Nun war also die Brücke von der Vergangenheit zur Zukunft geschlagen und die Jugend ein zwar eigenständiger, aber doch fest eingefügter Bestandteil der Volksgemeinschaft. ... Doch aus dem neuen sittlich hochstehenden, untadeligen und uneigennützigen Menschen wurde nichts mehr. Die letzten Reste des großen Traumes gingen 1945 in den Trümmern der Reichshauptstadt unter. ... Doch auch wenn das Reich am Boden lag, schlug der Lebensbaum unseres Volkes erneut seine Triebe aus und wiederum schloß sich volkstreue Jugend zusammen ... (Sie stellt) trotz aller vermeintlichen zahlenmäßigen Schwäche das lebendige Bindeglied in die Zukunft dar. ... Wenn unsere Jugend wieder zur Bewegung werden soll, um einst das Ruder herumzureißen, dann muß sie in die Mitte des Volkes hinein."

26

Der Einwand des Klägers, dieser Artikel lobe nicht die ehemalige Hitlerjugend, sondern zolle insbesondere der bündischen Jugend Respekt, in deren Tradition er sich sehe, geht fehl. Denn es ist die Hitlerjugend, die als Überwindung der zuvor bestehenden Vielfalt und als ideale Form der Jugendorganisation im Rahmen der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft dargestellt wird.

27

In dieselbe Richtung geht ein von dem Vorsitzenden des Klägers veröffentlichter Beitrag mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/ 2005, S. 13, Anl. 21), in dem es heißt: "Wir brauchen eine Jugend, die hart ist. Wir brauchen eine Jugend, die an unser Volk glaubt und bereit ist, für diesen Glauben alles zu opfern. Wir brauchen Kameraden, die treu sind und sich einem gemeinsamen Willen unterordnen. Wir brauchen Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer."

28

Es kann den Kläger nicht entlasten, dass er sich darauf beruft, dieser Artikel stamme nicht von seinem Vorsitzenden, sondern von einem anderen Autor und sei unbeanstandet bereits in einer Ausgabe der Zeitschrift "Der Trommler" aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erschienen. Entscheidend ist, dass der Text seinem Sinn nach eine Verherrlichung der ehemaligen Hitlerjugend darstellt und dass ihn sich der Vorsitzende des Klägers durch Veröffentlichung in der Vereinszeitschrift mit Wirkung für den Kläger zu eigen gemacht hat.

29

Einen vergleichbaren Inhalt hat ein Entwurf, der auf dem Rechner des Vorsitzenden des Klägers aufgefunden wurde (Anl. 70) und folgende Sätze enthält: "Wir wollen keine brd Kinder in unseren Bund holen. ... Wir wollen die, die das Bekenntnis zu Deutschland hinter sich gebracht haben. ... Es gibt nichts dankbareres, nichts Fanatischeres als eine geführte Jugend. Nicht umsonst hat die HJ in den letzten Kriegstagen unseren Feinden das Fürchten gelehrt."

30

Die schriftsätzlich erhobene Behauptung des Klägers, sein Vorsitzender könne nicht sagen, von wem und zu welchem Zweck diese Textdatei erstellt worden sei, hat sich in der mündlichen Verhandlung als obsolet erwiesen. Denn der Vereinsvorsitzende hat ausgeführt, er allein entscheide, was er für richtig halte und auf seinem Rechner abspeichere. Allerdings haben sich sowohl der Kläger als auch sein Vorsitzender dahingehend eingelassen, der Text habe keinen Eingang in die Vereinsarbeit gefunden und könne deshalb dem Kläger nicht zugerechnet werden. Der Senat kann jedoch Texte berücksichtigen, die der Vereinsvorsitzende verfasst oder unter Billigung des Inhalts abgespeichert hat, unabhängig davon, ob dies im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Kläger stand. Denn auf die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele eines Vereins kann nach den dargestellten allgemeinen Maßstäben unter anderem von einer entsprechenden Grundeinstellung seiner Funktionsträger her geschlossen werden, so dass es insoweit eine trennscharfe Unterscheidung zwischen einer rein privaten und einer dem Verein zuzurechnenden Sphäre nicht geben kann. Dementsprechend sind Texte und Äußerungen, die von leitenden Mitgliedern eines Vereins stammen oder deren Inhalt von diesen Mitgliedern erkennbar befürwortet wird, dem Verein auch dann zuzurechnen, wenn sie als solche nicht für die Vereinstätigkeit erstellt oder in ihr verwandt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen des Vereins handeln. Danach ist eine Zurechnung insbesondere dann gerechtfertigt, wenn ein solcher Text - wie dies hier der Fall ist - inhaltlich auf einer Linie mit anderen Beiträgen liegt, die dem Verein eindeutig zugeordnet werden können.

31

cc) Der Kläger bekennt sich überdies zu maßgeblichen Repräsentanten des Nationalsozialismus und will eine positive Erinnerung an diese vermitteln. Dabei werden Anklänge an den nationalsozialistischen Helden- und Märtyrerkult deutlich.

32

In einem mit "Heldengedenken 01.08" überschriebenen Text (Anl. 26), der sich unter den elektronischen Dokumenten befindet, die bei Martin G..., dem sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, aufgefunden wurden, wird Adolf Hitler glorifiziert. Dort heißt es: "Auch der junge Hitler reifte auf diesen Schlachtfeldern (des Ersten Weltkrieges) zu dem Mann, welcher später Deutschlands Schicksal in seinen Händen halten sollte. Er, selbst als Soldat vom heldischen Epos durchdrungen, führte sein Volk zur Freiheit und stellte das heldische-soldatische Ideal als Leitbild vor die ganze Nation." Eine vergleichbare Wertschätzung bringt Holle B..., ein "Bundesführerin der Mädchen" genanntes Vorstandsmitglied des Klägers, Rudolf Heß entgegen. In einem sichergestellten handschriftlich verfassten Lebenslauf bezeichnet sie ihn als "Märtyrer des Friedens"; im Jahr 1987 habe seine "Ermordung in Spandau" stattgefunden (Anl. 27).

33

Der Kläger kann die Berücksichtigung dieser Dokumente auch hier nicht dadurch verhindern, dass er sich von ihnen distanziert und geltend macht, sie hätten, da sie unabhängig von einer Vereinstätigkeit erstellt und für diese nicht benutzt worden seien, einen rein privaten Charakter. Denn in jedem Fall kommt in ihnen die dem Nationalsozialismus verhaftete Grundeinstellung von Mitgliedern der Leitungsebene des Klägers zum Ausdruck, die ihrerseits den Nährboden für die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele des Vereins bildet.

34

dd) Der Kläger bringt seine Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus ferner dadurch zum Ausdruck, dass er nationalsozialistisch geprägte Begriffe übernimmt.

35

Den Begriff "Führer" verwendet der Kläger in jeder nur denkbaren Hinsicht. Dies gilt insbesondere für die von ihm innerhalb seines streng hierarchischen Aufbaues zu vergebenden Funktionen bzw. Dienstgrade ("Bundesführer", "Bundesführerin der Mädchen", "Zweiter Bundesführer", "Leitstellenführer", "Einheitsführer", "Unterführer") und Dienstränge ("Führer vom Dienst", "Wachführer vom Dienst", "Zeltführer/Stubenführer") sowie für seine Publikationen ("Führerrundbrief", "Führerhandbuch" ). Als Grußformel gegenüber sog. "Führern" und "Unterführern" schreibt der Kläger seinen Mitgliedern die Worte "Heil Dir!" oder "Heil Euch!" vor (Interne Arbeitsschrift, Wegweiser, Gestalt und Erscheinungsbild, Anl. 40, S. 16). Die jüngeren Veranstaltungsteilnehmer nennt er "Pimpfe" (Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit, Anl. 38, S. 93; Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin, Anl. 15, S. 5).

36

Wenn der Kläger einwendet, dass der Begriff des Führers in vielerlei Zusammenhängen, etwa für leitende Personen in einer Organisation, für themenbezogene Nachschlagewerke, für Begleitpersonen oder für Fahrer von Kraftfahrzeugen und Lokomotiven verwandt werde und auch in der bündischen Jugend sowie in Pfadfinderkreisen verbreitet sei, ist dies richtig, nimmt der hier in Rede stehenden Verwendung aber nichts von ihrem an die Führerideologie der Nationalsozialisten angelehnten Sinngehalt. Ebenso wenig vermag der Verweis auf die Bedeutung und anderweitige Verwendung des Wortes "Heil" den Zusammenhang der Grußformel "Heil Dir/Euch!" mit dem sog. Hitlergruß aufzulösen. Auch der Begriff "Pimpf" ist ersichtlich auf den Sprachgebrauch der ehemaligen Hitlerjugend bezogen.

37

ee) Der Kläger ist darüber hinaus rassistisch ausgerichtet sowie der sog. Blut-und-Boden-Ideologie und der Rassenlehre der Nationalsozialisten verhaftet, wie sie exemplarisch in der Präambel des als Teil der Nürnberger Rassegesetze verkündeten sog. Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935 (RGBl. I 1935, S. 1146) mit den Worten zusammengefasst ist: "Durchdrungen von der Erkenntnis, daß die Reinheit des deutschen Blutes die Voraussetzung für den Fortbestand des Deutschen Volkes ist, und beseelt von dem unbeugsamen Willen, die Deutsche Nation für alle Zukunft zu sichern ..."

38

(1) Durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 (Az.:(502) 81 Js 405/08 KIs (37/09)) sind der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar D..., und zwei weitere Vereinsmitglieder, Christian F... und Daniela K..., als Mittäter bzw. als Gehilfin unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Den Sachverhalt, der dem Strafausspruch zu Grunde liegt, haben die Verurteilten in dem Strafverfahren eingeräumt. Er kann deshalb von dem Senat berücksichtigt werden, obwohl das Strafurteil im Hinblick auf Ragnar D... und Daniela K... noch keine Rechtskraft erlangt hat. Danach führte Ragnar D... am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte unter Mitwirkung der beiden anderen Vereinsmitglieder eine sog. "Rasseschulung" für dreißig bis vierzig Personen - darunter zwei Minderjährige - durch. Er hielt einen Vortrag mitsamt Powerpoint-Präsentation zu dem Thema "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", in dem er sich auf rassenideologische Literatur aus der Zeit des Nationalsozialismus stützte sowie unter anderem vor der "Durchmischung" von menschlichen Rassen warnte und verschiedene Volksgruppen ins Lächerliche zog. Unmittelbar im Anschluss an seinen Vortrag stellte er seinen Laptop und seinen Beamer für die Vorführung des nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude" zur Verfügung. Die Powerpoint-Präsentation und eine Kopie des genannten Films - wenn auch nicht die für die Aufführung in Georgsmarienhütte verwandte - wurden später bei Ragnar D... beschlagnahmt.

39

Diese sog. "Rasseschulung" ist dem Kläger entgegen seiner Ansicht ungeachtet des Umstandes zuzurechnen, dass sie in einer von der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) genutzten Liegenschaft stattfand. Denn entscheidend ist, dass sie allein von Mitgliedern des Klägers - darunter eines mit einer Leitungsfunktion - organisiert und durchgeführt wurde und der Kläger selbst "Rasseschulungen" abhält.

40

(2) Über diesen festgestellten Fall hinaus wurden nämlich zur Überzeugung des Senats unter der Verantwortung des Klägers systematisch "Rasseschulungen" durchgeführt. So wurden Schulungsunterlagen über die "Biologische(n) Grundlagen unserer Weltanschauung" bei vier Mitgliedern des Klägers aufgefunden (Anl. 111 bis 114). In diesen Unterlagen wird ausgeführt: "In unserem Erbgut liegt der Schlüssel zum Fortbestehen des deutschen Volkes. Du bist Glied, nicht das Ende einer langen Kette, die sich von Deinen Urahnen bis zu Deinen Urenkeln erstreckt. Bewahre Dein Erbe und reiche es unversehrt weiter!" Ähnliches Gedankengut findet sich in dem "Volk und Sprache" überschriebenen Text (Anl. 109), der Teil eines Ordners mit Schulungsunterlagen ist, der bei Dietlind N..., der sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, beschlagnahmt wurde. Dort heißt es: "Grundpfeiler unserer Weltanschauung (sind) Volk = Blut + Lebensraum + Sprache + Kultur + Geschichte ... Wird das Blut ... durch fremdrassige Einschläge zerstört, so wird das Volk aus seinem innersten Kern heraus zugrunde gehen. Diese Zusammenhänge dürfen nicht in Vergessenheit geraten, um das Fortbestehen des deutschen Volkes zu sichern." Die ebenfalls bei Dietlind N... aufgefundene Schrift "Osterlager 2006 - Beitrag der großen Mädchen zum Bunten Abend -" (Anl. 110) enthält die Passage: "Halte dein Blut rein! ... es ist von tausend Ahnen schwer und alle Zukunft fließt darin." Der Erfolg der Vermittlung dieser Rassenideologie wird, wie bei Vereinsmitgliedern sichergestellte "Prüfungsbögen" (Anl. 76 bis 78, 124 und 125) belegen, in Form von Fragen zu "Biologie und Rassenkunde" überprüft.

41

Der Sinn der aufgeführten und der im Folgenden erwähnten Texte erschließt sich unmittelbar, so dass der Einwand des Klägers, sie ließen einen diskriminierenden Rassismus nicht erkennen, ins Leere geht. Sie knüpfen bis in die identische Wortwahl hinein nahtlos an die rassistische Ideologie der Nationalsozialisten an, wie sie in der erwähnten Präambel des sog. "Blutschutzgesetzes" formuliert ist.

42

(3) Die Blut und Boden- und Rassenideologie hat zudem in einer Reihe von Beiträgen in Publikationen des Klägers ihren Niederschlag gefunden. In einem Artikel in der Vereinszeitschrift über "Erntedank im Volksbrauch" (Eric, FF Nr. 3/2003, S. 5, Anl. 33) wird folgende Betrachtung angestellt: "Wer dankt, ordnet sich nicht unter, sondern ein in den ewigen Kreislauf der Natur. ... Dies ist der Ausdruck des ewigen Blutkreislaufes der Deutschen und eine Heimfindung zum Ich - der eigenen Art." In einem von dem Kläger herausgegebenen Kalender wird unter dem Titel "Das Kleid der Unsterblichkeit" (Anita, Unser Leben 2007, Anl. 106) ausgeführt: "Durchtränkt mit der Stärke unserer Ahnen fließt es in unseren Adern. Wurde durch seinen Verlust manch fremder Boden heimatlich gemacht, so entsprang dort eine neue Quelle des Lebens und ewigen Fortbestehens. Um die Reinheit dieses Blutes zu gewähren, muß sich jeder als ein Teil einer Artgemeinschaft fühlen und sich seiner Abstammung bewußt sein. ... (Es) wurden durch wichtige Erkenntnisse in der Menschenkunde und der Bedrohung des Fortbestehens des Deutschen Volkes Institute für Familienforschung gegründet, wie 1934 das 'Kaiser Wilhelm Institut für Genealogie und Demographie'. Zu dieser Zeit war jeder Reichsbürger verpflichtet, seine Herkunft durch eine Ahnentafel und den dazugehörigen Geburts- und Heiratsurkunden oder einen zusammengefaßten, beglaubigten Ahnenpaß vorzuweisen. ... So sollte sich jeder, der sich seiner Herkunft bewußt ist, sie in seinem gesunden Blut wahren und weitertragen." Die gleichen Inhalte werden in einem Beitrag in der Vereinszeitschrift unter der Überschrift "Du bist Deutschland" (Eric, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/ 2007, S. 17, Anl. 7) in die folgenden Worte gefasst: "Als hätte Mendel nie gelebt, will mir doch ein starkpigmentierter ortsunkundiger Fußball-'star' erzählen, ich sei mein Land, ... Volk ist ein biologischer Begriff. ... Auch ein deutscher Paß ändert an dieser Tatsache nichts, wie es auch keinen Deutschen türkischer ... Abstammung gibt. Im übertragenen Sinn ist das so zu verstehen, daß aus einem Pinscher, der sich am Napf einer Dogge satt frißt, noch lange nicht selbige wird."

43

Der Kläger verharmlost und bagatellisiert diese Äußerungen, wenn er zum Einen in bereits beschriebener Weise einen unzulässigen Vergleich konstruiert und darauf verweist, auch der SPD-Politiker Philipp Scheidemann habe im Zusammenhang mit den nach dem Ersten Weltkrieg drohenden Gebietsverlusten die Deutschen als "ein Fleisch und ein Blut" bezeichnet, und zum Anderen geltend macht, es handele sich um unverfängliche Aussagen zum Bauernstand, zur Abstammung, zur Homogenität der Bevölkerung und zur Staatsbürgerschaft. Denn durch den Gesamtzusammenhang, in dem die Aussagen stehen, wird offenbar, dass der Kläger von rassistischem Gedankengut geprägt ist.

44

ff) In engem Zusammenhang mit der rassistischen Ausrichtung des Klägers steht sein ausgeprägter Antisemitismus.

45

(1) Ein besonders aussagekräftiger Beleg ist auch hierfür der bereits genannte, dem Kläger zuzurechnende Vortrag "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", den Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte hielt. Nach den in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 enthaltenen Feststellungen flocht Ragnar D... sog. "Judenwitze" in seinen Vortrag ein und zeigte an dessen Ende eine Folie, die zu der Frage "Was bringt die Zukunft?" als Antwortalternativen das Bild einer jungen Frau mit einer Hakenkreuzbrosche und eine Abbildung des ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, präsentierte. Im unmittelbaren Anschluss an diesen Vortrag und diesem damit den Charakter einer pseudowissenschaftlichen Einführung verleihend, ermöglichte Ragnar D... die Vorführung des antisemitischen nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude". Dabei musste ihm der Inhalt dieses Films, in dem Juden als minderwertige Menschen dargestellt werden, bewusst sein, da er - wie sich bei einer späteren Durchsuchung herausstellte - selbst eine Kopie des Films besaß.

46

(2) Die sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, Dietlind N..., schreibt in ihrer Ausarbeitung "Hatte Deutschland Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges?" (Anl. 87) unter Verweis auf einen Artikel in der Zeitung "Daily Express" vom 24. März 1933, es habe eine "Kriegserklärung des Weltjudentums an Deutschland" gegeben und führt aus: "Nachdem dieser Artikel erschienen war, kam es am 01.04.1933 lediglich einen Tag lang zu Boykotten gegenüber jüdischen Geschäften in Deutschland, was in Anbetracht der ungeheuerlichen Dimension der jüdischen Kriegserklärung nur als harmlos bezeichnet werden kann. ... Erst 1938, als ein polnischer Jude einen deutschen Botschaftsangehörigen in Paris erschoß, verschlechterte sich die Stimmung gegen die Juden und gipfelte schließlich in der sog. 'Reichskristallnacht'. ... (Es gab aber) 1. nur eine Reichskristallnacht - und nicht etwa mehrere - und 2. muß man die Vorgeschichte zu dieser Nacht liefern, um die Beweggründe der Deutschen nachvollziehen zu können."

47

Diese Stellungnahme eines Vereinsmitglieds mit Leitungsfunktion trifft nach den schon näher dargelegten Zurechnungsmaßstäben den Kläger auch dann, wenn sie entsprechend seinem Vorbringen nicht als Schulungsmaterial oder in ähnlicher Weise für ihn verwandt worden ist. Sie wird zudem nicht, wie der Kläger weiter meint, durch die Mitteilung historischer Tatsachen charakterisiert, sondern durch den antisemitischen Kontext, in dessen Rahmen Tatsachen unvollständig und verfälscht präsentiert werden.

48

(3) Der Propagierung antisemitischer Thesen gibt der Kläger auch in seiner Vereinszeitschrift Raum. So finden sich in dem Artikel "Der Nahe Osten ist näher als du denkst" (Robert, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/2007, S. 14, Anl. 7) im Zusammenhang mit der Beschreibung der Ursachen des dortigen Konflikts folgende Ausführungen: "Ihrem nomadisches Wesen folgend, zogen die Juden nun in alle Welt aus, um in den anderen Völkern zu Wohlstand zu kommen. Dies taten sie sehr selten durch tüchtige Arbeit. ... Als ein Großteil der Juden feststellen mußte, daß sie in den meisten europäischen Staaten nicht erwünscht sind, begannen sie am Ende des 19. Jahrhunderts nach einem eigenen Staat zu streben." Weiter wird in einem nicht mit einem Verfassernamen versehenen "Einwurf" (FF Nr. 1/2008, S. 5, Anl. 22) Anne Frank verspottet: "Der Baum von Anne Frank, eine hohle alte Eiche, ist immer noch der Gefahr ausgesetzt, bald gefällt zu werden. Diese verhält sich also ähnlich, wie die sagenumwobenen Geschichten um das kleine Mädchen und ihrem Tagebuch."

49

In beiden Fällen verfängt es bereits im Ansatz nicht, wenn der Kläger sich auf Albernheit oder Satire beruft. Der antisemitische Gehalt der Beiträge ist objektiv unverkennbar.

50

gg) Vor dem dargestellten Hintergrund seiner Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus sowie seiner rassistischen und antisemitischen Ausrichtung lehnt der Kläger die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes ab, diffamiert sie und will sie durch ein sog. neues Reich ablösen. In diesem Bestreben orientiert er sich entgegen seinen Beteuerungen nicht an einem Reichsgedanken mit dem durch das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 48) umschriebenen, auf die nationale Einheit und die gleichberechtigte Stellung Deutschlands in der europäischen Staatengemeinschaft bezogenen Inhalt, sondern seinem Hintergrund gemäß an den Prinzipien der nationalsozialistischen Herrschaft während des sog. Dritten Reiches.

51

(1) Dies wird besonders deutlich an Texten mit einem strategisch-politischen Inhalt, die bei leitenden Mitgliedern des Klägers aufgefunden wurden. In ihnen wird die Wiederbegründung der deutschen Demokratie nach 1945 verunglimpfend als "Umerziehung" durch die Siegermächte bezeichnet und der demokratische Staat als verkommen und gegen das eigene Volk gerichtet denunziert. So führt der Vereinsvorsitzende in einer auf seinem Rechner aufgefundenen Textdatei (Anl. 130) aus: "In unserer heutigen Zeit mag man sich manchmal angewidert abwenden, wenn man die gezüchteten Krüppel sieht, die das Karren der Umerzieher schon besser vorantreiben, als die es wahrscheinlich vorhatten." Der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, Martin G..., äußert sich in einem auf seinem Computer gespeicherten Redemanuskript (Anl. 11) mit der Überschrift "Einheitsgründungsfeier" wie folgt: " ... was haben wir uns eigentlich vorzuwerfen? Etwa, daß wir deutsch fühlen, deutsch denken und auch deutsch handeln, daß wir ehrlich und aufrichtig unseren Weg gehen und wir uns dabei an den edelsten Werten unseres Volkes ausrichten? Daß wir deshalb vom derzeitigen Staat immer stärker bekämpft werden, zeigt deutlich, wo dieser steht. Er ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!" Die sog. "Bundesführerin der Mädchen", Holle B..., schreibt in einer beschlagnahmten handschriftlichen Skizze: "(Wir müssen) klarstellen, daß Ideologien wie Demokratie und Kapitalismus für unser Volk den Untergang bedeuten." Und ein Schreiben, das der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar Dam, elektronisch gespeichert hatte, enthält nach einem Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin vom 5. August 2008 (Anl. 15) sowie den Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 folgende Passage: "Ich will keine bessere BRD, ich will ein neues Reich auf den Trümmern dieses verkommenen Systems errichten. ... Als Anleihe blicke ich dabei auch gerne ein paar Jahrzehnte zurück. ... Nur so und nicht (anders) begann der Sieglauf in ein aufgehetztes Volk, welches dem Nationalsozialismus zunächst feindlich gegenüberstand."

52

Der von dem Kläger auch hier erhobene Einwand des privaten Charakters der Äußerungen steht dem Rückschluss von der in den zitierten Texten zum Ausdruck kommenden Grundeinstellung seines Leitungspersonals auf seine eigenen verfassungswidrigen Ziele wiederum nicht entgegen. Die Äußerungen gehen zudem, anders als der Kläger meint, über eine zulässige sog. Machtkritik hinaus und offenbaren eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Haltung (zu der insoweit vorzunehmenden Abgrenzung: BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2001 - BVerwG 2 WD 42.00, 43.00 - BVerwGE 114, 258 <283 ff.> = Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 3 S. 19; vgl. zum Begriff der "Umerziehung" auch: Urteil vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 30.97 - BVerwGE 110, 126 <136> = Buchholz 11 Art. 21 GG Nr. 25 S. 9).

53

(2) Derartige dem Kläger zuzurechnende Diffamierungen des demokratischen Rechtsstaates finden sich überdies nicht nur in internen Aufzeichnungen von Vereinsfunktionären, sondern auch in veröffentlichter Form in der Vereinszeitschrift. Der Vorsitzende des Klägers schreibt in einem zur Fußballweltmeisterschaft 2006 erschienenen Beitrag mit dem Titel "Neue Wegweiser in die Geschmacklosigkeit" (Sebastian, FF Nr. 3/2006, S. 5, Anl. 16): "Sicherlich wird einem lauwarm ums Herz, wenn nach über 60 Jahren Umerziehung Deutsche wieder die eigene Fahne in die Hand nehmen ... Traurig ist es, sich einzugestehen, daß selbst in unserem eigenen Lager, vom trotzigen 'schwarz-weiß-rot' auf die BRD-Fahnen umgeschaltet wurde, nur um auf den lahmenden Patriotismusgaul aufzuspringen ... Zu guter Letzt bleiben wir bei unseren Reichsfarben schwarz-weiß-rot ... Eben der Stachel im Fleisch der Spießer und Vaterlandsverräter!" Ferner heißt es in einem Artikel mit der Überschrift "Zur Gesellschaft" (Eugen, FF Nr. 3/2005 S. 7, Anl. 10): "Nach dem ersten Weltkrieg, auch damals gab es die Gesellschaft von Wucherern und Schiebern, Verrätern, Demokraten und Parteibonzen, die an der deutschen Not verdienten, und ihre entarteten und zersetzenden Ideen allen Deutschen aufzudrücken versuchten. Damals hatte der Begriff Gesellschaft allerdings einen klaren Charakter. Er benötigte nämlich, angewandt auf solche Ansammlungen übelsten Menschentums, keine weiteren negativen Adjektive. ... Diese heutige Herrschaft des Minderwertigen wird durch unsere junge sieghafte Kraft niedergerungen werden und an deren Stelle werden wir das Neue, Große, Kommende setzen: unser Volk."

54

Der Kläger verharmlost diese Aussagen in unzulässiger Weise, wenn er in ihnen lediglich eine kritische Betrachtung von Phänomenen eines allgemeinen Werteverfalls oder gesellschaftlichen Missständen erblicken will.

55

hh) Der Kläger nimmt schließlich eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung ein. Dies kommt in dem bereits zitierten Artikel des Vereinsvorsitzenden mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/2005, S. 13, Anl. 21) zum Ausdruck, in dem er die Mitglieder dazu auffordert, sich als "Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer" zu erweisen. Diese Aufforderung ergänzt der Vorsitzende des Klägers in einem ebenfalls schon erwähnten, auf seinem Rechner gespeicherten Text (Anl. 130): "Seien wir unserem Volk ehrliche und wehrhafte Männer, die das Leben achten und den Tod nicht fürchten." In einer weiteren, bereits zitierten Textdatei (Anl. 70) fügt er hinzu: "Es ist Krieg gegen Deutschland, Krieg gegen unser Volk. ... Und diesen Krieg möchte ich ganz gerne gewinnen." Eine vergleichbare Radikalität bricht sich in dem Artikel "Revolution" (Jörg, FF Nr. 4/2005, S. 8, Anl. 21) Bahn, wenn dort dargelegt wird: "Wir sind nicht angetreten, um in unserer Gemeinschaft nette Lager, Fahrten, Heimabende oder Feierstunden zu erleben, sondern um unsere Fußspuren in der Geschichte zu hinterlassen. ... Ein revolutionärer Akt, ... Scheuen wir uns also nicht vor diesem Begriff. ... Der Verfall von Ordnung, die Unregierbarkeit dieses Landes ruft den inneren Protest vieler, vieler Menschen hervor. Immer mehr wenden sich angewidert ab und lösen sich aus dem parlamentarisch-demokratischen Zwangskorsett. Sie sind bereit für revolutionäre Ideen, wir müssen sie ihnen geben. Im Vorbild und in der Tat haben wir eine Zeitenwende zu repräsentieren, um sie, gemeinsam mit unserem Volk, einzuleiten. Revolution bedeutet Geschichte schreiben: Nehmen wir die Feder in die Hand." Das gleiche gilt erst recht für die schon in anderem Zusammenhang erwähnte auf dem Computer des Martin Götze in einem Redemanuskript (Anl. 11) gespeicherte Äußerung: "Er (der derzeitige Staat) ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!"

56

Das Bestreben des Klägers, das Kämpferische und Aggressive dieser Texte in Abrede zu stellen, bleibt ohne Substanz.

57

2. Die in der Verfügung vom 9. März 2009 neben dem Vereinsverbot enthaltenen weiteren Entscheidungen zu Lasten des Klägers (Auflösung, Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen, Kennzeichenverbot, Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens) finden ihre Rechtsgrundlagen in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 und § 11 VereinsG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften knüpfen an das ausgesprochene Vereinsverbot an.

(1) Es ist verboten, Organisationen zu bilden, die verfassungswidrige Bestrebungen (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) eines nach § 3 dieses Gesetzes verbotenen Vereins an dessen Stelle weiterverfolgen (Ersatzorganisationen) oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen.

(2) Gegen eine Ersatzorganisation, die Verein im Sinne dieses Gesetzes ist, kann zur verwaltungsmäßigen Durchführung des in Absatz 1 enthaltenen Verbots nur auf Grund einer besonderen Verfügung vorgegangen werden, in der festgestellt wird, daß sie Ersatzorganisation des verbotenen Vereins ist. Die §§ 3 bis 7 und 10 bis 13 gelten entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Verfügung haben keine aufschiebende Wirkung. Die für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen sind bei Gefahr im Verzug zu vorläufigen Maßnahmen berechtigt, die außer Kraft treten, wenn die Verbotsbehörde nicht binnen zweier Wochen die in Satz 1 bestimmte Verfügung trifft.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Es ist verboten, Organisationen zu bilden, die verfassungswidrige Bestrebungen (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) eines nach § 3 dieses Gesetzes verbotenen Vereins an dessen Stelle weiterverfolgen (Ersatzorganisationen) oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen.

(2) Gegen eine Ersatzorganisation, die Verein im Sinne dieses Gesetzes ist, kann zur verwaltungsmäßigen Durchführung des in Absatz 1 enthaltenen Verbots nur auf Grund einer besonderen Verfügung vorgegangen werden, in der festgestellt wird, daß sie Ersatzorganisation des verbotenen Vereins ist. Die §§ 3 bis 7 und 10 bis 13 gelten entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Verfügung haben keine aufschiebende Wirkung. Die für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen sind bei Gefahr im Verzug zu vorläufigen Maßnahmen berechtigt, die außer Kraft treten, wenn die Verbotsbehörde nicht binnen zweier Wochen die in Satz 1 bestimmte Verfügung trifft.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Die Verbotsbehörde oder die Einziehungsbehörde zieht Forderungen Dritter gegen den Verein ein, wenn

1.
sie aus Beziehungen entstanden sind, die sich nach Art, Umfang oder Zweck als eine vorsätzliche Förderung der verfassungswidrigen Bestrebungen des Vereins darstellen, oder
2.
sie begründet wurden, um Vermögenswerte des Vereins dem behördlichen Zugriff zu entziehen oder den Wert des Vereinsvermögens zu mindern.
Hat der Gläubiger eine solche Forderung durch Abtretung erworben, so kann sie nur eingezogen werden, wenn der Gläubiger die in Satz 1 bezeichneten Tatsachen bei dem Erwerb kannte.

(2) Sachen Dritter werden eingezogen, wenn der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind.

(3) Rechte Dritter an den nach § 11 Abs. 1 oder nach § 12 Abs. 1 oder 2 eingezogenen Gegenständen bleiben bestehen. Sie werden eingezogen, wenn sie unter den in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen begründet oder erworben worden sind.

(4) Die nach den Absätzen 1 bis 3 eingezogenen Gegenstände gehen mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verbots und der Einziehungsverfügung auf den Einziehungsbegünstigten über. Nicht vererbliche Rechte erlöschen.

(5) Verfügungen des Vereins, die in den letzten sechs Monaten vor Erlaß des Verbots in der dem anderen Teil bekannten Absicht vorgenommen wurden, Gegenstände des Vereinsvermögens beiseite zu schaffen, sind dem Einziehungsbegünstigten gegenüber unwirksam. Ist zugunsten eines Vereinsmitglieds oder einer Person, die ihm im Sinne des § 138 Abs. 1 der Insolvenzordnung nahesteht, verfügt worden, so wird vermutet, daß diesen die in Satz 1 bezeichnete Absicht bekannt war.

(1) Es ist verboten, Organisationen zu bilden, die verfassungswidrige Bestrebungen (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) eines nach § 3 dieses Gesetzes verbotenen Vereins an dessen Stelle weiterverfolgen (Ersatzorganisationen) oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen.

(2) Gegen eine Ersatzorganisation, die Verein im Sinne dieses Gesetzes ist, kann zur verwaltungsmäßigen Durchführung des in Absatz 1 enthaltenen Verbots nur auf Grund einer besonderen Verfügung vorgegangen werden, in der festgestellt wird, daß sie Ersatzorganisation des verbotenen Vereins ist. Die §§ 3 bis 7 und 10 bis 13 gelten entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Verfügung haben keine aufschiebende Wirkung. Die für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen sind bei Gefahr im Verzug zu vorläufigen Maßnahmen berechtigt, die außer Kraft treten, wenn die Verbotsbehörde nicht binnen zweier Wochen die in Satz 1 bestimmte Verfügung trifft.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.