Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 18. Feb. 2015 - VI- U (Kart) 3/14
Tenor
- I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 17. Dezember 2013 verkündete Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
- II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- III. Dieses Urteil sowie das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf Grund der Urteile vollstreckbaren Beträge abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
- IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
- V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 30 Mio. € festgesetzt.
1
Gründe
2I.
3Die Parteien streiten über kartellrechtliche Schadensersatzansprüche.
4Die Klägerin ist eine …… Aktiengesellschaft, deren Unternehmensgegenstand in der außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung kartellrechtlicher Schadensersatzforderungen besteht.
5Die Beklagten sind Zementhersteller. Gegen sie bzw. ihre Rechtsvorgängergesellschaften leitete das Bundeskartellamt im Jahr 2002 wegen des Verdachts kartellrechtswidriger Gebiets- und Quotenabsprachen ein Ermittlungsverfahren ein. Im März bzw. April 2003 schloss das Bundeskartellamt das behördliche Verfahren mit dem Erlass von Bußgeldbescheiden gegen die Beklagten ab (Anl. K 3 - K 5, K 98 - 100). Die Beklagte zu 1. focht den gegen sie ergangenen Bescheid nicht an, die übrigen fünf Beklagten legten Einspruch gegen die sie betreffenden Bescheide ein. Mit hieraufhin am 26. Juni 2009 verkündetem Urteil setzte das Oberlandesgericht Düsseldorf (VI-2a Kart 2-6/08 OWi) gegen die Beklagten zu 2. bis zu 6. wegen der Teilnahme an Quotenabsprachen auf einzelnen regional abgegrenzten Märkten Geldbußen fest. Die Beklagte zu 2. akzeptierte das Bußgeldurteil; die Beklagten zu 3. bis zu 6. legten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf Rechtsbeschwerde ein, die der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 26. Februar 2013 (KRB 20/12, NZKart 2013, 195 = WuW/E DE-R 3861 - Grauzementkartell) als unbegründet verwarf. Der Bundesgerichtshof bestätigte u. a. die Feststellungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf, dass die beklagten Zementhersteller keine bundesweit wirkenden Kartellabsprachen getroffen hätten, sondern vielmehr die geahndeten Quotenabsprachen ausschließlich auf regionaler Ebene stattgefunden und sich auf historisch entwickelte Regionalmärkte bezogen hätten, die nicht erst auf Grund von Gebietsabsprachen zustandegekommen seien. Wegen der Einzelheiten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen aus dem gerichtlichen Bußgeldverfahren wird auf die vorbezeichneten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf bzw. des Bundesgerichtshofs verwiesen.
6Mit im August 2005 gegen die Beklagten zu 1. bis zu 3. erhobener und im Dezember 2005 gegen die Beklagten zu 4. bis zu 6. erweiterter Klage hat die Klägerin aus abgetretenem Recht von 36 Zement abnehmenden Unternehmen (Zedenten) die sechs Beklagten als Gesamtschuldner auf Kartellschadensersatz in Höhe eines Mindestbetrages von über 131,75 Mio. Euro für einen Kartellzeitraum von 1993 bis 2002 in Anspruch genommen. Die von ihr reklamierte Aktivlegitimation hat die Klägerin auf Forderungsabtretungsvereinbarungen gestützt, die sie beginnend im Jahr 2003 mit den einzelnen Zedenten abgeschlossen hatte; ferner traf die Klägerin mit den Zedenten in der Folgezeit (vorsorglich) bis Ende 2008/Anfang 2009 mehrmals weitere Vereinbarungen über die Abtretung der streitbefangenen Forderungen an sie. Das Schadensersatzverlangen hat die Klägerin auf den Vorwurf gestützt, die Beklagten seien an einem „bundesweiten Kartell“ beteiligt gewesen. Ihrer - der Klägerin - Behauptung zufolge hätten die Beklagten, bei denen es sich um die sechs größten Zementhersteller in Deutschland gehandelt habe, eine bundesweit wirkende „Grundabsprache“ über die Aufteilung des Bundesgebiets in Kartellregionen getroffen, die in den insoweit gebildeten Regionen von den dort agierenden Zementherstellern jeweils nach Maßgabe noch näher zu bestimmender Absprachen über Lieferquoten umzusetzen gewesen sei. Infolge des - so die Klägerin - von den Beklagten praktizierten Kartells habe sich ein überhöhtes Zementpreisniveau entwickelt, was bei den Zement abnehmenden Zedenten zu einem bundesweit entstandenen Gesamtschaden in Höhe von über 175 Mio. Euro geführt gehabt habe.
7Mit Einreichung der Klage im August 2005 stellte die Klägerin einen Antrag auf Anpassung des Streitwerts gemäß § 89 a GWB, den das Landgericht am 27. September 2005 zurückwies. Ihrem Antrag, den Streitwert insoweit von 30 Mio. Euro (§ 39 Abs. 2 GKG) auf 5 Mio. Euro herabzusetzen, fügte die Klägerin eine am 5. August 2005 abgegebene eidesstattliche Versicherung ihres Verwaltungsrats Rechtsanwalt D....bei (Anl. K 94 = GA 212 ff.), die im Tatbestand des angefochtenen Urteils auszugsweise wiedergegeben ist und auf die der erkennende Senat hinsichtlich ihrer Einzelheiten vollumfänglich Bezug nimmt. Ausweislich der vorbezeichneten Erklärung ihres Verwaltungsrats will die Klägerin aus damaliger Sicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage gewesen sein, im Falle der Abweisung ihrer Klage in erster Instanz die dann fälligen gegnerischen Ansprüche auf Prozesskostenerstattung zu erfüllen.
8Das Landgericht hat die auf gesamtschuldnerische Verurteilung der sechs Beklagten gerichtete Klage, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von zumindest 131.751.027,46 € nebst Zinsen zu zahlen, abgewiesen. Es hat die Aktivlegitimation der Klägerin mit der Begründung verneint, dass alle zwischen ihr und den Zedenten abgeschlossenen Abtretungsvereinbarungen über die streitbefangenen Ansprüche nichtig seien. Für die vor dem 1. Juli 2008 vorgenommenen Abtretungen folge dies (bereits) aus einem Verstoß gegen die Bestimmungen des damals geltenden Rechts-beratungsgesetzes, weil die Klägerin über keine Erlaubnis verfügt habe, fremde Rechtsangelegenheiten zu besorgen. Die weiteren Abtretungen (Ende 2008/Anfang 2009) seien deshalb nichtig, weil mit ihnen die Klägerin und die Zedenten willentlich und in sittenwidriger Weise (§ 138 Abs. 1 BGB) das Prozesskostenerstattungsrisiko zum Nachteil der Beklagten verlagert hätten. Bei Abschluss dieser Vereinbarungen habe die Klägerin nicht über eine finanzielle Ausstattung verfügt, die ihr erlaubt hätte, im Falle des Prozessverlusts die Prozesskosten, insbesondere die Kostenerstattungsansprüche der Beklagten, zu tragen. Darüber hinaus hat das Landgericht darauf erkannt, dass die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung jedenfalls weitgehend durchgreife. Für die streitbefangenen Schadensersatzansprüche habe die dreijährige Regelverjährung gegolten, die mit Schluss des Jahres 2003 begonnen habe und mit Ende des Jahres 2006 abgelaufen sei. Die Verjährung sei vor ihrem Ablauf mangels Forderungsberechtigung der Klägerin nicht durch die Erhebung der Klage und im Übrigen auch nicht gemäß § 33 Abs. 5 GWB 2005 auf Grund der Einleitung des Kartellbußgeldverfahrens gehemmt worden, da diese Vorschrift auf bereits vor dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle entstandene Schadensersatzansprüche weder unmittelbar noch mittelbar anzuwenden sei. Unverjährt könnten daher - so das Landgericht - allenfalls deliktische Herausgabeansprüche im Sinne von § 852 Abs. 3 BGB a.F. bzw. § 852 S. 1 BGB (n.F.) sein.
9Hiergegen richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Mit ihrem Rechtsmittel hält sie in erster Linie vollumfänglich an ihrem ursprünglichen Klagebegehren fest. Für den Fall der Verneinung von aus einem „bundesweiten Kartell“ folgenden Ansprüchen will sie im zweiten Rechtszug hilfsweise nach näherer Maßgabe der nachstehend dargestellten Anträge Schadensersatz wegen in vier Kartellregionen begangener Kartellrechtsverstöße jeweils mehrerer Beklagter geltend machen. Zudem beruft sie sich auf weitere Abtretungsvereinbarungen, die sie nach der Verkündung des landgerichtlichen Urteils „vorsorglich“ mit 31 der 36 Zedenten erneut abgeschlossen haben will; in diesem Zusammenhang hat sie - neuen - Vortrag zu ihrer wirtschaftlichen Situation bei Vornahme der „Neuabtretungen“ aus April bis Juni 2014 gehalten.
10Die Klägerin beantragt,
11unter Abänderung des Urteils des Landgerichts
12I.
13die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie Schadensersatz in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, mindestens jedoch in Höhe von 131.751.027,46 € nebst Zinsen, diese nach näherer Maßgabe des Antrags Ziff. I. der Berufungsbegründung vom 14.3.2014 (dort S. 4 f.), zu zahlen;
14II.
15- hilfsweise bei Zurückweisung des Antrags zu I. -
161.
17die Beklagten zu 1., zu 2., zu 5. und zu 6. als Gesamtschuldner und als Teilnehmer an der Kartellabsprache für die Region Nord zu verurteilen, an sie Schadensersatz in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, mindestens jedoch in Höhe von 12.313.128,59 € nebst Zinsen, diese nach näherer Maßgabe des Antrags Ziff. II.1. der Berufungsbegründung vom 14.3.2014 (dort S. 5 f.), zu zahlen,
182.
19die Beklagten zu 1., zu 2., zu 3. und zu 5. als Gesamtschuldner und als Teilnehmer an der Kartellabsprache für die Region West zu verurteilen, an sie Schadensersatz in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, mindestens jedoch in Höhe von 36.781.330,88 € nebst Zinsen, diese nach näherer Maßgabe des Antrags Ziff. II.2. der Berufungsbegründung vom 14.3.2014 (dort S. 6 f.), zu zahlen,
203.
21die Beklagten zu 2., zu 3., zu 4. und zu 5. als Gesamtschuldner und als Teilnehmer an der Kartellabsprache für die Region Süd zu verurteilen, an sie Schadensersatz in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, mindestens jedoch in Höhe von 35.661.977,87 € nebst Zinsen, diese nach näherer Maßgabe des Antrags Ziff. II.3. der Berufungsbegründung vom 14.3.2014 (dort S. 7 f.), zu zahlen,
224.
23die Beklagten zu 1. bis zu 6. als Gesamtschuldner und als Teilnehmer an der Kartellabsprache für die Region Ost zu verurteilen, an sie Schadensersatz in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, mindestens jedoch in Höhe von 35.393.141,71 € nebst Zinsen, diese nach näherer Maßgabe des Antrags Ziff. II.4. der Berufungsbegründung vom 14.3.2014 (dort S. 8 f.), zu zahlen.
24Die Beklagten beantragen,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Die Streithelferinnen der Beklagten haben keine Anträge gestellt.
27Die Beklagten verteidigen das Urteil des Landgerichts. Soweit die Klägerin hilfsweise Schadensersatz in Bezug auf regionale Kartelle geltend machen will und auch soweit die Klägerin sich „vorsorglich“ auf weitere Forderungsabtretungen aus 2014 stützt, sehen die Beklagten hierin jeweils zweitinstanzliche Klageänderungen (§ 533 ZPO), die nicht zulässig und mithin nicht zuzulassen seien. Dem Vorbringen der Klägerin zum Abschluss neuer Abtretungsvereinbarungen sowie zu ihrer - der Klägerin - wirtschaftlichen Situation im Jahr 2014 treten die Beklagten bestreitend entgegen.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
29II.
30Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
31Das Rechtsmittel gegen die Beklagte zu 1. ist bereits deshalb unbegründet, weil alle gegen diese Beklagte womöglich in Betracht kommenden Schadensersatzansprüche verjährt sind. In Bezug auf die Beklagte zu 1. ist die Anspruchsverjährung weder durch die Einleitung des Kartellbußgeldverfahrens noch durch die Erhebung der Klage bzw. die während des ersten Rechtszugs erfolgte Einführung weiterer Abtretungsvereinbarungen in den Prozess gehemmt worden. Mit Recht hat das Landgericht die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug zwischen der Klägerin und den Zedenten vorgenommenen Abtretungsrechtsgeschäfte wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz bzw. wegen sittenwidriger Verschiebung des Prozesskostenerstattungsrisikos zum Nachteil der Beklagten für rechtsunwirksam gehalten, so dass die Klägerin keine Forderungsberechtigung erlangt hat (hier unter A.). Auch das Rechtsmittel gegen die Beklagte zu 2. hat schon unter dem Gesichtspunkt der Anspruchsverjährung keinen Erfolg. Dies gilt unbeschadet einer zwischenzeitlich eingetretenen Hemmung der Verjährung gemäß § 33 Abs. 5 GWB (2005). Gegenüber der von der Beklagten zu 2. erhobenen Verjährungseinrede kann die Klägerin sich auch nicht mit Erfolg unter Berufung auf deliktische Herausgabeansprüche auf sogenannten „Restschadensersatz“ im Sinne von § 852 S. 1 BGB (bzw. § 852 Abs. 3 BGB a.F.) verteidigen. Zwar sind etwaige Ansprüche auf „Restschadensersatz“ gegen die Beklagte zu 2. für sich genommen nicht (auch) verjährt. Jedoch sind der Klägerin in diesem Rechtsstreit schon dem Grunde nach keine Kartellschadensersatzansprüche zuzusprechen (hier unter B.). Letzteres gilt im Verhältnis der Klägerin zu allen sechs Beklagten und wird daher auch hinsichtlich der Beklagten zu 2. hier gesondert unter C. und D. dargelegt. Die Berufung der Klägerin hat gegen alle Beklagten keinen Erfolg, weil der Klägerin in Bezug auf die streitbefangenen Schadensersatzansprüche auch bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Aktivlegitimation fehlt. Soweit die Klägerin sich auf nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils „vorsorglich“ erneut abgeschlossene Abtretungsvereinbarungen mit den meisten (31 von 36) Zedenten stützen will, handelt es sich hierbei um eine unzulässige Klageänderung, in die die Beklagten nicht eingewilligt haben und die weder gemäß § 533 Nr. 1 ZPO sachdienlich ist noch auf im Sinne von § 533 Nr. 2 ZPO bei der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zu berücksichtigende Tatsachen gestützt werden kann (hier unterC.). Unabhängig von der fehlenden Forderungsberechtigung der Klägerin ist die Berufung gegen alle Beklagten für sich genommen aber auch deshalb unbegründet, weil die Beklagten, anders als nach dem erstinstanzlichen Klagebegehren - unzutreffend – vor-ausgesetzt, kein „bundesweites Kartell“ im Sinne des Vorbringens der Klägerin praktiziert haben (hier auch unter C.). Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz mit ihren Hilfsanträgen Schadensersatzansprüche aus regionalen Kartellen zu verfolgen beabsichtigt, handelt es sich - auch - hierbei um erstmals im zweiten Rechtszug geltend gemachte, indes unzulässige Klageänderungen. Diesen haben die Beklagten widersprochen, die übrigen Zulassungsvoraussetzungen des § 533 Nr. 1 (Sachdienlichkeit) bzw. Nr. 2 (Tatsachenkongruenz) ZPO liegen nicht vor (hier unter D.).
32A. Das Rechtsmittel der Klägerin gegen die Beklagte zu 1. hat allein schon deshalb keinen Erfolg, weil die von dieser Beklagten erhobene Verjährungseinrede durchgreift, § 214 Abs. 1 BGB.
331. Wie bereits das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend dargelegt hat, unterliegen die in Betracht kommenden Schadensersatzansprüche der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1, 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB 1990 sowie §§ 33, 1 GWB 1998 für den von der Klägerin reklamierten Kartellzeitraum der Jahre 1993 bis 2002 den seit dem 1. Januar 2002 geltenden Verjährungsvorschriften (§§ 195, 199 BGB); sie sind nicht nach §§ 852 Abs. 1, 198 S. 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (fortan a.F.) zu beurteilen.
34a. Nach §§ 852 Abs. 1, 198 S. 1 BGB a.F. unterliegen Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung einer Verjährungsfrist von drei Jahren, die in dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem der Verletzte von dem entstandenen Schaden und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB sehen ebenfalls eine regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (Regelverjährung) vor, die grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Nach beiden Gesetzeslagen bezieht sich die Kenntnis auf die anspruchsbegründenden Tatsachen in dem Sinne, dass es dem Geschädigten zumutbar sein muss, auf Grund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage, zumindest als (nicht notwendig risikolose) Feststellungsklage zu erheben, die bei verständiger Würdigung der von ihm vorgetragenen Tatsachen hinreichende Erfolgsaussicht hat (vgl. BGH, Urteil v. 10.11.2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214 = NJW-RR 2010, 681, Rz. 6; BGH, Urteil v. 26.2.2013 - XI ZR 498/11, BGHZ 196, 233 = NJW 2013, 1801, Rz. 27; Thomas, in: Palandt, BGB, 61. Aufl. [2002], § 852 Rz. 4 m.Nachw. zur Rsp.; zur heutigen Rechtslage vgl. Ellenberger in: Palandt, BGB, 70. Aufl. [2011], § 199 Rz. 28). Weder ist es notwendig, dass der Gläubiger alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise noch Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können (BGH, Urt. v. 7.11.2014 Rn. 15 – V ZR 309/12 m.w.N.).
35b. Auch soweit Schadensersatzansprüche bereits vor dem Stichtag des 1. Januar 2002 entstanden, aber bei Inkrafttreten der §§ 195, 199 BGB (n.F.) noch nicht verjährt sind, finden gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB die neuen Verjährungsvorschriften Anwendung; allein der Beginn der Verjährung richtet sich wegen Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB für die Zeit vor dem Stichtag nach der alten Rechtslage. Vorliegend scheidet ein Verjährungsbeginn noch vor dem 1. Januar 2002 aus. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Zedenten und/oder deren Wissensvertreter bereits vor diesem Stichtag die im Sinne von § 852 Abs. 1 BGB a.F. für den Verjährungsbeginn nötige Kenntnis besaßen, (auch) nach dem Vorbringen der Beklagten nicht festzustellen sind (vgl. LGU S. 29/30). Diese Wertung greifen die Beklagten in der Berufungsinstanz auch nicht an.
36c. Bei dieser Sachlage ist in Bezug auf alle in Betracht kommenden Schadensersatzansprüche die neue Regelverjährungsfrist vom 1. Januar 2002 an zu berechnen. Dies folgt aus Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB. Diese Vorschrift sieht für den Fall, dass die Verjährungsfrist nach Maßgabe des neuen Rechts kürzer ist als die nach altem Recht, vor, dass die kürzere Frist vom 1. Januar 2002 an zu berechnen ist. Eine solche Situation liegt hier vor, denn mit der in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (n.F.) angeordneten Gleichstellung von Kenntnis und grober Fahrlässigkeit ist ein über die Regelungen des § 852 BGB a.F. hinausgehender, verjährungsverkürzender Anwendungsfall eröffnet worden (BGH, Urteil v. 10.11.2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214 = NJW-RR 2010, 681, Rz. 10; BGH, Urteil v. 13.7.2010 - XI ZR 57/08, BeckRS 2010, 19391, Rz. 41). Die (längere) Frist des § 852 Abs. 1 BGB a.F. ist vorliegend auch nicht ausnahmsweise nach Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 2 EGBGB maßgeblich, denn sie ist - wie vorstehend bereits dargelegt - vor dem Stichtag des 1. Januar 2002 nicht in Gang gesetzt worden; die Frist des § 852 Abs. 1 BGB a.F. konnte mithin nicht, wie in Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 2 EGBGB vorausgesetzt, früher als die Regelverjährung neuen Rechts ablaufen.
372. Gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB hat die dreijährige Regelverjährungsfrist im Streitfall mit Schluss des Jahres 2003 begonnen. In jenem Jahr haben alle Zedenten einschließlich der Subzedenten von den anspruchsbegründenden Umständen und den Schuldnerpersonen entweder Kenntnis erlangt oder hätten die Zedenten die entsprechende Kenntnis ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssen.
38a. Hiervon ist das Landgericht mit Recht unter dem zutreffenden Verweis auf die das Bußgeldverfahren gegen die Beklagten betreffende Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom 14. April 2003 (Anlage OP 3 zur Berufungsbegründung v. 14.3.2014 = GA 7830) und die darüber hinaus breitgestreute Berichterstattung jenes vom Amt mit „Rekordgeldbußen“ abgeschlossenen Verfahrens in der deutschen Presse ausgegangen; beispielhaft wird Bezug genommen auf die von der Beklagten zu 5. überreichten (Anlage 1 zum Schriftsatz v. 13.5.2013 = GA 6715 ff.) zahlreichen Presseartikel aus April/Mai 2003, veröffentlicht u.a. in Handelsblatt, Der Tagesspiegel, Financial Times Deutschland, RP Online, Die Welt, Spiegel Online, Frankfurter Allgemeine Zeitung und manager magazin online. Dass die Zedenten diese ausgesprochen intensive Berichterstattung in zeitlicher Nähe ihrer Veröffentlichung, mithin noch weit vor Ende des Jahres 2003, nicht zur Kenntnis nahmen, ist fernliegend. Es liegt auf der Hand, dass die vorliegend Gesamtschäden in einem dreistelligen Euromillionenbereich reklamierenden Zedenten als Marktteilnehmer den Zementmarkt und auch das Marktverhalten der Marktgegenseite, insbesondere der Beklagten, als herausragend wichtige Lieferanten, durchgängig zu beobachten pflegen. Soweit sie oder einzelne von ihnen eine derart intensive Berichterstattung wie die vorbezeichnete tatsächlich nicht oder nicht kurzfristig nach ihrer Veröffentlichung zur Kenntnis genommen haben sollten, würde dies allein mit einer groben Nachlässigkeit der betreffenden Marktteilnehmer zu erklären sein.
39Die Presseberichterstattung über die vom Bundeskartellamt im April 2003 gegen die Beklagten erlassenen Bußgeldbescheide war auch geeignet, den Zedenten im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen und den Anspruchsgegnern zu verschaffen. Die Berichterstattung verhält sich zu Gebiets- und Quotenabsprachen zwischen den namentlich genannten Kartellanten in Bezug auf vier regionale Märkte (Nord-, Süd-, Ost-Deutschland, Westfalen) über einen in den 1970er Jahren beginnenden und im Jahr 2002 endenden Zeitraum; die Absprachen hätten - so die Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom 14. April 2003 - auf dem Zementmarkt den „Wettbewerb … nahezu vollständig ausgeschlossen“. Die Zedenten haben zur Zeit der Berichterstattung über das Kartellbußgeldverfahren in ständigen Geschäftsbeziehungen mit den beklagten Zementherstellern gestanden und insbesondere auch von diesen direkt Zement bezogen. Sie sind daher auf Grund eigener Markterfahrungen ohne Weiteres in der Lage gewesen nachzuvollziehen, ob und inwieweit sie in der nach den Presseveröffentlichungen in Betracht kommenden Kartellzeit von den Kartellanten Zement zu welchen Preisen bezogen haben. Auf Grund dieser Tatsachenbasis ist ihnen eine für die Erhebung (zumindest) einer hinreichend aussichtsreichen Feststellungsklage genügende Einschätzung möglich gewesen, ob und inwieweit ihnen dem Grunde nach gegen die Kartellanten Schadensersatzansprüche entstanden sind. Dies gilt umso mehr, als sich die Presseberichterstattung über einen kartellbedingten weitgehenden Ausschluss des Wettbewerbs auf dem Gesamtmarkt verhält, was hierdurch verursachte Schäden zum Nachteil der Zementabnehmer dem Grunde nach besonders nahelegt. Vor diesem Hintergrund ist den Zedenten die Geltendmachung von Schadensersatz gegen die Beklagten zumindest im Wege der Feststellungsklage bereits im Laufe des Jahres 2003 möglich und zumutbar gewesen. Nicht erheblich ist dagegen, dass eine solche Klage aus damaliger Sicht, auch in Anbetracht womöglich fehlender Beweismittel, nicht im Wesentlichen risikolos erschienen haben mag und den Zedenten nicht alle möglicherweise bedeutsamen Einzelumstände bekannt gewesen sein mögen (vgl. nur BGH, Urteil v. 26.2.2013 - XI ZR 498/11, BGHZ 196, 233 = NJW 2013, 1801, Rz. 27 m.w.N.). Es kommt - entgegen der Auffassung der Berufung - auch nicht darauf an, dass die Klägerin zur Bezifferung der den Zedenten entstandenen Schäden mehr als 2,5 Jahre benötigt haben und daher erst im August 2005 in der Lage gewesen sein will, eine Leistungsklage zu erheben (vgl. S. 93 der Berufungsbegründung = GA 7766). Diese Darstellung bietet freilich gewichtigen Anhalt dafür, dass die Klägerin selbst davon ausgeht, dass ihr die Erhebung einer Feststellungsklage bereits im Jahr 2003 möglich gewesen wäre und sie selbst bereits im Frühjahr 2003 eine Schadensersatzhaftung der Beklagten ernsthaft für möglich gehalten und dementsprechend kostenträchtige Maßnahmen zur Bezifferung des Kartellschadens eingeleitet hat.
40Die aufgezeigten Gesichtspunkte belegen schon für sich genommen eine im Jahr 2003 vorhandene Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis der Zedenten im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
41b. Dieser Befund wird durch das Hinzutreten weiterer - jeweils unstreitiger - Umstände zusätzlich erhärtet. Die Klägerin hatte - wie im landgerichtlichen Urteil unangegriffen ausgeführt - bereits in ihrem Gründungsjahr 2002 begonnen, ihr Geschäftsmodell bezüglich einer über sie gebündelten Geltendmachung von Kartellschadensersatzansprüchen gegen die beklagten Zementhersteller zu bewerben. Im Dezember 2002 versandte ihr Verwaltungsrat Rechtsanwalt D....Schreiben an die späteren Zedenten, in denen sie - die Klägerin - darauf hinwies, kurzfristig Schadensersatzforderungen geschädigter Zementverbraucher zu erwerben, wobei die Erfolgschancen für eine Durchsetzung dieser Ansprüche „sehr hoch“ seien, zumal auf Grund von Angaben der Hersteller „S. AG [Anm. des Senats: Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1.] und E. AG" im Rahmen der Kronzeugenregelung und weiterer ihr „zugänglich gewordener Informationen“ von einer „exzellenten Beweislage“ auszugehen sei (vgl. hierzu S. 24 f., Rzn. 114 f. der Berufungserwiderung der Beklagten zu 2. v. 6.6.2014 = GA 8585 f.). Über D....hatte die Klägerin zudem bereits im Jahr 2003 auf Grund einer Einsichtnahme in die Verfahrensakten des Bundeskartellamts Kenntnis (u.a.) von den gegen die hiesigen Beklagten erlassenen Bußgeldbescheiden erlangt (vgl. S. 58 der Berufungserwiderung der Beklagten zu 1. v. 26.5.2014 = GA 7943). Ausweislich eines in Die Welt am 3. Mai 2003 veröffentlichen Presseberichts mit dem Titel „Zementbranche droht Milliarden-Klage“ (Bestandteil der Anlage 1 zum Schriftsatz der Beklagten zu 5. v. 13.5.2013 = GA 6738 f.) hatte D....sich gegenüber der genannten Zeitung dahingehend geäußert, dass die Kunden der vom Bundeskartellamt mit Geldbußen belegten Zementhersteller künstlich hochgehaltene Preise entrichtet hätten, die mit Rücksicht auf eigene Äußerungen der Zementkonzerne teilweise pro Tonne Zement bei zehn bis siebzehn Euro über dem wirklichen Wettbewerbspreis gelegen hätten, ferner dass 40 Unternehmen ihre kartellbedingten Schadensersatzansprüche gegen die Zementhersteller an die Klägerin bereits verkauft oder entsprechende Verkaufszusagen abgegeben hätten, dass diese Abnehmer durch das Zementkartell gegen die an ihm Beteiligten Schadensersatzforderungen in einer Gesamtgrößenordnung von bis zu 1,6 Milliarden Euro erlangt hätten und dass die Klägerin eine außergerichtliche Einigung mit den Kartellanten anstrebe, indes bei Scheitern der Verhandlungen „ab Herbst (lies: 2003) Zivilprozesse anstrengen“ werde. Noch im Jahr 2003 hat die Klägerin mit 22 der insgesamt 36 Zedenten (vgl. S. 7, Rz. 8 des Schriftsatzes der Beklagten zu 3. v. 24.5.2013 = GA 6747) Kauf- und Zessionsverträge über die streitbefangenen Kartellschadensersatzforderungen abgeschlossen. In diesen Verträgen ist u.a. niedergelegt, dass in Bezug auf die Kartellrechtsverstöße dem Bundeskartellamt insbesondere auf Grund von „Kronzeugen“-Angaben eines Teils der Kartellbeteiligten „umfangreiche und detaillierte Beweismittel“ vorlägen (vgl. hierzu S. 58 der Berufungserwiderung der Beklagten zu 1. = GA 7943). Bei einer Gesamtbetrachtung aller vorstehend aufgeführten Umstände drängt sich geradezu auf, dass neben der Klägerin selbst auch alle weiteren Beteiligten der noch im Jahr 2003 abgeschlossenen Kauf- und Zessionsverträge bei Abgabe ihrer auf diese Verträge gerichteten Willenserklärungen von dem Bestehen und der gerichtlichen Durchsetzbarkeit von Kartellschadensersatzansprüchen gegen die vorliegend beklagten Zementhersteller ausgegangen sind; anderenfalls würde die Vornahme dieser Rechtsgeschäfte vernünftigerweise auch nicht zu erklären sein. Die aufgezeigten Umstände erhellen, dass die ersten 22 Zedenten selbst von einer solchen Tatsachenkenntnis ausgingen, die ihnen bereits im Jahr 2003 erlaubte, mit einer hinreichenden Aussicht auf Erfolg Schadensersatzansprüche gegenüber den kartellbeteiligten Zementherstellern zumindest im Wege einer Feststellungsklage geltend zu machen.
42c. Die vorstehend dargelegte Sachlage begründet zusätzlichen Anhalt dafür, dass auch bei den 14 weiteren Zedenten die subjektiven Umstandsmomente im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB durchgängig bereits im Laufe des Jahres 2003 eingetreten sind. Die geschilderten Aktivitäten der Klägerin (Anschreiben an Zedenten im Dezember 2002, Interview in „Die Welt“, Inhalt der Kauf- und Zessionsverträge) waren an die Branche der Zementabnehmer gerichtet und konnten dort nicht unbemerkt bleiben. Sie vermittelten deshalb den 14 weiteren Zedenten entweder zusätzlich die Kenntnis vom Kartellverstoß und den Kartellbeteiligten oder sie stützen gegen diese Unternehmen zusätzlich den Vorwurf einer grobfahrlässigen Unkenntnis. Irgendwelche Umstände, die dieser Schlussfolgerung entgegenstehen könnten, trägt die Klägerin nicht vor; sie sind auch sonst nicht ersichtlich.
43Nach alledem unterliegen die eingeklagten kartellrechtlichen Schadensersatzansprüche einer dreijährigen Verjährungsfrist, deren Lauf zum Ende des Jahres 2003 begann und zum Ablauf des Jahres 2006 endete.
443. Die Ersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1. sind bei dieser rechtlichen Ausgangslage verjährt. Denn der Ablauf der Verjährungsfrist ist weder durch das kartellbehördliche Bußgeldverfahren noch durch Klageerhebung gehemmt worden.
45a. Die Einleitung des Kartellbußgeldverfahrens gegen die beklagten Zementhersteller hat die Verjährung der gegen die Beklagte zu 1. entstandenen Schadensersatzansprüche nicht gehemmt. Eine Hemmung dieser Ansprüche lässt sich nicht über die mit der 7. GWB-Novelle im Juli 2005 in das Kartellgesetz eingefügte Vorschrift des § 33 Abs. 5 S. 1 GWB begründen. Die Norm führt nach ihrem Wortlaut zur Verjährungshemmung von Schadensersatzansprüchen nach § 33 Abs. 3 GWB, wenn die nationale Kartellbehörde wegen eines Verstoßes im Sinne des § 33 Abs. 1 GWB ein Verfahren einleitet. Die Parteien streiten darüber, ob § 33 Abs. 5 S. 1 GWB 2005 auch auf solche Schadensersatzansprüche Anwendung finden kann, die bereits vor dem Tag des Inkrafttretens der 7. GWB-Novelle (vgl. hierzu BGH, Beschluss v. 26.2.2013 - KRB 20/12, NZKart 2013, 195, Rz. 49 -Grauzementkartell) entstanden waren. Diese Rechtsfrage ist, wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. Urteil v. 29.1.2014 - VI-U (Kart) 7/13 - [Vorinstanz: 88 O 1/11 - Landgericht Köln], Umdruck S. 47 f., Rz. 153 bei juris) und an anderer Stelle noch näher erörtert wird, zwar grundsätzlich zu bejahen. Vor dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle entstandene Kartellschadensersatzansprüche sind einer Verjährungshemmung gemäß § 33 Abs. 5 S. 1 GWB (2005) zugänglich, sofern sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Vorschrift nicht bereits verjährt gewesen sind. Jedoch kann die Klägerin sich gegenüber der Beklagten zu 1. deshalb nicht auf § 33 Abs. 5 S. 1 GWB stützen, weil das zu Grunde liegende kartellbehördliche Verfahren dieser Beklagten gegenüber bereits vor dem Inkrafttreten der Norm bestandskräftig abgeschlossen worden ist (vgl. Senat, a.a.O.; so auch Fuchs/Klaue, in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, 4. Aufl. [2007], § 131 Rz. 22); die Beklagte zu 1. hat den gegen sie im Frühjahr 2003 erlassenen Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts nicht angefochten und somit (nach Ablauf von zwei Wochen nach Bescheidzustellung, § 67 Abs. 1 OWiG) noch in 2003 bestandskräftig werden lassen. Die vor dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle bereits eingetretene Bestandskraft der kartellbehördlichen Entscheidung steht einer Verjährungshemmung gemäß § 33 Abs. 5 S. 1 GWB entgegen. Nach den Gesetzesmaterialien – (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf - BT-Drucks. 15/3640, S. 55) - ist Sinn und Zweck dieser Norm, dem Geschädigten Gelegenheit zu geben, den Ausgang eines womöglich langwierigen kartellbehördlichen Verfahrens abzuwarten, um im Rahmen einer sich anschließenden Schadensersatzklage in den Genuss der Tatbestandswirkung des § 33 Abs. 4 GWB 2005 kommen zu können. § 33 Abs. 5 S. 1 GWB ist vor diesem Hintergrund dann nicht anzuwenden, wenn Gründe vorliegen, aus denen dem Geschädigten zu versagen ist, sich auf die Tatbestandswirkung des § 33 Abs. 4 GWB zu berufen; der vorbezeichnete Zweck der Hemmungsvorschrift kann dann nämlich nicht erfüllt werden. So liegt der Fall hier. Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. Urteil v. 30.9.2009 - VI-U (Kart) 17/08, WuW/E DE-R 2763, Rzn. 33 ff. bei juris; so auch OLG Karlsruhe, Urteil v. 31.7.2013 - 6 U 51/12 (Kart), NZKart 2014, 366, Rz. 47 bei juris), kann von kartellbehördlichen oder kartellgerichtlichen Entscheidungen nur dann eine Tatbestandswirkung im Sinne von § 33 Abs. 4 GWB (2005) ausgehen, wenn sie erst nach Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle bestands- bzw. rechtskräftig geworden sind. Der mit der Unanfechtbarkeit der Entscheidung einhergehende Abschluss des kartellbehördlichen/-gerichtlichen Verfahrens führt zu einem nunmehr unabänderbaren prozessual erheblichen Sachverhalt. Erlangt die Entscheidung daher erst nach dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle Bestands- bzw. Rechtskraft, ist ein Eingreifen des § 33 Abs. 4 GWB (2005) gerechtfertigt, weil dann weder eine unzulässige Gesetzesrückwirkung noch eine sonstige Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens desjenigen vorliegen, gegen den sich die Entscheidung richtet. Liegt dagegen der bestands- bzw. rechtskräftige Abschluss des Verfahrens - wie hier - vor dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle, handelt es sich um einen abgeschlossenen Sachverhalt, auf den § 33 Abs. 4 GWB nicht rückwirkend angewendet werden darf (vgl. Senat, a.a.O.; Immenga/ Mestmäcker-Fuchs/Klaue, § 131, Rz. 21). Diese Wertung schlägt auf die Frage der Anwendbarkeit des die Tatbestandswirkungsnorm flankierenden § 33 Abs. 5 S. 1 GWB durch, so dass vorliegend im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 1. das vom Bundeskartellamt betriebene Verfahren zu keiner Verjährungshemmung hat führen können.
46b. Die Erhebung der Klage im August 2005 hat ebenfalls nicht zur Hemmung der Verjährung geführt. Die Hemmungsvorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB greift nicht ein. Ihrer Anwendung steht entgegen, dass die Klägerin weder bei Klageerhebung noch zu einem späteren Zeitpunkt vor Ablauf der Regelverjährung (31. Dezember 2006) Berechtigte der fraglichen Schadensersatzansprüche gewesen bzw. geworden ist (vgl. hierzu BGH, Urteil v. 29.10.2009 - I ZR 191/07, NJW 2010, 2270 [2271}. Rz. 38). Die vor Ablauf der Regelverjährung zwischen den Zedenten und der Klägerin über die Kartellschadensersatzansprüche vorgenommenen Abtretungsrechtsgeschäfte sind unwirksam und haben daher der Klägerin keine Berechtigung an den Ansprüchen verschafft.
47aa. Die bis Ende 2006 vorgenommenen Abtretungsgeschäfte sind gemäß § 134 BGB nichtig. Ihnen liegt ein Verstoß gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1 des - bis zum 30. Juni 2008 geltenden - Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) zu Grunde; der Verstoß zieht die rechtliche Unwirksamkeit der Abtretungen nach sich (vgl. hierzu BGH, Urteil v. 10.5.2012 -IX ZR 125/10, BeckRS 2012, 14569 = NJW 2012, 2435, Rz. 24).
48(1) Auf die (zumindest) aus § 134 BGB, Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG folgende Nichtigkeit der noch unter dem Regime des RBerG vorgenommenen Abtretungen hat das Landgericht zu Recht und mit völlig zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, erkannt. Die rechtliche Beurteilung im angefochtenen Urteil steht überdies in vollem Einklang mit der aus dem vorzitierten Urteil ersichtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
49(2) Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.
50(2.1) Unzutreffend ist die Auffassung der Berufung, die Klage habe keine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne des RBerG zum Inhalt, da es sich bei den Abtretungsgeschäften nicht um Inkassozessionen gehandelt habe.
51Den beabsichtigten Abtretungen liegen - unstreitig und vom Landgericht unangegriffen festgestellt - Kaufverträge zu Grunde, nach denen die Klägerin neben einem ganz offensichtlich untergeordneten Festanteil von 100 Euro je Zedent einen nur für den Fall des Erfolgs der Klage zu entrichtenden Kaufpreis -in Höhe von 65 bis 85 % der jeweils beizutreibenden Forderungsbeträge- zahlen sollte und die Zedenten an den eingezogenen Beträgen beteiligt werden sollten. Damit liegt ein geradezu typischer Fall von Abtretungen zu Einziehungszwecken im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG vor (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 27). Lediglich noch weiter untermauert wird dies im Übrigen von weiteren in den Verträgen geregelten Pflichten, die auf die Wahrnehmung von Fremdinteressen der Zedenten gerichtet sind; dies gilt zum Beispiel für die Pflichten der Klägerin, verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen und sich in Zusammenhang mit vergleichsweisen Einigungen mit den Zedenten abzustimmen, des Weiteren auch für festgelegte Rückabwicklungsmöglichkeiten (vgl. hierzu etwa S. 11 der Berufungserwiderung der Beklagten zu 1. = GA 7896).
52Ebenso steht -wie bereits das Landgericht ausgeführt hat- die Geschäftsmäßigkeit der fremden Rechtsbesorgung außer Zweifel, zumal die Klägerin selbst auch in der Berufung an ihrem Vorbringen festgehalten hat, ihr Zweck sei generell auf die Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Schadensersatzansprüche von gewerblichen Abnehmern gerichtet (vgl. S. 46 f. der Berufungsreplik v. 10.7.2014 = GA 8648).
53(2.2) Der Berufung ist auch nicht zu folgen, soweit sie eine „Erforderlichkeit der Zwischenschaltung der Klägerin“ (vgl. hierzu S. 72 f. unter III.2. der Berufungsbegründung = GA 7745 f.) reklamiert.
54Die Einschaltung von Rechtsanwälten zur Prozessvertretung der Klägerin ändert an dem Verstoß gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG grundsätzlich nichts; auch dies entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 34). Die Umstände des Streitfalls rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.
55Anders als die Berufung meint, ist der Streitfall nicht durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass der Klägerin gegenüber den Zedenten schwerpunktmäßig die Ermittlung eines Sachverhalts oblegen hat, von dem nur sie Kenntnis gehabt hat oder dessen Aufarbeitung ihr auf Grund von tatsächlichen Gegebenheiten (wesentlich) eher als den mit ihr verbundenen Zedenten und/oder den von ihr eingeschalteten Prozessbevollmächtigten möglich gewesen ist (vgl. hierzu BGH, Versäumnisurteil v. 29.7.2009 - I ZR 166/06, NJW 2009, 3242 [3244 f.], Rz. 25 - Finanz-Sanierung). Ohne jede Substanz und deshalb unerheblich ist die Behauptung der Berufung, die „kollektive Erfassung von Transaktionsdaten einer Vielzahl von Kartellgeschädigten“ (vgl. Berufungsbegründung, a.a.O.) sei der Klägerin möglich, dagegen einem einzelnen Zedenten, auch mit anwaltlicher Hilfe, nicht möglich gewesen. Nichts spricht dafür, dass etwa im Falle einer gebündelten Geltendmachung von Kartellschadensersatzansprüchen im Wege aktiver Streitgenossenschaft (§ 59 ZPO) der Zedenten/Subzedenten unter Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe eine den Leistungen der Klägerin adäquate Sachverhaltsermittlung und -aufarbeitung nicht möglich gewesen wäre. Dies gilt umso mehr, als die einzelnen Transaktionsdaten durchgängig bereits zu Tage getreten waren, bevor die Zedenten die Klägerin mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragten.
56Unabhängig von dem Vorstehenden verfängt der Hinweis der Berufung auf eine angebliche Ausgliederung der rechtlichen Beratung der Zedenten auf die von der Klägerin eingeschalteten Prozessbevollmächtigten aber auch deshalb nicht, weil - unstreitig - die Klägerin den mit ihr verbundenen Zedenten (im Sinne eigener Verbindlichkeiten) vertraglich versprochen hat, diese rechtlich zu beraten und die Wahrnehmung der Rechtsinteressen der Zedenten zu übernehmen. Beispielhaft wird insoweit auf die - unwidersprochenen - Darlegungen der Beklagten zu 3. in ihrer Berufungserwiderung vom 27. Mai 2014 (vgl. dort S. 39, Rz. 134 und S. 40 f., Rz. 142 = GA 8159 ff.) Bezug genommen. Hiernach sollte die Klägerin den Kartellgeschädigten die Wahrung von deren rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen und eine regelmäßige Berichterstattung über ihre Aktivitäten schulden; ferner sollte sie sich gegenüber den Zedenten über die Erfolgsaussichten einer gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen unter Benennung erkennbarer Risiken und eventuell noch erforderlicher weiterer Beweismittel äußern. Die Klägerin war ihren Zedenten überdies verpflichtet, verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen und sich vor einer gütlichen Einigung mit den kartellbeteiligten Zementherstellern mit ihnen (den Zedenten) abzustimmen. Der so umschriebene Pflichtenkatalog der Klägerin ist damit ganz offensichtlich auf eine Besorgung fremder Rechtsinteressen im Sinne des RBerG gerichtet, für die der Klägerin indes - unstreitig - die gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG erforderliche behördliche Erlaubnis fehlte.
57(2.3) Fehl geht auch der Einwand der Berufung, das (inzwischen außer Kraft getretene) RBerG müsse unionsrechtskonform dahin ausgelegt werden, dass es auf die Abtretung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche kleiner und mittlerer Unternehmen nicht anzuwenden ist. Anders als das Rechtsmittel meint, ist eine solche Auslegung keinesfalls geboten, um dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz einer effektiven Durchsetzung von Kartellschadensersatzansprüchen zu genügen.
58Wie bereits der Gerichtshof der Europäischen Union (vormals der Europäischen Gemeinschaften) entschieden hat, ist das RBerG mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar (vgl. EuGH, Urteil v. 12.12.1996 - C-3/95). Es besteht kein rechtfertigender Grund dafür, dies hinsichtlich sowie zu Gunsten einer effektiven Durchsetzung von Kartellschadensersatzansprüchen anders zu beurteilen. In diesem Kontext ist eine im Wege massenhafter Forderungsabtretungen bewerkstelligte Bündelung von Schadensersatzansprüchen bei der Klägerin und deren gerichtliche Verfolgung durch die Klägerin schon der Sache nach ganz offensichtlich keine alternativlose Handlungsweise. Als ein nicht minder effektives Vorgehen kommt beispielsweise eine von den einzelnen Geschädigten gemeinsam angestrengte Rechtsverfolgung im Wege aktiver Streitgenossenschaft in Betracht. Dies gilt auch dann, wenn und soweit auf Grund der Umstände des Falls zu einer sachgerechten Interessenvertretung umfänglichere Sachverhaltsermittlungen oder -aufarbeitungen sowie eine Konzentration von Tatsachenmaterial notwendig erscheinen. Solche Arbeiten können ohne Weiteres mit anwaltlicher sowie auch anderweitiger Hilfe Dritter erledigt werden. Auch die Klägerin hätte vorliegend zu Gunsten der Geschädigten solche Dienstleistungen erbringen können, ohne dass es unter Gesichtspunkten der Effektivität zugleich auch einer Abtretung von Forderungen an sie - die Klägerin - bedurft hätte. Dies wird nicht zuletzt auch daran deutlich, dass die Klägerin -wie in der eidesstattlichen Versicherung ihres Verwaltungsrats D....vom 5. August 2005 ausgeführt- die für die Erfassung der Transaktionsdaten verwendete Datenbank nicht etwa selbst erstellte, sondern insoweit ihrerseits einen externen Dienstleister beauftragt hatte. Dass eine effektive Durchsetzung der hier fraglichen Schadensersatzansprüche deren vorige Abtretung an einen geschäftsmäßigen Besorger fremder Rechtsangelegenheiten im Allgemeinen und/oder an die Klägerin im Besonderen voraussetzt, hat die Berufung vor dem genannten Hintergrund nicht ansatzweise aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich.
59Die von der Klägerin reklamierte unionsrechtskonforme Auslegung ist schließlich auch deshalb nicht geboten, weil weder dargetan noch sonst ersichtlich ist, dass und weshalb es (gerade) bei der Durchsetzung von Kartellschadensersatzansprüchen Rechtsbesorgern nicht möglich und zumutbar gewesen ist, die unter dem Regime des RBerG nötig gewesene Erlaubnis einzuholen. Nichts anderes gilt im Übrigen hinsichtlich der Klägerin selbst, zumal - wie aus ihrem Vorbringen folgt (vgl. S. 72 der Berufungsreplik v. 10.7.2014 = GA 8674) - ihr nach dem Außerkrafttreten des RBerG die auch nach dem neuen Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) erforderliche (vgl. §§ 2 Abs. 2 S. 1, 3, 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG) Tätigkeitserlaubnis auf ihren Antrag hin offenbar unproblematisch erteilt worden ist.
60bb. Für die Frage der Verjährung kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin auf Grund neuer, unter der Geltung des RDG abgeschlossener Abtretungsgeschäfte Berechtigte dieser Forderungen geworden ist. Solche Abtretungen sind im Zeitraum zwischen Dezember 2008 und Februar 2009 sowie erneut im Jahr 2014 vorgenommen worden. Die Abtretung wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurück, weil § 185 BGB weder direkt noch entsprechend auf Prozesshandlungen anwendbar ist. Verjährungshemmend im Sinne von § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB kann die nach Klageerhebung zu Gunsten der klagenden Partei (rechtskonform) vorgenommene Abtretung vielmehr nurex nunc wirken, und zwar (erst) mit ihrer Einführung in den Prozess (vgl. zum Ganzen - zu der Unterbrechungsvorschrift des § 209 BGB a.F. - OLG München, Urteil v. 17.12.1996 -13 U 1873/96, OLGR 1997, 205; - zu § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. - OLG Brandenburg, Urteil v. 11.3.2008 -Kart U 2/07, OLGR 2009, 385, Rzn. 120-122 bei juris; vgl. auch Henrich, in BeckOK BGB, Stand: 1.8.2014, § 204 Rz. 10). Die erst unter der Geltung des RDG zu Gunsten der Klägerin vorgenommenen Abtretungsgeschäfte können mithin im Verhältnis zur Beklagten zu 1. in keinem Fall zu einer Hemmung der Anspruchsverjährung geführt haben, weil sie nicht mehr vor dem Ablauf der Regelverjährung (31. Dezember 2006) erfolgt sind.
614. Gegenüber der Beklagten zu 1. kann die Klägerin auch keine Ansprüche auf sogenannten „Restschadensersatz“ gemäß § 852 S. 1 BGB bzw. § 852 Abs. 3 BGB a.F. durchsetzen. Nach diesen Vorschriften ist der Ersatzpflichtige, der aus einer unerlaubten Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt hat, auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet.
62Ob und inwieweit solche Herausgabeansprüche der Klägerin bestehen, kann an dieser Stelle dahinstehen. Die Beklagte zu 1. beruft sich auch hinsichtlich der etwaigen Herausgabeansprüche jedenfalls mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung.
63a. Gemäß § 852 S. 2 BGB (n.F.) verjährt der deliktische Herausgabeanspruch in zehn Jahren von seiner Entstehung an. Diese Frist ist kürzer als diejenige nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung; hiernach unterlag der Herausgabeanspruch von seiner Entstehung an einer Verjährung von dreißig Jahren, §§ 852 Abs. 3, 195, 198 BGB a.F.. Wenn man von einem Kartellzeitraum von 1993 bis zum Ende des Jahres 2002 einschließlich ausgeht, bedeutet dies im Hinblick auf die Vorschriften des Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1, S. 2, Abs. 4 S. 1 EGBGB Folgendes: Alle bis spätestens Ende 2001 entstandenen Her-ausgabeansprüche unterliegen einer vom 1. Januar 2002 an zu berechnenden Verjährungsfrist von zehn Jahren; die Verjährung dieser Ansprüche ist mit Ablauf des 31. Dezember 2011 eingetreten. Alle im Jahr 2002 entstandenen Ansprüche sind spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2012 verjährt gewesen.
64b. Die genannten Verjährungsfristen sind vor ihrem Ablauf nicht gehemmt worden.
65aa. Allerdings folgt dies - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht schon daraus, dass die Klägerin sich erst mit ihrem Schriftsatz vom 12. Juli 2013 (vgl. dort S. 66 ff. = GA 7044 ff.) hilfsweise auf deliktische Herausgabeansprüche gemäß § 852 S. 1 BGB bzw. § 852 Abs. 3 BGB a.F. gestützt hat.
66Zwar hat die Klägerin ihr hilfsweise geltend gemachtes Begehren auf „Restschadensersatz“ erst nach den vorbezeichneten Zeitpunkten der Verjährungsvollendung vorgebracht. Dieser Umstand würde für sich genommen die von den Beklagten auch insoweit erhobene Verjährungseinrede jedoch nur dann durchgreifen lassen, wenn die Klägerin mit ihrem Hilfsverlangen einen neuen Streitgegenstand in den Prozess eingeführt hätte, der sich qualitativ von ihrem primären Klageziel („voller Schadensersatz“) und dem diesem zu Grunde liegenden Lebenssachverhalt unterscheidet. So verhält es sich indes nicht. Der auf Herausgabe einer deliktisch erlangten Bereicherung gerichtete Anspruch gemäß § 852 S. 1 BGB bzw. § 852 Abs. 3 BGB a.F. behält die Rechtsnatur als Schadensersatzanspruch und erfordert dieselben Voraussetzungen wie der nur seinem Umfang nach weitergehende verjährte deliktische Schadensersatzanspruch. Der Bereicherungsanspruch hat den Charakter einer Rechtsverteidigung gegenüber der Einrede der Verjährung. Die Vorschriften der §§ 852 S. 1 BGB bzw. 852 Abs. 3 BGB a.F. stellen daher keine eigenständigen Anspruchsgrundlagen dar, sondern enthalten (lediglich) Regelungen des Umfangs der deliktischen Verschuldenshaftung nach Eintritt der Verjährung (vgl. zu Allem BGH, Urteil v. 14.2.1978 - X ZR 19/76, NJW 1978, 1377 [1379] unter III.5.c. -Fahrradgepäckträger II; vgl. auch Bernhard, NZKart 2014, 432 [435]).
67bb. Die Herausgabeansprüche gegen die Beklagte zu 1. aus § 852 S. 1 BGB bzw. § 852 Abs. 3 BGB a.F. sind aber deshalb verjährt, weil innerhalb der für sie maßgeblichen Verjährungsfristen (Ende 2011 bzw. Ende 2012) keine Verjährungshemmung eingetreten ist.
68(1) Wie vorstehend schon dargelegt, haben weder die Einleitung des kartellbehördlichen Bußgeldverfahrens noch die Erhebung der Klage zu einer Hemmung der Verjährung geführt.
69(2) Nichts anderes kann hinsichtlich solcher in den Prozess eingeführten Forderungsabtretungen gelten, die die Zedenten nach Ablauf der Regelverjährung (31. Dezember 2006), aber noch unter der Geltung des RBerG, mithin bis zum 30. Juni 2008, zu Gunsten der Klägerin vorgenommen haben. Auch diese Rechtsgeschäfte sind schon wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG nichtig, so dass die Klägerin nicht Berechtigte dieser streitigen Forderungen geworden ist und eine Verjährungshemmung im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB von vornherein nicht in Betracht kommt.
70(3) Eine Verjährungshemmung ist schließlich nicht dadurch eingetreten, dass die Klägerin mit Schriftsatz vom 2. Juli 2009 erneute Abtretungsverträge aus dem Zeitraum Dezember 2008 bis Februar 2009 in den Prozess eingeführt hat. Diese Rechtsgeschäfte sind, anders als die früheren Abtretungen, nicht schon unter dem Gesichtspunkt unzulässiger Rechtsberatung unwirksam; bei Vornahme der Abtretungen verfügte die Klägerin über die nach dem zum 1. Juli 2008 in Kraft getretenen RDG notwendige Befugnis, außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen (vgl. hierzu das die Registrierung der Klägerin als Rechtsdienstleisterin bestätigende Schreiben der Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf v. 25.9.2008 = Anl. OP 17 zur Berufungsreplik v. 10.7.2014). Indes sind die Abtretungen - worauf das Landgericht zu Recht erkannt hat - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
71(3.1) Bei der Prüfung, ob die Ende 2008/Anfang 2009 zwischen den Zedenten und der Klägerin abgeschlossenen Abtretungsvereinbarungen gegen die guten Sitten verstoßen haben und welche Rechtsfolgen sich aus einem solchen Verstoß ergeben, ist mit dem Landgericht von den folgenden Grundsätzen auszugehen:
72Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Dabei sind nicht nur der objektive Inhalt des Geschäfts, sondern auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, und die von den Parteien verfolgten Absichten und Beweggründe zu berücksichtigen. Das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit und eine Schädigungsabsicht sind nicht erforderlich; es genügt, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt, wobei dem gleichsteht, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt (vgl. zu Allem BGH, Urteil v. 10.10.1997 - V ZR 74/96, NJW-RR 1998, 590 [591]; BGH, Urteil v. 2.2.2012 - III ZR 60/11, MDR 2012, 333 = VersR 2013, 370, Rz. 20; vgl. auch Wendtland, in BeckOK BGB -Stand: 1.11.2014, § 138 Rz. 21, jew. m.w.N.). Geht es um zu Lasten von Dritten getroffene Vereinbarungen, setzt sittenwidriges Verhalten voraus, dass beide Vertragsbeteiligten die die Sittenwidrigkeit begründenden Tatsachen kennen bzw. sich der entsprechenden Kenntnis verschließen (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 10.1.2007 - XII ZR 72/04, NJW 2007, 1447 [1448], Rz. 13). Ist bei der gebotenen Gesamtschau aller Umstände ein Element besonders ausgeprägt, kann sich bereits allein aus diesem Element die Sittenwidrigkeit ergeben (vgl. BGH, Urteil v. 2.2.2012 - III ZR 60/11, MDR 2012, 333 = VersR 2013, 370, Rz. 20).
73Hinsichtlich Forderungsabtretungen sowie Prozessführungsermächtigungen und hiervon ausgehenden Verlagerungen von Prozesskostenerstattungsrisiken hat der Bundesgerichtshof Maßstäbe aufgestellt, um eine den genannten Handlungen womöglich anhaftende Sittenwidrigkeit zu beurteilen. Im Ausgangspunkt ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich kein Beklagter Anspruch darauf hat, von einem zahlungskräftigen Kläger verklagt zu werden (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 11.3.1999 - III ZR 205/97, NJW 1999, 1717 [1718] unter II.3.). Indes dürfen Forderungsabtretungen wie auch Prozessführungsermächtigungen nicht dazu missbraucht werden, den Prozessgegner wie auch den Staat der Möglichkeit zu berauben, ihren Rechtsanspruch auf Erstattung oder Zahlung der Prozesskosten zu verwirklichen (vgl. etwa BGH, Urteil v. 20.12.1979 - VII ZR 306/78, NJW 1980, 991 unter I.4.; BGH, Urteil v. 24.10.1985 - VII ZR 337/84, BGHZ 96, 151, Rz. 9 bei juris; BGH, Urteil v. 2.10.1987 - V ZR 182/86, WM 1987, 1406, Rz. 19 bei juris; BGH, Versäumnisurteil v. 11.3.1999 - III ZR 205/97, NJW 1999, 1717 [1718] unter II.3.; vgl. auch OLG München, Urteil v. 14.12.2012 - 5 U 2472/09, BeckRS 2013, 05349 unter II.A.3.a.). Ein solcher Missbrauch ist grundsätzlich anzunehmen, wenn eine unvermögende Partei zur gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen vorgeschoben wird und dies bezweckt, das Kostenrisiko zu Lasten der beklagten Partei zu vermindern oder auszuschließen; dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn der Zedent bzw. der Rechtsträger einen wesentlich besseren finanziellen Rückhalt als der Zessionar bzw. der zur Prozessführung Ermächtigte hat (vgl. BGH, Urteil v. 24.10.1985 - VII ZR 337/84, BGHZ 96, 151, Rz. 9 bei juris; BGH, Urteil v. 2.10.1987 - V ZR 182/86, WM 1987, 1406, Rz. 19 bei juris).
74In zeitlicher Hinsicht kommt es darauf an, ob das zu beurteilende Rechtsgeschäft bei seiner Vornahme sittenwidrig gewesen ist. Es ist keiner Heilung zugänglich. Um dem nichtigen Geschäft Rechtswirksamkeit zu verschaffen, müssen die Parteien vielmehr das Geschäft nach § 141 Abs. 1 BGB bestätigen oder insgesamt neu abschließen (vgl. zu Allem BGH, Urteil v. 10.2.2012 - V ZR 51/11, NJW 2012, 1570 [1571], Rzn. 13 u. 17 f.).
75(3.2) Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Ende 2008/Anfang 2009 vorgenommenen Abtretungsvereinbarungen gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil sie gegen die guten Sitten verstoßen.
76(3.2.1) Im Falle ihres rechtskräftigen Unterliegens hat die Klägerin den sechs von ihr in Anspruch genommenen Beklagten die über drei Instanzen entstandenen Prozesskosten zu erstatten. Bei dem vom Landgericht zutreffend festgesetzten Streitwert von 30 Mio. Euro (§§ 39 Abs. 2 GKG, 32 Abs. 1 RVG) belaufen sich alleine die den Beklagten zu erstattenden Rechtsanwaltskosten insgesamt auf über 4,99 Mio. Euro netto. Hinzu kommen Gerichtskosten für die Durchführung des zweiten und des dritten Rechtszuges in einer kumulierten Höhe von über 0,8 Mio. Euro, für die eine Zweitschuldnerhaftung der Beklagten nach §§ 22 Abs. 1 S. 1, 31 GKG in Betracht kommen kann.
77(3.2.2) Die Klägerin war bei Abschluss der Abtretungsverträge zwischen Dezember 2008 und Februar 2009 nach ihren finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen außer Stande, auch nur ansatzweise die Kostenerstattungsansprüche der Beklagten aufzubringen. Davon ist nach dem Sach- und Streitstand auszugehen.
78(a) Die vollkommen unzureichende Finanzausstattung der Klägerin steht für die Zeit bis Anfang August 2005 aufgrund der eidesstattlichen Versicherung ihres Verwaltungsrates D....vom 5. August 2005 (Anl. K 94 = GA 212 ff.) fest. Nach den dort gemachten Angaben
79- verfügte die Klägerin seinerzeit über ein eingezahltes Stammkapital von nur 100.000 Euro ,
80- deckte dieses Stammkapital zusammen mit den Kostenzuschüssen der Zedenten zur Anschubfinanzierung lediglich die laufenden Kosten der Prozessvorbereitung und einen Gerichtskostenvorschuss für die Klage nach einem Streitwert von 5 Mio. Euro,
81- besaß die Klägerin keinen Anspruch auf weitere Zahlungen der Zedenten und keine Ansprüche gegen Dritte,
82- hatte die Klägerin bis August 2005 knapp 1 Mio. Euro an Sach- und Finanzmittel in die Vorbereitung der Klage (Aufbau der Datenbank, Mitarbeiter) investiert,
83- hatte die Gesellschafterversammlung im März 2005 ein genehmigtes Kapital zur Durchführung von Kapitalerhöhungen geschaffen, um sicherzustellen, dass die Klägerin für die Dauer des Prozesses ihren eigenen Geschäftsbetrieb aufrechterhalten und die Prozesskosten der ersten Instanz nach einem Streitwert von 5 Mio. Euro tragen kann,
84- wäre die Klägerin unter Berücksichtigung der absehbaren Belastungen des eigenen laufenden Geschäftsbetriebs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage, die Prozesskosten der ersten Instanz nach einem Streitwert von 30 Mio. Euro zu tragen, wobei seinerzeit nur drei - und nicht schon sechs - Beklagte am Prozess beteiligt waren,
85- würde die Belastung der Klägerin mit dem vollen Kostenrisiko des angestrengten Prozesses zweifelsfrei zu einer elementaren Gefährdung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens führen.
86Dass - wie die Klägerin behauptet - die eidesstattliche Versicherung vor dem Hintergrund der Befürchtung zu betrachten sei, dass sich an dem Prozess eine Vielzahl von Streithelfern beteiligen werden, kann nicht festgestellt werden. Dies ist der Erklärung an keiner Stelle auch nur andeutungsweise zu entnehmen und auch nicht unter Beweis gestellt. Zwar hat die Klägerin in ihrem Antrag auf Streitwertherabsetzung nach § 89 a GWB auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen. Die diesbezüglichen Ausführungen finden sich in Abschnitt D. II. der Klageschrift. Auf diese Ausführungen nimmt die eidesstattliche Versicherung des Verwaltungsrats D....vom 5. August 2005 indes nicht Bezug. Sie verweist einleitend unter Ziffer 3. alleine auf Abschnitt D. III. der Klageschrift. Im Übrigen entbehrt die Behauptung der erforderlichen Substanz (§ 138 Abs. 1, 2 ZPO). Ihr ist nicht im Ansatz zu entnehmen, mit wie vielen Streithelfern die Klägerin bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ihres Verwaltungsrats D....gerechnet haben will und inwiefern nach der damaligen Finanzausstattung des Unternehmens die am Ende tatsächlich in Betracht kommenden Kostenerstattungsansprüche abgedeckt gewesen sein sollen. Selbst wenn - wie die Klägerin behauptet (vgl. S. 27 der Berufungsbegründung = GA 7700) - für den Antrag auf Streitwertanpassung entscheidend die Gefahr einer Vielzahl von Streitverkündungen gewesen ist, ergibt sich daraus nicht zugleich, dass auch die Angaben des Verwaltungsrats D....in der eidesstattlichen Versicherung vom 5. August 2005 darauf basieren. Das behauptet auch die Klägerin selbst nicht. Es entspricht im Übrigen der objektiven Rechtslage, dass die eidesstattliche Versicherung vom 5. August 2005 die theoretisch denkbaren Beitritte durch 25 und mehr Streithelfer der Beklagten außer Betracht gelassen hat. Gemäß § 89 a GWB kommt eine Herabsetzung des Streitwerts in Betracht, wenn die Belastung der Prozesspartei mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert deren wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde. „Prozesskosten“ meint dabei (selbstverständlich) nur diejenigen Kosten des Klageverfahrens, mit denen im Zeitpunkt der Antragstellung hinreichend sicher zu rechnen ist. Nicht dazu zählen die Kosten, die bloß theoretisch denkbare Streithelferbeitritte verursachen könnten. Sie durften der eidesstattlichen Versicherung vom 5. August 2005 nicht zugrunde gelegt werden. Andernfalls träfe die Klägerin der Vorwurf, versucht zu haben, eine Streitwertherabsetzung durch unzutreffenden Sachvortrag zu erwirken.
87(b) Aus dem Umstand, dass die Klägerin nach den - unangegriffenen - Feststellungen des Landgerichts von ihrer Gründung im Jahr 2002 an bis zum Jahr 2010 ausnahmslos bilanzielle Verluste bis hin zu einer Summe in Höhe von rund 2,3 Mio. Euro erzielt hat (vgl. hierzu im Einzelnen auch die die Klägerin betreffende Übersicht „Finanzielle Eckdaten der Geschäftsjahre 2002/3 bis 2012“, überreicht von der Beklagten zu 2. als Anlage B2 B1 zu ihrer Berufungserwiderung v. 6.6.2014 = GA 8599), leiten die Beklagten prozessual zulässig die Behauptung her, dass sich die dargestellte finanzielle Lage der Klägerin bis Februar 2009 nicht verbessert hat.
88Dem ist die Klägerin nicht rechtserheblich entgegengetreten. Wie der Senat in der Sitzung vom 12. November 2014 ausgeführt hat (vgl. S .4 des Sitzungsprotokolls = GA 9632), obliegt es der Klägerin schon nach allgemeinen Grundsätzen (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO), auf jeden Fall aber im Rahmen einersekundären Darlegungslast, substantiiert vorzutragen, dass und auf Grund welcher Umstände sie zur Zeit der Vornahme der hier interessierenden Abtretungen (Dezember 2008 bis Februar 2009) über hinreichende Finanzmittel verfügte, um die nach einem Streitwert von 30 Mio. Euro in Betracht kommenden Prozesskostenerstattungsansprüche der Beklagten nunmehr erfüllen zu können. Es liegt auf der Hand, dass die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Einzelheiten allein ihr - der Klägerin - bekannt sind.
89Ihrer sekundären Darlegungslast hat die Klägerin nicht genügt. Sie hat keine belastbaren Umstände dafür aufgezeigt, dass sich ihre Finanzlage seit August 2005 wesentlich verbessert hatte und Ende 2008/Anfang 2009 eine Begleichung die Kostenerstattungsansprüche der Beklagten in Millionenhöhe gesichert war.
90(aa) Die Klägerin will in dem Zeitraum April 2006 bis Juni 2008 von dem inzwischen insolventen Prozessfinanzierungsunternehmen L….. AG in vier Teilzahlungen eine Summe von 1,85 Mio. Euro ausgezahlt erhalten haben (zu den einzelnen Zahlungen vgl. S. 59 der Berufungsreplik v. 10.7.2014 = GA 8661). Diese Zuschüsse sollen nur im Klageerfolgsfall zurückzuzahlen gewesen sein. Selbst wenn man dieses Vorbringen zu Grunde legte, würde nicht ansatzweise von einer hinreichenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin in dem hier interessierenden Zeitraum Dezember 2008 bis Februar 2009 gesprochen werden können. Die behaupteten Zuschüsse der L..... AG hätten für sich genommen nicht annähernd ausgereicht, um die möglichen Kostenerstattungsansprüche der Beklagten aus drei Rechtszügen in Höhe von knapp 5 Mio. Euro zu erfüllen. Darüber hinaus haben die Zuschüsse der L.....AG nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin auch tatsächlich nicht zur Verfügung gestanden, um gegnerische Kostenerstattungsansprüche zu bedienen. Die Klägerin will - wie schon das Landgericht unangefochten ausgeführt hat - ihren eigenen Angaben zufolge bereits im Laufe des ersten Rechtszugs (bis Mitte 2013) zur Durchführung des Verfahrens einen finanziellen Aufwand in Höhe von insgesamt mindestens 4,4 Mio. Euro betrieben haben (vgl. hierzu auch S. 67 der Berufungsbegründung = GA 7740). Wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12. November 2014 angegeben hat (vgl. S. 3 des Sitzungsprotokolls = GA 9631), sollen die Zuschüsse der L.....AG hierbei in vollem Umfang eingesetzt worden sein. Mithin können mit diesen Zuschüssen die Beklagten wegen ihrer möglichen Kostenerstattungsansprüche nicht befriedigt werden. Nichts spricht dafür, dass die Klägerin bei Vornahme der Abtretungsgeschäfte Ende 2008/Anfang 2009 noch (1.) in der Lage gewesen ist und (2.) beabsichtigt oder auch nur erwogen hat, mit den Zuschüssen der L…. AG, soweit diese nicht ohnehin bereits damals verbraucht waren, Rückstellungen zu bilden, um im Falle des Prozessverlusts den Kostenerstattungsansprüchen der Beklagten nachzukommen. Hierzu hat auch die Klägerin nicht andeutungsweise Vortrag gehalten.
91(bb) Anderweitige Umstände, die für einen auch nur annähernd ausreichenden finanziellen Rückhalt der Klägerin gegen Ende 2008/Anfang 2009 sprechen, sind weder dargetan noch ersichtlich. Insbesondere verfügte die Klägerin – unstreitig - in jener Zeit über keine (weiteren) Zuschussansprüche gegen die mit ihr verbundenen Zedenten und/oder gegen Dritte (Prozessfinanzierungsunternehmen, Kreditinstitute etc.). Auch sonstige Finanzierungsmöglichkeiten der Klägerin sind nicht ersichtlich.
92Soweit die Klägerin eine im Jahr 2012 mit dem I…. abgeschlossene Prozessfinanzierungsvereinbarung mit einem Volumen im Jahr 2014 über 3 Mio. Euro, aus der ihr bislang 2 Mio. Euro ausgezahlt worden seien (vgl. das übersetzte Schreiben der I…. v. 4.7.2014 = Anl. OP 13 zur Berufungsreplik v. 10.7.2014 und die Angaben der Klägerin gemäß Anl. 2, S. 2 zum Sitzungsprotokoll des Senats v. 12.11.2014 = GA 9636), ferner eine am 28. Februar 2014 beschlossene Kapitalerhöhung, aus der ihr 2 Mio. Euro zugeflossen seien (vgl. S. 51 und 68 der Berufungsbegründung = GA 7724/7741) und schließlich eine im Jahr 2014 ihr von ihrer Muttergesellschaft …… gegebene Kapitalausstattungsgarantie über 2,5 Mio. Euro (vgl. S. 70 f. der Berufungsbegründung = GA 7743 f. und Anl. 2, S. 1 zum Sitzungsprotokoll v. 12.11.2014 = GA 9635) behauptet, kommt es hierauf vorliegend nicht an. Dabei kann offen bleiben, ob und inwieweit dieses Vorbringen prozessual überhaupt zulässig und deshalb beachtlich ist. Alle genannten Umstände liegen nämlich zeitlich mehrere Jahre nach der Vornahme der hier interessierenden Abtretungsrechtsgeschäfte und lassen schon deshalb keinen annähernd verlässlichen Schluss auf die wirtschaftliche Ausstattung der Klägerin im Zeitraum Ende 2008/Anfang 2009 zu. Die Klägerin hat auch nicht ansatzweise substantiierten Vortrag dazu gehalten, dass und weshalb sie schon zur maßgeblichen Zeit berechtigterweise und nicht bloß auf Grund vager Hoffnungen von einem Zugriff auf die vorbezeichneten Zuschüsse ausgehen konnte oder sogar schon damals diese Mittel hätte abrufen können.
93Ebenfalls schon wegen der genannten zeitlichen Gesichtspunkte, ferner aber auch - wie bereits vom Senat in der mündlichen Verhandlung angesprochen (vgl. S. 4 des Sitzungsprotokolls = GA 9632) - mangels gebotener Substantiierung nicht erheblich sind die weiteren Behauptungen der Klägerin, (1.) sie verfüge über „die valide und unwiderrufliche Finanzierungszusage eines externen gewerblichen Prozess-finanzierers“, zumal hierdurch ohnehin lediglich ihre „eigenen“ auf das Verfahren bezogenen Kosten abgedeckt werden sollen (vgl. S. 69 der Berufungsbegründung = GA 7742), (2.) „aufgrund konkreter Interessensbekundungen finanzstarker Dritter“ würde sie „kurzfristig im Bedarfsfall mindestens weitere Euro 2,5 Mio. zur Prozessführung, insbesondere auch zur Abdeckung gegnerischer Prozesskostenerstattungsansprüche“ erschließen können (vgl. S. 70 der Berufungsbegründung = GA 7743).
94(cc) Auch soweit die Klägerin eine Werthaltigkeit der an sie abgetretenen Forderungen selbst und eine Verwertbarkeit derselben zur Abdeckung (auch) gegnerischer Kostenerstattungsansprüche reklamiert, verfängt dies nicht. Bei der Beurteilung der Frage, ob mit Hilfe der Abtretungen das Prozesskostenrisiko in sittenwidriger Weise von den Zedenten auf die Klägerin verlagert worden ist, kommt es auch (und vor allem) auf den Fall an, dass die Klage rechtskräftig abgewiesen wird und die Klägerin dementsprechend dem Kostenerstattungsanspruch der Beklagten ausgesetzt ist. In diesem Fall kommt den - gerichtlich aberkannten – Klageforderungen ganz offensichtlich kein wirtschaftlicher Wert mehr zu.
95(3.2.3) Während die Klägerin nach ihren finanziellen Mitteln nicht in der Lage war, die gegnerischen Kostenerstattungsansprüche zu begleichen, wären die Zedenten dazu in der Lage gewesen. Dies gilt im Hinblick auf die in § 100 Abs. 1 ZPO angeordnete Kopfteilshaftung auch für den Fall, dass die Zedenten die streitbefangenen Forderungen im Wege aktiver Streitgenossenschaft (§ 59 ZPO) in einem gemeinsam angestrengten Rechtsstreit verfolgt hätten. Hiervon ist gemäß dem tatsächlichen Vorbringen der Beklagten (vgl. hierzu z. B. die Darlegungen der Beklagten zu 2. gemäß S. 15 f., Rzn. 69 f. ihrer Berufungserwiderung = GA 8576 f.), dem die Klägerin auch nicht entgegengetreten ist, auszugehen. Im Ergebnis ist durch die Ende 2008/Anfang 2009 vorgenommenen Abtretungen das Prozesskostenrisiko zum Nachteil der Beklagten von den hinreichend finanzstarken Zedenten auf die insoweit wirtschaftlich unvermögende Klägerin verschoben worden.
96(3.2.4) Diese Verlagerung des Prozesskostenrisikos war auch der maßgebliche Zweck der Abtretungen.
97(a) Nahegelegt wird dies bereits durch den Inhalt der Kauf- und Zessionsverträge, insbesondere das dort vorgesehene augenfällige Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Während die Zedenten am Klageerfolg in einem Umfang von 65 % (1 Zedent) bzw. 70 % (3 Zedenten) bzw. 80 % (7 Zedenten) bzw. 85 % (22 Zedenten) beteiligt wurden, blieben die von ihnen zur Vorbereitung und Durchführung des Prozesses zugesagten Kostenzuschüsse - sofern sie überhaupt versprochen wurden - dahinter weit zurück. Das folgt bereits unmittelbar aus der Tatsache, dass die Kostenzuschüsse der Zedenten zusammen mit dem Stammkapital der Klägerin lediglich die laufenden Kosten der Prozessvorbereitung und den Gerichtskostenvorschuss für die erste Instanz nach einem Streitwert von 5 Mio. Euro abdeckte (vgl. eidesstattliche Versicherung des Verwaltungsrats D....vom 5.8.2005).
98Die Klägerin hat in ihrer Internetwerbung an die Zementabnehmer überdies das eigene Geschäftsmodell mit dem Hinweis beworben, dass die Risiken des Schadensersatzprozesses auf sie verlagert werden könne. Unwidersprochen hat die Klägerin den Zementabnehmern mitgeteilt (vgl. Berufungserwiderung der Beklagten zu 1. v. 26.5.2014, S. 34 f. = GA 7919 f.):
99„Wird eine gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen und damit die Einschaltung externer Rechtsanwälte erforderlich, fallen Gerichts- und Anwaltskosten an. Hinzu tritt ein mitunter erhebliches Kostenrisiko, falls eine Klage ganz oder überwiegend abgewiesen werden sollte und die Kosten der gegnerischen Bevollmächtigten und eventuell zusätzliche Verfahrenskosten, z. B. aufgrund der Einbeziehung von Sachverständigen in den Rechtsstreit, vom Kläger getragen werden müssen.
100………..
101In aller Regel ist es …. (lies: der Klägerin) inzwischen möglich - bei Übernahme sämtlicher Kosten und Kostenrisiken durch …. (lies: die Klägerin) - mit den geschädigten Kartellopfern neben einem festen Grundbetrag einen variablen Kaufpreisanteil für die an …. (lies: die Klägerin) abgetretenen Forderungen zu vereinbaren, … Abgesehen von dem unternehmensinternen Aufwand … fallen bei den mit …. (lies: der Klägerin) kooperierenden Unternehmen in der Regel keine zusätzlichen Kosten an. Die potentiellen (mitunter erheblichen) Prozessrisiken sind ausgegliedert. Das Unternehmen kann also bei einem erfolgreichen Vorgehen von …. (lies: der Klägerin) in der Regel nur gewinnen.
102„… dass auch handelsrechtliche Vorgaben, z. B. die Notwendigkeit von ergebniswirksamen Rückstellungen für latente Prozessrisiken bei Aufnahme eines Rechtsstreits auf eigene Kosten, ein wesentlicher Beweggrund … (für eine Kooperation mit der Klägerin sein könnten).“
103(b) Dass die Zessionen gleichwohl anderen Zwecken diente und die Verlagerung des Prozesskostenrisikos als bloß eine in Kauf zu nehmende Nebenfolge erscheint, ist nicht festzustellen.
104Dagegen spricht bereits der Umstand, dass die Zedenten die Klägerin mittels Abtretung der eingeklagten Ersatzansprüche mit der Rechtsverfolgung betraut haben und der Prozess angesichts der Beteiligungsquoten zwischen 65 % und 85 % ganz überwiegend in ihrem wirtschaftlichen Interesse geführt wird, ohne die Klägerin mit den erforderlichen Finanzmitteln auszustatten oder sich den Beklagten gegenüber zur Erfüllung möglicher Kostenerstattungsansprüche zu verpflichten.
105Überdies sind sämtliche Erwägungen, die die Klägerin in diesem Zusammenhang vorbringt, nicht stichhaltig.
106(aa) Die Klägerin will mit der Datenbank, die sie mit Hilfe eines externen Dienstleisters erstellen ließ, die „erforderliche Infrastruktur für die belegmäßige Erfassung der Zementlieferungen zur Verfügung“ gestellt haben. Erst hiermit sowie mit der Bündelung aller Schadensersatzforderungen habe sich für die Zedenten die Möglichkeit eröffnet, auf der Grundlage einer gemeinsamen Datenbasis Aussagen zur kartellbedingten Überhöhung des Zementpreises zu treffen und Schadensersatzansprüche ihrem Umfang nach zu schätzen sowie mit Aussicht auf Erfolg gerichtlich durchzusetzen. Eine adäquate Ausgangslage für einen Prozess hätten sich die einzelnen Zedenten - so die Auffassung der Berufung - allein „auf der Basis ihrer eigenen Preisinformationen nie …“ verschaffen können (vgl. hierzu insbesondere S. 60 f. der Berufungsbegründung [unter a) und b)] = GA 7733 f. und S. 44 f. der Berufungsreplik v. 10.7.2014 = GA 8646 f.). Das trifft nicht zu.
107Der Klägerin ist schon in tatsächlicher Hinsicht nicht zu folgen, soweit sie pauschal vorbringt, die einzelnen Zedenten wären ohne die Datenbank keinesfalls in der Lage gewesen, die für die Bezifferung der ihnen jeweils entstandenen Schäden erheblichen Daten, namentlich auch die „Entwicklung der Zementpreise“ und das „Marktpreisniveau“, zu ermitteln und auszuwerten. Zu Recht hat die Beklagte zu 3. dargelegt, dass die Zedenten die sie jeweils betreffenden Rechnungen und Gutschriften aus den einzelnen Zementkäufen selbst hätten erfassen und die diesbezüglichen Daten selbst hätten verwalten können; auch hätten die Zedenten die Entwicklung des Zementpreises ohne Weiteres öffentlichen Quellen entnehmen können (vgl. S. 34 f., Rzn. 116 ff. der Berufungserwiderung der Beklagten zu 3. = GA 8156 f.). Dem ist die Berufung nicht erheblich entgegengetreten.
108Darüber hinaus hätten die reklamierten Vorteile einer umfassenden Datenbank - worauf bereits die Beklagten mit Recht hingewiesen haben - auch ohne eine Abtretung der streitbefangenen Kartellschadensersatzansprüche an die Klägerin und eine hiermit verbundene Verschiebung des Prozesskostenrisikos erzielt werden können. Beispielsweise hätten die Zedenten ihre streitigen Ansprüche in aktiver Streitgenossenschaft selbst gerichtlich verfolgen und die Klägerin mit der Einrichtung einer Datenbank beauftragen können.
109(bb) Erfolglos bleibt ebenso der Hinweis der Klägerin, durch die Abtretung der kartellrechtlichen Schadensersatzansprüche könne verhindert werden, dass die aktuellen Liefer- und Geschäftsbeziehungen der Zedenten zu den beklagten Zementherstellern „belastet“ werden. Der Einwand übersieht, dass es auch nach der Abtretung der Klageansprüche im Prozess wirtschaftlich um die Schadensersatzansprüche der Zedenten geht. Es ist weder dargelegt noch sonst zu erkennen, aus welchem Grund die Zwischenschaltung der Klägerin dazu führen soll, dass die geschäftlichen Beziehungen der Zedenten zu den Beklagten weniger „belastet“ werden als dies bei einer Rechtsverfolgung durch die Zedenten selbst der Fall wäre.
110(cc) Auch soweit die Berufung durch die Abtretungen bedingte Vorteile der Prozessökonomie, namentlich die Vermeidung mehrfacher Beweisaufnahmen und die Einsparung von Prozesskosten, reklamiert (vgl. S. 62 f. der Berufungsbegründung [unter e)] = GA 7735 f.), dringt sie nicht durch. Die genannten Vorteile wären auch dann zu erzielen gewesen, wenn die Zedenten als aktive Streitgenossen die hier streitbefangenen Forderungen gegen die Beklagten in einem Prozess geltend gemacht hätten. Hierauf haben bereits die Beklagten zu Recht hingewiesen und hiergegen erinnert die Klägerin nichts.
111(c) Die mit den Forderungsabtretungen verbundene Verlagerung des Prozesskostenrisikos zum Schaden der Beklagten ist nicht ausnahmsweise aus übergeordneten Gesichtspunkten hinzunehmen.
112(aa) Zu Unrecht reklamiert die Klägerin eine „strukturelle“ Unterlegenheit, weil sie selbst durch die Inanspruchnahme von sechs Beklagten im Vergleich mit diesen ein sechsmal so hohes Prozesskostenrisiko trage, während umgekehrt jede Beklagte für sich genommen quotal mit nur einem Sechstel des Risikos der Klägerin belastet sei (vgl. S. 43 ff. der Berufungsbegründung = GA 7716 ff.). Soweit sie meint, es handele sich um eine systematische Ungleichverteilung der Kostenrisiken zum Nachteil von Geschädigten gerade bei Kartellschadensersatzprozessen, ist dies nicht richtig. Die dargestellte Verteilung der Prozesskostenrisiken ist nicht speziell Kartellrechtsstreiten wesensimmanent, sondern tritt generell in Zivilprozessen auf, in denen eine Klagepartei eine größere Zahl von Prozessgegnern in Anspruch nimmt. Die beklagte Risikoverteilung entspricht dem Willen des Gesetzgebers und kann schon von daher keine Veranlassung geben, eine sittenwidrige Verlagerung des gesetzlich verteilten Prozesskostenwagnisses zu tolerieren. Sie ist im Streitfall zudem sachlich gerechtfertigt. Denn das verhältnismäßig höhere Kostenrisiko der Klägerin ist die Kehrseite der Tatsache, dass diese mit der Klage mehrere Prozessparteien als Gesamtschuldner auf die volle Klagesumme in Anspruch nimmt.
113(bb) Auch der von der Berufung bemühte (vgl. hierzu S. 63 ff. der Berufungsbegründung = GA 7736 ff.) gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der effektiven Durchsetzung von Kartellschadensersatzansprüchen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit im Streitfall eine Haftung der Beklagten auf Kartellschadensersatz auch aus europarechtlichen Vorschriften herzuleiten ist. Ebenso kann es auf sich beruhen, ob die Mitgliedstaaten nach dem Effektivitätsprinzip überhaupt sicherzustellen haben, dass Kartellschadensersatzansprüche auch durch zessionsbasierte und gebündelte Geltendmachung gerichtlich durchgesetzt werden können. Denn diesem Erfordernis ist genügt. Maßgeblich ist im Streitfall alleine die Frage, ob es das Effektivitätsprinzip darüber hinaus gebietet, eine Abtretung von Kartellschadensersatzansprüchen auch dann zuzulassen, wenn sie das Prozesskostenrisiko in sittenwidriger Weise zum Schaden der beklagten Partei verschiebt. Das ist nicht der Fall. Denn Zweck des (deutschen und europäischen) Kartellrechts ist alleine die Bekämpfung von Kartellverstößen; ihr Ziel ist es nicht, dem beklagten Kartelltäter im Falle eines Prozesserfolges den ihm zustehenden Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten vorzuenthalten. Dafür gäbe es auch keine sachliche Rechtfertigung.
114(3.2.5) Die Klägerin und die Zedenten haben bei Abschluss der Kauf- und Abtretungsverträge zwischen Dezember 2008 und Februar 2009 sittenwidrig gehandelt. Zwar mag ihnen die Sittenwidrigkeit ihres Tuns nicht bewusst gewesen sein und sie mögen auch ohne Schädigungsabsicht gehandelt haben. Darauf kommt es indes nicht an. Erforderlich (aber auch ausreichend) für den Vorwurf der Sittenwidrigkeit ist, dass ihnen die den Sittenverstoß begründenden Tatsachen entweder bekannt waren oder sie sich der entsprechenden Kenntnis bewusst oder grobfahrlässig verschlossen haben. Dies ist der Fall.
115(a) Die Tatsachenkenntnis der Klägerin liegt ohne weiteres vor. Der Klägerin war ihre eigene finanzielle Ausstattung, der Inhalt der Kauf- und Zessionsverträge sowie der Inhalt ihrer Internetwerbung an die Zementabnehmer bekannt und sie kannte über ihren Verwaltungsrat Rechtsanwalt D....auch die Größenordnung der in Betracht kommenden Kostenerstattungsansprüche der Beklagten. Ihr war deshalb auch bewusst, dass durch die Abtretung der eingeklagten Ersatzansprüche Ende 2008/Anfang 2009 das Prozesskostenrisiko zum Nachteil der Beklagten verlagert wurde, weil nach der damaligen Finanzlage des Unternehmens die Kostenerstattungsansprüche der Beklagten in Millionenhöhe nicht annähernd abgedeckt waren.
116(b) Bei den Zedenten lagen die subjektiven Voraussetzungen gleichfalls vor.
117(aa) Allen Zedenten war bewusst, dass der maßgebliche Zweck der Forderungsabtretungen in einer Verlagerung des Prozesskostenrisikos bestand. Die Klägerin hatte ihr Geschäftsmodell, die Ersatzansprüche von Kartellgeschädigten zu erwerben und diese sodann selbst gerichtlich geltend zu machen, den Zementabnehmer gegenüber ausdrücklich mit dem Hinweis beworben, dass die ersatzberechtigten Unternehmen auf diesem Wege die Prozessrisiken ausgliedern und bei einem erfolgreichen Vorgehen der Klägerin deshalb nur gewinnen können. Die Verlagerung des Prozesskostenrisikos drängte sich überdies aus dem Inhalt der Kauf- und Zessionsverträge auf, weil die Zedenten mit einer Quote zwischen 65 % und (ganz überwiegend) bis zu 85 % am Klageerfolg beteiligt waren, im Gegenzug aber nur weit dahinter zurückbleibende Kostenzuschüsse leisten mussten.
118(bb) Die Zedenten hatten entweder Kenntnis von der unzureichenden Finanzausstattung der Klägerin oder sie trifft zumindest der Vorwurf, sich grobfahrlässig den maßgeblichen Tatsachen verschlossen zu haben.
119(1) Die Zedenten 1 bis 29 hatten Tatsachenkenntnis.
120(1.1) Ihnen war bei Abschluss der ersten Zessionsrunde im Jahr 2003 bewusst, dass die Klägerin nicht in der Lage war, den Schadensersatzprozess gegen die Beklagten aus eigenen Mitteln zu führen. Aus diesem Grund haben zahlreiche Zedenten als Anschubfinanzierung Kostenzuschüsse an die Klägerin geleistet. Diese Zuschüsse reichten allerdings - wie die Klägerin selbst einräumt (Schriftsatz vom 29.6.2012, dort Seite 35 = GA 6190) - zur Prozessführung bei weitem nicht aus. Nach den Angaben des Verwaltungsrats D....in der eidesstattlichen Versicherung vom 5. August 2005 deckten die Zuschüsse - zusammen mit dem Stammkapital der Klägerin - nur die laufenden Kosten der Prozessvorbereitung und den Gerichtskostenvorschuss für die Klage nach einem Streitwert von 5 Mio. Euro. Dass den Zedenten oder einzelnen von ihnen die eidesstattliche Versicherung bei Vornahme der in Rede stehenden Abtretungen nicht bekannt gewesen ist, behauptet die Klägerin selbst nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Dagegen spricht, dass die Klägerin - unstreitig - verpflichtet ist, die Zedenten regelmäßig über ihre Aktivitäten zu unterrichten (vgl. hierzu z. B. die Ausführungen der Beklagten zu 3. in ihrer Berufungserwiderung vom 27. Mai 2014, S. 39, Rz. 134 und S. 40 f., Rz. 142 = GA 8159 ff.). Nichts spricht dafür, dass die Klägerin diesen Verpflichtungen in Bezug auf die eidesstattliche Versicherung ihres Verwaltungsrats nicht nachgekommen ist. Dementsprechend hat die Beklagte zu 6. unwidersprochen vorgetragen, dass alle Zedenten Kenntnis vom Inhalt der eidesstattlichen Versicherung vom 5. August 2005 erhalten haben (Berufungserwiderung der Beklagten zu 6. vom 30.5.2014, dort Seite 40 = GA 8469). Schließlich waren Nachforderungen der Klägerin gegen die Zedenten nach dem Inhalt der Kauf- und Zessionsverträge ausgeschlossen (Schriftsatz der Klägerin vom 29.6.2012, dort Seite 34 = GA 6189). Es lag auf der Hand - und war deshalb auch den Zedenten bekannt -, dass die Klägerin bei dieser Finanzausstattung nicht ansatzweise die Kostenerstattungsansprüche der Beklagten in Millionenhöhe würde befriedigen können. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin über hinreichende Finanzierungsmittel verfügte, um neben ihrem eigenen Geschäftsbetrieb und der kostenintensiven Prozessvorbereitung auch die Prozesskosten über drei Instanzen nach einem Streitwert von 30 Mio. Euro einschließlich etwaiger Kostenerstattungsansprüche der Beklagten in Höhe von knapp 5 Mio. Euro abzudecken, waren nicht vorhanden. Wie sich aus der eidesstattlichen Versicherung des Verwaltungsrats D....vom 5. August 2005 ergibt, standen der Klägerin solche Fremdmittel vielmehr tatsächlich nicht zur Verfügung. Das im März genehmigte Kapital zur Durchführung einer Kapitalerhöhung sollte den eigenen Geschäftsbetrieb der Klägerin während des Prozesses absichern und die Prozesskosten der ersten Instanz nach einem Streitwert von 5 Mio. Euro abdecken. Die unzureichende finanzielle Ausstattung der Klägerin hat sich bis zum Abschluss der in Rede stehenden Zessionsverträge Ende 2008/Anfang 2009 nicht geändert. Davon ist nach dem Sach- und Streitstand auszugehen. Denn die Klägerin hat - wie vorstehend bereits ausgeführt - nicht nachvollziehbar dargelegt, aufgrund welcher Finanzmittel nunmehr (d.h. Ende 2008/Anfang 2009) die Befriedigung der Kostenerstattungsansprüche der Beklagten gesichert gewesen sein soll.
121(1.2) Aus alledem leiten die Beklagten jedenfalls in Bezug auf die Zedenten 1 bis 29 zulässigerweise die Behauptung her, dass diese sich Ende 2008/Anfang 2009 nicht nur grob fahrlässig den Tatsachen verschlossen, sondern die unzureichende Finanzausstattung der Klägerin für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben.
122Die Klägerin ist diesem Vorbringen nicht in rechtserheblicher Weise entgegengetreten. Für einen substantiierten Sachvortrag (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hätte sie für jeden einzelnen dieser Zedenten nachvollziehbar vortragen müssen, auf Grund welcher Umstände der betreffende Zedent trotz der vorstehend beschriebenen gewichtigen Indizien Ende 2008/Anfang 2009 davon ausgegangen sein soll, dass die Klägerin bei einer Prozessniederlage die Kostenerstattungsansprüche der Beklagten in Höhe von rund 5 Mio. Euro würde begleichen können. Daran fehlt es.
123(1.2.1) Die Behauptung der Berufung, den Zedenten seien die Vermögensverhältnisse der Klägerin nicht „in vollem Umfang bekannt“ gewesen, ist ebenso substanzlos wie das pauschale Bestreiten einer konkreten Kenntnis der Zedenten von den Vermögensverhältnissen der Klägerin. Unzureichend ist ebenso die pauschale Behauptung der Klägerin, den Zedenten habe sich zu keinem Zeitpunkt eine Prozesskostenverschiebung aufdrängen müssen (Schriftsatz vom 19.2.2013, dort Seite 45 ff. = GA 6595 ff.). Das Vorbringen entbehrt jedweder tatsächlichen Substanz und die dazu angebotene Zeugenvernehmung liefe auf die Erhebung eines prozessual unzulässigen Ausforschungsbeweises hinaus.
124(1.2.2) Rechtlich unerheblich ist die Behauptung der Klägerin, zwischen ihr und den Zedenten habe von Anfang an Einigkeit bestanden, dass sie (die Klägerin) sich grundsätzlich aus eigenen Mitteln, durch ihre Gesellschafter oder mit Hilfe Dritter (z.B. Prozessfinanzierer) finanzieren sollte. Selbst wenn ein solches Einvernehmen bestanden haben sollte, war den Zedenten 1 bis 29 die im Jahre 2003 vorhandene unzureichende Finanzausstattung der Klägerin bekannt und fehlten jedwede Anhaltspunkte, aus denen bis Ende 2008/Anfang 2009 auf eine Verbesserung der Lage geschlossen werden konnte. Gerade daraus rechtfertigt sich aber der Vorwurf, dass die Zedenten es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben, dass die Klägerin etwaige Kostenerstattungsansprüche der Beklagten nicht werde befriedigen können.
125Der Umstand, dass die Klägerin bis Anfang 2009 ihren Geschäftsbetrieb ordnungsgemäß aufrechterhalten konnte, sie ferner in der Lage war, den Gerichtskostenvorschuss für die Klage und erhebliche Kopierkosten für erstinstanzliche Schriftsatzanlagen aufzubringen sowie schließlich angefallene Honorare ihrer Prozessbevollmächtigten begleichen konnte, ändert an diesem Befund nichts. Denn aus alledem rechtfertigt sich nicht die Feststellung, dass bereits seinerzeit die Kostenerstattungsansprüche der Beklagten in Millionenhöhe sichergestellt waren. Vielmehr hatte der Verwaltungsrat D....im August 2005 dem Landgericht gegenüber versichert, dass die Klägerin unter Berücksichtigung der absehbaren Belastungen des eigenen laufenden Geschäftsbetriebs mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage ist, die Prozesskosten der ersten Instanz nach einem Streitwert von 30 Mio. Euro zu tragen, und an dieser finanziellen Ausstattung hatte sich nach dem Sach- und Streitstand bis Anfang 2009 nichts geändert. Dass die Klägerin - wie sie behauptet - fünf Jahre später im Februar 2014 eine Kapitalerhöhung über 2 Mio. Euro durchgeführt und im März 2014 diesen Betrag zuzüglich weiteren 100.000 Euro auf ein Anderkonto ihrer Anwälte bereitgestellt haben will, um u.a. etwaige Kostenerstattungsansprüche der Beklagten abzudecken, besagt nicht, dass schon Ende 2008/Anfang 2009 die etwaigen Kostenerstattungsansprüche der Beklagten sichergestellt waren.
126(2) Die Zedenten 30 bis 36 haben sich zumindest grob fahrlässig denjenigen Tatsachen verschlossen, aus denen sich die unzureichende finanzielle Ausstattung der Klägerin ergibt.
127Zwar mag ihnen - wie die Berufung reklamiert - nicht bekannt gewesen sein, dass die Klägerin zur Anschubfinanzierung der Klage Kostenzuschüsse der Zedenten benötigte. Andererseits kannten auch sie, wie etwa aus den - wie bereits ausgeführt - unwidersprochenen Darlegungen der Beklagten zu 6. in ihrer Berufungserwiderung folgt, den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung des Verwaltungsrats D....vom 5. August 2005. Auch den Zedenten 30 bis 36 war infolge dessen bewusst, dass die Klägerin im August 2005 nicht ansatzweise über die Finanzmittel verfügte, um etwaige Kostenerstattungsansprüche der Beklagten zu befriedigen, zumal die Zedenten 33, 35 und 36 zu keinerlei Kostenzuschüssen verpflichtet waren. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass sich die finanzielle Situation der Klägerin bis Ende 2008 /Anfang 2009 verbesserte hatte, lagen nicht vor und sind auch in der Person der Zedenten 30 bis 36 nicht zu erkennen. Dazu trägt auch die Berufung konkret nichts vor.
128Bei dieser Sachlage spricht vieles für die Annahme, dass auch die Zedenten 30 bis 36 Ende 2008/Anfang 2009 Kenntnis davon besaßen, dass die Klägerin nicht über hinreichende Finanzmittel verfügte, um die etwaigen Kostenerstattungsansprüche der Beklagten in Höhe von knapp 5 Mio. Euro zu befriedigen, weil sie dies zumindest für möglich hielten und billigend in Kauf nahmen. In jedem Fall trifft die Zedenten 30 bis 36 aber der Vorwurf, sich der entsprechenden Tatsachenkenntnis grob fahrlässig verschlossen zu haben. Bei verständiger Würdigung der vorstehend geschilderten Umstände musste sich nämlich geradezu aufdrängen, dass die finanzielle Ausstattung der Klägerin Ende 2008/Anfang 2009 nur dazu ausreichte, den eigenen Geschäftsbetrieb und die aktuellen Kosten des Prozesses zu tragen und darüber hinaus keinerlei Vorsorge für etwaige Kostenerstattungsansprüche der Beklagten in Millionenhöhe getroffen worden war.
129B. Die Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 2. sind ebenfalls verjährt.
1301. Allerdings ist die Verjährung der Ansprüche - entgegen der Auffassung des Landgerichts - mit dem Tag des Inkrafttretens der 7. GWB-Novelle im Juli 2005 gemäß § 33 Abs. 5 S. 1 GWB 2005 gehemmt worden.
131Der Senat hat bereits entschieden (vgl. Urteil v. 29.1.2014 -VI-U (Kart) 7/13- [Vorinstanz: 88 O 1/11 - Landgericht Köln], Umdruck S. 47 f., Rz. 153 bei juris), dass § 33 Abs. 5 S. 1 GWB auch auf vor dem Tag des Inkrafttretens der 7. GWB-Novelle bereits entstandene Kartellschadensersatzansprüche anzuwenden ist, sofern an jenem Tag die Ansprüche nicht bereits verjährt waren und das zu Grunde liegende kartellbehördliche Verfahren zumindest noch nicht bestands- bzw. rechtskräftig abgeschlossen war. Daran hält er nach erneuter Überprüfung fest.
132a. Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Wortlaut des § 33 Abs. 5 S. 1 GWB nicht entgegen.
133§ 33 Abs. 5 S. 1 GWB regelt die Verjährungshemmung von Schadensersatzansprüchen„nach Absatz 3“. Daraus kann nicht gefolgert werden, dass die Hemmungsvorschrift des § 33 Abs. 5 S. 1 GWB ausschließlich solche Ansprüche erfasst, die ihre materielle Grundlage in jenem § 33 Abs. 3 GWB 2005 haben, mit der Folge, dass Ersatzansprüche aus solchen Kartellrechtsverstößen, die vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle begangen worden sind (vgl. dazu BGH, Urteil v. 28.6.2011 - KZR 75/10, NJW 2012, 928, Rz. 13 -ORWI), nicht von der Verjährungshemmung erfasst werden. Der Normwortlaut des § 33 Abs. 5 S. 1 GWB ist offen. Die Hemmungsvorschrift kann zwanglos auch dahin verstanden werden, dass sie in sachlicher Hinsicht für alle (noch unverjährten) Schadensersatzansprüche gilt, die auf einen Kartellrechtsverstoß des Anspruchsgegners zurückzuführen sind, gleichgültig, ob der Kartellverstoß vor oder nach Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle begangen worden ist. Ein solches Wortlautverständnis liegt insbesondere vor dem Hintergrund nahe, dass der in der Hemmungsvorschrift in Bezug genommene § 33 Abs. 3 (S. 1) GWB das zum Schadensersatz verpflichtende Verhalten durch Verweis auf § 33 Abs. 1 GWB beschreibt und jene Vorschrift wiederum normiert, dass Verstöße gegen das nationale Kartellgesetz (GWB) sowie gegen Art. 81 und 82 EG (heute: Art. 101 oder 102 AEUV) Ansprüche des Betroffenen auslösen („einen Verstoß nach Absatz 1…. begeht“). In der Gesamtschau kann § 33 Abs. 5 S. 1 GWB ohne Weiteres dahin verstanden werden, dass die Formulierung „Schadensersatzanspruch nach Absatz 3“ auf alle Schadensersatzansprüche anzuwenden ist, die einem Betroffenen wegen Verstoßes gegen eine Vorschrift des GWB oder gegen Artt. 81 und 82 EG zustehen.
134b. Für ein Verständnis des § 33 Abs. 5 S. 1 GWB im zuletzt dargelegten Sinn sprechen die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des mit der 7. GWB-Novelle 2005 insgesamt neu gefassten § 33 GWB. Mit der Neufassung des § 33 GWB (2005) wollte der Gesetzgeber die Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten von Kartellgeschädigten strukturell verbessern. Die Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drucks. 15/3640, S. 52 ff.) bezeichnet den vor der 7. GWB-Novelle herrschenden Rechtszustand als unbefriedigend und zum Schutz von Kartellopfern unzureichend. Durch § 33 Abs. 1 Satz 3 GWB, wonach anspruchsberechtigt nicht nur der Mitbewerber, sondern auch jeder durch den Kartellverstoß beeinträchtigte sonstige Marktteilnehmer ist, wurden die bislang aus dem Schutzgesetzerfordernis hergeleiteten Einschränkungen der Aktivlegitimation und die sich daraus ergebenden Schutzlücken beseitigt und zugleich die „jedermann“-Rechtsprechung des EuGH umgesetzt (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, S. 53). Um die private Rechtsdurchsetzung nach Kartellrechtsverstößen effektiver zu gestalten, hat der Gesetzgeber des Weiteren mit § 33 Abs. 4 GWB 2005 das Instrument der Tatbestandswirkung in das Kartellgesetz eingefügt und angeordnet, dass der Schadensersatzrichter an einen in einem Kartellverwaltungs- oder Kartellbußgeldverfahren bestands- oder rechtskräftig festgestellten Kartellverstoß gebunden ist. Um den Kartellgeschädigten in den Genuss dieser Tatbestandswirkung kommen zu lassen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, S. 55 linke Sp.), hat der Gesetzgeber zudem in § 33 Abs. 5 GWB 2005 die Hemmung der Anspruchsverjährung während eines kartellbehördlichen Verfahrens eingeführt. In der Regierungsbegründung heißt es dazu:
135„Um die Durchsetzbarkeit kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche zu sichern, ist die Verjährung dieser Ansprüche gehemmt, wenn die Kartellbehörde wegen eines Verstoßes im Sinne des Absatzes 1 oder die Kommission oder die Wettbewerbsbehörde eines anderen Mitgliedstaates wegen eines Verstoßes gegen Art. 81 oder 82 EG ein Verfahren einleitet. Damit soll erreicht werden, dass individuell Geschädigte tatsächlich in den Genuss der Tatbestandswirkung …. kommen können und zivilrechtliche Schadensersatzansprüche beispielsweise nach Ablauf eines langwierigen Bußgeldverfahrens nicht bereits verjährt sind.“
136Es fehlt jedweder Anhaltspunkt für die Annahme, dass ausschließlich die zivilrechtliche Verfolgung der erst nach dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle entstandenen Ersatzansprüche verbessert werden sollte, nicht aber die bereits zuvor verwirklichten und noch nicht verjährten Ersatzansprüche. Für eine solche Differenzierung fehlt angesichts des gesetzgeberischen Willens, die Durchsetzung von zivilrechtlichen Ersatzansprüchen auch bei langandauernden Verwaltungs- oder Bußgeldverfahren zu ermöglichen, auch jede sachliche Rechtfertigung. Die Geschädigten von vor dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle begangenen Kartellrechtsverstößen sind nicht weniger schutzbedürftig und schutzwürdig wie die erst unter Geltung des GWB 2005 durch Kartellrechtsverstöße geschädigten Marktbeteiligten. Es hat nach alledem - den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Verjährungsrechts entsprechend (s. Artt. 169 Abs. 1 S. 1, 229 § 6 Abs. 1 S. 1, 231 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB, vgl. hierzu auch BGH, Urteil v. 15.12.2005 - I ZR 9/03, NJW-RR 2006, 618 [618 f.], Rz. 16) - dabei zu verbleiben, dass § 33 Abs. 5 GWB (2005) seit dem Tag seiner Geltung auch auf bereits zuvor entstandene und noch nicht verjährte Schadensersatzansprüche anzuwenden ist.
1372. Die Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 2. sind trotz einer Verjährungshemmung nach § 33 Abs. 5 S. 1 GWB verjährt. Die Verjährung ist im Juli 2011 eingetreten (nachfolgend zu a.). Gegenüber der Einrede der Verjährung kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg unter Berufung auf deliktische Herausgabeansprüche gemäß § 852 S. 1 BGB bzw. § 852 Abs. 3 BGB a.F. verteidigen (nachfolgend zu b.).
138a. Geht man zu Gunsten der Klägerin davon aus, dass § 33 Abs. 5 GWB - so wie im Gesetz angeordnet - bereits am 1. Juli 2005 in Kraft getreten ist, ist der Lauf der mit Schluss des Jahres 2003 in Gang gesetzten dreijährigen Verjährungsfrist am 1. Juli 2005 gehemmt worden. Die Hemmung dauerte bis zum 4. Januar 2010 einschließlich, mithin 4 Jahre, 6 Monate und 4 Tage. Dies ergibt sich aus §§ 33 Abs. 5 S. 2 GWB, 204 Abs. 2 S. 1 BGB. Das gegen die Beklagte zu 2. am 26. Juni 2009 verkündete Bußgeldurteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist nach Ablauf der einwöchigen Rechtsbeschwerdefrist (§ 84 GWB i.V.m. §§ 79 Abs. 3 OWiG, 41 Abs. 1 StPO), mithin am 4. Juli 2009, rechtskräftig geworden. Infolgedessen hat die Hemmung in entsprechender Anwendung des § 204 Abs. 2 S. 1 BGB sechs Monate später, mithin am 4. Januar 2010, geendet. Der am 5. Januar 2010 fortgesetzte Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist ist gemäß § 209 BGB um den vorgenannten Hemmungszeitraum, berechnet vom eigentlichen Ende der Regelverjährung (Ablauf des 31. Dezember 2006), zu verlängern. Bei einer Verlängerung von 4 Jahren, 6 Monaten und 4 Tagen endete der Lauf der Verjährungsfrist mithin im Juli 2011. Bis zu diesem Zeitpunkt sind anderweitige Hemmungstatbestände nicht mehr eingetreten. Die Klageerhebung hat - wie bereits bei der Beklagten zu 1. ausgeführt - nicht zu einer Verjährungshemmung geführt, weil die Klägerin weder durch die Abtretungen bis zum 30. Juni 2008 noch durch die Zessionen Ende 2008/Anfang 2009 Inhaberin der Ersatzansprüche ihrer Zedenten geworden ist.
139b. Gegenüber der Verjährungseinrede der Beklagten zu 2. kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg verteidigen. Deliktische Herausgabeansprüche (§§ 852 S. 1 BGB bzw. 852 Abs. 3 BGB a.F.) sind der Klägerin nicht zuzuerkennen. Zwar ist die für diese Ansprüche selbst geltende Verjährungsfrist (§ 852 S. 2 BGB) nicht abgelaufen. Gleichwohl dringt die Klägerin mit ihrem hilfsweisen Verlangen nach „Restschadensersatz“ nicht durch. Ob und inwieweit sie auf Grund ihrer Bezugnahme auf die Anlagen K 190 a (4) ff. zu ihrem Schriftsatz vom 12.7.2013 (vgl. gesonderten Anlagenband hierzu) zum Umfang des fraglichen („Rest“-)Schadens schlüssig vorgetragen hat, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen. Die Verteidigung gegen die Verjährungseinrede hat zumindest deshalb keinen Erfolg, weil in diesem Rechtsstreit der Klägerin schon dem Grunde nach keine Kartellschadensersatzansprüche zuzusprechen sind; da dies im Verhältnis der Klägerin zu allen sechs Beklagten gilt, wird zur näheren Begründung auf die nachfolgenden Ausführungen (zu C. und zu D.) verwiesen.
140C. Die Berufung der Klägerin hat darüber hinaus gegen alle sechs Beklagten keinen Erfolg, weil der Klägerin die Aktivlegitimation fehlt. Denn sie ist nicht Inhaberin der eingeklagten Schadensersatzforderungen geworden.
1411. Wie bereits dargelegt, sind die Abtretungsrechtsgeschäfte, die zwischen den Zedenten und der Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vorgenommen wurden, rechtsunwirksam.
1422. Die Klägerin hat nach Verkündung des angefochtenen Urteils in dem Zeitraum April bis Juni 2014 mit 31 der ehemals 36 Zedenten „vorsorglich“ neue Abtretungsverträge geschlossen, auf die sie ihr Klagebegehren in 2. Instanz hilfsweise stützt. Es kann auf sich beruhen, ob diese Forderungszessionen rechtswirksam vorgenommen worden sind. Denn sie müssen gemäß § 533 ZPO bei der Entscheidungsfindung außer Betracht bleiben. Nach der genannten Vorschrift ist eine Klageänderung im Berufungsverfahren nur zulässig, wenn (1) der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und (2) die Klageänderung auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
143a. Die Einführung der „Neuabtretungen“ in den Rechtsstreit ist eine Klageänderung im Sinne von § 533 ZPO.
144Nach der heute ganz herrschenden Auffassung wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge ableitet. Eine Klageänderung liegt vor, wenn entweder der Klageantrag oder der Klagegrund ausgewechselt wird (BGH, Beschluss v. 16.9.2008 - IX ZR 172/07, NJW 2008, 3570 [3571], Rz. 9; BGH, Beschluss v. 29.9.2011 - IX ZB 106/11, NJW 2011, 3653, Rz. 11). Der Klagegrund wechselt, wenn der bisherige Lebenssachverhalt wesentlich, das heißt im Kern, geändert wird. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn eine Klage später auf fremdes statt auf eigenes Recht oder auch auf eine (weitere) neue Zession gestützt wird (vgl. OLG Brandenburg, Urteil v. 11.3.2008 - Kart U 2/07, OLGR 2009, 385, Rz. 107 bei juris; Foerste, in Musielak, ZPO, 11. Aufl. [2014], § 263 Rz. 3; Becker-Eberhard in Münchener Kommentar zur ZPO [MüKo-ZPO], 4. Aufl. [2013], § 263 Rz. 16). Stützt der Kläger sein Klagebegehren in erster Linie zunächst auf einen Lebenssachverhalt und später hilfsweise auf einen weiteren Lebenssachverhalt, liegt hierin eine nachträgliche (Eventual-) Klagehäufung im Sinne von § 260 ZPO, die wie eine Klageänderung im Sinne der §§ 263, 533 ZPO zu behandeln ist (vgl. BGH, Urteil v. 27.9.2006 - VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 [2415], Rz. 8; Ball in Musielak, § 533 Rz. 6; Rimmelspacher in MüKo-ZPO, 4. Aufl. [2012], § 533 Rz. 8).
145So verhält es sich hier im Hinblick darauf, dass die Klägerin mit ihrem Rechts-mittel in erster Linie die vom Landgericht erkannte Rechtsunwirksamkeit der bis zum Schluss des ersten Rechtszugs vorgenommenen Abtretungen bekämpft und sich „vorsorglich“ auf - wie sie behauptet - während der Berufungsinstanz abgeschlossene Abtretungsvereinbarungen stützt.
146b. Die Voraussetzungen, unter denen § 533 ZPO in der Berufungsinstanz eine Klagehäufung zulässt, liegen nicht vor.
147aa. Die Beklagten haben in die Klageänderung nicht eingewilligt. Die Klageänderung ist auch nicht sachdienlich. Das gilt jedenfalls insoweit, wie sich die Klage gegen die Beklagten zu 1., zu 4. und zu 6. sowie ferner gegen die Beklagten zu 2., zu 3. und zu 5. wegen deren Teilnahme an den Regionalkartellen Nord, Ost und Süd richtet. Die Beklagten waren nämlich ausschließlich an Regionalkartellen - und nicht an einem bundesweit betriebenen Kartell - beteiligt, so dass es jedenfalls für diejenigen Schadensersatzansprüche, die gegen die Beklagten zu 2. bis zu 6. aus einer Teilnahme an den Regionalkartellen Nord, Ost und Süd hergeleitet werden, an einer Entscheidungszuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf und des Senats als dem übergeordneten Berufungsgericht fehlt. Soweit es die Beklagte zu 1. betrifft, ist die Klageänderung schon nicht sachdienlich, weil - wie oben zu A. dargelegt - sämtliche womöglich gegen sie entstandenen Schadensersatzansprüche jedenfalls verjährt und nicht mehr durchzusetzen sind, mithin das gegen diese Beklagte eingelegte Rechtsmittel der Klägerin (allein) schon wegen feststehender Anspruchsverjährung zurückweisungsreif ist.
148(1) Mit ihrem Hauptantrag nimmt die Klägerin die Beklagten gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz wegen der Teilnahme an einem „bundesweiten“ Zementkartell in Anspruch (vgl. hierzu etwa S. 117 der Berufungsreplik v. 10.7.2014 = GA 8719) und trägt dazu vor:
149(1.1) Die Beklagten und zum Teil deren Rechtsvorgängergesellschaften hätten im Rahmen der Präsidiumssitzung des C. e. V. (C.) vom 13. März 1990 einen alle Beteiligten verpflichtenden Beschluss gefasst, den Preiswettbewerb auf dem deutschen Zementmarkt durch eine Befestigung der vorhandenen Marktanteile und Kundenstämme auszuschließen. Zu diesem Zweck hätten die Beklagten in jener Sitzung im Sinne einer „Grundabrede“ beschlossen, das Gebiet der „Alten Bundesländer“ in drei Kartellregionen aufzuteilen (Nord-, West- und Süddeutschland); zu einem späteren Zeitpunkt hätten die Beklagten sich auf das Gebiet der „Neuen Bundesländer“ als vierte Kartellregion (Ost) geeinigt. In der Sitzung vom 13. März 1990 hätten die Teilnehmer des Weiteren auch eine Vereinbarung getroffen, die „Grundabrede“ gemeinschaftlich umzusetzen. Bereits in der Sitzung sei von den Beteiligten beschlossen worden, auf Ebene der aufgeteilten Kartellregionen weitere Absprachen zu treffen und auf diese Weise regional noch näher zu bestimmende Lieferquoten oder Marktanteile festzulegen. Alle Beklagten hätten sich entsprechend der „Grundabrede“ verhalten und diese umgesetzt; dies gelte auch für die in der Sitzung vom 13. März 1990 nicht persönlich vertretene Beklagte zu 3., die sich die in jener Sitzung gefassten Beschlüsse im Einvernehmen mit den übrigen Beklagten zu eigen gemacht habe. In Ausführung der „Grundabrede“ hätten die Beklagten über die regionalen Quotenabsprachen hinaus auch überregionale Maßnahmen zur Abwehr von außerhalb des Bundesgebiets vordringenden Wettbewerbs sowie hinsichtlich Ausgleichsleistungen für regionenübergreifende Abwehrmaßnahmen und Lieferungen („Money-Karussell“) getroffen. Die Beklagten hätten in dem Bewusstsein gehandelt, dass allein ein gemeinschaftliches Vorgehen zu einer erfolgreichen Umsetzung des in der Sitzung des C. vom 13. März 1990 getroffenen Beschlusses würde führen können. Die von dem Kartell bezweckte „bundesweite Stabilisierung der Marktanteile auf dem Zementmarkt“ wäre, wie alle Beteiligten gewusst hätten, nicht möglich gewesen, wenn einer der großen Zementhersteller den anderen Beklagten in den Kartellregionen und/oder überregional Wettbewerb gemacht hätte (zum Vorbringen der Klägerin vgl. etwa S. 57 ff., 67 ihres Schriftsatzes v. 29.6.2012 = GA 6212 ff./6222 und auch S. 107 ff. der Berufungsbegründung = GA 7780 ff.).
150Aus dem Vorstehenden leitet die Klägerin ihre Auffassung ab, alle Beklagten hätten mittäterschaftlich (§ 830 Abs. 1 S. 1 BGB) an dem Zustandekommen sowie der Umsetzung der „Grundabrede“ aus der C.-Sitzung vom 13. März 1990 zusammengewirkt, jedenfalls aber das „bundesweite Kartell“ im Sinne der „Grundabrede“ als Teilnehmer (§ 830 Abs. 2 BGB) durch Beteiligung an zumindest einzelnen regionalen Quotenabsprachen willentlich gefördert, weshalb die Beklagten als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB) jeweils auf vollen Ersatz der bundesweit entstandenen Kartellschäden hafteten.
151(1.2) Dieses Klagebegehren ist unbegründet. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagten als Mittäter oder Teilnehmer einer „bundesweiten Grundabrede“ zur Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Zementmarkt oder an einem hierauf gerichteten „Gesamtplan“ sowie an der Umsetzung eines solchen Vorhabens mitgewirkt haben.
152Der Vorwurf der Klägerin, die Beklagten hätten an einem bundesweiten Kartell teilgenommen, wird - ganz offensichtlich - nicht von den tatsächlichen Feststellungen und den rechtlichen Wertungen getragen, die der Verurteilung der Zementhersteller im kartellgerichtlichen Bußgeldverfahren zu Grunde liegen. Infolge dessen kann sich die Klägerin insoweit auch nicht auf eine Tatbestandswirkung der dort ergangenen Entscheidungen nach § 33 Abs. 4 GWB berufen.
153(1.2.1) Im Bußgeldverfahren hat das Oberlandesgericht Düsseldorf eine „bundesweite Grundabrede“ der beklagten Zementhersteller (bzw. der Vorgängergesellschaften) geprüft, indes in seinen auf die Hauptverhandlung folgenden Feststellungen ebenso wie ein unter sonstigen Gesichtspunkten zustande gekommenes „Bundeskartell“ verneint. Diese Wertung hat der Bundesgerichtshof im Rechtsbeschwerdeverfahren bestätigt. In seiner Entscheidung vom 26. Februar 2013 (KRB 20/12, NZKart 2013, 195 = WuW/E DE-R 3861 - Grauzementkartell) hat er insoweit ausgeführt (a.a.O. Rz. 26):
154„Das Oberlandesgericht hat rechtsfehlerfrei die Übereinkunft in der Präsidiumssitzung des C. vom 13. März 1990 noch nicht als bundesweit wirkende Grundabsprache angesehen. Als solche war sie inhaltlich nicht ausreichend konkret und vor allem nicht auf die relevanten Regionalmärkte bezogen, die neben den Absatzstrukturen und der historischen Entwicklung die Wettbewerbsbedingungen maßgeblich bestimmten.“.
155Rechtskräftig bestätigt sind damit u.a. auch die folgenden Feststellungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf in seinem Urteil (fortan auch OLGU) vom 26. Juni 2009 (VI-2 a Kart 2-6/08 OWi):
156Das Gebiet der „Alten Bundesländer“ war (bereits) traditionell räumlich in drei große Märkte mit teilweise weiteren Untergliederungen aufgeteilt. In den Märkten herrschten seit jeher ganz unterschiedliche Marktstrukturen. Dies war insbesondere dem Umstand geschuldet, dass in den einzelnen Regionen eine unterschiedliche Anzahl an Zementherstellern agierte, es dort herkömmlicherweise unterschiedliche Marktführer gab und auch die Marktstärke der einzelnen Hersteller von Region zu Region ebenso wie die jeweilige Bedeutung des Mittelstandes variierte. Ferner waren bereits vor 1990 in den einzelnen Regionen über mehrere Jahre oder Jahrzehnte Kartellabsprachen über Lieferquoten praktiziert worden (vgl. OLGU, insbesondere Rzn. 9 und 51 bei juris). Vor dem genannten Hintergrund wussten alle Teilnehmer der C.-Sitzung vom 13. März 1990, dass die Sitzung lediglich „einen ersten Anstoß“ für Kartellabsprachen in den traditionellen Regionalmärkten würde bieten können, indes „alles Weitere in den jeweiligen Regionen“ zu regeln sein würde. Auf der Hand lag für alle Beteiligten auch, dass die in den einzelnen Regionen gewachsenen Marktstrukturen einschließlich der dort jeweils bereits früher über lange Zeit gepflegten Kartellabsprachen es „unmöglich“ machten, „einheitliche Absprachen“ mit Wirkung für das Gesamtgebiet der „Alten Bundesländer“ zu treffen und die Einhaltung solcher Absprachen bundesweit zu überprüfen (vgl. OLGU Rzn. 51 und 170 bei juris).
157Die Bedeutung der C.-Sitzung vom 13. März 1990 erschöpfte sich - so das Bußgeldurteil des Oberlandesgerichts weiter - daher in der Kundgabe der übereinstimmenden Auffassung der Sitzungsteilnehmer, dass auch vor dem Hintergrund der Aufdeckung eines schon früher in Süddeutschland praktizierten Quotenkartells in der Zementindustrie durch das Bundeskartellamt und der infolgedessen im Jahr 1989 gegen die betroffenen Kartellanten verhängten Geldbußen (vgl. hierzu OLGU Rz. 48 bei juris) Kartellabsprachen (allgemein) „weiterhin sinnvoll und notwendig“ waren und deshalb „die in den einzelnen Marktregionen früher bestehenden Absprachen - mit bestimmten Abweichungen- wieder aufzunehmen“ waren (vgl. OLGU Rz. 171 bei juris).
158Wörtlich hat das Oberlandesgericht Düsseldorf des Weiteren in seiner Beweiswürdigung bezüglich der C.-Präsidiumssitzung vom 13. März 1990 ausgeführt (OLGU Rz. 171 bei juris, Hervorhebungen durch den hier erkennenden Senat):
159„Dabei handelte es sich nicht um die Bildung eines bundesweiten Dachkartells (welches im Übrigen damals Ostdeutschland noch nicht umfassen konnte), sondern im Hinblick auf die Allgemeinheit der Vorgaben um einen „Startschuss“ der Spitzen der jeweiligen Unternehmen, dass auf regionaler Ebene Kartellabsprachen wieder aufgenommen werden sollten. Dementsprechend waren die konkreten Absprachen in jeder Region unterschiedlich, ihre Organisation, Verwirklichung und Überwachung verschieden. Eine bundesweite Überwachung gab es nicht, ebenso wenig wie es bundesweite Quoten gab.“
160Weiter wird in dem Urteil ausgeführt, dass einzelnen „überregionalen Abwehrmaßnahmen“ wie zum Beispiel dem Aufkauf von 10.000 t Zement in R. durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2. und dem Abkauf von Anlagen zum Umschlag importierten Zements durch die Beklagte zu 5. bzw. durch eine Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 6. mangels insoweit durchgreifenden Anhalts keine vorigen Absprachen zwischen den Zementherstellern zu Grunde lagen (vgl. hierzu OLGU Rzn. 153 ff. und 293 ff. bei juris). Solche Abwehrmaßnahmen waren - so das Oberlandesgericht - auch in ihrer Gesamtheit von nur geringer Bedeutung, ebenso wie einzelne Querlieferungen zwischen den einzelnen Regionalmärkten. Auch soweit im Jahr 2000 einige Zementhersteller wegen solcher Sachverhalte nachträglich einen finanziellen bundesweiten Ausgleich bezüglich entstandener Aufwendungen zu erlangen versuchten („Money-Karussell“), handelte es sich hierbei um zu sporadische und inhaltlich zu allgemein gehaltene Handlungen, um ihnen oder den den Ausgleichsforderungen zu Grunde liegenden Maßnahmen eine über die Regionalabsprachen hinausgehende bundesweite Wirkung zusprechen zu können (vgl. OLGU Rzn. 172 und 331 bei juris).
161Bei dieser Sach- und Rechtslage kann nach den Feststellungen im Bußgeldverfahren weder von einem „bundesweiten Kartell“ unter Beteiligung aller sechs beklagten Zementhersteller noch von einer Mittäterschaft aller Beklagten an den im Bußgeldverfahren festgestellten regionalen Kartellen oder von einer Teilnahme (§ 830 Abs. 2 BGB) der Beklagten an den jeweils nur von anderen Beklagten betriebenen Regionalkartellen ausgegangen werden. Eine Haftung aller sechs Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz des vollen bundesweit verursachten Kartellschadens scheidet mithin nach dem Ergebnis des Kartellbußgeldverfahrens aus.
162(1.2.2) Auch die weiteren Ausführungen der Klägerin rechtfertigen nicht die Annahme des von ihr reklamierten „bundesweiten Zementkartells“. Anders als die Klägerin meint, ist im Rahmen der C.-Sitzung vom 13. März 1990 schon keine wie auch immer geartete Vereinbarung im Sinne des § 1 GWB zustande gekommen, mit der sich die Beteiligten im Sinne einer rechtsgeschäftlichen oder auch nur tatsächlichen Bindung (vgl. hierzu etwa Zimmer in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB, 5. Aufl. [2014], § 1 Rzn. 83 ff.) zu einem wettbewerbsbeschränkenden Verhalten verpflichteten; insoweit fehlte es - wie dargelegt - sowohl an inhaltlich hinreichend bestimmten Verhaltensmaßgaben als auch an einem Bezug der fraglichen Verhaltenskoordinierung zum räumlich relevanten Markt, namentlich zu den traditionell gewachsenen Regionalmärkten. Nichts spricht für eine bundesweit wirksame „Grundabrede“ der beklagten Zementhersteller. Ebenso wenig hat die Klägerin belastbaren Anhalt für die Annahme dargetan, auf regionaler Ebene sei - lediglich - eine solche Grundabrede „umgesetzt“ worden. Dass es sich bei den im Bußgeldverfahren festgestellten Kartellregionen nicht selbst um die räumlich relevanten Märkte gehandelt hat, die den Gegenstand bzw. den im Sinne von § 1 GWB notwendigen Bezugspunkt wettbewerbswidriger Verhaltenskoordinierung bildeten, hat die Klägerin nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich.
163Der Klägerin ist auch nicht in ihrer Ansicht zu folgen, alle beklagten Zementhersteller seien als Gesamtschuldner gemäß § 840 Abs. 1 BGB haftungsrechtlich miteinander verbunden, weil sie durch ihr jeweiliges Handeln auf regionaler Ebene ein von ihnen gemeinsam geteiltes Anliegen gefördert hätten, das in einer„bundesweiten Stabilisierung“ der Marktanteile auf dem deutschen Zementmarkt bestanden habe, indes gemäß dem Wissen eines jeden Beteiligten notwendigerweise nur bei einem parallelen wettbewerbsbeschränkenden Verhalten aller Beklagten in allen Regionen zu erreichen gewesen sei (vgl. insoweit etwa S. 67 des Schriftsatzes der Klägerin v. 29.6.2012 = GA 6222). Diese Auffassung ist durch nichts belegt und unzutreffend. Die Klägerin selbst hat hinsichtlich der von ihr reklamierten Bewusstseins- und Motivationslage der beklagten Zementhersteller nicht im Ansatz tragfähigen Sachvortrag gehalten. Anders als sie meint, lässt sich ihre Auffassung auch nicht auf die im Bußgeldverfahren getroffenen Feststellungen stützen. Für die von der Klägerin reklamierte tatsächliche Abhängigkeit der Wirksamkeit bzw. Effektivität in einzelnen Regionen getroffener Kartellabsprachen davon, dass parallel hierzu auch in den jeweils anderen Regionen Kartellabsprachen zustande kommen und auch eingehalten werden, bieten die im Bußgeldverfahren getroffenen Feststellungen keinen Anhalt. Ebenso wenig spricht nach den dort getroffenen Feststellungen etwas dafür, dass die Beklagten bei ihrem Handeln subjektiv von einer derartigen Abhängigkeit regionaler Absprachen untereinander ausgegangen sind und sich hiervon haben bestimmen lassen, gemeinschaftlich Maßnahmen mit dem Ziel vorzunehmen, die Verhältnisse auf dem deutschen Zementmarkt „bundesweit zu stabilisieren“. Im Gegenteil hat nach den eindeutigen bußgeldrechtlichen Feststellungen für alle Beteiligten auch im März 1990 klar auf der Hand gelegen, dass es mit Rücksicht auf die historisch bedingten und besonderen Strukturen auf den einzelnen regionalen Märkten und die jeweils dort früher bereits gepflegten Kartellabsprachen schlechthin unmöglich war, das Verhalten der Marktteilnehmer „auf Bundesebene“ zu koordinieren, namentlich insoweit bestimmenden Einfluss auf konkrete Inhalte und das Zustandekommen von Kartellabsprachen zu nehmen und/oder die Einhaltung von Kartellabsprachen bundesweit zu überwachen. Dementsprechend vermag die Klägerin auch keinerlei bundesweite Maßnahmen aufzuzeigen, mit deren Hilfe die Durchführung der Regionalkartelle hätte überwacht werden können.
164Aus Vorstehendem folgt unmittelbar, dass es - anders als die Klägerin meint - auch keinen alle sechs Beklagten verbindenden „Gesamtplan“ gab, den Wettbewerb auf dem deutschen Zementmarkt mit bundesweiter Wirkung zu beschränken. Schon mangels eines solchen „bundesweiten Gesamtplans“ ist eine gesamtschuldnerische Haftung aller Beklagten auch nicht aus der von der Klägerin bemühten (vgl. etwa S. 71 ff. ihres Schriftsatzes v. 29.6.2012 = GA 6226 ff.) Rechtsfigur des sogenannten „single, complex and continuos infringement“ im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsprechung (vgl. hierzu EuGH, Urteil v. 8.7.1999 - C49/92, Sammlung der Rechtsprechung 1999 I-04125, Rz. 81 bei juris - Kommission/Anic Partecipazioni; EuGH, Urteil v. 7.1.2004 - C/204-00, Sammlung der Rechtsprechung 2004 I-00123, Rz. 258 bei juris - Aalborg Portland u.a./Kommission) herzuleiten.
165(2) Mit ihren - erstmals in der Berufungsinstanz gestellten - Hilfsanträgen will die Klägerin die Beklagten unter Hinweis auf die Neuabtretungen des Jahres 2014 in wechselnden personellen Zusammensetzungen unter dem Gesichtspunkt regionaler Quotenkartelle in den Kartellregionen Nord, West, Süd und Ost auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Diese Klageerweiterung ist jedenfalls insoweit nicht sachdienlich, wie gegen die Beklagte zu 1. überhaupt Schadensersatz wegen Beteiligung an regionalen Kartellen bzw. gegen die Beklagten zu 2. bis zu 6. Schadensersatz wegen der Teilnahme an den Regionalkartellen Nord, Ost oder Süd begehrt wird. Weder das Landgericht Düsseldorf noch der Senat als das übergeordnete Berufungsgericht sind für diese Klageansprüche örtlich zuständig. Ausschließlich die Beklagte zu 1. hat ihren allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 17 Abs. 1 ZPO) im Landgerichtsbezirk Düsseldorf, so dass nur sie dort wegen aller in Betracht kommenden Ansprüche verklagt werden kann; indes ist die Berufung der Klägerin gegen die Beklagte zu 1. wegen der eingetretenen Verjährung aller in Betracht kommenden Ansprüche ohnehin zurückweisungsreif. Die Beklagten zu 2. bis zu 6. können demgegenüber in Düsseldorf alleine unter dem Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) verklagt werden. Indes ist der schadensersatzbegründende Kartellverstoß allenfalls hinsichtlich des Regionalkartells West im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf begangen worden, keinesfalls derjenige hinsichtlich der Regionalkartelle Nord, Ost und Süd. § 513 Abs. 2 ZPO steht nicht entgegen, weil die Klägerin erstmals im Berufungsverfahren hilfsweise Schadensersatz gestützt auf den Vorwurf der Teilnahme an Regionalkartellen begehrt, so dass das Landgericht - worauf bereits die Beklagte zu 3. zutreffend hingewiesen hat (vgl. S. 74 f. der Berufungserwiderung v. 27.5.2014 = GA 8176 f.) - seine diesbezügliche (Un-) Zuständigkeit weder prüfen musste noch bejaht hat. Soweit das Landgericht mit dem am 21. Februar 2007 verkündeten Zwischenurteil (GA 2817 ff.) seine örtliche Zuständigkeit angenommen hat, ist dies - ausschließlich - auf Grund der Annahme eines von der Klägerin schlüssig behaupteten „bundesweiten Zementkartells“, an dem alle Beklagten als Mittäter beteiligt gewesen seien, erfolgt (vgl. S. 13 f. des Zwischenurteils). Auch zu keinem späteren Zeitpunkt hat das Landgericht über auf Regionalkartelle gestützte Schadensersatzansprüche verhandelt und insoweit über seine (Un-) Zuständigkeit entschieden. Vielmehr hat das Landgericht - wie die Beklagten zu 4. (vgl. Berufungserwiderung v. 28.5.2014, S. 107 = GA 8416) und zu 3. (vgl. Berufungserwiderung v. 27.5.2014, S. 55, Rz. 192 = GA 8167) unwidersprochen vorgetragen haben - in der letzten mündlichen Verhandlung am 10. Oktober 2013 die Klägerin gefragt, ob sie unter dem Gesichtspunkt regionaler Kartellabsprachen ihr Schadensersatzverlangen mit Hilfsanträgen verfolge und die Sitzung unterbrochen, um der Klägerin Gelegenheit zur Beratung zu geben; nach Wiedereintritt in die Verhandlung hat die Klägerin indes erklärt, dass sie keine Hilfsanträge stellen werde und ihre bisherigen Ausführungen zu Regionalkartellen lediglich als „Rechenhilfen“ zu verstehen seien.
166bb. Soweit die Klageänderung nach den bislang dargelegten Erwägungen überhaupt sachdienlich sein könnte (nämlich allenfalls in Bezug auf die Klage gegen die Beklagten zu 2. bis zu 6., soweit diese wegen ihrer Teilnahme an dem Regionalkartell West in Anspruch genommen werden), ist sie jedenfalls deshalb unzulässig und daher prozessual unbeachtlich (vgl. hierzu Althammer in Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Aufl. [2013], § 533 Rz. 16; Rimmelspacher in MüKo-ZPO, § 533 Rz. 17), weil sie entgegen § 533 Nr. 2 ZPO nicht auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zu Grunde zu legen hat.
167Das Erfordernis der Tatsachenkongruenz in § 533 Nr. 2 ZPO trägt dem Umstand Rechnung, dass nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. hierzu Begründung zum Regierungsentwurf zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 102) die Berufung abweichend von früherem Recht in erster Linie der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung dient (vgl. auch BGH, Urteil v. 19.3.2004 - V ZR 104/03, NJW 2004, 2152 [2155]); durch § 533 Nr. 2 ZPO räumt der Gesetzgeber der Betonung dieser Funktion, der eine Ausweitung des Prozessstoffs in zweiter Instanz im Grundsatz zuwiderläuft, Vorrang vor dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie ein (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 10.7.2013 -23 U 66/12, Rz. 64 bei juris; Ball in Musielak, § 533 Rz. 2; Althammer in Stein/Jonas, § 533 Rz. 2). Die Vorschrift verhindert überdies, dass ein Berufungsgericht eine Klageänderung gemäß § 533 Nr. 1 ZPO zwar zulassen müsste, an einer der materiellen Rechtslage entsprechenden Entscheidung über die geänderte Klage aber nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gehindert wäre (BGH, Urteil v. 22.4.2010 - IX ZR 160/09, NJW-RR 2010, 1286 Rz. 12).
168(1) Dies vorausgeschickt gehören zu den im Sinne von §§ 533 Nr. 2, 529 ZPO ohnehin zu Grunde zu legenden Tatsachen zunächst die vom Eingangsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO). Des Weiteren zu berücksichtigen ist das gesamte Vorbringen der Parteien im ersten Rechtszug, soweit es auf den erstinstanzlichen Klagegegenstand bezogen ist. Unerheblich ist insoweit, ob und inwieweit das Eingangsgericht dieses Vorbringen als entscheidungsrelevant erachtet hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelangt mit einem zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich der gesamte aus den Akten ersichtliche Prozessstoff erster Instanz ohne Weiteres in die Berufungsinstanz, auch soweit das erstinstanzliche Gericht ihn als unerheblich ansieht und daher keine Feststellungen trifft (BGH, Urteil v. 19.3.2004 - V ZR 104/03, NJW 2004, 2152 [2155]; BGH, Urteil v. 27.9.2006 - VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 [2416] Rz. 16; BGH, Urteil v. 13.1.2012 - V ZR 183/10, NJW-RR 2012, 429 [430] Rz. 11). Ist solcher Prozessstoff aus der maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts erheblich, bestehen Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und ist es Aufgabe des Berufungsgerichts, die erforderlichen Feststellungen zu treffen (vgl. BGH, Urteil v. 13.1.2012 - V ZR 183/10, NJW-RR 2012, 429 [430] Rz. 11).
169Darüber hinaus können auch neue Tatsachen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) im Rahmen einer zweitinstanzlichen Klageänderung zu berücksichtigen sein. Insoweit reicht allerdings nicht aus, dass die neuen Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel für sich genommen den Zulassungsvoraussetzungen im Sinne des § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO genügen. Außerdem sind neue Tatsachen nicht allein deshalb zu berücksichtigen, weil sie zwischen den Parteien unstreitig und infolgedessen von vornherein nicht an den Zulassungskriterien des § 531 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1 bis 3 ZPO zu messen sind (vgl. hierzu BGH [Großer Senat für Zivilsachen], Beschluss v. 23.6.2008 - GSZ 1/08, NJW 2008, 3434). Es ist zu beachten, dass die Berufung nach dem Willen des Gesetzgebers der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung dient und eine Ausweitung des zweitinstanzlichen Prozessstoffs nur Ausnahmefällen vorbehalten sein soll. Dieses Anliegen darf nicht durch eine „Flucht in die Änderung des Streitgegenstands in zweiter Instanz“ umgangen werden (so Althammer in Stein/Jonas, § 533 Rz. 2; vgl. auch Ball in Musielak, § 533 Rz. 21). § 533 ZPO ist eine - im Verhältnis zu §§ 530-532, 525 i.V.m. 296 ZPO - spezielle Präklusionsvorschrift (BGH [Großer Senat für Zivilsachen], Beschluss v. 23.6.2008 - GSZ 1/08, NJW 2008, 3434 [3435/3436] Rz. 19; vgl. auch Wöstmann in Saenger, Handkommentar zur Zivilprozessordnung [Hk-ZPO], 5. Aufl. [2013], § 533 Rz. 1 und Meller-Hannich, NJW 2006, 3385 [3387]). Folglich sind den Prozessstoff erweiternde Handlungen in der Berufungsinstanz selbst dann nicht ohne Weiteres zulässig, wenn und soweit ihre Beurteilung auf Grund unstreitigen Tatsachenvortrags erfolgen kann (vgl. BGH, Urteil v. 21.12.2005 - X ZR 165/04, GRUR 2006, 401 [404] Rz. 27 - Zylinderrohr [insoweit nicht verworfen durch den vorbezeichneten Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs v. 23.6.2008, vgl. dort a.a.O., Rz. 19]). Entscheidungsgrundlage im Sinne von §§ 533 Nr. 2, 529 ZPO kannneuer Tatsachenvortrag - auch wenn er unstreitig ist - vielmehr nur dann sein, wenn er (zumindest auch) auf den erstinstanzlichen Klagegrund bezogen ist. Tatsachenstoff, der bei objektiver Würdigung durch das Berufungsgericht für den Streitgegenstand im ersten Rechtszug nicht relevant ist, kann im Wege der Klageänderung nicht in das Berufungsverfahren eingeführt werden (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 10.7.2013 - 23 U 66/12, Rz. 63 bei juris; Ball in Musielak, § 533 Rz. 22; Rimmelspacher in MüKo-ZPO, § 533 Rz. 14; Wöstmann in Saenger, § 533 Rz. 12; Althammer in Stein/Jonas, § 533 Rz. 15; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hart-mann, Zivilprozessordnung, 72. Aufl. [2014], § 533 Rz. 11). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof die Zulässigkeit einer erst im Berufungsrechtszug erhobenen Widerklage mit der Erwägung begründet, dass die der Widerklage zu Grunde liegenden Tatsachen mit dem für die Klage maßgeblichen Prozessstoff kongruent waren, namentlich „im Sinn des herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs … einen identischen Sachverhalt“ betrafen (BGH, Urteil v. 6.12.2004 - II ZR 394/02, NJW-RR 2005, 437 unter II.1.b. = MDR 2005, 588) bzw. dass der Gegenstand der Widerklage bereits in erster Instanz Tatsachenstoff gewesen sei (BGH, Urteil v. 13.1.2012 - V ZR 183/10, NJW-RR 2012, 429).
170(2) Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist die von der Klägerin mit den Neuabtretungen des Jahres 2014 verfolgte Klageänderung mangels Tatsachenkongruenz nicht zuzulassen.
171Das geänderte Klagebegehren der Klägerin ist nicht im Sinne einer Fehlerkontrolle bzw. -beseitigung darauf gerichtet, das erstinstanzliche Urteil auf dem Landgericht womöglich unterlaufene Rechtsfehler hin überprüfen zu lassen. Es setzt im Gegenteil gerade voraus, dass das Landgericht rechtlich zutreffend die Nichtigkeit der im ersten Rechtszug vorgetragenen Abtretungsvereinbarungen angenommen hat und soll das streitbefangene Schadensersatzverlangen für diesen Fall auf eine neue tatsächliche Grundlage stellen. Die dazu behaupteten Abtretungsvereinbarungen aus dem Jahr 2014 führen zu einem im Kern anderen Lebenssachverhalt als demjenigen, dem das Landgericht zur rechtlichen Überprüfung vorgelegen hat. An der erforderlichen Kongruenz mit dem erstinstanzlichen Prozessstoff im Sinne der §§ 533 Nr. 2 i.V.m. 529 ZPO fehlt es, weil sowohl die - bestrittenen - Abtretungserklärungen des Jahres 2014 als auch der in diesem Zusammenhang stehende Sachvortrag der Klägerin zu ihren finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen bei Abschluss jener Zessionsverträge für die rechtliche Beurteilung des erstinstanzlichen Streitstoffes ohne jede Bedeutung sind. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren zu der Frage, ob sich ihre wirtschaftliche Situation bis zur Vornahme der neuen Abtretungen (April bis Juni 2014) maßgeblich verbessert hat, ergänzend vorgetragen. So hat sie behauptet, am 4. März 2014 einen Betrag in Höhe von 2,1 Mio. € auf ein Anderkonto ihrer Prozessbevollmächtigten eingezahlt zu haben, der neben der Abdeckung der zweitin-stanzlichen Gerichtskosten zweckgebunden und auch ausreichend sei, um gegnerische Prozesskostenerstattungsansprüche zu erfüllen. Ergänzend hat sie ferner dazu vorgetragen, dass und in welcher Höhe der Prozessfinanzierer ….. Zuschusszahlungen an sie (die Klägerin) geleistet habe, dass solche Zahlungen zum Zwecke der Aufrechterhaltung ihres laufenden Geschäftsbetriebs in Höhe eines - nicht näher benannten - Teilbetrags (vgl. insoweit die Angaben des Verwaltungsrats der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 12.11.2014, S. 3 des Sitzungsprotokolls = GA 9631) bereits wieder verbraucht worden seien, dass sie vor Abschluss der neuen Abtretungsvereinbarungen von ihrer Muttergesellschaft eine Kapitalausstattungsgarantie über 2,5 Mio. € erhalten habe und dass diese Garantie werthaltig sei. Dieser gesamte - bestrittene - Sachvortrag der Klägerin hat ausschließlich Bedeutung für die Frage, ob die Abtretungsvereinbarungen aus 2014 eine Verschiebung des Prozesskostenrisikos zum Nachteil der Beklagten bezwecken und daher gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind. Für die rechtliche Beurteilung des erstinstanzlichen Streitstoffes ist er hingegen ohne Relevanz, weil es dort ausschließlich auf die Finanz- und Wirtschaftslage der Klägerin Ende 2008/Anfang 2009 ankam.
172D. Die Berufung der Klägerin hat schließlich gegen alle sechs Beklagten - auch - deshalb keinen Erfolg, weil die Beklagten - wie schon oben zu C. ausgeführt - ein ihnen in erster Instanz vorgeworfenes „bundesweites Kartell“ nie praktiziert haben und die Klägerin aus prozessualen Gründen gehindert ist, ihr Klagebegehren in zweiter Instanz (hilfsweise) auf den Vorwurf der Teilnahme an Regionalkartellen zu stützen.
1731. Bei den von der Klägerin erstmals im Berufungsrechtszug gestellten Hilfsanträgen handelt es sich um eine als Klageänderung im Sinne der §§ 263, 533 ZPO zu behandelnde Eventualklagehäufung. Soweit die Klägerin mit ihnen die Beklagten hilfsweise unter dem Gesichtspunkt regional gebildeter und praktizierter Kartelle auf Schadensersatz in Anspruch nehmen will, werden im Hinblick auf das erstinstanzliche Hauptbegehren sowohl der Klageantrag als auch der Klagegrund ausgetauscht.
174a. Der Wechsel der Klageanträge liegt darin begründet, dass die Klägerin abweichend von ihrem hauptsächlichen Begehren nicht mehr alle sechs Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz des vollen streitbefangenen Kartellschadens in Anspruch nimmt, sondern mit vier, ihrerseits im Sinne einer Klagehäufung (§ 260 ZPO) miteinander verbundenen Hilfsanträgen von jeweils einer Mehrheit von Beklagten in wechselnden personellen Zusammensetzungen (gesamtschuldnerischen) Ersatz jeweils nur von Teilen des im Prozess insgesamt im Streit stehenden Schadens verlangt.
175Die Änderung (auch) des Klagegrundes ist dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin ihre Hilfsbegehren nicht auf die Bildung eines „bundesweiten Kartells“, sondern, insoweit in Anlehnung an die gerichtlichen Feststellungen aus dem Bußgeldverfahren, auf die Verabredung und Durchführung von verschiedenen „Regionalkartellen“ stützt.
176b. Die Berufung meint dagegen, bei den Hilfsanträgen handele es sich nicht um eine Klageänderung, vielmehr seien die jetzt ausdrücklich mit den Hilfsanträgen geltend gemachten Schadensersatzverlangen als „Minus“ bereits von dem in erster Instanz gestellten Klageantrag, mithin dem hiesigen Berufungshauptantrag, erfasst.
177Das ist nicht richtig.
178Entgegen der Auffassung der Berufung (vgl. hierzu etwa S. 117 der Berufungsreplik v. 10.7.2014 = GA 8719 und zuvor bereits Schriftsatz v. 29.6.2012, S. 106 = GA 6259) ist nicht auch bereits das mit dem Hauptantrag verfolgte Klageziel - im Kern - auf die Teilnahme der Beklagten an verschiedenen regionalen Zementkartellen gestützt worden. Das Hauptbegehren geht vielmehr von einer bundesweit wirkenden Grundabsprache aus, an der sich alle sechs beklagten Zementhersteller (bzw. zum Teil deren Vorgängergesellschaften) beteiligt haben. Diese Grundabsprache - so die Klägerin - habe dem Ziel gedient, im gesamten Bundesgebiet ein parallel wirkendes wettbewerbsbeschränkendes Verhalten zumindest der sechs an der Absprache beteiligten Zementhersteller zu fördern und auf diese Weise die Marktanteile am deutschen Zementmarkt „bundesweit zu stabilisieren“. Die Grundabsprache habe daher zum Inhalt gehabt, das Bundesgebiet in Kartellregionen aufzuteilen. In den aufgeteilten Regionen seien sodann in Umsetzung der „bundesweiten Grundabsprache“ weitere Grundabsprachen über bestimmte Lieferquoten der jeweiligen Marktbeteiligten zu treffen und durchzusetzen gewesen.
179Dagegen betreffen die von der Klägerin ihren Hilfsbegehren zu Grunde gelegten bußgeldrechtlichen Feststellungen zu den Regionalkartellen einen im Kern ganz anderen Lebenssachverhalt. So fehlt es hiernach bereits an einer alle sechs Beklagten verbindenden und im Sinne von § 1 GWB tatbestandsmäßigen Vereinbarung mit bundesweiter Wirkung („bundesweite Grundabsprache“). Ebenso wenig liegt den Hilfsbegehren eine Aufteilung des Bundesgebiets in Kartellregionen zu Grunde. Vielmehr gab es bereits im März 1990 seit langer Zeit historisch gewachsene regionale Märkte. Die jeweils nur zwischen einzelnen Beklagten - ausschließlich - auf regionaler Ebene getroffenen Kartellabsprachen (§ 1 GWB) sind daher, anders als bei dem dem Hauptbegehren zu Grunde gelegten Lebenssachverhalt, auch nicht die Folge von vorherigen auf eine Wettbewerbsbeschränkung gerichteten Interaktionen zwischen allen sechs Beklagten.
180Die Unterschiedlichkeit der beiden Lebenssachverhalte zeigt sich schließlich auch, wenn man die innere Tatseite der beklagten Kartellanten in den Blick nimmt. Dem hauptsächlichen Klagebegehren zu Grunde liegt die - vermeintliche - Vorstellung aller Beklagten, dass eine „bundesweite Stabilisierung“ von Marktanteilen nur dann zu erreichen sein würde, wenn sich alle Beklagten in allen Regionen jeweils konform zur „bundesweiten Grundabsprache“ verhielten. Eine derartige Konnexität des jeweiligen Marktverhaltens auf den einzelnen Regionalmärkten haben die Beklagten nach den den Hilfsanträgen zu Grunde gelegten Feststellungen aus dem Bußgeldverfahren indes gerade nicht vorausgesetzt; sie sind hiernach im Gegenteil davon ausgegangen, dass ein in allen Regionen (im Sinne von Kartellabsprachen) konformes Marktverhalten nicht bundesweit würde verabredet und überwacht werden können.
181c. Mit den Hilfsanträgen hat die Klägerin nicht bereits vor dem Landgericht verhandelt, so dass die Zulässigkeit der Klageänderung an § 533 ZPO zu messen und im Übrigen unter jedem prozessualen Gesichtspunkt zu prüfen ist, namentlich unbeschadet des § 513 Abs. 2 ZPO auch in Bezug auf die örtliche (Un-)Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Wie bereits näher dargelegt, hat die Klägerin in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht auf ausdrückliche Nachfrage erklärt, keine auf praktizierte Regionalkartelle gestützten Hilfsanträge zu stellen. Auf der Grundlage regionaler Kartelle womöglich entstandene Schadensersatzansprüche waren folglich nicht Gegenstand der Klage. Sie sind auch nicht insoweit zur Prüfung und Entscheidung durch das Eingangsgericht gestellt worden, als die Klägerin in erster Instanz auf die vom Landgericht mitgeteilten Bedenken an dem Bestehen eines „bundesweiten Zementkartells“ (vgl. die Hinweise gemäß S. 4 f. [unter 4. b) und c)] der Anlage 1 zum Protokoll der Sitzung des Landgerichts vom 1. März 2012 = GA 5979 f.) hilfsweise zu einer Haftung jeweils wechselnder Beklagter für in den im Bußgeldverfahren festgestellten Kartellregionen verursachte Kartellschäden und zu gegebenenfalls insoweit „zuzusprechen[den]“ Beträgen vorgetragen hat (vgl. S. 107 ff. des Schriftsatzes der Klägerin v. 29.6.2012 = GA 6260 ff.). Auf eine Verurteilung der Beklagten gerichtete (Hilfs-) Klageanträge hat sie auch in diesem Zusammenhang nicht formuliert (vgl. den Wortlaut der in Fettdruck gehaltenen Formulierungen gemäß S. 114 ff. des vorbezeichneten Schriftsatzes [Hervorhebungen durch den Senat]): „Die Beklagten haben als Teilnehmer an der Kartellabsprache für die Region … an die Klägerin Schadensersatz … zu zahlen.“ und abweichend hiervon die (gängiger Rechtspraxis entsprechende) Formulierung in dem vor dem Landgericht gemäß dem Schriftsatz vom 2.7.2009, S. 2 f. (GA 5096 f.), gestellten Klageantrag: „… erweitert die Klägerin ihre Klage … und beantragt: Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz … zu zahlen.“). Dass der im ersten Rechtszug - aus Sicht der Klägerin vorsorglich - gehaltene Vortrag zu Regionalkartellen einschließlich der dortigen Bezugnahmen auf die Ausführungen in den gerichtlichen Bußgeldentscheidungen als Tatsachenstoff ohne Weiteres in die Berufungsinstanz gelangt ist, führt vor dem genannten Hintergrund zu keiner anderen Beurteilung. Entscheidend ist, dass die Klägerin selbst - wie dargelegt - eindeutig zu erkennen gegeben hat, aus diesen Tatsachen keine Rechtsfolgen zu beanspruchen. Der auf die Verabredung und Durchführung „bloß“ regionaler Kartelle jeweils nur durch einige der Beklagten bezogene erstinstanzliche Prozessstoff ist mithin mangels seiner Verknüpfung mit einer insoweit begehrten Rechtsfolge für die landgerichtliche Entscheidung von vornherein nicht erheblich geworden.
1822. Die mit den Hilfsanträgen bezweckte Klageänderung ist aus prozessualen Gründen nicht zuzulassen.
183a. Die Klageänderung, der alle Beklagten widersprochen haben, ist schon deshalb nicht sachdienlich (§ 533 S. 1 ZPO), weil weder das im ersten Rechtszug angerufene Landgericht Düsseldorf noch der Senat als übergeordnetes Berufungsgericht zur Entscheidung über die insoweit verfolgten Klagebegehren örtlich zuständig sind (zur fehlenden Sachdienlichkeit bei zu verneinender Zuständigkeit des Berufungsgerichts vgl. BGH, Urteil v. 8.2.1980 - I ZR 32/78, ZZP 95 (1982), 66 = GRUR 1980, 853, Rzn. 20 f. bei juris; zur Unzulässigkeit der Klageänderung, wenn das Eingangsgericht im Falle der Erhebung der geänderten Klage bereits vor ihm unzuständig gewesen wäre vgl. MüKo-ZPO-Rimmelspacher, § 533 Rz. 10; Wulf in BeckOKZPO, Stand 15.09.2014, § 533 Rz. 8). Die fehlende örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf als Eingangsgericht bzw. des erkennenden Senats als Berufungsgericht haben mehrere Beklagte ausdrücklich und substantiiert gerügt (vgl. Berufungserwiderung der Beklagten zu 3. v. 27.5.2014, S. 74 f. = GA 8176 f.; Berufungserwiderung der Beklagten zu 4. v. 28.5.2014, S. 108 = GA 8417; Schriftsatz der Beklagten zu 5. v. 26.8.2014, S. 22 = GA 8862), und auch der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 12. November 2014 auf die Problematik der Zuständigkeit in Bezug auf die Hilfsanträge hingewiesen (vgl. Sitzungsprotokoll S. 4 = GA 9632).
184aa. Hinsichtlich keines der vier regionalen Kartelle besteht eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf (Eingangsgericht) bzw. des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Berufungsgericht) zur Verhandlung und Entscheidung gegen alle jeweiligen Kartellteilnehmer bzw. über alle insoweit reklamierten Schadensersatzansprüche.
185(1) Ganz offensichtlich keine umfassende örtliche Zuständigkeit besteht hinsichtlich der Hilfsanträge betreffend die Kartellregionen Nord, Ost und Süd.
186Von den insoweit jeweils in passiver Streitgenossenschaft verklagten Zementherstellern hat entweder überhaupt keine beklagte Partei (Region Süd) oder ausschließlich die Beklagte zu 1. (Regionen Nord und Ost) ihren allgemeinen Gerichtsstand im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf, auf den sich die kartellgerichtliche Zuständigkeit (auch) des Landgerichts Düsseldorf als Eingangsgericht (vgl. §§ 87, 89 Abs. 1 GWB i.V.m. § 1 Nr. 1 der Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen über die Bildung gemeinsamer Kartellgerichte und über die gerichtliche Zuständigkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach dem Energiewirtschaftsgesetz [Kartellgerichte-Bildungs-VO NW]) begrenzt.
187Hinsichtlich keiner der drei genannten Kartellregionen kommt im Übrigen ein jeweils alle verklagten Zementhersteller verbindender besonderer Gerichtsstand in Betracht; dies gilt namentlich auch für den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung im Sinne des § 32 ZPO, da die Kartelle in diesen Regionen ganz offensichtlich nur außerhalb des hiesigen Oberlandesgerichtsbezirks verabredet und praktiziert (Handlungsort) worden und sich auch nur außerhalb des hiesigen Oberlandesgerichtsbezirks durch Eingriffe in geschützte Rechtsgüter ausgewirkt (Erfolgsort) haben. Auch die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang nichts anderes.
188(2) Eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf bzw. des Oberlandesgerichts Düsseldorf als Berufungsinstanz besteht aber auch nicht hinsichtlich aller mit dem Hilfsantrag betreffend die Kartellregion West von der Klägerin reklamierten Schadensersatzansprüche.
189Von den vier in diesem Zusammenhang verklagten Zementherstellern hat allein die Beklagte zu 1. ihren allgemeinen Gerichtsstand im Land- und Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf.
190Eine Inanspruchnahme aller vier wegen der Region West von dem Hilfsantrag betroffenen Zementhersteller kommt auch unter dem Gesichtspunkt des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) allenfalls hinsichtlich eines Teils der insoweit reklamierten Schadensersatzansprüche in Betracht.
191Nach den Feststellungen aus dem Bußgeldverfahren hat sich die Kartellregion West aus ganz Nordrhein-Westfalen und des Weiteren dem „westlichen Teil“ Niedersachsens sowie „Teilen von“ Rheinland-Pfalz zusammengesetzt. Dass und inwieweit im Einzelnen die Kartellabsprachen im Land- bzw. Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf zustandegekommen oder praktiziert worden sind, steht indes nach dem Sach- und Streitstand nicht fest; die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin (vgl. nur Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl. [2014], § 32 Rz. 19 m.w.N.) hat hierzu keinen Vortrag gehalten.
192Ebenso wenig kann die Klägerin sich unter dem Gesichtspunkt des Erfolgsorts unerlaubter Handlungen auf einen alle wegen des West-Kartells verfolgten Schadensersatzansprüche verbindenden Gerichtsstand gemäß § 32 ZPO stützen. Im Ausgangspunkt könnte die Klägerin als Zessionarin, unterstellt sie wäre - wie freilich mit Rücksicht auf die vorstehenden Ausführungen zu A. bis C. tatsächlich nicht - aus übergegangenem Recht nach den Zedenten anspruchsberechtigt, zwar grundsätzlich auf den besonderen Gerichtsstand im Sinne des § 32 ZPO berufen; dieser Gerichtsstand ist unabhängig davon begründet, wer den deliktischen Anspruch verfolgt (vgl. BGH, Beschluss v. 1.2.1990 - I ARZ 882/89, NJW 1990, 2316, Rz. 5 bei juris m.w.N.). Jedoch kann nicht festgestellt werden, dass die wegen der streitbefangenen Kartellrechtsverstöße der Region West reklamierten Rechtsgutsverletzungen durchgängig im kartellgerichtlichen Bezirk des Landgerichts Düsseldorf stattgefunden haben. Dem steht vielmehr entgegen, dass von den neun Unternehmen, die nach den Darlegungen der Klägerin zu den „Neuabtretungen“ (2014) auf erste Sicht als durch das „West-Kartell“ Geschädigte in Betracht kommen, vier Unternehmen schon nicht in Nordrhein-Westfalen, sondern in Rheinland-Pfalz ansässig sind (…..), und von den übrigen fünf Unternehmen (…..) nur zwei (……) im nach der Kartellgerichte-Bildungs-VO NW für Kartellsachen maßgeblichen Landgerichtsbezirk Düsseldorf (Eingangsinstanz) niedergelassen sind.
193Angesichts dessen kommt ein unter dem Gesichtspunkt des Erfolgsorts der unerlaubten Handlung begründeter Gerichtsstand im hiesigen Bezirk von vornherein nur für einen, gemessen an der Zahl der Geschädigten geringen, Teil der auf die Kartellregion West bezogenen Ansprüche, die die Klägerin (hilfsweise) zu verfolgen beabsichtigt, in Betracht. Keine andere Beurteilung rechtfertigt, dass alle nach den (Hilfs-) Behauptungen der Klägerin im Zusammenhang mit dem „West-Kartell“ geschädigten Zedenten das Schicksal teilen wollen, auf Grund derselben regionalen Grundabsprache Kartellrechtsverstößen zum Opfer gefallen zu sein. Dies begründet namentlich nicht das Recht der in Betracht kommenden Zedenten bzw. der Klägerin als Zessionarin, in entsprechender Anwendung des § 35 ZPO zwischen verschiedenen bei den einzelnen Geschädigten jeweils unter dem Gesichtspunkt des Erfolgsorts begründeten Gerichtsständen im Sinne von § 32 ZPO einen auszuwählen, um in diesem die Verfolgung aller aus dem „West-Kartell“ herrührenden Schadensersatzansprüche zu bündeln. Ein solches Wahlrecht hat die höchstrichterliche Rechtsprechung bei aktiver Streitgenossenschaft nur in Fällen anerkannt, in denen die Zuständigkeit des Gerichts ausnahmsweise an den allgemeinen Gerichtsstand (Wohn- bzw. Unternehmenssitz) der klagenden Partei(en) anknüpft; gegebenenfalls tritt das Wahlrecht (§ 35 ZPO entspr.) aus Gründen der Prozessökonomie an die Stelle eines ansonsten in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO eröffneten Gerichtsstandsbestimmungsverfahrens (vgl. BGH, Beschluss v. 11.7.1991 - I ARZ 447/91, NJW 1991, 2910; vgl. auch OLG München, Beschluss v. 18.8.2009 - 31 AR 355/09, NJW-RR 2010, 645 [645 f.]; Zöller/Vollkommer, § 35 Rz. 1, § 36 Rz. 14, jew. m.w.N.). Damit ist der vorliegende Streitfall indes nicht vergleichbar. Ein Gerichtsstandsbestimmungsverfahren in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, an dessen Stelle nach Maßgabe der vorbezeichneten Rechtsprechung ein Wahlrecht gemäß § 35 ZPO analog treten könnte, kommt bei ausschließlich in Konkurrenz stehendenbesonderen Gerichtsständen - wie hier jeweils aus § 32 ZPO - nämlich nicht in Betracht.
194bb. Nach alledem ist die von der Klägerin hilfsweise verfolgte Klageänderung nicht zuzulassen.
195(1) Wie vorstehend unter aa. im Einzelnen dargelegt, besteht im Hinblick auf die Hilfsanträge eine in Bezug sowohl auf die Personen der Kartellteilnehmer als auch auf die in Betracht kommenden Schadensersatzansprüche der einzelnen Zedenten wegen Kartellrechtsverstößen in den einzelnen Kartellregionen allenfalls erheblich beschränkte örtliche Verhandlungs- und Entscheidungszuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf (Eingangsinstanz) bzw. des Senats als Berufungsgericht. Bei dieser Sachlage ist die zur Debatte stehende Klageänderung ganz offensichtlich nicht sachdienlich, weil mit ihr vor dem erkennenden Senat allenfalls ein geringfügiger und die Hilfsanträge nicht annähernd erschöpfender Teil des von der Klägerin nunmehr zur Überprüfung gestellten Klagebegehrens einer Entscheidung durch Sachurteil würde zugeführt werden können (vgl. zu diesem Gesichtspunkt nur BGH, Urteil v. 27.9.2006 - VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 [2415] Rz. 10; Musielak/Ball, § 533 Rz. 5; Saenger-Wöstmann, § 533 Rz. 4). Der weit überwiegende Teil des von den Hilfsanträgen umfassten Prozessstoffs müsste dagegen bei richtiger Sachbehandlung vor (verschiedenen) Landgerichten außerhalb der kartellgerichtlichen Bezirke des Landgerichts Düsseldorf und des Oberlandesgerichts Düsseldorf verhandelt und in der Sache entschieden werden. Das betrifft in jedem Fall die Entscheidung über Schadensersatzansprüche betreffend die Kartellregion Süd, ferner über Ansprüche betreffend die Kartellregionen Nord und Ost, soweit es dort die Beklagten zu 2. bis zu 6. angeht, und schließlich auch betreffend die Kartellregion West, soweit (1) es dort die Beklagten zu 2., zu 3. und zu 5. angeht und (2) es um andere Ansprüche als die von den Zedenten ……. zu Gunsten der Klägerin abgetretenen geht.
196(2) Sachdienlichkeit der zweitinstanzlichen Klageänderung kann schließlich auch nicht gemäß § 36 Abs. 1 Nrn. 2 bzw. 3 ZPO durch eine Bestimmung des Landgerichts Düsseldorf als örtlich zuständiges Eingangsgericht herbeigeführt werden.
197(2.1) Eine Gerichtsstandsbestimmung nach Maßgabe der genannten Bestimmungen scheidet allein schon deshalb aus, weil die - wie dargelegt: auf bestehende Zuständigkeitsbedenken bereits von den Beklagten substantiiert hingewiesene - Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat kein diesbezügliches Gesuch (§ 37 Abs. 1 ZPO) gestellt hat und nach ganz herrschender Meinung ein Bestimmungsverfahren mit Ausnahme der - hier nicht vorliegenden - in § 36 Abs. 1 Nrn. 5 bzw. 6 ZPO geregelten Kompetenzkonflikte nicht von Amts wegen, sondern allein auf den Antrag einer Partei hin durchzuführen ist (vgl. BGH, Beschluss v. 7.3.1991 - I ARZ 15/91, NJW-RR 1991, 767; Zöller/Vollkommer, § 37 Rzn. 1 f. m.w.N.).
198(2.2) Es kommt daher nicht darauf an, dass eine Bestimmung des Landgerichts Düsseldorf als örtlich zuständiges Gericht auch aus sachlichen Gründen nicht in Betracht gekommen wäre. Dies gilt seinerseits unabhängig davon, dass die Klägerin sich mit Rücksicht auf die hier unter C. erfolgten Darlegungen ohnehin schon nicht mit Erfolg auf eine Aktivlegitimation berufen kann. Lediglich ergänzend ist insoweit Folgendes auszuführen:
199(2.2.1) Sowohl bei der Bündelung der streitbefangenen Schadensersatzansprüche (ursprünglich) einzelner Zedenten und deren Zuordnung jeweils zu den vier einzelnen Kartellregionen als auch bei der Zusammenfassung der so gebündelten Forderungen durch die Geltendmachung der Ansprüche aus allen vier Regionen gemeinsam handelt es sich jeweils (auch) um Fälle objektiver Klagehäufung im Sinne von § 260 ZPO. Soweit im Hinblick auf die obigen Darlegungen eine örtliche Eingangszuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf für einen (nur geringen) Teil der streitbefangenen Ansprüche in Betracht kommen kann, kann das Gerichts-standsbestimmungsverfahren indes nicht aus Gründen der Prozessökonomie dazu benutzt werden, alle von der Klagehäufung im Sinne des § 260 ZPO betroffenen Ansprüche unter der erschöpfenden Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts zu versammeln. Eine solche Möglichkeit ergibt sich namentlich auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, der seinem Wortlaut nach eine Gerichtsstandsbestimmung dann zulässt, wenn mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig ist. Die Gesetzesvorschriften zur Gerichtsstandsbestimmung enthalten in diesem Zusammenhang keine planwidrige Lücke; § 260 ZPO sieht ausdrücklich vor, dass mehrere Ansprüche nur dann im Wege der objektiven Klagehäufung in einer Klage verbunden werden können, wenn das Prozessgericht für sämtliche Ansprüche zuständig ist. Ein einheitlicher Gerichtsstand für mehrere Streitgegenstände im Sinne des § 260 ZPO kraft Sachzusammenhangs ist ebenfalls nicht zu begründen (vgl. zu Allem OLG München, Beschluss v. 14.2.2011 - 31 AR 15/11, NJW-RR 2011, 1002, Rzn. 4 f. bei juris; Zöller/Vollkommer, § 12 Rz. 21, § 36 Rz. 2a, jew. m.w.N.).
200(2.2.2) Das Landgericht Düsseldorf wäre auch nicht gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als zuständiges Eingangsgericht zu bestimmen gewesen.
201Soweit es Ansprüche hinsichtlich der Kartellregion Süd betrifft, ist schon die Bestimmungszuständigkeit des Senats fraglich, da er in Bezug auf keine der insoweit verfolgten Beklagten das im Rechtszug zunächst höhere Gericht im Sinne von § 36 Abs. 1 ZPO ist. Vor demselben Hintergrund scheidet aber zumindest in der Sache eine Bestimmung des Landgerichts Düsseldorf ganz offensichtlich aus, weil keine wegen des „Süd-Kartells“ in Anspruch genommene Beklagte ihren allgemeinen Gerichtsstand im Landgerichtsbezirk Düsseldorf hat, die Betroffenen vielmehr nicht einmal in Nordrhein-Westfalen ansässig sind.
202Bei der nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit vorzunehmenden Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (vgl. hierzu nur Zöller/Vollkommer, § 36 Rz. 18) wäre das Landgericht Düsseldorf aber auch nicht in Bezug auf die anderen drei Kartellregionen als zuständiges Eingangsgericht zu bestimmen gewesen. Für die Kartelle Nord und Ost gilt dies schon deshalb, weil bei ihnen unter Berücksichtigung geographischer Gesichtspunkte ganz offensichtlich der Schwerpunkt des Rechtsstreits nicht im kartellgerichtlichen Bezirk des Landgerichts Düsseldorf liegt; nichts spricht dafür, dass gleichwohl aus Gründen der Prozessökonomie einer Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf der Vorzug gegenüber den anderen Gerichten zu geben wäre, die in Ansehung der allgemeinen Gerichtsstände der betroffenen Beklagten im Übrigen in Betracht gekommen wären. Bei den Kartellen Nord und Ost, des Weiteren aber auch bei dem Kartell West ist schließlich zu berücksichtigen, dass - wie in den Gründen unter A. ausgeführt - die Berufung der Klägerin gegen die Beklagte zu 1. unabhängig von allen weiteren Gründen bereits jetzt jedenfalls deshalb zurückweisungsreif ist, weil alle gegen diese Beklagte in Betracht kommenden Kartellschadensersatzansprüche verjährt sind. Soweit der hiesige Rechtsstreit überhaupt wegen etwaiger Schadensersatzansprüche aus Regionalkartellen fortzuführen wäre, würde dies daher jedenfalls ohne weitere Beteiligung der Beklagten zu 1. zu erfolgen haben; über das Rechtsmittel der Klägerin gegen die Beklagte zu 1. würde nämlich wegen Entscheidungsreife durch ein die Berufung insoweit zurückweisendes Teilurteil zu entscheiden sein. Mit dem Ausscheiden der Beklagten zu 1. aus dem weiteren Prozessverlauf würde indes die einzige beklagte Partei mit allgemeinem Gerichtsstand im Landgerichts- (und auch Oberlandesgerichts-) Bezirk Düsseldorf wegfallen. Eine Bestimmung des Landgerichts Düsseldorf als für die dann allein noch im Streit stehenden Schadensersatzansprüche gegen die übrigen fünf Beklagten wäre mithin ganz offensichtlich nicht zweckmäßig bzw. prozessökonomisch.
203b. Die mit den Hilfsanträgen bezweckte Klageänderung ist - auch - deshalb nicht zuzulassen, weil der insoweit maßgebliche Tatsachenstoff nicht im Sinne des § 533 Nr. 2 ZPO bei der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zu Grunde zu legen ist.
204Dabei verkennt der Senat nicht, dass das Vorbringen der Klägerin zur Verabredung und Durchführung von einzelnen Regionalkartellen - anders als der unter C. dargelegte Vortrag zu den „Neuabtretungen“ aus 2014 - bereits in erster Instanz erfolgt ist und daher für sich genommen entsprechend den oben dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen des Bundesgerichtshofs ohne Weiteres in die Berufungsinstanz gelangt ist. Sofern dieses Vorbringen für die Beurteilung des erstinstanzlichen Streitgegenstands entgegen der Auffassung des Eingangsgerichts erheblich gewesen wäre, würde es prozessual zu berücksichtigen sein. Gegebenenfalls wäre mit der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nämlich von Zweifeln an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen auszugehen sein, so dass es deshalb Sache des Berufungsgerichts wäre, die erforderlichen Feststellungen selbst zu treffen.
205So verhält es sich hier indes nicht. Das Landgericht hat den zu Regionalkartellen gehaltenen Vortrag vielmehr ohne Rechtsfehler für nicht entscheidungserheblich gehalten. Wie bereits ausgeführt, hat die Klägerin im ersten Rechtszug ihr Hilfsvorbringen zu regionalen Kartellen (ausdrücklich) nicht, auch nicht hilfsweise, mit einer von ihr unter diesem Gesichtspunkt begehrten Rechtsfolge verknüpft. Da über mögliche Ansprüche gegen die Beklagten aus Regionalkartellen in erster Instanz nicht verhandelt worden ist, können in Bezug auf diese Regionalkartelle von vornherein keine Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der landgerichtlichen Feststellungen bestehen. Aus demselben Grund kann auch der Senat in Bezug auf regionale Kartelle seine ihm vom Gesetzgeber in erster Linie zugedachte Funktion der Fehlerkontrolle nicht ausüben. Da das Landgericht das Vorbringen zu Regionalkartellen zutreffend für unerheblich gehalten hat, ist es nach alledem auch nicht im Sinne von § 533 Nr. 2 ZPO im Rahmen der hilfsweise von der Klägerin beabsichtigten zweit-instanzlichen Klageänderung zu berücksichtigen (vgl. Musielak/Ball, § 533 Rz. 22).
206c. Mit Rücksicht auf die bereits erfolgten Ausführungen bedarf keiner Entscheidung, ob die Klageänderung für sich genommen (auch) deshalb mangels Sachdienlichkeit nicht zuzulassen wäre, weil im Falle der Zulassung der Klageänderung eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht (§ 538 Abs. 2 ZPO) erforderlich würde (vgl. hierzu BGH, Urteil v. 30.3.1983 - VIII ZR 3/82, NJW 1984, 1552 [1555] unter A.VI.; OLG Bamberg, Urteil v. 28.10.1993 - 2 UF 17/93, NJW-RR 1994, 454 [456]; Saenger/Wöstmann, § 533 Rz. 4; Musielak/Ball, § 533 Rz. 5). Im Streitfall wäre eine - von den Beklagten tatsächlich hilfsweise beantragte - Zurückverweisung der Sache gemäß § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO vor dem Hintergrund zu erwägen gewesen, dass die streitbefangenen Ansprüche im Sinne der Vorschrift dem Grund und dem Betrag nach streitig sind, die für den Erlass eines Grundurteils (§ 304 ZPO) vorausgesetzte Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens in irgendeiner Höhe (vgl. BGH, Urteil v. 8.12.2011 - VII ZR 12/09, NJW-RR 2012, 880 [881] Rz. 13) vor dem Hintergrund in Betracht zu ziehen sein könnte, dass den Beklagten die Teilnahme an lang und nachhaltig praktizierten Quotenkartellen vorgeworfen wird (vgl. BGH, Beschluss v. 28.6.2005 - KRB 2/05, WuW/E DE-R 1567 = NJW 2006, 163 [164 f.], Rzn. 20 f. bei juris) und gegebenenfalls im Betragsverfahren noch ausnehmend umfangreiche Feststellungen zur Höhe der streitbefangenen Kartellschäden zu treffen wären.
207III.
208Die nach der Sitzung vom 12. November 2014 eingereichten, nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien haben keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der ordnungsgemäß geschlossenen mündlichen Verhandlung oder zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung gegeben.
209IV.
210Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
211Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
212V.
213Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO) bestehen nicht. Dies gilt auch hinsichtlich der vom erkennenden Senat behandelten Fragen der sachlichen und zeitlichen Reichweite der Verjährungshemmung nach § 33 Abs. 5 GWB 2005. Die insoweit zur Berufung der Klägerin gegen die Beklagten zu 1. und zu 2. unter II. A. bzw. B. erfolgten Ausführungen sind nicht entscheidungserheblich, da das Rechtsmittel gegen alle Beklagten (auch) aus hiervon unabhängigen Gründen keinen Erfolg hat. Ob die genannten Rechtsfragen im hier nicht vorliegenden Fall ihrer Entscheidungserheblichkeit aus den gesetzlich niedergelegten Revisionszulassungsgründen einer Entscheidung des Revisionsgerichts bedurft hätten, kann dahinstehen.
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Urteil einreichenOberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 18. Feb. 2015 - VI- U (Kart) 3/14 zitiert oder wird zitiert von 16 Urteil(en).
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.
(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.
(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.
(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von
- 1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn - a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und - b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
- 2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in - a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder - b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.
Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.
(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.
(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.
(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von
- 1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn - a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und - b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
- 2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in - a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder - b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.
Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
(1) Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern.
(2) Das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden ist. Das Gleiche gilt von einem vertragsmäßigen Anerkenntnis sowie einer Sicherheitsleistung des Schuldners.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.
(1) Für die Ermittlung der Umsatzerlöse gilt § 277 Absatz 1 des Handelsgesetzbuchs. Verwendet ein Unternehmen für seine regelmäßige Rechnungslegung ausschließlich einen anderen international anerkannten Rechnungslegungsstandard, so ist für die Ermittlung der Umsatzerlöse dieser Standard maßgeblich. Umsatzerlöse aus Lieferungen und Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen (Innenumsatzerlöse) sowie Verbrauchsteuern bleiben außer Betracht.
(2) Für den Handel mit Waren sind nur drei Viertel der Umsatzerlöse in Ansatz zu bringen.
(3) Für den Verlag, die Herstellung und den Vertrieb von Zeitungen, Zeitschriften und deren Bestandteilen ist das Vierfache der Umsatzerlöse und für die Herstellung, den Vertrieb und die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen und den Absatz von Rundfunkwerbezeiten ist das Achtfache der Umsatzerlöse in Ansatz zu bringen.
(4) An die Stelle der Umsatzerlöse tritt bei Kreditinstituten, Finanzinstituten, Bausparkassen sowie bei externen Kapitalverwaltungsgesellschaften im Sinne des § 17 Absatz 2 Nummer 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs der Gesamtbetrag der in § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a bis e der Kreditinstituts-Rechnungslegungsverordnung in der jeweils geltenden Fassung genannten Erträge abzüglich der Umsatzsteuer und sonstiger direkt auf diese Erträge erhobener Steuern. Bei Versicherungsunternehmen sind die Prämieneinnahmen des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres maßgebend. Prämieneinnahmen sind die Einnahmen aus dem Erst- und Rückversicherungsgeschäft einschließlich der in Rückdeckung gegebenen Anteile.
(4a) Die Gegenleistung nach § 35 Absatz 1a umfasst
- 1.
alle Vermögensgegenstände und sonstigen geldwerten Leistungen, die der Veräußerer vom Erwerber im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss nach § 37 Absatz 1 erhält, (Kaufpreis) und - 2.
den Wert etwaiger vom Erwerber übernommener Verbindlichkeiten.
(5) Wird ein Zusammenschluss durch den Erwerb von Teilen eines oder mehrerer Unternehmen bewirkt, so ist unabhängig davon, ob diese Teile eigene Rechtspersönlichkeit besitzen, auf Seiten des Veräußerers nur der Umsatz oder der Marktanteil zu berücksichtigen, der auf die veräußerten Teile entfällt. Dies gilt nicht, sofern beim Veräußerer die Kontrolle im Sinne des § 37 Absatz 1 Nummer 2 oder 25 Prozent oder mehr der Anteile verbleiben. Zwei oder mehr Erwerbsvorgänge im Sinne von Satz 1, die innerhalb von zwei Jahren zwischen denselben Personen oder Unternehmen getätigt werden, werden als ein einziger Zusammenschluss behandelt, wenn dadurch die Umsatzschwellen des § 35 Absatz 1 erreicht oder die Voraussetzungen des § 35 Absatz 1a erfüllt werden; als Zeitpunkt des Zusammenschlusses gilt der letzte Erwerbsvorgang.
(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.
(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.
(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.
(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von
- 1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn - a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und - b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
- 2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in - a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder - b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.
Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Gelangt eine Sache, hinsichtlich derer ein dinglicher Anspruch besteht, durch Rechtsnachfolge in den Besitz eines Dritten, so kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Verjährungszeit dem Rechtsnachfolger zugute.
Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Gelangt eine Sache, hinsichtlich derer ein dinglicher Anspruch besteht, durch Rechtsnachfolge in den Besitz eines Dritten, so kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Verjährungszeit dem Rechtsnachfolger zugute.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt von der Beklagten zu 1 als Klinikträgerin und dem Beklagten zu 2 als behandelndem Arzt mit der im Jahre 2007 erhobenen Klage Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen behaupteter Behandlungsfehler bei der Geburt ihres Kindes am 16. Mai 1998. Bei dieser Entbindung kam es infolge des Einsatzes einer Geburtszange zu einem Dammriss sowie einem Riss des unteren bis mittleren Vaginaldrittels. Die aufgrund dessen erforderlichen Nähte setzte der Beklagte zu 2. Die Klägerin macht geltend, durch fehlerhaftes ärztliches Vorgehen seien Vernarbungen im Vaginalbereich eingetreten , die seit der Entbindung schmerzhaft seien und unter denen sie bis heute leide. Dass ihre Beschwerden auf eine fehlerhafte Behandlung zurückzuführen seien, habe sie erst durch den Hinweis einer Gynäkologin am 23. Juni 2006 erfahren. Die Beklagten haben u.a. die Einrede der Verjährung erhoben.
- 2
- Die Klage hatte in den Tatsacheninstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Ansprüche der Klägerin seien verjährt. Zwar bestünden Bedenken gegen die Annahme des Landgerichts , dass Verjährung bereits im Jahr 2001 eingetreten sei, weil sich die Klägerin so behandeln lassen müsse, als habe sie bereits seit der Entbindung Kenntnis im Sinne von § 852 BGB a.F. gehabt, doch seien sowohl deliktische als auch vertragliche Ansprüche der Klägerin jedenfalls gemäß § 199 Abs. 1 BGB n.F. mit Ablauf des 31. Dezember 2004 verjährt. Die seit dem 1. Januar 2002 (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EGBGB) für den Beginn der Verjährung genügende grob fahrlässige Unkenntnis sei vorliegend deutlich vor dem 31. Dezember 2001 erfüllt. Grobe Fahrlässigkeit sei anzunehmen, wenn im Einzelfall einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt würden und das außer Acht gelassen werde, was jedem einleuchte. Hier sei zu berücksichtigen , dass die Klägerin gleich nach der Behandlung im Krankenhaus unter erheblichen Schmerzen und Beschwerden gelitten habe, die ihr tägliches Leben in hohem Maße beeinträchtigten und mit denen sie ständig konfrontiert sei. Trotz zahlreicher ärztlicher Untersuchungen und Behandlungen habe sich keinerlei Besserung eingestellt; eine operative Beseitigung der Beschwerden im Hinblick auf die festgestellte Narbenbildung sei erwogen worden. Es sei offensichtlich gewesen, dass die von der Klägerin geschilderten Beschwerden auch nach einer schweren Geburt keineswegs dem normalen Verlauf entsprochen hätten. Deshalb hätte es unmittelbar auf der Hand gelegen, in den Jahren nach der Entbindung einem der behandelnden Ärzte wenigstens einmal die Frage zu stellen, ob möglicherweise bei der Behandlung im Krankenhaus irgendein Fehler unterlaufen sein könnte. Auch sei unklar geblieben, weshalb die Klägerin gerade aufgrund des Gesprächs mit der Gynäkologin im Jahr 2006 einen ärztlichen Behandlungsfehler in Betracht gezogen habe, denn diese habe gegenüber den der Klägerin bereits bekannten Tatsachen nichts wesentlich Neues beigesteuert, sondern ihr nur mitgeteilt, dass der fragliche Vaginalbereich hinsichtlich der Naht nicht gut aussehe und nicht in Ordnung sei.
II.
- 4
- Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 5
- 1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht für die Zeit bis zum 31. Dezember 2001 die Verjährung nach Maßgabe der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften geprüft. Seine Beurteilung, die Klägerin habe nicht schon seit der Entbindung im Jahr 1998 positive Kenntnis von dem Schaden gehabt und müsse sich auch nicht so behandeln lassen, ist aufgrund der getroffenen Feststellungen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision als ihr günstig hingenommen.
- 6
- a) Wie der erkennende Senat wiederholt ausgesprochen hat, kann die Kenntnis vom Schaden i.S.d. § 852 Abs. 1 BGB a.F. (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F.) nicht schon dann bejaht werden, wenn dem Patienten lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist (Senatsurteile vom 20. September 1983 - VI ZR 35/82 - VersR 1983, 1158, 1159; vom 23. April 1985 - VI ZR 207/83 - VersR 1985, 740, 741; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93 - VersR 1995, 659, 660 und vom 3. Februar 1998 - VI ZR 356/96 - VersR 1998, 634, 636). Denn das Ausbleiben des Erfolgs ärztlicher Maßnahmen kann in der Eigenart der Erkrankung oder in der Unzulänglichkeit ärztlicher Bemühungen seinen Grund haben. Deshalb gehört zur Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen das Wissen, dass sich in dem Misslingen der ärztlichen Tätigkeit das Behandlungs- und nicht das Krankheitsrisiko verwirklicht hat (Senatsurteil vom 23. April 1991 - VI ZR 161/90 - VersR 1991, 815, 816). Hierzu genügt es nicht schon, dass der Patient Einzelheiten des ärztlichen Tuns oder Unterlassens kennt, wie hier den Einsatz der Geburtszange, das Nähen des Risses oder das Unterlassen einer Sectio. Vielmehr muss ihm aus seiner Laiensicht der Stellenwert des ärztlichen Vorgehens für den Behandlungserfolg bewusst sein. Deshalb begann die Verjährungsfrist gemäß § 852 BGB a.F. nicht zu laufen, bevor nicht der Patient als medizinischer Laie Kenntnis von Tatsachen erlangt hatte, aus denen sich ergab, dass der Arzt von dem üblichen ärztlichen Vorgehen abgewichen war oder Maßnahmen nicht getroffen hatte, die nach ärztlichem Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich gewesen wären (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 23. April 1985 - VI ZR 207/83 - aaO; vom 23. Februar 1988 - VI ZR 56/87 - NJW 1988, 1516, 1517 - insoweit in VersR 1988, 495 nicht abgedruckt; vom 23. April 1991 - VI ZR 161/90 - aaO; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93 - aaO; vom 3. Februar 1998 - VI ZR 356/96 - aaO und vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99 - VersR 2001, 108, 109 - insoweit in BGHZ 145, 358 nicht abgedruckt; BGH, Urteil vom 24. Juni 1999 - IX ZR 363/97 - VersR 1999, 1149, 1150). Diese Kenntnis ist erst vorhanden, wenn die dem Anspruchsteller bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners und auf die Ursache dieses Verhaltens für den Schaden bzw. die erforderliche Folgeoperation als naheliegend erscheinen zu lassen (Senatsurteile vom 27. Oktober 1970 - VI ZR 66/69 - VersR 1971, 154, 155; vom 3. Juni 1986 - VI ZR 210/85 - VersR 1986, 1080, 1081 und vom 23. Februar 1988 - VI ZR 56/87 - aaO). Denn nur dann wäre dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage , Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 31. Januar 1995 - VI ZR 305/94 - VersR 1995, 551, 552 und vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 379/02 - VersR 2004, 123 m.w.N.; BGH, Urteil vom 23. September 2008 - XI ZR 395/07 - NJW 2009, 587, 588). Dass die Klägerin hier von Umständen wusste, die die Haftpflicht begründeten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
- 7
- b) Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen auch nicht die Annahme, die Klägerin habe sich rechtsmissbräuchlich einer sich aufdrängenden Kenntnis verschlossen. Allerdings steht es nach der Rechtsprechung des Senats der vom Gesetz geforderten positiven Kenntnis gleich, wenn der Geschädigte diese Kenntnis nur deswegen nicht besitzt, weil er vor einer sich ihm ohne Weiteres anbietenden, gleichsam auf der Hand liegenden Erkenntnismöglichkeit, die weder besondere Kosten noch nennenswerte Mühe verursacht, die Augen verschlossen hat (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 24. März 1987 - VI ZR 217/86 - VersR 1987, 820; vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 285/86 - VersR 1988, 465, 466; vom 16. Mai 1989 - VI ZR 251/88 - VersR 1989, 914, 915; vom 10. April 1990 - VI ZR 288/89 - VersR 1990, 795, 796; vom 20. September 1994 - VI ZR 336/93 - NJW 1994, 3092, 3093; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93 - aaO; vom 31. Januar 1995 - VI ZR 305/94 - aaO; vom 6. März 2001 - VI ZR 30/00 - VersR 2001, 866, 867; vom 8. Oktober 2002 - VI ZR 182/01 - VersR 2003, 75, 76 und vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 379/02 - aaO, S. 123 f.). Diese Rechtsprechung betrifft aber nur Fälle, in denen letztlich das Sichberufen auf die Unkenntnis als Förmelei erscheint, weil jeder andere in der Lage des Geschädigten unter denselben konkreten Umständen die Kenntnis gehabt hätte (vgl. Senatsurteile BGHZ 133, 192, 198 ff.; 150, 94, 97 f.; vom 5. Februar 1985 - VI ZR 61/83 - VersR 1985, 367, 368 f.; vom 16. Mai 1989 - VI ZR 251/88 - aaO; vom 6. Februar 1990 - VI ZR 75/89 - VersR 1990, 539; vom 20. September 1994 - VI ZR 336/93 - aaO; vom 16. Dezember 1997 - VI ZR 408/96 - VersR 1998, 378, 380; vom 17. November 1998 - VI ZR 32/97 - VersR 1999, 585, 587; vom 18. Januar 2000 - VI ZR 375/98 - VersR 2000, 503, 504; vom 12. Dezember 2000 - VI ZR 345/99 - VersR 2001, 381, 382; vom 6. März 2001 - VI ZR 30/00 - aaO; vom 8. Oktober 2002 - VI ZR 182/01 - VersR 2003, 75, 76 und vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 379/02 - aaO). In diesem Fall gelten die maßgebenden Umstände in dem Augenblick als bekannt, in dem der Geschädigte auf die entsprechende Erkundigung hin die Kenntnis erhalten hätte (Senatsurteil vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 379/02 - aaO m.w.N.). Ein Anwendungsfall dieser Rechtsprechung liegt jedoch insbesondere dann nicht vor, wenn der Geschädigte - wie hier - besondere Recherchen hinsichtlich der Schadensursache durchführen müsste. Allein aus den erheblichen Schadensfolgen musste die Klägerin nicht auf einen Behandlungsfehler schließen. Die möglicherweise schicksalhafte, ungünstige Narbenbildung weist nicht ohne Weiteres auf ein Fehlverhalten des behandelnden Arztes hin, denn die zugrunde liegende Verletzung (Dammriss) gehört nicht zu den vermeidbaren, unüblichen Verletzungen bei einer Entbindung (vgl. Senatsurteil vom 20. September 1983 - VI ZR 35/82 - aaO). Auch im Übrigen ist nach den getroffenen Feststellungen nicht ersichtlich, dass der Geburtsvorgang für die Klägerin einen Hinweis auf ein Verschulden des Beklagten zu 2 geboten hätte (vgl. Senatsurteile vom 18. Juni 1974 - VI ZR 106/72 - VersR 1974, 1082, 1083 und vom 23. April 1985 - VI ZR 207/83 - aaO).
- 8
- 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erlauben die getroffenen Feststellungen jedoch nicht die Annahme, dass die geltend gemachten Ansprüche gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. mit Ablauf des Jahres 2004 verjährt seien, weil die Unkenntnis der Klägerin von den den Anspruch begründenden Umständen auf grober Fahrlässigkeit beruhe.
- 9
- a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass sich die Verjährung der klägerischen Ansprüche gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ab dem 1. Januar 2002 nach dem ab dann geltenden neuen Verjährungsrecht richtet, denn die nach dem Klagevorbringen im Jahr 1998 entstandenen Ansprüche waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt. Etwaige vertragliche Ansprüche unterlagen der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F.. Die Verjährung deliktischer Ansprüche hatte wegen fehlender Kenntnis der Klägerin im Sinne von § 852 BGB a.F. noch nicht begonnen.
- 10
- b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die erhobenen Ansprüche einheitlich der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB n.F. unterstellt und die Verjährungsfrist nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB ab dem 1. Januar 2002 berechnet. Denn die neue Frist ist hinsichtlich des geltend gemachten vertraglichen Anspruchs kürzer als die alte Regelverjährung von 30 Jahren und eröffnet für die Verjährung deliktischer Ansprüche mit der Gleichstellung von Kenntnis und grob fahrlässiger Unkenntnis einen zusätzlichen Anwendungsfall. Zutreffend ist auch, dass bei Vorliegen der subjekti- ven Voraussetzungen von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB schon vor dem 1. Januar 2002 die neue Verjährungsfrist zum 31. Dezember 2004 abgelaufen wäre, mithin vertragliche und deliktische Ansprüche der Klägerin zu diesem Zeitpunkt verjähren konnten (vgl. BGHZ 171, 1, 7 ff.; BGH, Beschluss vom 19. März 2008 - III ZR 220/07 - VersR 2008, 1121; Urteile vom 8. Mai 2008 - VII ZR 106/07 - NJW 2008, 2427, 2428 und vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06 - NJW 2008, 2576, 2578).
- 11
- c) Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht indessen an, dass grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin als subjektive Voraussetzung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor dem 1. Januar 2002 vorgelegen habe.
- 12
- aa) Die tatrichterliche Beurteilung, ob einer Partei der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen ist, ist mit der Revision allerdings nur beschränkt angreifbar. Der Nachprüfung unterliegt lediglich, ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Verschuldensgrades wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile BGHZ 163, 351, 353; vom 8. Mai 1984 - VI ZR 296/82 - VersR 1984, 775, 776; vom 12. Januar 1988 - VI ZR 158/87 - VersR 1988, 474; vom 18. Oktober 1988 - VI ZR 15/88 - VersR 1989, 109; vom 30. Januar 2001 - VI ZR 49/00 - VersR 2001, 985; vom 10. Februar 2009 - VI ZR 28/08 - VersR 2009, 558, 561 und vom 17. Februar 2009 - VI ZR 86/08 - VersR 2009, 839). Dies ist hier der Fall.
- 13
- bb) Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegun- gen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (st. Rspr.; zuletzt vgl. Senatsurteile vom 10. Februar 2009 - VI ZR 28/08 - aaO und vom 17. Februar 2009 - VI ZR 86/08 - aaO, S. 840 m.w.N.; BGH, Urteile vom 23. September 2008 - XI ZR 253/07 - NJW-RR 2009, 544, 546 und vom 23. September 2008 - XI ZR 395/07 - aaO m.w.N.). Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können (Mansel, NJW 2002, 89, 91; vgl. Piekenbrock, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2001, S. 309, 325; Rebhahn, FS Welser, 2004, S. 849, 857).
- 14
- Dabei bezieht sich die grob fahrlässige Unkenntnis ebenso wie die Kenntnis auf Tatsachen, auf alle Merkmale der Anspruchsgrundlage und bei der Verschuldenshaftung auf das Vertretenmüssen des Schuldners, wobei es auf eine zutreffende rechtliche Würdigung nicht ankommt (BGH, Beschluss vom 19. März 2008 - III ZR 220/07 - aaO; Mansel, aaO, S. 92). Ausreichend ist, wenn dem Gläubiger aufgrund der ihm grob fahrlässig unbekannt gebliebenen Tatsachen zugemutet werden kann, zur Durchsetzung seiner Ansprüche gegen eine bestimmte Person aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos Klage - sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage - zu erheben (vgl. Senatsurteile vom 18. Januar 2000 - VI ZR 375/98 - aaO m.w.N. und vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 379/02 - aaO m.w.N.; Mansel, aaO).
- 15
- cc) Nach gefestigter Rechtsprechung besteht für den Gläubiger keine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten (zu § 852 BGB a.F.: vgl. Senatsurteile BGHZ 133, 192, 199; vom 6. Februar 1990 - VI ZR 75/89 - aaO; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93 - aaO; vom 31. Januar 1995 - VI ZR 305/94 - aaO; vom 18. Januar 2000 - VI ZR 375/98 - aaO m.w.N. und vom 6. März 2001 - VI ZR 30/00 - aaO). Daran hat sich durch die Neuregelung des Verjährungsrechts in § 199 BGB nichts geändert (BGH, Urteil vom 16. September 2005 - V ZR 242/04 - WM 2006, 49, 50; OLG Saarbrücken, OLG-Report 2008, 817, 818 f.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Rn. D 8; Erman /Schmidt-Räntsch, BGB, 12.Aufl., §199, Rn.20; MünchKommBGB /Grothe, 5.Aufl., §199, Rn.28; Wendtland, in: Haas/Medicus/Schäfer/Wendtland, Das neue Schuldrecht, 2002, Kapitel 2, Rn. 17 f.; Rohlfing, MDR 2006, 721, 723). Diese Rechtslage entspricht der Regelung in § 932 Abs. 2 BGB, die ebenso wie § 199 Abs. 1 BGB an die grob fahrlässige Unkenntnis einer Partei anknüpft (vgl. BGH, Urteile vom 22. Juni 1966 - VIII ZR 141/64 - NJW 1966, 1959, 1960; vom 1. Juli 1987 - VIII ZR 331/86 - NJW-RR 1987, 1456, 1457 und vom 9. Oktober 1991 - VIII ZR 19/91 - NJW 1992, 310).
- 16
- Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, kommt es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Das Unterlassen einer Nachfrage ist ebenso wie in den Fällen des § 932 Abs. 2 BGB auch nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Geschädigten als unverständlich erscheinen lassen. Für den Gläubiger müssen konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein und sich ihm der Verdacht einer möglichen Schädigung aufdrängen (zu § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB: vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2008 - XI ZR 253/07 - aaO; OLG Köln, GRUR-RR 2003, 187, 188; OLG Celle, OLG-Report 2009, 422 f.; Erman/Schmidt-Räntsch, aaO; Palandt /Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 199, Rn. 36; vgl. Staudinger/Greger, BGB [2007], § 199, Rn. 54 f.; vgl. Bäune/Dahn, MedR 2004, 645, 653; Geiß/Greiner, aaO; zu § 932 Abs. 2 BGB: BGHZ 77, 274, 277; BGH, Urteile vom 22. Juni 1966 - VIII ZR 141/64 - aaO; vom 1. Juli 1987 - VIII ZR 331/86 - aaO; vom 9. Oktober 1991 - VIII ZR 19/91 - aaO und vom 13. April 1994 - II ZR 196/93 - NJW 1994, 2022, 2023; vgl. Otto, Die Bestimmung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, Diss. [2006], S. 229; Soergel/Henssler, BGB, 13. Aufl., § 932, Rn. 23).
- 17
- In Arzthaftungssachen ist bei der Prüfung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt , zugunsten des Patienten zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne Weiteres aus einer Verletzungshandlung, die zu einem Schaden geführt hat, auf einen schuldhaften Behandlungs- oder Aufklärungsfehler zu schließen braucht. Deshalb führt allein der negative Ausgang einer Behandlung ohne weitere sich aufdrängende Anhaltspunkte für ein behandlungsfehlerhaftes Geschehen nicht dazu, dass der Patient zur Vermeidung der Verjährung seiner Ansprüche Initiative zur Aufklärung des Behandlungsgeschehens entfalten müsste (vgl. MünchKommBGB /Grothe, aaO, Rn. 30, 39; vgl. Bäune/Dahn, aaO). Denn das Ausbleiben des Erfolgs ärztlicher Maßnahmen muss nicht in der Unzulänglichkeit ärztlicher Bemühungen seinen Grund haben, sondern kann schicksalhaft und auf die Eigenart der Erkrankung zurückzuführen sein (vgl. Senatsurteile vom 20. September 1983 - VI ZR 35/82 - aaO; vom 23. April 1985 - VI ZR 207/83 - aaO; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93 - aaO und vom 3. Februar 1998 - VI ZR 356/96 - aaO).
- 18
- dd) Mit diesen Grundsätzen steht die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe ohne grobe Fahrlässigkeit deutlich vor dem 31. Dezember 2001 Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erlangen müssen, nicht in Einklang. Zwar hätte die Klägerin vor diesem Zeitpunkt Erkundigungen wegen eines etwaigen Fehlverhaltens der Beklagten einholen können. Das Unterlassen einer solchen Nachfrage ist aber nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die dieses Verhalten aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Patienten als unverständlich erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2005 - V ZR 242/04 - aaO; vgl. Staudinger/Greger, aaO, Rn. 55 f.). Hier musste sich der Klägerin ein behandlungsfehlerhaftes Verhalten der Beklagten nach den Umständen des Falles bis zu dem Gespräch mit der Gynäkologin im Jahr 2006 nicht aufdrängen. Zwar litt die Klägerin nach eigenen Angaben seit der Entbindung unter erheblichen Beschwerden, die ihre Lebensführung stark einschränkten und deren operative Beseitigungsmöglichkeit von ihr mit Ärzten besprochen wurde. Eine schmerzhafte Narbenbildung kann aber ebenso wie ein bei der Entbindung eingetretener Dammriss schicksalhaft sein und gibt einem verständigen, auf seine Interessen bedachten Patienten nicht ohne Weiteres Veranlassung, wegen eines Behandlungsfehlers nachzuforschen. Welche konkreten Umstände abgesehen vom negativen Ausgang der ärztlichen Behandlung der Klägerin Veranlassung hätten geben sollen, wegen eines Behandlungsfehlers nachzufragen, hat das Berufungsgericht nicht aufgezeigt.
- 19
- ee) Hat die Klägerin erstmals in dem Gespräch mit ihrer Gynäkologin am 23. Juni 2006 einen Hinweis darauf erhalten, dass eine falsch gesetzte Naht die Ursache ihrer Beschwerden sein könnte, waren die geltend gemachten Ansprüche bei Klageerhebung im Juli 2007 noch nicht verjährt.
- 20
- d) Im Übrigen ist weder festgestellt noch vorgetragen, dass eine etwaige Nachfrage der Klägerin vor dem 1. Januar 2002 Klarheit über die Ursache ihrer Beschwerden gebracht hätte, um ihr die Möglichkeit zu geben, aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos Klage - sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage - zu erheben (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2008 - XI ZR 253/07 - aaO; vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2008 - XI ZR 395/07 - aaO; Mansel, aaO, S. 91 f.; Bäune/Dahn, aaO; Winkhart, Arzthaftungsrecht, 2. Aufl., S. 858 f., 882 f.; Otto, aaO, S. 274; Palandt/Heinrichs, aaO, § 199, Rn. 37; anders Erman /Schmidt-Räntsch, aaO).
III.
- 21
- Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dieses die erforderlichen Feststellungen nachholen kann. Dabei wird es auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen haben, sie habe erst nach dem 23. Juni 2006 erfahren, dass der Beklagte zu 2 behandlungsfehlerhaft von einer Sectio abgesehen habe. Galke Diederichsen Pauge Stöhr von Pentz
LG Bremen, Entscheidung vom 25.04.2008 - 3 O 1303/07 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 20.08.2008 - 5 U 19/08 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Im Dezember 1999 kamen zwischen der Klägerin als Verkäuferin und den Beklagten als Käufer notarielle Kaufverträge über mehrere bereits errichtete Eigentumswohnungen zustande. Danach war die Klägerin verpflichtet, den Beklagten, die den Kaufpreis jeweils vorleisten sollten, eine Bankbürgschaft nach den Regeln der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) zu stellen.
- 2
- Nachdem die Bürgschaften gestellt worden waren und die Beklagten vorgeleistet hatten, kam es zu Unstimmigkeiten wegen Abweichungen hinsichtlich der vereinbarten Miteigentumsanteile und wegen angeblicher Mängel. Aus diesem Grund nahm der Beklagte zu 1 die Klägerin in einem 2004 eingeleiteten Rechtsstreit (fortan: Vorprozess) aus eigenem und aus abgetretenem Recht des Beklagten zu 2 u.a. auf Rückabwicklung der Verträge im Wege des großen Schadensersatzes in Anspruch. Die Bürgin, die nunmehrige Streithelferin der Klägerin, erklärte sich den Beklagten gegenüber mit Schreiben vom 24. November 2004 für die Dauer des Vorprozesses mit einer Hemmung der Verjährung von Ansprüchen aus der Bürgschaft einverstanden.
- 3
- Nach am 10. August 2005 vollzogener Eigentumsumschreibung forderte die Klägerin die Beklagten mit Schreiben vom 16. September 2005 zur Rückgabe der Bürgschaften bis zum 28. September 2005 auf und wies darauf hin, dass sie die nach Ablauf der gesetzten Frist anfallenden Avalzinsen von ihnen ersetzt verlangen werde. 2007 gab das Landgericht der Klage im Vorprozess statt. Das Berufungsgericht wies sie nachfolgend ab. Die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 25. März 2010 zurückgewiesen. Anschließend gaben die Beklagten die Bürgschaftsurkunden heraus.
- 4
- Im Hinblick auf die ihr für den Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. März 2010 in Rechnung gestellten Avalzinsen verlangt die Klägerin von dem Beklagten zu 1 Zahlung von 80.632,68 € sowie Freistellung von ihrer Zahlungspflicht der bürgenden Bank gegenüber in Höhe weiterer 40.316,34 €; von dem Beklagten zu 2 fordert sie Zahlung von 72.096,96 € und Freistellung in Höhe weiterer 36.048,48 €. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
- 5
- Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung u.a. in BauR 2013, 796 veröffentlicht ist, meint, Schadensersatzansprüche stünden der Klägerin schon deshalb nicht zu, weil sich die Beklagten mit der Rückgabe der Bürgschaftsur- kunden nicht in Verzug befunden hätten. Im Zeitpunkt des Aufforderungsschreibens vom 16. September 2005 habe bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung noch nicht festgestanden, dass der Sicherungszweck nicht mehr habe eintreten können. Da sich dies erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Vorprozesses Ende März 2010 erwiesen habe, sei der Rückgewähranspruch im Zeitpunkt der Mahnung noch nicht wirksam entstanden bzw. noch nicht fällig gewesen. Selbst wenn Schadensersatzansprüche bestanden hätten, seien diese jedenfalls verjährt.
II.
- 6
- Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
- 7
- 1. Es kann offen bleiben, ob die Beklagten die ihnen von der Klägerin gestellten Bürgschaften bis zum rechtskräftigen Abschluss des Vorprozesses im Jahr 2010 zurückhalten durften und der Klägerin schon deshalb keine Schadensersatzansprüche zustehen, oder ob die Bürgschaften nach Umschreibung des Eigentums auf die Beklagten im Jahr 2005 hätten zurückgegeben werden müssen, weil die Klägerin ihre vertraglichen Verpflichtungen zu diesem Zeitpunkt objektiv erfüllt hatte. Die Revision bleibt auch dann ohne Erfolg, wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, dass die Rückgabeverpflichtung bereits 2005 entstanden ist.
- 8
- 2. Sich hieraus ergebende Schadensersatzansprüche wegen verspäteter Rückgabe der Bürgschaften sind jedenfalls verjährt.
- 9
- a) Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens nach dem nunmehr geltenden Verjährungsrecht zu beurteilen ist. Die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB greift nicht ein, weil der Sicherungszweck jedenfalls am 1. Januar 2002 noch nicht weggefallen war und schon deshalb der Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunden noch nicht zum Tragen kommen konnte.
- 10
- b) Der Anspruch auf Ersatz von Verzugsschäden unterfällt der Regelverjährung nach § 195 BGB. Derartige Nebenansprüche unterliegen einer selbständigen Verjährung. Aus § 217 BGB folgt lediglich, dass sie spätestens mit dem Hauptanspruch verjähren (vgl. nur Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Aufl., § 217 Rn. 1), und zwar selbst dann, wenn sie erst nach Ablauf der den Hauptanspruch betreffenden Verjährungsfrist beziffert werden können (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 – XI ZR 113/06, ZIP 2007, 570 Rn. 15).
- 11
- c) Ebenfalls zutreffend legt das Berufungsgericht zugrunde, dass die dreijährige Regelverjährung mit dem Schluss des Jahres 2005 nach § 199 Abs. 1 BGB begann und die Erwirkung des Mahnbescheids im Jahr 2009 deshalb keine verjährungshemmende Wirkung mehr nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB entfalten konnte.
- 12
- aa) Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist im Jahr 2005 entstanden (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Nach dem Grundsatz der Schadenseinheit entsteht ein Anspruch einheitlich auch für die erst noch in der Zukunft fällig werdenden Positionen, sobald ein erster Teilbetrag mit der Leistungsklage geltend gemacht werden kann. Das gilt auch für Verzugsschäden (vgl. zum alten Recht BGH, Urteil vom 28. Oktober 1968 – VII ZR 35/66, VersR 1969, 60, 61; Urteil vom 19. November 1997 – XII ZR 281/95, NJW 1998, 1303, 1304).
- 13
- Entgegen der Auffassung der Revision liegt keine den Grundsatz der Schadenseinheit (vgl. dazu auch BT-Drucks. 14/7052, S. 180) ausschließende Dauerhandlung vor. Es ist zwar richtig, dass die Beklagten ihrer Herausgabeverpflichtung von 2005 bis 2010 ununterbrochen nicht nachgekommen sind. Nur ist das für den Lauf der Verjährung schon deshalb irrelevant, weil auf der Grundlage dieser Begründung Ansprüche auf Herausgabe beweglicher Sachen niemals verjährten. Dass dies der verjährungsrechtlichen Konzeption des Gesetzgebers widerspräche (vgl. § 197 Abs. 1 Nr. 2, § 902 BGB), liegt auf der Hand.
- 14
- bb) Die für den Beginn der Verjährung nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis des Gläubigers stellt das Berufungsgericht ebenfalls ohne Rechtsfehler fest. Es hebt entscheidend auf das Schreiben der Klägerin vom 16. September 2005 ab, in dem die Rückgabe der Bürgschaften mit der Begründung verlangt wurde, nach der Eigentumsumschreibung sei „der Rechtsgrund für die ausgestellten Bürgschaften entfallen“. Hieraus zieht es den naheliegenden Schluss, dass der Klägerin neben der Person des Schuldners auch die anspruchsbegründenden Umstände bekannt waren. Damit bestand die von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geforderte Kenntnis der Klägerin; denn diese ist bereits vorhanden, wenn der Gläubiger aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie ihm zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2012 - VIII ZR 249/11, WM 2013, 1576 Rn. 44 mwN).
- 15
- Die Zumutbarkeit der Klageerhebung entfiel nicht deshalb, weil die Klägerin bereits einer Klage der Beklagten ausgesetzt war, mit der diese Ansprüche geltend machten, die durch die Bürgschaft gesichert waren oder sie jedenfalls zur Zurückhaltung der Bürgschaft berechtigen konnten. Von dem Ausgang dieses Rechtsstreits hing zwar ab, ob die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen verspäteter Rückgabe der Bürgschaften aussichtsreich war. Bei einem Erfolg der auf Rückabwicklung der Kaufverträge über die Eigentumswohnungen gerichteten Klage wäre davon auszugehen gewesen, dass die Beklagten berechtigt waren, die Bürgschaften zurückzuhalten; einer Klageabweisung ließ sich entnehmen, dass die im Vorprozess geltend gemachten Ansprüche den Sicherungsfall nicht ausgelöst hatten. Der Wunsch des Gläubigers, den Ausgang eines Rechtsstreits mit dem Schuldner abzuwarten, um das Prozessrisiko für die Geltendmachung eines Anspruchs gering zu halten, der von derselben Vorfrage abhängig ist wie ein bereits rechtshängiger Anspruch, vermag den Lauf der Verjährung jedoch nicht zu beeinflussen. Der Verjährungsbeginn setzt aus Gründen der Rechtssicherheit und der Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Diese Kenntnis hat der Gläubiger bereits dann, wenn ihm die Geltendmachung des Anspruchs erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Weder ist es notwendig, dass der Gläubiger alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise noch Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576 Rn. 27 mwN). Deshalb steht auch ein noch nicht abgeschlossener Rechtsstreit zwischen Gläubiger und Schuldner, dessen Ausgang Rückschlüsse auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines (noch nicht rechtshängigen) Anspruchs gegen den Schuldner erlaubt, nicht der Annahme entgegen, der Gläubiger habe im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB bereits Kenntnis von den Umständen, die diesen Anspruch begründen.
- 16
- d) Verjährungshemmende Tatbestände greifen nicht ein.
- 17
- aa) Durch die Einleitung des Vorprozesses ist lediglich die Verjährung der durch die Bürgschaften gesicherten (vermeintlichen) Ansprüche der Beklagten gehemmt worden. Denn die Klageerhebung hemmt die Verjährung nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der Klage geltend gemacht werden, also nur für den streitgegenständlichen prozessualen Anspruch (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 – VIII ZR 93/04, NJW 2005, 2004, 2005 mwN).
- 18
- bb) Bei dieser Beurteilung bleibt es auch dann, wenn sich die Klägerin im Vorprozess hilfsweise darauf berufen haben sollte, zur Rückabwicklung der Verträge nur gegen Rückgabe der Bürgschaften verpflichtet zu sein. Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts im Prozess führt – anders als bei der Aufrechnung nach § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB – nicht zu einer Hemmung der Verjährung des Gegenanspruchs. Aufrechnung und nur einredeweise geltend gemachte Gegenansprüche werden in anderen Zusammenhängen – wie etwa die Regelung des § 322 Abs. 2 ZPO verdeutlicht – ebenfalls nicht gleich behandelt (vgl. auch Senat, Urteil vom 11. November 1994 – V ZR 46/93, NJW 1995, 967; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., vor § 322 Rn. 34a mwN), so dass auch eine analoge Anwendung von § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB mangels Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke ausscheidet (ebenso Staudinger /Peters/Jacoby, BGB [2014], § 204 Rn. 64).
- 19
- cc) Die Voraussetzungen des § 203 Satz 1 BGB sind nicht erfüllt.
- 20
- Nach dieser Vorschrift ist die Verjährung nur gehemmt, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder über die diesen begründenden Umstände schweben. Hierzu legt das Berufungsgericht zutreffend zugrunde, dass der Begriff „Verhandlungen“ weit auszulegen ist. Der Gläubiger muss lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt grundsätzlich jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner dies nicht sofort und erkennbar ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruches oder dessen Umfang ein (vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Juli 2009 - XI ZR 18/08, BGHZ 182, 76 Rn. 16 mwN). Diese Annahme ist aber in aller Regel nicht gerechtfertigt, wenn sich Parteien in einem Rechtstreit über die Berechtigung eines Zurückbehal- tungsrechts streiten, weil damit nicht ohne weiteres die Chancen einer einvernehmlichen Regelung hinsichtlich des Gegenanspruchs ausgelotet, sondern der Streit (auch) darüber durch das Gericht entschieden werden soll. Etwas anderes kann nur bei Hinzutreten besonderer Umstände angenommen werden, so etwa dann, wenn ein Anspruch in einen Widerrufsvergleich einbezogen wird, der nicht Gegenstand des Rechtsstreits war. Dann ist die Verjährung dieses Anspruchs bis zur Erklärung des Widerrufs gehemmt (BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 - VIII ZR 93/04, NJW 2005, 2004, 2006). Vergleichbar liegt es hier indessen nicht.
- 21
- Der Umstand, dass der Beklagte zu 1 im Vorprozess als Kläger hilfsweise den Antrag stellte, die Klägerin Zug um Zug gegen Rückgabe der Bürgschaftsurkunden zu verurteilen, lässt nicht erkennen, dass er sich auf Verhandlungen über den Rückgabeanspruch einlassen wollte. Dass sowohl der Klageanspruch des Vorprozesses als auch der Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunden von dem Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der behaupteten Leistungsstörungen abhängig waren, gibt bei verständiger Würdigung – soll der Hemmungstatbestand des § 203 BGB nicht völlig konturenlos werden – nichts für eine Verhandlungsbereitschaft des damaligen Klägers her.
- 22
- dd) Der Hemmungstatbestand des § 205 BGB greift schon deshalb nicht ein, weil die Norm ausschließlich auf vertragliche vereinbarte Zurückbehaltungsrechte wie Stillhalteabkommen und Stundung anwendbar ist, nicht aber auf gesetzliche Zurückbehaltungsrechte nach § 273 oder § 320 BGB (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 - XII ZB 461/11, NJW-RR 2012, 579 Rn. 23; Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Aufl., § 205 Rn. 1 f.). An einer vertraglichen Abrede über die Einräumung eines Zurückbehaltungsrechts fehlt es hier.
- 23
- 3. Entgegen der Auffassung der Revision kann die Berufung auf die Verjährungseinrede schließlich nicht als treuwidrig angesehen werden (§ 242 BGB). Das gilt bei verständiger Würdigung der widerstreitenden Interessen der Parteien auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagten mit der Bürgin einen zeitweisen Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährungseinrede verabredet hatten. Die Beklagten haben hierdurch im Verhältnis zur Bürgin Vorsorge für den Fall eines ihnen günstigen Ausgangs des Vorprozesses getroffen. Für die - nicht an der Vereinbarung beteiligte - Klägerin bestand kein Anlass, darauf zu vertrauen, dass die Beklagten deshalb verpflichtet waren oder sich verpflichtet fühlen würden, sich ihr gegenüber nicht auf die Einrede der Verjährung zu berufen, sollte der Vorprozess für sie verloren gehen und die Klägerin deshalb Ansprüche wegen verspäteter Rückgabe der Bürgschaft geltend machen. Es ist auch bei miteinander verknüpften Ansprüchen Sache des jeweiligen Gläubigers sicherzustellen, dass die eigenen Ansprüche nicht verjähren. Dies wäre der Klägerin ohne weiteres möglich gewesen, sei es durch eine Vereinbarung mit den Beklagten über eine Verlängerung bzw. Hemmung der Verjährungsfrist (vgl. § 202 Abs. 2, § 205 BGB), sei es durch die Erhebung einer Widerklage im Vorprozess oder einer eigenständigen Klage (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
III.
- 24
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 12.04.2011 - 16 O 73/10 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 06.11.2012 - I-24 U 45/11 -
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt von der Beklagten zu 1 als Klinikträgerin und dem Beklagten zu 2 als behandelndem Arzt mit der im Jahre 2007 erhobenen Klage Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen behaupteter Behandlungsfehler bei der Geburt ihres Kindes am 16. Mai 1998. Bei dieser Entbindung kam es infolge des Einsatzes einer Geburtszange zu einem Dammriss sowie einem Riss des unteren bis mittleren Vaginaldrittels. Die aufgrund dessen erforderlichen Nähte setzte der Beklagte zu 2. Die Klägerin macht geltend, durch fehlerhaftes ärztliches Vorgehen seien Vernarbungen im Vaginalbereich eingetreten , die seit der Entbindung schmerzhaft seien und unter denen sie bis heute leide. Dass ihre Beschwerden auf eine fehlerhafte Behandlung zurückzuführen seien, habe sie erst durch den Hinweis einer Gynäkologin am 23. Juni 2006 erfahren. Die Beklagten haben u.a. die Einrede der Verjährung erhoben.
- 2
- Die Klage hatte in den Tatsacheninstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Ansprüche der Klägerin seien verjährt. Zwar bestünden Bedenken gegen die Annahme des Landgerichts , dass Verjährung bereits im Jahr 2001 eingetreten sei, weil sich die Klägerin so behandeln lassen müsse, als habe sie bereits seit der Entbindung Kenntnis im Sinne von § 852 BGB a.F. gehabt, doch seien sowohl deliktische als auch vertragliche Ansprüche der Klägerin jedenfalls gemäß § 199 Abs. 1 BGB n.F. mit Ablauf des 31. Dezember 2004 verjährt. Die seit dem 1. Januar 2002 (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EGBGB) für den Beginn der Verjährung genügende grob fahrlässige Unkenntnis sei vorliegend deutlich vor dem 31. Dezember 2001 erfüllt. Grobe Fahrlässigkeit sei anzunehmen, wenn im Einzelfall einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt würden und das außer Acht gelassen werde, was jedem einleuchte. Hier sei zu berücksichtigen , dass die Klägerin gleich nach der Behandlung im Krankenhaus unter erheblichen Schmerzen und Beschwerden gelitten habe, die ihr tägliches Leben in hohem Maße beeinträchtigten und mit denen sie ständig konfrontiert sei. Trotz zahlreicher ärztlicher Untersuchungen und Behandlungen habe sich keinerlei Besserung eingestellt; eine operative Beseitigung der Beschwerden im Hinblick auf die festgestellte Narbenbildung sei erwogen worden. Es sei offensichtlich gewesen, dass die von der Klägerin geschilderten Beschwerden auch nach einer schweren Geburt keineswegs dem normalen Verlauf entsprochen hätten. Deshalb hätte es unmittelbar auf der Hand gelegen, in den Jahren nach der Entbindung einem der behandelnden Ärzte wenigstens einmal die Frage zu stellen, ob möglicherweise bei der Behandlung im Krankenhaus irgendein Fehler unterlaufen sein könnte. Auch sei unklar geblieben, weshalb die Klägerin gerade aufgrund des Gesprächs mit der Gynäkologin im Jahr 2006 einen ärztlichen Behandlungsfehler in Betracht gezogen habe, denn diese habe gegenüber den der Klägerin bereits bekannten Tatsachen nichts wesentlich Neues beigesteuert, sondern ihr nur mitgeteilt, dass der fragliche Vaginalbereich hinsichtlich der Naht nicht gut aussehe und nicht in Ordnung sei.
II.
- 4
- Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 5
- 1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht für die Zeit bis zum 31. Dezember 2001 die Verjährung nach Maßgabe der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften geprüft. Seine Beurteilung, die Klägerin habe nicht schon seit der Entbindung im Jahr 1998 positive Kenntnis von dem Schaden gehabt und müsse sich auch nicht so behandeln lassen, ist aufgrund der getroffenen Feststellungen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision als ihr günstig hingenommen.
- 6
- a) Wie der erkennende Senat wiederholt ausgesprochen hat, kann die Kenntnis vom Schaden i.S.d. § 852 Abs. 1 BGB a.F. (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F.) nicht schon dann bejaht werden, wenn dem Patienten lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist (Senatsurteile vom 20. September 1983 - VI ZR 35/82 - VersR 1983, 1158, 1159; vom 23. April 1985 - VI ZR 207/83 - VersR 1985, 740, 741; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93 - VersR 1995, 659, 660 und vom 3. Februar 1998 - VI ZR 356/96 - VersR 1998, 634, 636). Denn das Ausbleiben des Erfolgs ärztlicher Maßnahmen kann in der Eigenart der Erkrankung oder in der Unzulänglichkeit ärztlicher Bemühungen seinen Grund haben. Deshalb gehört zur Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen das Wissen, dass sich in dem Misslingen der ärztlichen Tätigkeit das Behandlungs- und nicht das Krankheitsrisiko verwirklicht hat (Senatsurteil vom 23. April 1991 - VI ZR 161/90 - VersR 1991, 815, 816). Hierzu genügt es nicht schon, dass der Patient Einzelheiten des ärztlichen Tuns oder Unterlassens kennt, wie hier den Einsatz der Geburtszange, das Nähen des Risses oder das Unterlassen einer Sectio. Vielmehr muss ihm aus seiner Laiensicht der Stellenwert des ärztlichen Vorgehens für den Behandlungserfolg bewusst sein. Deshalb begann die Verjährungsfrist gemäß § 852 BGB a.F. nicht zu laufen, bevor nicht der Patient als medizinischer Laie Kenntnis von Tatsachen erlangt hatte, aus denen sich ergab, dass der Arzt von dem üblichen ärztlichen Vorgehen abgewichen war oder Maßnahmen nicht getroffen hatte, die nach ärztlichem Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich gewesen wären (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 23. April 1985 - VI ZR 207/83 - aaO; vom 23. Februar 1988 - VI ZR 56/87 - NJW 1988, 1516, 1517 - insoweit in VersR 1988, 495 nicht abgedruckt; vom 23. April 1991 - VI ZR 161/90 - aaO; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93 - aaO; vom 3. Februar 1998 - VI ZR 356/96 - aaO und vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99 - VersR 2001, 108, 109 - insoweit in BGHZ 145, 358 nicht abgedruckt; BGH, Urteil vom 24. Juni 1999 - IX ZR 363/97 - VersR 1999, 1149, 1150). Diese Kenntnis ist erst vorhanden, wenn die dem Anspruchsteller bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners und auf die Ursache dieses Verhaltens für den Schaden bzw. die erforderliche Folgeoperation als naheliegend erscheinen zu lassen (Senatsurteile vom 27. Oktober 1970 - VI ZR 66/69 - VersR 1971, 154, 155; vom 3. Juni 1986 - VI ZR 210/85 - VersR 1986, 1080, 1081 und vom 23. Februar 1988 - VI ZR 56/87 - aaO). Denn nur dann wäre dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage , Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 31. Januar 1995 - VI ZR 305/94 - VersR 1995, 551, 552 und vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 379/02 - VersR 2004, 123 m.w.N.; BGH, Urteil vom 23. September 2008 - XI ZR 395/07 - NJW 2009, 587, 588). Dass die Klägerin hier von Umständen wusste, die die Haftpflicht begründeten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
- 7
- b) Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen auch nicht die Annahme, die Klägerin habe sich rechtsmissbräuchlich einer sich aufdrängenden Kenntnis verschlossen. Allerdings steht es nach der Rechtsprechung des Senats der vom Gesetz geforderten positiven Kenntnis gleich, wenn der Geschädigte diese Kenntnis nur deswegen nicht besitzt, weil er vor einer sich ihm ohne Weiteres anbietenden, gleichsam auf der Hand liegenden Erkenntnismöglichkeit, die weder besondere Kosten noch nennenswerte Mühe verursacht, die Augen verschlossen hat (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 24. März 1987 - VI ZR 217/86 - VersR 1987, 820; vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 285/86 - VersR 1988, 465, 466; vom 16. Mai 1989 - VI ZR 251/88 - VersR 1989, 914, 915; vom 10. April 1990 - VI ZR 288/89 - VersR 1990, 795, 796; vom 20. September 1994 - VI ZR 336/93 - NJW 1994, 3092, 3093; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93 - aaO; vom 31. Januar 1995 - VI ZR 305/94 - aaO; vom 6. März 2001 - VI ZR 30/00 - VersR 2001, 866, 867; vom 8. Oktober 2002 - VI ZR 182/01 - VersR 2003, 75, 76 und vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 379/02 - aaO, S. 123 f.). Diese Rechtsprechung betrifft aber nur Fälle, in denen letztlich das Sichberufen auf die Unkenntnis als Förmelei erscheint, weil jeder andere in der Lage des Geschädigten unter denselben konkreten Umständen die Kenntnis gehabt hätte (vgl. Senatsurteile BGHZ 133, 192, 198 ff.; 150, 94, 97 f.; vom 5. Februar 1985 - VI ZR 61/83 - VersR 1985, 367, 368 f.; vom 16. Mai 1989 - VI ZR 251/88 - aaO; vom 6. Februar 1990 - VI ZR 75/89 - VersR 1990, 539; vom 20. September 1994 - VI ZR 336/93 - aaO; vom 16. Dezember 1997 - VI ZR 408/96 - VersR 1998, 378, 380; vom 17. November 1998 - VI ZR 32/97 - VersR 1999, 585, 587; vom 18. Januar 2000 - VI ZR 375/98 - VersR 2000, 503, 504; vom 12. Dezember 2000 - VI ZR 345/99 - VersR 2001, 381, 382; vom 6. März 2001 - VI ZR 30/00 - aaO; vom 8. Oktober 2002 - VI ZR 182/01 - VersR 2003, 75, 76 und vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 379/02 - aaO). In diesem Fall gelten die maßgebenden Umstände in dem Augenblick als bekannt, in dem der Geschädigte auf die entsprechende Erkundigung hin die Kenntnis erhalten hätte (Senatsurteil vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 379/02 - aaO m.w.N.). Ein Anwendungsfall dieser Rechtsprechung liegt jedoch insbesondere dann nicht vor, wenn der Geschädigte - wie hier - besondere Recherchen hinsichtlich der Schadensursache durchführen müsste. Allein aus den erheblichen Schadensfolgen musste die Klägerin nicht auf einen Behandlungsfehler schließen. Die möglicherweise schicksalhafte, ungünstige Narbenbildung weist nicht ohne Weiteres auf ein Fehlverhalten des behandelnden Arztes hin, denn die zugrunde liegende Verletzung (Dammriss) gehört nicht zu den vermeidbaren, unüblichen Verletzungen bei einer Entbindung (vgl. Senatsurteil vom 20. September 1983 - VI ZR 35/82 - aaO). Auch im Übrigen ist nach den getroffenen Feststellungen nicht ersichtlich, dass der Geburtsvorgang für die Klägerin einen Hinweis auf ein Verschulden des Beklagten zu 2 geboten hätte (vgl. Senatsurteile vom 18. Juni 1974 - VI ZR 106/72 - VersR 1974, 1082, 1083 und vom 23. April 1985 - VI ZR 207/83 - aaO).
- 8
- 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erlauben die getroffenen Feststellungen jedoch nicht die Annahme, dass die geltend gemachten Ansprüche gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. mit Ablauf des Jahres 2004 verjährt seien, weil die Unkenntnis der Klägerin von den den Anspruch begründenden Umständen auf grober Fahrlässigkeit beruhe.
- 9
- a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass sich die Verjährung der klägerischen Ansprüche gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ab dem 1. Januar 2002 nach dem ab dann geltenden neuen Verjährungsrecht richtet, denn die nach dem Klagevorbringen im Jahr 1998 entstandenen Ansprüche waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt. Etwaige vertragliche Ansprüche unterlagen der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F.. Die Verjährung deliktischer Ansprüche hatte wegen fehlender Kenntnis der Klägerin im Sinne von § 852 BGB a.F. noch nicht begonnen.
- 10
- b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die erhobenen Ansprüche einheitlich der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB n.F. unterstellt und die Verjährungsfrist nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB ab dem 1. Januar 2002 berechnet. Denn die neue Frist ist hinsichtlich des geltend gemachten vertraglichen Anspruchs kürzer als die alte Regelverjährung von 30 Jahren und eröffnet für die Verjährung deliktischer Ansprüche mit der Gleichstellung von Kenntnis und grob fahrlässiger Unkenntnis einen zusätzlichen Anwendungsfall. Zutreffend ist auch, dass bei Vorliegen der subjekti- ven Voraussetzungen von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB schon vor dem 1. Januar 2002 die neue Verjährungsfrist zum 31. Dezember 2004 abgelaufen wäre, mithin vertragliche und deliktische Ansprüche der Klägerin zu diesem Zeitpunkt verjähren konnten (vgl. BGHZ 171, 1, 7 ff.; BGH, Beschluss vom 19. März 2008 - III ZR 220/07 - VersR 2008, 1121; Urteile vom 8. Mai 2008 - VII ZR 106/07 - NJW 2008, 2427, 2428 und vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06 - NJW 2008, 2576, 2578).
- 11
- c) Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht indessen an, dass grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin als subjektive Voraussetzung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor dem 1. Januar 2002 vorgelegen habe.
- 12
- aa) Die tatrichterliche Beurteilung, ob einer Partei der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen ist, ist mit der Revision allerdings nur beschränkt angreifbar. Der Nachprüfung unterliegt lediglich, ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Verschuldensgrades wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile BGHZ 163, 351, 353; vom 8. Mai 1984 - VI ZR 296/82 - VersR 1984, 775, 776; vom 12. Januar 1988 - VI ZR 158/87 - VersR 1988, 474; vom 18. Oktober 1988 - VI ZR 15/88 - VersR 1989, 109; vom 30. Januar 2001 - VI ZR 49/00 - VersR 2001, 985; vom 10. Februar 2009 - VI ZR 28/08 - VersR 2009, 558, 561 und vom 17. Februar 2009 - VI ZR 86/08 - VersR 2009, 839). Dies ist hier der Fall.
- 13
- bb) Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegun- gen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (st. Rspr.; zuletzt vgl. Senatsurteile vom 10. Februar 2009 - VI ZR 28/08 - aaO und vom 17. Februar 2009 - VI ZR 86/08 - aaO, S. 840 m.w.N.; BGH, Urteile vom 23. September 2008 - XI ZR 253/07 - NJW-RR 2009, 544, 546 und vom 23. September 2008 - XI ZR 395/07 - aaO m.w.N.). Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können (Mansel, NJW 2002, 89, 91; vgl. Piekenbrock, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2001, S. 309, 325; Rebhahn, FS Welser, 2004, S. 849, 857).
- 14
- Dabei bezieht sich die grob fahrlässige Unkenntnis ebenso wie die Kenntnis auf Tatsachen, auf alle Merkmale der Anspruchsgrundlage und bei der Verschuldenshaftung auf das Vertretenmüssen des Schuldners, wobei es auf eine zutreffende rechtliche Würdigung nicht ankommt (BGH, Beschluss vom 19. März 2008 - III ZR 220/07 - aaO; Mansel, aaO, S. 92). Ausreichend ist, wenn dem Gläubiger aufgrund der ihm grob fahrlässig unbekannt gebliebenen Tatsachen zugemutet werden kann, zur Durchsetzung seiner Ansprüche gegen eine bestimmte Person aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos Klage - sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage - zu erheben (vgl. Senatsurteile vom 18. Januar 2000 - VI ZR 375/98 - aaO m.w.N. und vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 379/02 - aaO m.w.N.; Mansel, aaO).
- 15
- cc) Nach gefestigter Rechtsprechung besteht für den Gläubiger keine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten (zu § 852 BGB a.F.: vgl. Senatsurteile BGHZ 133, 192, 199; vom 6. Februar 1990 - VI ZR 75/89 - aaO; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93 - aaO; vom 31. Januar 1995 - VI ZR 305/94 - aaO; vom 18. Januar 2000 - VI ZR 375/98 - aaO m.w.N. und vom 6. März 2001 - VI ZR 30/00 - aaO). Daran hat sich durch die Neuregelung des Verjährungsrechts in § 199 BGB nichts geändert (BGH, Urteil vom 16. September 2005 - V ZR 242/04 - WM 2006, 49, 50; OLG Saarbrücken, OLG-Report 2008, 817, 818 f.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Rn. D 8; Erman /Schmidt-Räntsch, BGB, 12.Aufl., §199, Rn.20; MünchKommBGB /Grothe, 5.Aufl., §199, Rn.28; Wendtland, in: Haas/Medicus/Schäfer/Wendtland, Das neue Schuldrecht, 2002, Kapitel 2, Rn. 17 f.; Rohlfing, MDR 2006, 721, 723). Diese Rechtslage entspricht der Regelung in § 932 Abs. 2 BGB, die ebenso wie § 199 Abs. 1 BGB an die grob fahrlässige Unkenntnis einer Partei anknüpft (vgl. BGH, Urteile vom 22. Juni 1966 - VIII ZR 141/64 - NJW 1966, 1959, 1960; vom 1. Juli 1987 - VIII ZR 331/86 - NJW-RR 1987, 1456, 1457 und vom 9. Oktober 1991 - VIII ZR 19/91 - NJW 1992, 310).
- 16
- Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, kommt es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Das Unterlassen einer Nachfrage ist ebenso wie in den Fällen des § 932 Abs. 2 BGB auch nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Geschädigten als unverständlich erscheinen lassen. Für den Gläubiger müssen konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein und sich ihm der Verdacht einer möglichen Schädigung aufdrängen (zu § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB: vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2008 - XI ZR 253/07 - aaO; OLG Köln, GRUR-RR 2003, 187, 188; OLG Celle, OLG-Report 2009, 422 f.; Erman/Schmidt-Räntsch, aaO; Palandt /Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 199, Rn. 36; vgl. Staudinger/Greger, BGB [2007], § 199, Rn. 54 f.; vgl. Bäune/Dahn, MedR 2004, 645, 653; Geiß/Greiner, aaO; zu § 932 Abs. 2 BGB: BGHZ 77, 274, 277; BGH, Urteile vom 22. Juni 1966 - VIII ZR 141/64 - aaO; vom 1. Juli 1987 - VIII ZR 331/86 - aaO; vom 9. Oktober 1991 - VIII ZR 19/91 - aaO und vom 13. April 1994 - II ZR 196/93 - NJW 1994, 2022, 2023; vgl. Otto, Die Bestimmung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, Diss. [2006], S. 229; Soergel/Henssler, BGB, 13. Aufl., § 932, Rn. 23).
- 17
- In Arzthaftungssachen ist bei der Prüfung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt , zugunsten des Patienten zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne Weiteres aus einer Verletzungshandlung, die zu einem Schaden geführt hat, auf einen schuldhaften Behandlungs- oder Aufklärungsfehler zu schließen braucht. Deshalb führt allein der negative Ausgang einer Behandlung ohne weitere sich aufdrängende Anhaltspunkte für ein behandlungsfehlerhaftes Geschehen nicht dazu, dass der Patient zur Vermeidung der Verjährung seiner Ansprüche Initiative zur Aufklärung des Behandlungsgeschehens entfalten müsste (vgl. MünchKommBGB /Grothe, aaO, Rn. 30, 39; vgl. Bäune/Dahn, aaO). Denn das Ausbleiben des Erfolgs ärztlicher Maßnahmen muss nicht in der Unzulänglichkeit ärztlicher Bemühungen seinen Grund haben, sondern kann schicksalhaft und auf die Eigenart der Erkrankung zurückzuführen sein (vgl. Senatsurteile vom 20. September 1983 - VI ZR 35/82 - aaO; vom 23. April 1985 - VI ZR 207/83 - aaO; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93 - aaO und vom 3. Februar 1998 - VI ZR 356/96 - aaO).
- 18
- dd) Mit diesen Grundsätzen steht die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe ohne grobe Fahrlässigkeit deutlich vor dem 31. Dezember 2001 Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erlangen müssen, nicht in Einklang. Zwar hätte die Klägerin vor diesem Zeitpunkt Erkundigungen wegen eines etwaigen Fehlverhaltens der Beklagten einholen können. Das Unterlassen einer solchen Nachfrage ist aber nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die dieses Verhalten aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Patienten als unverständlich erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2005 - V ZR 242/04 - aaO; vgl. Staudinger/Greger, aaO, Rn. 55 f.). Hier musste sich der Klägerin ein behandlungsfehlerhaftes Verhalten der Beklagten nach den Umständen des Falles bis zu dem Gespräch mit der Gynäkologin im Jahr 2006 nicht aufdrängen. Zwar litt die Klägerin nach eigenen Angaben seit der Entbindung unter erheblichen Beschwerden, die ihre Lebensführung stark einschränkten und deren operative Beseitigungsmöglichkeit von ihr mit Ärzten besprochen wurde. Eine schmerzhafte Narbenbildung kann aber ebenso wie ein bei der Entbindung eingetretener Dammriss schicksalhaft sein und gibt einem verständigen, auf seine Interessen bedachten Patienten nicht ohne Weiteres Veranlassung, wegen eines Behandlungsfehlers nachzuforschen. Welche konkreten Umstände abgesehen vom negativen Ausgang der ärztlichen Behandlung der Klägerin Veranlassung hätten geben sollen, wegen eines Behandlungsfehlers nachzufragen, hat das Berufungsgericht nicht aufgezeigt.
- 19
- ee) Hat die Klägerin erstmals in dem Gespräch mit ihrer Gynäkologin am 23. Juni 2006 einen Hinweis darauf erhalten, dass eine falsch gesetzte Naht die Ursache ihrer Beschwerden sein könnte, waren die geltend gemachten Ansprüche bei Klageerhebung im Juli 2007 noch nicht verjährt.
- 20
- d) Im Übrigen ist weder festgestellt noch vorgetragen, dass eine etwaige Nachfrage der Klägerin vor dem 1. Januar 2002 Klarheit über die Ursache ihrer Beschwerden gebracht hätte, um ihr die Möglichkeit zu geben, aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos Klage - sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage - zu erheben (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2008 - XI ZR 253/07 - aaO; vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2008 - XI ZR 395/07 - aaO; Mansel, aaO, S. 91 f.; Bäune/Dahn, aaO; Winkhart, Arzthaftungsrecht, 2. Aufl., S. 858 f., 882 f.; Otto, aaO, S. 274; Palandt/Heinrichs, aaO, § 199, Rn. 37; anders Erman /Schmidt-Räntsch, aaO).
III.
- 21
- Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dieses die erforderlichen Feststellungen nachholen kann. Dabei wird es auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen haben, sie habe erst nach dem 23. Juni 2006 erfahren, dass der Beklagte zu 2 behandlungsfehlerhaft von einer Sectio abgesehen habe. Galke Diederichsen Pauge Stöhr von Pentz
LG Bremen, Entscheidung vom 25.04.2008 - 3 O 1303/07 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 20.08.2008 - 5 U 19/08 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger, ein Deutscher mit Wohnsitz in Deutschland, verlangt von der Beklagten, einem britischen Brokerunternehmen mit Sitz in London, Schadensersatz wegen Verlusten im Zusammenhang mit Börsenterminoptionsgeschäften.
- 2
- Die der englischen Finanzaufsicht unterliegende Beklagte bietet neben institutionellen Kunden auch Privatkunden ihre Execution- und Clearing-Dienste für den Handel mit Derivaten an. Privatkunden können über Vermittler Handelsaufträge einreichen, die von der Beklagten abgewickelt werden.
- 3
- Einer dieser Vermittler war M. W. , K. (im Folgenden: W.), der bis zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeit über eine deutsche aufsichtsrechtliche Erlaubnis als selbständiger Finanzdienstleister verfügte. Der Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und W. lag ein am 12. Oktober 1998 geschlossenes Abkommen ("Introducing Broker Agreement") zugrunde, das nach seiner Präambel den Zweck verfolgte, ein einträgliches Brokergeschäft aufzubauen. Die Beklagte hatte W. jede erdenkliche Unterstützung bei der Entwicklung des Geschäfts zu geben, für die von W. geworbenen Kunden Einzelkonten einzurichten und die in Auftrag gegebenen Transaktionen abzuwickeln. W. war verpflichtet, größtmögliche Anstrengungen zu unternehmen, um der Beklagten Kunden zuzuführen. Dabei hatte er aufsichts- und privatrechtliche Pflichten einzuhalten. Nach Nr. 5 (a) des Abkommens in Verbindung mit Anhang A sollte die Beklagte die Kundenkonten mit einer Broker-Kommission in einer zwischen ihr und W. auszuhandelnden Höhe belasten und dem Kommissionskonto des W. als Vergütung die Nettokommissionen für alle Transaktionen gutschreiben, soweit diese einen Betrag von 28 US-Dollar überstiegen.
- 4
- Der Kläger schloss mit W. einen formularmäßigen Geschäftsbesorgungsvertrag über die Durchführung von Optionsgeschäften, in dem sich W. unter anderem zur Vermittlung eines Brokereinzelkontos verpflichtete. Nach Nr. 6 des Vertrages hatte der Kläger bei jeder Einzahlung eine Kontogebühr in Höhe von 5% zu zahlen. Beim Kauf einer Option wurde eine Round-TurnKommission für den Kauf und Verkauf in Höhe von 120 US-Dollar berechnet. Ferner schuldete der Kläger W. monatlich eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 20% der effektiv erzielten Gewinne. Der Kläger erklärte sich damit einverstanden , dass die Gebühren von der Beklagten berechnet und in Höhe des mit W.
- 5
- Vor Aufnahme der Geschäfte übermittelte W. dem Kläger die von ihm herausgegebene Broschüre "Handelbare Optionen an den internationalen Börsen" , in der die im Geschäftsbesorgungsvertrag genannten Gebühren aufgeführt waren. Außerdem überließ W. dem Kläger Vertragsunterlagen der Beklagten , nämlich in deutscher Sprache abgefasste "Wichtige Informationen über Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften (einschließlich Warentermingeschäfte )" sowie, jeweils in deutscher und englischer Sprache, eine "Handelsvereinbarung für Privatkunden" und eine "Limited Power of Attorney/ beschränkte Vollmacht" zugunsten des W., die der Kläger am 31. Januar 2000 unterzeichnete und W. anschließend der Beklagten zuleitete.
- 6
- W. eröffnete zur Durchführung der Geschäfte bei der Beklagten ein Konto für den Kläger. Dieser überwies von seinem in Deutschland geführten Konto an die Beklagte am 9. Februar 2000 und am 16. März 2000 insgesamt 16.000 DM, von denen die 5%ige Kontogebühr in Höhe von insgesamt 800 DM an W. transferiert wurde. Die im Zeitraum von Februar bis August 2000 durchgeführten Terminoptionsgeschäfte des Klägers, für die Kommissionen in Höhe von insgesamt 1.800 US-Dollar und weiteren 345 € sowie Gewinnbeteiligungen in Höhe von insgesamt 365,95 US-Dollar anfielen, endeten verlustreich. Bei Beendigung der Geschäftsbeziehung erhielt der Kläger am 1. August 2000 insgesamt 2.190,85 DM zurück. Den Differenzbetrag von 13.809,15 DM = 7.060,51 € zuzüglich Zinsen macht er mit der Klage geltend.
- 7
- Das Landgericht hat die Klage, soweit sie auf deliktische Ansprüche gestützt ist, für zulässig erachtet und ihr im Wesentlichen stattgegeben. Das Beru- fungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 9
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für die Revisionsinstanz von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
- 10
- Die Klage sei zulässig, aber unbegründet.
- 11
- Soweit die Klage auf eine unerlaubte Handlung der Beklagten gestützt werde, sei die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO gegeben. Nach dem Vorbringen des Klägers seien seine Anwerbung durch W. und dessen vermögensschädigende Handlungen, zu denen die Beklagte Beihilfe geleistet haben solle, in Deutschland erfolgt.
- 12
- Dem Kläger stehe aber in Anwendung des nach Art. 41 EGBGB maßgeblichen deutschen Deliktsrechts gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch wegen unerlaubter Handlung zu.
- 13
- Ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 31 Abs. 2 WpHG aF scheide aus, weil der Beklagten kein Verstoß gegen § 31 Abs. 2 WpHG aF an- zulasten sei. Der Kläger sei bei der Erteilung der Handelsaufträge durch W. und damit durch ein Finanzdienstleistungsinstitut i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 a Nr. 2 KWG aF vertreten worden, das selbst Wertpapierdienstleistungen erbracht und den Verpflichtungen gemäß § 31 Abs. 2 WpHG aF unterlegen habe. Bei einer solchen gestaffelten Einschaltung mehrerer Wertpapierdienstleistungsunternehmen sei grundsätzlich nur das kundennähere Unternehmen zur Befragung und Aufklärung des Anlegers verpflichtet. Der Umstand, dass die Beklagte und W. sich zusammengeschlossen hätten, um ein gewinnträchtiges Brokergeschäft aufzubauen, stehe dem nicht entgegen. Die Beklagte habe im Falle des W. mit einem Unternehmen zusammengearbeitet, das der deutschen Finanzaufsicht unterstanden habe.
- 14
- Auch ein Anspruch gemäß §§ 826, 831 BGB sei nicht gegeben. Der Kläger sei zwar durch W. vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden, weil dieser ihn in den ausgehändigten Broschüren nicht hinreichend über die Risiken der Börsentermingeschäfte aufgeklärt, sondern die Risiken durch die Hervorhebung eines infolge der Hebelwirkung möglichen überproportionalen Gewinnes verharmlost habe. W. sei aber nicht Verrichtungsgehilfe der Beklagten gewesen.
- 15
- Die Beklagte hafte dem Kläger auch nicht gemäß §§ 826, 830 BGB. Für eine sittenwidrige Schädigung durch Gebührenschinderei sei der Kläger beweisfällig geblieben. Eine Teilnahme der Beklagten an der sittenwidrigen Schädigung durch W. könne nur objektiv, aber nicht subjektiv festgestellt werden. Objektiv habe die Beklagte einen Tatbeitrag geleistet, indem sie für den Kläger das Transaktionskonto geführt, die Börsentermingeschäfte ausgeführt und die Beteiligung des W. an der Round-Turn-Kommission sowie die Gewinnbeteiligung an W. abgeführt habe.
- 16
- Es sei aber nicht ersichtlich, dass die Beklagte Kenntnis von der sittenwidrigen Schädigung des Klägers durch eine unzureichende Aufklärung seitens des W. gehabt oder eine solche billigend in Kauf genommen habe. Die mangelhafte Risikoaufklärung durch W. habe sich der Beklagten weder aufgrund der gegenüber dem Kläger offen gelegten Beteiligung des W. an der Round-TurnKommission noch aufgrund der Höhe der Gebühren aufdrängen müssen. Die Beklagte habe sich vielmehr darauf verlassen dürfen, dass ein von den Aufsichtsbehörden genehmigtes und überwachtes Finanzdienstleistungsunternehmen wie W. die nach nationalem Recht bestehenden Aufklärungspflichten gegenüber seinen Kunden erfülle. Zu einer diesbezüglichen Überprüfung sei die Beklagte mangels konkreter Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten nicht verpflichtet gewesen.
II.
- 17
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
- 18
- 1. Das Berufungsgericht ist jedenfalls im Ergebnis zu Recht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Es hat die - auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende (vgl. BGHZ 153, 82, 84 ff.; 182, 24, Tz. 9; Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 17, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; BGH, Urteil vom 23. März 2010 - VI ZR 57/09, WM 2010, 928, Tz. 8, jeweils m.w.N.) - internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG Nr. L 12 vom 16. Januar 2001, S. 1 bis 23, berichtigt in ABl. EG Nr. L 307 vom 24. November 2001, S. 28; im Folgenden: EuGVVO) zu Recht bejaht.
- 19
- a) Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die, wie die Beklagte, ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Ist der Ort, an dem das für die Begründung einer Schadensersatzpflicht in Betracht kommende Ereignis stattgefunden hat, nicht mit dem Ort identisch, an dem durch dieses Ereignis ein Schaden entstanden ist, kann der Beklagte nach Wahl des Klägers sowohl an dem Ort, an dem der Schaden eingetreten ist (Erfolgsort), als auch an dem Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort) verklagt werden (vgl. EuGH, Urteile vom 30. November 1976 - Rs. 21/76, Slg. 1976, 1735, Tz. 24 f. - Mines de Potasse d'Alsace, vom 7. März 1995 - Rs. C-68/93, Slg. 1995, I-415, Tz. 20 - Shevill, vom 19. September 1995 - Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719, Tz. 11 - Marinari, vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 16 - Kronhofer und vom 16. Juli 2009 - Rs. C-189/08, RIW 2009, 719, Tz. 23 - Zuid-Chemie BV). Die Zuständigkeit hängt nicht davon ab, dass tatsächlich eine unerlaubte Handlung begangen wurde; die schlüssige Behauptung der erforderlichen Tatsachen durch den Kläger reicht aus. Die Feststellung dieser Tatsachen ist erst zur Begründetheit der Klage erforderlich (vgl. BGHZ 167, 91, Tz. 21; BGH, Urteile vom 6. November 2007 - VI ZR 34/07, WM 2008, 479, Tz. 14 und vom 23. März 2010 - VI ZR 57/09, WM 2010, 928, Tz. 8, jeweils m.w.N.).
- 20
- aa) Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Kläger eine Schadenshaftung aus unerlaubter Handlung im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO geltend macht.
- 21
- Der verordnungsautonom auszulegende Begriff der unerlaubten Handlung umfasst alle Klagen, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVVO anknüpft. Der Begriff des "Vertrags" wiederum bezieht sich auf freiwillig gegenüber einer anderen Person eingegangene Verpflichtungen (EuGH, Urteile vom 17. September 2002 - Rs. C-334/00, Slg. 2002, I-7357, Tz. 23 - Tacconi und vom 20. Januar 2005 - Rs. C-27/02, Slg. 2005, I-481, Tz. 50 f. - Engler, jeweils m.w.N.).
- 22
- Gemessen hieran bildet eine unerlaubte Handlung den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Der Kläger verlangt Ersatz eines Vermögensschadens , den ihm W. durch die Vermittlung von vornherein chancenloser Börsentermingeschäfte vorsätzlich und unter vorsätzlicher Beteiligung der Beklagten zugefügt haben soll (vgl. Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 19, 24 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Damit knüpft die Klage nicht entscheidend an die zwischen den Parteien geschlossene Handelsvereinbarung an. Die geltend gemachte Teilnehmerhaftung der Beklagten ist nicht Ausdruck von Schwierigkeiten, die bei der Erfüllung einer aus der Handelsvereinbarung folgenden Verpflichtung auftreten können (vgl. hierzu Generalanwalt Darmon, Schlussanträge vom 15. Juni 1988 in der Rs. 189/87, Slg. 1988, 5565, 5573, Tz. 30 - Kalfelis). Die maßgeblichen Umstände für die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte sich an einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des W. in haftungsrelevanter Weise vorsätzlich beteiligt hat, stehen vielmehr im Zusammenhang mit dem tatsächlichen Verhalten der Beklagten und des W., ihrer Geschäftsbeziehung und dem zwischen ihnen geschlossenen Abkommen, an dem der Kläger nicht beteiligt war.
- 23
- bb) Bei der Auslegung des somit anwendbaren Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist dessen Regelungszweck zu berücksichtigen. Die Vorschrift trägt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden : EuGH) zu der nahezu gleichlautenden Vorgängerregelung des Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl. 1972 II, S. 773, 774 ff.; im Folgenden: EuGVÜ) dem Umstand Rechnung, dass zwischen Streitigkeiten über unerlaubte Handlungen und den nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zuständigen Gerichten eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und sachgerechten Prozessgestaltung eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt (vgl. EuGH, Urteile vom 30. November 1976 - Rs. 21/76, Slg. 1976, 1735, Tz. 8 ff. - Mines de Potasse d'Alsace, vom 11. Januar 1990 - Rs. C-220/88, Slg. 1990, I-49, Tz. 17 - Dumez France und Tracoba, vom 7. März 1995 - Rs. C-68/93, Slg. 1995, I-415, Tz. 19 - Shevill, vom 19. September 1995 - Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719, Tz. 10 - Marinari und vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 15 - Kronhofer). Dieser Erwägung, die auch für die Auslegung der EuGVVO maßgeblich ist (vgl. 19. Erwägungsgrund zur EuGVVO; EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - Rs. C-189/08, RIW 2009, 719, Tz. 18 f. - Zuid-Chemie BV), liegt die Annahme zugrunde, dass das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, insbesondere wegen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme in der Regel am besten in der Lage ist, den Rechtsstreit zu entscheiden (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009 - Rs. C-189/08, RIW 2009, 719, Tz. 24 - Zuid-Chemie BV).
- 24
- Art. 5 Nr. 3 EuGVVO hat im Rahmen des Zuständigkeitssystems der EuGVVO Ausnahmecharakter und ist grundsätzlich eng auszulegen. Die EuGVVO baut auf einer durch Art. 2 Abs. 1 begründeten allgemeinen Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates auf, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, und schließt in Art. 3 Abs. 2 die Anwendung nationaler Bestim- mungen aus, die Gerichtsstände am Wohnsitz des Klägers gegenüber Beklagten begründen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates haben (vgl. EuGH, Urteile vom 11. Januar 1990 - Rs. C-220/88, Slg. 1990, I-49, Tz. 16 - Dumez France und Tracoba und vom 19. September 1995 - Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719, Tz. 13 - Marinari). Besonderen Zuständigkeitsregelungen wie Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist daher eine enge Auslegung zu geben, die nicht über die ausdrücklich in der Verordnung vorgesehenen Fälle hinausgeht (EuGH, Urteile vom 27. September 1988 - Rs. 189/87, Slg. 1988, 5565, Tz. 19 - Kalfelis, vom 11. Januar 1990 - Rs. C-220/88, Slg. 1990, I-49, Tz. 19 - Dumez France und Tracoba und vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 14 - Kronhofer) und insbesondere nicht zur Erstreckung der dem Kläger eröffneten Wahlmöglichkeiten über die sie rechtfertigenden besonderen Umstände hinaus führen darf. Andernfalls würde der in Art. 2 Abs. 1 EuGVVO aufgestellte allgemeine Grundsatz der Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, unterlaufen und im Ergebnis über die ausdrücklich vorgesehenen Fälle hinaus die Zuständigkeit der Gerichte am Klägerwohnsitz anerkannt, der die Verordnung außer in den von ihr ausdrücklich vorgesehenen Fällen ablehnend gegenübersteht (vgl. EuGH, Urteile vom 19. September 1995 - Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719, Tz. 13 - Marinari und vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 14 ff. - Kronhofer). Insbesondere darf die Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO nicht zu einer Zuständigkeit führen, die von ungewissen Umständen abhängt und damit einem der Ziele der Verordnung zuwiderliefe, nämlich den Rechtsschutz der in der Gemeinschaft ansässigen Personen dadurch zu stärken , dass ein Kläger ohne Schwierigkeiten festzustellen vermag, welches Gericht er anrufen kann, und dass für einen verständigen Beklagten erkennbar ist, vor welchem Gericht er verklagt werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 20 - Kronhofer, m.w.N.).
- 25
- b) Ob nach diesen Maßstäben der Auffassung des Berufungsgerichts gefolgt werden kann, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte könne auf den Handlungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVVO gestützt werden, bedarf keiner Entscheidung.
- 26
- Das Berufungsgericht hat die schädigende Tätigkeit des W. in Deutschland , zu der die Beklagte vorsätzlich Beihilfe geleistet haben soll, der Beklagten zuständigkeitsrechtlich zugerechnet und so die ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats zu § 32 ZPO (vgl. Senatsurteile vom 6. Februar 1990 - XI ZR 184/88, WM 1990, 462, 463, vom 22. November 1994 - XI ZR 45/91, WM 1995, 100, 102 und vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 19, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) auf Art. 5 Nr. 3 EuGVVO übertragen.
- 27
- Die Frage, ob im Rahmen des Deliktsgerichtsstandes des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO bei einer grenzüberschreitenden Beteiligung mehrerer an einer unerlaubten Handlung für die Bestimmung des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, eine wechselseitige Handlungsortzurechnung zulässig ist, ist umstritten (bejahend: Mankowski in Magnus/Mankowski, Brussels I Regulation , Art. 5 Rn. 221; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 22; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht , 3. Aufl., A. 1 Art. 5 Rn. 250; Musielak/Stadler, ZPO, 7. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 25; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 31. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 20; verneinend: LG Mönchengladbach, Urteil vom 5. Februar 2009 - 10 O 422/07, S. 6 ff.; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 20a; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Brüssel I-VO Art. 5 Rn. 88c; zweifelnd auch: MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl., EuGVO Art. 5 Rn. 62, Wagner/Gess, NJW 2009, 3481, 3484 f.; zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ: Weller, IPRax 2000, 202, 205 ff.). Diese Frage kann offen bleiben.
- 28
- c) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist nämlich jedenfalls deshalb gegeben, weil der Erfolgsort in Deutschland liegt. Nach dem schlüssigen Vortrag des Klägers ist der Vermögensschaden , den er mit der Klage ersetzt verlangt, an dem Guthaben auf seinem bei einem Kreditinstitut in Deutschland geführten Girokonto eingetreten, von dem er infolge der mit Beihilfe der Beklagten verübten vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des W. das angelegte Kapital an die Beklagte überwiesen hat.
- 29
- aa) Der Begriff des Erfolgsortes im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO wird aufgrund des Ausnahmecharakters der Vorschrift in der Rechtsprechung des EuGH restriktiv ausgelegt (vgl. EuGH, Urteile vom 11. Januar 1990 - Rs. C-220/88, Slg. 1990, I-49, Tz. 17 - Dumez France und Tracoba und vom 19. September 1995 - Rs. C-364/93, Slg. 1995, I-2719, Tz. 21 - Marinari). Der Wohnsitz eines Klägers als sein Vermögensmittelpunkt kann nach einer Entscheidung des EuGH zu Gerichtsständen bei Kapitalanlagedelikten (Urteil vom 10. Juni 2004 - Rs. C-168/02, Slg. 2004, I-6009, Tz. 21 - Kronhofer) nicht bereits deshalb als Erfolgsort angesehen werden, weil dem Kläger durch den Verlust von Vermögensbestandteilen in einem anderen Mitgliedstaat ein finanzieller Schaden entstanden ist. Diesem Urteil lag allerdings ein wesentlich anderer Sachverhalt als im vorliegenden Fall zugrunde, weil die unerlaubte Handlung erst nach Überweisung des Anlagekapitals von einem Konto am Wohnsitz des Anlegers auf ein im Ausland geführtes Konto verübt wurde (vgl. OGH, Beschluss vom 9. April 2002 - 4 Ob 40/02i; Junker, ZZPInt 9 [2004], 200, 204 f.). Der Entscheidung des EuGH ist zu entnehmen, dass unter anderen Umständen der Erfolgsort durchaus im Wohnsitzstaat des Klägers gelegen sein kann (vgl. von Hein, IPRax 2005, 17, 21; Musielak/Stadler, ZPO, 7. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 24; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Brüssel I-VO Art. 5 Rn. 86b; ferner Blobel, EuLF 2004, 187, 190 f.; Huber, IPRax 2009, 134, 136 f.).
- 30
- Dies ist hier der Fall. Der Kläger hat seinem Vortrag zufolge das Anlagekapital erst als Folge einer unerlaubten Handlung von seinem in Deutschland geführten Girokonto an die Beklagte überwiesen, so dass die durch die unerlaubte Handlung verursachte Minderung des Kontoguthabens den für die Bestimmung des Erfolgsortes maßgeblichen Schaden darstellt. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe sich bedingt vorsätzlich zumindest als Gehilfin an einem Geschäftsmodell des W. beteiligt, das darauf angelegt gewesen sei, zur ausschließlich dem eigenen Vorteil dienenden hohen Gewinnerzielung möglichst viele Geschäfte zu vermitteln, die für den Anleger aufgrund der Gebührenhöhe und -struktur von vornherein chancenlos seien. Bei einem solchen Geschäftsmodell, das von vornherein bewusst darauf abzielt, uninformierte , leichtgläubige Menschen unter sittenwidriger Ausnutzung ihres Gewinnstrebens und ihres Leichtsinns als Geschäftspartner zu gewinnen und sich auf deren Kosten zu bereichern (vgl. Senatsurteile vom 2. Februar 1999 - XI ZR 381/97, WM 1999, 540, 541, vom 22. November 2005 - XI ZR 76/05, WM 2006, 84, 87 und vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 26, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen), und das auf Seiten des Anlegers einen Kenntnisrückstand voraussetzt, ohne den ein vernünftig denkender Anleger sich auf die Geldanlage nicht eingelassen hätte, erweist sich bereits die durch den Anleger veranlasste Überweisung des Anlagekapitals als Deliktserfolg, so dass gerichtsstandsbegründender Erfolgsort im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO der Ort der Minderung des Kontoguthabens ist (vgl. Junker, ZZPInt 9 [2004], 200, 205 f.; Mankowski in Magnus/Mankowski, Brussels I Regulation, Art. 5 Rn. 239 f.; ders., RIW 2005, 561, 562; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht , 2. Aufl., Brüssel I-VO Art. 5 Rn. 86b; Musielak/Stadler, ZPO, 7. Aufl., EuGVVO Art. 5 Rn. 24).
- 31
- bb) Diese Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO entspricht dem Zuständigkeitssystem der EuGVVO und dem Ausnahmecharakter des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Sie führt zwar bei Kapitalanlagedelikten der vorliegenden Art in Abweichung von der Grundregel des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO regelmäßig zu einem Gerichtsstand im Wohnsitzstaat des Anlegers. Dies ist aber aufgrund der - hier unterstellten - unerlaubten Handlung der Beklagten, die unmittelbar einen Schaden des im Wohnsitzstaat des Klägers belegenen Vermögens verursacht hat, gerechtfertigt. Das gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zuständige Gericht hat in Fällen der vorliegenden Art die erforderliche Nähe zum Streitgegenstand, die für eine geordnete Rechtspflege und sachgerechte Prozessgestaltung erforderlich ist. Dies gilt insbesondere für den Gesichtspunkt der Beweisnähe. Soll etwa über den Inhalt von Gesprächen zwischen Vermittler und Anleger oder über Ausmaß und Höhe des Schadens Beweis erhoben werden, dürften nicht selten Zeugen benannt werden, die bei den Gesprächen zwischen Anlagevermittler und Anleger in dessen Wohnsitzstaat zugegen waren (vgl. von Hein, IPRax 2005, 17, 21; Kiethe, NJW 1994, 222, 226; Mankowski, RIW 2005, 561, 562).
- 32
- Auch der Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit des zuständigen Gerichts erfordert keine andere Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Für ein Brokerunternehmen , das, wie die Beklagte, mit Vermittlern in anderen Mitgliedstaaten zusammenarbeitet und sich durch die Ausrichtung seiner gewerblichen Tätigkeit auf diese Staaten ausländische Märkte erschließt, ist vorhersehbar, dass auf diese Weise geworbene Anleger durch Überweisung von Anlagegeldern gegebenenfalls selbstschädigende Vermögensverfügungen in ihren Heimatstaaten treffen (vgl. von Hein, IPRax 2005, 17, 21; Mankowski in Magnus/Mankowski, Brussels I Regulation, Art. 5 Rn. 239; Muir Watt, Rev.crit.dr.i.pr. 94 [2005], 330, Rn. 10).
- 33
- cc) Eine Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung über die Auslegung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist nicht erforderlich. Die richtige Auslegung der Verordnung ist aus den dargelegten Gründen derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. BGHZ 153, 82, 92 f.; Senatsurteil vom 23. Februar 2010 - XI ZR 186/09, WM 2010, 647, Tz. 35, jeweils m.w.N.). Dass die Entscheidung, ob finanzielle Verluste eines Anlegers in seinem Heimatstaat eingetreten sind, auch im Rahmen von Art. 5 Nr. 3 EuGVVO den nationalen Gerichten obliegt, ist in der Rechtsprechung des EuGH anerkannt (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Februar 2004 - Rs. C-18/02, Slg. 2004, I-1417, Tz. 43 - DFDS Torline).
- 34
- 2. Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen hat.
- 35
- a) Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Berufungsgericht seiner Beurteilung deutsches Deliktsrecht zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 29 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
- 37
- c) Hingegen hält die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen Beihilfe zu einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch W. gemäß §§ 826, 830 BGB verneint hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung in der unzureichenden Risikoaufklärung des Klägers durch W. gesehen und den Gehilfenvorsatz der Beklagten verneint, weil die mangelhafte Aufklärung der Beklagten nicht bekannt gewesen sei und sich ihr auch nicht habe aufdrängen müssen. Dies ist rechtsfeh- lerhaft, weil es, wie der Senat in seinem nach Erlass der Berufungsentscheidung ergangenen Urteil vom 9. März 2010 (XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 26 f.; zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) entschieden hat, auf die unzureichende Risikoaufklärung nicht entscheidend ankommt. Denn neben der - hier nicht maßgeblichen - Haftung aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen haftet der Vermittler auch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB, wenn sein Geschäftsmodell darauf angelegt ist, für den Anleger chancenlose Geschäfte zum ausschließlich eigenen Vorteil zu vermitteln. Einem solchen Vermittler geht es allein darum, hohe Gewinne zu erzielen, indem er möglichst viele Geschäfte realisiert, die für den Anleger aufgrund überhöhter Gebühren und Aufschläge chancenlos sind. Sein Geschäftsmodell zielt damit von vornherein ganz bewusst darauf ab, uninformierte, leichtgläubige Menschen unter sittenwidriger Ausnutzung ihres Gewinnstrebens und ihres Leichtsinns als Geschäftspartner zu gewinnen und sich auf deren Kosten zu bereichern.
- 38
- Auf eine solche Haupttat müssen sich die objektiven und subjektiven Merkmale einer nach § 830 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB haftungsrelevanten Teilnahmehandlung beziehen (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 33 ff.). Dies hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft verkannt.
III.
- 39
- Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
- 41
- a) Nach der für das Verjährungsrecht geltenden Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB finden hier die seit dem 1. Januar 2002 geltenden Verjährungsvorschriften Anwendung. Ein etwaiger deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch des Klägers im Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell , das dem zwischen dem Kläger und W. zustande gekommenen Geschäftsbesorgungsvertrag zugrunde liegt, war an diesem Stichtag noch nicht verjährt. Er unterlag ursprünglich der dreijährigen Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 Alt. 1 BGB aF, die nach Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages im Jahre 2000 am 1. Januar 2002 noch nicht abgelaufen war. Daher treten an die Stelle des § 852 Abs. 1 Alt. 1 BGB aF gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB die seit dem 1. Januar 2002 geltenden Verjährungsvorschriften der §§ 195, 199 BGB nF (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214, Tz. 9). Für die Berechnung der Verjährungsfrist, zu der auch der Beginn des Laufs der Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gehört (Senat BGHZ 171, 1, Tz. 19 ff.; Senatsurteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346, Tz. 23), ist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 BGB das neue Verjährungsrecht maßgeblich, da in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nF mit der Gleichstellung von Kenntnis und grob fahrlässiger Unkenntnis ein zusätzlicher, über die Regelungen des § 852 BGB aF hinausgehender, verjährungsverkürzender Anwendungsfall eröffnet ist (BGH, Urteil vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214, Tz. 10). Auch an die Stelle der kenntnisunabhängigen dreißigjährigen Verjährungsfrist von der Begehung der Handlung an (§ 852 Abs. 1 Alt. 2 BGB aF) ist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 BGB die kürzere neue Regelverjährung getreten.
- 42
- b) Die Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB nF war bei Klageerhebung im Jahr 2006 noch nicht abgelaufen, so dass diese zur Hemmung der Verjährung geführt hat (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Nach §§ 195, 199 BGB nF beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre beginnend vom Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsteller Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen sowie der Person des Schuldners hat oder diese Kenntnis infolge grober Fahrlässigkeit nicht hat.
- 43
- aa) Die erforderliche Kenntnis liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich ist. Weder ist es notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es, abgesehen von Ausnahmefällen , nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2007 - V ZR 25/07, WM 2008, 89, Tz. 15; Senatsurteile vom 27. Mai 2008 - XI ZR 132/07, WM 2008, 1260, Tz. 32 und vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346, Tz. 27, jeweils m.w.N.).
- 44
- Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2004 - II ZR 17/03, WM 2005, 382, 384; Senatsurteil vom 23. September 2008 - XI ZR 253/07, WM 2008, 2158, Tz. 34, jeweils m.w.N.).
- 45
- bb) Nach diesen Grundsätzen hatte der Kläger vor dem 1. Januar 2003 weder positive Kenntnis von einer Beteiligung der Beklagten am sittenwidrigen Geschäftsmodell von W., noch beruhte seine Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit.
- 46
- Geht es, wie hier, um die Frage einer deliktischen Haftung eines Brokers wegen bedingt vorsätzlicher Teilnahme an einem sittenwidrigen Geschäftsmodell , kann von einer Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Anlegers nur ausgegangen werden, wenn ihm sowohl die Umstände, die in Bezug auf dieses Geschäftsmodell einen Ersatzanspruch begründen, als auch die Umstände , aus denen sich ergibt, dass auch der das Transaktionskonto führende und die einzelnen Aufträge des Anlegers ausführende Broker als möglicher Haftender in Betracht kommt, bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sind.
- 47
- Beides war hier vor dem 1. Januar 2003 nicht der Fall. Dem Kläger waren mit der bloßen Kenntnis davon, dass im Jahr 2000 überwiegend Verluste realisiert wurden, noch keine Umstände bekannt, die auf die Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells von W. schließen ließen oder zu weiteren Nachforschungen oder der Einholung von Rechtsrat Anlass gaben. Die Verluste konnten aus Sicht des Klägers auch auf den Marktgegebenheiten beruhen. Ferner waren dem Kläger keine Umstände bekannt, die die Beklagte als mögliche deliktisch Haftende in Frage kommen ließen. Da die Beklagte nicht Vertragspartnerin des Geschäftsbesorgungsvertrages war und gegenüber dem Kläger nur als kontoführendes Institut auftrat, konnten die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB allenfalls vorliegen, wenn dem Kläger zusätzlich zu der - hier nicht vorhandenen - Kenntnis von Umständen, die den Schluss auf die Chancenlosigkeit der von W. vermittelten Geschäfte zuließen, Umstände bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen wären, aus denen sich ergab, dass die Beklagte sich bedingt vorsätzlich an dem von W. praktizierten Geschäftsmodell beteiligte. Dafür ist nichts ersichtlich. Die maßgeblichen Umstände für die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte sich an einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des W. gemäß § 826 BGB in haftungsrelevanter Weise vorsätzlich im Sinne von § 830 BGB beteiligt hat, stehen im Zusammenhang mit der Begründung der Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und W. und ergeben sich unter anderem aus dem Abkommen vom 12. Oktober 1998. Dass der Kläger hiervon vor dem 1. Januar 2003 Kenntnis erlangt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht erlangt hat, ist weder festgestellt noch dem Parteivortrag zu entnehmen.
- 49
- Eine Verwirkung als Unterfall der wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung kommt in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage war, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. BGHZ 84, 280, 281; 105, 290, 298, jeweils m.w.N.).
- 50
- Davon ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Dabei kann dahinstehen , ob der zwischen Auszahlung des Restbetrages und Klageerhebung lie- gende Zeitraum von etwa fünf Jahren und acht Monaten als solcher die Annahme des für die Verwirkung erforderlichen Zeitmomentes bereits vor Ablauf der dreijährigen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB überhaupt rechtfertigt (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 242 Rn. 97 m.w.N.). Jedenfalls ist weder ersichtlich noch dem Parteivortrag zu entnehmen, dass der Kläger bei der Beklagten in zurechenbarer Weise einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, aufgrund dessen die Beklagte sich berechtigterweise darauf einrichten durfte , der Kläger werde ihr gegenüber seine Rechte nicht mehr geltend machen. Der in diesem Zusammenhang stehende Hinweis der Beklagten auf die nach britischem Aufsichtsrecht für sie maßgebliche und zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits abgelaufene dreijährige Aufbewahrungsfrist für Kundenunterlagen greift nicht durch. Die Beklagte konnte bei dem Kläger, einem ausländischen Privatanleger, keine Kenntnis von den Bestimmungen des britischen Aufsichtsrechts voraussetzen.
IV.
- 51
- Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
- 52
- Das Berufungsgericht wird unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 38 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) und insoweit gegebenenfalls ergänzendem Vortrag der Parteien Feststellungen zu einer Teilnahme der Beklagten an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des Klägers durch W. gemäß §§ 826, 830 BGB zu treffen haben.
- 53
- Festzustellen ist zunächst, ob das Geschäftsmodell des W., namentlich aufgrund der Gebührenstruktur, in der dargelegten Weise darauf angelegt war, den Anlegern chancenlose Geschäfte zum ausschließlich eigenen Vorteil zu vermitteln. Falls dies zutrifft, kommen als objektive Beihilfehandlungen der Beklagten die Eröffnung des Transaktionskontos für den Kläger, die Ausführung der erteilten Einzelaufträge und die Abführung von Provisionen und Gebühren an W. in Betracht. Für die Beurteilung, ob die Beklagte mit Gehilfenvorsatz handelte, sind Feststellungen dazu erforderlich, ob die Beklagte das Geschäftsmodell des W., namentlich die Gebührenstruktur, gekannt hat. Sollte das nicht der Fall sein, stünde dies einem bedingten Vorsatz nicht entgegen. In diesem Fall sind Feststellungen dazu erforderlich, ob die Beklagte mit der Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells rechnete, weil sie Kenntnis vom maßgeblichen deutschen Recht, insbesondere von der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, sowie von den zahlreichen zurückliegenden Missbrauchsfällen hatte (vgl. Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 42, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Dabei sind auch die von der Beklagten gegenüber dem Kläger verwandten Vertragsformulare, die den Vermerk "German Private September 1995/Reviewed January 1999" tragen, zu berücksichtigen. Von Bedeutung ist ferner, ob die Beklagte das Geschäftsmodell des W. auf seine Unbedenklichkeit geprüft oder ob sie W. zu erkennen gegeben hat, keine Kontrolle seines Geschäftsgebarens gegenüber Kunden auszuüben , sondern ihn nach Belieben schalten und walten zu lassen. Die W. erteilte aufsichtsrechtliche Erlaubnis entlastet die Beklagte gegebenenfalls nicht (Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 43 bis 46). Bei der von der Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrüge in dem in der Revisionsverhandlung überreichten Schriftsatz vom 12. Juli 2010 handelt es sich in Wirklichkeit um in der Revisionsinstanz gemäß § 559 Abs. 1 ZPO unzulässigen neuen Sachvortrag.
- 54
- Auch die Rechtsprechung des erkennenden Senats zu Aufklärungspflichten bei gestaffelter Einschaltung mehrerer Wertpapierdienstleistungsunternehmen (BGHZ 147, 343, 353) steht der Annahme eines Teilnehmervorsatzes nicht entgegen, weil es vorliegend um die mögliche Haftung der Beklagten wegen einer bedingt vorsätzlichen Beteiligung an einem sittenwidrigen Geschäftsmodell eines Terminoptionsvermittlers und nicht wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten geht (vgl. Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 26 f., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Zudem kann bei vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen und hierzu vorsätzlich geleisteter Beihilfe, d.h. bei kollusivem Zusammenwirken der beteiligten Wertpapierdienstleistungsunternehmen , ohnehin kein Unternehmen auf eine ausreichende Aufklärung des Anlegers durch das andere Unternehmen vertrauen.
LG Kleve, Entscheidung vom 26.01.2007 - 4 O 141/06 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 23.01.2008 - I-15 U 18/07 -
Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.
(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.
(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.
(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von
- 1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn - a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und - b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
- 2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in - a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder - b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.
(1) Der Betroffene kann gegen den Bußgeldbescheid innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat, Einspruch einlegen. Die §§ 297 bis 300 und 302 der Strafprozeßordnung über Rechtsmittel gelten entsprechend.
(2) Der Einspruch kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden.
(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.
(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.
(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.
(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von
- 1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn - a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und - b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
- 2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in - a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder - b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.
(1) Die Verjährung wird gehemmt durch
- 1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils, - 1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage, - 2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, - 3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1), - 4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer - a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder - b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
- 5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess, - 6.
die Zustellung der Streitverkündung, - 6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird, - 7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, - 8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens, - 9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird, - 10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren, - 10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist, - 11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, - 12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt, - 13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und - 14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.
(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.
(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin, ein deutsches Speditionsunternehmen, nimmt den in Italien ansässigen Beklagten wegen Verlustes von Transportgut aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch.
- 2
- Die Kraftverkehr N. S.A.R.L., eine Tochtergesellschaft der Klägerin (im Weiteren: N. ), beauftragte den Beklagten am 11. November 2005 mit dem Transport einer Partie Schokolade von Reichenbach/Deutschland nach San Nicola La Strada/Italien. Ein Fahrer des Beklagten übernahm das auf 34 Paletten gepackte Gut mit einem Nettogewicht von 14.074 kg am 14. November 2005 in Reichenbach, wo die Klägerin für die A. R. GmbH & Co. KG (im Weiteren: Versenderin) ein Lager unterhielt, zur Beförderung nach Italien. Er erreichte am 15. November 2005 gegen 17.00 Uhr die nördlich von Neapel gelegene Autobahnraststätte "Teano Ovest", auf der er den beladenen Lkw abstellte, um eine Ruhepause einzulegen. In der Nacht zum 16. November 2005 wurde der Fahrer von drei Männern auf der Raststätte überfallen, die das Gut raubten. Die Versenderin stellte der Klägerin für die abhandengekommene Ware am 5. April 2006 60.767,52 € in Rechnung.
- 3
- Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte hafte für den Verlust des Gutes gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR, da die Voraussetzungen für einen Haftungsausschluss nach Art. 17 Abs. 2 CMR nicht vorlägen. Darüber hinaus schulde der Beklagte ihr den Ersatz der durch die außergerichtliche Rechtsverfolgung angefallenen Kosten, weil er sich mit der Erfüllung ihrer berechtigten Schadensersatzforderung in Verzug befunden habe.
- 4
- Die Klägerin hat den Beklagten wegen des streitgegenständlichen Verlusts zunächst aus abgetretenem Recht der N. auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Nach Einreichung, aber vor Zustellung der Klage an den Beklagten hat sie den geltend gemachten Schadensersatzanspruch an die N. zurückabgetreten. Diese hat die Klageforderung nach Zustellung der Klage gegen Ansprüche aufgerechnet, die dem Beklagten unstreitig gegen sie zustanden. Die Klägerin hat daraufhin die Feststellung begehrt, dass der Rechtsstreit mit Ausnahme der verlangten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in der Hauptsache erledigt sei. Im Berufungsverfahren ist die Klägerin zu ihrem ursprünglichen Zahlungsantrag zurückgekehrt, weil die N. - so der Vortrag der Klägerin - mit Vereinbarung vom 23. August 2007 erneut sämtliche Schadensersatzansprüche aus dem Transport vom 14. November 2005 gegen den Beklagten an sie abgetreten habe und die von der N. erklärte Aufrechnung mangels Zustimmung des Beklagten nicht wirksam geworden sei.
- 5
- Die Klägerin hat zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 60.767,52 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.479,90 € zu zahlen, hilfsweise für den Fall, dass
a) der Beklagte der Aufrechnung vom 31. Oktober 2006 zustimmt sowie
b) das Berufungsgericht die Umstellung auf den ursprünglichen Klagantrag als unzulässig ansehen sollte, 1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.479,90 € zu zahlen, 2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.793,62 € zu zahlen, 3. festzustellen, dass der Rechtsstreit sich in Höhe des Betrages von 60.767,52 € durch Aufrechnung der Firma N. S.A.R.L. vom 31. Oktober 2006 in der Hauptsache erledigt hat.
- 6
- Der Beklagte hat sich insbesondere darauf berufen, dass seine Haftung gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR ausgeschlossen sei. Der Platz, auf dem der Lkw gestanden habe, sei beleuchtet gewesen und mit einer Kamera überwacht worden. Der Fahrer, der sich beim Überfall im Fahrzeug befunden habe, habe sich gegen drei Täter nicht erfolgreich zur Wehr setzen können. Darüber hinaus hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
- 7
- Das Berufungsgericht hat der vom Landgericht für unbegründet erachteten Klage nach Abzug von 2.000 € für Transportkosten in Höhe von 60.247,42 € nebst Zinsen stattgegeben.
- 8
- Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Klägerin hat Anschlussrevision eingelegt, mit der sie den abgewiesenen Teil der Klage weiterverfolgt. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
- 9
- A. Das Berufungsgericht hat der Klägerin unter Abweisung der weitergehenden Klage aus Art. 17 Abs. 1, Art. 23 CMR eine Schadensersatzforderung in Höhe von 58.767,52 € sowie einen Anspruch auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.479,90 € zuerkannt und hierzu ausgeführt:
- 10
- Der Übergang von der Feststellungsklage zur ursprünglichen Leistungsklage sei gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig. Einer Zustimmung des Beklagten habe es nicht bedurft.
- 11
- Die Klägerin sei aktivlegitimiert, weil N. die geltend gemachte Schadensersatzforderung am 23. August 2007 wirksam an sie abgetreten habe. Die von N. zuvor am 31. Oktober 2006 erklärte Aufrechnung habe nicht das Erlöschen des Schadensersatzanspruchs aus dem Transport vom 14. November 2005 bewirkt.
- 12
- Der Klägerin stehe gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht der N. gemäß Art. 17 Abs. 1, Art. 23 CMR ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 60.767,52 € zu, weil das Transportgut während der Obhutszeit des Beklagten abhanden gekommen sei. Der Umfang des durch den Verlust entstandenen Schadens ergebe sich aus dem Frachtbrief, den Lieferscheinen und den von der Versenderin an die Empfängerin und die Klägerin gerichteten Rechnungen. Von der geltend gemachten Schadensersatzforderung seien allerdings Frachtkosten in Höhe von 2.000 € abzuziehen, weil eine Lieferung "frei Haus" vereinbart gewesen sei. Die geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 1.479,90 € habe der Beklagte wegen Verzuges mit der Erfüllung des Schadensersatzanspruchs der Klägerin zu tragen.
- 13
- Der Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf einen Haftungsausschluss nach Art. 17 Abs. 2 CMR berufen. Dies gelte auch dann, wenn unterstellt werde , dass der Parkplatz, auf dem der beladene Lkw gestanden habe, gut beleuchtet und kameraüberwacht gewesen sei. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin sei auch nicht gemäß Art. 32 Abs. 1 CMR verjährt, da die am 16. Dezember 2006 (richtig: 2005) begonnene Verjährung durch Erhebung der Klage am 31. Oktober 2006 gehemmt worden sei.
- 14
- B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision und der Anschlussrevision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 15
- I. Zur Revision des Beklagten
- 16
- 1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urt. v. 30.10.2008 - I ZR 12/06, TranspR 2009, 130 Tz. 13 = VersR 2009, 1141 m.w.N.), folgt jedenfalls aus § 39 Satz 1 ZPO, weil der Beklagte zur Sache verhandelt hat, ohne das Fehlen der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu rügen (vgl. BGHZ 120, 334, 337; 134, 127, 132 ff.).
- 17
- 2. Die Schadensersatzpflicht des Beklagten für den Verlust des Transportgutes ergibt sich - wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist - dem Grunde nach aus Art. 17 Abs. 1 CMR. Nach dieser Vorschrift hat der Frachtführer den Schaden zu ersetzen, der durch Verlust des Gutes entsteht, wenn das Schadensereignis zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Der Fahrer des Beklagten hat das abhandengekommene Gut unstreitig in der Niederlassung der Klägerin in Reichenbach/Deutschland übernommen. Eine Ablieferung bei der bestimmungsgemäßen Empfängerin in San Nicola La Strada/Italien ist nicht erfolgt, so dass von einem Verlust während des Obhutszeitraums des Beklagten auszugehen ist.
- 18
- 3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts , der Beklagte sei nicht gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR von seiner Haftung für den streitgegenständlichen Schaden befreit, da der Raubüberfall - und damit der Verlust des Transportgutes - für ihn nicht unabwendbar im Sinne der genannten Vorschrift gewesen sei.
- 19
- a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Unvermeidbarkeit i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR nur anzunehmen ist, wenn der Frachtführer darlegt und gegebenenfalls beweist, dass der Schaden auch bei Anwendung der äußersten dem Frachtführer möglichen und zumutbaren Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können (BGH, Urt. v. 13.11.1997 - I ZR 157/95, TranspR 1998, 250 = VersR 1998, 872; Urt. v. 8.10.1998 - I ZR 164/96, TranspR 1999, 59, 61 = VersR 1999, 469). Diesen Nachweis hat der Beklagte, der nach Art. 3 CMR für das Verhalten seines Fahrers einzustehen hat, nicht erbracht.
- 20
- b) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe den Verlust des Gutes mit zumindest leichter Fahrlässigkeit verursacht. Bei Italien handele es sich um ein diebstahls- und raubgefährdetes Land für Lkw-Transporte, so dass Veranlassung zu erhöhter Sorgfalt bestanden habe. Dem habe der Beklagte bzw. sein Fahrer nicht genügt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Überfall vermieden worden wäre, wenn der Beklagte und sein Fahrer weitere Sicherheitsvorkehrungen getroffen hätten. Im Streitfall komme noch hinzu , dass der Beklagte gemäß Ziffer 3.3 der zwischen ihm und N. geschlossenen Rahmenvereinbarung verpflichtet gewesen sei, beladene Transportbehältnisse verschlossen auf einem gesicherten Grundstück, bewachten Parkplatz oder sonst beaufsichtigt abzustellen. Der dem Beklagten obliegenden erhöhten Sorgfaltspflicht sei mit einem in der Fahrerkabine schlafenden Fahrer nicht entsprochen worden. Als zusätzliche Sicherungsmaßnahmen wären der Einsatz eines zweiten Fahrers oder die Wahl einer Fahrroute, auf der es bewachte Parkplätze gegeben hätte, in Betracht gekommen.
- 21
- c) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht an die vom Frachtführer darzulegende und gegebenenfalls zu beweisende Entlas- tung gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR keine zu hohen Anforderungen gestellt. Die Revision berücksichtigt nicht genügend, dass es sich bei der Haftung nach Art. 17 Abs. 1 CMR um eine verschuldensunabhängige Haftung mit der Möglichkeit des Unabwendbarkeitsbeweises handelt (BGH, Urt. v. 13.4.2000 - I ZR 290/97, TranspR 2000, 407, 408 = VersR 2000, 1437). Dem Frachtführer obliegt es, mit der Gewissenhaftigkeit eines ordentlichen Kaufmanns für eine sichere Ankunft der zu transportierenden Güter beim bestimmungsgemäßen Empfänger zu sorgen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Anwendung des Art. 17 Abs. 2 CMR im Streitfall daran scheitert, dass der Beklagte mögliche Sicherheitsvorkehrungen zur Vermeidung eines Raubes oder Diebstahls des Transportgutes nicht ergriffen hat.
- 22
- aa) Das Berufungsgericht hat unangegriffen festgestellt, dass es sich bei Italien für Lkw-Transporte um ein diebstahls- und raubgefährdetes Land handelt mit der Folge, dass der Frachtführer Veranlassung zu erhöhten Sicherungsmaßnahmen hat.
- 23
- bb) Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden , dass das Berufungsgericht eine Routenplanung verlangt hat, die ein Abstellen des mit wertvollem Gut beladenen Fahrzeugs auf einem bewachten Parkplatz ermöglicht hätte. Dies war vor allem auch deshalb geboten, weil das Transportfahrzeug nicht über zusätzliche besondere Sicherungseinrichtungen wie Alarmanlage oder Wegfahrsperre verfügte. Der insoweit darlegungspflichtige Beklagte hat nicht konkret vorgetragen, dass ihm eine sicherere Routenplanung schlechthin unzumutbar war. Er hat lediglich pauschal behauptet, dass es zwischen Rom und Neapel keine stärker bewachten Parkplätze als den aufgesuchten gebe. Das reicht für die Annahme einer Unvermeidbarkeit des Transportgutverlustes i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR nicht aus.
- 24
- cc) Entgegen der Auffassung der Revision ist es revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht angenommen hat, der Verlust des Gutes hätte möglicherweise durch den Einsatz eines zweiten Fahrers vermieden werden können. Der Beklagte hat nicht im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen ihm diese Maßnahme nicht zumutbar war. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte mit seiner Auftraggeberin über den Einsatz eines zweiten Fahrers verhandelt und diese es abgelehnt hat, dafür ein erhöhtes Beförderungsentgelt zu zahlen. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass der Beklagte alle ihm zumutbaren Sorgfaltsmaßnahmen zur Vermeidung eines Diebstahls oder Raubes des ihm anvertrauten Transportgutes ergriffen hat.
- 25
- 4. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Klägerin aufgrund der Abtretungsvereinbarung mit der N. vom 23. August 2007 Inhaberin der geltend gemachten Schadensersatzforderung geworden ist.
- 26
- a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die aus dem Beförderungsvertrag vom 11. November 2005 resultierende Schadensersatzforderung der N. gegen den Beklagten zum Zeitpunkt der Abtretung nicht aufgrund der von N. am 31. Oktober 2006 erklärten Aufrechnung erloschen war, weil die Aufrechnung mangels Feststehens der Schadensersatzforderung nach Grund und Höhe nicht wirksam war. Diese Beurteilung lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision auch nicht beanstandet.
- 27
- b) Das Berufungsgericht hat des Weiteren angenommen, dass die Abtretung der streitgegenständlichen Schadensersatzforderung an die Klägerin wirksam war. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Frage der Wirk- samkeit der Forderungsübertragung gemäß Art. 33 Abs. 2 EGBGB nach italienischem Recht beurteilt, weil die übertragene Forderung gemäß Art. 28 Abs. 4 EGBGB dem italienischen Recht unterliegt. Das Berufungsgericht hat unangegriffen festgestellt, dass der Beklagte am 4. September 2007 von der (erneuten) Abtretung an die Klägerin Kenntnis erhalten hat. Damit erlangte die nach italienischem Recht grundsätzlich zulässige (vgl. Art. 1260 Abs. 1 Codice Civile) Abtretung gemäß Art. 1264 Abs. 1 Codice Civile Wirksamkeit (vgl. Kindler, Einführung in das italienische Recht, 2. Aufl., § 15 Rdn. 42). Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.
- 28
- 5. Im Ergebnis ohne Erfolg bleiben auch die Rügen der Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Umfang der in Verlust geratenen Ladung ergebe sich nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises aus dem Frachtbrief, den Lieferscheinen sowie den Rechnungen der Versenderin an die Empfängerin und die Klägerin.
- 29
- a) Das Berufungsgericht hat dem Umstand, dass die Klägerin die ursprünglich vom Beklagten geforderte Ersatzleistung in Höhe von 65.877,76 € noch vorprozessual mit Schreiben vom 26. April 2006 um 5.110,24 € auf die Klageforderung reduziert hat, keine maßgebliche Bedeutung beigemessen, weil die Versenderin ihren durch den Verlust entstandenen Schaden erst mit Rechnung vom 5. April 2006 gegenüber der Klägerin beziffert habe. Die mit der Rechnung der Versenderin in zeitlichem Zusammenhang stehende Anpassung der Schadensersatzforderung sei - so das Berufungsgericht - nachvollziehbar und habe nichts mit der Menge des tatsächlich zur Beförderung übergegebenen Transportgutes zu tun. Sonstige Anhaltspunkte für eine Abweichung des Inhalts der Sendung von den Transportpapieren wie insbesondere ein deliktisches Ver- halten der Versenderin oder der Klägerin gegenüber der Empfängerin seien nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.
- 30
- b) Die Revision macht demgegenüber vergeblich geltend, die Feststellungen zum Schaden könnten nicht auf die von der Versenderin an die Klägerin gerichtete Rechnung vom 5. April 2006 gestützt werden. Da die Rechnung von der ursprünglichen Forderung erheblich abweiche, könne die Klägerin den Rechnungsbetrag nicht ohne weitere Erläuterung auf den Lieferschein stützen. Die tatsächliche Vermutung, die aus einem Lieferschein grundsätzlich folgen könne, sei vielmehr entkräftet, wenn die Klägerin selbst auf eben dieser Grundlage zu einem deutlich abweichenden Ergebnis gelange.
- 31
- Der Beweis für den Umfang und den Wert einer verlorengegangenen Sendung unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO (BGH, Urt. v. 2.4.2009 - I ZR 60/06, TranspR 2009, 262 Tz. 24 m.w.N.). Der Tatrichter kann sich die Überzeugung von der Richtigkeit des behaupteten Umfangs einer Sendung anhand von vorgelegten Lieferscheinen und dazu korrespondieren Rechnungen bilden, wobei es nicht erforderlich ist, dass sowohl Lieferscheine als auch korrespondierende Rechnungen zum Nachweis vorgelegt werden (BGH TranspR 2009, 262 Tz. 24). Die Revisionserwiderung weist mit Recht darauf hin, dass das Berufungsgericht seine Überzeugung vom Umfang der verlorengegangenen Ladung nicht allein auf die Rechnung der Versenderin vom 5. April 2006 gestützt hat. Es hat seine Überzeugung vielmehr anhand weiterer korrespondierender Unterlagen gebildet, insbesondere aufgrund von zwei an die Empfängerin gerichtete Rechnungen der Versenderin vom 15. November 2005, die genau die vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Beträge aufweisen. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
- 32
- 6. Dagegen haben die Angriffe der Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts Erfolg, der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei nicht gemäß Art. 32 Abs. 1 CMR verjährt.
- 33
- a) Nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 CMR verjähren Ansprüche aus einer dem Übereinkommen unterliegenden Beförderung in einem Jahr. Die Verjährungsfrist beginnt - wie hier - bei gänzlichem Verlust gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 3 lit. b CMR mit dem dreißigsten Tag nach Ablauf der vereinbarten Lieferfrist. Die Anlieferung des Gutes bei der in Italien ansässigen Empfängerin sollte am 16. November 2005 erfolgen. Somit begann der Lauf der Verjährungsfrist am 17. Dezember 2005.
- 34
- Gemäß Art. 32 Abs. 3 CMR gilt für die Hemmung der Verjährung das Recht des angerufenen Gerichts. Dementsprechend kommen im Streitfall die §§ 203 ff. BGB zur Anwendung. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch Erhebung einer Leistungsklage gehemmt.
- 35
- b) Das Berufungsgericht hat die Verjährungseinrede des Beklagten für nicht begründet erachtet, weil der Lauf der Verjährungsfrist durch die Klageerhebung vom 31. Oktober 2006 gemäß Art. 32 Abs. 3 CMR i.V. mit § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden sei. Es hat angenommen, für den Eintritt der Hemmung reiche die Erhebung einer den Erfordernissen des § 253 ZPO genügenden Klage aus. Zudem müsse die Klageschrift von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein und das Klagebegehren individualisieren. Diese Erfordernisse seien in Bezug auf die streitgegenständliche Klageschrift erfüllt. Die einseitige Erledigungserklärung der Klägerin habe nicht zum Wegfall der Hemmungswirkung geführt, da die Hauptsache in einem solchen Fall rechtshängig bleibe.
- 36
- c) Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung auf der Grundlage der bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht stand. Die Revision macht mit Recht geltend, dass das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft eine Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung am 31. Oktober 2006 angenommen hat.
- 37
- aa) Das Berufungsgericht hat die Aktivlegitimation der Klägerin auf die Abtretungsvereinbarung mit N. vom 23. August 2007 gestützt. Es hat offengelassen, ob die erste Forderungsabtretung der N. vom 29. März 2006 wirksam war. Feststellungen dazu, ob die Klägerin bei Einreichung der Klage am 1. August 2006 oder deren Zustellung am 31. Oktober 2006 aufgrund einer Ermächtigung der N. oder einer gewillkürten Prozessstandschaft befugt war, den streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht getroffen. Das Landgericht hat die Voraussetzungen für eine wirksame gewillkürte Prozessstandschaft verneint.
- 38
- bb) Die Revision rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung die Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht hinreichend berücksichtigt hat. Diese Vorschrift setzt - ebenso wie schon § 209 Abs. 1 BGB a.F. - eine Klage des materiell Berechtigten voraus (vgl. MünchKomm.BGB/ Grothe, 5. Aufl., § 204 Rdn. 17; Bamberger/Roth/Henrich, BGB, 3. Aufl., § 204 Rdn. 8; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 204 Rdn. 9; Staudinger/Peters, BGB [2004], § 204 Rdn. 7; zu § 209 Abs. 1 a.F.: BGH, Urt. v. 16.9.1999 - VII ZR 385/98, NJW 1999, 3707). Dementsprechend hemmt die Klage eines Nichtberechtigten nicht den Lauf der Verjährung. Obwohl § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB - anders als § 209 Abs. 1 BGB a.F. - nicht mehr ausdrücklich auf den "Berechtigten" abstellt, hat sich sachlich am Erfordernis der materiellen Berechti- gung des Klägers nichts geändert. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs zur Modernisierung des Schuldrechts wurde die in § 209 Abs. 1 BGB a.F. vorgesehene Unterbrechung der Verjährung als "unsystematisch" empfunden, weil in § 211 Abs. 1, § 212a Satz 1, § 213 Satz 1, § 214 Abs. 1 und § 215 Abs. 1 BGB a.F. bestimmt war, dass die Unterbrechung durch Geltendmachung eines Anspruchs im Verfahren "fortdauerte". Hierin wurde der Sache nach eine Hemmung gesehen. Aus diesem Grunde sollte die durch Klageerhebung eintretende Unterbrechung der Verjährung in eine Hemmung umgewandelt werden. Inhaltlich sollte § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB der Vorschrift des § 209 Abs. 1 BGB a.F. indessen entsprechen (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 113; Rabe, NJW 2006, 3089 f.; Staudinger/Peters aaO § 204 Rdn. 6; a.A. Kähler, NJW 2006, 1769, 1773). Berechtigter i.S. von § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist neben dem ursprünglichen Rechtsinhaber und seinem Rechtsnachfolger aber auch der gesetzliche oder gewillkürte Prozessstandschafter (BGH NJW 1999, 3707 f.; Staudinger/ Peters aaO § 204 Rdn. 9 f.; MünchKomm.BGB/Grothe aaO § 204 Rdn. 17).
- 39
- Das Berufungsgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob die erste Abtretung der N. an die Klägerin wirksam war. Damit fehlt es an der Feststellung einer wesentlichen Voraussetzung für die Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Den Gründen des angefochtenen Urteils kann auch nicht entnommen werden, dass das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass die Klägerin aufgrund einer gewillkürten Prozessstandschaft - deren Wirksamkeit das Landgericht gerade verneint hatte - zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Schadensersatzforderung bei Einreichung oder Zustellung der Klage berechtigt war.
- 40
- II. Zur Anschlussrevision der Klägerin
- 41
- 1. Das Berufungsgericht hat von dem Schadensersatzanspruch der Klägerin einen Frachtkostenbetrag von 2.000 € in Abzug gebracht, weil die Lieferung ausweislich der Lieferscheine "frei Haus" habe erfolgen sollen und die Frachtkosten insoweit bereits im Kaufpreis enthalten gewesen seien. Der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 2. Dezember 2007, wonach die N. an den Beklagten für den streitgegenständlichen Transport am 15. Dezember 2005 eine Frachtvergütung in Höhe von 1.217,28 € bezahlt habe, sei verspätet, weil die Klägerin diesen Vortrag bereits im Anschluss an die Klageerwiderung vom 21. Dezember 2006 in erster Instanz hätte vorbringen können und müssen.
- 42
- 2. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Anschlussrevision der Klägerin mit Erfolg.
- 43
- a) Nach Art. 23 Abs. 4 CMR hat der Frachtführer bei gänzlichem Verlust des Gutes die Fracht in voller Höhe zurückzuerstatten. Von dieser Bestimmung kann nicht durch Parteivereinbarung abgewichen werden. Denn gemäß Art. 41 Abs. 1 Satz 1 CMR ist jede Vereinbarung, die unmittelbar oder mittelbar von den Bestimmungen des Übereinkommens abweicht, nichtig und ohne Rechtswirkung.
- 44
- b) Die Klägerin hat vorgetragen, dass die N. an den Beklagten eine Frachtvergütung in Höhe von 1.217,28 € gezahlt habe. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dieser Vortrag der Klägerin beachtlich und zuzulassen. Dem angefochtenen Urteil lässt sich entnehmen, dass das Beru- fungsgericht die Zurückweisung des Vortrags der Klägerin auf § 531 Abs. 2 ZPO gestützt hat.
- 45
- c) Die Anschlussrevision macht mit Recht geltend, dass eine Zurückweisung nach dieser Vorschrift nicht in Betracht kommt. Der Vortrag der Klägerin erfolgte im Rahmen der vom Berufungsgericht eingeräumten Gelegenheit zur Stellungnahme zum gerichtlichen Vergleichsvorschlag im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19. September 2007. Im Rahmen dieser Verhandlung hat das Berufungsgericht die Parteien darauf hingewiesen, dass es beabsichtige , von der Handelsrechnung die Fracht für den streitgegenständlichen Transport abzuziehen, weil der Lieferschein die Frankatur "frei Haus" ausweise. Daraufhin hat die Klägerin ihren Vortrag zu den gezahlten Transportkosten gehalten. Der Beklagte ist diesem Vortrag nicht entgegengetreten, so dass die Zahlung als unstreitig zu behandeln ist. Unstreitige Tatsachen, die erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen werden, sind jedoch stets zu berücksichtigen. Die Vorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen (BGHZ 161, 138, 141).
- 46
- III. Das Berufungsurteil ist danach auf die Revision des Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin aufzuheben. Die Sache ist, da noch weitere Feststellungen zu treffen sind, zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
- 47
- Das Berufungsgericht wird zu klären haben, ob die Klägerin bei Einreichung der Klage - auf diesen Zeitpunkt kommt es nach § 167 ZPO an, wenn durch die Zustellung der Klage die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt werden soll - i.S. von § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB berechtigt war, die streitgegenständlichen Ansprüche geltend zu machen. War dies der Fall, wäre die Berechtigung nicht durch die einseitig gebliebene Erledigungserklärung der Klägerin entfallen, da diese Erklärung nicht die Rechtshängigkeit des für erledigt erklärten Anspruchs beendet; dieser bleibt vielmehr weiterhin verfahrensrechtlich die Hauptsache (BGH, Urt. v. 1.6.1990 - V ZR 48/89, NJW 1990, 2682; Musielak/Wolst, ZPO, 7. Aufl., § 91a Rdn. 29 a.E.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 91a Rdn. 34; Prütting/Gehrlein/Hausherr, ZPO, § 91a Rdn. 46).
Schaffert Koch
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 16.04.2007 - 36 O 106/06 KfH -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 31.10.2007 - 3 U 92/07 -
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger macht als Verwalter in dem am 20. Juni 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. GmbH (nachfolgend : Schuldnerin) Schadensersatzansprüche wegen Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages geltend.
- 2
- Die Beklagte zu 1 ist eine Rechtsanwalts- und Steuerberaterkanzlei in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter in der Vergangenheit die Beklagten zu 2 bis 8 waren. Die Beklagten zu 2 bis 7 sind Rechtsanwälte, der Beklagte zu 8 ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Die Beklagte zu 1 beriet mehrere Aktionäre der S. AG zu der Frage, ob wegen eines behaupteten Verstoßes gegen kapitalmarktrechtliche Anlegerschutzbestimmungen von zwei kreditgebenden Banken Schadensersatz für den Wertverlust der Aktien verlangt werden könne. Die Beklagte zu 1 schlug den Aktionären vor, deren Schadensersatzansprüche an eine neu zu gründende Gesellschaft mit beschränkter Haftung abzutreten mit dem Ziel, die Ansprüche durch diese Gesellschaft gerichtlich geltend zu machen. Um dieses Modell umzusetzen, wurde die Schuldnerin gegründet. Gründungsgesellschafterin der Schuldnerin war die R. (nachfolgend: R. ), deren Alleingesellschafter der Beklagte zu 3 war, Geschäftsführer der Schuldnerin waren die Beklagten zu 2 und 3. Nach einer zwischen der R. und vier Aktionären (nachfolgend: Aktionäre) geschlossenen Vereinbarung hielt jene die Geschäftsanteile an der Schuldnerin treuhänderisch für die Aktionäre.
- 3
- Am 2. Dezember 2002 traf die Schuldnerin, vertreten durch den Beklagten zu 2, mit den Aktionären folgende, im Wesentlichen gleichlautende Vereinbarungen : "[Aktionär] verkauft hiermit seine Schadensersatzansprüche (...) und tritt diese unwiderruflich an die diese Abtretung annehmende [Schuldnerin] ab mit der Maßgabe, dass diese die Schadensersatzansprüche entweder gerichtlich oder außergerichtlich in eigenem Namen nur für [Aktionär] oder im Verbund mit Schadensersatzforderungen anderer Aktionäre geltend macht. Es besteht Einigkeit zwischen den Vertragsparteien, dass die [Schuldnerin ] bis auf die Gerichtskosten, die bezogen auf seine Forderung anteilig von [Aktionär] zu tragen sind, im eigenen Namen und auf eigenes Risiko geltend macht.
- 4
- Am 3. Dezember 2002 erhob die von der Beklagten zu 1 anwaltlich vertretene Schuldnerin aus abgetretenem Recht eine Schadensersatzklage in Höhe von zunächst 6.109.040 €. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2002 teilte die Beklagte zu 1 der Schuldnerin unter anderem mit: "Da die Rechtsverfolgung der Forderungen durch die Bündelung in der Gesellschaft und die letztendliche treuhänderische Beteiligung der Zedenten an Ihrer Gesellschaft eine Rechtsverfolgung eigener Interessen der Zedenten darstellt, und eine weitergehende gewerbliche Tätigkeit nicht beabsichtigt ist - soweit weitere Kläger gefunden werden, sollten diese im gleichen Umfange des Verhältnisses der zedierten Forderungen indirekt gesellschaftsrechtlich beteiligt werden - dürften etwaige Argumente zu Vorbehalten bei der Prozessfinanzierung und/oder Rechtsberatung oder der formalen Gesellschaftsbeteiligung von Anwälten in der forderungshaltenden Gesellschaft in vertretbarer Weise auszuräumen sein."
- 5
- Durch notarielle Urkunde vom 1. Juni 2004 teilte die R. ihren Geschäftsanteil an der Schuldnerin in vier Geschäftsanteile auf und übertrug diese Anteile unter Auflösung des bisher bestandenen Treuhandverhältnisses an die Aktionäre. Mit Schreiben vom 29. Juni 2004 legten die Beklagten zu 2 und 3 ihr Amt als Geschäftsführer der Schuldnerin nieder.
- 6
- Mit Urteil vom 13. Juli 2004 wies das Landgericht die im Vorprozess erhobene Klage mit der Begründung ab, die Schuldnerin sei nicht Inhaberin der geltend gemachten Ansprüche, weil die Abtretungen durch die Aktionäre wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz unwirksam seien. Mit dieser Begründung wurde auch die von der Beklagten zu 1 in Vertretung der Schuldnerin eingelegte Berufung durch Urteil vom 15. März 2005 zurückgewiesen.
- 7
- Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz für die Gerichtskosten des Vorprozesses und die gegen die Schuldnerin festgesetzten außergerichtlichen Kosten der Beklagten des Vorprozesses in Höhe von insgesamt 142.952,97 € sowie Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die in vollem Umfang zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 9
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt, durch die Vereinbarung mit den Aktionären habe die Schuldnerin die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten übernommen, ohne die gemäß Art. 1 § 1 RBerG erforderliche Erlaubnis zu besitzen. Die Forderungsabtretungen an die Schuldnerin seien daher gemäß § 134 BGB unwirksam gewesen. Auf diese klare Rechtslage hätte die Beklagte zu 1 hinweisen und von einer Erhebung der Klage sowie der Einlegung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil erster Instanz abraten müssen. Die Beklagte zu 1 könne sich nicht darauf berufen, die Schuldnerin habe keiner Beratung bedurft, weil deren frühere Geschäftsführer - die Beklagten zu 2 und 3 - ihrerseits Rechtsanwälte gewesen seien. Es sei zu vermuten, dass sich die Schuldnerin im Falle pflichtgemäßer Beratung über die Aussichtslosigkeit des Rechtsstreits beratungsgerecht verhalten und weder die Klage erhoben noch die Berufung eingelegt hätte. Der Schadensersatzanspruch sei auch hinsichtlich der in erster Instanz angefallenen Kosten des Vorprozesses nicht verjährt, weil die Beklagten die Schuldnerin nicht auf den Ablauf der Primärverjährungsfrist hingewiesen hätten und daher jedenfalls ein Sekundäranspruch bestehe. Nach der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei die Sozietät auch dann als Vertragspartnerin des Anwaltsvertrags anzusehen, wenn dieser neben Rechtsanwälten Angehörige weiterer Berufsgruppen angehörten. Für den Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1 als Vertragspartnerin hafteten daher alle Gesellschafter in entsprechender Anwendung des § 128 HGB, auch soweit diese nicht Rechtsanwälte seien. Die Revision sei zuzulassen, weil die Frage der Haftung nichtanwaltlicher Sozietätsmitglieder grundsätzliche Bedeutung habe.
II.
- 10
- Die Revision ist aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht im Hinblick auf sämtliche Beklagte statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
- 11
- Zwar kann die Zulassung der Revision im Falle einer nicht notwendigen Streitgenossenschaft auf einen der Streitgenossen beschränkt werden (BGH, Urteil vom 17. April 1952 - III ZR 182/51, LM § 546 ZPO Nr. 9; vom 7. Juli 1983 - III ZR 119/82, NJW 1984, 615 [insoweit nicht in BGHZ 88, 85 abgedruckt]; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 3. Aufl., § 543 Rn. 38; Hk-ZPO/Kayser, 4. Aufl., § 543 Rn. 60; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 543 Rn. 21; vgl. auch BGH, Urteil vom 5. November 2003 - VIII ZR 320/02, WM 2004, 853), so dass die Be- schränkung der Revisionszulassung auf den Beklagten zu 8 rechtlich möglich wäre, weil bei gleichzeitiger Inanspruchnahme einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie von deren Gesellschaftern keine notwendige Streitgenossenschaft vorliegt (BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 348 ff). Dem Berufungsurteil kann jedoch nicht entnommen werden, die Zulassung der Revision beschränke sich auf den Beklagten zu 8. Lässt das Berufungsgericht die Revision im Urteilsausspruch unbeschränkt zu, so kann sich aus der Begründung, die das Berufungsurteil für die Zulassungsentscheidung gibt, eine beschränkte Zulassung nur dann ergeben, wenn sich die Beschränkung den Entscheidungsgründen klar und eindeutig entnehmen lässt (BGH, Urteil vom 3. Dezember 1987 - VII ZR 374/86, BGHZ 102, 293, 295; vom 29. Januar 2003 - XII ZR 92/01, BGHZ 153, 358, 361; vom 3. März 2005 - IX ZR 45/04, NJW-RR 2005, 715, 716; Hk-ZPO/Kayser, aaO § 543 Rn. 62). Hieran fehlt es, weil der Regressanspruch gegen den Beklagten zu 8 von sämtlichen Haftungsvoraussetzungen abhängt, die auch für den Anspruch gegen die Beklagten zu 1 bis 7 maßgeblich sind, und lediglich die weitere Frage zu prüfen ist, ob auch Steuerberater als nichtanwaltliche Sozietätsmitglieder entsprechend § 128 HGB haften. Da eine auf den Beklagten zu 8 beschränkte Zulassung folglich nicht dazu führte, die im Revisionsverfahren zu klärenden Rechtsfragen einzugrenzen, kann der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung eine Beschränkung der Zulassung nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden. Die vorsorglich eingelegte Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision ist damit gegenstandslos (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04, VersR 2006, 427, 428).
III.
- 12
- Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 14
- a) Eine Anwaltssozietät ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sofern nicht ausdrücklich eine andere Rechtsform gewählt worden ist (BGH, Urteil vom 3. Mai 2007 - IX ZR 218/05, BGHZ 172, 169 Rn. 11), wofür im Streitfall keine Anhaltspunkte bestehen. Vor der Anerkennung der eigenständigen Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat der Senat angenommen, dass ein Sozietätsanwalt ein ihm angetragenes Mandat im Zweifel zugleich im Namen der übrigen Sozietätsmitglieder annimmt, im Falle von Sozietäten unterschiedlicher Berufsangehöriger jedoch nach dem Parteiwillen regelmäßig nur diejenigen Sozien in den Vertrag einbezogen werden sollen, die auf dem zu bearbeitenden Rechtsgebiet tätig werden dürfen (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1999 - IX ZR 117/99, WM 2000, 963, 964; vom 17. Februar 2000 - IX ZR 50/98, WM 2000, 1342, 1344 f).
- 15
- b) Diese Grundsätze sind hier nicht mehr anzuwenden, weil der von der Schuldnerin geschlossene Anwaltsvertrag nach dem Erlass der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. Januar 2001 (II ZR 331/00, BGHZ 146, 341) geschlossen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - IX ZR 145/05, WM 2008, 1563 Rn. 10; vom 5. Februar 2009 - IX ZR 18/07, WM 2009, 669 Rn. 10). Die eigenständige Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft bürgerli- chen Rechts hat zur Folge, dass eine Sozietät selbst Partnerin eines Beratungsvertrages sein kann (BGH, Urteil vom 26. Januar 2006 - IX ZR 225/04, WM 2006, 830 Rn. 9; vom 5. Februar 2009, aaO; vgl. auch § 51a Abs. 2 Satz 1 BRAO). Dabei kann sich auch eine sogenannte gemischte Sozietät, der neben Rechtsanwälten auch Mitglieder anderer Berufsgruppen angehören, zur Erbringung anwaltlicher Beratungsleistungen verpflichten (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 - IX ZR 44/10, WM 2011, 1770 Rn. 7 ff).
- 16
- Wie sich aus der Auslegungsregel des § 164 Abs. 2 BGB ergibt, wird eine Erklärung in eigenem Namen abgegeben, wenn die Umstände nicht hinreichend deutlich ergeben, dass sie in fremdem Namen abgegeben werden soll (BGH, Urteil vom 13. Oktober 1994 - IX ZR 25/94, WM 1994, 2233, 2334; vom 27. Oktober 2005 - III ZR 71/05, NJW-RR 2006, 109 Rn. 6 f). Die vom Senat bislang offen gelassene Frage (Urteil vom 9. Dezember 2010, aaO Rn. 15), ob der Vertragsschluss durch einen Sozietätsanwalt nach dem Parteiwillen typischerweise die Sozietät verpflichten soll, bedarf auch hier keiner Entscheidung. Die von der Revision nicht angegriffene Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 1 sei Vertragspartnerin geworden, liegt schon deshalb nahe, weil das Mandat von mehreren Sozien bearbeitet und auch ein bei der Beklagten zu 1 angestellter Rechtsanwalt hiermit befasst worden ist. Eine Auslegung, wonach an Stelle eines Sozietätsmandats ein Einzelmandat eines Sozietätsmitglieds begründet werden sollte, kommt unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.
- 17
- 2. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte zu 1 aus dem mit der Schuldnerin geschlossenen Anwaltsvertrag verpflichtet war, die Schuldnerin über die Erfolgsaussichten des Vorprozesses zu belehren.
- 18
- a) Der Umstand, dass die Aktionäre bereits vor der Gründung der Schuldnerin beschlossen hatten, das von der Beklagten zu 1 entwickelte Konzept zur Durchsetzung der Ansprüche im Vorprozess umzusetzen, steht einer eigenständigen Beratungspflicht der Beklagten zu 1 im Verhältnis zur Schuldnerin nicht entgegen. Die Entscheidung der Aktionäre, ihre Ansprüche durch die Schuldnerin einziehen zu lassen, machte wegen deren eigener Rechtspersönlichkeit eine gesonderte Entscheidung der Schuldnerin nicht entbehrlich, die beabsichtigte Klage tatsächlich zu erheben. Die Beratung der Schuldnerin bei dieser Entscheidung war Gegenstand des zwischen der Schuldnerin und der Beklagten zu 1 geschlossenen Anwaltsvertrags. Auch wenn die Schuldnerin gegenüber der Beklagten zu 1 schon bei Abschluss des Anwaltsvertrags die Weisung erteilt haben sollte, die im Vorprozess erhobene Klage anhängig zu machen, hätte die Beklagte zu 1 prüfen müssen, ob der Schuldnerin durch das Befolgen dieser Weisung Nachteile drohten (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 1997 - IX ZR 81/96, WM 1997, 1392, 1393 f; Vill in Zugehör/G. Fischer/ Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Rechtsanwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 845).
- 19
- b) Auch der Umstand, dass in dem Mandatsverhältnis der Aktionäre mit der Beklagten zu 1 bereits eine rechtliche Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage stattgefunden hatte, ließ die Prüfungspflicht aus dem mit der Schuldnerin bestandenen Anwaltsvertrag nicht entfallen. Die anwaltsvertraglichen Pflichten eines Rechtsanwalts werden nicht dadurch geschmälert, dass mit derselben Angelegenheit noch ein weiterer Rechtsanwalt betraut worden ist (BGH, Urteil vom 24. März 1988 - IX ZR 114/87, NJW 1988, 3013, 3014; vom 8. Juli1993 - IX ZR 242/92, NJW 1993, 2676, 2677). Ebenso wenig wird die Prüfungspflicht eines Rechtsanwalts dadurch eingeschränkt, dass er die zu klärenden Rechtsfragen bereits in einem anderen Mandatsverhältnis untersucht hat.
- 20
- c) Die Beklagte zu 1 war der Pflicht zur Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage auch nicht deshalb enthoben, weil die Geschäftsführer der Schuldnerin Rechtsanwälte waren. Die rechtliche Bearbeitung des ihm anvertrauten Falles obliegt dem Rechtsanwalt auch im Verhältnis zu einem rechtskundigen Mandanten (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 41/91, WM 1992, 739, 740; vom 29. April 1993 - IX ZR 101/92, WM 1993, 1508, 1511; vom 26. Oktober 2000 - IX ZR 289/99, WM 2001, 98, 99 f). Der anwaltsvertragliche Anspruch des Mandanten auf umfassende Beratung wird nicht dadurch eingeschränkt , dass der Mandant die gerade einem Dritten in Auftrag gegebene rechtliche Prüfung auch selbst hätte vornehmen können.
- 21
- 3. Die Beklagte zu 1 hat ihre gegenüber der Schuldnerin bestehenden Pflichten verletzt, indem sie nicht davon abgeraten hat, den Vorprozess zu führen , ohne zuvor den satzungsmäßigen Gesellschaftszweck der Schuldnerin neu gefasst zu haben.
- 22
- a) Der Rechtsanwalt muss die Erfolgsaussichten des Begehrens seines Mandanten umfassend prüfen und den Mandanten hierüber belehren. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (BGH, Urteil vom 1. März 2007 - IX ZR 261/03, BGHZ 171, 261 Rn. 9; vom 7. Februar 2008 - IX ZR 149/04, WM 2008, 946 Rn. 12). Die mit der Erhebung einer Klage verbundenen Risiken muss der Rechtsanwalt nicht nur benennen, sondern auch deren ungefähres Ausmaß abschätzen (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1983 - I ZR 183/81, BGHZ 89, 178, 182; vgl. auch BGH, Urteil vom 6. Februar 1992 - IX ZR 95/91, WM 1992, 742, 743). Ist eine Klage praktisch aussichtslos, muss der Rechtsanwalt dies klar herausstellen und darf sich nicht mit dem Hinweis begnügen, die Erfolgsaussichten seien offen (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1983, aaO; vom 17. April 1986 - IX ZR 200/85, BGHZ 97, 372, 376; vom 13. März 1997 - IX ZR 81/96, WM 1997, 1392, 1393; vom 29. April 2003 - IX ZR 54/02, WM 2003, 1628, 1629; vgl. auch zur steuerlichen Beratung BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - IX ZR 92/08, WM 2012, 758 Rn. 11).
- 23
- b) Die Beklagten, die hinsichtlich des Inhalts ihrer Belehrung eine sekundäre Darlegungslast trifft (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 1994 - IX ZR 125/93, BGHZ 126, 217, 225), haben in den Tatsacheninstanzen vorgetragen, die Schuldnerin sei "mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen worden, die rechtlichen Risiken, dass ein Gericht die Verfolgung der Schadensersatzansprüche auf dem erörterten Zessionswege für nicht zulässig erachte, könne nicht ausgeschlossen werden", allerdings "bestünden durchaus rechtliche Möglichkeiten, die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens zu bejahen, wenngleich natürlich auch eine andere Möglichkeit der rechtlichen Beurteilung bestehe." Diese Belehrung finde auch ihren Niederschlag in dem - nach Einreichung der Klage gefertigten - Schreiben der Beklagten an die Schuldnerin vom 10. Dezember 2002.
- 24
- c) Auf der Grundlage ihres als zutreffend zu unterstellenden Vorbringens hat die Beklagte zu 1 zwar richtig erkannt, das ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz die Unwirksamkeit der Abtretungen an die Schuldnerin gemäß § 134 BGB nach sich zöge (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 1967 - VI ZR 188/65, BGHZ 47, 364, 369; Beschluss vom 8. November 1993 - II ZR 249/92, ZIP 1993, 1708, 1709; Urteil vom 25. November 2008 - XI ZR 413/07, WM 2009, 259 Rn. 14); über die Vereinbarkeit des von der Schuldnerin beabsichtigten Modells der Forderungseinziehung mit dem Rechtsberatungsgesetz hat die Beklagte zu 1 die Schuldnerin aber fehlerhaft belehrt. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagte zu 1 ihren Pflichten nicht genügt hat, indem sie auf Risiken des Vorprozesses hingewiesen hat.
- 25
- aa) Die Beklagte zu 1 hat verkannt, dass die Schuldnerin fremde Rechtsangelegenheiten im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG aF (aufgehoben durch Art. 20 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007, BGBl. I S. 2840) wahrnahm.
- 26
- Die von der Beklagten zu 1 im Schreiben vom 10. Dezember 2002 vertretene Auffassung, im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes nehme die Schuldnerin eigene Rechtsangelegenheiten der Aktionäre wahr, weil diese an der Schuldnerin treuhänderisch beteiligt seien, war verfehlt. Die Wahrnehmung von Angelegenheiten der Aktionäre konnte für die Schuldnerin wegen deren gesonderter Rechtspersönlichkeit gerade keine eigene Angelegenheit sein. Der Umstand , dass die Geschäftsanteile an der Schuldnerin von deren Alleingesellschafterin treuhänderisch für die Aktionäre gehalten wurden, änderte hieran nichts.
- 27
- Auch die von den Beklagten im Regressprozess vertretene Auffassung, die Geltendmachung der Forderungen sei eine eigene Angelegenheit der Schuldnerin gewesen, ist unzutreffend. Die Regelung des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG aF erfasst als Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten ausdrücklich auch die Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, erfolgte die Abtretung an die Schuldnerin trotz deren Bezeichnung als "Kauf" zu Einziehungszwecken , weil ein Kaufpreis nur für den Fall des Erfolgs der Klage bezahlt und die Zedenten an den eingezogenen Beträgen beteiligt werden sollten (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 1985 - I ZR 191/82, WM 1985, 1214, 1215; vom 27. November 2000 - II ZR 190/99, WM 2001, 310 f; Beschluss vom 5. November 2004 - BLw 11/04, WM 2005, 102; Urteil vom 25. November 2008 - XI ZR 413/07, WM 2009, 259 Rn. 16 f; vom 12. April 2011 - II ZR 197/09, WM 2011, 1076 Rn. 15).
- 28
- bb) Die Belehrung der Schuldnerin durch die Beklagte zu 1 im Hinblick auf einen möglichen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz war auch nicht im Ergebnis zutreffend, weil das Merkmal der Geschäftsmäßigkeit im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG aF sicher zu verneinen gewesen wäre.
- 29
- (1) Die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erfolgt nach ständiger Rechtsprechung geschäftsmäßig, wenn der Handelnde beabsichtigt, sie - sei es auch nur bei sich bietender Gelegenheit - in gleicher Art zu wiederholen und dadurch zu einem dauernden und wiederkehrenden Teil seiner Beschäftigung zu machen (BGH, Urteil vom 28. Februar 1985, aaO; vom 17. Februar 2000 - IX ZR 50/98, WM 2000, 1343, 1345; vom 27. November 2000, aaO S. 311; vom 14. November 2006 - XI ZR 294/05, BGHZ 170, 18 Rn. 8; vom 12. April 2011, aaO Rn. 17). Die tatrichterliche Würdigung, wonach keine Wiederholungsabsicht besteht, ist vom Bundesgerichtshof gebilligt worden, wenn auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt beruhende Forderungen eines größeren Personenkreises nach Abtretung durch den Zessionar geltend gemacht werden (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1994 - III ZR 93/93, WM 1995, 344, 347; vom 27. November 2000, aaO S. 311; Beschluss vom 5. November 2004, aaO S. 103). Die Abtretung von Forderungen zur Einziehung erfolgt hingegen ge- schäftsmäßig, wenn der Zessionar diese Tätigkeit für eine nicht zu überblickende Vielzahl von Personen anbietet (BGH, Urteil vom 25. November 2008, aaO Rn. 24; vom 12. April 2011, aaO Rn. 18 f).
- 30
- Die Einziehung von Forderungen erfolgt stets geschäftsmäßig, wenn der Inkassozessionar sich nicht auf die einmalige Bündelung der Forderungen mehrerer Gläubiger aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt beschränken will, sondern beabsichtigt, dieses Inkassomodell auch bei anderen geeigneten Anlässen einzusetzen. Die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen von Aktionären durch eine Anlegervereinigung ist daher von einem anderen Senat des Berufungsgerichts als geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten angesehen worden, weil der klagende Verein von der inneren Einstellung getragen war, in künftigen Fällen ähnlicher Art auf dieselbe Weise vorzugehen (OLG Düsseldorf, ZIP 1993, 347, 350). Die hiergegen eingelegte Revision der Anlegervereinigung hat der Bundesgerichtshof mit der Begründung nicht zur Entscheidung angenommen, die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten sei zutreffend bejaht worden (Beschluss vom 8. November 1993 - II ZR 249/92, ZIP 1993, 1708, 1709). Die Verfassungsbeschwerde der Aktionärsvereinigung ist nicht zur Entscheidung angenommen worden (BVerfG, ZIP 2000, 183).
- 31
- (2) Es kann offen bleiben, ob die Beklagte zu 1 auf der Grundlage der bis zur Klageerhebung im Vorprozess ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung , welche die Beklagte ihrer Beratung zu Grunde zu legen hatte (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2000 - IX ZR 6/99, BGHZ 145, 256, 263), allein deshalb das Merkmal der Geschäftsmäßigkeit bejahen musste, weil die Beteiligung weiterer Aktionäre an dem von der Schuldnerin betriebenen Modell der Forderungseinziehung beabsichtigt war. Die Beklagte zu 1 musste die Schuldnerin jedenfalls darauf hinweisen, dass deren weit gefasster Satzungszweck ein erhebliches Prozessrisiko begründete, welches sich leicht hätte ausräumen lassen.
- 32
- Der Gesellschaftsvertrag zur Gründung der Schuldnerin vom 29. November 2002 bezeichnet als deren Unternehmensgegenstand "die Wahrnehmung von Treuhand- und Geschäftsbesorgungsaufgaben, die Unternehmensund Wirtschaftsberatung, die Vermittlung oder das Halten von Unternehmensbeteiligungen , Immobilien oder sonstigen Vermögenswerten sowie deren Betreuung und Verwaltung". Der satzungsmäßige Zweck der Schuldnerin beschränkte sich damit nicht auf die Geltendmachung der Ansprüche von Aktionären der S. AG gegen die im Vorprozess beklagten Banken aufgrund des dort behaupteten Verstoß gegen kapitalmarktrechtliche Bestimmungen. Das Berufungsgericht hat - ebenso wie das Berufungsgericht im Vorprozess - hieraus die Zielrichtung der Schuldnerin geschlossen, die Geschäftsbesorgung für andere regelmäßig wiederholen zu wollen.
- 33
- Es kann dahinstehen, ob diese revisionsrechtlich nur beschränkt überprüfbare tatrichterliche Würdigung (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2001 - III ZR 172/00, BGHZ 148, 313, 317 f; Beschluss vom 5. November 2004 - BLw 11/04, WM 2005, 102, 103) rechtlich fehlerfrei ist. Auch wenn tatsächlich keine Absicht der Schuldnerin bestanden haben sollte, über die Geltendmachung der Ansprüche von Aktionären der S. AG gegen die im Vorprozess beklagten Banken hinaus in weiteren Fällen fremde Forderungen im Wege der Inkassozession einzuziehen, wäre die Beratung der Beklagten zu 1 gegenüber der Schuldnerin pflichtwidrig gewesen. Die Beklagte hätte erkennen und die Schuldnerin darüber aufklären müssen, dass deren weit gefasster Gesellschaftszweck einen Anhaltspunkt für die Absicht der Wiederholung und damit die Geschäftsmäßigkeit ihres Vorgehens darstellte. Wenn neben der Klageerhebung im Vorprozess keine weitere Inkassotätigkeit der Schuldnerin beabsichtigt gewesen sein sollte, hätte einem möglichen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz auf leichte Weise begegnet werden können, indem der Satzungszweck der Schuldnerin auf die Geltendmachung der Forderungen der vier am Vorprozess wirtschaftlich beteiligten Aktionäre beschränkt worden wäre. Für die Schuldnerin stand damit ein sichererer Weg zur Verfügung, auf den die Beklagte zu 1 hätte hinweisen müssen.
- 34
- cc) Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung durfte die Beklagte zu 1 auch nicht deshalb von der Zulässigkeit des Einziehungsmodells der Schuldnerin ausgehen, weil es aus Gründen der Postulationsfähigkeit (§ 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO) erforderlich war, Rechtsanwälte einzuschalten. Ein Verstoß gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG aF liegt auch dann vor, wenn derjenige, welcher ohne eigene Befugnis fremde Rechtsangelegenheiten besorgt, sich dabei der Hilfe eines Rechtsanwalts bedient (BGH, Urteil vom 24. Juni 1987 - I ZR 74/85, ZIP 1987, 1144, 1146; vom 8. Oktober 2004 - V ZR 18/04, WM 2004, 2349, 2352; vom 3. Juli 2008 - III ZR 260/07, WM 2008, 1609 Rn. 19; vom 29. Juli 2009 - I ZR 166/06, WM 2009, 1953 Rn. 23; vgl. auch zum Steuerberater BGH, Urteil vom 21. März 1996 - IX ZR 240/95, BGHZ 132, 229, 232). Auch der Umstand, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft, die fremde Rechtsangelegenheit besorgt, als Rechtsanwalt zugelassen ist, begründet die Zulässigkeit der Geschäftsbesorgung nicht (BGH, Urteil vom 22. Februar 2005 - XI ZR 41/04, WM 2005, 786, 787; vom 25. April 2006 - XI ZR 29/05, BGHZ 167, 223 Rn. 12).
- 35
- 4. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Belastung der Schuldnerin mit den Kosten des Vorprozesses bei pflichtgemäßer Beratung nicht eingetreten wäre.
- 36
- a) Die Frage, wie sich der Mandant bei vertragsgerechter Belehrung durch den rechtlichen Berater verhalten hätte, zählt zur haftungsausfüllenden Kausalität, die der Mandant nach dem Maßstab des § 287 ZPO zu beweisen hat (BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386, 399; vom 13. Januar 2005 - IX ZR 455/00, WM 2005, 1615, 1616). Zu Gunsten des Mandanten ist jedoch zu vermuten, dieser wäre bei pflichtgemäßer Beratung den Hinweisen des Rechtsanwalts gefolgt, sofern im Falle sachgerechter Aufklärung aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegen hätte. Eine solche Vermutung kommt hingegen nicht in Betracht, wenn nicht nur eine einzige verständige Entschlussmöglichkeit bestanden hätte, sondern nach pflichtgemäßer Beratung verschiedene Handlungsweisen ernsthaft in Betracht gekommen wären, die unterschiedliche Vorteile und Risiken in sich geborgen hätten (BGH, Urteil vom 30. September 1993 - IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311, 314 f, 319; vom 19. Januar 2006 - IX ZR 232/01, WM 2006, 927 Rn. 26; vom 23. November 2006 - IX ZR 21/03, WM 2007, 419 Rn. 23). Greift die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens ein, so liegt hierin keine Beweislastumkehr, sondern ein Anscheinsbeweis , der durch den Nachweis von Tatsachen entkräftet werden kann, die für ein atypisches Verhalten des Mandanten im Falle pflichtgemäßer Beratung sprechen (BGH, Urteil vom 30. September 1993, aaO S. 315; vom 13. März 2008 - IX ZR 136/07, WM 2008, 1560 Rn. 19).
- 37
- b) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens zu Gunsten des Klägers eingreift.
- 38
- aa) Für eine wirtschaftlich denkende Partei hätte es im Falle pflichtgemäßer Aufklärung durch die Beklagte zu 1 allein nahe gelegen, den satzungsmäßigen Gesellschaftszweck der Schuldnerin auf die Einziehung der im Vorprozess geltend gemachten Forderungen zu beschränken. Wie vom Regressgericht selbständig zu beurteilen ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 9 mwN), hätte nach einer solchen Satzungsänderung die Klage im Vorprozess nicht wegen der Unwirksamkeit der Forderungsabtretungen gemäß § 134 BGB in Verbindung mit Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG aF abgewiesen werden dürfen.
- 39
- bb) Der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens steht nicht der Umstand entgegen, dass die Geschäftsführer der Schuldnerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Vorprozess selbst Rechtsanwälte waren.
- 40
- Die Revision meint, die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens sei darauf zugeschnitten, dass der Mandant als juristischer Laie dem Rat seines Rechtsanwalts regelmäßig folgen werde. Für eine solche Annahme sei hingegen kein Raum, wenn sich der Prozessanwalt sowie zwei Rechtsanwälte als Geschäftsführer der beratenen Gesellschaft "auf Augenhöhe" gegenüberstünden. Diese Auffassung trifft nicht zu. Ein Mandant, der selbst Jurist ist, wird einem rechtlich zutreffenden Hinweis seines Rechtsanwalts auf einen Gesichtspunkt , den er selbst übersehen hat, im eigenen Interesse regelmäßig ebenso folgen wie ein juristischer Laie, der wegen fehlender Rechtskenntnis keine eigenständige Prüfung der Rechtslage vorgenommen hat.
- 41
- cc) Entgegen der Auffassung der Revision ist für die Anwendbarkeit dieser Beweisgrundsätze unerheblich, dass die Geschäftsführer der Schuldnerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Vorprozess Sozien der Beklagten zu 1 waren.
- 42
- Soweit das von der Schuldnerin erteilte Mandat durch einen anderen Sozius oder einen bei der Beklagten zu 1 angestellten Rechtsanwalt bearbeitet worden ist, kann bei den Beklagten zu 2 und 3 in deren Eigenschaft als Geschäftsführer der Schuldnerin ebenso wie bei einem außenstehenden Geschäftsführer angenommen werden, diese hätten sich typischerweise der Überzeugungskraft zutreffender rechtlicher Beratung nicht verschlossen. Soweit die Beklagten zu 2 und 3 das Mandat selbst bearbeitet haben, hätten sie als beauftragte Rechtsanwälte ihren Irrtum erkennen müssen, wodurch zugleich ihre unzutreffende Auffassung in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer der Schuldnerin berichtigt worden wäre.
- 43
- Der von den Beklagten vorgebrachte Einwand, die Beklagten zu 2 und 3 hätten in ihrer Eigenschaft als Sozien der Beklagten zu 1 keine andere Rechtsauffassung vertreten können als in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer der Schuldnerin, liefe demgegenüber darauf hinaus, die Haftung einer beauftragten Rechtsanwaltssozietät allein deshalb zu verkürzen, weil das Mandat durch einen Sozius in fremdem Namen erteilt worden ist. Es gibt jedoch keinen Sachgrund für die Einschränkung der anwaltlichen Berufshaftung, wenn das Mandat einer Sozietät durch einen ihrer Sozien erteilt worden ist, der dabei für einen Dritten gehandelt hat.
- 44
- c) Die von den Beklagten dargelegten Umstände entkräften den Anscheinsbeweis nicht, die Schuldnerin hätte bei pflichtgemäßer Beratung durch die Beklagte zu 1 den Vorprozess ohne vorherige Änderung der Satzung nicht geführt.
- 45
- Zwar hatten die wirtschaftlich an der Schuldnerin beteiligten Aktionäre die Beklagte zu 1 schon vor der Gründung der Schuldnerin beauftragt, das Konzept zur Einziehung mutmaßlicher Schadensersatzforderungen umzusetzen. Allein der Umstand, dass die Aktionäre beschlossen hatten, ihre mutmaßlichen Forderungen über die Schuldnerin einziehen zu lassen, erschüttert aber nicht die Vermutung, die Schuldnerin wäre pflichtgemäßer Beratung gefolgt. Vielmehr hätte die Schuldnerin eine pflichtgemäße Aufklärung über die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage an die Aktionäre weiterleiten und die Richtigkeit des entwickelten Konzepts überdenken müssen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass durch eine satzungsmäßige Beschränkung des Geschäftszwecks der Schuldnerin ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz hätte vermieden werden können.
- 46
- 5. Aufgrund der pflichtwidrigen Beratung der Schuldnerin haftet die Beklagte zu 1 dem Kläger in voller Höhe auf Ersatz der Kosten des Vorprozesses, soweit diese von der Schuldnerin zu tragen sind.
- 47
- a) Der Schaden der Schuldnerin besteht in dem Gerichtskostenvorschuss für die erste Instanz des Vorprozesses, soweit er von der Schuldnerin aufgebracht worden ist, sowie in den weiteren Prozesskosten, die gegen die Schuldnerin festgesetzt worden sind. Als adäquat-kausal verursachter und zurechenbarer Nachteil erfasst der Schadensersatzanspruch auch die Kosten des Berufungsverfahrens (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2011 - IX ZR 105/10, WM 2011, 796 Rn. 10 f). Der Kläger kann dabei Schadensersatz in Geld unabhängig davon verlangen, ob die Schuldnerin ihrerseits bereits eine Zahlung auf die im Vorprozess gegen sie ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlüsse geleistet hat. Auch wenn der Schuldnerin vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen nur ein Anspruch auf Befreiung von den Kostenforderungen zugestanden haben sollte, hätte sich der Befreiungsanspruch mit der Insolvenzeröffnung in einen Zahlungsanspruch in Höhe der zu tilgenden Schuld umgewandelt, der in die Masse fällt (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 2001 - IX ZR 195/00, WM 2001, 1476, 1477; vom 17. März 2011 - IX ZR 166/08, WM 2011, 803 Rn. 15).
- 48
- b) Der Anspruch auf Ersatz der gegen die Schuldnerin festgesetzten Prozesskosten ist nicht wegen des von den Beklagten vorgebrachten Einwands des Mitverschuldens (§ 254 BGB) zu kürzen.
- 49
- aa) Der Einwand der Revision geht fehl, der in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht im Vorprozess anwesende Geschäftsführer der Schuldnerin K. hätte den Auftrag zur Rücknahme der Berufung erteilen müssen, nachdem dies vom Senatsvorsitzenden empfohlen worden war, um hierdurch die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren zu verringern. Dass der für die Beklagte zu 1 in der mündlichen Berufungsverhandlung anwesende Beklagte zu 4 die Rücknahme der Berufung empfohlen hätte, behaupten auch die Beklagten nicht. Ein Mitverschulden der Schuldnerin kommt daher nicht in Betracht, weil es gerade die Aufgabe der Beklagten zu 1 war, die Schuldnerin rechtlich zu beraten (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - IX ZR 276/03, WM 2005, 1902, 1903; vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, WM 2009, 369 Rn. 21).
- 50
- bb) Der Ersatzanspruch des Klägers ist auch nicht deshalb zu kürzen, weil er seine Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts im Vorprozess zurückgenommen hat.
- 51
- Das Berufungsgericht hat angenommen, dieser von den Beklagten erst im Berufungsverfahren erhobene Einwand sei nicht hinreichend substantiiert. Die Beklagten hätten nicht dargelegt, weshalb die Prozessgebühr für die Prozessbevollmächtigten der Beklagten des Vorprozesses richtigerweise nur aus dem verminderten Streitwert nach teilweiser Klagerücknahme festzusetzen war, so dass die vom Kläger eingelegte Beschwerde hätte Erfolg haben müssen. Diese Ausführungen enthalten keinen Rechtsfehler.
- 52
- Die Revision zeigt keinen weiteren Sachvortrag der Beklagten in den Tatsacheninstanzen auf zur Frage, dass die Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hätte Erfolg haben müssen. Die Darlegung der Revision, wonach die Klageforderung im Vorprozess zwar nach deren Einreichung beim Landgericht, jedoch noch vor der Zustellung vermindert worden sei, kann gemäß § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden. Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung oblag es dem Berufungsgericht auch nicht, aus der Akte des Vorprozesses von Amts wegen die Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zu ermitteln. Die Frage, ob die Verringerung der Klageforderung vor der Zustellung der Klageschrift einer Festsetzung der Prozessgebühr aus dem ursprünglichen Streitwert nach der im Vorprozess nochanzuwenden Vorschrift des § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO entgegenstand, bedarf daher keiner Entscheidung.
- 53
- 6. Das Berufungsurteil kann jedoch insoweit keinen Bestand haben, als das Berufungsgericht den Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten als nicht verjährt angesehen hat.
- 54
- a) Die von den Beklagten erst in der Berufungsinstanz erhobene Einrede der Verjährung ist zu beachten. Die Einrede der Verjährung kann im Berufungsrechtszug unabhängig davon erhoben werden, ob die Voraussetzungen zur Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel gemäß § 531 Abs. 2 ZPO vorliegen. Dies gilt auch dann, wenn hierdurch eine Beweisaufnahme erforderlich wird (BGH, Urteil vom 18. November 2004 - IX ZR 229/03, BGHZ 161, 138, 144 f; vom 16. Oktober 2008 - IX ZR 135/07, WM 2008, 2307 Rn. 22; Hk-ZPO/ Wöstmann, 4. Aufl., § 531 Rn. 5; offen gelassen bei BGH, Beschluss vom 23. Juni 2008 - GSZ 1/08, BGHZ 177, 212 Rn. 10).
- 55
- b) Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen dessen Auffassung nicht, der Regressanspruch des Klägers sei nicht verjährt.
- 56
- aa) Die Verjährung des primären Schadensersatzanspruchs des Klägers bestimmt sich gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 3, § 6 Abs. 1 EGBGB nach der mit Wirkung zum 15. Dezember 2004 aufgehobenen Vorschrift des § 51b BRAO. Die dreijährige Verjährungsfrist ab Anspruchsentstehung gemäß § 51b Fall 1 BRAO beginnt bei einem Regressanspruch auf Ersatz des Kostenschadens , der dem Mandanten aus einer Klage erwachsen ist, die er bei pflichtgemäßer Beratung nicht erhoben hätte, bereits mit der Erhebung der Klage, weil hiermit ein erster Teil des Schadens in Form der Gerichtskosten entsteht (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2001 - IX ZR 73/00, WM 2001, 1677, 1680 [insoweit nicht in BGHZ 148, 156 abgedruckt]; vom 13. November 2008 - IX ZR 69/07, WM 2009, 283 Rn. 9; vom 3. Februar 2011 - IX ZR 105/10, WM 2011, 796 Rn. 10). Hat die Pflichtverletzung des Rechtsanwalts zu einem ersten Teilschaden geführt, so beginnt damit die Verjährung des Regressanspruchs auch im Hinblick auf voraussehbare künftige Nachteile des Mandanten (BGH, Urteil vom 21. Februar 2002 - IX ZR 127/00, WM 2002, 1078, 1080; vom 3. Februar 2011, aaO; vom 24. März 2011 - IX ZR 197/09, NJW-RR 2011, 858 Rn. 19). Der Primäranspruch auf Ersatz der Kosten eines verlorenen Rechtsstreits, den der Mandant bei pflichtgemäßer Beratung nicht geführt hätte, unterliegt daher auch im Hinblick auf die Kosten der Rechtsmittelinstanz einer einheitlichen Verjährungsfrist. Die Einlegung eines Rechtsmittels gegen das in erster Instanz ergangene Urteil begründet keinen gesonderten, einer eigenständigen Verjährung unterliegenden Primäranspruch (BGH, Urteil vom 13. November 2008, aaO; vom 3. Februar 2011, aaO Rn. 11).
- 57
- bb) Da die Klage im Vorprozess am 3. Dezember 2002 erhoben worden ist, war die dreijährige Primärverjährungsfrist gemäß § 51b Fall 1 BRAO bei Eingang des gegen die Beklagten zu 1 bis 8 gerichteten Prozesskostenhilfegesuchs des Klägers am 8. Dezember 2005 (§ 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB) bereits verstrichen, sofern nicht in der Zwischenzeit die Verjährung gehemmt gewesen ist. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die zwischen den Parteien im August/Oktober 2005 geführte Korrespondenz als Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB zu werten ist, weil jedenfalls ein Sekundäranspruch bestehe. Diese Auffassung hält den Angriffen der Revision nicht stand.
- 58
- (1) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen , dass die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Sekundärverjährung weiterhin anwendbar sind, wenn sich die Verjährung des primären Regressanspruchs nach dem vor dem 15. Dezember 2004 geltenden Recht bestimmt (BGH, Urteil vom 13. November 2008, aaO Rn. 8; vom 3. Februar 2011, aaO Rn. 9; vom 24. März 2011, aaO Rn. 11). Hat der Rechtsanwalt vor der Verjährung des Primäranspruchs Anlass zu prüfen, ob er durch einen Fehler dem Mandanten Schaden zugefügt hat, kommt ein Sekundäranspruch in Betracht, wenn der Rechtsanwalt die gebotene Überprüfung seiner Tätigkeit unterlässt, trotz der Überprüfung seinen Fehler nicht erkennt oder trotz Erkenntnis des Fehlers die gebotene Aufklärung des Mandanten unterlässt (BGH, Urteil vom 23. Mai 1985 - IX ZR 102/84, BGHZ 94, 380, 386; vom 13. November 2008, aaO Rn. 11; vom 24. März 2011, aaO Rn. 14).
- 59
- (2) Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, dass die Pflicht des Rechtsanwalts oder Steuerberaters, den Mandanten bei begründetem Anlass über den gegen sich bestehenden Schadensersatzanspruch sowie dessen kurze Verjährung zu belehren, entfällt, wenn der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Primärverjährung einen Rechtsanwalt damit beauftragt hat, einen möglichen Regressanspruch zu prüfen (BGH, Urteil vom 14. November 1991 - IX ZR 31/91, WM 1992, 579, 581 f; vom 11. Mai 1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386, 392; vom 14. Dezember 2000 - IX ZR 332/99, WM 2001, 736, 739; vom 21. Juni 2001 - IX ZR 73/00, WM 2001, 1677, 1678 [insoweit nicht in BGHZ 148, 156 abgedruckt]; vom 13. April 2006 - IX ZR 208/02, WM 2006, 1450 Rn. 9). Ausweislich der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Korrespondenz haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 13. Oktober 2005 dessen Vertretung angezeigt und die Beklagten zur Zahlung aufgefordert. Jedenfalls nach dem Zugang dieses Schreibens bestand keine Verpflichtung der Beklagten mehr, den Kläger auf die Möglichkeit eines Regressanspruchs sowie dessen Verjährung hinzuweisen.
- 60
- Soweit der Kläger hiergegen im Revisionsverfahren vorgebracht hat, die Belehrungspflicht eines vom Mandanten beauftragten weiteren Rechtsanwalts trete erst dann an die Stelle der Hinweispflicht des früheren Rechtsanwalts, wenn der neue Rechtsanwalt den Fristablauf erkenne oder dieser für ihn offenkundig sei, geht dies fehl. Die von der Revisionserwiderung herangezogenen Grundsätze zur Belehrungspflicht eines in anderer Sache beauftragten Rechtsanwalts (BGH, Urteil vom 13. April 2006, aaO Rn. 11) sind hier nicht anwendbar , weil die vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers von diesem gerade mit dem Ziel der Geltendmachung des Regressanspruchs beauftragt worden sind. Im Übrigen waren der Zeitpunkt der Erhebung der Klage im Vorprozess und damit der Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist offenkundig.
IV.
- 61
- Wegen des Rechtsfehlers ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Sache ist insgesamt nicht zur Endentscheidung (§§ 561, 563 Abs. 3 ZPO) reif.
- 62
- 1. Die gegen die erstbeklagte Sozietät erhobene Klage ist nicht wegen Verjährung abzuweisen, weil die Verjährung möglicherweise durch außergerichtliche Verhandlungen der Parteien gehemmt worden ist (§ 203 BGB).
- 63
- a) Für ein Verhandeln im Sinne des § 203 BGB genügt jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten , sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird. Verhandlungen schweben schon dann, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprü- chen ein. Dafür kann genügen, dass der Anspruchsgegner mitteilt, er habe die Angelegenheit seinem Haftpflichtversicherer zur Prüfung übersandt (BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 - IX ZR 180/04, WM 2007, 801 Rn. 32; vom 3. Februar 2011 - IX ZR 105/10, WM 2011, 796 Rn. 14). Der Begriff der Verhandlungen setzt hingegen nicht voraus, dass die Bereitschaft zum Abschluss eines Vergleichs oder zum Entgegenkommen signalisiert wird (BGH, Urteil vom 14. Juli 2009 - XI ZR 18/08, BGHZ 182, 76 Rn. 16).
- 64
- Der Erklärung, den Vorgang an den eigenen Haftpflichtversicherer weiter geleitet zu haben, ist nicht notwendig zu entnehmen, der in Anspruch Genommene lasse sich auf die Erörterung des geltend gemachten Anspruchs ein. Die Einschaltung des Haftpflichtversicherers kann allein durch die versicherungsvertraglichen Obliegenheiten des Haftungsschuldners bedingt sein, weshalb eine solche Mitteilung nicht als Beginn von Verhandlungen zu werten sein kann, wenn die erhobenen Ansprüche zugleich zurückgewiesen werden (BGH, Urteil vom 3. Februar 2011, aaO Rn. 16 f).
- 65
- b) Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung offen lassen können, ob zwischen den Parteien Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB stattgefunden haben. Der Senat kann diese Beurteilung wegen fehlender tatrichterlicher Feststellungen nicht nachholen. Die vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Schreiben vom 12. August 2005 und vom 13. Oktober 2005 sind beide von der Klägerseite verfasst und lassen nicht erkennen , wie sich die Beklagten zu den Zahlungsaufforderungen verhalten haben. Das von der Revisionserwiderung vorgelegte Schreiben vom 7. Oktober 2005, in welchem die Beklagten eine Stellungnahme nach einem abschließenden Gespräch mit dem Haftpflichtversicherer ankündigen, ist als neuer Sach- vortrag im Revisionsverfahren gemäß § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht berücksichtigungsfähig.
- 66
- c) Aufgrund der vom Berufungsgericht geäußerten Rechtsauffassung, die von den Beklagten erhobenen Einwendungen hätten keine Aussicht auf Erfolg, musste der Kläger nicht mit der Abweisung der Klage wegen Verjährung rechnen. Dem Kläger ist daher gemäß § 139 Abs. 2 ZPO Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag zu geben, weshalb eine Abweisung der Klage durch das Revisionsgericht nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - I ZR 13/95, BGHZ 135, 1, 8; Hk-ZPO/Kayser, aaO § 563 Rn. 3). Das Berufungsgericht wird im zweiten Berufungsdurchgang zu prüfen haben, ob der Kläger den Erklärungen der Beklagten zu 1 die Bereitschaft entnehmen durfte, die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs zu erörtern (§§ 133, 157 BGB).
- 67
- 2. Da ein unverjährter Regressanspruch gegen die Beklagte zu 1 in Betracht kommt, ist auch die gegen die Beklagten zu 2 bis 8 erhobene Klage nicht entscheidungsreif.
- 68
- a) Die Beklagten zu 2 bis 8 haften für den Regressanspruch gegen die Beklagte zu 1 entsprechend § 128 Satz 1 HGB.
- 69
- Im Falle eines mit einer Sozietät geschlossenen Beratungsvertrags haften die Sozien für den gegen die Gesellschaft gerichteten Anspruch wegen Schlechterfüllung in entsprechender Anwendung des § 128 Satz 1, § 129 HGB persönlich (BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 358; vom 7. April 2003 - II ZR 56/02, BGHZ 154, 370, 372 ff, 376 f; vom 22. Januar 2004 - IX ZR 65/01, BGHZ 157, 361, 364). Die persönliche Haftung erstreckt sich dabei auch auf die berufshaftungsrechtlichen Verbindlichkeiten (BGH, Urteil vom 3. Mai 2007 - IX ZR 218/05, BGHZ 172, 169 Rn. 29). Ob diese Haftung im Falle einer Sozietät, der Mitglieder unterschiedlicher Berufsgruppen angehören (gemischte Sozietät, vgl. § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO) auch diejenigen Sozien trifft, die in eigener Person die vertraglich geschuldete Beratung nicht vornehmen dürfen, hat der Senat bislang offen gelassen (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 - IX ZR 44/10, WM 2011, 1770 Rn. 10). Die Frage ist zu bejahen , so dass auch der Beklagte zu 8 persönlich haftet.
- 70
- aa) Auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung, wonach ein Anwaltsvertrag regelmäßig nur mit denjenigen Sozien zustande kommt, die selbst auf dem zu bearbeitenden Rechtsgebiet tätig werden dürfen (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1999 - IX ZR 117/99, WM 2000, 963, 964; vom 17. Februar 2000 - IX ZR 50/98, WM 2000, 1342, 1344 f), erfasste die Haftung wegen Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrags nicht die berufsfremden Sozien, weil diese nicht Vertragspartner wurden. Diese Auffassung beruhte auf der früher zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts in ständiger Rechtsprechung angenommenen Doppelverpflichtungslehre , wonach durch den Abschluss eines Rechtsgeschäfts im Namen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zugleich eine Haftung der Gesamthand und eine persönliche Haftung der Gesellschafter begründet werden (BGH, Urteil vom 15. Juli 1997 - XI ZR 154/96, BGHZ 136, 254, 258 f).
- 71
- Nachdem durch das Grundsatzurteil vom 29. Januar 2001 (II ZR 331/00, BGHZ 146, 341) die eigene Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts anerkannt und die Doppelverpflichtungslehre aufgegeben worden ist, kann - wie ausgeführt - die Sozietät selbst Partei eines Anwaltsvertrags sein (BGH, Urteil vom 26. Januar 2006 - IX ZR 225/04, WM 2006, 830 Rn. 9; vom 5. Februar 2009 - IX ZR 18/07, WM 2009, 669 Rn. 10), und zwar auch dann, wenn dieser neben Rechtsanwälten auch Sozien anderer Berufsgruppen angehören (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 - IX ZR 44/10, WM 2011, 1770 Rn. 7 ff). Damit ist auch die auf der früheren Doppelverpflichtungslehre beruhende Beschränkung der Haftung auf diejenigen Sozien, die in eigener Person berufsrechtlich zur Bearbeitung des Mandats befugt sind, überholt (Vollkommer/ Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 3. Aufl., § 4 Rn. 20; Mennemeyer in Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl., Rn. 123; Jungk in Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 36 Rn. 23; Brandi in Kilian/Offermann-Burckart/vom Stein, Praxishandbuch Anwaltsrecht , 2. Aufl., § 9 Rn. 40; Lux, DStR 2008, 1981, 1982 f; Schodder, EWiR 2008, 523, 524). Das Vertrauen der nicht-anwaltlichen Sozien, für die Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrags nicht zu haften, wird dadurch geschützt, dass die auf der Doppelverpflichtungslehre beruhenden Grundsätze auf solche Anwaltsverträge weiterhin anwendbar sind, die vor dem Erlass der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. Januar 2001 (aaO) geschlossen worden sind (BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - IX ZR 145/05, WM 2008, 1563 Rn. 10; vom 5. Februar 2009, aaO).
- 72
- bb) Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (Rinkler in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 397) kann der nach früherer Rechtsprechung bestandene Ausschluss der Haftung berufsfremder Sozien nicht dadurch aufrecht erhalten werden , dass dem Anwaltsvertrag die konkludente Vereinbarung entnommen wird, die Haftung berufsfremder Sozien werde ausgeschlossen.
- 73
- Auch wenn die Beschränkung der Haftung auf diejenigen Mitglieder einer Sozietät, die das Mandat selbst bearbeiten, unter gesetzlich näher bezeichneten Voraussetzungen selbst durch vorformulierte Vertragsbedingungen zulässig ist (§ 51a Abs. 2 Satz 2 und 3 BRAO, § 67a Abs. 2 StBerG, § 54b Abs. 2 WPO), kann ohne konkrete Anhaltspunkte den Erklärungen der Parteien ein solcher Wille zur Haftungsbeschränkung nicht entnommen werden. Die Haftung derjenigen Sozien, die mit dem Mandat nicht selbst befasst gewesen sind, stellt sich nur dann, wenn die Auslegung der Parteierklärungen (§§ 133, 157 BGB) ergibt, dass der Anwaltsvertrag mit der Sozietät selbst geschlossen worden ist und kein Einzelmandat des sachbearbeitenden Sozietätsmitglieds vorliegt. Ist nach dem Parteiwillen gerade ein Sozietätsmandat einer aus Rechtsanwälten und Steuerberatern bestehenden Sozietät gewollt, so gibt es regelmäßig keinen Grund für die Annahme, die persönliche Haftung solle sich auf einzelne Sozietätsmitglieder beschränken.
- 74
- cc) Soweit angenommen wird, die Regelung des § 8 Abs. 2 PartGG könne auf Sozietäten in der Rechtsform von Gesellschaften bürgerlichen Rechts übertragen werden (Zugehör/Rinkler, aaO Rn. 398; Hirtz in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 8 PartGG Rn. 1; offen gelassen bei BGH, Urteil vom 7. April 2003 - II ZR 56/02, BGHZ 154, 370, 377), kommt dies nicht in Betracht. Eine solche Analogie setzte nicht nur die auf der Grundlage der Doppelverpflichtungslehre vorgenommene Beschränkung der Haftung auf die anwaltlichen Sozien fort, sondern führte weiter gehend - entgegen der Regelung des § 51a Abs. 2 Satz 1 BRAO - eine Haftungskonzentration auf die mit dem Mandat befassten Sozien auch insoweit ein, als diese Rechtsanwälte sind. Ein solcher Analogieschluss ist zudem wegen des Fehlens einer Regelungslücke unzulässig , weil die Haftungskonzentration im Falle der Partnerschaftsgesellschaft gesetzlich gerade nur für diese Rechtsform geschaffen worden ist (vgl. Lux, NJW 2003, 2806, 2807; Römermann, BB 2003, 1084, 1086; ders., NJW 2009, 1560, 1561; K. Schmidt, NJW 2005, 2801, 2805) und zudem im Gegenzug für dieses Haftungsprivileg die Publizität der Gesellschaftsverhältnisse gemäß § 4 Abs. 1, § 7 Abs. 1 PartGG verlangt wird (Hasenkamp, DB 2003, 1166, 1167).
- 75
- b) Da eine Hemmung der Verjährung des gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Regressanspruchs in Betracht kommt, ist auch die gegen die Beklagten zu 2 bis 8 gerichtete Klage nicht unter dem Gesichtspunkt der Verjährung abweisungsreif.
- 76
- aa) Die Hemmung der Verjährung gegenüber der Gesellschaft erfasst nach § 129 HGB grundsätzlich auch die akzessorische Haftung der Gesellschafter (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1978 - II ZR 235/77, BGHZ 73, 217, 223 f; vom 22. September 1980 - II ZR 204/79, BGHZ 78, 114, 119 f; vom 22. März 1988 - X ZR 64/87, BGHZ 104, 76, 81 f; vom 9. Juli 1998 - IX ZR 272/96, BGHZ 139, 214, 217 f [jeweils zur Verjährungsunterbrechung]; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. April 2006 - II ZR 40/05, ZIP 2006, 994 Rn. 15; vom 12. Januar 2010 - XI ZR 37/09, WM 2010, 308 Rn. 41 f; vom 29. November 2011 - X ZR 23/11, ZIP 2012, 698 Rn. 12). Wenn die Verjährung des Regressanspruchs gegen die Beklagte zu 1 wegen Verhandlungen gehemmt worden ist, müssen sich die Beklagten zu 2 bis 8 die Verjährungshemmung daher im Ausgangspunkt ebenfalls entgegenhalten lassen, ohne dass es darauf ankäme, ob die Verhandlungen zugleich über die Haftung der Beklagten zu 2 bis 8 geführt worden sind.
- 77
- bb) Die im Verhältnis zur Gesellschaft eingetretene Hemmung der Verjährung erstreckt sich jedoch nur auf diejenigen Gesellschafter, die der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Hemmung angehören (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1978, aaO S. 224 f; MünchKomm-HGB/K. Schmidt, 3. Aufl., § 129 Rn. 8; Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 129 Rn. 4; Emmerich, HGB, 2. Aufl., § 129 Rn. 10; Oetker/Bosche, HGB, 2. Aufl., § 129 Rn. 4) und erfasst damit nicht die - gemäß § 736 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 160 HGB begrenzte - Nachhaftung ausgeschiedener Sozien (vgl. dazu Zugehör/Rinkler, aaO Rn. 408 ff). Aus dem Berufungsurteil kann zwar entnommen werden, dass zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehralle Beklagten zu 2 bis 8 vor dem Berufungsgericht Gesellschafter der Beklagten zu 1 waren. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht festgestellt, welche der in Anspruch genommenen Sozien zu welchem Zeitpunkt ausgeschieden sind. Sollten Verhandlungen über den Regressanspruch stattgefunden haben, ist daher aufzuklären, welche Sozien der Beklagten zu 1 zum Zeitpunkt der Verhandlungen noch angehört haben und - soweit die Sozien zu diesem Zeitpunkt bereits ausgeschieden waren - ob die Verhandlungen sich auch auf deren persönliche Inanspruchnahme erstreckt haben.
V.
- 78
- Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht die Klageforderung der Höhe nach zu überprüfen haben wird, sofern die Klage nicht wegen Verjährung abzuweisen ist.
- 79
- 1. Nach der Fassung der Urteilsformel des Landgerichts sind die Beklagten verurteilt worden, in der Hauptsache einen Betrag von 142.952,97 € zu zahlen sowie zusätzlich Ersatz für außergerichtliche Kosten zu leisten. Damit ist dem Antrag des Klägers in vollem Umfang stattgegeben worden, der die von der Schuldnerin zu tragenden Kosten des Vorprozesses mit 142.952,97 € beziffert hat. Die Zurückweisung der Berufung in vollem Umfang erfordert daher die Feststellung, dass die Schuldnerin in dieser Höhe mit Kosten belastet worden ist. Im Berufungsurteil wird der Kostenschaden der Schuldnerin aus dem Vorprozess demgegenüber mit einem Betrag von 141.618,56 € beziffert.
- 80
- 2. Im Hinblick auf den geltend gemachten Ersatz für außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass der Kläger diese Kosten aus einer Hauptforderung in Höhe von 175.445,71 € bemessen hat, die er im Rechtsstreit nicht in voller Höhe geltend gemacht hat.
Pape Möhring
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 27.01.2009 - 2b O 246/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.06.2010 - 16 U 31/09 -
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
Mehrere Personen können als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn sie hinsichtlich des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen oder wenn sie aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund berechtigt oder verpflichtet sind.
(1) Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.
(2) Rechtsdienstleistung ist, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1, die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird, einschließlich der auf die Einziehung bezogenen rechtlichen Prüfung und Beratung (Inkassodienstleistung). Abgetretene Forderungen gelten für den bisherigen Gläubiger nicht als fremd.
(3) Rechtsdienstleistung ist nicht:
- 1.
die Erstattung wissenschaftlicher Gutachten, - 2.
die Tätigkeit von Einigungs- und Schlichtungsstellen, Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern, - 3.
die Erörterung der die Beschäftigten berührenden Rechtsfragen mit ihren gewählten Interessenvertretungen, soweit ein Zusammenhang zu den Aufgaben dieser Vertretungen besteht, - 4.
die Mediation und jede vergleichbare Form der alternativen Streitbeilegung, sofern die Tätigkeit nicht durch rechtliche Regelungsvorschläge in die Gespräche der Beteiligten eingreift, - 5.
die an die Allgemeinheit gerichtete Darstellung und Erörterung von Rechtsfragen und Rechtsfällen in den Medien, - 6.
die Erledigung von Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen (§ 15 des Aktiengesetzes).
(1) Eine Verfügung, die ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand trifft, ist wirksam, wenn sie mit Einwilligung des Berechtigten erfolgt.
(2) Die Verfügung wird wirksam, wenn der Berechtigte sie genehmigt oder wenn der Verfügende den Gegenstand erwirbt oder wenn er von dem Berechtigten beerbt wird und dieser für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt haftet. In den beiden letzteren Fällen wird, wenn über den Gegenstand mehrere miteinander nicht in Einklang stehende Verfügungen getroffen worden sind, nur die frühere Verfügung wirksam.
(1) Die Verjährung wird gehemmt durch
- 1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils, - 1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage, - 2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, - 3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1), - 4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer - a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder - b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
- 5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess, - 6.
die Zustellung der Streitverkündung, - 6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird, - 7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, - 8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens, - 9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird, - 10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren, - 10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist, - 11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, - 12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt, - 13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und - 14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.
(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.
(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.
(1) Die Verjährung wird gehemmt durch
- 1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils, - 1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage, - 2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, - 3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1), - 4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer - a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder - b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
- 5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess, - 6.
die Zustellung der Streitverkündung, - 6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird, - 7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, - 8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens, - 9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird, - 10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren, - 10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist, - 11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, - 12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt, - 13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und - 14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.
(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.
(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
Gelangt eine Sache, hinsichtlich derer ein dinglicher Anspruch besteht, durch Rechtsnachfolge in den Besitz eines Dritten, so kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Verjährungszeit dem Rechtsnachfolger zugute.
Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(1) Die Verjährung wird gehemmt durch
- 1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils, - 1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage, - 2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, - 3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1), - 4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer - a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder - b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
- 5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess, - 6.
die Zustellung der Streitverkündung, - 6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird, - 7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, - 8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens, - 9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird, - 10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren, - 10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist, - 11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, - 12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt, - 13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und - 14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.
(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.
(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Beklagte war der Lebensgefährte der am 22. November 2008 verstorbenen Großmutter des Klägers, die von diesem und seinen Geschwistern beerbt worden ist. Die Großmutter schloss im Mai 2006 mit der Raiffeisenbank E. einen Vertrag über die Einrichtung eines Sparkontos. Die Rechte aus dem Vertrag sollten dem Kläger mit dem Tod der Großmutter zustehen, ohne in den Nachlass zu fallen. Die schenkweise Zuwendung seiner Großmutter hatte der Kläger im Zeitpunkt des Vertragsschlusses angenommen. Das Sparkonto wies beim Tod der Großmutter ein Guthaben von 10.767,20 € auf.
- 2
- Der körperbehinderte Kläger absolvierte ab dem 11. September 2006 in einem Reha-Zentrum eine behindertengerechte kaufmännische Ausbildung zum Bürofachhelfer. Er erhielt während dieser Zeit von der Bundesagentur für Arbeit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 97 ff SGB III in Verbindung mit § 33 und §§ 44 ff SGB IX in Form von Ausbildungsgeld in Höhe von 93 € monatlich und Lehrgangskosten, die unmittelbar an den Träger der Maßnahme überwiesen wurden. Der Träger des Reha-Zentrums gewährte dem Kläger freie Kost und Logis und zahlte ihm für die Zeit, während der er in einer eigenen Wohnung lebte, Kostgeld zwischen 60 € und 100 € monatlich. Daneben bezog der Kläger eine monatliche Halbwaisenrente von 183 €.
- 3
- Mit Rücksicht auf den Bezug der Sozialleistungen und die mögliche Pflicht, ein an den Kläger ausgezahltes Sparguthaben anzeigen zu müssen, ließen die Parteien das für den Kläger bestimmte Guthaben auf ein Konto des Beklagten überweisen und vereinbarten, dass dieser zu einer Verfügung hierüber nicht berechtigt sein sollte.
- 4
- Mit der Klage begehrt der Kläger unter Berücksichtigung vom Beklagten verauslagter Beerdigungskosten von 6.885,58 € die Auskehrung des hiernach verbleibenden Betrags von 3.881,62 € nebst Zinsen. Der Beklagte hat hiergegen die Aufrechnung mit verschiedenen, gegen die Erben seiner Lebensgefährtin gerichteten Gegenforderungen erklärt. Die Vorinstanzen haben der Klage entsprochen und eine Aufrechnung für nicht zulässig erachtet. Mit seiner vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
- 5
- Die Revision ist nicht begründet.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht sieht in der Abrede der Parteien eine Treuhandvereinbarung , die den Beklagten nach § 667 BGB verpflichte, den nach zugestandener Verrechnung der Beerdigungskosten verbleibenden Restbetrag des Guthabens an den Kläger auszuzahlen.
- 7
- Die Treuhandvereinbarung sei nicht sittenwidrig, da der Kläger nach der objektiven Rechtslage nicht verpflichtet gewesen sei, den geschenkten Geldbetrag gegenüber der Bundesagentur für Arbeit anzuzeigen. Der noch offene Zahlungsanspruch des Klägers sei nicht durch die Aufrechnung des Beklagten erloschen , da diese nach § 242 BGB ausgeschlossen sei. Aus der Natur, dem Sinn und dem Zweck des Treuhandverhältnisses ergebe sich in der Regel, dass die Aufrechnung mit Gegenforderungen, die ihren Grund nicht in diesem Rechtsverhältnis hätten, ausgeschlossen sei. Das sei hier nicht etwa deshalb anders, weil der Treuhandabrede eine rechtlich bedenkliche Zweckbindung zugrunde liege. Denn es sei nicht davon auszugehen, dass mit der Treuhandabrede ein gesetzlich verbotenes Ziel erreicht worden sei. Tatsächlich habe eine Anzeigepflicht nicht bestanden, so dass die Treuhandabrede lediglich in subjektiver Hinsicht bedenklich gewesen sei.
- 8
- Der Zahlungsanspruch des Klägers sei auch nicht durch eine weitergehende Verrechnungsvereinbarung der Parteien erloschen.
II.
- 9
- Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.
- 10
- 1. Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Berufungsgerichts, dass in der Vereinbarung der Parteien über die Einzahlung des dem Kläger mit dem Tod seiner Großmutter zustehenden Sparguthabens auf ein Konto des Beklagten , der zu einer Verfügung über den Geldbetrag nicht berechtigt sein sollte, eine Treuhandabrede zu sehen ist.
- 11
- 2. Zutreffend ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass das Sparguthaben von 10.767,20 € für die seinerzeit von der Bundesagentur für Arbeit bereits seit mehr als zwei Jahren gewährten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ohne Bedeutung war und nicht zu einer Änderung der bewilligten Leistungen geführt hätte.
- 12
- Aus dem Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 26. September 2006 geht hervor, dass dem Kläger Ausbildungsgeld und andere ergänzende Leistungen (Lehrgangskosten) bewilligt worden sind, wobei die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und die ergänzenden Leistungen mit Ausnahme des Ausbildungsgeldes ohne Anrechnung von Einkommen übernommen werden. Für das Ausbildungsgeld beruht die mögliche Anrechnung des Einkommens auf § 108 in Verbindung mit § 71 SGB III, der auf die Vor- schriften des Vierten Abschnitts des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) Bezug nimmt.
- 13
- Danach gilt im konkreten Fall des Klägers Folgendes:
- 14
- Für das Ausbildungsgeld gelten nach § 104 Abs. 2 SGB III die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe entsprechend, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist. Insofern war im Zeitpunkt des Todes der Großmutter des Klägers in § 108 Abs. 2 Nr. 1 SGB III geregelt, dass das Einkommen des behinderten Menschen aus Waisenrenten bis 235 € monatlich anrechnungsfrei blieb. Diesen Betrag erreichte die Waisenrente des Klägers nicht.
- 15
- Den in § 104 Abs. 2 SGB III in Bezug genommenen Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe (§§ 59 ff SGB III) ist in § 59 Nr. 3 SGB III der Grundsatz zu entnehmen, dass Auszubildende einen Anspruch auf diese Leistung haben, wenn ihnen die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten, die sonstigen Aufwendungen und die Lehrgangskosten (Gesamtbedarf) nicht anderweitig zur Verfügung stehen. Konkretisiert wird dieser Grundsatz durch § 71 SGB III, der in Absatz 2 für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen auf die Vorschriften des Vierten Abschnitts des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (§§ 21-25 BAföG) mit den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen verweist; ausgespart von der Verweisung ist der die Vermögensanrechnung betreffende Fünfte Abschnitt des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (§§ 26-30 BAföG), woraus zu schließen ist, dass es in dem hier interessierenden Zusammenhang hierauf nicht ankommt (vgl. Wagner in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, NK-SGB III, 3. Aufl., § 59 Rn. 25 und § 71 Rn. 8; Schmidt in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck'scher Online-Kommentar Sozialrecht, Stand 1. September 2011, § 71 SGB III).
- 16
- Dabei stellt der Zufluss des Kontoguthabens selbst kein zu berücksichtigendes Einkommen dar (vgl. hierzu näher Gagel/Fuchsloch, SGB II/III, Stand März 2002, § 71 SGB III Rn. 35 mwN). Denn bei dem Kontoguthaben handelt es sich nicht um zur Deckung des Ausbildungsbedarfs bestimmte Einnahmen gemäß § 71 Abs. 2 SGB III, § 21 Abs. 3 Nr. 2 BAföG. Daraus, dass die Großmutter dem Kläger das Kontoguthaben erst mit ihrem Tod und nicht schon zuvor aus Anlass der Ausbildung zugewendet hat, folgt, dass es nicht dem Bestreiten der Ausbildungskosten, sondern der Bildung von Sparvermögen dienen sollte. Es bedarf deshalb keiner Erörterung der Frage, inwieweit freiwillige Leistungen Angehöriger eine Ausbildungsbeihilfe oder gleichartige Leistung im Sinn der Norm darstellen können (vgl. dazu Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Aufl., § 21 Rn. 30). Auch § 21 Abs. 3 Nr. 4 BAföG in Verbindung mit der Verordnung zur Bezeichnung der als Einkommen geltenden sonstigen Einnahmen nach § 21 Abs. 3 Nr. 4 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 5. April 1988 (BGBl. I S. 505) sieht keine Berücksichtigung freiwilliger nicht in Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht gewährter Leistungen Privater vor. Schließlich liegt in der Zuwendung auch kein Einkommen gemäß § 21 Abs. 1 BAföG in Verbindung mit § 2 EStG; insbesondere handelt es sich nicht um "sonstige Einkünfte" im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, § 22 Nr. 3 EStG. Denn die Zuwendung ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Gegenleistung für eine durch ein Tun, Dulden oder Unterlassen bewirkte Leistung (vgl. hierzu BFH, NJW 2005, 319 f) des Klägers.
- 17
- Dass der Kläger, wie die Revision meint, in der verbleibenden Ausbildungszeit aus dem Sparguthaben anrechenbare Kapitalerträge hätte erzielen können, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, ohne dass die Revision auf Sachvortrag Bezug nimmt, der zu entsprechenden Feststellungen hätte führen können.
- 18
- Hinsichtlich der Übernahme der Lehrgangskosten, die in § 109 SGB III als Teilnahmekosten bezeichnet werden und die sich nach den §§ 33, 44, 53 sowie 54 SGB IX bestimmen, verhalten sich die Regelungen zu einer Anrechnung von Einkommen oder Vermögen nicht.
- 19
- 3. Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, dass die getroffene Treuhandabrede nicht deshalb sittenwidrig ist, weil der Kläger im Hinblick auf den seinerzeitigen Bezug von Sozialleistungen der Bundesagentur für Arbeit davon ausgegangen ist, der Geldbetrag müsse im Falle seiner Auszahlung an ihn gegenüber dem Sozialleistungsträger angezeigt werden.
- 20
- a) Die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts kann sich entweder unmittelbar aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts oder aus besonderen hinzutretenden Umständen ergeben (vgl. Staudinger/Sack/Fischinger, BGB, Bearb. September 2011, § 138 Rn. 5; BGB-RGRK/Krüger-Nieland/Zöller, 12. Aufl., § 138 Rn. 25 ff). Nur Letzteres kommt hinsichtlich der Treuhandabrede der Parteien in Betracht. Ob eine solche Umstandssittenwidrigkeit gegeben ist, ist aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller den Vertrag kennzeichnenden Umstände zu beurteilen, namentlich der objektiven Verhältnisse , unter denen der Vertrag zustande gekommen ist, und seiner Auswirkungen sowie der subjektiven Merkmale wie des verfolgten Zwecks und des zugrunde liegenden Beweggrunds. Es geht um seinen aus der Zusammenfassung von Inhalt, Zweck und Beweggrund folgenden (inhaltlichen) Gesamtcharakter (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juni 1988 - IX ZR 285/86, NJW 1988, 2599, 2602; vom 10. Oktober 1997 - V ZR 74/96, NJW-RR 1998, 590, 591; vom 6. Februar 2009 - V ZR 130/08, NJW 2009, 1346 Rn. 10; Staudinger/Sack/Fischinger, aaO Rn. 6; Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 138 Rn. 19; BGB-RGRK/KrügerNieland /Zöller, aaO Rn. 27). Es handelt sich insoweit um ein "Zusammenspiel beweglicher Elemente"; ist ein Element besonders ausgeprägt, kann sich bereits allein aus diesem Element die Sittenwidrigkeit ergeben (vgl. MünchKommBGB /Armbrüster, 6. Aufl., § 138 Rn. 27 ff; Soergel/Hefermehl, aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Juli 1953 - IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228, 232 f).
- 21
- Bezwecken die Parteien mit ihrer Vereinbarung ausschließlich, einen Dritten zu täuschen und einer Partei ihr nicht zugedachte Vorteile zu verschaffen oder den Dritten an der Wahrnehmung seiner Rechte zu hindern, kann die Vereinbarung allein wegen dieses Zwecks sittenwidrig sein. Gleiches gilt für einen Vertrag, durch den die Vertragsparteien einen Dritten durch bewusstes Zusammenwirken schädigen (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 1996 - II ZR 10/95, NJW-RR 1996, 869). Mit den guten Sitten kann ferner ein Geschäft unvereinbar sein, weil es nur dazu dient, private Lasten auf die Allgemeinheit abzuwälzen, insbesondere die sonst nicht gegebenen Voraussetzungen für die Zuwendung öffentlicher Mittel zu schaffen (vgl. BGH, Urteile vom 27. März 1969 - VII ZR 2/67, VersR 1969, 733 f; vom 8. Dezember 1982 - IVb ZR 333/81, BGHZ 86, 82, 88; vom 12. Juli 1985 - V ZR 15/84, NJW 1985, 2953, 2954; Erman/Palm/ Arnold, BGB, 13. Aufl., § 138 Rn. 84). Eine Sittenwidrigkeit ist vor allem dann gegeben, wenn die beteiligten Vertragsparteien ausschließlich bezwecken, eine Straftat vorzubereiten, zu fördern oder zu begünstigen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1990 - VI ZR 162/89, NJW-RR 1990, 1521, 1522; Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., § 138 Rn. 42; MünchKommBGB/Armbrüster aaO Rn. 42; Staudinger /Sack/Fischinger, aaO Rn. 668).
- 22
- b) Gemessen an diesen Maßstäben und den in den angeführten Entscheidungen behandelten Fallgestaltungen hat das Berufungsgericht hier zutreffend eine Sittenwidrigkeit der Treuhandabrede verneint. Wesentlich für die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB ist es, dass das Rechtsgeschäft seinem Gesamtcharakter nach sittenwidrig ist; eine sittlich zu beanstandende Gesinnung der einen oder beider Vertragsparteien genügt hierfür in der Regel nicht. Objektive Nachteile haben sich durch die Vereinbarung der Parteien nicht ergeben, weil eine Pflicht des Klägers, nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I der Bundesagentur für Arbeit im Hinblick auf den laufenden Leistungsbezug das angefallene Sparguthaben anzuzeigen, nicht bestand. Das ist auch durch eine vom Kläger vorgelegte Bestätigung der Bundesagentur für Arbeit vom 30. März 2010 belegt worden. Fehlt es damit an jeder tatsächlichen Verschlechterung der Rechtsstellung eines Dritten, besteht unter den vom Berufungsgericht festgestellten Umständen kein hinreichender Anlass, die Treuhandabrede als sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2011 – V ZR 212/10, NJW-RR 2012, 18 Rn. 10; Soergel/Hefermehl , aaO Rn. 29; Staudinger/Coing, BGB, 11. Aufl., § 138 Rn. 12a).
- 23
- Dem Kläger steht deshalb ein Anspruch auf Auskehrung des nach Verrechnung mit den Beerdigungskosten verbleibenden Restbetrags nach § 667 BGB zu.
- 24
- 4. Dass das Berufungsgericht dem Beklagten die Aufrechnung mit möglichen Ansprüchen gegen den Kläger als Miterben nach seiner Großmutter versagt hat, ist rechtsfehlerfrei.
- 25
- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die vom Berufungsgericht zutreffend wiedergegeben wird, ist die Aufrechnung über die gesetzlich und vertraglich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ausgeschlossen, sofern der besondere Inhalt des zwischen den Parteien begründeten Schuldverhältnisses , die Natur der Rechtsbeziehung oder der Zweck der geschuldeten Leistung eine Erfüllung im Wege der Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen lassen. Namentlich ist aus der Natur des Treuhandverhältnisses hergeleitet worden, dass Sinn und Zweck des Auftrags die Aufrechnung mit Gegenforderungen ausschließen können, die ihren Grund nicht in diesem Rechtsverhältnis haben (vgl. BGH, Urteile vom 29. September 1954 - II ZR 292/53, BGHZ 14, 342, 346 f; vom 11. Januar 1955 - I ZR 106/53, BGHZ 16, 124, 137; Senatsurteile vom 1. Juni 1978 - III ZR 44/77, BGHZ 71, 380, 383; vom 24. Juni 1985 - III ZR 219/83, BGHZ 95, 109, 113; Urteil vom 29. November 1990 - IX ZR 94/90, BGHZ 113, 90, 93).
- 26
- Allerdings besteht selbst bei einem wirksamen Treuhandverhältnis kein generelles Aufrechnungsverbot für den uneigennützigen Treuhänder hinsichtlich aller Gegenforderungen, die auf einem anderen Rechtsgrund beruhen. Denn wegen der Herleitung des Aufrechnungsverbots aus dem Grundsatz von Treu und Glauben muss der Treuhandabrede in der Regel eine rechtlich unbedenkliche Zweckbindung zugrunde liegen, die der Auftragnehmer/Treuhänder nach Sinn und Inhalt des Geschäfts als vorrangig hinzunehmen hat. Wie der Bundesgerichtshof in einem Fall, in dem der Treugeber mit der Treuhandabrede ein gesetzlich verbotenes Ziel verfolgen wollte, der Treuhänder demgegenüber gutgläubig war, entschieden hat, besteht ein Aufrechnungsverbot dann nicht, wenn es im Einzelfall an einem rechtlich anzuerkennenden Interesse des in der Regel schutzwürdigen Vertragspartners fehlt. Insoweit hat der Bundesgerichts- hof ausgeführt, die Verpflichtung des Treuhänders, die Wahrung der eigenen Belange völlig der Verwirklichung des mit dem Treuhandvertrag verfolgten Zwecks unterzuordnen, also bedingungslos die Interessen des Auftraggebers zu wahren, finde nur dann in Treu und Glauben eine Grundlage, wenn deren Schutz rechtlich nicht zu beanstanden sei. Wer dagegen eine Treuhandabrede dazu einsetze, ein gesetzlich verbotenes Ziel zu erreichen, handele selbst nicht in Einklang mit Treu und Glauben und könne sich infolgedessen zur Abwehr der Aufrechnung gegen seine Forderung nicht auf § 242 BGB berufen (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1993 - IX ZR 151/92, NJW 1993, 2041, 2042).
- 27
- Dass das Berufungsgericht trotz dieser auch von ihm angeführten Entscheidung ein Aufrechnungsverbot angenommen hat, beruht indes auf einer vertretbaren Würdigung der von ihm festgestellten Umstände. Dabei ist vor allem hervorzuheben, dass die Treuhandabrede mit keinen Nachteilen für den beteiligten Sozialleistungsträger verbunden war. Zwar mögen die Überlegungen der Parteien im Ansatz dahin gegangen sein, notfalls ein etwa anzurechnendes Vermögen zu verheimlichen, um die ungeschmälerte Fortzahlung der Sozialleistungen zu erreichen. Das berührt aber - wie ausgeführt - die Wirksamkeit der Treuhandabrede nicht. Anders als in der dem Urteil vom 4. März 1993 zugrunde liegenden Fallgestaltung ist es hier dem Beklagten als Treuhänder auch ohne weiteres zumutbar, sich den Interessen des Klägers an der vorbehaltlosen Durchführung der Vereinbarung unterzuordnen, hat er doch gleichsinnig mit ihm zusammengewirkt und, wie seine persönliche Anhörung durch das Berufungsgericht ergeben hat, keine Bedenken gehabt, auf Vorschlag eines Mitarbeiters der Bank das Sparguthaben auf sein eigenes Konto einzahlen zu lassen. Es fehlt daher an einer inneren Rechtfertigung, ihm im Verhältnis zum Kläger eine Aufrechnung mit Gegenforderungen zu gestatten, die nicht aus dem Treuhandverhältnis herrühren.
Seiters Tombrink
Vorinstanzen:
AG Heilbronn, Entscheidung vom 28.12.2009 - 4 C 3011/09 -
LG Heilbronn, Entscheidung vom 14.02.2011 - 5 S 5/10 -
(1) Wird ein nichtiges Rechtsgeschäft von demjenigen, welcher es vorgenommen hat, bestätigt, so ist die Bestätigung als erneute Vornahme zu beurteilen.
(2) Wird ein nichtiger Vertrag von den Parteien bestätigt, so sind diese im Zweifel verpflichtet, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn der Vertrag von Anfang an gültig gewesen wäre.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin ist Treuhänderin nach § 313 InsO in einem vereinfachten Insolvenzverfahren über das Vermögen von J. I. (im Folgenden: Schuldnerin
).
- 2
- Mit notariellem Vertrag vom 3. Juli 2004 verkaufte die Beklagte der Schuldnerin eine vermietete Eigentumswohnung in Krefeld zum Preis von 54.000,00 €. Nach dem Vortrag der Beklagten wurde der Kaufpreis unmittelbar nach dem Notartermin mündlich auf 43.000,00 € reduziert, weil die Schuldnerin nicht zuvor - wie verabredet - die Wohnung vor Ort hatte besichtigen können. Im August 2004 wurde die Schuldnerin in das Grundbuch eingetragen.
- 3
- Die Klägerin hat von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises von 54.000,00 € verlangt. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin Rückzahlung der von der Schuldnerin tatsächlich gezahlten 43.000,00 € verlangt. Das Oberlandesgericht hat der Klage in diesem Umfang stattgeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Das Berufungsgericht bejaht einen Anspruch der Schuldnerin gegen die Beklagte nach § 812 Abs. 1 BGB. Der Kaufvertrag sei nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, da ein besonders grobes Missverhältnis zwischen dem vereinbarten Kaufpreis von 54.000,00 € und dem Wert der Wohnung von 25.000,00 € beste- he. Umstände, welche die dadurch begründete Vermutung einer verwerflichen Gesinnung auf Seiten der Beklagten entkräften könnten, gebe es nicht. Es könne dahinstehen, ob es zu der von der Beklagten behaupteten nachträglichen Kaufpreisreduzierung auf 43.000,00 € gekommen sei, da es für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ausschließlich auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts ankomme.
II.
- 5
- Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
- 6
- 1. Das Berufungsgericht bejaht zu Recht einen Anspruch der Schuldnerin gegen die Beklagte nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion). Die Schuldnerin hat zur Erfüllung des Kaufvertrags durch die finanzierende Bank 43.000,00 € an die Beklagte gezahlt. Diese Zahlung erfolgte ohne Rechtsgrund , da der Kaufvertrag nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist.
- 7
- 2. Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht an, dass der ursprüngliche Kaufvertrag mit einem Preis von 54.000 € nichtig war.
- 8
- a) Ein gegenseitiger Vertrag kann, auch wenn der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nicht erfüllt ist, als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag als sittenwidrig erscheinen lässt. Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob (wovon bei Grundstücksgeschäften bereits dann auszugehen ist, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung), lässt dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zu (Senat, Urteil vom 19. Januar 2001 - V ZR 437/99, BGHZ 146, 298, 302 mwN.).
- 9
- b) Dies ist hier der Fall, weil nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts der Wert der verkauften Wohnung im Zeitpunkt des Ver- kaufs lediglich 25.000,00 €, also weniger als die Hälfte des Kaufpreises von 54.000,00 € betrug. Zwar weist die Revision zutreffend darauf hin, dass dieses grobe Missverhältnis die Klägerin nicht von ihrer Behauptungslast hinsichtlich einer verwerflichen Gesinnung der Beklagten befreit. Den Anforderungen an die Behauptungslast ist jedoch genügt, wenn aus dem Kontext mit dem Vortrag zu einem groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ersichtlich ist, dass die benachteiligte Vertragspartei sich auf die darauf begründete Vermutung beruft (Senat, Urteil vom 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08, NJW 2010, 363 Rn. 19). Das hat die Klägerin getan, indem sie unter Hinweis auf die einschlägige Senatsrechtsprechung die Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags geltend gemacht hat.
- 10
- c) Die aus einem groben Äquivalenzmissverhältnis begründete tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des begünstigten Vertragsteils kommt nur dann nicht zum Tragen, wenn sie im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert ist (Senat, Urteile vom 19. Januar 2001 - V ZR 437/99, BGHZ 146, 298, 305, vom 5. Oktober 2001 - V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 432 und vom 29. Juni 2007 - V ZR 1/06, NJW 2007, 2841, 2842). Die die Vermutung erschütternden Umstände hat die von dem Missverhältnis begünstigte Vertragspartei darzulegen (Senat, Urteil vom 29. Juni 2007 - V ZR 1/06, NJW 2007, 2841, 2982).
- 11
- Daran fehlt es. Den Hinweis der Beklagten auf die Belastung der verkauften Wohnung mit einer Grundschuld von 78.000 € hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als unerheblich angesehen, da sie über den Wert der Wohnung unmittelbar nichts besagt und bei einem Verkauf durch ein im Immobiliengewerbe tätiges Unternehmen in der Regel davon auszugehen ist, dass dieses den Wert der von ihnen veräußerten Grundstücke und Wohnungen zumindest erkennen kann. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 2001 - V ZR 437/99, BGHZ 146, 298, 303; BGH, Urteil vom 14. Juli 2004 - XII ZR 352/00, NJW 2004, 3553, 3555).
- 12
- 3. Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, die von der Beklagten behauptete Ermäßigung des Kaufpreises unmittelbar nach Vertragsschluss sei schon deshalb unerheblich, weil die Sittenwidrigkeit eines Vertrages nicht dadurch beseitigt werden könne, dass der sich sittenwidrige Verhaltende die überhöhte Leistung nachträglich reduziere.
- 13
- a) Richtig an dieser Begründung ist nur der Ausgangspunkt, dass es in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich darauf ankommt, ob das zu beurteilende Rechtsgeschäft bei seiner Vornahme sittenwidrig war (BGH, Urteile vom 15. April 1987 - VIII ZR 97/86, BGHZ 100, 353, 359 und vom 28. Februar 1989 - IX ZR 130/88, BGHZ 107, 92, 96; Senatsurteil vom 26. Januar 2001 - V ZR 408/99, BGH-Report 2001, 448). Für die Feststellung eines besonders groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung und die daran anknüpfende Schlussfolgerung einer verwerflichen Gesinnung sind die objektiven Werte der auszutauschen Leistungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend und nachträgliche Veränderungen grundsätzlich ohne Bedeutung (vgl. Senat, Urteile vom 3. November 1995 - V ZR 102/94, DtZ 1996, 80, 81 und vom 5. Oktober 2001 - V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 431 mwN - st. Rspr.).
- 14
- b) Von nachfolgenden Änderungen der Umstände zu unterscheiden sind jedoch Änderungen des Rechtsgeschäfts selbst (juris-PK/Nassall, 5. Aufl., § 138 Rn. 25). Diese sind bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit eines Vertrags zu beachten (vgl. Senatsurteile vom 26. Januar 2001 - V ZR 408/99, BGH-Report 2001, 448 und vom 29. Juni 2007 - V ZR 1/06, NJW 2007, 2841 Rn. 13; BGH, Urteile vom 27. Januar 1977 - VII ZR 339/74, WM 1977, 399 und vom 15. April 1987 - VIII ZR 97/86, BGHZ 100, 353, 359). Vereinbarungen, mit denen die Parteien die im Ursprungsvertrag vereinbarten Hauptleistungen (über den Kaufgegenstand oder den Preis) ändern, müssen bei der Prüfung, ob das Rechtsgeschäft wegen eines auffälligen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung nach § 138 BGB nichtig ist, grundsätzlich berücksichtigt werden. Die Nichtigkeit des Vereinbarten bestimmt sich nach dem, was die Parteien vertraglich sich einander zu gewähren versprochen haben (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1977 - VII ZR 339/74, WM 1977, 399 f., Senat, Urteil vom 6. Juli 2007 - V ZR 274/06, Rn. 24, juris). Ändern die Parteien das vertragliche Leistungssoll , so verändern sie damit auch die Grundlage für die Beurteilung des Rechtsgeschäfts am Maßstab des § 138 BGB.
- 15
- c) Hätten die Parteien - wie von dem Berufungsgericht unterstellt - sich wirksam auf einen um 11.000 € ermäßigten Kaufpreis geeinigt, wäre der Kauf- vertrag nicht schon wegen des Verhältnisses zwischen dem Kaufpreis und dem Wert der Wohnung als sittenwidrig anzusehen. Der durch ein besonders grobes Äquivalenzmissverhältnis begründeten Vermutung einer verwerflichen Gesinnung seitens der Beklagten fehlte die Grundlage. Ein den Wert der Sache um 72 % übersteigender Preis stellt nämlich noch kein die Vermutung begründendes grobes Missverhältnis dar (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02, NJW 2003, 2529 f. zu einem um 80 % den Wert der Sache übersteigenden Preis).
- 16
- 4. Die Revision bleibt jedoch im Ergebnis ohne Erfolg, da sich die Entscheidung aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig darstellt (§ 561 ZPO). Nachträgliche Vertragsänderungen sind der Prüfung des Vertrags an § 138 Abs. 1 BGB nur dann zugrunde zu legen, wenn sie auch wirksam geworden sind. Daran fehlt es hier.
- 17
- a) Die Änderung einer Preisabrede allein kann nicht zur Wirksamkeit eines nichtigen Kaufvertrags führen. Dem stehen die gesetzlichen Voraussetzungen entgegen, unter denen ein nichtiges Rechtsgeschäft von den Parteien in Kraft gesetzt werden kann. Die Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit erfasst das gesamte Rechtsgeschäft (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1988 - VI ZR 233/87, NJW 1989, 26, 29). Die durch ein Gesetz angeordnete Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts ist - sofern nicht (wie in § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB) etwas anderes bestimmt ist - endgültig (Bork, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 3. Aufl., Rn. 1207; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl., § 44 Rn. 4, S. 796). Das insgesamt nichtige Rechtsgeschäft kann nicht geheilt werden; dazu bedarf es einer Neuvornahme oder einer Bestätigung nach § 141 Abs. 1 BGB, die als eine erneute Vornahme zu beurteilen ist (vgl. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, zweiter Band, 3. Aufl., § 30 Nr. 6, S. 551; Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 141 Rn. 1).
- 18
- Die Unheilbarkeit des nach § 138 BGB nichtigen Rechtsgeschäfts führt allerdings dazu, dass dessen Änderung auch dann nicht die von den Parteien gewollten Rechtsfolgen herbeizuführen vermag, wenn es mit dem veränderten Inhalt unbedenklich und daher gültig gewesen wäre, wenn es von Anfang an so vereinbart worden wäre. Das ist die Folge der im Gesetzgebungsverfahren getroffenen Entscheidung, dem nichtigen Rechtsgeschäft jede rechtliche Wirkung zu versagen und dessen Heilung (auch durch Änderungen oderErgänzungen) auszuschließen (vgl. dazu Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, §§ 139 bis 144, S. 742 f., 754 f.). Das unwirksame Rechtsgeschäft kann von den Parteien nicht geändert oder ergänzt, sondern nur unter Änderungen oder Ergänzungen in Kraft gesetzt werden. Um einem nichtigen Vertrag Rechtswirksamkeit zu verschaffen , müssen sich die Parteien nicht nur über die zur Beseitigung des Nichtigkeitsgrunds erforderlichen Änderungen oder Ergänzungen verständigen, sondern das Geschäft nach § 141 Abs. 1 BGB bestätigen oder insgesamt neu abschließen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1995 - VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371, 377). Soweit sich aus dem Senatsurteil vom 26. Januar 2001 (V ZR 408/99, BGH-Report 2001, 448, 449) etwas anderes ergibt, hält der Senat daran nicht fest.
- 19
- b) Eine Neuvornahme liegt nach dem von dem Berufungsgericht als richtig unterstellten Vorbringen der Beklagten nicht vor. Die Vertragsparteien wollten den Vertrag danach nicht neu abschließen; die von der Beklagten behauptete Einigung beschränkte sich auf eine Ermäßigung des Kaufpreises auf 80 % des im Notarvertrag vereinbarten Betrags.
- 20
- c) Die von der Beklagten behauptete Vereinbarung stellt sich nicht als eine Bestätigung im Sinne von § 141 Abs. 1 BGB dar.
- 21
- aa) Zwar kann eine Bestätigung nicht nur mit einer Vertragsänderung verbunden werden (Senatsbeschluss vom 23. September 1952 - V BLw 113/51, BGHZ 7, 161, 163 und Senatsurteile vom 1. Oktober 1999 - V ZR 168/98, NJW 1999, 3704, 3705 und vom 29. Juni 2007- V ZR 1/06, NJW 2007, 2841 Rn. 14), sondern auch in der Änderungsvereinbarung selbst liegen (BGH, Urteil vom 6. Mai 1982 - III ZR 11/81, NJW 1982, 1981 und vom 29. Juni 2007 - V ZR 1/06, NJW 2007, 2841 Rn. 14). Voraussetzung für eine Bestätigung eines Vertrags nach § 141 Abs. 1 BGB ist allerdings, dass die Vertragsparteien den Grund der Nichtigkeit kennen oder zumindest Zweifel an dessen Rechtsbeständigkeit haben (BGH, Urteil vom 10. Mai 1995 - VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371, 377 und vom 28. November 2008 - BLw 7/08, ZIP 2009, 264, 267 mwN). Eine Bestätigung scheidet dagegen aus, wenn die Parteien das Rechtsgeschäft bedenkenfrei für gültig halten (vgl. BGH, Urteile vom 10. Mai 1995 - VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371, 377 und vom 17. März 2008 - II ZR 239/06, NJW-RR 2008, 1488, 1490). Diese Grundsätze gelten auch für eine Bestätigung, mit der die Vertragsparteien - wie hier - zugleich den nach § 138 Abs. 1 BGB nichtigen Vertrag zu Gunsten der im Ursprungsvertrag besonders benachteiligten Vertragspartei abändern (Senatsurteil vom 29. Juni 2007 - V ZR 1/06, NJW 2007, 2841 Rn. 14).
- 22
- bb) Für einen Bestätigungswillen der Schuldnerin fehlt jeder Anhaltspunkt. Die Beklagte hat nicht vorgebracht, dass die Schuldnerin die Unwirksamkeit des Ursprungsvertrags kannte oder wegen des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung Zweifel an der Wirksamkeit hatte. So etwas wird auch von der Revision nicht aufgezeigt. Das in dem Berufungsurteil wiedergegebene Vorbringen der Beklagten, dass die Schuldnerin kaum über die Sachkunde verfügt habe, um bei der (unterbliebenen) Besichtigung zu einer Werteinschätzung zu gelangen, legt vielmehr nahe, dass seitens der Schuldnerin gegenüber der Beklagten Bedenken wegen des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung nicht aufgetreten sind.
III.
- 23
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Krüger Stresemann Czub Brückner Weinland
LG Krefeld, Entscheidung vom 16.07.2009 - 3 O 100/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 16.12.2010 - I-12 U 142/09 -
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten mit Ausnahme der Restitutionsklage nach § 580 Nummer 8 der Zivilprozessordnung sowie in Verfahren nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 14, Absatz 2 Nummer 1 bis 3 sowie Absatz 4 schuldet die Kosten, wer das Verfahren des Rechtszugs beantragt hat. Im Verfahren, das gemäß § 700 Absatz 3 der Zivilprozessordnung dem Mahnverfahren folgt, schuldet die Kosten, wer den Vollstreckungsbescheid beantragt hat. Im Verfahren, das nach Einspruch dem Europäischen Mahnverfahren folgt, schuldet die Kosten, wer den Zahlungsbefehl beantragt hat. Die Gebühr für den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs schuldet jeder, der an dem Abschluss beteiligt ist.
(2) In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen ist Absatz 1 nicht anzuwenden, soweit eine Kostenhaftung nach § 29 Nummer 1 oder 2 besteht. Absatz 1 ist ferner nicht anzuwenden, solange bei einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz nicht feststeht, wer für die Kosten nach § 29 Nummer 1 oder 2 haftet, und der Rechtsstreit noch anhängig ist; er ist jedoch anzuwenden, wenn das Verfahren nach Zurückverweisung sechs Monate geruht hat oder sechs Monate von den Parteien nicht betrieben worden ist.
(3) In Verfahren über Anträge auf Ausstellung einer Bestätigung nach § 1079 der Zivilprozessordnung, einer Bescheinigung nach § 1110 der Zivilprozessordnung oder nach § 57, § 58 oder § 59 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes schuldet die Kosten der Antragsteller.
(4) Im erstinstanzlichen Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz ist Absatz 1 nicht anzuwenden. Die Kosten für die Anmeldung eines Anspruchs zum Musterverfahren schuldet der Anmelder. Im Verfahren über die Rechtsbeschwerde nach § 20 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes schuldet neben dem Rechtsbeschwerdeführer auch der Beteiligte, der dem Rechtsbeschwerdeverfahren auf Seiten des Rechtsbeschwerdeführers beigetreten ist, die Kosten.
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.
(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.
(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.
Mehrere Personen können als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn sie hinsichtlich des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen oder wenn sie aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund berechtigt oder verpflichtet sind.
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.
(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.
(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.
(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von
- 1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn - a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und - b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
- 2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in - a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder - b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin des Transportversicherers der W. K. GmbH (im Weiteren: K.-GmbH), die mit der Beklagten in ständiger Geschäftsverbindung stand. Der Beklagten oblag es, Warensendungen von den Lieferanten der K.-GmbH zu dieser zu befördern.
- 2
- Am 19. Juni 1998 übernahm ein von der Beklagten beauftragter Frachtführer in Gelsenkirchen von der T. & GmbH Co. KG (im Weiteren: T. GmbH & Co. KG) eine aus vier Paletten bestehende Warensendung und verbrachte diese in das Umschlagslager der Beklagten in Duisburg. Die Paletten enthielten nach dem Vortrag der Klägerin Zahngelenkstangen im Wert von 35.994,88 DM (= 18.403,89 €).
- 3
- Am 5. Februar 1999 mahnte die T. GmbH & Co. KG bei der K.-GmbH die Bezahlung der Zahngelenkstangen an. Die K.-GmbH forderte, nachdem sie bei der Überprüfung des Vorgangs zu dem Ergebnis gekommen war, dass sie die betreffende Warensendung nicht erhalten hatte, die Beklagte mit Schreiben vom 12. Mai 1999 auf, einen Ablieferungsnachweis für die Sendung zu erbringen. Hierzu erklärte sich die Beklagte mit Schreiben vom 21. Mai 1999 außerstande.
- 4
- Die K.-GmbH nahm daraufhin die Rechtsvorgängerin der Klägerin in Anspruch und trat dieser dafür mit Schreiben vom 26. Mai 1999 ihre sämtlichen Ansprüche aus dem Beförderungsvertrag mit der Beklagten ab.
- 5
- Mit ihrer am 22. Juni 2001 bei Gericht eingereichten Klage hat die Klägerin von der Beklagten aus übergegangenem und abgetretenem Recht Zahlung von 35.994,88 DM nebst Zinsen begehrt.
- 6
- Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat gegenüber dem Klageanspruch, soweit dieser auf Vertrag gestützt war, namentlich die Einrede der Verjährung erhoben.
- 7
- Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg.
- 8
- Mit ihrer (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin den Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
- 9
- I. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin für nicht begründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:
- 10
- Das Landgericht habe etwaige Schadensersatzansprüche der K.-GmbH nach § 29 KVO mit Recht als verjährt angesehen. Da die Warensendung noch im Laufe des Monats Juni 1998 habe abgeliefert werden sollen, sei die Jahresfrist des § 40 KVO spätestens Ende Juli 1998 an- und Ende Juli 1999 abgelaufen. Der Klageanspruch unterliege nicht der dreijährigen Verjährungsfrist des mit dem Transportrechtsreformgesetz (vom 25.6.1998, BGBl. I S. 1588 - TRG) neu gefassten § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB. Die Bestimmung des Art. 169 Abs. 1 EGBGB sei anders als die des Art. 169 Abs. 2 EGBGB nicht Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens. Im Übrigen setzte auch die entsprechende Anwendung des Art. 169 Abs. 2 EGBGB voraus, dass die Ansprüche nach dem alten Recht durch die gesetzliche Neuregelung keine grundlegende sachliche Änderung erfahren hätten; der neue § 439 HGB stelle aber keine die § 40 KVO, § 439 HGB a.F. lediglich abändernde Verjährungsvorschrift, sondern eine die alten Haftungsregelungen verschärfende Haftungsanordnung dar, da danach die bislang nur bei vorsätzlicher Schadensverursachung geltende Sanktion der Verlängerung der Verjährungsfrist nunmehr auch schon bei leichtfertiger Schadensverursachung eingreife.
- 11
- Das Landgericht sei auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin , soweit sie wegen des geltend gemachten Verlusts der Zahngelenkstangen Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB geltend gemacht habe, im vollen Umfang darlegungs- und beweisbelastet sei und - soweit sie überhaupt eine pflichtwidrige Schädigungshandlung der Beklagten schlüssig dargelegt habe - diese jedenfalls nicht habe beweisen können.
- 12
- II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 13
- 1. Keinen Rechtsfehler erkennen lässt allerdings die - von der Revision auch nicht angegriffene - Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe ihre auf § 823 Abs. 1 BGB gestützten Schadensersatzansprüche womöglich schon nicht schlüssig dargelegt, jedenfalls aber nicht zu beweisen vermocht.
- 14
- 2. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht angenommen, dass die durch das Transportrechtsreformgesetz neu gefasste Vorschrift des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB für die Verjährung des von der Klägerin geltend gemachten vertraglichen Anspruchs nicht maßgebend ist.
- 15
- a) Wie der Senat bereits entschieden hat, gilt für das im Handelsgesetzbuch geregelte Speditions- und Transportrecht der in Art. 170 und Art. 232 § 1 EGBGB enthaltene Grundsatz, dass sich Inhalt und Wirkung eines Schuldverhältnisses nach der zum Zeitpunkt seiner Entstehung geltenden Rechtslage richten, sofern kein Dauerschuldverhältnis betroffen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 16.7.1998 - I ZR 44/96, TranspR 1999, 19, 21 = VersR 1999, 254; BGHZ 149, 337, 343 m.w.N.; BGH, Urt. v. 13.2.2003 - I ZR 128/00, TranspR 2003, 255, 256 f. = VersR 2003, 1017).
- 16
- b) Eine Ausnahme von dem genannten Grundsatz findet sich allerdings in Art. 169 Abs. 1 EGBGB. Danach gilt für die Verjährung, soweit es nicht um deren Beginn, Hemmung oder Unterbrechung geht, grundsätzlich das neue Recht. Der Schuldner hat kein Recht auf den Fortbestand der bisherigen Verjährungsmöglichkeit ; er wird daher durch eine Verlängerung der Verjährung nicht unzumutbar belastet. Von diesem Grundsatz gehen auch die detaillierten Verjährungsvorschriften anlässlich der Herstellung der deutschen Einheit (Art. 231 § 6 Abs. 1 EGBGB) und der Modernisierung des Schuldrechts (Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB) aus.
- 17
- aa) Bei Einführung einer kürzeren als der bislang geltenden Verjährungsvorschrift ist die Verjährung gemäß Art. 169 Abs. 2 EGBGB vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts an zu berechnen. Die Frage, ob sie spätestens zu dem Zeitpunkt abläuft, zu dem sie nach dem früheren Recht vollendet gewesen wäre, war vom Bundesgerichtshof für das geänderte Transportrecht bislang noch nicht zu entscheiden (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.2005 - I ZR 18/03, Umdr. S. 8).
- 18
- bb) Auch für den - im Streitfall gegebenen - umgekehrten Fall der Verlängerung der Verjährung enthält das Transportrechtsreformgesetz keine Bestimmung. Es gilt demnach entsprechend Art. 169 Abs. 1 EGBGB das neue Recht. Danach ist hier zwar für den Beginn der Verjährung noch das alte Recht maßgebend, für deren Dauer aber die längere neue Frist (vgl. RGZ 24, 266, 271 f.; Kipp in: Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 9. Aufl., Erster Band, Frankfurt a.M. 1906, § 32 Fn. 10; MünchKomm.BGB/Grothe, 3. Aufl., Art. 169 EGBGB Rdn. 3). Eine spezielle Regelung, wie sie etwa beim Erlass des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts in Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB (vgl. dazu die Begründung zu Art. 229 § 5 Abs. 2 EGBGB des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6040, S. 273: "Diese Vorschrift stellt ein Novum gegenüber Art. 231 § 6 und Art. 169 [EGBGB] dar."; Gsell, NJW 2002, 1297 Fn. 2; vgl. auch BGH, Urt. v. 26.10.2005 - VIII ZR 359/04, Umdr. S. 7 f.) getroffen wurde, enthält das neue Recht nicht. Auf die längere Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB für den auf leichtfertiges Verhalten gestützten Schadensersatzanspruch aus § 29 KVO könnte sich die Klägerin daher nur dann nicht berufen, wenn das neue Transportrecht gegenüber dem bisher geltenden Recht eine vollständige rechtliche Neugestaltung der Ansprüche im Sinne einer "Systemänderung" enthielte (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.1973 - IV ZR 35/73, NJW 1974, 236, 237 f.; BGHZ 138, 24, 37 f. m.w.N.). Entgegen der vom Berufungsgericht vorgenommenen Beurteilung hat die Haftung des Frachtführers im Bereich des innerstaatlichen Güterfernverkehrs mit Kraftfahrzeugen infolge der Ersetzung der Bestimmungen der Kraftverkehrsordnung durch die an deren Stelle getretenen §§ 407 ff. HGB jedoch keinen solchen grundlegenden Wandel erfahren. Das Transportrecht wurde insoweit einem einheitlichen Vertragsrechtssystem zugeführt, ohne dass der Grundsatz der Haftung auf Schadensersatz bei Verschulden in Frage gestellt wurde.
- 19
- III. Danach konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es war aufzuheben.
- 20
- Das Berufungsgericht hat bislang - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - noch nicht geprüft, ob der Beklagten ein leichtfertiges Verhalten i.S. des § 435 HGB zur Last fällt und der Klägerin daher ein gemäß dem dann anzuwendenden § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB noch unverjährter vertraglicher Anspruch zusteht. Die Sache war daher zur Nachholung der entsprechenden Feststellungen an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
- 21
- Diese wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.
Bergmann Schaffert
Vorinstanzen:
LG Duisburg, Entscheidung vom 21.02.2002 - 21 O 98/01 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 04.12.2002 - 18 U 68/02 -
(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.
(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.
(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.
(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von