Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juni 2017 - 1 StR 458/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:200617B1STR458.16.0
bei uns veröffentlicht am20.06.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 458/16
vom
20. Juni 2017
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
________________________
1. Für die Frage, wann Schuldspruch und Strafzumessung so miteinander verknüpft
sind, dass ein die Strafbarkeit erhöhender oder mindernder Umstand
eine doppelrelevante Tatsache darstellt, kommt es neben der besonderen
Lage des Einzelfalls auf die Trennbarkeit von den bindenden Feststellungen
an.
2. Ob es sich dabei um einen Umstand handelt, der der Tatausführung das
entscheidende Gepräge gibt, von ihm also nicht trennbar ist, wird von dem
Grundsatz der Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit der Urteilsgründe bestimmt.
3. Die Gewerbsmäßigkeit als Handlungsmotivation im Rahmen der Verwirklichung
eines Regelbeispiels ist – anders als die von der Bindungswirkung erfassten
subjektiven Elemente der Tatbegehung – in der Regel vom Tatgeschehen
abtrennbar, ohne die innere Einheit der Urteilsgründe zu gefährden.
ECLI:DE:BGH:2017:200617B1STR458.16.0
BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 StR 458/16 – LG München I
in der Strafsache gegen

wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 20. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts München I vom 22. Juni 2016, soweit es ihn betrifft, aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
In einem ersten Rechtsgang wurde der Angeklagte S. wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in 35 Fällen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken, in einem Fall auch in Tateinheit mit Inverkehrbringen von bedenklichen Arzneimitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat durch Beschluss vom 25. November 2015 das Urteil wegen eines Verfahrensfehlers im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2
Nach Rechtskraft des Schuldspruchs ist der Angeklagte S. nunmehr zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Hiergegen wendet er sich mit der Sachrüge.
3
Das Rechtsmittel hat Erfolg; der Strafausspruch, über den allein noch zu entscheiden war, weist durchgreifende Rechtsfehler auf; denn das Landgericht hat den Umfang der innerprozessualen Bindung an die Feststellungen des ersten in dieser Sache ergangenen Urteils verkannt.
4
1. Es hat Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten S. getroffen, welche aber fast wortgleich mit denen des ersten Urteils sind. Des Weiteren hat es – freilich unnötigerweise (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 9. April 2015 – 4 StR 585/14, NStZ 2015, 600 und vom 4. Dezember 1984 – 1 StR 430/84, NJW 1985, 638) – über mehrere Seiten wörtlich wiedergegeben , welche Feststellungen im ersten Rechtsgang getroffen worden waren. Ungeachtet des Aufhebungsumfangs hat es dieses Urteil soweit zitiert, als es darin heißt, die Angeklagten „handelten dabei in der Absicht, sich durch den wiederholten Verkauf der Präparate eine Einnahme von einiger Dauer und eini- gem Umfang zu erschließen“ bzw. „er handelte dabei bereits damals in der Ab- sicht, sich durch den wiederholten Verkauf der Präparate eine Einnahme von einiger Dauer und einigem Umfang zu erschließen“. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht nur ausgeführt, dass sich der Strafrahmen aus § 95 Abs. 3 AMG ergebe, die Regelwirkung nicht entfalle und diesen erhöhten Strafrahmen sodann zugrunde gelegt. In der Liste der angewendeten Vorschriften – gegenüber dem Urteil im ersten Rechtsgang unverändert – findet sich § 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 lit. b AMG. Diese Vorschrift erfasste u.a. das gewerbsmäßige Handeln als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles des vorsätzlichen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport. Eigene, mit ei- ner eigenständigen Beweiswürdigung belegte Feststellungen zur gewerbsmäßigen Handlungsweise des Angeklagten oder eine Bewertung derselben hat es nicht getroffen.
5
2. Allein ausweislich der Liste der angewendeten Vorschriften ergibt sich, dass das Landgericht § 95 Abs. 3 Nr. 2 lit. b AMG zugrunde gelegt hat. Die Anwendung dieser Strafzumessungsregel ist für sich genommen im Ergebnis nicht zu beanstanden, auch wenn die Vorschrift seit dem 18. Dezember 2015, mithin zur Zeit des Urteils – vom Landgericht nicht ersichtlich in den Blick genommen – nicht mehr galt.
6
a) Gemäß § 2 Abs. 1 StGB findet das sogenannte Tatzeitprinzip Anwendung , wonach sich die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, welches zur Zeit der Tat galt. Im Tatzeitraum galt § 95 Abs. 3 Nr. 2 lit. b AMG. Abweichend von diesem Tatzeitprinzip kann sich die Strafbarkeit gemäß § 2 Abs. 3 StGB nach dem Meistbegünstigungsprinzip bestimmen. Danach ist das mildeste Gesetz anzuwenden (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 25. November 2014 – 5 StR 527/14, wistra 2015, 99 mwN), wenn sich die Gesetzeslage seit der Beendigung der Tat geändert hat. Dem entspricht es, dass der Schutzzweck des Art. 103 Abs. 2 GG insoweit auf die rückwirkende Anwendung neuen materiellen Rechts zuungunsten des Täters beschränkt ist, wobei sowohl die rückwirkende Strafbegründung als auch die rückwirkende Strafverschärfung hiervon erfasst wird (BVerfG, Urteil vom 20. März 2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135 Rn. 67 ff.; Kammerbeschluss vom 22. August 1994 – 2 BvR 1884/93, NJW 1995, 315; Beschluss vom 26. Februar 1969 – 2 BvL 15/68 Rn. 72, BVerfGE 25, 269, 284 ff.).
7
b) Im vorliegenden Fall hat sich das Gesetz seit der Tatbegehung geändert. § 95 Abs. 3 Nr. 2 lit. b i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 2 lit. a AMG ist zum 17. Dezember 2015 außer Kraft getreten. Das dort geregelte Unrecht – Inverkehrbringen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken – ist jedoch seitdem in § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes gegen Doping im Sport (Anti-Doping-Gesetz) erfasst.
8
c) Dieses neue Recht erweist sich aber für den Angeklagten im konkreten Einzelfall nicht als günstiger. Denn eine Betrachtung des alten und neuen Gesetzes als jeweils Ganzes ergibt keine Begünstigung des Angeklagten durch das neue Recht. So hat zwar § 95 Abs. 3 Nr. 2 lit. b AMG für die Fälle der gewerbsmäßigen Begehung einen besonders schweren Fall vorgesehen, der einen Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren eröffnete. Bei Entfallen der Regelwirkung sah der Normalstrafrahmen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor. Im neuen Gesetz ist für die gewerbsmäßige Begehung allerdings ein Qualifikationstatbestand vorgesehen, der den Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren enthält (§ 4 IV Nr. 2 lit. b Anti-Doping-Gesetz), für den Fall der Annahme eines minder schweren Falls steht ein abgesenkter Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren zur Verfügung (§ 4 V Anti-Doping-Gesetz).
9
Damit verbleibt es bei der Anwendbarkeit des zur Tatzeit geltenden Rechts.
10
3. Jedoch hat das Landgericht diese Strafzumessungsregel auf Feststellungen des Urteils im ersten Rechtsgang gestützt, die – weil hier allein den Strafausspruch betreffend – durch den Beschluss des Senats im ersten Revisionsverfahren mit aufgehoben waren (vgl. jeweils zur gewerbsmäßigen Begehung BGH, Beschlüsse vom 29. Mai 2012 – 3 StR 156/12, wistra 2012, 356; vom 22. April 2008 – 3 StR 52/08; allgemein zu besonders schweren Fällen und vom 16. Februar 2000 – 3 StR 24/00, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teil- rechtskraft 18; a.A. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 353 Rn. 20 unter Bezugnahme auf die oben zitierten Entscheidungen, die diese Ansicht jedoch nicht tragen; abw. noch bis zur 57. Aufl.). Den Strafzumessungserwägungen fehlt insoweit die tatsachengestützte Grundlage und eine eigene Bewertung dieser Tatsachen.
11
a) Hebt das Revisionsgericht ein Urteil in Anwendung des § 353 Abs. 2 StPO im Strafausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen auf, so bezieht sich diese Aufhebung auf solche Umstände tatrichterlicher Sachverhaltsfeststellung , die ausschließlich die Straffrage betreffen. Hinsichtlich des nicht beanstandeten Schuldspruchs tritt Teilrechtskraft ein. Tatrichterliche Feststellungen , die ausschließlich die Schuldfrage betreffen, und solche, die als doppelrelevante Umstände zugleich für Schuld- und Straffrage von Bedeutung sind, bleiben aufrechterhalten und sind für das weitere Verfahren bindend (BGH, Beschlüsse vom 27. Oktober 2015 – 3 StR 363/15, StV 2017, 520; vom 10. Juni 2015 – 1 StR 217/15 und vom 29. September 2009 – 3 StR 301/09, NStZ-RR 2010, 74; Urteil vom 14. Januar 1982 – 4 StR 642/81, BGHSt 30, 340; kritisch Grünwald JR 1980, 303, 305; ders. JZ 1966, 106, 109; Kemper, Horizontale Teilrechtskraft des Schuldspruchs, 1993).
12
Eine Bindung des neuen Tatgerichts an das insoweit teilweise aufgehobene Urteil besteht in der Regel hinsichtlich festgestellter Sachverhaltsumstände , in denen die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftat gefunden worden sind und an solche Bestandteile der Sachverhaltsschilderung , aus denen das frühere Tatgericht im Rahmen der Beweiswürdigung seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten abgeleitet hat. Hierunter sollen solche Umstände fallen, die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben, zum Beispiel die Umstände schildern, die der Tatausführung das entscheidende Gepräge gegeben haben (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 – 3 StR 363/15, StV 2017, 520; Urteil vom 12. Juni 2014 – 3 StR 139/14, NStZ 2015, 182; Beschluss vom 29. September 2009 – 3 StR 301/09, NStZ-RR 2010, 74; Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317; Beschlüsse vom 17. November 1998 – 4 StR 528/98, StV 1999, 417 und vom 11. Dezember 1986 – 1 StR 574/86, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 1; Urteil vom 14. Januar 1982 – 4StR 642/81, BGHSt 30, 340; Beschluss vom 17. Dezember 1971 – 2 StR 522/71, BGHSt 24, 274; enger BGH, Urteil vom 6. Mai 1981 – 2 StR 105/81: Umstand bezieht sich auch auf den Schuldspruch; BGH, Urteil vom 24. März 1981 – 1 StR 688/80, NStZ 1981, 448: untrennbar mit dem Schuldspruch verbunden ; vgl. auch LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 353 Rn. 29 ff.). Es kann von den Schuldspruch lediglich illustrierenden, ihn aber nicht beeinflussenden Tatsachen gesprochen werden (vgl. Bruns, Teilrechtskraft und innerprozessuale Bindungswirkung des Strafurteils, 1961, S. 58, 81 ff. mwN und mit einer kritischen Darstellung der die Bindungswirkung ausweitenden Entwicklung der Rechtsprechung).
13
Insoweit darf der neue Tatrichter keine neuen, den bisherigen widersprechende Feststellungen treffen und seiner Entscheidung zugrunde legen (BGH, Beschlüsse vom 31. Oktober 1995 – 1 StR 454/95, NStZ-RR 1996, 203; vom 21. Oktober 1987 – 2 StR 345/87, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 4 und vom 21. Mai 1987 – 2 StR 166/87, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 2). Dies folgt aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit und damit notwendigen Widerspruchsfreiheit der Entscheidung, der unabhängig davon Gültigkeit beansprucht, ob ein Urteil über die Schuld- und Straffrage gleichzeitig entscheidet , oder ob nach rechtskräftigem Schuldspruch die Strafe aufgrund einer zum Strafausspruch erfolgreichen Revision neu festgesetzt wird (BGH, Urteil vom 9. April 2015 – 4 StR 585/14; Beschlüsse vom 21. Oktober 1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359 und vom 19. Dezember 1956 – 4 StR 524/56, BGHSt 10, 71, 74; diff. Kemper aaO S. 322, 329). Der neue Tatrichter muss die bestehen gebliebenen Feststellungen deswegen weder wiederholen noch hierauf Bezug nehmen (BGH, Urteil vom 9. April 2015 – 4 StR 585/14, NStZ 2015, 600; Beschluss vom 13. Mai 2003 – 1 StR 133/03, StraFo 2003, 384; Urteil vom 24. September 1987 – 4 StR 413/87, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft

3).


14
b) Das Merkmal der gewerbsmäßigen Begehung nach § 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 lit. b AMG ist – anders als bei der Ausgestaltung der Gewerbsmäßigkeit als Qualifikationstatbestandsmerkmal, wie z.B. in § 152a Abs. 3 StGB oder § 4 Abs. 4 Nr. 2 lit. b Anti-Doping-Gesetz – kein tatbestandsbegründendes und mithin den Schuldspruch unmittelbar tragendes Element. Es handelt sich nach der Gesetzestechnik um ein Regelbeispiel für einen Straferschwerungsgrund (Raum in Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2. Aufl., § 95 Rn. 47 mwN). Zwar charakterisieren solche Regelbeispiele ähnlich wie selbständige Qualifikationstatbestände einen erhöhten, in der Regel zur Strafrahmenverschiebung führenden Unrechts- und Schuldgehalt. Dennoch sind die Merkmale der Regelbeispiele keine Tatbestandsmerkmale, da ihre Indizwirkung durch das Hinzutreten von besonderen strafmildernden Umstände entkräftet werden kann (grundsätzlich hierzu BGH, Urteil vom 31. März 2004 – 2 StR 482/03, NJW 2004, 2394). Damit handelt es sich auch nicht um den Schuldspruch tragende Feststellungen. Infolgedessen muss für sie gelten, was für andere Umstände gilt, welche die Strafbarkeit erhöhen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359 und vom 16. Februar 2000 – 3 StR 24/00, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 18).
15
c) Die gewerbsmäßige Begehung nach § 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 lit. b AMG stellt jedenfalls im hier vorliegenden Fall auch keinen doppelrelevanten Umstand in dem beschriebenen Sinne dar.
16
aa) Für die Frage, wann Schuldspruch und Strafzumessung so miteinander verknüpft sind, dass ein die Strafbarkeit erhöhender oder mindernder Umstand eine doppelrelevante Tatsache darstellt, kommt es neben der besonderen Lage des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1981 – 1 StR 688/80, NStZ 1981, 448; Beschluss vom 21. Oktober 1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359 mit der Darstellung der Entwicklung der Rechtsprechung; Beschluss vom 24. Juli 1963 – 4 StR 168/63, BGHSt 19, 46, 48; Ernemann in Festschrift für Meyer-Goßner, S. 619, 622) auf die Trennbarkeit von den bindenden Feststellungen an (BGH, Urteil vom 24. März 1981 – 1 StR 688/80, NStZ 1981, 448: untrennbar mit dem Schuldspruch verbunden; Beschluss vom 21. Oktober 1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359; gegen die Annahme einer Trennbarkeit Kemper aaO S. 201 ff., 257 ff. mwN, der selber von „100 % Doppelrelevanz“ und einem umfassenden Beweiserhebungsgebot zum Strafzumessungssachverhalt ausgeht). Die Bestimmung, ob es sich um einen Umstand handelt, der der Tatausführung das entscheidende Gepräge gibt, es mithin im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreibt, wird dabei von dem Grundsatz der Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit der Urteilsgründe überwölbt und daran ausgerichtet. Hierin liegt der Unterschied zum prozessualen Tatbegriff nach § 264 StPO, der der Bestimmung der Reichweite der Kognitionspflicht des Gerichts und des bei Aburteilung eintretenden Strafklageverbrauchs dient (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2016 – 3 StR 186/16, StraFo 2017, 26 mwN; Radtke in Hohmann/Radtke, StPO, § 264 Rn. 6 ff.). Geschichtlicher Vorgang in einem von der inneren Einheit der Urteilsgründe – und nicht wie beim prozessualen Tatbegriff von der Vermeidung einer unnatürlichen Aufspaltung ei- nes einheitlichen Lebensvorganges – geprägten Sinne sind danach die den Schuldspruch näher beschreibenden Feststellungen über die einzelnen, auch außertatbestandlichen Tatmodalitäten, die Handlungsabläufe und die Identität der Handelnden, die über das Mindestmaß an Tatsachen hinausgehen, ohne das der Schuldspruch überhaupt keinen Bestand hätte (BGH, Urteil vom 14. Januar 1982 – 4 StR 642/81, BGHSt 30, 340; enger noch RG, Urteil vom 29. Januar 1935 – 4 D 981/34, RGSt 69, 110, 114). Ist es danach möglich, einen Umstand herauszulösen und insoweit abweichende Feststellungen zu treffen , ohne die innere Einheit der Urteilsgründe in Frage zu stellen, wird es sich in der Regel nicht um eine doppelrelevante Tatsache handeln.
17
bb) Dem entspricht es, dass eine Beurteilung, ob der Strafschärfungsgrund des gewerbsmäßigen Handelns gegeben ist, in der Regel möglich ist, ohne dass die bestandskräftigen Feststellungen hierdurch berührt werden. Denn die dieser Beurteilung zugrunde liegenden Tatsachen sind nach der „Denkfolge“, die das Gericht bei derEntscheidung einzuhalten hat, abtrennbar (vgl. zur gleichgelagerten Frage der Beschränkbarkeit des Rechtsmittels, BGH, Beschluss vom 24. Juli 1963 – 4 StR 168/63, BGHSt 19, 46, 48). Die gewerbsmäßige Begehung hat auf das eigentliche Tatbild keinen Einfluss, ist für die Tatausführung nicht entscheidend prägend, so dass die innere Einheit der Urteilsgründe ohne eine Bindungswirkung grundsätzlich nicht gefährdet ist. Das unterscheidet dieses Regelbeispiel auch von den Regelbeispielen des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Nr. 2 oder Nr. 4 StGB, die Umstände des äußeren Tatgeschehens als strafschärfendes Merkmal erfassen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359: Doppelrelevanz in der Regel gegeben [zur Beschränkbarkeit des Rechtsmittels]; vgl. aber auch BGH, Beschluss vom 16. Februar 2000 – 3 StR 24/00, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teil- rechtskraft 18: Doppelrelevanz für Voraussetzungen und Anwendbarkeit besonders schwere Fälle pauschal abgelehnt).
18
cc) Eine solche, eben nicht durch die Tat im Sinne von § 264 StPO geprägte Auslegung des Begriffs der doppelrelevanten Tatsachen wird belegt durch die diesbezügliche Handhabung der Voraussetzungen und der Anwendbarkeit des § 21 StGB durch die Rechtsprechung. Danach sind die Feststellungen zur erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit ausschließlich dem Rechtsfolgenausspruch zugehörig (BGH, Beschlüsse vom 27. Oktober 2015 – 3StR 363/15, StV 2017, 520; vom 16. Februar 2000 – 3 StR 24/00, BGHR StPO § 353 II Teilrechtskraft 18 und vom 10. Mai 1995 – 2 StR 160/95, BGHR StPO § 353 II Teilrechtskraft 16; kritisch hierzu Ernemann in Festschrift für Meyer-Goßner, S. 619, 622). Zwar handelt es sich bei den Voraussetzungen des § 21 StGB um Umstände, die im Rahmen des konkreten geschichtlichen Vorkommnisses nach § 264 StPO im Sinne eines zeitlich abgeschlossenen Vorgangs verwirklicht sind. Sie sind aber – jedenfalls solange das Revisionsgericht bei der vorhergehenden Entscheidung eine Beeinflussung des Schuldspruchs durch Annahme von nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit ausschließen konnte – vom Schuldspruch in der Regel widerspruchsfrei trennbar und für das Gepräge der Tatausführung nicht entscheidend. Eine vom ersten Urteil abweichende Beurteilung der Voraussetzungen des § 21 StGB würde das Tatgeschehen nicht im Sinne eines anderen geschichtlichen Vorgangs umschreiben (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NJW 2006, 3794; Beschlüsse vom 17. November 1998 – 4 StR 528/98, StV 1999, 417 und vom 31. Oktober 1995 – 1 StR 454/95, NStZ-RR 1996, 203). Es mag zwar im Einzelfall denkbar sein, dass die neu festgestellten Anknüpfungspunkte für die Voraussetzungen des § 21 StGB den bindenden Feststellungen zum Tathergang (vgl. BGH aaO; Beschlüsse vom 17. November 1998 – 4 StR 528/98, NStZ 1999, 149 und vom 3. November 1998 – 4 StR 523/98, NStZ 1999, 154; Urteil vom 14. Januar 1982 – 4 StR 642/81, BGHSt 30, 340) hierzu widersprechen, an solchen Feststellungen wäre das Tatgericht allerdings schon nach den allgemeinen Regeln im Hinblick auf die innere Einheit der Urteilsgründe gehindert (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2000 – 3 StR 24/00, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 18).
19
d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht vor dem Hintergrund, dass subjektive Elemente der Tatbegehung wie Beweggründe bzw. das tatauslösende Moment (BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 – 3 StR 139/14, NStZ 2015, 182; Beschlüsse vom 16. Mai 2002 – 3 StR 124/02, NStZ-RR 2003, 101 und vom 11. Dezember 1987 – 2 StR 635/87, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 5; Urteile vom 14. Januar 1982 – 4 StR 642/81, BGHSt 30, 340 und vom 6. Mai 1981 – 2 StR 105/81; zum Motiv BGH, Urteil vom 24. März 1981 – 1 StR 688/80, NStZ 1981, 448; Beschluss vom 23. Februar 1978 – 2 StR 728/78 hatte die Frage der Doppelrelevanz des Tatmotivs noch offengelassen) als doppelrelevante Tatsachen anzusehen sind, die trotz Aufhebung des Strafausspruchs das neu zuständige Tatgericht binden. Dafür, dass die Gewerbsmäßigkeit nach der bisherigen Rechtsprechung hiervon nicht erfasst sein soll, spricht schon, dass die diese betreffenden und eine Bindungswirkung insoweit eindeutig verneinenden Entscheidungen (BGH, Beschlüsse vom 29. Mai 2012 – 3 StR 156/12, wistra 2012, 356 und vom 22. April 2008 – 3 StR 52/08; vgl. allgemein zu besonders schweren Fällen BGH, Beschluss vom 16. Februar 2000 – 3 StR 24/00, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 18) zu keinem Zeitpunkt aufgegeben oder relativiert worden sind (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 – 3 StR 139/14, NStZ 2015, 182: weitgehende Formulierung hinsichtlich der Bindungswirkung: nur insoweit keine Bindung als nicht zum Tatgeschehen gehörend; Beschluss vom 27. Oktober 2015 – 3 StR 363/15, StV 2017, 520 [sog. Rückläufer zu 3 StR 139/14]: Feststellungen zur erheblich verminderten Schuldfähigkeit gehören nur zum Rechtsfolgenausspruch).
20
Zwar handelt es sich bei der Gewerbsmäßigkeit auch um eine Handlungsmotivation. Denn gewerbsmäßig handelt, wer sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen will. Liegt diese Absicht vor, ist bereits die erste Tat als gewerbsmäßig begangen einzustufen, auch wenn es entgegen den ursprünglichen Intentionen des Täters zu weiteren Taten nicht kommt. Ob die Angeklagten gewerbsmäßig gehandelt haben, beurteilt sich nach ihren ursprünglichen Planungen sowie ihrem tatsächlichen, strafrechtlich relevanten Verhalten über den gesamten ihnen jeweils anzulastenden Tatzeitraum (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 181). Demnach hebt sich die Gewerbsmäßigkeit als Handlungsmotivation aber von den von der Bindungswirkung erfassten subjektiven Elementen der Tatbegehung ab. Während letztere das Tatgeschehen maßgeblich prägen, von ihm als geschichtlichen Vorgang nicht loslösbar sind, ohne denselben umzuschreiben , gilt dies für die Gewerbsmäßigkeit in der Regel nicht. Das liegt daran , dass der maßgebliche Bezugspunkt für die zugrunde liegende besondere subjektive Einstellung des Täters – anders als das Merkmal des Eigennutzes (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1981 – 1 StR 688/80, NStZ 1981, 448) oder die Gewinnabsicht (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 1987 – 2 StR 635/87, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 5) – nicht die konkrete Tat ist, sondern darüber hinausreicht. Der besondere Unrechtsgehalt liegt gerade in der auf die Begehung weiterer Taten gerichteten Planung. Die die Gewerbsmäßigkeit begründenden Umstände können deswegen in der Regel hinzugedacht oder hinweggedacht werden, ohne dass der den Schuldspruch tragende Geschehensablauf hiervon berührt würde.
21
Solchen Feststellungen freilich, die darauf hinausliefen, der Angeklagte habe bei den Taten nicht mit der Absicht gehandelt, Einkünfte zu erzielen, würde die Bindungswirkung entgegenstehen. Denn der Tatbestand des Inverkehrbringens ist ausweislich der Feststellungen des ersten Urteils durch Verkauf der Substanzen verwirklicht worden. Dieser Umstand gehört damit zu den den Schuldspruch tragenden, das Tatgeschehen prägenden und mithin bindenden Feststellungen. Ob aber dieser Verkauf von der Absicht getragen war, zukünftig weitere solche Taten zu begehen, um sich hieraus eine nicht unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen, kann das neu zuständige Tatgericht regelmäßig und auch im vorliegenden Fall prüfen und bewerten, ohne sich mit dem bindend gewordenen Teil der Feststellungen in Konflikt zu setzen.
Graf Jäger Cirener Radtke Bär

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(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

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(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 29. August 2014 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht Essen hatte den Angeklagten B.     im ersten Rechtsgang am 1. Februar 2013 wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, Diebstahls in vier Fällen und Hehlerei unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 23. Februar 2012 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem weiteren Fall zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Der Senat hatte auf die Revision der Staatsanwaltschaft das Urteil im Strafausspruch betreffend die Fälle des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und im Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. Das Landgericht hat nunmehr eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten und eine weitere Einzelstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt.

2

Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil hat keinen Erfolg. Die Strafzumessung der Strafkammer weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Auch die Gesamtstrafenbildung begegnet entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts keinen Bedenken.

3

Die Bemessung der neu festgesetzten Strafen in den Fällen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen und der Gesamtstrafe beruht auf einer tragfähigen Grundlage. Das Landgericht brauchte nicht nochmals die im Ersturteil mitgeteilten Feststellungen zur Person und zu den Vorstrafen des Angeklagten zu treffen, weil infolge der Bestätigung der wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, Diebstahls in vier Fällen und Hehlerei verhängten Einzelstrafen auch die diese tragenden Feststellungen zur Person und zu den Vorstrafen bestehen geblieben sind.

4

Das Revisionsgericht muss bei jeder aufhebenden Entscheidung prüfen, ob und inwieweit die gefundene Gesetzesverletzung auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen einwirkt; in diesem Umfange müssen auch die Feststellungen aufgehoben werden (BGH, Urteil vom 27. November 1959 - 4 StR 394/59, BGHSt 14, 30, 34). Wird nur ein Teil der Verurteilung mit den diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen aufgehoben, werden die übrigen Teile der Entscheidung bestandskräftig mit der Folge der Bindung des mit der zurückgewiesenen Sache befassten Tatrichters an die ihnen zugrunde liegenden nicht aufgehobenen tatsächlichen Grundlagen. Dies gilt auch, wenn das Revisionsgericht - wie der Senat in seiner ersten Entscheidung - den Schuldspruch und einen Teil der Einzelstrafen bestätigt, weitere Einzelstrafen (sowie die Gesamtstrafe) dagegen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben hat. Die teilweise Aufhebung erfasste in diesem Fall die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und zu den Vorstrafen des Angeklagten nicht, weil diese Umstände zugleich für die rechtskräftig abgeschlossenen Fälle von Bedeutung waren und eine Aufhebung den rechtskräftigen Einzelstrafen ihre Grundlage entzogen hätte (offen gelassen von BGH, Urteil vom 13. Oktober 1981 - 1 StR 471/81, BGHSt 30, 225, 227). Bei einer solchen Fallgestaltung sind lediglich ergänzende Feststellungen zugelassen, die mit den bindend gewordenen ein einheitliches und widerspruchsfreies Ganzes bilden müssen.

5

Dies folgt auch aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit (inneren Einheit) und damit notwendigen Widerspruchsfreiheit der Entscheidung, der unabhängig davon Gültigkeit beansprucht, ob ein Urteil über die Schuld- und Straffrage gleichzeitig entscheidet, oder ob nach rechtskräftigem Schuldspruch die Strafe aufgrund einer zum Strafausspruch erfolgreichen Revision neu festgesetzt wird. Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Urteils verbietet selbst dann widersprüchliche Feststellungen zur Person des Angeklagten und seinen Vorstrafen, wenn von der Teilaufhebung prozessual selbständige Taten betroffen waren (vgl. zu den Tatfeststellungen BGH, Beschluss vom 28. März 2007 - 2 StR 62/07, NJW 2007, 1540, 1541; Urteil vom 10. Mai 2007 - 4 StR 11/07). Der neue Tatrichter muss die bestehen gebliebenen Feststellungen weder wiederholen noch hierauf Bezug nehmen (BGH, Beschluss vom 13. Mai 2003 - 1 StR 133/03, StraFo 03, 384).

6

Das Landgericht durfte daher die aus dem früheren Urteil - wörtlich in Anführungsstriche gesetzt - wiedergegebenen Feststellungen zur Person des Angeklagten, die auch die für die Gesamtstrafenbildung notwendigen Angaben zu der einzubeziehenden Verurteilung enthalten, bei der eigenen Strafzumessung berücksichtigen. Darüber hinaus hat es eigene ergänzende Feststellungen zur Person des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung getroffen und hierbei die positive Entwicklung des Angeklagten nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft berücksichtigt.

Sost-Scheible                                   Roggenbuck                                    Franke

                            Mutzbauer                                       Quentin

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 5 Absatz 1 ein Arzneimittel in den Verkehr bringt oder bei anderen anwendet,
2.
entgegen § 6 Absatz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 2, jeweils auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 3, ein Arzneimittel in den Verkehr bringt oder bei einem anderen Menschen anwendet,
2a.
(weggefallen)
2b.
(weggefallen)
3.
entgegen § 7 Abs. 1 radioaktive Arzneimittel oder Arzneimittel, bei deren Herstellung ionisierende Strahlen verwendet worden sind, in den Verkehr bringt,
3a.
entgegen § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder Absatz 2, auch in Verbindung mit § 73 Abs. 4 oder § 73a, Arzneimittel oder Wirkstoffe herstellt, in den Verkehr bringt oder sonst mit ihnen Handel treibt,
4.
entgegen § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 oder 3 mit Arzneimitteln, die nur auf Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden dürfen, Handel treibt oder diese Arzneimittel abgibt,
5.
Arzneimittel, die nur auf Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden dürfen, entgegen § 47 Abs. 1 an andere als dort bezeichnete Personen oder Stellen abgibt oder entgegen § 47 Abs. 2 Satz 1 bezieht oder
5a.
entgegen § 47a Abs. 1 ein dort bezeichnetes Arzneimittel an andere als die dort bezeichneten Einrichtungen abgibt oder in den Verkehr bringt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen
a)
die Gesundheit einer großen Zahl von Menschen gefährdet,
b)
einen anderen der Gefahr des Todes oder einer schweren Schädigung an Körper oder Gesundheit aussetzt oder
c)
aus grobem Eigennutz für sich oder einen anderen Vermögensvorteile großen Ausmaßes erlangt oder
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3a gefälschte Arzneimittel oder Wirkstoffe herstellt oder in den Verkehr bringt und dabei gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 527/14
vom
25. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. November 2014 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Kiel vom 20. Mai 2014, soweit es diesen Angeklagten betrifft
, nach § 349 Abs. 4 StPO in den Einzelstrafaussprüchen zu
den Fällen 1 bis 5, 7, 9 und 11 sowie im Gesamtstrafenausspruch
aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen
aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in acht Fällen, wegen versuchten Diebstahls in zwei Fällen und wegen Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verübte der Angeklagte meist im Zusammenwirken mit Mittätern eine Serie von – teils versuchten – Diebstahlstaten. Ferner setzte er mit einem Mittäter ein zuvor gestohlenes Kraftfahrzeug in Brand, um Spuren zu vernichten. Nach seiner Festnahme legte er im Zuge einer „Lebensbeichte“ ein umfassendes Geständnis ab und be- zeichnete Mittäter (UA S. 20).
3
Das Landgericht hat wegen der geleisteten Aufklärungshilfe hinsichtlich der Brandstiftung am Kraftfahrzeug (§ 306 Abs. 1 Nr. 4 StGB) die Regelung des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB angewandt und die hierfür verhängte Einzelstrafe nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert (Einsatzstrafe von einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe). Hingegen hat es in Bezug auf die Taten 1 bis 5, 7, 9 und 11 (jeweils „besonders schwerer Diebstahl“ nach § 243 Abs. 1 StGB) eine Anwendung des § 46b StGB nicht erwogen.
4
2. Hiergegen bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.
5
a) Allerdings weist der Generalbundesanwalt mit Recht darauf hin, dass die Verfahrensweise des Landgerichts in Einklang steht mit § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB in der Fassung des am 1. August 2013 in Kraft getretenen 46. StrÄndG vom 10. Juni 2013 (BGBl. I S. 1497). Seither muss – in wesentlicher Einengung der vormals geltenden Regelung – zwischen der durch den „Aufklärungshelfer“ aufgedeckten Katalogtat(hier allein der Brandstiftung) und dessen eigener Straftat ein Zusammenhang gegeben sein. Daran würde es hier fehlen. Die Voraussetzungen bandenmäßiger Begehung hat das Landgericht rechtsfehlerfrei verneint. Die vorliegend gegebene jeweils spontane Verübung von Straftaten aus einem eher losen Zusammenschluss von latent tatgeneigten Personen heraus kann dem – eng zu verstehenden – Zusammenhangserfordernis aber nicht genügen (vgl. auch Regierungsentwurf eines 46. StrÄndG in BT-Drucks. 17/9695, S. 8 f.).
6
b) Jedoch hat der Angeklagte sämtliche Taten vor dem 1. August 2013 begangen. Da ihm im Blick auf das in § 2 Abs. 3 StGB normierte „Meistbegünstigungsprinzip“ die Wohltaten des „alten“ Rechts erhalten bleiben müssen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. März 2010 – 3 StR 65/10, NStZ 2010, 523, 524; vom 26. Oktober 2010 – 4 StR 495/10, BGHR StGB § 2 Abs. 3 Gesetzesänderung 17), hätte das Landgericht entsprechend der zur Tatzeit geltenden Fassung des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB die Strafmilderung ungeachtet eines Zusammenhangs hinsichtlich jeder der aus einem Strafrahmen mit erhöhtem Mindestmaß entnommenen Einzelstrafe prüfen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2010 – 5 StR 182/10, BGHSt 55, 153, 156 f.; Urteil vom 20. März 2014 – 3 StR 429/13, StV 2014, 619, 620 Rn. 15, jeweils mwN). Das ist rechtsfehlerhaft nicht geschehen.
7
3. Trotz der durchgehend überaus milden Strafbemessung vermag der Senat nicht völlig auszuschließen, dass das Landgericht in den relevanten Fällen zu dem Angeklagten noch günstigeren Einzelstrafen gelangt wäre, wenn es die Voraussetzungen des § 46b Abs. 1 Satz 1 StGB aF insoweit erwogen und bejaht hätte. Die betroffenen Einzelstrafaussprüche können daher keinen Bestand haben, was zugleich dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage entzieht.
8
4. Die Feststellungen werden durch den Wertungsfehler nicht berührt und können daher bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisher getroffenen nicht widersprechen.
Sander Schneider Dölp
König Bellay

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 2 Absatz 1, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 2, ein Dopingmittel herstellt, mit ihm Handel treibt, es, ohne mit ihm Handel zu treiben, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt oder verschreibt,
2.
entgegen § 2 Absatz 2, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 2, ein Dopingmittel oder eine Dopingmethode bei einer anderen Person anwendet,
3.
entgegen § 2 Absatz 3 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, jeweils auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder Satz 2, ein Dopingmittel erwirbt, besitzt oder verbringt,
4.
entgegen § 3 Absatz 1 Satz 1 ein Dopingmittel oder eine Dopingmethode bei sich anwendet oder anwenden lässt oder
5.
entgegen § 3 Absatz 2 an einem Wettbewerb des organisierten Sports teilnimmt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen § 3 Absatz 4 ein Dopingmittel erwirbt oder besitzt.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 strafbar.

(4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
durch eine der in Absatz 1 Nummer 1, 2 oder Nummer 3 bezeichneten Handlungen
a)
die Gesundheit einer großen Zahl von Menschen gefährdet,
b)
einen anderen der Gefahr des Todes oder einer schweren Schädigung an Körper oder Gesundheit aussetzt oder
c)
aus grobem Eigennutz für sich oder einen anderen Vermögensvorteile großen Ausmaßes erlangt oder
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 oder Nummer 2
a)
ein Dopingmittel an eine Person unter 18 Jahren veräußert oder abgibt, einer solchen Person verschreibt oder ein Dopingmittel oder eine Dopingmethode bei einer solchen Person anwendet oder
b)
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 4 ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1, 2 oder Nummer 3 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(7) Nach Absatz 1 Nummer 4, 5 und Absatz 2 wird nur bestraft, wer

1.
Spitzensportlerin oder Spitzensportler des organisierten Sports ist; als Spitzensportlerin oder Spitzensportler des organisierten Sports im Sinne dieses Gesetzes gilt, wer als Mitglied eines Testpools im Rahmen des Dopingkontrollsystems Trainingskontrollen unterliegt, oder
2.
aus der sportlichen Betätigung unmittelbar oder mittelbar Einnahmen von erheblichem Umfang erzielt.

(8) Nach Absatz 2 wird nicht bestraft, wer freiwillig die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Dopingmittel aufgibt, bevor er es anwendet oder anwenden lässt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 156/12
vom
29. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 29. Mai 2012 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 22. Dezember 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
I. Der Angeklagte war durch Urteil des Landgerichts vom 22. Februar 2011 wegen Betruges in drei Fällen, Untreue in 33 Fällen und Bankrotts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Außerdem hatte das Landgericht festgestellt, dass von der verhängten Freiheitsstrafe neun Monate als vollstreckt gelten.
2
Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat den Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte (neben zwei durch Verwerfung der Revision im Übrigen in Rechtskraft erwachsenen weiteren Fällen) im Tatkomplex II. 3. der Urteilsgründe des Betruges in 18 Fällen sowie des versuchten Betruges in zwei Fällen schuldig sei. Außerdem hatte er das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Untreue in 33 Fällen und Bankrotts verurteilt worden war, im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 3. der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
3
Das Landgericht hat nach Einstellung der im ersten Durchgang als Untreue und Bankrott bewerteten Taten nach § 154 Abs. 2 StPO den Angeklagten "wegen Betruges in 22 Fällen, davon in zwei Fällen im Versuch, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt" und wieder- holt, dass von der "verhängten Freiheitsstrafe … neun Monate als vollstreckt" gelten.
4
Die dagegen gerichtete und auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachbeschwerde Erfolg.
5
II. Das Landgericht hat, soweit ihm eine Festsetzung der Einzelstrafen noch oblag, die versuchten und vollendeten Betrugstaten als besonders schwere Fälle (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB) beurteilt. Es hat dazu das Urteil vom 22. Februar 2011 im Anschluss an die Eingangsbemerkung, der "Verurteilung" lägen "damit folgende Feststellungen zu Grunde", wörtlich dahin zitiert, der Angeklagte habe jeweils in der Absicht gehandelt, "sich durch die fortge- setzte Begehung von Betrugstaten … eine nichtnur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen". Eigene, mit einer eigenständigen Beweiswürdigung belegte Feststellungen (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2012 - 2 StR 592/11) zur gewerbsmäßigen Handlungsweise des Angeklagten hat es nicht getroffen.
6
Damit hat das Landgericht seine Beurteilung auf Feststellungen des Urteils vom 22. Februar 2011 gestützt, die - weil die Strafzumessung betreffend (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2008 - 3 StR 52/08, juris Rn. 5) - durch den Beschluss des Senats im ersten Revisionsverfahren mit aufgehoben waren. Dies führt zur Aufhebung der Einzelstrafen sowie des Gesamtstrafausspruchs; denn das Fehlen eigener entscheidungserheblicher Feststellungen des Tatrichters ist ein sachlich-rechtlicher Mangel, der auf die allgemeine Sachrüge hin zu beachten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 2007 - 2 StR 62/07, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Tenorierung 1).
7
III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass der neue Tatrichter eigene - und nicht nur ergänzende - Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten zu treffen haben wird (BGH, Beschluss vom 25. Juni 1999 - 3 StR 239/99, NStZ-RR 2000, 39 mwN; MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., § 353 Rn. 19).
Becker Pfister Hubert Schäfer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 52/08
vom
22. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 22. April
2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 26. Oktober 2007 im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 23 bis 25 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht Hannover hatte den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen (Fälle 23 bis 25 der Urteilsgründe) sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung von zwei rechtskräftigen Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Dieses Urteil hat der Senat auf die Revision der Staatsanwaltschaft im Fall der Verurteilung wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 21 der Urteilsgründe) sowie im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache an das Landgericht Hildesheim zurückverwiesen (Urteil vom 19. April 2007 3 StR 75/07).
2
Das Landgericht Hildesheim hat den Angeklagten nunmehr im Fall 21 der Urteilsgründe wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt (Einzelstrafe: ein Jahr und zwei Monate Freiheitsstrafe ). Es hat für die drei Fälle des Handeltreibens Einzelstrafen von jeweils einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe verhängt und den Angeklagten unter erneuter Einbeziehung der zwei rechtskräftigen Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit sachlichrechtlichen Angriffen. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
3
Während die Überprüfung der Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, können die für die bereits rechtskräftig gewordenen Schuldsprüche wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen erkannten Freiheitsstrafen wiederum nicht bestehen bleiben; ihnen fehlt die notwendige Tatsachengrundlage.
4
Das Landgericht hat die drei Taten nunmehr jeweils als besonders schwere Fälle des gewerbsmäßigen Handeltreibens (§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG) beurteilt und dazu ausgeführt: "Bereits nach den insoweit rechtskräftigen Feststellungen des Landgerichts Hannover hat der Angeklagte H. die Gewinne aus dem Betäubungsmittelhandel zur Deckung seines Le- bensunterhalts genutzt. Er hat sich somit durch den Verkauf der Betäubungsmittel eine weitere Erwerbsquelle von nicht unerheblichem Ausmaß verschafft und somit gewerbsmäßig gehandelt" (UA S. 18).
5
Damit hat das Landgericht Hildesheim seine Beurteilung auf Feststellungen des Landgerichts Hannover gestützt, die - weil zur Rechtsfolgenfrage gehörend (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 353 Rdn. 20) - durch das Urteil des Senats aufgehoben waren. Dass es hierzu eigene Feststellungen getroffen hat, kann nach der klaren Bezugnahme auf das frühere Urteil nicht angenommen werden. Dies muss zur Aufhebung der Einzelstrafen in diesen drei Fällen sowie des Gesamtstrafausspruchs führen.
RiBGH von Lienen ist erkrankt und deshalb an der Unterschrift gehindert Becker Pfister Becker Hubert Schäfer

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 363/15
vom
27. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 27. Oktober 2015 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 10. Juni 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den bereits aufgrund des Urteils des Landgerichts Hannover vom 23. April 2012 rechtskräftig des Mordes für schuldig befundenen Angeklagten zur lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere seiner Schuld festgestellt. Die hiergegen gerichtete, auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.


2
Das Landgericht Hannover hatte den Angeklagten durch Urteil vom 23. April 2012 wegen Mordes zu 14 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Senat dieses Urteil, soweit es den Angeklagten betraf, durch Urteil vom 20. Dezember 2012 (3 StR 426/12, StV 2013, 629) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Das Landgericht hatte die Anwendung des gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemäß § 46b StGB nicht rechtsfehlerfrei begründet. Im Umfang der Aufhebung hatte der Senat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3
Durch Urteil vom 12. August 2013 hatte das Landgericht Hannover den Angeklagten sodann (wiederum) zur Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Diese Entscheidung hatte der Senat auf die Revision der Staatsanwaltschaft durch Urteil vom 12. Juni 2014 (3 StR 139/14, NStZ 2015, 182) mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen. Dieses Urteil des Landgerichts Hannover hatte der rechtlichen Nachprüfung nicht standgehalten, da es gegen den Grundsatz der innerprozessualen Bindung an nicht aufgehobene Feststellungen des früheren Urteils vom 23. April 2012 verstoßen hatte. Das Landgericht war in seiner neuen Entscheidung aufgrund der auch in der zweiten Hauptverhandlung abgegebenen Einlassung des Angeklagten davon ausgegangen, dass während dessen Aufenthalts in der Wohnung des Opfers bei ihm das Verlangen hinzugekommen sei, den durch Erinnerungen an Kindheitserlebnisse aufkommenden Hass an dem Tatopfer auszulassen und einem Gefühl, sich gegen zuvor erlebtes Unrecht wehren zu müssen, nachzugeben, indem er das Opfer umbringt. Auf der Grundlage dieser neuen Feststellungen hatte die sachverständig beratene Strafkammer - anders als die Strafkammer im früheren Urteil - angenommen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB gewesen sei und hatte den Strafrahmen des § 211 Abs. 1 StGB gemäß § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Indes hatte das Landgericht in seinem ersten Urteil die diesen zusätzlichen Feststellungen zugrunde liegende Einlassung des Angeklagten als widerlegt angesehen und festgestellt, dass beide Täter sich schon vor ihrem Aufbruch zum Tatort einig waren, dass der Angeklagte das Tatopfer töten sollte und dass es dabei (allein) um die Erlangung von Laptops und den Bezug der Wohnung des Opfers ging. Diese Feststellungen waren durch die Entscheidung des Senats nicht aufgehoben worden und für den neuen Tatrichter daher bindend. Diese Bindungswirkung hatte das Landgericht bei seinen neuen Feststellungen, die den bisherigen widersprachen, nicht beachtet.

II.


4
Das angefochtene Urteil des Landgerichts Hildesheim hält der aufgrund der Sachbeschwerde des Angeklagten veranlassten materiell-rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat es versäumt, (selbst) zu prüfen und zu entscheiden, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB gewesen ist.
5
Im Einzelnen:
6
1. Allerdings ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass die Schuldfähigkeit eines Täters keiner näheren Prüfung und Erörterung bedarf, wenn Anhaltspunkte für ihre Beeinträchtigung völlig fehlen (vgl. LK/Schöch, StGB, 12. Aufl., § 20 Rn. 234 mwN). Werden jedoch tatsächliche Gründe behauptet (§ 267 Abs. 2 StPO) oder liegen Umstände vor, die den Ausschluss oder die (erhebliche) Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB auch nur möglich erscheinen lassen, so bedarf es regelmäßig - gegebenenfalls unter Heranziehung eines Sachverständigen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 5 StR 542/08, NStZ-RR 2009, 115; MüKoStGB/Streng, 2. Aufl., § 20 Rn. 162 ff.; LK/Schöch aaO, Rn. 236 f.) - von Amts wegen ihrer Prüfung, Erörterung und Darlegung im Urteil (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 20 Rn. 19 mwN; S/S-Perron/Weißer, 29. Aufl., § 20 Rn. 45; Schäfer /Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1416).
7
Gemessen daran war hier die Prüfung und Erörterung der Schuldfähigkeit des Angeklagten sachlich-rechtlich geboten.
8
a) Dies ergibt sich schon aus den vom Landgericht im angefochtenen Urteil - zutreffend selbst getroffenen - Feststellungen zum Lebensweg des Angeklagten und seiner Persönlichkeit: Danach schlugen der Vater und die Stiefmutter den Angeklagten häufig und sperrten ihn wiederholt über längere Zeit ein. Sein Vater missbrauchte ihn sexuell. Kurz vor seinem siebten Lebensjahr kam der Angeklagte wegen der Inhaftierung seines Vaters in ein Heim und wuchs in den Folgejahren in verschiedenen Heimen auf, weil es stets nach nicht allzu langer Zeit zu Problemen kam. In einem dieser Heime kam es zu sexuellen Übergriffen auf ihn mit Oral- und Analverkehr durch ältere Mitbewohner. Der Angeklagte fiel durch Schreianfälle auf, war leicht erregbar, fühlte sich schnell angegriffen und zeigte neben einem geringen Selbstwertgefühl auch Kontaktschwierigkeiten. Außerdem provozierte, bedrohte und beschimpfte er Mitmenschen. Ab April 1997 wurde der - damals sieben Jahre alte - Angeklagte psychotherapeutisch und im Jahr 1998 erstmals stationär psychiatrisch behandelt. In den Folgejahren kam es wegen zunehmender Verhaltensauffälligkeiten und Selbstschädigungen zweimal für mehrere Monate zu weiteren stationären Behandlungen. Ab dem Jahr 2003 verstärkten sich seine Verhaltensauffälligkeiten : Der Angeklagte zeigte wenig Empathie, eine geringe Frustrationstoleranz, Distanzschwierigkeiten, eine herabgesetzte Kritikfähigkeit und oppositionelles Verhalten mit aggressiven Durchbrüchen.
9
b) Aber auch die - vom Landgericht Hannover durch sein Urteil vom 23. April 2012 insoweit bindend festgestellten - besonderen Tatumstände, insbesondere das außergewöhnliche Verhalten des Angeklagten bei der Tatausführung , machten die Prüfung seiner Schuldfähigkeit erforderlich (vgl. BGH, Urteile vom 15. Dezember 1988 - 1 StR 612/88, NJW 1989, 2958 und 4 StR 535/88, NStZ 1989, 190 mwN; LK/Schöch aaO, Rn. 236 mwN). Insoweit ist im Wesentlichen von Bedeutung, dass der Angeklagte - nachdem er seinem Opfer in dessen Wohnung zunächst den Hals durchstochen hatte - diesem über einen Zeitraum von etwa einer Stunde in unterschiedlichen Zeitabständen weitere verschiedene, insgesamt 61 Stich- und Schnittverletzungen beibrachte, darunter einen Stich durch die Schädeldecke, die teilweise nicht lebensgefährlich, aber schmerzhaft waren, um sein Opfer über längere Zeit besonders leiden zu lassen. Schließlich legte er seinem klagenden Opfer ein Kissen auf das Gesicht , setzte sich darauf und wartete, eine Zigarette rauchend, bis dieses kein Lebenszeichen mehr von sich gab.
10
c) Sollte das Landgericht Hildesheim - wofür die Urteilsgründe sprechen könnten - davon ausgegangen sein, dass die Verneinung einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten durch das Landgericht Hannover in seinem Urteil vom 23. April 2012 für die Strafkammer bindend gewesen sei, so wäre dies rechtlich unzutreffend. Das ergibt sich aus dem Folgenden:
11
Hebt das Revisionsgericht ein Urteil in Anwendung des § 353 Abs. 2 StPO im Strafausspruch mit den (dazugehörigen) Feststellungen auf, so bezieht sich diese Aufhebung auf solche Umstände tatrichterlicher Sachverhaltsfeststellung , die ausschließlich die Straffrage betreffen. Hinsichtlich des nicht beanstandeten Schuldspruchs tritt Teilrechtskraft ein. Tatrichterliche Feststellungen , die ausschließlich die Schuldfrage betreffen, und solche, die als dop- pelrelevante Umstände zugleich für Schuld- und Straffrage von Bedeutung sind, bleiben aufrechterhalten und sind für das weitere Verfahren bindend. Hierzu zählen nicht die Feststellungen zur erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten; diese gehören nur zum Rechtsfolgenausspruch (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 353 Rn. 20 mwN). Daher bezieht sich die Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen auch auf die Feststellungen und die Entscheidung des früheren Tatgerichts zur Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Täters im Sinne von § 21 StGB. Eine Bindung des neuen Tatrichters an das insoweit teilweise aufgehobene Urteil besteht in der Regel nur in dem vom Senat in seiner Entscheidung vom 12. Juni 2014 dargelegten Umfang, also an festgestellte Sachverhaltsumstände, in denen die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftat gefunden worden sind und an solche Bestandteile der Sachverhaltsschilderung, aus denen der frühere Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten abgeleitet hat und die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben, zum Beispiel die Umstände schildern, die der Tatausführung das entscheidende Gepräge gegeben haben. Hierzu darf der neue Tatrichter keine neuen, den bisherigen widersprechende Feststellungen treffen und seiner Entscheidung zugrunde legen (vgl. auch LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 353 Rn. 29 ff.).
12
Danach war die - für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandende - Feststellung des Landgerichts Hannover in dessen Urteil vom 23. April 2012, die Schuldfähigkeit des Angeklagten sei nicht erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB gewesen, nach der Aufhebung dieses Urteils im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen weggefallen. Da das Landgericht die Schuldfähigkeit unter den gegebenen Umständen nach sachlich-rechtlichen Grundsätzen nicht unerörtert lassen konnte, war es daher gehalten, die Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten selbst zu prüfen und (neu) zu entscheiden.
13
Die Sache bedarf daher zum Strafausspruch (erneut) neuer Verhandlung und Entscheidung.
14
2. Der neue Tatrichter wird darauf hingewiesen, dass die im angefochtenen Urteil für das Vorliegen der besonderen Schuldschwere gegebene Begründung zum Teil rechtlichen Bedenken begegnet.
15
Das Landgericht Hildesheim hat die besondere Schwere der Schuld festgestellt (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB; vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1992 - 2 BvR 1041/88 u.a., BVerfGE 86, 288) und dies unter anderem zu Lasten des Angeklagten damit begründet, dass er mehrere Straftaten mit körperlichen Übergriffen zum Nachteil verschiedener Personen begangen habe , welche das Landgericht Hannover festgestellt hatte. Darüber hinaus habe der Angeklagte nur wenige Stunden nach der menschenverachtenden Tat zum Nachteil des L. auf dem Weg zurück zu dem von ihm und seinem Mittäter bewohnten Zelt Gegenstände aus mehreren Autos entwendet und sei später in ein Restaurant eingebrochen. Eigene Feststellungen zu diesen Straftaten - beruhend etwa auf diesbezüglichen Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung oder sonstigen Beweiserhebungen - hat das Landgericht Hildesheim nach den Urteilsgründen nicht getroffen, sondern sich insoweit ersichtlich allein auf die entsprechenden - im Wortlaut wiedergegebenen - früheren Feststellungen des Landgerichts Hannover bezogen. Dies ist rechtlich bedenklich. Denn aufgrund der Revisionsentscheidungen des Senats, durch die der Strafausspruch der früheren Urteile mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben worden war, hatte der neue Tatrichter zum Strafausspruch, zu dem auch die Feststellung der besonderen Schuldschwere gehört, eigene Feststellungen zu treffen. Es stellt daher einen sachlich-rechtlichen Fehler dar, wenn der neue Tatrichter - wie hier - sein Urteil auf aufgehobene Feststellungen stützt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 353 Rn. 20 ff.; BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 - 3 StR 156/12, wistra 2012, 356).
16
Unabhängig davon gilt allgemein: Sollen aus Vortaten und Vorstrafen gewichtigere Konsequenzen gezogen werden, ist es in der Regel sachlichrechtlich geboten, die früheren Taten mit einer (zusammengefassten) Sachverhaltsschilderung und ggf. auch mit relevanten früheren Strafzumessungserwägungen festzustellen und mitzuteilen (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren aaO, Rn. 1387). In solchen Fällen kann unter Umständen die bloße Mitteilung des Bundeszentralregisterinhaltes nicht genügen. Dies hat das Landgericht Hildesheim hier nur hinsichtlich des Urteils des Amtsgerichts Lehrte vom 21. Februar 2013 beachtet.
Becker Pfister Hubert Mayer Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 1 7 / 1 5
vom
10. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juni 2015 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 10. Dezember 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten auf der Grundlage eines rechts- kräftigen Schuldspruchs wegen „vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen von Waffen in Tat- einheit mit vorsätzlichem Besitz zweier verbotener Waffen“ zu einer Freiheits- strafe von fünf Jahren verurteilt. Die Verurteilung des Angeklagten im ersten Verfahrensdurchgang hatte der Senat auf Revision des Angeklagten im Schuldspruch bestätigt und den Strafausspruch (fünf Jahre Freiheitsstrafe) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben (Beschluss vom 3. September 2014 – 1 StR 343/14). Die gegen die erneute Verurteilung mit der Sachrüge und Verfahrensbeanstandungen geführte Revision des Angeklagten hat mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil nach Abdruck des erstinstanzlichen Urteils und des Senatsbeschlusses vom 3. September 2014 in dem mit „Sachverhalt“ überschriebenen Abschnitt ausgeführt, aufgrund der teilweisen Verwerfung der Revision durch den genannten Beschluss des Senats stehe der in dem Ersturteil unter III. niedergelegte Sachverhalt fest. In diesem Abschnitt war unter III. 4. zum Nachtatverhalten des Angeklagten festgestellt , dass der Angeklagte nach einer bei ihm durchgeführten Durchsuchungsmaßnahme am Abend gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten K. den Zeugen H. bedroht hatte, weil dieser Zeuge zuvor den Angeklagten belastende Angaben gegenüber der Polizei gemacht hatte. Ausdrückliche eigene Feststellungen des Landgerichts zum Nachtatverhalten enthält das nunmehr angefochtene Urteil weder an dieser noch an anderer Stelle. Im Rahmen der Strafzumessung wird dem Angeklagten dieses Nachtatverhalten sowohl bei der Strafrahmenwahl wie auch der Strafzumessung im Einzelnen als besonders erschwerender Umstand angelastet.
3
2. Die Revision rügt im Rahmen der Sachrüge zu Recht, dass das Landgericht damit den Umfang der innerprozessualen Bindung an die Feststellungen des ersten in dieser Sache ergangenen Urteils verkannt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2004 – 4 StR 149/04); auf die weiteren Beanstandungen kommt es daher nicht an.
4
a) Hebt das Revisionsgericht nach § 353 Abs. 2 StPO ein Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf, bezieht sich diese Aufhebung auf alle diejenigen tatrichterlichen Sachverhaltsfeststellungen, die ausschließlich für den Strafausspruch bedeutsam sind, also weder die Schuldfrage noch als doppelrelevante Umstände zugleich die Schuld- oder Straffrage (oder eine andere Rechtsfolge) betreffen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 – 3 StR 139/14, NStZ 2015, 182, 183). Gehört – wie hier – das Nachtatgeschehen nicht zum Tatgeschehen im eigentlichen Sinne, sondern ist es lediglich für den Rechtsfolgenausspruch bedeutsam, erfasst die Aufhebung der zum Straf- ausspruch gehörenden Feststellungen auch die Feststellungen zum Nachtatgeschehen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2004 – 4 StR 149/04). Der neue Tatrichter muss in diesem Fall zum Nachtatgeschehen selbst Beweis erheben und eigene Feststellungen treffen (BGH aaO).
5
b) Daran fehlt es hier:
6
Im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung hat das Landgericht ergänzende Feststellungen ausdrücklich lediglich zu dem Fortgang des Strafverfahrens gegen den vom Angeklagten benannten Drogenverkäufer getroffen, nicht hingegen zum Nachtatverhalten.
7
Eine eigene Feststellung des dem Angeklagten angelasteten Nachtatverhaltens kann der Senat auch nicht den Ausführungen des Landgerichts im Rahmen der Beweiswürdigung entnehmen. Soweit die Strafkammer dort mitteilt , aufgrund des verlesenen Urteils der Vorinstanz ergäben sich die dem Schuldspruch zugrundeliegende Tat sowie das Nachtatverhalten, spricht dies dafür, dass das Landgericht auch an dieser Stelle von einem zu großen Bindungsumfang des Ersturteils ausgegangen ist. Die anschließende Bemerkung des Landgerichts, der Angeklagte habe dies auch eingeräumt, kann deshalb – andersals der Generalbundeswalt meint – nicht als eigenständige Feststellung des Nachtatverhaltens verstanden werden.
8
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich dieser Rechtsfehler auf den Strafausspruch ausgewirkt hat. Zwar ist der Angeklagte gemäß dem rechtskräftigen Schuldspruch zur Mindeststrafe des Normalstrafrahmens aus § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verurteilt worden. Das Nachtatverhalten war aber ein besonders hervorgehobener Straferschwerungsgrund, der nach den Ausführungen des Landgerichts zur Ablehnung eines minder schweren Falls nach § 30a Abs. 3 BtMG geführt hat. Wie der Senat bereits in seinem zuvor in dieser Sache ergangenen Beschluss (vom 3. September 2014 – 1 StR 343/14) dargelegt hat, liegt es angesichts der Tatsache, dass die Grenze zur nicht geringen Menge THC beim komplett sichergestellten Marihuana nur unwesentlich überschritten wurde und der bislang unbestrafte, (teil-) geständige Angeklagte in der Hauptverhandlung Angaben zu einem Hintermann gemacht hat (die inzwischen zu dessen Anklage geführt haben), nicht fern, dass das Landgericht trotz gewisser erschwerender Umstände einen minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG angenommen hätte und zu einer milderen Bestrafung gelangt wäre.
9
4. Um dem neuen Tatrichter insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zur Persönlichkeit des Angeklagten und den weiteren strafzumessungsrechtlich relevanten Tatsachen zu ermöglichen, hebt der Senat die dem Strafausspruch zugehörigen Feststellungen erneut insgesamt auf.
Raum Graf Radtke
Mosbacher Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 301/09
vom
29. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 29. September
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 16. März 2009 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben - in den Fällen 1. bis 3. der Urteilsgründe im jeweiligen Strafausspruch , - im Gesamtstrafenausspruch sowie - im Maßregelausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine Strafkammer des Landgerichts Lübeck zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht Kiel hatte den Angeklagten nach einer ersten Hauptverhandlung durch Urteil vom 26. November 2007 wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge (Fall 4. der Urteilsgründe) sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen (Fälle 1. bis 3. der Urteilsgründe) zur lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat mit Urteil vom 12. Juni 2008 (NStZ 2009, 258) das Urteil des Landgerichts im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, im Umfang der Aufhebung die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen sowie die weitergehende Revision verworfen. Nunmehr hat das Landgericht Kiel den Angeklagten wiederum zur lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf Verfahrensrügen und die Sachrüge stützt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
I. In den Fällen 1. bis 3. der Urteilsgründe hält der jeweilige Strafausspruch rechtlicher Prüfung nicht stand, weil er auf Feststellungen beruht, die vom Landgericht im zweiten Durchgang nicht getroffen worden sind.
3
1. Wird ein Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, so bleiben alle den Schuldspruch tragenden Feststellungen bestehen. Diese umfassen in erster Linie die Tatsachen, in denen die Merkmale des angewandten Straftatbestandes zu finden sind. Aber auch die weitergehenden Feststellungen zum Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs sowie die Tatsachen, aus denen der Beweis hierfür abgeleitet wird, sind Grund- lage des Schuldspruchs. Sie bleiben deshalb auch dann aufrechterhalten und binden den Tatrichter bei der neuen Entscheidung, wenn sie als so genannte doppelrelevante Feststellungen zugleich für den Strafausspruch Bedeutung haben. Durch die Entscheidung des Revisionsgerichts sind aber alle Feststellungen aufgehoben, die sich ausschließlich auf den Strafausspruch beziehen. Insoweit muss der neue Tatrichter umfassend eigene Feststellungen treffen und diese in den Urteilsgründen mitteilen (BGHSt 24, 274, 275).
4
2. Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Durch die Aufhebung des Urteils des Landgerichts Kiel vom 26. November 2007 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen waren die Feststellungen zu den Vorstrafen des Angeklagten (vgl. BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 15), zu seinem Nachtatverhalten (vgl. BGH bei Becker NStZ-RR 2005, 262) und den Tatfolgen (vgl. BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 19; BGH StV 2007, 23) sowie zu den nicht verfahrensgegenständlichen Körperverletzungen entfallen, weil diese für den Schuldspruch nicht tragend waren. Deshalb hätte das Landgericht in der zweiten Hauptverhandlung insoweit eigene Feststellungen treffen und diese in den Urteilsgründen mitteilen müssen. Dies hat das Landgericht unterlassen. Dennoch hat es bei der Bemessung der Einzelstrafen wegen der Körperverletzungsdelikte u. a. zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er einschlägig vorbestraft war, in den Wochen vor den Taten - wenn auch geringfügigere - Körperverletzungen zum Nachteil des Tatopfers, eines neun Jahre alten Jungen, begangen und diesem im Fall 1. der Urteilsgründe mangels einer ordnungsgemäßen Versorgung der am Oberarm zugefügten Fraktur über einen Zeitraum von mehreren Wochen hinweg erhebliche Schmerzen zugefügt hatte.
5
3. Wegen des dargestellten Rechtsfehlers waren die in den Fällen 1. bis 3. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und die lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe aufzuheben.
6
Die im Fall 4. der Urteilsgründe ausgesprochene lebenslange Freiheitsstrafe kann als Einzelstrafe dagegen bestehen bleiben, weil das Gesetz als Sanktion für Mord zwingend die lebenslange Freiheitsstrafe vorsieht. Insoweit hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere hat das Landgericht rechtsfehlerfrei eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten gemäß § 21 StGB zum Tatzeitpunkt verneint.
7
II. Auch der Maßregelausspruch hat keinen Bestand.
8
Da der Senat in den Fällen 1. bis 3. der Urteilsgründe jeweils den Strafausspruch aufgehoben hat, fehlt es bereits an den formellen Voraussetzungen der nach § 66 Abs. 2 StGB angeordneten Sicherungsverwahrung. Darüber hinaus sind auch die materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Das Landgericht hat den Hang des Angeklagten mit dessen Gefährlichkeit begründet und damit nicht die erforderliche Differenzierung zwischen der Hangtätereigenschaft und der Gefährlichkeitsprognose vorgenommen (vgl. BGHSt 50, 188, 196). Außerdem hat es die Lebensgeschichte des Angeklagten, seine Persönlichkeitsentwicklung sowie seine Vorstrafen und die diesen zugrunde liegenden Taten nur lückenhaft erörtert, sodass es sowohl für den Hang als auch die Gefährlichkeitsprognose an der notwendigen Gesamtwürdigung der seine Persönlichkeit prägenden Umstände fehlt (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 66 Rdn. 25 a und 33 f.).
9
III. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch gemacht und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Lübeck zurückverwiesen.
10
Für die neue Hauptverhandlung nimmt der Senat zunächst Bezug auf die Ausführungen im Urteil vom 26. November 2007. Ergänzend weist er auf Folgendes hin:
11
Sollte das Landgericht in den Fällen 1. bis 3. der Urteilsgründe eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten infolge einer Alkoholisierung nicht ausschließen können, wird bei der Prüfung, ob die Strafrahmenmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu versagen ist, auch zu untersuchen sein, ob der Alkoholkonsum dem Angeklagten möglicherweise deshalb nicht uneingeschränkt vorwerfbar ist, weil dieser nach dem Gutachten des Sachverständigen als Folge seiner Persönlichkeitsstörung in Konfliktsituationen regelmäßig Suchtmittel konsumiert (vgl. BGH StV 2004, 651, 652; Fischer aaO § 21 Rdn.

26).


Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 363/15
vom
27. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 27. Oktober 2015 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 10. Juni 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den bereits aufgrund des Urteils des Landgerichts Hannover vom 23. April 2012 rechtskräftig des Mordes für schuldig befundenen Angeklagten zur lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere seiner Schuld festgestellt. Die hiergegen gerichtete, auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.


2
Das Landgericht Hannover hatte den Angeklagten durch Urteil vom 23. April 2012 wegen Mordes zu 14 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Senat dieses Urteil, soweit es den Angeklagten betraf, durch Urteil vom 20. Dezember 2012 (3 StR 426/12, StV 2013, 629) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Das Landgericht hatte die Anwendung des gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemäß § 46b StGB nicht rechtsfehlerfrei begründet. Im Umfang der Aufhebung hatte der Senat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3
Durch Urteil vom 12. August 2013 hatte das Landgericht Hannover den Angeklagten sodann (wiederum) zur Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Diese Entscheidung hatte der Senat auf die Revision der Staatsanwaltschaft durch Urteil vom 12. Juni 2014 (3 StR 139/14, NStZ 2015, 182) mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen. Dieses Urteil des Landgerichts Hannover hatte der rechtlichen Nachprüfung nicht standgehalten, da es gegen den Grundsatz der innerprozessualen Bindung an nicht aufgehobene Feststellungen des früheren Urteils vom 23. April 2012 verstoßen hatte. Das Landgericht war in seiner neuen Entscheidung aufgrund der auch in der zweiten Hauptverhandlung abgegebenen Einlassung des Angeklagten davon ausgegangen, dass während dessen Aufenthalts in der Wohnung des Opfers bei ihm das Verlangen hinzugekommen sei, den durch Erinnerungen an Kindheitserlebnisse aufkommenden Hass an dem Tatopfer auszulassen und einem Gefühl, sich gegen zuvor erlebtes Unrecht wehren zu müssen, nachzugeben, indem er das Opfer umbringt. Auf der Grundlage dieser neuen Feststellungen hatte die sachverständig beratene Strafkammer - anders als die Strafkammer im früheren Urteil - angenommen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB gewesen sei und hatte den Strafrahmen des § 211 Abs. 1 StGB gemäß § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Indes hatte das Landgericht in seinem ersten Urteil die diesen zusätzlichen Feststellungen zugrunde liegende Einlassung des Angeklagten als widerlegt angesehen und festgestellt, dass beide Täter sich schon vor ihrem Aufbruch zum Tatort einig waren, dass der Angeklagte das Tatopfer töten sollte und dass es dabei (allein) um die Erlangung von Laptops und den Bezug der Wohnung des Opfers ging. Diese Feststellungen waren durch die Entscheidung des Senats nicht aufgehoben worden und für den neuen Tatrichter daher bindend. Diese Bindungswirkung hatte das Landgericht bei seinen neuen Feststellungen, die den bisherigen widersprachen, nicht beachtet.

II.


4
Das angefochtene Urteil des Landgerichts Hildesheim hält der aufgrund der Sachbeschwerde des Angeklagten veranlassten materiell-rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat es versäumt, (selbst) zu prüfen und zu entscheiden, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB gewesen ist.
5
Im Einzelnen:
6
1. Allerdings ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass die Schuldfähigkeit eines Täters keiner näheren Prüfung und Erörterung bedarf, wenn Anhaltspunkte für ihre Beeinträchtigung völlig fehlen (vgl. LK/Schöch, StGB, 12. Aufl., § 20 Rn. 234 mwN). Werden jedoch tatsächliche Gründe behauptet (§ 267 Abs. 2 StPO) oder liegen Umstände vor, die den Ausschluss oder die (erhebliche) Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB auch nur möglich erscheinen lassen, so bedarf es regelmäßig - gegebenenfalls unter Heranziehung eines Sachverständigen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 5 StR 542/08, NStZ-RR 2009, 115; MüKoStGB/Streng, 2. Aufl., § 20 Rn. 162 ff.; LK/Schöch aaO, Rn. 236 f.) - von Amts wegen ihrer Prüfung, Erörterung und Darlegung im Urteil (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 20 Rn. 19 mwN; S/S-Perron/Weißer, 29. Aufl., § 20 Rn. 45; Schäfer /Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1416).
7
Gemessen daran war hier die Prüfung und Erörterung der Schuldfähigkeit des Angeklagten sachlich-rechtlich geboten.
8
a) Dies ergibt sich schon aus den vom Landgericht im angefochtenen Urteil - zutreffend selbst getroffenen - Feststellungen zum Lebensweg des Angeklagten und seiner Persönlichkeit: Danach schlugen der Vater und die Stiefmutter den Angeklagten häufig und sperrten ihn wiederholt über längere Zeit ein. Sein Vater missbrauchte ihn sexuell. Kurz vor seinem siebten Lebensjahr kam der Angeklagte wegen der Inhaftierung seines Vaters in ein Heim und wuchs in den Folgejahren in verschiedenen Heimen auf, weil es stets nach nicht allzu langer Zeit zu Problemen kam. In einem dieser Heime kam es zu sexuellen Übergriffen auf ihn mit Oral- und Analverkehr durch ältere Mitbewohner. Der Angeklagte fiel durch Schreianfälle auf, war leicht erregbar, fühlte sich schnell angegriffen und zeigte neben einem geringen Selbstwertgefühl auch Kontaktschwierigkeiten. Außerdem provozierte, bedrohte und beschimpfte er Mitmenschen. Ab April 1997 wurde der - damals sieben Jahre alte - Angeklagte psychotherapeutisch und im Jahr 1998 erstmals stationär psychiatrisch behandelt. In den Folgejahren kam es wegen zunehmender Verhaltensauffälligkeiten und Selbstschädigungen zweimal für mehrere Monate zu weiteren stationären Behandlungen. Ab dem Jahr 2003 verstärkten sich seine Verhaltensauffälligkeiten : Der Angeklagte zeigte wenig Empathie, eine geringe Frustrationstoleranz, Distanzschwierigkeiten, eine herabgesetzte Kritikfähigkeit und oppositionelles Verhalten mit aggressiven Durchbrüchen.
9
b) Aber auch die - vom Landgericht Hannover durch sein Urteil vom 23. April 2012 insoweit bindend festgestellten - besonderen Tatumstände, insbesondere das außergewöhnliche Verhalten des Angeklagten bei der Tatausführung , machten die Prüfung seiner Schuldfähigkeit erforderlich (vgl. BGH, Urteile vom 15. Dezember 1988 - 1 StR 612/88, NJW 1989, 2958 und 4 StR 535/88, NStZ 1989, 190 mwN; LK/Schöch aaO, Rn. 236 mwN). Insoweit ist im Wesentlichen von Bedeutung, dass der Angeklagte - nachdem er seinem Opfer in dessen Wohnung zunächst den Hals durchstochen hatte - diesem über einen Zeitraum von etwa einer Stunde in unterschiedlichen Zeitabständen weitere verschiedene, insgesamt 61 Stich- und Schnittverletzungen beibrachte, darunter einen Stich durch die Schädeldecke, die teilweise nicht lebensgefährlich, aber schmerzhaft waren, um sein Opfer über längere Zeit besonders leiden zu lassen. Schließlich legte er seinem klagenden Opfer ein Kissen auf das Gesicht , setzte sich darauf und wartete, eine Zigarette rauchend, bis dieses kein Lebenszeichen mehr von sich gab.
10
c) Sollte das Landgericht Hildesheim - wofür die Urteilsgründe sprechen könnten - davon ausgegangen sein, dass die Verneinung einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten durch das Landgericht Hannover in seinem Urteil vom 23. April 2012 für die Strafkammer bindend gewesen sei, so wäre dies rechtlich unzutreffend. Das ergibt sich aus dem Folgenden:
11
Hebt das Revisionsgericht ein Urteil in Anwendung des § 353 Abs. 2 StPO im Strafausspruch mit den (dazugehörigen) Feststellungen auf, so bezieht sich diese Aufhebung auf solche Umstände tatrichterlicher Sachverhaltsfeststellung , die ausschließlich die Straffrage betreffen. Hinsichtlich des nicht beanstandeten Schuldspruchs tritt Teilrechtskraft ein. Tatrichterliche Feststellungen , die ausschließlich die Schuldfrage betreffen, und solche, die als dop- pelrelevante Umstände zugleich für Schuld- und Straffrage von Bedeutung sind, bleiben aufrechterhalten und sind für das weitere Verfahren bindend. Hierzu zählen nicht die Feststellungen zur erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten; diese gehören nur zum Rechtsfolgenausspruch (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 353 Rn. 20 mwN). Daher bezieht sich die Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen auch auf die Feststellungen und die Entscheidung des früheren Tatgerichts zur Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Täters im Sinne von § 21 StGB. Eine Bindung des neuen Tatrichters an das insoweit teilweise aufgehobene Urteil besteht in der Regel nur in dem vom Senat in seiner Entscheidung vom 12. Juni 2014 dargelegten Umfang, also an festgestellte Sachverhaltsumstände, in denen die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftat gefunden worden sind und an solche Bestandteile der Sachverhaltsschilderung, aus denen der frühere Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten abgeleitet hat und die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben, zum Beispiel die Umstände schildern, die der Tatausführung das entscheidende Gepräge gegeben haben. Hierzu darf der neue Tatrichter keine neuen, den bisherigen widersprechende Feststellungen treffen und seiner Entscheidung zugrunde legen (vgl. auch LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 353 Rn. 29 ff.).
12
Danach war die - für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandende - Feststellung des Landgerichts Hannover in dessen Urteil vom 23. April 2012, die Schuldfähigkeit des Angeklagten sei nicht erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB gewesen, nach der Aufhebung dieses Urteils im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen weggefallen. Da das Landgericht die Schuldfähigkeit unter den gegebenen Umständen nach sachlich-rechtlichen Grundsätzen nicht unerörtert lassen konnte, war es daher gehalten, die Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten selbst zu prüfen und (neu) zu entscheiden.
13
Die Sache bedarf daher zum Strafausspruch (erneut) neuer Verhandlung und Entscheidung.
14
2. Der neue Tatrichter wird darauf hingewiesen, dass die im angefochtenen Urteil für das Vorliegen der besonderen Schuldschwere gegebene Begründung zum Teil rechtlichen Bedenken begegnet.
15
Das Landgericht Hildesheim hat die besondere Schwere der Schuld festgestellt (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB; vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1992 - 2 BvR 1041/88 u.a., BVerfGE 86, 288) und dies unter anderem zu Lasten des Angeklagten damit begründet, dass er mehrere Straftaten mit körperlichen Übergriffen zum Nachteil verschiedener Personen begangen habe , welche das Landgericht Hannover festgestellt hatte. Darüber hinaus habe der Angeklagte nur wenige Stunden nach der menschenverachtenden Tat zum Nachteil des L. auf dem Weg zurück zu dem von ihm und seinem Mittäter bewohnten Zelt Gegenstände aus mehreren Autos entwendet und sei später in ein Restaurant eingebrochen. Eigene Feststellungen zu diesen Straftaten - beruhend etwa auf diesbezüglichen Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung oder sonstigen Beweiserhebungen - hat das Landgericht Hildesheim nach den Urteilsgründen nicht getroffen, sondern sich insoweit ersichtlich allein auf die entsprechenden - im Wortlaut wiedergegebenen - früheren Feststellungen des Landgerichts Hannover bezogen. Dies ist rechtlich bedenklich. Denn aufgrund der Revisionsentscheidungen des Senats, durch die der Strafausspruch der früheren Urteile mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben worden war, hatte der neue Tatrichter zum Strafausspruch, zu dem auch die Feststellung der besonderen Schuldschwere gehört, eigene Feststellungen zu treffen. Es stellt daher einen sachlich-rechtlichen Fehler dar, wenn der neue Tatrichter - wie hier - sein Urteil auf aufgehobene Feststellungen stützt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 353 Rn. 20 ff.; BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 - 3 StR 156/12, wistra 2012, 356).
16
Unabhängig davon gilt allgemein: Sollen aus Vortaten und Vorstrafen gewichtigere Konsequenzen gezogen werden, ist es in der Regel sachlichrechtlich geboten, die früheren Taten mit einer (zusammengefassten) Sachverhaltsschilderung und ggf. auch mit relevanten früheren Strafzumessungserwägungen festzustellen und mitzuteilen (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren aaO, Rn. 1387). In solchen Fällen kann unter Umständen die bloße Mitteilung des Bundeszentralregisterinhaltes nicht genügen. Dies hat das Landgericht Hildesheim hier nur hinsichtlich des Urteils des Amtsgerichts Lehrte vom 21. Februar 2013 beachtet.
Becker Pfister Hubert Mayer Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 1 3 9 / 1 4
vom
12. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juni
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 12. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten B. und den früheren Mitangeklagten T. durch Urteil vom 23. April 2012 jeweils wegen Mordes schuldig gesprochen. Den Angeklagten T. hatte es zur lebenslangen, den Angeklagten B. zur Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Auf die zuungunsten des Angeklagten B. eingelegte, wirksam auf den Strafausspruch beschränkte und auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Senat dieses Urteil, soweit es den Angeklagten B. betraf, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben , da die Strafkammer die Anwendung des gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes gemäß § 46b StGB nicht rechtsfehlerfrei begründet hatte. Im Umfang der Aufhebung war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen worden.

2
Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten wiederum zur Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft erneut und stützt ihr zuungunsten des Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel auf die mit Einzelbeanstandungen ausgeführte Sachbeschwerde. Das - vom Generalbundesanwalt vertretene - Rechtsmittel hat Erfolg.
3
Das Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Es verstößt gegen den Grundsatz der innerprozessualen Bindung an nicht aufgehobene Feststellungen des früheren Urteils vom 23. April 2012.
4
1. Das Landgericht hatte in diesem Urteil zur Tat des Angeklagten Folgendes festgestellt:
5
Der frühere Mitangeklagte T. und der Angeklagte B. lebten seit etwa Ende Februar 2011 in einem Zelt. In T. , der mit dieser Wohnsituation unzufrieden war, reifte der Plan, den Angeklagten B. zu veranlassen, den mit ihm befreundeten L. zu töten, um dessen Wohnung zu übernehmen und außerdem zwei Laptops des Opfers zu erlangen. Am Abend des 23. Mai 2011 gab der Angeklagte B. , auf den T. nach einem gemeinsamen Besuch in der Wohnung des L. täglich mehrfach eingewirkt hatte, diesen "platt zu machen", nach anfänglicher Ablehnung dieses Ansinnens dem T. zu verstehen, dass er das Opfer aufsuchen und töten wolle. Beide waren sich dahin einig, dass der Angeklagte B. den L. töten wollte und sollte sowie, dass es um die Erlangung der Laptops und den Bezug der Wohnung des Opfers ging. Um den - im Wesentlichen abgesprochenen - gemeinsamen Tatplan umzusetzen, brachen die beiden am 24. Mai 2011 kurz nach 0:00 Uhr von ihrem Zeltplatz auf.
6
Der Angeklagte B. begab sich schließlich gegen 01:00 Uhr in die Wohnung des abwesenden L. und öffnete diese mit einem Schlüssel, den T. in Besitz hatte. Die Wohnungstür versperrte er hinter sich wieder, um zu vermeiden, dass L. bei seiner Rückkehr Verdacht schöpfte. Nach ca. zehn Minuten erschien dieser und betrat nach dem Wohnzimmer das Schlafzimmer , hinter dessen Tür sich der Angeklagte B. versteckt hatte. Sofort sprühte dieser in Beginn der Ausführung der geplanten Tötung Reizgas gegen L. , um dann sogleich einen tödlichen Stich mit dem hierzu mitgeführten Messer setzen zu können. Nach einem weiteren Einsatz des Reizgases, von dem der Angeklagte selbst getroffen worden war, lief er zunächst in die Küche und öffnete ein Fenster. Danach ging er sofort ins Wohnzimmer, wohin sich L. mittlerweile begeben hatte, und versetzte diesem in Ausführung des Tatplans einen Stich gegen den Hals, durch den dieser durchstochen wurde. Im Verlauf eines Zeitraumes von etwa einer Stunde bis zu einer Stunde und 30 Minuten brachte der Angeklagte B. dem L. weitere - für sich jeweils nicht tödliche - 61 Stich-/Schnittverletzungen bei, um sein Opfer besonders leiden zu lassen und ihm erhebliche Schmerzen zuzufügen. Schließlich tötete der Angeklagte den L. , indem er ihm ein Kissen auf das Gesicht legte und sich - eine Zigarette rauchend - solange darauf setzte, bis sein Opfer kein Lebenszeichen mehr von sich gab.
7
Der Angeklagte B. hatte eingeräumt, L. getötet zu haben, und die Ereignisse im Vorfeld der Tat und das Tatgeschehen so wie festgestellt geschildert. Weiter hatte er nach den Urteilsgründen zu dem Tatgeschehen angegeben:
8
Er habe sich in L. gesehen, als dieser ihn gebeten hatte aufzuhören , weil er nichts getan habe, sowie in diesem Moment daran gedacht, dass sein Vater ihn früher auf brutale Art und Weise misshandelt und vergewaltigt habe. Er habe seinen Vater damals ebenfalls gebeten aufzuhören, weil er nichts getan habe. Den Umstand, dass L. homosexuell gewesen sei, habe er mit seinem Vater in Verbindung gebracht, weil er von diesem sexuell missbraucht worden sei. Deshalb habe er extremen Hass empfunden, als er gegen L. vorgegangen sei. Wegen dessen Homosexualität habe er bereits beim Kennlernen einen leichten Hass gegen ihn verspürt.
9
Im Rahmen der Beweiswürdigung hatte das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte B. den Tatentschluss gefasst hatte, bevor er mit dem Angeklagten T. den Zeltplatz verließ, und dass er L. nach gemeinsamem Tatentschluss mit dem Mitangeklagten T. getötet hatte, um diesen in den Besitz der Wohnung sowie des Laptops und des Netbooks zu bringen. Weiterhin hatte das Landgericht ausgeführt, dass die Einlassung des Angeklagten , er habe die Tat begangen, weil er sich in L. gesehen habe, zur Überzeugung der Strafkammer widerlegt sei.
10
2. In dem nunmehr angefochtenen Urteil hat das Landgericht festgestellt, dass zugunsten des Angeklagten B. aufgrund seiner Einlassung in der neuen Hauptverhandlung "das Folgende zumindest nicht auszuschließen" sei:
11
Als er sich in der Wohnung des L. befand und im Schlafzimmer auf diesen wartete, erinnerte er sich wieder an seine Kindheit und hierbei insbesondere an die Misshandlungen durch seinen Vater, wie auch an die Vorfälle, in denen er von diesem und dem älteren Heimmitbewohner sexuell missbraucht worden war. Er dachte mit Abscheu daran, dass L. homosexuell war, ihm dies gegenüber in der Vergangenheit offen gezeigt und er, B. , sich dadurch belästigt gefühlt hätte. Dies führte dazu, dass er, insbesondere aufgrund der Anteile seiner Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus, den L. absolut entwertet wahrnahm. Das hatte zur Folge, dass zu dem ursprünglichen - von der 13. großen Strafkammer bindend festgestellten - Plan, L. um seiner Habseligkeiten und der Wohnung willen umzubringen, das Verlangen hinzukam , den durch die vorgenannten Erinnerungen aufkommenden Hass an L. auszulassen und einem Gefühl, sich gegen zuvor erlebtes Unrecht wehren zu müssen, nachzugeben, indem er L. umbringt.
12
3. Diese Vorgehensweise begegnet mit Blick auf die innerprozessuale Bindungswirkung der nicht aufgehobenen Feststellungen des Urteils vom 23. April 2012 durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
13
Im Einzelnen:
14
a) Hebt das Revisionsgericht ein Urteil in Anwendung des § 353 Abs.2 StPO nur im Strafausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen auf, so bezieht sich diese Aufhebung nur auf solche Umstände tatrichterlicher Sachverhaltsdarstellung , die ausschließlich die Straffrage betreffen. Hinsichtlich des nicht beanstandeten Schuldspruchs tritt Teilrechtskraft ein. Tatrichterliche Feststellungen , die ausschließlich die Schuldfrage betreffen, und solche, die als doppelrelevante Umstände zugleich für Schuld- und Straffrage von Bedeutung sind, bleiben aufrechterhalten (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1971 - 2 StR 522/71, BGHSt 24, 274, 275; vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 366 ff.).
15
An die nicht aufgehobenen Feststellungen ist der Tatrichter im weiteren Verfahren gebunden. Er darf diese zwar noch ergänzen; diese zusätzlichen Feststellungen dürfen den bestehen gebliebenen und mithin bindend gewordenen jedoch nicht widersprechen. Die den Schuldspruch tragenden Feststellungen sind nämlich die "unantastbare Grundlage für das weitere Verfahren und wesentlicher Teil des abschließenden Urteils". Dies folgt aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit (inneren Einheit) und damit notwendigen Widerspruchsfreiheit der Entscheidung, der unabhängig davon Gültigkeit beansprucht, ob ein Urteil über die Schuld- und Straffrage gleichzeitig entscheidet, oder ob nach rechtskräftigem Schuldspruch die Strafe aufgrund einer zum Strafausspruch erfolgreichen Revision neu festgesetzt wird. Beweiserhebungen, die darauf abzielen , aufrechterhaltene und damit bindende Feststellungen in Zweifel zu ziehen , sind unzulässig. Beweisergebnisse, die im Widerspruch zu bindenden Feststellungen stehen, haben außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteil vom 14. Januar 1982 - 4 StR 642/81, BGHSt 30, 340, 342 ff.; vgl. Winkler in StraFo 2004, 369, 370 f.; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 353 Rn. 27 ff., 34).
16
Nicht erfasst von der (Teil-)Aufhebung werden zunächst einmal alle jene Umstände der Sachverhaltsdarstellung, in denen die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftaten gefunden wurden. Hätte dabei von mehreren Tatsachen bereits ein Teil ausgereicht, um ein Tatbestandsmerkmal zu erfüllen, so gehören gleichwohl alle zum Schuldspruch. An dessen Bindungswirkung nimmt also nicht etwa nur das Mindestmaß an Tatsachen teil, ohne das der Schuldspruch überhaupt keinen Bestand mehr hätte. Vielmehr unterliegen auch solche Abweichungen, durch die nur der Schuldumfang betroffen , die rechtliche Beurteilung aber nicht in Frage gestellt wird, dem Widerspruchsverbot (vgl. BGH, Urteil vom 30. August 1978 - 2 StR 323/78, BGHSt 28, 119, 121). Ebenfalls teil an der Bindungswirkung haben die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über den Zeitpunkt des Tatentschlusses (BGH, Urteil vom 14. November 1978 - 1 StR 439/78, juris Rn. 6), das tatauslösende Moment (BGH, Beschluss vom 15. April 1977 - 2 StR 97/77; Urteil vom 6. Mai 1981 - 2 StR 105/81) sowie die Beweggründe für die Tatbegehung (BGH, Beschluss vom 23. Februar 1979 - 2 StR 728/78; vgl. auch KK-Gericke, 7. Aufl., § 353 Rn. 24 ff., 31 mwN).
17
Über die Tatumstände hinaus, die die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat ausfüllen oder auszufüllen geeignet sind, entfalten zum einen auch die Bestandteile der Sachverhaltsschilderung innerprozessuale Bindungswirkung, aus denen der Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten abgeleitet hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1966 - 2 StR 254/66). Zum anderen nehmen aber auch jene Teile der Sachverhaltsdarstellung als den Schuldspruch tragend an der Bindungswirkung teil, die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben, zum Beispiel die Umstände schildern , die der Tatausführung das entscheidende Gepräge gegeben haben. Der geschichtliche Vorgang, der dem Schuldspruch zugrunde liegt, bildet ein geschlossenes Ganzes, aus dem nicht Einzelteile heraus gegriffen und zum Gegenstand neuer, abweichender Feststellungen gemacht werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 1978 - 2 StR 632/78; Urteile vom 14. Januar 1982 - 4 StR 642/81, NJW 1982, 1295 f. und vom 24. September 1987 - 4 StR 413/87, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 3; Beschlüsse vom 31. Oktober 1995 - 1 StR 454/95, NStZ-RR 1996, 203, 204; vom 17. November 1998 - 4 StR 528/98, NStZ 1999, 259, 260 und vom 16. Mai 2002 - 3 StR 124/02, bei Becker NStZ-RR 2003, 97, 101, juris Rn. 3 f.; Urteil vom 30. November 2005 - 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318). Die Bindungswirkung des im Schuldspruch rechtskräftigen Urteils macht allein vor sol- chen Feststellungen Halt, die nicht zum Tatgeschehen gehören (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2009 - 3 StR 301/09, juris Rn. 4; Urteil vom 4. Dezember 1984 - 1 StR 430/84, NJW 1985, 638, juris Rn. 7; Beschlüsse vom 22. Januar 2002 - 1 StR 564/01, juris Rn. 5, und vom 27. Juni 2006 - 4 StR 190/06, StV 2007, 23 [fortdauernde Folgen der Tat]; Beschluss vom 26. Mai 2004 - 4 StR 149/04, bei Becker NStZ-RR 2005, 257, 262, juris Rn. 7 [Nachtatverhalten ]; vgl. KK-Gericke, aaO, § 353 Rn. 31).
18
b) Danach hätte das Landgericht die aufgrund der Einlassung des Angeklagten in der neuen Hauptverhandlung getroffenen zusätzlichen Feststellungen seiner Entscheidung nicht zugrunde legen dürfen. Denn diese widersprechen den auf der Grundlage der damaligen Beweiswürdigung des Landgerichts getroffenen und durch die Entscheidung des Senats nicht aufgehobenen Feststellungen des Urteils vom 23. April 2012 zum Zeitpunkt des Tatentschlusses sowie zu den Motiven und Beweggründen des Angeklagten und seinem inneren Zustand einschließlich seiner Gedanken und Gefühlsregungen vor und bei Begehung des Mordes. Während das Landgericht in seinem ersten Urteil hierzu festgestellt hatte, dass der Angeklagte den Tatentschluss gefasst hatte, bevor er mit dem Mittäter T. den Zeltplatz verließ, und dass er L. ausschließlich deshalb tötete, um T. in den Besitz der Wohnung sowie des Laptops und des Netbooks zu bringen, hat das Landgericht nunmehr festgestellt, dass bei dem Angeklagten - zusätzlich zu den bereits im ersten Urteil festgestellten Motiven - das erst in der Wohnung seines Opfers entstandene Verlangen hinzukam, den durch seine Erinnerungen an seinen Vater und frühere Missbrauchsgeschehnisse aufkommenden Hass an dem L. auszulassen sowie einem Gefühl, sich gegen das früher erlebte Unrecht wehren zu müssen, nachzugeben, indem er diesen umbringt. Diese neuen Feststellungen beruhen auf derselben Einlassung des Angeklagten, die das Landgericht in seinem ers- ten Urteil ausdrücklich als widerlegt angesehen hat. Insoweit war die Strafkammer durch das erste Urteil gebunden.
19
Soweit der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass die sich auf den Ausschluss einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit beziehenden Feststellungen zur Alkoholisierung eines Angeklagten (ausschließlich) die Straffrage betreffen und nach Aufhebung (allein) des Strafausspruches und Zurückverweisung der Sache das Tatgericht zur Trinkmenge eigene (neue) Feststellungen treffen muss (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. November 2008 - 3 StR 336/08, NStZ-RR 2009, 148; vom 12. September 2000 - 4StR 358/00, juris Rn. 5, sowie Urteil vom 15. April 1997 - 5 StR 24/97, NStZ-RR 1997, 237) steht dies der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen. Denn diese Rechtsprechung bezieht sich nur auf Feststellungen, die sich auf den rechtsfehlerhaften Ausschluss einer alkoholbedingten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten beziehen und betrifft daher eine andere Fallkonstellation als die vorliegende.
20
4. Auf dem dargelegten Rechtsfehler beruht das Urteil, da das Landgericht aufgrund seiner zusätzlichen Feststellungen davon ausgegangen ist, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat erheblich vermindert war und gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB die nach § 211 Abs. 1 StGB zu verhängende lebenslange Freiheitsstrafe in zeitige Strafe gemildert hat.
21
Dies hat die Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Folge. Auf die Einzelbeanstandungen der Revision kommt es danach nicht mehr an.
22
Der Senat hat von § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative StPO Gebrauch gemacht und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Hildesheim zurückverwiesen.
Schäfer RiBGH Pfister befindet sich Hubert im Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Schäfer Mayer Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 301/09
vom
29. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 29. September
2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 16. März 2009 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben - in den Fällen 1. bis 3. der Urteilsgründe im jeweiligen Strafausspruch , - im Gesamtstrafenausspruch sowie - im Maßregelausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine Strafkammer des Landgerichts Lübeck zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht Kiel hatte den Angeklagten nach einer ersten Hauptverhandlung durch Urteil vom 26. November 2007 wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge (Fall 4. der Urteilsgründe) sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen (Fälle 1. bis 3. der Urteilsgründe) zur lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat mit Urteil vom 12. Juni 2008 (NStZ 2009, 258) das Urteil des Landgerichts im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, im Umfang der Aufhebung die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen sowie die weitergehende Revision verworfen. Nunmehr hat das Landgericht Kiel den Angeklagten wiederum zur lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf Verfahrensrügen und die Sachrüge stützt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
I. In den Fällen 1. bis 3. der Urteilsgründe hält der jeweilige Strafausspruch rechtlicher Prüfung nicht stand, weil er auf Feststellungen beruht, die vom Landgericht im zweiten Durchgang nicht getroffen worden sind.
3
1. Wird ein Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, so bleiben alle den Schuldspruch tragenden Feststellungen bestehen. Diese umfassen in erster Linie die Tatsachen, in denen die Merkmale des angewandten Straftatbestandes zu finden sind. Aber auch die weitergehenden Feststellungen zum Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs sowie die Tatsachen, aus denen der Beweis hierfür abgeleitet wird, sind Grund- lage des Schuldspruchs. Sie bleiben deshalb auch dann aufrechterhalten und binden den Tatrichter bei der neuen Entscheidung, wenn sie als so genannte doppelrelevante Feststellungen zugleich für den Strafausspruch Bedeutung haben. Durch die Entscheidung des Revisionsgerichts sind aber alle Feststellungen aufgehoben, die sich ausschließlich auf den Strafausspruch beziehen. Insoweit muss der neue Tatrichter umfassend eigene Feststellungen treffen und diese in den Urteilsgründen mitteilen (BGHSt 24, 274, 275).
4
2. Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Durch die Aufhebung des Urteils des Landgerichts Kiel vom 26. November 2007 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen waren die Feststellungen zu den Vorstrafen des Angeklagten (vgl. BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 15), zu seinem Nachtatverhalten (vgl. BGH bei Becker NStZ-RR 2005, 262) und den Tatfolgen (vgl. BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 19; BGH StV 2007, 23) sowie zu den nicht verfahrensgegenständlichen Körperverletzungen entfallen, weil diese für den Schuldspruch nicht tragend waren. Deshalb hätte das Landgericht in der zweiten Hauptverhandlung insoweit eigene Feststellungen treffen und diese in den Urteilsgründen mitteilen müssen. Dies hat das Landgericht unterlassen. Dennoch hat es bei der Bemessung der Einzelstrafen wegen der Körperverletzungsdelikte u. a. zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er einschlägig vorbestraft war, in den Wochen vor den Taten - wenn auch geringfügigere - Körperverletzungen zum Nachteil des Tatopfers, eines neun Jahre alten Jungen, begangen und diesem im Fall 1. der Urteilsgründe mangels einer ordnungsgemäßen Versorgung der am Oberarm zugefügten Fraktur über einen Zeitraum von mehreren Wochen hinweg erhebliche Schmerzen zugefügt hatte.
5
3. Wegen des dargestellten Rechtsfehlers waren die in den Fällen 1. bis 3. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und die lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe aufzuheben.
6
Die im Fall 4. der Urteilsgründe ausgesprochene lebenslange Freiheitsstrafe kann als Einzelstrafe dagegen bestehen bleiben, weil das Gesetz als Sanktion für Mord zwingend die lebenslange Freiheitsstrafe vorsieht. Insoweit hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere hat das Landgericht rechtsfehlerfrei eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten gemäß § 21 StGB zum Tatzeitpunkt verneint.
7
II. Auch der Maßregelausspruch hat keinen Bestand.
8
Da der Senat in den Fällen 1. bis 3. der Urteilsgründe jeweils den Strafausspruch aufgehoben hat, fehlt es bereits an den formellen Voraussetzungen der nach § 66 Abs. 2 StGB angeordneten Sicherungsverwahrung. Darüber hinaus sind auch die materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Das Landgericht hat den Hang des Angeklagten mit dessen Gefährlichkeit begründet und damit nicht die erforderliche Differenzierung zwischen der Hangtätereigenschaft und der Gefährlichkeitsprognose vorgenommen (vgl. BGHSt 50, 188, 196). Außerdem hat es die Lebensgeschichte des Angeklagten, seine Persönlichkeitsentwicklung sowie seine Vorstrafen und die diesen zugrunde liegenden Taten nur lückenhaft erörtert, sodass es sowohl für den Hang als auch die Gefährlichkeitsprognose an der notwendigen Gesamtwürdigung der seine Persönlichkeit prägenden Umstände fehlt (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 66 Rdn. 25 a und 33 f.).
9
III. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch gemacht und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Lübeck zurückverwiesen.
10
Für die neue Hauptverhandlung nimmt der Senat zunächst Bezug auf die Ausführungen im Urteil vom 26. November 2007. Ergänzend weist er auf Folgendes hin:
11
Sollte das Landgericht in den Fällen 1. bis 3. der Urteilsgründe eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten infolge einer Alkoholisierung nicht ausschließen können, wird bei der Prüfung, ob die Strafrahmenmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu versagen ist, auch zu untersuchen sein, ob der Alkoholkonsum dem Angeklagten möglicherweise deshalb nicht uneingeschränkt vorwerfbar ist, weil dieser nach dem Gutachten des Sachverständigen als Folge seiner Persönlichkeitsstörung in Konfliktsituationen regelmäßig Suchtmittel konsumiert (vgl. BGH StV 2004, 651, 652; Fischer aaO § 21 Rdn.

26).


Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer Mayer
5 StR 344/05
(alt: 5 StR 94/04)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 30. November 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 29. und 30. November 2005, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K
alsVerteidigerfürdenA ngeklagten H ,
Rechtsanwalt R
alsVerteidigerfürdenAngek lagten S ,
Rechtsanwalt Sa
alsVertreterderNebenklägerin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
in der Sitzung vom 30. November 2005 für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. Februar 2005
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten wegen Totschlags verurteilt sind,
b) in den Strafaussprüchen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Die Revision des Angeklagten H gegen das genannte Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu tragen.
4. Die Sache wird zur Neufestsetzung der Strafen und zur Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hatte die Angeklagten zunächst mit seinem Urteil vom 14. August 2003 wegen Totschlags zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revisionen der Nebenklägerin hat der Senat die Schuldsprüche aufgehoben und – bei Aufrechterhaltung der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen – das Verfahren an eine andere Schwurgerichtskammer zurückverwiesen (NStZ-RR 2004, 332). Diese hat die Angeklagten nunmehr wegen Körperverletzung mit Todesfolge wiederum zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, und die Rechtsmittel der Nebenklägerin jeweils mit der Sachrüge. Der Angeklagte H greift mit seiner beschränkten Revision die vom Landgericht gefundene Strafe an. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben Erfolg, soweit das Landgericht nicht auf Totschlag erkannt hat. Die Revision des Angeklagten H ist unbegründet.
1. Das Landgericht hatte in seinem Urteil vom 14. August 2003 folgende Feststellungen getroffen:
a) Die Angeklagten besuchten gegen Mittag des 26. Januar 2003 den ihnen bekannten wesentlich älteren, körperlich und seelisch angegriffenen He in dessen Wohnung in Berlin-Lichtenberg. Sie trafen dort auf die Zeugen Ra und Sh ; letzterer entfernte sich alsbald. Nach reichlichem Genuss von Rotwein und Wodka verletzten die Angeklagten den He zwischen 18.00 und 19.00 Uhr zunächst wie folgt: S rammte dem neben ihm sitzenden Wohnungsinhaber völlig unvermittelt seinen rechten Ellenbogen in die seitliche Halsgegend. H trat He mit dem beschuhten Fuß kräftig ins Gesicht. S schubste den Zeugen Ra zur Seite, der He vor einem Angriff schützen wollte. H schlug He mit der Faust auf das rechte Auge. Nachdem der Zeuge Ra im Badezimmer die von H verursachten Wunden ausgewaschen hatte, schlug dieser Angeklagte erneut mehrfach mit der Faust auf die Wunden und gegen den rechten Kieferbereich. Der Angeklagte S schlug ebenfalls mehrmals mit den Fäusten auf den jetzt wieder blutenden Verletzten ein. H packte dann das keinerlei Widerstand leistende Opfer an den Haaren und schlug dessen Kopf gegen die Wand. Er urinierte auf den an der Stirn, aus der Nase und am Ohr blutenden Schwerverletzten. Um diesen noch stärker zu erniedrigen , rasierten ihm die Angeklagten die Kopfhaare teilweise ab. Unter dem Ausruf: „Mal sehen, wie widerstandsfähig er ist!“ würgte einer der Angeklagten ihr Opfer, während der andere mit äußerster Gewalt die Nase zuhielt und so stark an ihr zerrte, dass der Nasenknorpel abriss. In der sicheren Erwartung , der Schwerverletzte werde in Kürze versterben, verließen die Angeklagten die Wohnung. Gemeinsam mit dem Zeugen Ra suchten sie gegen 22.00 Uhr den Bundesgrenzschutz im Bahnhof Lichtenberg auf. Dort und gegenüber der später eingetroffenen Notärztin erklärten sie, sie hätten mit einem „gesoffen“ und machten sich Sorgen, dass derjenige eventuell tot sei.
Infolge der massiven Tätlichkeiten der Angeklagten erlitt He neben Haut- und Weichteilunterblutungen eine Fraktur der rechten Augenhöhle, eine Verletzung der Leber und der rechten Niere, Rippenfrakturen sowie eine Blutung unter die harte Hirnhaut, an der er im Zusammenhang mit einer Hirnschwellung und einer Bluteinatmung noch in seiner Wohnung verstarb.

b) Die Schwurgerichtskammer hatte sich vom bedingten Tötungsvorsatz aufgrund der Geständnisse der Angeklagten überzeugt, aber kein Tatmotiv feststellen können.
2. Der Senat hat auf die Revisionen der Nebenklägerin die Schuldsprüche aufgehoben, weil die fehlerfrei getroffenen Feststellungen nach den anzuwendenden Maßstäben von BGHSt 47, 128 tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme niedriger Beweggründe geboten hätten, deren Erörterung notwendig gewesen wäre. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen hat der Senat aufrechterhalten.
3. Die neu berufene Schwurgerichtskammer hat, nachdem die Angeklagten von ihrem Recht zu schweigen Gebrauch gemacht haben, das Tatgeschehen umfassend neu aufgeklärt, zum Vor- und Nachtatgeschehen weitergehende Feststellungen getroffen und ein Motiv der Angeklagten festgestellt :
a) Zwischen den muskulös gebauten, noch jungen Angeklagten und dem 48 Jahre alten, durch längeren starken Alkoholkonsum geschwächten He kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen und Streit, weil He nach eigenem, von ihm als ausreichend empfundenen Alkoholgenuss den Angeklagten den Zutritt zu seiner Wohnung gelegentlich versagte. Nachdem He die Angeklagten wieder einmal nicht eingelassen hatte, griffen diese am 30. Dezember 2002 ihren Gastgeber massiv an. He begab sich am nächsten Tag wegen stärker werdender Schmerzen in der Brust ins Krankenhaus. Die Ärzte stellten mehrere frische und mehrere ältere Rippenbrüche sowie eine Nasenbeinfraktur fest. Des Weiteren erlitt He am 30. Dezember , möglicherweise aber auch einige Tage davor oder danach eine subdurale Hirnblutung im Hinterkopf.

b) Das Landgericht hat als Motiv der mit einer Blutalkoholkonzentration von über drei Promille handelnden Angeklagten festgestellt, diese hätten He verletzt, um ihn dafür zu bestrafen, dass er die Angeklagten am Tag zuvor nicht in seine Wohnung eingelassen hatte. Die bis zum Abriss des Nasenknorpels übereinstimmend mit den Feststellungen des Urteils vom 14. August 2003 erneut zu Grunde gelegten Tätlichkeiten der Angeklagten seien aber immer wieder durch Zeiten des gemeinsamen Trinkens unterbrochen worden, während derer die Angeklagten Vorwürfe wegen des abweisenden Verhaltens des He erhoben. Das Landgericht konnte nicht sicher feststellen, dass einzelne oder alle Faustschläge mit voller Kraft und Wucht ausgeführt wurden und dass die Angeklagten den Tod des He auch nur billigend in Kauf genommen haben. Die Angeklagten hätten sich um ihr Opfer auf vielfältige Weise bemüht: Sie führten den malträtierten Geschädigten gemeinsam mit dem Zeugen Ra nochmals ins Badezimmer, duschten ihn mit kaltem Wasser ab, um so seinen Zustand wieder zu verbessern. Dann wechselten sie ihm seine Kleidung und brachten ihn ins Wohnzimmer zurück, wo sie ihn auf dem Sofa absetzten. Kurze Zeit später verlor He das Bewusstsein und rutschte – unerwartet für den Zeugen Ra und nicht sicher ausschließbar auch für die beiden Angeklagten – ohne Einwirkung Dritter zu Boden. In diesem Moment erkannten die Angeklagten und der Zeuge Ra , dass sich die Hautfarbe des Geschädigten im Bereich des Gesichts und der Hände blau verfärbt hatte. Der Angeklagte H begann daraufhin, möglicherweise ebenso wie der Angeklagte S – erst jetzt in Sorge um das Leben von He – bei diesem eine Herzmassage vorzunehmen. Da dies nicht zu einer Besserung des Zustandes des Geschädigten führte, drang Ra darauf, die Feuerwehr oder die Polizei zu rufen, zumal er jetzt befürchtete, He könnte bei einem weiteren Zuwarten möglicherweise versterben. Er verließ mit den beiden Angeklagten die Wohnung. Auch die Angeklagten hatten dabei nicht sicher ausschließbar das Ziel, Hilfe für He zu holen und so die nun erkannte Lebensgefahr zu bannen.

c) Zur Todesursache hat die Schwurgerichtskammer mit sachverständiger Hilfe festgestellt, dass durch den Schlag des Kopfes gegen die Wand die durch den Heilungsprozess der älteren subduralen Hirnblutung entstandene Bindegewebsorganisation aufgerissen sei und eine frische Blutung ausgelöst habe, die zu der tödlichen Hirnschwellung und starken Bluteinatmung geführt hätte. Sämtliche frischen Verletzungen seien nicht sehr erheblich , insbesondere im Einzelnen nicht konkret lebensbedrohlich gewesen. Das Landgericht hat die Rippenbrüche und die Verletzung der Leber nicht mehr dem Tatgeschehen zugerechnet. Diese seien durch die Reanimationsbemühungen des Angeklagten H entstanden.
4. Die Revisionen der Nebenklägerin sind zulässig.
Zwar enthält die Begründung der Rechtsmittel (erneut) keine ausdrückliche Erklärung im Sinne von § 344 Abs. 1 StPO, inwieweit die Beschwerdeführerin das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage. Solches ergibt sich vorliegend aber aus der innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ausgeführten Sachrüge, mit der die Nebenklägerin geltend macht, das Landgericht habe die Bindungswirkung der Aufhebungsansicht des Revisionsurteils verkannt und den Prüfungsauftrag nicht erfüllt, festzustellen, ob das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe vorliegt. Damit hat die Nebenklägerin schließlich erklärt, sie verfolge das Ziel ihrer Rechtsmittel gegen das erste tatrichterliche Urteil weiter, nämlich eine Verurteilung der Angeklagten wegen Mordes zu erreichen (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 2), und hat – wie von § 400 Abs. 1 StPO geboten – auch klargestellt, dass sie das Urteil mit dem Ziel einer Änderung der Schuldsprüche wegen einer Gesetzesverletzung anfechte, die zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 5).
5. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin führen zur Änderung der Schuldsprüche.

a) Die Verurteilungen wegen Körperverletzung mit Todesfolge können nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht die innerprozessuale Bindung an die aufrecht erhaltenen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) des ersten in dieser Sache ergangenen Urteils nicht hinreichend beachtet hat (vgl. BGH NStZ 1999, 259). Zwar ist das Landgericht von einer Bindung an die Feststellungen zum äußeren Tatablauf ausgegangen und hat die einzelnen Tathandlungen in die von ihm getroffenen Feststellungen übernommen. Das Landgericht hat sie aber zum Teil in einen anderen Zusammenhang gestellt, in das festgestellte Gesamtgeschehen weitere Handlungen eingefügt und die Erheblichkeit der Gewalthandlungen der Angeklagten anders bewertet. Damit hat das Landgericht das Tatgeschehen unzulässigerweise im Sinne eines anderen geschichtlichen Vorgangs näher beschrieben (vgl. BGHSt 30, 340, 343, 344; BGH NStZ 1999, 259, 260). Die Beweiswürdigung des Landgerichts , mit der es einen bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten verneint, beruht demnach auf einer unzutreffenden Grundlage.
aa) Im ersten Urteil ist festgestellt, dass die Rippenfrakturen und die Leberverletzung des Tatopfers durch die aggressiven massiven Tätlichkeiten der Angeklagten hervorgerufen wurden. Hiervon weicht das nunmehr angefochtene Urteil in unzulässiger Weise ab, indem es diese Verletzungen unter Anwendung des Zweifelssatzes als mögliche Folge einer vom Angeklagten H vorgenommenen Herzmassage ansieht und diesen Umstand im Rahmen der Beweiswürdigung als einen gegen den Tötungsvorsatz sprechenden Gesichtspunkt anführt.
bb) Das Landgericht hat den festgestellten Tatablauf ferner durch Handlungen unterbrochen gesehen und weitere Feststellungen getroffen, die den gesamten Tatverlauf als für die Angeklagten weitaus günstiger erscheinen lassen. Im Einzelnen handelt es sich um die nunmehr festgestellten Pausen zwischen den einzelnen Misshandlungen, während derer die Angeklagten mit dem Opfer gemeinsam weiter Alkohol getrunken haben, die Versuche der Angeklagten, den Zustand ihres Opfers durch Abduschen und Umkleiden zu verbessern, das Ergreifen lebensrettender Maßnahmen und das Einschalten Dritter.
cc) Das Landgericht hat schließlich die vom Erstgericht als massiv beschriebenen Tätlichkeiten, rückschließend aus der nicht hochgradigen Gefährlichkeit der Verletzungen, höchstens als durchschnittlich bewertet („mittlere Wucht“, UA S. 25). Damit wird die im ersten Urteil bindend festgestellte Dimension der Tätlichkeiten zugunsten der Angeklagten verringert.

b) Der Senat kann die Schuldsprüche selbst entsprechend der Anklage und der Erstverurteilung auf Totschlag umstellen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 57 m.w.N.). Schon die Prüfung des ersten tatrichterlichen Urteils hat keinerlei Bedenken aufkommen lassen, der damals eingestandene bedingte Tötungsvorsatz könnte im Widerspruch zu den objektiven Tatumständen stehen und nicht ebenfalls das Ergebnis einer auf ihnen beruhenden Schlussfolgerung sein. Solches gilt auf der Grundlage der gleichen verbindlichen Feststellungen (siehe unter 1 a der hiesigen Urteilsgründe ) und an Hand der nunmehr vom Landgericht fehlerfrei getroffenen zusätzlichen Feststellungen zur Vorschädigung des Opfers und zum Motiv der Angeklagten sogar in verstärktem Maße.
Die Feststellungen belegen, dass sich die Angeklagten der Vornahme lebensbedrohlicher Gewalthandlungen bewusst waren. Sie sind mit sich steigernder Gewalt gegen ihren Gastgeber vorgegangen, um sich für die Abweisung vom Vortag zu rächen. Sie waren nach ihren eigenen Worten bereit, die Grenze der Widerstandsfähigkeit ihres Opfers zu erreichen, und – vor dem Hintergrund der massiven Verletzung des Kopfes des Opfers und der besonderen Schwierigkeiten, das Ausmaß und die Wirkungen der weiteren Gewalthandlungen gegen den Kopf im Einzelnen steuern zu können (vgl. BGH, Urt. vom 9. August 2005 – 5 StR 352/04) – auch bereit, die Grenzen der Widerstandsfähigkeit zu überschreiten. Dies gilt vorliegend umso mehr: Das Ausmaß der objektiv erforderlichen Gewalt als Grundlage für einen Schluss auf das Erkennen der Lebensgefährlichkeit der aktuellen Gewalthandlungen war sogar herabgesetzt; denn die Angeklagten hatten ihr Opfer schon am 30. Dezember 2002 erheblich verletzt. Bei dieser Sachlage sind keine Umstände erkennbar, nach denen die Angeklagten ernsthaft darauf vertraut haben könnten, der Geschädigte werde nicht zu Tode kommen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 57; BGH, Urt. vom 24. März 2005 – 3 StR 402/04).
Die vom Landgericht – insoweit auf Grund zulässiger ergänzender Feststellungen – gegen einen bedingten Tötungsvorsatz angeführten Umstände gebieten keine andere Wertung.
Das Motiv der Angeklagten, He „lediglich“ für dessen abweisendes Verhalten zu bestrafen, streitet nicht gegen einen bedingten Tötungsvorsatz. Es liegt in der Natur der Sache, dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter in Verfolgung seines anders gelagerten Handlungsantriebs in der Regel über kein Tötungsmotiv verfügt (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 22). Allerdings kann die Art des Motivs die Stärke des vom Täter empfundenen Handlungsimpulses beeinflussen (vgl. BGH aaO). Vorliegend handelten die Angeklagten in Verfolgung ihres Bestrafungsmotivs in einem zeitlich gestreckten Vorgehen unter Inkaufnahme der Überschreitung der Widerstandsfähigkeit des Opfers. Damit steht das Motiv der Angeklagten der Annahme des voluntativen Vorsatzelements nicht entgegen (vgl. Schneider NStZ 2005, 629, 631).
Auch die Erwägung des Landgerichts, der Tod des Opfers sei nicht im Sinne der Angeklagten gewesen, weil damit die Anlaufstelle für gemeinsame Trinkgelage aufgegeben würde, spricht nicht gegen eine Billigung des Todes (vgl. BGHSt 7, 363, 369). Der Erfolg muss den Wünschen des Täters nicht entsprechen (vgl. BGHSt aaO). Allenfalls hochgradig interessenwidrige Tatfolgen widerstreiten der Annahme einer Billigung des Erfolges durch einen in der Steuerungsfähigkeit beeinträchtigten, ohnehin überaus unüberlegt handelnden Täter. Solches liegt hier nicht vor. Das Landgericht hat nämlich fehlerfrei festgestellt, dass He die Angeklagten schon mehrmals abgewiesen hatte, obwohl sie gekommen waren, um mitgebrachten Alkohol zu konsumieren. Danach stand die Wohnung des He den Angeklagten bereits nur noch in beschränktem Umfang zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund vermag der vollständige Verlust (nur) eines Ortes für Trinkgelage keine hochgradig interessenwidrigen Tatfolgen zu begründen.

c) Das Landgericht hat im ersten Urteil rechtsfehlerfrei festgestellt, dass das Opfer an den Folgen der ihm zugefügten als Einheit zu beurteilenden gesamten Gewalthandlungen verstorben ist, insbesondere an den Kopfverletzungen , die ihm in der entscheidenden besonders brutalen späten Ge- schehensphase zugefügt worden waren. Wie ausgeführt, war das Geschehen insoweit – nicht anders als das massive Blutungen verursachende Abreißen des Nasenknorpels in dieser Phase – von bedingtem Tötungsvorsatz getragen. Diese von der Teilaufrechterhaltung erfassten bindenden Feststellungen zur Kausalität hindern die vom Generalbundesanwalt erwogene zweifelhafte Aufspaltung des Geschehens mit einem möglicherweise allein todesverursachenden Teil der Verletzungen in der ersten, noch nicht vom Tötungsvorsatz erfassten Tatphase. Soweit den Feststellungen des Landgerichts , das freilich auch von einer Todesverursachung durch Bluteinatmung ausgeht (UA S. 16, 26), Abweichendes zu entnehmen sein sollte, würde auch dies gegen die innerprozessuale Bindungswirkung verstoßen. Eine Verurteilung wegen eines lediglich versuchten Kapitalverbrechens in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge scheidet schon deshalb aus.

d) Die Voraussetzungen für das Vorliegen niedriger Beweggründe lassen sich den insoweit fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts nicht entnehmen. Zwar ist die nunmehr festgestellte (wiederholte) Bestrafungsaktion grundsätzlich geeignet, das Vorliegen niedriger Beweggründe zu belegen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 39; BGH, Urt. vom 1. September 2005 – 4 StR 290/05). Es liegt nicht gänzlich fern, die von den Angeklagten ausgelebte Rache für ein ihnen unverständliches, als undankbar empfundenes Bestehen des betrunkenen Opfers auf seinem Hausrecht als ebenfalls auf niedrigen Beweggründen beruhend anzusehen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 36; BGH NStZ-RR 2003, 147, 149). Indes reichen die bisherigen Feststellungen als Grundlage für eine sichere Wertung nicht aus. Der Senat schließt namentlich aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung bewiesen werden kann, dass die Angeklagten, die erst nach sechsstündigem gemeinsamen Alkoholgenuss ihre zunächst mit Worten ausgedrückte Verärgerung in stark angetrunkenem Zustand in dumpfem Unmut zur affektgeladenen, fast blindwütigen Racheaktion steigerten, ihr Vergeltungsstreben für ein verwehrtes Gastrecht in seiner Bedeutung für die Tatausführung in ihr Bewusstsein aufgenommen haben (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 26 und 36). Damit hat es mit der Umstellung der Schuldsprüche auf Totschlag sein Bewenden.
6. Die Strafen müssen neu bemessen werden. Dazu bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen. Der neu berufene Tatrichter wird die Strafen für den von den Angeklagten gemeinschaftlich begangenen Totschlag auf der Grundlage der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen (1 a der hiesigen Urteilsgründe), der zulässigerweise getroffenen weiteren Feststellungen zur Person der Angeklagten (UA S. 4 bis 10), deren Motiv (UA S. 12, 20, 31) und zu der Tat vom 30. Dezember 2002 (UA S. 10 f.) zu bemessen haben, wobei von einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit (UA S. 26 bis 28) auszugehen ist. Der Senat wiederholt seinen im Urteil vom 17. August 2004 unter IV. erteilten Hinweis zur Anwendung von § 49 Abs. 1 StGB (vgl. auch sub 8).
7. Mit den Teilerfolgen der Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin erledigen sich deren Kostenbeschwerden.
8. Die wirksam auf das Strafmaß beschränkte Revision des Angeklagten H ist unbegründet. Soweit sich die Revision mit der Sachrüge gegen die versagte Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wendet, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat das mit dem vorliegenden Tatbild übereinstimmende Vortatgeschehen vom 30. Dezember 2002 als Vorerfahrung der Angeklagten gewürdigt, wonach der sie unter dem Einfluss erheblicher Mengen Alkohols objektiv und subjektiv vorhersehbar zu weiteren gewalttätigen Übergriffen gegen ihr Opfer neigten. Solches begründet die Versagung der Strafrahmenverschiebung (vgl. BGHSt 49, 239, 243, 245 f.).
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(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 29. August 2014 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht Essen hatte den Angeklagten B.     im ersten Rechtsgang am 1. Februar 2013 wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, Diebstahls in vier Fällen und Hehlerei unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 23. Februar 2012 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem weiteren Fall zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Der Senat hatte auf die Revision der Staatsanwaltschaft das Urteil im Strafausspruch betreffend die Fälle des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und im Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. Das Landgericht hat nunmehr eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten und eine weitere Einzelstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt.

2

Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil hat keinen Erfolg. Die Strafzumessung der Strafkammer weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Auch die Gesamtstrafenbildung begegnet entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts keinen Bedenken.

3

Die Bemessung der neu festgesetzten Strafen in den Fällen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen und der Gesamtstrafe beruht auf einer tragfähigen Grundlage. Das Landgericht brauchte nicht nochmals die im Ersturteil mitgeteilten Feststellungen zur Person und zu den Vorstrafen des Angeklagten zu treffen, weil infolge der Bestätigung der wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, Diebstahls in vier Fällen und Hehlerei verhängten Einzelstrafen auch die diese tragenden Feststellungen zur Person und zu den Vorstrafen bestehen geblieben sind.

4

Das Revisionsgericht muss bei jeder aufhebenden Entscheidung prüfen, ob und inwieweit die gefundene Gesetzesverletzung auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen einwirkt; in diesem Umfange müssen auch die Feststellungen aufgehoben werden (BGH, Urteil vom 27. November 1959 - 4 StR 394/59, BGHSt 14, 30, 34). Wird nur ein Teil der Verurteilung mit den diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen aufgehoben, werden die übrigen Teile der Entscheidung bestandskräftig mit der Folge der Bindung des mit der zurückgewiesenen Sache befassten Tatrichters an die ihnen zugrunde liegenden nicht aufgehobenen tatsächlichen Grundlagen. Dies gilt auch, wenn das Revisionsgericht - wie der Senat in seiner ersten Entscheidung - den Schuldspruch und einen Teil der Einzelstrafen bestätigt, weitere Einzelstrafen (sowie die Gesamtstrafe) dagegen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben hat. Die teilweise Aufhebung erfasste in diesem Fall die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und zu den Vorstrafen des Angeklagten nicht, weil diese Umstände zugleich für die rechtskräftig abgeschlossenen Fälle von Bedeutung waren und eine Aufhebung den rechtskräftigen Einzelstrafen ihre Grundlage entzogen hätte (offen gelassen von BGH, Urteil vom 13. Oktober 1981 - 1 StR 471/81, BGHSt 30, 225, 227). Bei einer solchen Fallgestaltung sind lediglich ergänzende Feststellungen zugelassen, die mit den bindend gewordenen ein einheitliches und widerspruchsfreies Ganzes bilden müssen.

5

Dies folgt auch aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit (inneren Einheit) und damit notwendigen Widerspruchsfreiheit der Entscheidung, der unabhängig davon Gültigkeit beansprucht, ob ein Urteil über die Schuld- und Straffrage gleichzeitig entscheidet, oder ob nach rechtskräftigem Schuldspruch die Strafe aufgrund einer zum Strafausspruch erfolgreichen Revision neu festgesetzt wird. Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Urteils verbietet selbst dann widersprüchliche Feststellungen zur Person des Angeklagten und seinen Vorstrafen, wenn von der Teilaufhebung prozessual selbständige Taten betroffen waren (vgl. zu den Tatfeststellungen BGH, Beschluss vom 28. März 2007 - 2 StR 62/07, NJW 2007, 1540, 1541; Urteil vom 10. Mai 2007 - 4 StR 11/07). Der neue Tatrichter muss die bestehen gebliebenen Feststellungen weder wiederholen noch hierauf Bezug nehmen (BGH, Beschluss vom 13. Mai 2003 - 1 StR 133/03, StraFo 03, 384).

6

Das Landgericht durfte daher die aus dem früheren Urteil - wörtlich in Anführungsstriche gesetzt - wiedergegebenen Feststellungen zur Person des Angeklagten, die auch die für die Gesamtstrafenbildung notwendigen Angaben zu der einzubeziehenden Verurteilung enthalten, bei der eigenen Strafzumessung berücksichtigen. Darüber hinaus hat es eigene ergänzende Feststellungen zur Person des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung getroffen und hierbei die positive Entwicklung des Angeklagten nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft berücksichtigt.

Sost-Scheible                                   Roggenbuck                                    Franke

                            Mutzbauer                                       Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 133/03
vom
13. Mai 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Mai 2003 beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landge- richts München I vom 24. Oktober 2002 wird als unbegründet verworfen. 2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


Dem Angeklagten liegt zur Last, seine Ehefrau aus Habgier getötet zu haben, um die von ihm befürchteten wirtschaftlichen Nachteile der angedrohten Scheidung und die Auswirkungen auf sein Leben mit seiner Geliebten zu verhindern. Das Landgericht hatte ihn deshalb mit Urteil vom 6. Februar 2001 wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Es hatte darüber hinaus die besondere Schwere der Schuld festgestellt; insoweit hat der Senat mit Beschluß vom 9. August 2001 (StraFo 2001, 390) das Urteil des Landgerichts aufgehoben. Die Feststellungen hierzu konnten bestehen bleiben, weil nur ein Wertungsfehler vorgelegen hatte. In diesem Umfang hatte der Senat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Das Landgericht hat nunmehr durch Urteil vom 24. Oktober 2002 wiederum die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Ange-
klagte erneut mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

1. Die Revision macht einen Verfahrensfehler nach § 261 StPO geltend, weil das Landgericht in seiner Entscheidung zur besonderen Schuldschwere im Sinne von § 57a Abs. 1 Satz1 Nr. 2 StGB tatsächliche Feststellungen zugrunde gelegt habe, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen seien. Der Rüge liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde: Der Senat hatte in seinem Beschluß vom 9. August 2001 ausgeführt, das Landgericht habe es mit Recht als gewichtige Umstände für die besondere Schuldschwere angesehen, daß der Angeklagte die Tötung seiner Ehefrau bis ins Kleinste geplant und dabei eine ungewöhnlich hohe kriminelle Energie aufgewandt habe. Dazu habe es auch zählen können, daß der Angeklagte seine Geliebte, eine kenianische Staatsangehörige, wiederholt zu falschen Angaben gegenüber Ermittlungsbehörden verleitet habe. Dagegen hatte der Senat beanstandet , daß das Landgericht es als „besonders verwerflich angesehen" hatte, der Angeklagte habe das Andenken des Tatopfers dadurch verunglimpft, daß er seine Geliebte zu einer schriftlichen Erklärung veranlaßt habe, wahrheitswidrig zu behaupten, das Tatopfer habe sich bei ihrem Aufenthalt in Kenia gegenüber einheimischen jungen Männern sexuell sehr freizügig verhalten. Nach den Urteilsgründen sei es dem Angeklagten mit dieser - in der Hauptverhandlung widerrufenen Behauptung - nicht in erster Linie um eine Herabsetzung des Tatopfers, sondern um seine Verteidigung gegangen, mit der er seine Tatversion von einer Affekttat habe stützen wollen.
In der nach Zurückverweisung der Sache durchgeführten Hauptverhandlung am 24. Oktober 2002 verlas die Strafkammer den Tenor des Senatsbeschlusses vom 9. August 2001 sowie die Abschnitte A. und B. (persönliche Verhältnisse des Angeklagten, Sachverhaltsfeststellungen) aus dem teilweise aufgehobenen Urteil des Landgerichts vom 6. Februar 2001. Die Revision behauptet, der Angeklagte habe sich in seiner Einlassung ausschließlich zu dem Thema der Verunglimpfung des Tatopfers geäußert. Nachdem er noch pauschal erklärt habe, die Feststellungen des Ersturteils vom 6. Februar 2001 zum Tatgeschehen seien zutreffend, sei seine Vernehmung abgeschlossen worden. In der Beweisaufnahme sei dann nur noch der Sachverständige vernommen worden. Die Revision rügt, das Landgericht habe für seine neue Bewertung der Schuldschwere den Umstand, daß der Angeklagte „nicht davor zurück[geschreckt sei], seine Geliebte zu falschen Angaben gegenüber Ermittlungsbehörden zu verleiten“, herangezogen, ohne daß dazu Feststellungen in der Hauptverhandlung getroffen worden seien. In den verlesenen Abschnitten des Ersturteils werde nur mitgeteilt, der Angeklagte sei nach der Tatbegehung von seiner Geliebten abgeholt worden und habe ihr erzählt, „seine Frau sei infolge eines tragischen Unfalls zu Tode gekommen. Er bat sie, im Falle einer polizeilichen Vernehmung ein Alibi zu geben. Sie sollte aussagen , daß er die ganze Zeit über in Kenia gewesen wäre und eine Magenverstimmung auskuriert habe“. Weitere Ausführungen enthalte das aufgehobene Urteil vom 6. Februar 2001 nur in der nicht verlesenen Beweiswürdigung. Die Revision ist der Ansicht, das Landgericht habe in der neuen Beweisaufnahme nicht die Anforderungen des § 261 StPO eingehalten, denn der nunmehr die besondere Schuldschwere tragende Umstand der Verleitung der
Geliebten zu falschen Angaben gegenüber Ermittlungsbehörden sei nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft worden. Dies trifft nicht zu. 2. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob und wie im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung die bestehen gebliebenen Feststellungen zum Inbegriff der neuen Verhandlung zu machen sind und ob insoweit eine auf § 261 StPO gestützte Verfahrensrüge überhaupt möglich ist. Zwar erwachsen die bestehen gebliebenen Feststellungen nicht in Rechtskraft, weil das begrifflich nur beim Urteilsspruch, nicht aber bei den Feststellungen der Fall ist. Sie sind aber für das weitere Verfahren bindend geworden. Sie bilden zusammen mit dem neuen Urteil die einheitliche instanzabschließende Entscheidung. Der neue Tatrichter muß diese Feststellungen weder wiederholen noch hierauf Bezug nehmen (BGH NStZ-RR 2002, 233; BGH, Beschluß vom 19. September 2001 – 3 StR 339/01 m. w. Nachw.; vgl. auch BGH StV 2002, 599; Hanack in LR StPO 25.Aufl. § 353 Rdn. 28; Kuckein in KK StPO 4. Aufl. § 353 Rdn. 34).
Hier trägt die Revision selbst vor, das Landgericht habe die Feststellungen zum Tatablauf durch Verlesen des aufgehobenen Urteils vom 9. Februar 2001 bekannt gemacht. Dazu gehörte auch die Feststellung, der Angeklagte habe seine Geliebte aufgefordert, ihm ein falsches Alibi zu verschaffen. Einer erneuten Beweisaufnahme über diese Tatsachen bedurfte es nicht, da das Landgericht an die dazu getroffenen Feststellungen gebunden war.
Hinzu kommt, daß sich aus den im Rahmen der Gegenerklärungen der Staatsanwaltschaft eingeholten dienstlichen Erklärungen des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft und der Berufsrichter der Kammer ergibt, daß so-
wohl die Anstiftung des Angeklagten zur Falschaussage als auch die konkrete Reaktion der Geliebten und die spätere Korrektur ihrer Aussage vor der Ermittlungsrichterin Gegenstand der Einlassung des Angeklagten waren. Dieser habe insbesondere erklärt, daß seine Geliebte auf seine Aufforderung hin die falsche Aussage gemacht habe und er ihr erst in einem Gespräch vor der ermittlungsrichterlichen Vernehmung in München erklärt habe, daß er kein Alibi mehr benötige, worauf diese dann eine korrigierte Aussage gemacht habe.

II.

Die Überprüfung der Entscheidung über die besondere Schwere der Schuld § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt. Nack Boetticher Schluckebier Kolz Hebenstreit

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr oder, um eine solche Täuschung zu ermöglichen,

1.
inländische oder ausländische Zahlungskarten, Schecks, Wechsel oder andere körperliche unbare Zahlungsinstrumente nachmacht oder verfälscht oder
2.
solche falschen Karten, Schecks, Wechsel oder anderen körperlichen unbaren Zahlungsinstrumente sich oder einem anderen verschafft, feilhält, einem anderen überlässt oder gebraucht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(4) Zahlungskarten und andere körperliche unbare Zahlungsinstrumente im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche, die durch Ausgestaltung oder Codierung besonders gegen Nachahmung gesichert sind.

(5) § 149, soweit er sich auf die Fälschung von Wertzeichen bezieht, und § 150 gelten entsprechend.

Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts, für Taten, die auf einem Schiff oder in einem Luftfahrzeug begangen werden, das berechtigt ist, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 186/16
vom
18. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:181016B3STR186.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 18. Oktober 2016 gemäß § 206a Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 11. Januar 2016 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit die Angeklagten in den Fällen 178-180 der Urteilsgründe verurteilt worden sind; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) der Tenor des vorbezeichneten Urteils, soweit es den Angeklagten M. S. betrifft, im Schuld- und Strafausspruch dahin geändert, dass der Angeklagte aa) wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 72 Fällen, davon in 36 Fällen in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und in weiteren 36 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 19. Juli 2011 - 8053 Js 17350/10 - 34 Ds - und unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Trier vom 22. September 2010 - 8053 Js 17350/10 - 34 Ds - und des Amtsgerichts St. Wendel vom 11. März 2011 - 11 Ds 66 Js 2261/10 (455/10) - zu einer Gesamtfrei- heitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt ist, und bb) wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 105 Fällen, davon in 54 Fällen in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und in weiteren 51 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern, sowie wegen sexueller Nötigung in drei Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt ist;
c) das vorbezeichnete Urteil, soweit es die Angeklagte Ma. S. betrifft, aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte der unterlassenen Hilfeleistung in drei Fällen schuldig ist; bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Der Angeklagte M. S. hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. S. wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 180 Fällen, davon in 93 Fällen in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und in weiteren 87 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern, sowie wegen sexueller Nötigung in drei Fällen unter "Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Trier vom 19. Juli 2011 - 8053 Js 17350/10.34 Ds -, dessen Gesamtfreiheitsstrafe aufgelöst wird und in Wegfall kommt", zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen die Angeklagte Ma. S. hat es wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern in drei Fällen und wegen unterlassener Hilfeleistung in drei weiteren Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten erkannt. Dagegen wenden sich die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts sowie auf Verfahrensbeanstandungen gestützten Revisionen der Beschwerdeführer. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Soweit das Landgericht die Angeklagten in den Fällen 178-180 der Urteilsgründe jeweils wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern verurteilt hat, fehlt es an der Verfahrensvoraussetzung einer Anklageerhebung und demzufolge auch an der eines Eröffnungsbeschlusses, so dass das Verfahren gemäß § 354 Abs. 1, § 206a Abs. 1 StPO einzustellen ist.
3
a) Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage war dem Angeklagten M. S. , soweit hier von Bedeutung, zur Last gelegt worden, in der Zeit von September 2009 bis zum 20. Oktober 2011 wöchentlich bei mindestens zwei Gelegenheiten mit der Nebenklägerin sexuelle Kontakte initiiert zu haben, die grundsätzlich gleichförmig verlaufen seien: Er habe zunächst unter der Kleidung des Kindes an den Brüsten und im Schambereich manipuliert, es dann ganz oder teilweise ausgezogen und an ihm ungeschützten Vaginal- und Oralverkehr praktiziert, wobei er beim Oralverkehr den Kopf des Mädchens jeweils fest an seinen Intimbereich gedrückt habe; damit habe er sich in 218 Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Vergewaltigung schuldig gemacht. Der Angeklagten Ma. S. war vorgeworfen worden, in mindestens der Hälfte der Fälle "räumlich und zeitlich anwesend" gewesen zu sein und die Handlungen des Angeklagten wahrgenommen zu haben; gleichwohl habe sie als Mutter des Kindes jedes Mal nicht eingegriffen und dadurch die jeweiligen Tatbestandsverwirklichungen durch den Angeklagten M. S. gefördert und ermöglicht.
4
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es im Zeitraum vom 17. Januar 2010 bis zum 20. Oktober 2011 zu 177 Taten der in der Anklage beschriebenen Art, wobei die Strafkammer angenommen hat, dass nur bei wöchentlich einer Gelegenheit der Angeklagte den Oral- oder Vaginalverkehr mit der Nebenklägerin vornahm und sie bei einer zweiten Gelegenheit nur an der Brust und im Schambereich berührte und sich von ihr manuell befriedigen ließ oder dies vor ihr selbst tat. In den Fällen des Oralverkehrs habe er keine Gewalt angewandt. Betreffend die Angeklagte Ma. S. hat das Landgericht festgestellt, dass sie jedenfalls bei drei Gelegenheiten hinzukam, wenn der Angeklagte M. S. an der Nebenklägerin sexuelle Handlungen vornahm, und das Zimmer wieder verließ, ohne die Taten zu unterbinden oder der Nebenklägerin anderweitig zu Hilfe zu kommen.
5
Darüber hinaus hat das Landgericht zu den Fällen 178-180 der Urteilsgründe Folgendes festgestellt: An zwei nicht genau feststellbaren Tagen in der Zeit zwischen Fastnacht und dem 20. Oktober 2011 kam es dazu, dass die beiden Angeklagten die Nebenklägerin gemeinsam sexuell missbrauchten. Die Initiative dazu ging von dem Angeklagten M. S. aus, die Angeklagte Ma. S. beteiligte sich ihm zuliebe. In beiden Fällen begaben sich die Angeklagten gemeinsam mit der Nebenklägerin ins Elternschlafzimmer, entkleideten jedenfalls deren Oberkörper und die Angeklagte Ma. S. streichelte sie an der Brust und am gesamten Oberkörper. Der Angeklagte M. S. schaute zunächst nur zu, streichelte die Nebenklägerin dann aber auch selbst an der Brust und an der Scheide (Fälle 178-179 der Urteilsgründe). Bei einer weiteren Gelegenheit begaben sich die Angeklagten aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses gemeinsam mit der Nebenklägerin ins Schlafzimmer und entkleideten sie vollständig. Auf Aufforderung des Angeklagten M. S. führte die Angeklagte Ma. S. einen Dildo in die Vagina der Nebenklägerin ein; der Angeklagte M. S. beobachtete dies zunächst und begann später - sexuell erregt - die Nebenklägerin an Brust und im Schambereich zu streicheln (Fall 180 der Urteilsgründe).
6
Eine Nachtragsanklage, die diese Begehungsweisen zum Gegenstand hatte, ist nicht erhoben worden.
7
c) Die auf diese Feststellungen gestützte Verurteilung der Angeklagten wegen mittäterschaftlich begangenen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern in drei Fällen hat keinen Bestand; das Verfahren ist insoweit einzustellen. Das von der Strafkammer festgestellte Geschehen weicht so deutlich von den in der Anklageschrift geschilderten geschichtlichen Vorgängen ab, dass es sich nicht mehr als eine von der Anklage bezeichnete Tat im Sinne von § 264 Abs. 1 StPO darstellt. Hierzu gilt:
8
Gegenstand der Urteilsfindung ist nur die in der Anklage bezeichnete Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Allerdings hat das Gericht die angeklagte Tat im verfahrensrechtlichen Sinne erschöpfend abzuurteilen; zur Tat in diesem Sinne gehört das gesamte Verhalten der Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Lebensauffassung einen einheitlichen Vorgang darstellt. In diesem Rahmen muss das Tatgericht seine Untersuchung auch auf Teile der Tat erstrecken, die erst in der Hauptverhandlung bekannt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 20. November 2014 - 4 StR 153/14, juris Rn. 5; Beschlüsse vom 27. November 2011 - 3 StR 255/11, NStZ 2012, 168, 169; vom 10. November 2008 - 3 StR 433/08, NStZ-RR 2009, 146, 147). Diese Umgestaltung der Strafklage darf aber nicht dazu führen, dass die Identität der von der Anklage umfassten Tat nicht mehr gewahrt ist, weil das ihr zugrunde liegende Geschehen durch ein anderes ersetzt wird (BGH, Urteil vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 375/08, juris Rn. 8).
9
So verhält es sich indes hier: In den Fällen 178-180 der Urteilsgründe weichen die Feststellungen der Strafkammer hinsichtlich der Modalitäten der Tatbegehung so erheblich vom Anklagevorwurf ab, dass mit ihnen andere als die angeklagten Taten beschrieben sind. Nach dem dargelegten, der Anklageerhebung zugrunde liegenden Ermittlungsergebnis war die Nebenklägerin über Jahre hinweg Opfer einer Vielzahl von gleichartigen sexuellen Übergriffen des Angeklagten M. S. , die hinsichtlich der jeweiligen Tatzeit nicht näher bestimmt werden konnten. Hinsichtlich der Tatorte nannte die Anklageschrift jeweils drei Zimmer in den beiden von den Angeklagten und der Nebenklägerin bewohnten Wohnungen, ohne die einzelnen Taten bestimmten Räumen zuordnen zu können. Lediglich die Art und Weise der Tatverwirklichung war - wenn auch in allen 218 Fällen gleichartig - konkret beschrieben. Der gegen die Angeklagte Ma. S. erhobene Vorwurf knüpfte an diese Tatschilderung an, indem die Anklageschrift ihr zur Last legte, jeweils nicht eingegriffen zu haben, um die Taten zu verhindern.
10
Diese Fassung des Anklagesatzes begegnet zwar entgegen der Auffassung der Angeklagten Ma. S. keinen durchgreifenden Bedenken, denn bei einer Vielzahl sexueller Übergriffe gegenüber Kindern, die - wie hier - erst nach Jahren angezeigt werden, ist eine Individualisierung nach Tatzeit und exaktem Geschehensablauf nicht durchgehend möglich. Dies steht einer Anklageerhebung gleichwohl nicht entgegen; die Anklageschrift erfüllt in diesen Fällen ihre Umgrenzungsfunktion, wenn sie den Verfahrensgegenstand durch den zeitlichen Rahmen der Tathandlungen, die Nennung der Höchstzahl der innerhalb dieses Rahmens begangenen Taten, das Tatopfer und die wesentlichen Grundzüge des jeweiligen Tatgeschehens bezeichnet (vgl. BGH, Urteile vom 11. Januar 1994- 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 46 f.; vom 29. Juli 1998 - 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 154 f.; vom 22. Oktober 2013 - 5 StR 297/13, NStZ 2014, 49 mwN). Ist in diesen Fällen im Wesentlichen die Art und Weise der Tatbegehung konkret geschildert, kommt dieser Beschreibung indes maßgebliche Bedeutung für die Individualisierung der zum Gegenstand der Anklage und später des Eröffnungsbeschlusses gemachten Taten zu (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2011 - 3 StR 255/11, NStZ 2012, 168, 169). Weichen die in der Hauptverhandlung festgestellten Verhaltensweisen davon in wesentlichen Punkten ab, handelt es sich bei diesen nicht mehr um von der Anklage umfasste Vorwürfe.
11
Vorliegend zeichneten sich die Anklagevorwürfe dadurch aus, dass allein der Angeklagte M. S. die Nebenklägerin sexuell missbraucht und die Angeklagte Ma. S. dies teilweise bemerkt und nichts dagegen unternommen habe. Davon weicht die in den Fällen 178-180 der Urteilsgründe festgestellte gemeinsame Vorgehensweise - noch dazu im Fall 180 unter Verwendung eines in der Anklageschrift nicht erwähnten Dildos - so erheblich ab, dass sich diese Übergriffe auf die Nebenklägerin als andere prozessuale Taten darstellen , die das Landgericht nicht ohne die - hier fehlende - Erhebung einer Nachtragsanklage zum Gegenstand einer Verurteilung machen konnte.
12
2. Die Verfahrensrügen der Angeklagten bleiben - soweit es auf sie nach der teilweisen Einstellung des Verfahrens noch ankommt - aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
13
3. Die auf die erhobene Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat keine Rechtsfehler zu Ungunsten der Angeklagten ergeben. Mit Blick auf die vorgenommene Teileinstellung des Verfahrens gilt Folgendes:
14
a) Der dadurch bedingte Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen 178-180 der Urteilsgründe lässt den Strafausspruch gegen den Angeklagten M. S. im Übrigen unberührt. Die erste verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten wird davon ohnehin nicht betroffen, weil diese ohne Einbeziehung dieser Einzelstrafen gebildet worden ist. Angesichts der nach der Teileinstellung verbleibenden Einzelstrafen von 51 mal zwei Jahren und 54 mal drei Jahren und neun Monaten schließt der Senat aber auch aus, dass das Landgericht ohne die drei weggefallenen Strafen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe als fünf Jahre erkannt hätte; dies gilt auch eingedenk des Umstands , dass die Einsatzstrafe von vier Jahren und zwei Monaten im Fall 180 der Urteilsgründe verhängt worden ist.
15
Allerdings war der Tenor des Urteils entsprechend der Anregung des Generalbundesanwalts so neu zu fassen, dass sich schon aus ihm und nicht erst aus den Gründen ergibt, wegen welcher Taten der Angeklagte zu welcher Gesamtstrafe verurteilt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. August 2015 - 1 StR 305/15, NStZ-RR 2015, 305).
16
b) Bei der Angeklagten Ma. S. bedingt der Wegfall der in den Fällen 178-180 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen von zweimal zwei Jahren und zwei Monaten und einmal zwei Jahren und neun Monaten mit Blick auf die verbleibenden Einzelstrafen von dreimal sechs Monaten hingegen den Wegfall der Gesamtfreiheitsstrafe; diese muss neu zugemessen werden. Die dazu getroffenen Feststellungen werden von dem Rechtsfehler jedoch nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (s. § 353 Abs. 2 StPO).
Becker Gericke Tiemann Berg Hoch

(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält,
2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist,
3.
gewerbsmäßig stiehlt,
4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient,
5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist,
6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder
7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

5 StR 344/05
(alt: 5 StR 94/04)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 30. November 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 29. und 30. November 2005, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K
alsVerteidigerfürdenA ngeklagten H ,
Rechtsanwalt R
alsVerteidigerfürdenAngek lagten S ,
Rechtsanwalt Sa
alsVertreterderNebenklägerin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
in der Sitzung vom 30. November 2005 für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. Februar 2005
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten wegen Totschlags verurteilt sind,
b) in den Strafaussprüchen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Die Revision des Angeklagten H gegen das genannte Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu tragen.
4. Die Sache wird zur Neufestsetzung der Strafen und zur Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hatte die Angeklagten zunächst mit seinem Urteil vom 14. August 2003 wegen Totschlags zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revisionen der Nebenklägerin hat der Senat die Schuldsprüche aufgehoben und – bei Aufrechterhaltung der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen – das Verfahren an eine andere Schwurgerichtskammer zurückverwiesen (NStZ-RR 2004, 332). Diese hat die Angeklagten nunmehr wegen Körperverletzung mit Todesfolge wiederum zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, und die Rechtsmittel der Nebenklägerin jeweils mit der Sachrüge. Der Angeklagte H greift mit seiner beschränkten Revision die vom Landgericht gefundene Strafe an. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben Erfolg, soweit das Landgericht nicht auf Totschlag erkannt hat. Die Revision des Angeklagten H ist unbegründet.
1. Das Landgericht hatte in seinem Urteil vom 14. August 2003 folgende Feststellungen getroffen:
a) Die Angeklagten besuchten gegen Mittag des 26. Januar 2003 den ihnen bekannten wesentlich älteren, körperlich und seelisch angegriffenen He in dessen Wohnung in Berlin-Lichtenberg. Sie trafen dort auf die Zeugen Ra und Sh ; letzterer entfernte sich alsbald. Nach reichlichem Genuss von Rotwein und Wodka verletzten die Angeklagten den He zwischen 18.00 und 19.00 Uhr zunächst wie folgt: S rammte dem neben ihm sitzenden Wohnungsinhaber völlig unvermittelt seinen rechten Ellenbogen in die seitliche Halsgegend. H trat He mit dem beschuhten Fuß kräftig ins Gesicht. S schubste den Zeugen Ra zur Seite, der He vor einem Angriff schützen wollte. H schlug He mit der Faust auf das rechte Auge. Nachdem der Zeuge Ra im Badezimmer die von H verursachten Wunden ausgewaschen hatte, schlug dieser Angeklagte erneut mehrfach mit der Faust auf die Wunden und gegen den rechten Kieferbereich. Der Angeklagte S schlug ebenfalls mehrmals mit den Fäusten auf den jetzt wieder blutenden Verletzten ein. H packte dann das keinerlei Widerstand leistende Opfer an den Haaren und schlug dessen Kopf gegen die Wand. Er urinierte auf den an der Stirn, aus der Nase und am Ohr blutenden Schwerverletzten. Um diesen noch stärker zu erniedrigen , rasierten ihm die Angeklagten die Kopfhaare teilweise ab. Unter dem Ausruf: „Mal sehen, wie widerstandsfähig er ist!“ würgte einer der Angeklagten ihr Opfer, während der andere mit äußerster Gewalt die Nase zuhielt und so stark an ihr zerrte, dass der Nasenknorpel abriss. In der sicheren Erwartung , der Schwerverletzte werde in Kürze versterben, verließen die Angeklagten die Wohnung. Gemeinsam mit dem Zeugen Ra suchten sie gegen 22.00 Uhr den Bundesgrenzschutz im Bahnhof Lichtenberg auf. Dort und gegenüber der später eingetroffenen Notärztin erklärten sie, sie hätten mit einem „gesoffen“ und machten sich Sorgen, dass derjenige eventuell tot sei.
Infolge der massiven Tätlichkeiten der Angeklagten erlitt He neben Haut- und Weichteilunterblutungen eine Fraktur der rechten Augenhöhle, eine Verletzung der Leber und der rechten Niere, Rippenfrakturen sowie eine Blutung unter die harte Hirnhaut, an der er im Zusammenhang mit einer Hirnschwellung und einer Bluteinatmung noch in seiner Wohnung verstarb.

b) Die Schwurgerichtskammer hatte sich vom bedingten Tötungsvorsatz aufgrund der Geständnisse der Angeklagten überzeugt, aber kein Tatmotiv feststellen können.
2. Der Senat hat auf die Revisionen der Nebenklägerin die Schuldsprüche aufgehoben, weil die fehlerfrei getroffenen Feststellungen nach den anzuwendenden Maßstäben von BGHSt 47, 128 tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme niedriger Beweggründe geboten hätten, deren Erörterung notwendig gewesen wäre. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen hat der Senat aufrechterhalten.
3. Die neu berufene Schwurgerichtskammer hat, nachdem die Angeklagten von ihrem Recht zu schweigen Gebrauch gemacht haben, das Tatgeschehen umfassend neu aufgeklärt, zum Vor- und Nachtatgeschehen weitergehende Feststellungen getroffen und ein Motiv der Angeklagten festgestellt :
a) Zwischen den muskulös gebauten, noch jungen Angeklagten und dem 48 Jahre alten, durch längeren starken Alkoholkonsum geschwächten He kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen und Streit, weil He nach eigenem, von ihm als ausreichend empfundenen Alkoholgenuss den Angeklagten den Zutritt zu seiner Wohnung gelegentlich versagte. Nachdem He die Angeklagten wieder einmal nicht eingelassen hatte, griffen diese am 30. Dezember 2002 ihren Gastgeber massiv an. He begab sich am nächsten Tag wegen stärker werdender Schmerzen in der Brust ins Krankenhaus. Die Ärzte stellten mehrere frische und mehrere ältere Rippenbrüche sowie eine Nasenbeinfraktur fest. Des Weiteren erlitt He am 30. Dezember , möglicherweise aber auch einige Tage davor oder danach eine subdurale Hirnblutung im Hinterkopf.

b) Das Landgericht hat als Motiv der mit einer Blutalkoholkonzentration von über drei Promille handelnden Angeklagten festgestellt, diese hätten He verletzt, um ihn dafür zu bestrafen, dass er die Angeklagten am Tag zuvor nicht in seine Wohnung eingelassen hatte. Die bis zum Abriss des Nasenknorpels übereinstimmend mit den Feststellungen des Urteils vom 14. August 2003 erneut zu Grunde gelegten Tätlichkeiten der Angeklagten seien aber immer wieder durch Zeiten des gemeinsamen Trinkens unterbrochen worden, während derer die Angeklagten Vorwürfe wegen des abweisenden Verhaltens des He erhoben. Das Landgericht konnte nicht sicher feststellen, dass einzelne oder alle Faustschläge mit voller Kraft und Wucht ausgeführt wurden und dass die Angeklagten den Tod des He auch nur billigend in Kauf genommen haben. Die Angeklagten hätten sich um ihr Opfer auf vielfältige Weise bemüht: Sie führten den malträtierten Geschädigten gemeinsam mit dem Zeugen Ra nochmals ins Badezimmer, duschten ihn mit kaltem Wasser ab, um so seinen Zustand wieder zu verbessern. Dann wechselten sie ihm seine Kleidung und brachten ihn ins Wohnzimmer zurück, wo sie ihn auf dem Sofa absetzten. Kurze Zeit später verlor He das Bewusstsein und rutschte – unerwartet für den Zeugen Ra und nicht sicher ausschließbar auch für die beiden Angeklagten – ohne Einwirkung Dritter zu Boden. In diesem Moment erkannten die Angeklagten und der Zeuge Ra , dass sich die Hautfarbe des Geschädigten im Bereich des Gesichts und der Hände blau verfärbt hatte. Der Angeklagte H begann daraufhin, möglicherweise ebenso wie der Angeklagte S – erst jetzt in Sorge um das Leben von He – bei diesem eine Herzmassage vorzunehmen. Da dies nicht zu einer Besserung des Zustandes des Geschädigten führte, drang Ra darauf, die Feuerwehr oder die Polizei zu rufen, zumal er jetzt befürchtete, He könnte bei einem weiteren Zuwarten möglicherweise versterben. Er verließ mit den beiden Angeklagten die Wohnung. Auch die Angeklagten hatten dabei nicht sicher ausschließbar das Ziel, Hilfe für He zu holen und so die nun erkannte Lebensgefahr zu bannen.

c) Zur Todesursache hat die Schwurgerichtskammer mit sachverständiger Hilfe festgestellt, dass durch den Schlag des Kopfes gegen die Wand die durch den Heilungsprozess der älteren subduralen Hirnblutung entstandene Bindegewebsorganisation aufgerissen sei und eine frische Blutung ausgelöst habe, die zu der tödlichen Hirnschwellung und starken Bluteinatmung geführt hätte. Sämtliche frischen Verletzungen seien nicht sehr erheblich , insbesondere im Einzelnen nicht konkret lebensbedrohlich gewesen. Das Landgericht hat die Rippenbrüche und die Verletzung der Leber nicht mehr dem Tatgeschehen zugerechnet. Diese seien durch die Reanimationsbemühungen des Angeklagten H entstanden.
4. Die Revisionen der Nebenklägerin sind zulässig.
Zwar enthält die Begründung der Rechtsmittel (erneut) keine ausdrückliche Erklärung im Sinne von § 344 Abs. 1 StPO, inwieweit die Beschwerdeführerin das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage. Solches ergibt sich vorliegend aber aus der innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ausgeführten Sachrüge, mit der die Nebenklägerin geltend macht, das Landgericht habe die Bindungswirkung der Aufhebungsansicht des Revisionsurteils verkannt und den Prüfungsauftrag nicht erfüllt, festzustellen, ob das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe vorliegt. Damit hat die Nebenklägerin schließlich erklärt, sie verfolge das Ziel ihrer Rechtsmittel gegen das erste tatrichterliche Urteil weiter, nämlich eine Verurteilung der Angeklagten wegen Mordes zu erreichen (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 2), und hat – wie von § 400 Abs. 1 StPO geboten – auch klargestellt, dass sie das Urteil mit dem Ziel einer Änderung der Schuldsprüche wegen einer Gesetzesverletzung anfechte, die zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 5).
5. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin führen zur Änderung der Schuldsprüche.

a) Die Verurteilungen wegen Körperverletzung mit Todesfolge können nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht die innerprozessuale Bindung an die aufrecht erhaltenen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) des ersten in dieser Sache ergangenen Urteils nicht hinreichend beachtet hat (vgl. BGH NStZ 1999, 259). Zwar ist das Landgericht von einer Bindung an die Feststellungen zum äußeren Tatablauf ausgegangen und hat die einzelnen Tathandlungen in die von ihm getroffenen Feststellungen übernommen. Das Landgericht hat sie aber zum Teil in einen anderen Zusammenhang gestellt, in das festgestellte Gesamtgeschehen weitere Handlungen eingefügt und die Erheblichkeit der Gewalthandlungen der Angeklagten anders bewertet. Damit hat das Landgericht das Tatgeschehen unzulässigerweise im Sinne eines anderen geschichtlichen Vorgangs näher beschrieben (vgl. BGHSt 30, 340, 343, 344; BGH NStZ 1999, 259, 260). Die Beweiswürdigung des Landgerichts , mit der es einen bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten verneint, beruht demnach auf einer unzutreffenden Grundlage.
aa) Im ersten Urteil ist festgestellt, dass die Rippenfrakturen und die Leberverletzung des Tatopfers durch die aggressiven massiven Tätlichkeiten der Angeklagten hervorgerufen wurden. Hiervon weicht das nunmehr angefochtene Urteil in unzulässiger Weise ab, indem es diese Verletzungen unter Anwendung des Zweifelssatzes als mögliche Folge einer vom Angeklagten H vorgenommenen Herzmassage ansieht und diesen Umstand im Rahmen der Beweiswürdigung als einen gegen den Tötungsvorsatz sprechenden Gesichtspunkt anführt.
bb) Das Landgericht hat den festgestellten Tatablauf ferner durch Handlungen unterbrochen gesehen und weitere Feststellungen getroffen, die den gesamten Tatverlauf als für die Angeklagten weitaus günstiger erscheinen lassen. Im Einzelnen handelt es sich um die nunmehr festgestellten Pausen zwischen den einzelnen Misshandlungen, während derer die Angeklagten mit dem Opfer gemeinsam weiter Alkohol getrunken haben, die Versuche der Angeklagten, den Zustand ihres Opfers durch Abduschen und Umkleiden zu verbessern, das Ergreifen lebensrettender Maßnahmen und das Einschalten Dritter.
cc) Das Landgericht hat schließlich die vom Erstgericht als massiv beschriebenen Tätlichkeiten, rückschließend aus der nicht hochgradigen Gefährlichkeit der Verletzungen, höchstens als durchschnittlich bewertet („mittlere Wucht“, UA S. 25). Damit wird die im ersten Urteil bindend festgestellte Dimension der Tätlichkeiten zugunsten der Angeklagten verringert.

b) Der Senat kann die Schuldsprüche selbst entsprechend der Anklage und der Erstverurteilung auf Totschlag umstellen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 57 m.w.N.). Schon die Prüfung des ersten tatrichterlichen Urteils hat keinerlei Bedenken aufkommen lassen, der damals eingestandene bedingte Tötungsvorsatz könnte im Widerspruch zu den objektiven Tatumständen stehen und nicht ebenfalls das Ergebnis einer auf ihnen beruhenden Schlussfolgerung sein. Solches gilt auf der Grundlage der gleichen verbindlichen Feststellungen (siehe unter 1 a der hiesigen Urteilsgründe ) und an Hand der nunmehr vom Landgericht fehlerfrei getroffenen zusätzlichen Feststellungen zur Vorschädigung des Opfers und zum Motiv der Angeklagten sogar in verstärktem Maße.
Die Feststellungen belegen, dass sich die Angeklagten der Vornahme lebensbedrohlicher Gewalthandlungen bewusst waren. Sie sind mit sich steigernder Gewalt gegen ihren Gastgeber vorgegangen, um sich für die Abweisung vom Vortag zu rächen. Sie waren nach ihren eigenen Worten bereit, die Grenze der Widerstandsfähigkeit ihres Opfers zu erreichen, und – vor dem Hintergrund der massiven Verletzung des Kopfes des Opfers und der besonderen Schwierigkeiten, das Ausmaß und die Wirkungen der weiteren Gewalthandlungen gegen den Kopf im Einzelnen steuern zu können (vgl. BGH, Urt. vom 9. August 2005 – 5 StR 352/04) – auch bereit, die Grenzen der Widerstandsfähigkeit zu überschreiten. Dies gilt vorliegend umso mehr: Das Ausmaß der objektiv erforderlichen Gewalt als Grundlage für einen Schluss auf das Erkennen der Lebensgefährlichkeit der aktuellen Gewalthandlungen war sogar herabgesetzt; denn die Angeklagten hatten ihr Opfer schon am 30. Dezember 2002 erheblich verletzt. Bei dieser Sachlage sind keine Umstände erkennbar, nach denen die Angeklagten ernsthaft darauf vertraut haben könnten, der Geschädigte werde nicht zu Tode kommen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 57; BGH, Urt. vom 24. März 2005 – 3 StR 402/04).
Die vom Landgericht – insoweit auf Grund zulässiger ergänzender Feststellungen – gegen einen bedingten Tötungsvorsatz angeführten Umstände gebieten keine andere Wertung.
Das Motiv der Angeklagten, He „lediglich“ für dessen abweisendes Verhalten zu bestrafen, streitet nicht gegen einen bedingten Tötungsvorsatz. Es liegt in der Natur der Sache, dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter in Verfolgung seines anders gelagerten Handlungsantriebs in der Regel über kein Tötungsmotiv verfügt (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 22). Allerdings kann die Art des Motivs die Stärke des vom Täter empfundenen Handlungsimpulses beeinflussen (vgl. BGH aaO). Vorliegend handelten die Angeklagten in Verfolgung ihres Bestrafungsmotivs in einem zeitlich gestreckten Vorgehen unter Inkaufnahme der Überschreitung der Widerstandsfähigkeit des Opfers. Damit steht das Motiv der Angeklagten der Annahme des voluntativen Vorsatzelements nicht entgegen (vgl. Schneider NStZ 2005, 629, 631).
Auch die Erwägung des Landgerichts, der Tod des Opfers sei nicht im Sinne der Angeklagten gewesen, weil damit die Anlaufstelle für gemeinsame Trinkgelage aufgegeben würde, spricht nicht gegen eine Billigung des Todes (vgl. BGHSt 7, 363, 369). Der Erfolg muss den Wünschen des Täters nicht entsprechen (vgl. BGHSt aaO). Allenfalls hochgradig interessenwidrige Tatfolgen widerstreiten der Annahme einer Billigung des Erfolges durch einen in der Steuerungsfähigkeit beeinträchtigten, ohnehin überaus unüberlegt handelnden Täter. Solches liegt hier nicht vor. Das Landgericht hat nämlich fehlerfrei festgestellt, dass He die Angeklagten schon mehrmals abgewiesen hatte, obwohl sie gekommen waren, um mitgebrachten Alkohol zu konsumieren. Danach stand die Wohnung des He den Angeklagten bereits nur noch in beschränktem Umfang zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund vermag der vollständige Verlust (nur) eines Ortes für Trinkgelage keine hochgradig interessenwidrigen Tatfolgen zu begründen.

c) Das Landgericht hat im ersten Urteil rechtsfehlerfrei festgestellt, dass das Opfer an den Folgen der ihm zugefügten als Einheit zu beurteilenden gesamten Gewalthandlungen verstorben ist, insbesondere an den Kopfverletzungen , die ihm in der entscheidenden besonders brutalen späten Ge- schehensphase zugefügt worden waren. Wie ausgeführt, war das Geschehen insoweit – nicht anders als das massive Blutungen verursachende Abreißen des Nasenknorpels in dieser Phase – von bedingtem Tötungsvorsatz getragen. Diese von der Teilaufrechterhaltung erfassten bindenden Feststellungen zur Kausalität hindern die vom Generalbundesanwalt erwogene zweifelhafte Aufspaltung des Geschehens mit einem möglicherweise allein todesverursachenden Teil der Verletzungen in der ersten, noch nicht vom Tötungsvorsatz erfassten Tatphase. Soweit den Feststellungen des Landgerichts , das freilich auch von einer Todesverursachung durch Bluteinatmung ausgeht (UA S. 16, 26), Abweichendes zu entnehmen sein sollte, würde auch dies gegen die innerprozessuale Bindungswirkung verstoßen. Eine Verurteilung wegen eines lediglich versuchten Kapitalverbrechens in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge scheidet schon deshalb aus.

d) Die Voraussetzungen für das Vorliegen niedriger Beweggründe lassen sich den insoweit fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts nicht entnehmen. Zwar ist die nunmehr festgestellte (wiederholte) Bestrafungsaktion grundsätzlich geeignet, das Vorliegen niedriger Beweggründe zu belegen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 39; BGH, Urt. vom 1. September 2005 – 4 StR 290/05). Es liegt nicht gänzlich fern, die von den Angeklagten ausgelebte Rache für ein ihnen unverständliches, als undankbar empfundenes Bestehen des betrunkenen Opfers auf seinem Hausrecht als ebenfalls auf niedrigen Beweggründen beruhend anzusehen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 36; BGH NStZ-RR 2003, 147, 149). Indes reichen die bisherigen Feststellungen als Grundlage für eine sichere Wertung nicht aus. Der Senat schließt namentlich aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung bewiesen werden kann, dass die Angeklagten, die erst nach sechsstündigem gemeinsamen Alkoholgenuss ihre zunächst mit Worten ausgedrückte Verärgerung in stark angetrunkenem Zustand in dumpfem Unmut zur affektgeladenen, fast blindwütigen Racheaktion steigerten, ihr Vergeltungsstreben für ein verwehrtes Gastrecht in seiner Bedeutung für die Tatausführung in ihr Bewusstsein aufgenommen haben (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 26 und 36). Damit hat es mit der Umstellung der Schuldsprüche auf Totschlag sein Bewenden.
6. Die Strafen müssen neu bemessen werden. Dazu bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen. Der neu berufene Tatrichter wird die Strafen für den von den Angeklagten gemeinschaftlich begangenen Totschlag auf der Grundlage der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen (1 a der hiesigen Urteilsgründe), der zulässigerweise getroffenen weiteren Feststellungen zur Person der Angeklagten (UA S. 4 bis 10), deren Motiv (UA S. 12, 20, 31) und zu der Tat vom 30. Dezember 2002 (UA S. 10 f.) zu bemessen haben, wobei von einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit (UA S. 26 bis 28) auszugehen ist. Der Senat wiederholt seinen im Urteil vom 17. August 2004 unter IV. erteilten Hinweis zur Anwendung von § 49 Abs. 1 StGB (vgl. auch sub 8).
7. Mit den Teilerfolgen der Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin erledigen sich deren Kostenbeschwerden.
8. Die wirksam auf das Strafmaß beschränkte Revision des Angeklagten H ist unbegründet. Soweit sich die Revision mit der Sachrüge gegen die versagte Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wendet, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat das mit dem vorliegenden Tatbild übereinstimmende Vortatgeschehen vom 30. Dezember 2002 als Vorerfahrung der Angeklagten gewürdigt, wonach der sie unter dem Einfluss erheblicher Mengen Alkohols objektiv und subjektiv vorhersehbar zu weiteren gewalttätigen Übergriffen gegen ihr Opfer neigten. Solches begründet die Versagung der Strafrahmenverschiebung (vgl. BGHSt 49, 239, 243, 245 f.).
Basdorf Häger Raum Brause Schaal

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 1 3 9 / 1 4
vom
12. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juni
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 12. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten B. und den früheren Mitangeklagten T. durch Urteil vom 23. April 2012 jeweils wegen Mordes schuldig gesprochen. Den Angeklagten T. hatte es zur lebenslangen, den Angeklagten B. zur Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Auf die zuungunsten des Angeklagten B. eingelegte, wirksam auf den Strafausspruch beschränkte und auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Senat dieses Urteil, soweit es den Angeklagten B. betraf, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben , da die Strafkammer die Anwendung des gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes gemäß § 46b StGB nicht rechtsfehlerfrei begründet hatte. Im Umfang der Aufhebung war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen worden.

2
Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten wiederum zur Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft erneut und stützt ihr zuungunsten des Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel auf die mit Einzelbeanstandungen ausgeführte Sachbeschwerde. Das - vom Generalbundesanwalt vertretene - Rechtsmittel hat Erfolg.
3
Das Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Es verstößt gegen den Grundsatz der innerprozessualen Bindung an nicht aufgehobene Feststellungen des früheren Urteils vom 23. April 2012.
4
1. Das Landgericht hatte in diesem Urteil zur Tat des Angeklagten Folgendes festgestellt:
5
Der frühere Mitangeklagte T. und der Angeklagte B. lebten seit etwa Ende Februar 2011 in einem Zelt. In T. , der mit dieser Wohnsituation unzufrieden war, reifte der Plan, den Angeklagten B. zu veranlassen, den mit ihm befreundeten L. zu töten, um dessen Wohnung zu übernehmen und außerdem zwei Laptops des Opfers zu erlangen. Am Abend des 23. Mai 2011 gab der Angeklagte B. , auf den T. nach einem gemeinsamen Besuch in der Wohnung des L. täglich mehrfach eingewirkt hatte, diesen "platt zu machen", nach anfänglicher Ablehnung dieses Ansinnens dem T. zu verstehen, dass er das Opfer aufsuchen und töten wolle. Beide waren sich dahin einig, dass der Angeklagte B. den L. töten wollte und sollte sowie, dass es um die Erlangung der Laptops und den Bezug der Wohnung des Opfers ging. Um den - im Wesentlichen abgesprochenen - gemeinsamen Tatplan umzusetzen, brachen die beiden am 24. Mai 2011 kurz nach 0:00 Uhr von ihrem Zeltplatz auf.
6
Der Angeklagte B. begab sich schließlich gegen 01:00 Uhr in die Wohnung des abwesenden L. und öffnete diese mit einem Schlüssel, den T. in Besitz hatte. Die Wohnungstür versperrte er hinter sich wieder, um zu vermeiden, dass L. bei seiner Rückkehr Verdacht schöpfte. Nach ca. zehn Minuten erschien dieser und betrat nach dem Wohnzimmer das Schlafzimmer , hinter dessen Tür sich der Angeklagte B. versteckt hatte. Sofort sprühte dieser in Beginn der Ausführung der geplanten Tötung Reizgas gegen L. , um dann sogleich einen tödlichen Stich mit dem hierzu mitgeführten Messer setzen zu können. Nach einem weiteren Einsatz des Reizgases, von dem der Angeklagte selbst getroffen worden war, lief er zunächst in die Küche und öffnete ein Fenster. Danach ging er sofort ins Wohnzimmer, wohin sich L. mittlerweile begeben hatte, und versetzte diesem in Ausführung des Tatplans einen Stich gegen den Hals, durch den dieser durchstochen wurde. Im Verlauf eines Zeitraumes von etwa einer Stunde bis zu einer Stunde und 30 Minuten brachte der Angeklagte B. dem L. weitere - für sich jeweils nicht tödliche - 61 Stich-/Schnittverletzungen bei, um sein Opfer besonders leiden zu lassen und ihm erhebliche Schmerzen zuzufügen. Schließlich tötete der Angeklagte den L. , indem er ihm ein Kissen auf das Gesicht legte und sich - eine Zigarette rauchend - solange darauf setzte, bis sein Opfer kein Lebenszeichen mehr von sich gab.
7
Der Angeklagte B. hatte eingeräumt, L. getötet zu haben, und die Ereignisse im Vorfeld der Tat und das Tatgeschehen so wie festgestellt geschildert. Weiter hatte er nach den Urteilsgründen zu dem Tatgeschehen angegeben:
8
Er habe sich in L. gesehen, als dieser ihn gebeten hatte aufzuhören , weil er nichts getan habe, sowie in diesem Moment daran gedacht, dass sein Vater ihn früher auf brutale Art und Weise misshandelt und vergewaltigt habe. Er habe seinen Vater damals ebenfalls gebeten aufzuhören, weil er nichts getan habe. Den Umstand, dass L. homosexuell gewesen sei, habe er mit seinem Vater in Verbindung gebracht, weil er von diesem sexuell missbraucht worden sei. Deshalb habe er extremen Hass empfunden, als er gegen L. vorgegangen sei. Wegen dessen Homosexualität habe er bereits beim Kennlernen einen leichten Hass gegen ihn verspürt.
9
Im Rahmen der Beweiswürdigung hatte das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte B. den Tatentschluss gefasst hatte, bevor er mit dem Angeklagten T. den Zeltplatz verließ, und dass er L. nach gemeinsamem Tatentschluss mit dem Mitangeklagten T. getötet hatte, um diesen in den Besitz der Wohnung sowie des Laptops und des Netbooks zu bringen. Weiterhin hatte das Landgericht ausgeführt, dass die Einlassung des Angeklagten , er habe die Tat begangen, weil er sich in L. gesehen habe, zur Überzeugung der Strafkammer widerlegt sei.
10
2. In dem nunmehr angefochtenen Urteil hat das Landgericht festgestellt, dass zugunsten des Angeklagten B. aufgrund seiner Einlassung in der neuen Hauptverhandlung "das Folgende zumindest nicht auszuschließen" sei:
11
Als er sich in der Wohnung des L. befand und im Schlafzimmer auf diesen wartete, erinnerte er sich wieder an seine Kindheit und hierbei insbesondere an die Misshandlungen durch seinen Vater, wie auch an die Vorfälle, in denen er von diesem und dem älteren Heimmitbewohner sexuell missbraucht worden war. Er dachte mit Abscheu daran, dass L. homosexuell war, ihm dies gegenüber in der Vergangenheit offen gezeigt und er, B. , sich dadurch belästigt gefühlt hätte. Dies führte dazu, dass er, insbesondere aufgrund der Anteile seiner Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus, den L. absolut entwertet wahrnahm. Das hatte zur Folge, dass zu dem ursprünglichen - von der 13. großen Strafkammer bindend festgestellten - Plan, L. um seiner Habseligkeiten und der Wohnung willen umzubringen, das Verlangen hinzukam , den durch die vorgenannten Erinnerungen aufkommenden Hass an L. auszulassen und einem Gefühl, sich gegen zuvor erlebtes Unrecht wehren zu müssen, nachzugeben, indem er L. umbringt.
12
3. Diese Vorgehensweise begegnet mit Blick auf die innerprozessuale Bindungswirkung der nicht aufgehobenen Feststellungen des Urteils vom 23. April 2012 durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
13
Im Einzelnen:
14
a) Hebt das Revisionsgericht ein Urteil in Anwendung des § 353 Abs.2 StPO nur im Strafausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen auf, so bezieht sich diese Aufhebung nur auf solche Umstände tatrichterlicher Sachverhaltsdarstellung , die ausschließlich die Straffrage betreffen. Hinsichtlich des nicht beanstandeten Schuldspruchs tritt Teilrechtskraft ein. Tatrichterliche Feststellungen , die ausschließlich die Schuldfrage betreffen, und solche, die als doppelrelevante Umstände zugleich für Schuld- und Straffrage von Bedeutung sind, bleiben aufrechterhalten (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1971 - 2 StR 522/71, BGHSt 24, 274, 275; vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 366 ff.).
15
An die nicht aufgehobenen Feststellungen ist der Tatrichter im weiteren Verfahren gebunden. Er darf diese zwar noch ergänzen; diese zusätzlichen Feststellungen dürfen den bestehen gebliebenen und mithin bindend gewordenen jedoch nicht widersprechen. Die den Schuldspruch tragenden Feststellungen sind nämlich die "unantastbare Grundlage für das weitere Verfahren und wesentlicher Teil des abschließenden Urteils". Dies folgt aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit (inneren Einheit) und damit notwendigen Widerspruchsfreiheit der Entscheidung, der unabhängig davon Gültigkeit beansprucht, ob ein Urteil über die Schuld- und Straffrage gleichzeitig entscheidet, oder ob nach rechtskräftigem Schuldspruch die Strafe aufgrund einer zum Strafausspruch erfolgreichen Revision neu festgesetzt wird. Beweiserhebungen, die darauf abzielen , aufrechterhaltene und damit bindende Feststellungen in Zweifel zu ziehen , sind unzulässig. Beweisergebnisse, die im Widerspruch zu bindenden Feststellungen stehen, haben außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteil vom 14. Januar 1982 - 4 StR 642/81, BGHSt 30, 340, 342 ff.; vgl. Winkler in StraFo 2004, 369, 370 f.; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 353 Rn. 27 ff., 34).
16
Nicht erfasst von der (Teil-)Aufhebung werden zunächst einmal alle jene Umstände der Sachverhaltsdarstellung, in denen die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftaten gefunden wurden. Hätte dabei von mehreren Tatsachen bereits ein Teil ausgereicht, um ein Tatbestandsmerkmal zu erfüllen, so gehören gleichwohl alle zum Schuldspruch. An dessen Bindungswirkung nimmt also nicht etwa nur das Mindestmaß an Tatsachen teil, ohne das der Schuldspruch überhaupt keinen Bestand mehr hätte. Vielmehr unterliegen auch solche Abweichungen, durch die nur der Schuldumfang betroffen , die rechtliche Beurteilung aber nicht in Frage gestellt wird, dem Widerspruchsverbot (vgl. BGH, Urteil vom 30. August 1978 - 2 StR 323/78, BGHSt 28, 119, 121). Ebenfalls teil an der Bindungswirkung haben die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über den Zeitpunkt des Tatentschlusses (BGH, Urteil vom 14. November 1978 - 1 StR 439/78, juris Rn. 6), das tatauslösende Moment (BGH, Beschluss vom 15. April 1977 - 2 StR 97/77; Urteil vom 6. Mai 1981 - 2 StR 105/81) sowie die Beweggründe für die Tatbegehung (BGH, Beschluss vom 23. Februar 1979 - 2 StR 728/78; vgl. auch KK-Gericke, 7. Aufl., § 353 Rn. 24 ff., 31 mwN).
17
Über die Tatumstände hinaus, die die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat ausfüllen oder auszufüllen geeignet sind, entfalten zum einen auch die Bestandteile der Sachverhaltsschilderung innerprozessuale Bindungswirkung, aus denen der Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten abgeleitet hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1966 - 2 StR 254/66). Zum anderen nehmen aber auch jene Teile der Sachverhaltsdarstellung als den Schuldspruch tragend an der Bindungswirkung teil, die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben, zum Beispiel die Umstände schildern , die der Tatausführung das entscheidende Gepräge gegeben haben. Der geschichtliche Vorgang, der dem Schuldspruch zugrunde liegt, bildet ein geschlossenes Ganzes, aus dem nicht Einzelteile heraus gegriffen und zum Gegenstand neuer, abweichender Feststellungen gemacht werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 1978 - 2 StR 632/78; Urteile vom 14. Januar 1982 - 4 StR 642/81, NJW 1982, 1295 f. und vom 24. September 1987 - 4 StR 413/87, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 3; Beschlüsse vom 31. Oktober 1995 - 1 StR 454/95, NStZ-RR 1996, 203, 204; vom 17. November 1998 - 4 StR 528/98, NStZ 1999, 259, 260 und vom 16. Mai 2002 - 3 StR 124/02, bei Becker NStZ-RR 2003, 97, 101, juris Rn. 3 f.; Urteil vom 30. November 2005 - 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318). Die Bindungswirkung des im Schuldspruch rechtskräftigen Urteils macht allein vor sol- chen Feststellungen Halt, die nicht zum Tatgeschehen gehören (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2009 - 3 StR 301/09, juris Rn. 4; Urteil vom 4. Dezember 1984 - 1 StR 430/84, NJW 1985, 638, juris Rn. 7; Beschlüsse vom 22. Januar 2002 - 1 StR 564/01, juris Rn. 5, und vom 27. Juni 2006 - 4 StR 190/06, StV 2007, 23 [fortdauernde Folgen der Tat]; Beschluss vom 26. Mai 2004 - 4 StR 149/04, bei Becker NStZ-RR 2005, 257, 262, juris Rn. 7 [Nachtatverhalten ]; vgl. KK-Gericke, aaO, § 353 Rn. 31).
18
b) Danach hätte das Landgericht die aufgrund der Einlassung des Angeklagten in der neuen Hauptverhandlung getroffenen zusätzlichen Feststellungen seiner Entscheidung nicht zugrunde legen dürfen. Denn diese widersprechen den auf der Grundlage der damaligen Beweiswürdigung des Landgerichts getroffenen und durch die Entscheidung des Senats nicht aufgehobenen Feststellungen des Urteils vom 23. April 2012 zum Zeitpunkt des Tatentschlusses sowie zu den Motiven und Beweggründen des Angeklagten und seinem inneren Zustand einschließlich seiner Gedanken und Gefühlsregungen vor und bei Begehung des Mordes. Während das Landgericht in seinem ersten Urteil hierzu festgestellt hatte, dass der Angeklagte den Tatentschluss gefasst hatte, bevor er mit dem Mittäter T. den Zeltplatz verließ, und dass er L. ausschließlich deshalb tötete, um T. in den Besitz der Wohnung sowie des Laptops und des Netbooks zu bringen, hat das Landgericht nunmehr festgestellt, dass bei dem Angeklagten - zusätzlich zu den bereits im ersten Urteil festgestellten Motiven - das erst in der Wohnung seines Opfers entstandene Verlangen hinzukam, den durch seine Erinnerungen an seinen Vater und frühere Missbrauchsgeschehnisse aufkommenden Hass an dem L. auszulassen sowie einem Gefühl, sich gegen das früher erlebte Unrecht wehren zu müssen, nachzugeben, indem er diesen umbringt. Diese neuen Feststellungen beruhen auf derselben Einlassung des Angeklagten, die das Landgericht in seinem ers- ten Urteil ausdrücklich als widerlegt angesehen hat. Insoweit war die Strafkammer durch das erste Urteil gebunden.
19
Soweit der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass die sich auf den Ausschluss einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit beziehenden Feststellungen zur Alkoholisierung eines Angeklagten (ausschließlich) die Straffrage betreffen und nach Aufhebung (allein) des Strafausspruches und Zurückverweisung der Sache das Tatgericht zur Trinkmenge eigene (neue) Feststellungen treffen muss (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. November 2008 - 3 StR 336/08, NStZ-RR 2009, 148; vom 12. September 2000 - 4StR 358/00, juris Rn. 5, sowie Urteil vom 15. April 1997 - 5 StR 24/97, NStZ-RR 1997, 237) steht dies der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen. Denn diese Rechtsprechung bezieht sich nur auf Feststellungen, die sich auf den rechtsfehlerhaften Ausschluss einer alkoholbedingten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten beziehen und betrifft daher eine andere Fallkonstellation als die vorliegende.
20
4. Auf dem dargelegten Rechtsfehler beruht das Urteil, da das Landgericht aufgrund seiner zusätzlichen Feststellungen davon ausgegangen ist, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat erheblich vermindert war und gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB die nach § 211 Abs. 1 StGB zu verhängende lebenslange Freiheitsstrafe in zeitige Strafe gemildert hat.
21
Dies hat die Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Folge. Auf die Einzelbeanstandungen der Revision kommt es danach nicht mehr an.
22
Der Senat hat von § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative StPO Gebrauch gemacht und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Hildesheim zurückverwiesen.
Schäfer RiBGH Pfister befindet sich Hubert im Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Schäfer Mayer Gericke

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 156/12
vom
29. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 29. Mai 2012 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 22. Dezember 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
I. Der Angeklagte war durch Urteil des Landgerichts vom 22. Februar 2011 wegen Betruges in drei Fällen, Untreue in 33 Fällen und Bankrotts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Außerdem hatte das Landgericht festgestellt, dass von der verhängten Freiheitsstrafe neun Monate als vollstreckt gelten.
2
Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat den Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte (neben zwei durch Verwerfung der Revision im Übrigen in Rechtskraft erwachsenen weiteren Fällen) im Tatkomplex II. 3. der Urteilsgründe des Betruges in 18 Fällen sowie des versuchten Betruges in zwei Fällen schuldig sei. Außerdem hatte er das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Untreue in 33 Fällen und Bankrotts verurteilt worden war, im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 3. der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
3
Das Landgericht hat nach Einstellung der im ersten Durchgang als Untreue und Bankrott bewerteten Taten nach § 154 Abs. 2 StPO den Angeklagten "wegen Betruges in 22 Fällen, davon in zwei Fällen im Versuch, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt" und wieder- holt, dass von der "verhängten Freiheitsstrafe … neun Monate als vollstreckt" gelten.
4
Die dagegen gerichtete und auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachbeschwerde Erfolg.
5
II. Das Landgericht hat, soweit ihm eine Festsetzung der Einzelstrafen noch oblag, die versuchten und vollendeten Betrugstaten als besonders schwere Fälle (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB) beurteilt. Es hat dazu das Urteil vom 22. Februar 2011 im Anschluss an die Eingangsbemerkung, der "Verurteilung" lägen "damit folgende Feststellungen zu Grunde", wörtlich dahin zitiert, der Angeklagte habe jeweils in der Absicht gehandelt, "sich durch die fortge- setzte Begehung von Betrugstaten … eine nichtnur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen". Eigene, mit einer eigenständigen Beweiswürdigung belegte Feststellungen (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2012 - 2 StR 592/11) zur gewerbsmäßigen Handlungsweise des Angeklagten hat es nicht getroffen.
6
Damit hat das Landgericht seine Beurteilung auf Feststellungen des Urteils vom 22. Februar 2011 gestützt, die - weil die Strafzumessung betreffend (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2008 - 3 StR 52/08, juris Rn. 5) - durch den Beschluss des Senats im ersten Revisionsverfahren mit aufgehoben waren. Dies führt zur Aufhebung der Einzelstrafen sowie des Gesamtstrafausspruchs; denn das Fehlen eigener entscheidungserheblicher Feststellungen des Tatrichters ist ein sachlich-rechtlicher Mangel, der auf die allgemeine Sachrüge hin zu beachten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 2007 - 2 StR 62/07, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Tenorierung 1).
7
III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass der neue Tatrichter eigene - und nicht nur ergänzende - Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten zu treffen haben wird (BGH, Beschluss vom 25. Juni 1999 - 3 StR 239/99, NStZ-RR 2000, 39 mwN; MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., § 353 Rn. 19).
Becker Pfister Hubert Schäfer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 52/08
vom
22. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 22. April
2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 26. Oktober 2007 im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 23 bis 25 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht Hannover hatte den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen (Fälle 23 bis 25 der Urteilsgründe) sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung von zwei rechtskräftigen Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Dieses Urteil hat der Senat auf die Revision der Staatsanwaltschaft im Fall der Verurteilung wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 21 der Urteilsgründe) sowie im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache an das Landgericht Hildesheim zurückverwiesen (Urteil vom 19. April 2007 3 StR 75/07).
2
Das Landgericht Hildesheim hat den Angeklagten nunmehr im Fall 21 der Urteilsgründe wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt (Einzelstrafe: ein Jahr und zwei Monate Freiheitsstrafe ). Es hat für die drei Fälle des Handeltreibens Einzelstrafen von jeweils einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe verhängt und den Angeklagten unter erneuter Einbeziehung der zwei rechtskräftigen Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit sachlichrechtlichen Angriffen. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
3
Während die Überprüfung der Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, können die für die bereits rechtskräftig gewordenen Schuldsprüche wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen erkannten Freiheitsstrafen wiederum nicht bestehen bleiben; ihnen fehlt die notwendige Tatsachengrundlage.
4
Das Landgericht hat die drei Taten nunmehr jeweils als besonders schwere Fälle des gewerbsmäßigen Handeltreibens (§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG) beurteilt und dazu ausgeführt: "Bereits nach den insoweit rechtskräftigen Feststellungen des Landgerichts Hannover hat der Angeklagte H. die Gewinne aus dem Betäubungsmittelhandel zur Deckung seines Le- bensunterhalts genutzt. Er hat sich somit durch den Verkauf der Betäubungsmittel eine weitere Erwerbsquelle von nicht unerheblichem Ausmaß verschafft und somit gewerbsmäßig gehandelt" (UA S. 18).
5
Damit hat das Landgericht Hildesheim seine Beurteilung auf Feststellungen des Landgerichts Hannover gestützt, die - weil zur Rechtsfolgenfrage gehörend (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 353 Rdn. 20) - durch das Urteil des Senats aufgehoben waren. Dass es hierzu eigene Feststellungen getroffen hat, kann nach der klaren Bezugnahme auf das frühere Urteil nicht angenommen werden. Dies muss zur Aufhebung der Einzelstrafen in diesen drei Fällen sowie des Gesamtstrafausspruchs führen.
RiBGH von Lienen ist erkrankt und deshalb an der Unterschrift gehindert Becker Pfister Becker Hubert Schäfer

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 1 3 9 / 1 4
vom
12. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juni
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 12. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hatte den Angeklagten B. und den früheren Mitangeklagten T. durch Urteil vom 23. April 2012 jeweils wegen Mordes schuldig gesprochen. Den Angeklagten T. hatte es zur lebenslangen, den Angeklagten B. zur Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Auf die zuungunsten des Angeklagten B. eingelegte, wirksam auf den Strafausspruch beschränkte und auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Senat dieses Urteil, soweit es den Angeklagten B. betraf, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben , da die Strafkammer die Anwendung des gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes gemäß § 46b StGB nicht rechtsfehlerfrei begründet hatte. Im Umfang der Aufhebung war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen worden.

2
Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten wiederum zur Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft erneut und stützt ihr zuungunsten des Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel auf die mit Einzelbeanstandungen ausgeführte Sachbeschwerde. Das - vom Generalbundesanwalt vertretene - Rechtsmittel hat Erfolg.
3
Das Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Es verstößt gegen den Grundsatz der innerprozessualen Bindung an nicht aufgehobene Feststellungen des früheren Urteils vom 23. April 2012.
4
1. Das Landgericht hatte in diesem Urteil zur Tat des Angeklagten Folgendes festgestellt:
5
Der frühere Mitangeklagte T. und der Angeklagte B. lebten seit etwa Ende Februar 2011 in einem Zelt. In T. , der mit dieser Wohnsituation unzufrieden war, reifte der Plan, den Angeklagten B. zu veranlassen, den mit ihm befreundeten L. zu töten, um dessen Wohnung zu übernehmen und außerdem zwei Laptops des Opfers zu erlangen. Am Abend des 23. Mai 2011 gab der Angeklagte B. , auf den T. nach einem gemeinsamen Besuch in der Wohnung des L. täglich mehrfach eingewirkt hatte, diesen "platt zu machen", nach anfänglicher Ablehnung dieses Ansinnens dem T. zu verstehen, dass er das Opfer aufsuchen und töten wolle. Beide waren sich dahin einig, dass der Angeklagte B. den L. töten wollte und sollte sowie, dass es um die Erlangung der Laptops und den Bezug der Wohnung des Opfers ging. Um den - im Wesentlichen abgesprochenen - gemeinsamen Tatplan umzusetzen, brachen die beiden am 24. Mai 2011 kurz nach 0:00 Uhr von ihrem Zeltplatz auf.
6
Der Angeklagte B. begab sich schließlich gegen 01:00 Uhr in die Wohnung des abwesenden L. und öffnete diese mit einem Schlüssel, den T. in Besitz hatte. Die Wohnungstür versperrte er hinter sich wieder, um zu vermeiden, dass L. bei seiner Rückkehr Verdacht schöpfte. Nach ca. zehn Minuten erschien dieser und betrat nach dem Wohnzimmer das Schlafzimmer , hinter dessen Tür sich der Angeklagte B. versteckt hatte. Sofort sprühte dieser in Beginn der Ausführung der geplanten Tötung Reizgas gegen L. , um dann sogleich einen tödlichen Stich mit dem hierzu mitgeführten Messer setzen zu können. Nach einem weiteren Einsatz des Reizgases, von dem der Angeklagte selbst getroffen worden war, lief er zunächst in die Küche und öffnete ein Fenster. Danach ging er sofort ins Wohnzimmer, wohin sich L. mittlerweile begeben hatte, und versetzte diesem in Ausführung des Tatplans einen Stich gegen den Hals, durch den dieser durchstochen wurde. Im Verlauf eines Zeitraumes von etwa einer Stunde bis zu einer Stunde und 30 Minuten brachte der Angeklagte B. dem L. weitere - für sich jeweils nicht tödliche - 61 Stich-/Schnittverletzungen bei, um sein Opfer besonders leiden zu lassen und ihm erhebliche Schmerzen zuzufügen. Schließlich tötete der Angeklagte den L. , indem er ihm ein Kissen auf das Gesicht legte und sich - eine Zigarette rauchend - solange darauf setzte, bis sein Opfer kein Lebenszeichen mehr von sich gab.
7
Der Angeklagte B. hatte eingeräumt, L. getötet zu haben, und die Ereignisse im Vorfeld der Tat und das Tatgeschehen so wie festgestellt geschildert. Weiter hatte er nach den Urteilsgründen zu dem Tatgeschehen angegeben:
8
Er habe sich in L. gesehen, als dieser ihn gebeten hatte aufzuhören , weil er nichts getan habe, sowie in diesem Moment daran gedacht, dass sein Vater ihn früher auf brutale Art und Weise misshandelt und vergewaltigt habe. Er habe seinen Vater damals ebenfalls gebeten aufzuhören, weil er nichts getan habe. Den Umstand, dass L. homosexuell gewesen sei, habe er mit seinem Vater in Verbindung gebracht, weil er von diesem sexuell missbraucht worden sei. Deshalb habe er extremen Hass empfunden, als er gegen L. vorgegangen sei. Wegen dessen Homosexualität habe er bereits beim Kennlernen einen leichten Hass gegen ihn verspürt.
9
Im Rahmen der Beweiswürdigung hatte das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte B. den Tatentschluss gefasst hatte, bevor er mit dem Angeklagten T. den Zeltplatz verließ, und dass er L. nach gemeinsamem Tatentschluss mit dem Mitangeklagten T. getötet hatte, um diesen in den Besitz der Wohnung sowie des Laptops und des Netbooks zu bringen. Weiterhin hatte das Landgericht ausgeführt, dass die Einlassung des Angeklagten , er habe die Tat begangen, weil er sich in L. gesehen habe, zur Überzeugung der Strafkammer widerlegt sei.
10
2. In dem nunmehr angefochtenen Urteil hat das Landgericht festgestellt, dass zugunsten des Angeklagten B. aufgrund seiner Einlassung in der neuen Hauptverhandlung "das Folgende zumindest nicht auszuschließen" sei:
11
Als er sich in der Wohnung des L. befand und im Schlafzimmer auf diesen wartete, erinnerte er sich wieder an seine Kindheit und hierbei insbesondere an die Misshandlungen durch seinen Vater, wie auch an die Vorfälle, in denen er von diesem und dem älteren Heimmitbewohner sexuell missbraucht worden war. Er dachte mit Abscheu daran, dass L. homosexuell war, ihm dies gegenüber in der Vergangenheit offen gezeigt und er, B. , sich dadurch belästigt gefühlt hätte. Dies führte dazu, dass er, insbesondere aufgrund der Anteile seiner Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus, den L. absolut entwertet wahrnahm. Das hatte zur Folge, dass zu dem ursprünglichen - von der 13. großen Strafkammer bindend festgestellten - Plan, L. um seiner Habseligkeiten und der Wohnung willen umzubringen, das Verlangen hinzukam , den durch die vorgenannten Erinnerungen aufkommenden Hass an L. auszulassen und einem Gefühl, sich gegen zuvor erlebtes Unrecht wehren zu müssen, nachzugeben, indem er L. umbringt.
12
3. Diese Vorgehensweise begegnet mit Blick auf die innerprozessuale Bindungswirkung der nicht aufgehobenen Feststellungen des Urteils vom 23. April 2012 durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
13
Im Einzelnen:
14
a) Hebt das Revisionsgericht ein Urteil in Anwendung des § 353 Abs.2 StPO nur im Strafausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen auf, so bezieht sich diese Aufhebung nur auf solche Umstände tatrichterlicher Sachverhaltsdarstellung , die ausschließlich die Straffrage betreffen. Hinsichtlich des nicht beanstandeten Schuldspruchs tritt Teilrechtskraft ein. Tatrichterliche Feststellungen , die ausschließlich die Schuldfrage betreffen, und solche, die als doppelrelevante Umstände zugleich für Schuld- und Straffrage von Bedeutung sind, bleiben aufrechterhalten (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1971 - 2 StR 522/71, BGHSt 24, 274, 275; vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 366 ff.).
15
An die nicht aufgehobenen Feststellungen ist der Tatrichter im weiteren Verfahren gebunden. Er darf diese zwar noch ergänzen; diese zusätzlichen Feststellungen dürfen den bestehen gebliebenen und mithin bindend gewordenen jedoch nicht widersprechen. Die den Schuldspruch tragenden Feststellungen sind nämlich die "unantastbare Grundlage für das weitere Verfahren und wesentlicher Teil des abschließenden Urteils". Dies folgt aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit (inneren Einheit) und damit notwendigen Widerspruchsfreiheit der Entscheidung, der unabhängig davon Gültigkeit beansprucht, ob ein Urteil über die Schuld- und Straffrage gleichzeitig entscheidet, oder ob nach rechtskräftigem Schuldspruch die Strafe aufgrund einer zum Strafausspruch erfolgreichen Revision neu festgesetzt wird. Beweiserhebungen, die darauf abzielen , aufrechterhaltene und damit bindende Feststellungen in Zweifel zu ziehen , sind unzulässig. Beweisergebnisse, die im Widerspruch zu bindenden Feststellungen stehen, haben außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteil vom 14. Januar 1982 - 4 StR 642/81, BGHSt 30, 340, 342 ff.; vgl. Winkler in StraFo 2004, 369, 370 f.; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 353 Rn. 27 ff., 34).
16
Nicht erfasst von der (Teil-)Aufhebung werden zunächst einmal alle jene Umstände der Sachverhaltsdarstellung, in denen die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftaten gefunden wurden. Hätte dabei von mehreren Tatsachen bereits ein Teil ausgereicht, um ein Tatbestandsmerkmal zu erfüllen, so gehören gleichwohl alle zum Schuldspruch. An dessen Bindungswirkung nimmt also nicht etwa nur das Mindestmaß an Tatsachen teil, ohne das der Schuldspruch überhaupt keinen Bestand mehr hätte. Vielmehr unterliegen auch solche Abweichungen, durch die nur der Schuldumfang betroffen , die rechtliche Beurteilung aber nicht in Frage gestellt wird, dem Widerspruchsverbot (vgl. BGH, Urteil vom 30. August 1978 - 2 StR 323/78, BGHSt 28, 119, 121). Ebenfalls teil an der Bindungswirkung haben die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über den Zeitpunkt des Tatentschlusses (BGH, Urteil vom 14. November 1978 - 1 StR 439/78, juris Rn. 6), das tatauslösende Moment (BGH, Beschluss vom 15. April 1977 - 2 StR 97/77; Urteil vom 6. Mai 1981 - 2 StR 105/81) sowie die Beweggründe für die Tatbegehung (BGH, Beschluss vom 23. Februar 1979 - 2 StR 728/78; vgl. auch KK-Gericke, 7. Aufl., § 353 Rn. 24 ff., 31 mwN).
17
Über die Tatumstände hinaus, die die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat ausfüllen oder auszufüllen geeignet sind, entfalten zum einen auch die Bestandteile der Sachverhaltsschilderung innerprozessuale Bindungswirkung, aus denen der Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten abgeleitet hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 1966 - 2 StR 254/66). Zum anderen nehmen aber auch jene Teile der Sachverhaltsdarstellung als den Schuldspruch tragend an der Bindungswirkung teil, die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben, zum Beispiel die Umstände schildern , die der Tatausführung das entscheidende Gepräge gegeben haben. Der geschichtliche Vorgang, der dem Schuldspruch zugrunde liegt, bildet ein geschlossenes Ganzes, aus dem nicht Einzelteile heraus gegriffen und zum Gegenstand neuer, abweichender Feststellungen gemacht werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 1978 - 2 StR 632/78; Urteile vom 14. Januar 1982 - 4 StR 642/81, NJW 1982, 1295 f. und vom 24. September 1987 - 4 StR 413/87, BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 3; Beschlüsse vom 31. Oktober 1995 - 1 StR 454/95, NStZ-RR 1996, 203, 204; vom 17. November 1998 - 4 StR 528/98, NStZ 1999, 259, 260 und vom 16. Mai 2002 - 3 StR 124/02, bei Becker NStZ-RR 2003, 97, 101, juris Rn. 3 f.; Urteil vom 30. November 2005 - 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318). Die Bindungswirkung des im Schuldspruch rechtskräftigen Urteils macht allein vor sol- chen Feststellungen Halt, die nicht zum Tatgeschehen gehören (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2009 - 3 StR 301/09, juris Rn. 4; Urteil vom 4. Dezember 1984 - 1 StR 430/84, NJW 1985, 638, juris Rn. 7; Beschlüsse vom 22. Januar 2002 - 1 StR 564/01, juris Rn. 5, und vom 27. Juni 2006 - 4 StR 190/06, StV 2007, 23 [fortdauernde Folgen der Tat]; Beschluss vom 26. Mai 2004 - 4 StR 149/04, bei Becker NStZ-RR 2005, 257, 262, juris Rn. 7 [Nachtatverhalten ]; vgl. KK-Gericke, aaO, § 353 Rn. 31).
18
b) Danach hätte das Landgericht die aufgrund der Einlassung des Angeklagten in der neuen Hauptverhandlung getroffenen zusätzlichen Feststellungen seiner Entscheidung nicht zugrunde legen dürfen. Denn diese widersprechen den auf der Grundlage der damaligen Beweiswürdigung des Landgerichts getroffenen und durch die Entscheidung des Senats nicht aufgehobenen Feststellungen des Urteils vom 23. April 2012 zum Zeitpunkt des Tatentschlusses sowie zu den Motiven und Beweggründen des Angeklagten und seinem inneren Zustand einschließlich seiner Gedanken und Gefühlsregungen vor und bei Begehung des Mordes. Während das Landgericht in seinem ersten Urteil hierzu festgestellt hatte, dass der Angeklagte den Tatentschluss gefasst hatte, bevor er mit dem Mittäter T. den Zeltplatz verließ, und dass er L. ausschließlich deshalb tötete, um T. in den Besitz der Wohnung sowie des Laptops und des Netbooks zu bringen, hat das Landgericht nunmehr festgestellt, dass bei dem Angeklagten - zusätzlich zu den bereits im ersten Urteil festgestellten Motiven - das erst in der Wohnung seines Opfers entstandene Verlangen hinzukam, den durch seine Erinnerungen an seinen Vater und frühere Missbrauchsgeschehnisse aufkommenden Hass an dem L. auszulassen sowie einem Gefühl, sich gegen das früher erlebte Unrecht wehren zu müssen, nachzugeben, indem er diesen umbringt. Diese neuen Feststellungen beruhen auf derselben Einlassung des Angeklagten, die das Landgericht in seinem ers- ten Urteil ausdrücklich als widerlegt angesehen hat. Insoweit war die Strafkammer durch das erste Urteil gebunden.
19
Soweit der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass die sich auf den Ausschluss einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit beziehenden Feststellungen zur Alkoholisierung eines Angeklagten (ausschließlich) die Straffrage betreffen und nach Aufhebung (allein) des Strafausspruches und Zurückverweisung der Sache das Tatgericht zur Trinkmenge eigene (neue) Feststellungen treffen muss (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. November 2008 - 3 StR 336/08, NStZ-RR 2009, 148; vom 12. September 2000 - 4StR 358/00, juris Rn. 5, sowie Urteil vom 15. April 1997 - 5 StR 24/97, NStZ-RR 1997, 237) steht dies der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen. Denn diese Rechtsprechung bezieht sich nur auf Feststellungen, die sich auf den rechtsfehlerhaften Ausschluss einer alkoholbedingten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten beziehen und betrifft daher eine andere Fallkonstellation als die vorliegende.
20
4. Auf dem dargelegten Rechtsfehler beruht das Urteil, da das Landgericht aufgrund seiner zusätzlichen Feststellungen davon ausgegangen ist, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat erheblich vermindert war und gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB die nach § 211 Abs. 1 StGB zu verhängende lebenslange Freiheitsstrafe in zeitige Strafe gemildert hat.
21
Dies hat die Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Folge. Auf die Einzelbeanstandungen der Revision kommt es danach nicht mehr an.
22
Der Senat hat von § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative StPO Gebrauch gemacht und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Hildesheim zurückverwiesen.
Schäfer RiBGH Pfister befindet sich Hubert im Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Schäfer Mayer Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 363/15
vom
27. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 27. Oktober 2015 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 10. Juni 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den bereits aufgrund des Urteils des Landgerichts Hannover vom 23. April 2012 rechtskräftig des Mordes für schuldig befundenen Angeklagten zur lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere seiner Schuld festgestellt. Die hiergegen gerichtete, auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.


2
Das Landgericht Hannover hatte den Angeklagten durch Urteil vom 23. April 2012 wegen Mordes zu 14 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Senat dieses Urteil, soweit es den Angeklagten betraf, durch Urteil vom 20. Dezember 2012 (3 StR 426/12, StV 2013, 629) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Das Landgericht hatte die Anwendung des gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemäß § 46b StGB nicht rechtsfehlerfrei begründet. Im Umfang der Aufhebung hatte der Senat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3
Durch Urteil vom 12. August 2013 hatte das Landgericht Hannover den Angeklagten sodann (wiederum) zur Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Diese Entscheidung hatte der Senat auf die Revision der Staatsanwaltschaft durch Urteil vom 12. Juni 2014 (3 StR 139/14, NStZ 2015, 182) mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine Strafkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen. Dieses Urteil des Landgerichts Hannover hatte der rechtlichen Nachprüfung nicht standgehalten, da es gegen den Grundsatz der innerprozessualen Bindung an nicht aufgehobene Feststellungen des früheren Urteils vom 23. April 2012 verstoßen hatte. Das Landgericht war in seiner neuen Entscheidung aufgrund der auch in der zweiten Hauptverhandlung abgegebenen Einlassung des Angeklagten davon ausgegangen, dass während dessen Aufenthalts in der Wohnung des Opfers bei ihm das Verlangen hinzugekommen sei, den durch Erinnerungen an Kindheitserlebnisse aufkommenden Hass an dem Tatopfer auszulassen und einem Gefühl, sich gegen zuvor erlebtes Unrecht wehren zu müssen, nachzugeben, indem er das Opfer umbringt. Auf der Grundlage dieser neuen Feststellungen hatte die sachverständig beratene Strafkammer - anders als die Strafkammer im früheren Urteil - angenommen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB gewesen sei und hatte den Strafrahmen des § 211 Abs. 1 StGB gemäß § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Indes hatte das Landgericht in seinem ersten Urteil die diesen zusätzlichen Feststellungen zugrunde liegende Einlassung des Angeklagten als widerlegt angesehen und festgestellt, dass beide Täter sich schon vor ihrem Aufbruch zum Tatort einig waren, dass der Angeklagte das Tatopfer töten sollte und dass es dabei (allein) um die Erlangung von Laptops und den Bezug der Wohnung des Opfers ging. Diese Feststellungen waren durch die Entscheidung des Senats nicht aufgehoben worden und für den neuen Tatrichter daher bindend. Diese Bindungswirkung hatte das Landgericht bei seinen neuen Feststellungen, die den bisherigen widersprachen, nicht beachtet.

II.


4
Das angefochtene Urteil des Landgerichts Hildesheim hält der aufgrund der Sachbeschwerde des Angeklagten veranlassten materiell-rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat es versäumt, (selbst) zu prüfen und zu entscheiden, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB gewesen ist.
5
Im Einzelnen:
6
1. Allerdings ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass die Schuldfähigkeit eines Täters keiner näheren Prüfung und Erörterung bedarf, wenn Anhaltspunkte für ihre Beeinträchtigung völlig fehlen (vgl. LK/Schöch, StGB, 12. Aufl., § 20 Rn. 234 mwN). Werden jedoch tatsächliche Gründe behauptet (§ 267 Abs. 2 StPO) oder liegen Umstände vor, die den Ausschluss oder die (erhebliche) Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB auch nur möglich erscheinen lassen, so bedarf es regelmäßig - gegebenenfalls unter Heranziehung eines Sachverständigen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 5 StR 542/08, NStZ-RR 2009, 115; MüKoStGB/Streng, 2. Aufl., § 20 Rn. 162 ff.; LK/Schöch aaO, Rn. 236 f.) - von Amts wegen ihrer Prüfung, Erörterung und Darlegung im Urteil (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 20 Rn. 19 mwN; S/S-Perron/Weißer, 29. Aufl., § 20 Rn. 45; Schäfer /Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1416).
7
Gemessen daran war hier die Prüfung und Erörterung der Schuldfähigkeit des Angeklagten sachlich-rechtlich geboten.
8
a) Dies ergibt sich schon aus den vom Landgericht im angefochtenen Urteil - zutreffend selbst getroffenen - Feststellungen zum Lebensweg des Angeklagten und seiner Persönlichkeit: Danach schlugen der Vater und die Stiefmutter den Angeklagten häufig und sperrten ihn wiederholt über längere Zeit ein. Sein Vater missbrauchte ihn sexuell. Kurz vor seinem siebten Lebensjahr kam der Angeklagte wegen der Inhaftierung seines Vaters in ein Heim und wuchs in den Folgejahren in verschiedenen Heimen auf, weil es stets nach nicht allzu langer Zeit zu Problemen kam. In einem dieser Heime kam es zu sexuellen Übergriffen auf ihn mit Oral- und Analverkehr durch ältere Mitbewohner. Der Angeklagte fiel durch Schreianfälle auf, war leicht erregbar, fühlte sich schnell angegriffen und zeigte neben einem geringen Selbstwertgefühl auch Kontaktschwierigkeiten. Außerdem provozierte, bedrohte und beschimpfte er Mitmenschen. Ab April 1997 wurde der - damals sieben Jahre alte - Angeklagte psychotherapeutisch und im Jahr 1998 erstmals stationär psychiatrisch behandelt. In den Folgejahren kam es wegen zunehmender Verhaltensauffälligkeiten und Selbstschädigungen zweimal für mehrere Monate zu weiteren stationären Behandlungen. Ab dem Jahr 2003 verstärkten sich seine Verhaltensauffälligkeiten : Der Angeklagte zeigte wenig Empathie, eine geringe Frustrationstoleranz, Distanzschwierigkeiten, eine herabgesetzte Kritikfähigkeit und oppositionelles Verhalten mit aggressiven Durchbrüchen.
9
b) Aber auch die - vom Landgericht Hannover durch sein Urteil vom 23. April 2012 insoweit bindend festgestellten - besonderen Tatumstände, insbesondere das außergewöhnliche Verhalten des Angeklagten bei der Tatausführung , machten die Prüfung seiner Schuldfähigkeit erforderlich (vgl. BGH, Urteile vom 15. Dezember 1988 - 1 StR 612/88, NJW 1989, 2958 und 4 StR 535/88, NStZ 1989, 190 mwN; LK/Schöch aaO, Rn. 236 mwN). Insoweit ist im Wesentlichen von Bedeutung, dass der Angeklagte - nachdem er seinem Opfer in dessen Wohnung zunächst den Hals durchstochen hatte - diesem über einen Zeitraum von etwa einer Stunde in unterschiedlichen Zeitabständen weitere verschiedene, insgesamt 61 Stich- und Schnittverletzungen beibrachte, darunter einen Stich durch die Schädeldecke, die teilweise nicht lebensgefährlich, aber schmerzhaft waren, um sein Opfer über längere Zeit besonders leiden zu lassen. Schließlich legte er seinem klagenden Opfer ein Kissen auf das Gesicht , setzte sich darauf und wartete, eine Zigarette rauchend, bis dieses kein Lebenszeichen mehr von sich gab.
10
c) Sollte das Landgericht Hildesheim - wofür die Urteilsgründe sprechen könnten - davon ausgegangen sein, dass die Verneinung einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten durch das Landgericht Hannover in seinem Urteil vom 23. April 2012 für die Strafkammer bindend gewesen sei, so wäre dies rechtlich unzutreffend. Das ergibt sich aus dem Folgenden:
11
Hebt das Revisionsgericht ein Urteil in Anwendung des § 353 Abs. 2 StPO im Strafausspruch mit den (dazugehörigen) Feststellungen auf, so bezieht sich diese Aufhebung auf solche Umstände tatrichterlicher Sachverhaltsfeststellung , die ausschließlich die Straffrage betreffen. Hinsichtlich des nicht beanstandeten Schuldspruchs tritt Teilrechtskraft ein. Tatrichterliche Feststellungen , die ausschließlich die Schuldfrage betreffen, und solche, die als dop- pelrelevante Umstände zugleich für Schuld- und Straffrage von Bedeutung sind, bleiben aufrechterhalten und sind für das weitere Verfahren bindend. Hierzu zählen nicht die Feststellungen zur erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten; diese gehören nur zum Rechtsfolgenausspruch (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 353 Rn. 20 mwN). Daher bezieht sich die Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen auch auf die Feststellungen und die Entscheidung des früheren Tatgerichts zur Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Täters im Sinne von § 21 StGB. Eine Bindung des neuen Tatrichters an das insoweit teilweise aufgehobene Urteil besteht in der Regel nur in dem vom Senat in seiner Entscheidung vom 12. Juni 2014 dargelegten Umfang, also an festgestellte Sachverhaltsumstände, in denen die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftat gefunden worden sind und an solche Bestandteile der Sachverhaltsschilderung, aus denen der frühere Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten abgeleitet hat und die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben, zum Beispiel die Umstände schildern, die der Tatausführung das entscheidende Gepräge gegeben haben. Hierzu darf der neue Tatrichter keine neuen, den bisherigen widersprechende Feststellungen treffen und seiner Entscheidung zugrunde legen (vgl. auch LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 353 Rn. 29 ff.).
12
Danach war die - für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandende - Feststellung des Landgerichts Hannover in dessen Urteil vom 23. April 2012, die Schuldfähigkeit des Angeklagten sei nicht erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB gewesen, nach der Aufhebung dieses Urteils im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen weggefallen. Da das Landgericht die Schuldfähigkeit unter den gegebenen Umständen nach sachlich-rechtlichen Grundsätzen nicht unerörtert lassen konnte, war es daher gehalten, die Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten selbst zu prüfen und (neu) zu entscheiden.
13
Die Sache bedarf daher zum Strafausspruch (erneut) neuer Verhandlung und Entscheidung.
14
2. Der neue Tatrichter wird darauf hingewiesen, dass die im angefochtenen Urteil für das Vorliegen der besonderen Schuldschwere gegebene Begründung zum Teil rechtlichen Bedenken begegnet.
15
Das Landgericht Hildesheim hat die besondere Schwere der Schuld festgestellt (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB; vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1992 - 2 BvR 1041/88 u.a., BVerfGE 86, 288) und dies unter anderem zu Lasten des Angeklagten damit begründet, dass er mehrere Straftaten mit körperlichen Übergriffen zum Nachteil verschiedener Personen begangen habe , welche das Landgericht Hannover festgestellt hatte. Darüber hinaus habe der Angeklagte nur wenige Stunden nach der menschenverachtenden Tat zum Nachteil des L. auf dem Weg zurück zu dem von ihm und seinem Mittäter bewohnten Zelt Gegenstände aus mehreren Autos entwendet und sei später in ein Restaurant eingebrochen. Eigene Feststellungen zu diesen Straftaten - beruhend etwa auf diesbezüglichen Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung oder sonstigen Beweiserhebungen - hat das Landgericht Hildesheim nach den Urteilsgründen nicht getroffen, sondern sich insoweit ersichtlich allein auf die entsprechenden - im Wortlaut wiedergegebenen - früheren Feststellungen des Landgerichts Hannover bezogen. Dies ist rechtlich bedenklich. Denn aufgrund der Revisionsentscheidungen des Senats, durch die der Strafausspruch der früheren Urteile mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben worden war, hatte der neue Tatrichter zum Strafausspruch, zu dem auch die Feststellung der besonderen Schuldschwere gehört, eigene Feststellungen zu treffen. Es stellt daher einen sachlich-rechtlichen Fehler dar, wenn der neue Tatrichter - wie hier - sein Urteil auf aufgehobene Feststellungen stützt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 353 Rn. 20 ff.; BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 - 3 StR 156/12, wistra 2012, 356).
16
Unabhängig davon gilt allgemein: Sollen aus Vortaten und Vorstrafen gewichtigere Konsequenzen gezogen werden, ist es in der Regel sachlichrechtlich geboten, die früheren Taten mit einer (zusammengefassten) Sachverhaltsschilderung und ggf. auch mit relevanten früheren Strafzumessungserwägungen festzustellen und mitzuteilen (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren aaO, Rn. 1387). In solchen Fällen kann unter Umständen die bloße Mitteilung des Bundeszentralregisterinhaltes nicht genügen. Dies hat das Landgericht Hildesheim hier nur hinsichtlich des Urteils des Amtsgerichts Lehrte vom 21. Februar 2013 beachtet.
Becker Pfister Hubert Mayer Gericke

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.