Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 344/05
(alt: 5 StR 94/04)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 30. November 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 29. und 30. November 2005, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K
alsVerteidigerfürdenA ngeklagten H ,
Rechtsanwalt R
alsVerteidigerfürdenAngek lagten S ,
Rechtsanwalt Sa
alsVertreterderNebenklägerin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
in der Sitzung vom 30. November 2005 für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. Februar 2005
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten wegen Totschlags verurteilt sind,
b) in den Strafaussprüchen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Die Revision des Angeklagten H gegen das genannte Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu tragen.
4. Die Sache wird zur Neufestsetzung der Strafen und zur Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hatte die Angeklagten zunächst mit seinem Urteil vom 14. August 2003 wegen Totschlags zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revisionen der Nebenklägerin hat der Senat die Schuldsprüche aufgehoben und – bei Aufrechterhaltung der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen – das Verfahren an eine andere Schwurgerichtskammer zurückverwiesen (NStZ-RR 2004, 332). Diese hat die Angeklagten nunmehr wegen Körperverletzung mit Todesfolge wiederum zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, und die Rechtsmittel der Nebenklägerin jeweils mit der Sachrüge. Der Angeklagte H greift mit seiner beschränkten Revision die vom Landgericht gefundene Strafe an. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben Erfolg, soweit das Landgericht nicht auf Totschlag erkannt hat. Die Revision des Angeklagten H ist unbegründet.
1. Das Landgericht hatte in seinem Urteil vom 14. August 2003 folgende Feststellungen getroffen:
a) Die Angeklagten besuchten gegen Mittag des 26. Januar 2003 den ihnen bekannten wesentlich älteren, körperlich und seelisch angegriffenen He in dessen Wohnung in Berlin-Lichtenberg. Sie trafen dort auf die Zeugen Ra und Sh ; letzterer entfernte sich alsbald. Nach reichlichem Genuss von Rotwein und Wodka verletzten die Angeklagten den He zwischen 18.00 und 19.00 Uhr zunächst wie folgt: S rammte dem neben ihm sitzenden Wohnungsinhaber völlig unvermittelt seinen rechten Ellenbogen in die seitliche Halsgegend. H trat He mit dem beschuhten Fuß kräftig ins Gesicht. S schubste den Zeugen Ra zur Seite, der He vor einem Angriff schützen wollte. H schlug He mit der Faust auf das rechte Auge. Nachdem der Zeuge Ra im Badezimmer die von H verursachten Wunden ausgewaschen hatte, schlug dieser Angeklagte erneut mehrfach mit der Faust auf die Wunden und gegen den rechten Kieferbereich. Der Angeklagte S schlug ebenfalls mehrmals mit den Fäusten auf den jetzt wieder blutenden Verletzten ein. H packte dann das keinerlei Widerstand leistende Opfer an den Haaren und schlug dessen Kopf gegen die Wand. Er urinierte auf den an der Stirn, aus der Nase und am Ohr blutenden Schwerverletzten. Um diesen noch stärker zu erniedrigen , rasierten ihm die Angeklagten die Kopfhaare teilweise ab. Unter dem Ausruf: „Mal sehen, wie widerstandsfähig er ist!“ würgte einer der Angeklagten ihr Opfer, während der andere mit äußerster Gewalt die Nase zuhielt und so stark an ihr zerrte, dass der Nasenknorpel abriss. In der sicheren Erwartung , der Schwerverletzte werde in Kürze versterben, verließen die Angeklagten die Wohnung. Gemeinsam mit dem Zeugen Ra suchten sie gegen 22.00 Uhr den Bundesgrenzschutz im Bahnhof Lichtenberg auf. Dort und gegenüber der später eingetroffenen Notärztin erklärten sie, sie hätten mit einem „gesoffen“ und machten sich Sorgen, dass derjenige eventuell tot sei.
Infolge der massiven Tätlichkeiten der Angeklagten erlitt He neben Haut- und Weichteilunterblutungen eine Fraktur der rechten Augenhöhle, eine Verletzung der Leber und der rechten Niere, Rippenfrakturen sowie eine Blutung unter die harte Hirnhaut, an der er im Zusammenhang mit einer Hirnschwellung und einer Bluteinatmung noch in seiner Wohnung verstarb.

b) Die Schwurgerichtskammer hatte sich vom bedingten Tötungsvorsatz aufgrund der Geständnisse der Angeklagten überzeugt, aber kein Tatmotiv feststellen können.
2. Der Senat hat auf die Revisionen der Nebenklägerin die Schuldsprüche aufgehoben, weil die fehlerfrei getroffenen Feststellungen nach den anzuwendenden Maßstäben von BGHSt 47, 128 tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme niedriger Beweggründe geboten hätten, deren Erörterung notwendig gewesen wäre. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen hat der Senat aufrechterhalten.
3. Die neu berufene Schwurgerichtskammer hat, nachdem die Angeklagten von ihrem Recht zu schweigen Gebrauch gemacht haben, das Tatgeschehen umfassend neu aufgeklärt, zum Vor- und Nachtatgeschehen weitergehende Feststellungen getroffen und ein Motiv der Angeklagten festgestellt :
a) Zwischen den muskulös gebauten, noch jungen Angeklagten und dem 48 Jahre alten, durch längeren starken Alkoholkonsum geschwächten He kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen und Streit, weil He nach eigenem, von ihm als ausreichend empfundenen Alkoholgenuss den Angeklagten den Zutritt zu seiner Wohnung gelegentlich versagte. Nachdem He die Angeklagten wieder einmal nicht eingelassen hatte, griffen diese am 30. Dezember 2002 ihren Gastgeber massiv an. He begab sich am nächsten Tag wegen stärker werdender Schmerzen in der Brust ins Krankenhaus. Die Ärzte stellten mehrere frische und mehrere ältere Rippenbrüche sowie eine Nasenbeinfraktur fest. Des Weiteren erlitt He am 30. Dezember , möglicherweise aber auch einige Tage davor oder danach eine subdurale Hirnblutung im Hinterkopf.

b) Das Landgericht hat als Motiv der mit einer Blutalkoholkonzentration von über drei Promille handelnden Angeklagten festgestellt, diese hätten He verletzt, um ihn dafür zu bestrafen, dass er die Angeklagten am Tag zuvor nicht in seine Wohnung eingelassen hatte. Die bis zum Abriss des Nasenknorpels übereinstimmend mit den Feststellungen des Urteils vom 14. August 2003 erneut zu Grunde gelegten Tätlichkeiten der Angeklagten seien aber immer wieder durch Zeiten des gemeinsamen Trinkens unterbrochen worden, während derer die Angeklagten Vorwürfe wegen des abweisenden Verhaltens des He erhoben. Das Landgericht konnte nicht sicher feststellen, dass einzelne oder alle Faustschläge mit voller Kraft und Wucht ausgeführt wurden und dass die Angeklagten den Tod des He auch nur billigend in Kauf genommen haben. Die Angeklagten hätten sich um ihr Opfer auf vielfältige Weise bemüht: Sie führten den malträtierten Geschädigten gemeinsam mit dem Zeugen Ra nochmals ins Badezimmer, duschten ihn mit kaltem Wasser ab, um so seinen Zustand wieder zu verbessern. Dann wechselten sie ihm seine Kleidung und brachten ihn ins Wohnzimmer zurück, wo sie ihn auf dem Sofa absetzten. Kurze Zeit später verlor He das Bewusstsein und rutschte – unerwartet für den Zeugen Ra und nicht sicher ausschließbar auch für die beiden Angeklagten – ohne Einwirkung Dritter zu Boden. In diesem Moment erkannten die Angeklagten und der Zeuge Ra , dass sich die Hautfarbe des Geschädigten im Bereich des Gesichts und der Hände blau verfärbt hatte. Der Angeklagte H begann daraufhin, möglicherweise ebenso wie der Angeklagte S – erst jetzt in Sorge um das Leben von He – bei diesem eine Herzmassage vorzunehmen. Da dies nicht zu einer Besserung des Zustandes des Geschädigten führte, drang Ra darauf, die Feuerwehr oder die Polizei zu rufen, zumal er jetzt befürchtete, He könnte bei einem weiteren Zuwarten möglicherweise versterben. Er verließ mit den beiden Angeklagten die Wohnung. Auch die Angeklagten hatten dabei nicht sicher ausschließbar das Ziel, Hilfe für He zu holen und so die nun erkannte Lebensgefahr zu bannen.

c) Zur Todesursache hat die Schwurgerichtskammer mit sachverständiger Hilfe festgestellt, dass durch den Schlag des Kopfes gegen die Wand die durch den Heilungsprozess der älteren subduralen Hirnblutung entstandene Bindegewebsorganisation aufgerissen sei und eine frische Blutung ausgelöst habe, die zu der tödlichen Hirnschwellung und starken Bluteinatmung geführt hätte. Sämtliche frischen Verletzungen seien nicht sehr erheblich , insbesondere im Einzelnen nicht konkret lebensbedrohlich gewesen. Das Landgericht hat die Rippenbrüche und die Verletzung der Leber nicht mehr dem Tatgeschehen zugerechnet. Diese seien durch die Reanimationsbemühungen des Angeklagten H entstanden.
4. Die Revisionen der Nebenklägerin sind zulässig.
Zwar enthält die Begründung der Rechtsmittel (erneut) keine ausdrückliche Erklärung im Sinne von § 344 Abs. 1 StPO, inwieweit die Beschwerdeführerin das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage. Solches ergibt sich vorliegend aber aus der innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ausgeführten Sachrüge, mit der die Nebenklägerin geltend macht, das Landgericht habe die Bindungswirkung der Aufhebungsansicht des Revisionsurteils verkannt und den Prüfungsauftrag nicht erfüllt, festzustellen, ob das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe vorliegt. Damit hat die Nebenklägerin schließlich erklärt, sie verfolge das Ziel ihrer Rechtsmittel gegen das erste tatrichterliche Urteil weiter, nämlich eine Verurteilung der Angeklagten wegen Mordes zu erreichen (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 2), und hat – wie von § 400 Abs. 1 StPO geboten – auch klargestellt, dass sie das Urteil mit dem Ziel einer Änderung der Schuldsprüche wegen einer Gesetzesverletzung anfechte, die zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 5).
5. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin führen zur Änderung der Schuldsprüche.

a) Die Verurteilungen wegen Körperverletzung mit Todesfolge können nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht die innerprozessuale Bindung an die aufrecht erhaltenen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) des ersten in dieser Sache ergangenen Urteils nicht hinreichend beachtet hat (vgl. BGH NStZ 1999, 259). Zwar ist das Landgericht von einer Bindung an die Feststellungen zum äußeren Tatablauf ausgegangen und hat die einzelnen Tathandlungen in die von ihm getroffenen Feststellungen übernommen. Das Landgericht hat sie aber zum Teil in einen anderen Zusammenhang gestellt, in das festgestellte Gesamtgeschehen weitere Handlungen eingefügt und die Erheblichkeit der Gewalthandlungen der Angeklagten anders bewertet. Damit hat das Landgericht das Tatgeschehen unzulässigerweise im Sinne eines anderen geschichtlichen Vorgangs näher beschrieben (vgl. BGHSt 30, 340, 343, 344; BGH NStZ 1999, 259, 260). Die Beweiswürdigung des Landgerichts , mit der es einen bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten verneint, beruht demnach auf einer unzutreffenden Grundlage.
aa) Im ersten Urteil ist festgestellt, dass die Rippenfrakturen und die Leberverletzung des Tatopfers durch die aggressiven massiven Tätlichkeiten der Angeklagten hervorgerufen wurden. Hiervon weicht das nunmehr angefochtene Urteil in unzulässiger Weise ab, indem es diese Verletzungen unter Anwendung des Zweifelssatzes als mögliche Folge einer vom Angeklagten H vorgenommenen Herzmassage ansieht und diesen Umstand im Rahmen der Beweiswürdigung als einen gegen den Tötungsvorsatz sprechenden Gesichtspunkt anführt.
bb) Das Landgericht hat den festgestellten Tatablauf ferner durch Handlungen unterbrochen gesehen und weitere Feststellungen getroffen, die den gesamten Tatverlauf als für die Angeklagten weitaus günstiger erscheinen lassen. Im Einzelnen handelt es sich um die nunmehr festgestellten Pausen zwischen den einzelnen Misshandlungen, während derer die Angeklagten mit dem Opfer gemeinsam weiter Alkohol getrunken haben, die Versuche der Angeklagten, den Zustand ihres Opfers durch Abduschen und Umkleiden zu verbessern, das Ergreifen lebensrettender Maßnahmen und das Einschalten Dritter.
cc) Das Landgericht hat schließlich die vom Erstgericht als massiv beschriebenen Tätlichkeiten, rückschließend aus der nicht hochgradigen Gefährlichkeit der Verletzungen, höchstens als durchschnittlich bewertet („mittlere Wucht“, UA S. 25). Damit wird die im ersten Urteil bindend festgestellte Dimension der Tätlichkeiten zugunsten der Angeklagten verringert.

b) Der Senat kann die Schuldsprüche selbst entsprechend der Anklage und der Erstverurteilung auf Totschlag umstellen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 57 m.w.N.). Schon die Prüfung des ersten tatrichterlichen Urteils hat keinerlei Bedenken aufkommen lassen, der damals eingestandene bedingte Tötungsvorsatz könnte im Widerspruch zu den objektiven Tatumständen stehen und nicht ebenfalls das Ergebnis einer auf ihnen beruhenden Schlussfolgerung sein. Solches gilt auf der Grundlage der gleichen verbindlichen Feststellungen (siehe unter 1 a der hiesigen Urteilsgründe ) und an Hand der nunmehr vom Landgericht fehlerfrei getroffenen zusätzlichen Feststellungen zur Vorschädigung des Opfers und zum Motiv der Angeklagten sogar in verstärktem Maße.
Die Feststellungen belegen, dass sich die Angeklagten der Vornahme lebensbedrohlicher Gewalthandlungen bewusst waren. Sie sind mit sich steigernder Gewalt gegen ihren Gastgeber vorgegangen, um sich für die Abweisung vom Vortag zu rächen. Sie waren nach ihren eigenen Worten bereit, die Grenze der Widerstandsfähigkeit ihres Opfers zu erreichen, und – vor dem Hintergrund der massiven Verletzung des Kopfes des Opfers und der besonderen Schwierigkeiten, das Ausmaß und die Wirkungen der weiteren Gewalthandlungen gegen den Kopf im Einzelnen steuern zu können (vgl. BGH, Urt. vom 9. August 2005 – 5 StR 352/04) – auch bereit, die Grenzen der Widerstandsfähigkeit zu überschreiten. Dies gilt vorliegend umso mehr: Das Ausmaß der objektiv erforderlichen Gewalt als Grundlage für einen Schluss auf das Erkennen der Lebensgefährlichkeit der aktuellen Gewalthandlungen war sogar herabgesetzt; denn die Angeklagten hatten ihr Opfer schon am 30. Dezember 2002 erheblich verletzt. Bei dieser Sachlage sind keine Umstände erkennbar, nach denen die Angeklagten ernsthaft darauf vertraut haben könnten, der Geschädigte werde nicht zu Tode kommen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 57; BGH, Urt. vom 24. März 2005 – 3 StR 402/04).
Die vom Landgericht – insoweit auf Grund zulässiger ergänzender Feststellungen – gegen einen bedingten Tötungsvorsatz angeführten Umstände gebieten keine andere Wertung.
Das Motiv der Angeklagten, He „lediglich“ für dessen abweisendes Verhalten zu bestrafen, streitet nicht gegen einen bedingten Tötungsvorsatz. Es liegt in der Natur der Sache, dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter in Verfolgung seines anders gelagerten Handlungsantriebs in der Regel über kein Tötungsmotiv verfügt (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 22). Allerdings kann die Art des Motivs die Stärke des vom Täter empfundenen Handlungsimpulses beeinflussen (vgl. BGH aaO). Vorliegend handelten die Angeklagten in Verfolgung ihres Bestrafungsmotivs in einem zeitlich gestreckten Vorgehen unter Inkaufnahme der Überschreitung der Widerstandsfähigkeit des Opfers. Damit steht das Motiv der Angeklagten der Annahme des voluntativen Vorsatzelements nicht entgegen (vgl. Schneider NStZ 2005, 629, 631).
Auch die Erwägung des Landgerichts, der Tod des Opfers sei nicht im Sinne der Angeklagten gewesen, weil damit die Anlaufstelle für gemeinsame Trinkgelage aufgegeben würde, spricht nicht gegen eine Billigung des Todes (vgl. BGHSt 7, 363, 369). Der Erfolg muss den Wünschen des Täters nicht entsprechen (vgl. BGHSt aaO). Allenfalls hochgradig interessenwidrige Tatfolgen widerstreiten der Annahme einer Billigung des Erfolges durch einen in der Steuerungsfähigkeit beeinträchtigten, ohnehin überaus unüberlegt handelnden Täter. Solches liegt hier nicht vor. Das Landgericht hat nämlich fehlerfrei festgestellt, dass He die Angeklagten schon mehrmals abgewiesen hatte, obwohl sie gekommen waren, um mitgebrachten Alkohol zu konsumieren. Danach stand die Wohnung des He den Angeklagten bereits nur noch in beschränktem Umfang zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund vermag der vollständige Verlust (nur) eines Ortes für Trinkgelage keine hochgradig interessenwidrigen Tatfolgen zu begründen.

c) Das Landgericht hat im ersten Urteil rechtsfehlerfrei festgestellt, dass das Opfer an den Folgen der ihm zugefügten als Einheit zu beurteilenden gesamten Gewalthandlungen verstorben ist, insbesondere an den Kopfverletzungen , die ihm in der entscheidenden besonders brutalen späten Ge- schehensphase zugefügt worden waren. Wie ausgeführt, war das Geschehen insoweit – nicht anders als das massive Blutungen verursachende Abreißen des Nasenknorpels in dieser Phase – von bedingtem Tötungsvorsatz getragen. Diese von der Teilaufrechterhaltung erfassten bindenden Feststellungen zur Kausalität hindern die vom Generalbundesanwalt erwogene zweifelhafte Aufspaltung des Geschehens mit einem möglicherweise allein todesverursachenden Teil der Verletzungen in der ersten, noch nicht vom Tötungsvorsatz erfassten Tatphase. Soweit den Feststellungen des Landgerichts , das freilich auch von einer Todesverursachung durch Bluteinatmung ausgeht (UA S. 16, 26), Abweichendes zu entnehmen sein sollte, würde auch dies gegen die innerprozessuale Bindungswirkung verstoßen. Eine Verurteilung wegen eines lediglich versuchten Kapitalverbrechens in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge scheidet schon deshalb aus.

d) Die Voraussetzungen für das Vorliegen niedriger Beweggründe lassen sich den insoweit fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts nicht entnehmen. Zwar ist die nunmehr festgestellte (wiederholte) Bestrafungsaktion grundsätzlich geeignet, das Vorliegen niedriger Beweggründe zu belegen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 39; BGH, Urt. vom 1. September 2005 – 4 StR 290/05). Es liegt nicht gänzlich fern, die von den Angeklagten ausgelebte Rache für ein ihnen unverständliches, als undankbar empfundenes Bestehen des betrunkenen Opfers auf seinem Hausrecht als ebenfalls auf niedrigen Beweggründen beruhend anzusehen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 36; BGH NStZ-RR 2003, 147, 149). Indes reichen die bisherigen Feststellungen als Grundlage für eine sichere Wertung nicht aus. Der Senat schließt namentlich aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung bewiesen werden kann, dass die Angeklagten, die erst nach sechsstündigem gemeinsamen Alkoholgenuss ihre zunächst mit Worten ausgedrückte Verärgerung in stark angetrunkenem Zustand in dumpfem Unmut zur affektgeladenen, fast blindwütigen Racheaktion steigerten, ihr Vergeltungsstreben für ein verwehrtes Gastrecht in seiner Bedeutung für die Tatausführung in ihr Bewusstsein aufgenommen haben (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 26 und 36). Damit hat es mit der Umstellung der Schuldsprüche auf Totschlag sein Bewenden.
6. Die Strafen müssen neu bemessen werden. Dazu bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen. Der neu berufene Tatrichter wird die Strafen für den von den Angeklagten gemeinschaftlich begangenen Totschlag auf der Grundlage der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen (1 a der hiesigen Urteilsgründe), der zulässigerweise getroffenen weiteren Feststellungen zur Person der Angeklagten (UA S. 4 bis 10), deren Motiv (UA S. 12, 20, 31) und zu der Tat vom 30. Dezember 2002 (UA S. 10 f.) zu bemessen haben, wobei von einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit (UA S. 26 bis 28) auszugehen ist. Der Senat wiederholt seinen im Urteil vom 17. August 2004 unter IV. erteilten Hinweis zur Anwendung von § 49 Abs. 1 StGB (vgl. auch sub 8).
7. Mit den Teilerfolgen der Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin erledigen sich deren Kostenbeschwerden.
8. Die wirksam auf das Strafmaß beschränkte Revision des Angeklagten H ist unbegründet. Soweit sich die Revision mit der Sachrüge gegen die versagte Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wendet, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat das mit dem vorliegenden Tatbild übereinstimmende Vortatgeschehen vom 30. Dezember 2002 als Vorerfahrung der Angeklagten gewürdigt, wonach der sie unter dem Einfluss erheblicher Mengen Alkohols objektiv und subjektiv vorhersehbar zu weiteren gewalttätigen Übergriffen gegen ihr Opfer neigten. Solches begründet die Versagung der Strafrahmenverschiebung (vgl. BGHSt 49, 239, 243, 245 f.).
Basdorf Häger Raum Brause Schaal

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Bundesgerichtshof Urteil, 30. Nov. 2005 - 5 StR 344/05 zitiert 9 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafprozeßordnung - StPO | § 400 Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers


(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt. (2) De

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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt.

(2) Dem Nebenkläger steht die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß zu, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nach den §§ 206a und 206b eingestellt wird, soweit er die Tat betrifft, auf Grund deren der Nebenkläger zum Anschluß befugt ist. Im übrigen ist der Beschluß, durch den das Verfahren eingestellt wird, für den Nebenkläger unanfechtbar.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

5 StR 352/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. August 2005
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Körperverletzung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. August
2005, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt P
als Verteidiger,
Rechtsanwalt G
als Vertreter des Nebenklägers H ,
Rechtsanwalt D
als Vertreter des Nebenklägers S ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. März 2004 mit den zugehörigen Feststellungen – unter Ausnahme derjenigen zu den äußeren Tatumständen, die bestehen bleiben , – aufgehoben, soweit der Angeklagte C wegen
a) schwerer Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers H in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen Ho ,
b) gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Nebenklägers S und
c) gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen Pa verurteilt ist, ferner im Gesamtstrafausspruch.
Die Aufhebung des Urteils zu a) und b) erfolgt auch auf die Revisionen der Nebenkläger H und S .
2. Die Revision des Angeklagten C gegen das genannte Urteil wird verworfen. Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der übrigen Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten C wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte wendet sich mit seinem Rechtsmittel gegen den gesamten Schuldspruch. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft erstrebt – wie die Nebenkläger H und S , soweit diese betroffen sind – in den drei Fällen, in denen die Nebenkläger und der Zeuge Pa verletzt wurden, eine weitergehende Verurteilung wegen versuchten Totschlags. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben Erfolg. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen : Der zur Tatzeit 23 Jahre alte türkische Angeklagte C betreibt seit Jahren Bodybuilding mit sich steigerndem hormongestützten Muskelaufbau. Seit Februar 2003 führte der Angeklagte eine „Kur für Qualitätsmuskulatur“ durch, in deren Verlauf er sich ab März wöchentlich 525 mg Hormonpräparate oral und 18 ml subkutan zuführte – die nahezu doppelte der in der Bodybuilderszene sonst üblichen Dosis. Der Angeklagte erreichte vor allem einen übermäßigen Aufbau der Arm-, Brust- und Schultermuskeln und wog – bei 185 cm Körpergröße – aufgrund seiner Muskelmasse 120 kg. Der Hormonmissbrauch führte auch zu einer Wesensveränderung des Angeklagten. Sein Aggressions- und Durchsetzungsverhalten steigerte sich deutlich und führte zu einem übermäßigen Dominanzstreben.
Trotz einer Warnung vor der in der Diskothek „M 1“ herrschenden aggressiven Stimmung betrat der Angeklagte in Begleitung der Mitangeklagten K und Gü am 18. April 2003 gegen 0.30 Uhr dieses Lokal. Der Angeklagte drängelte sich rücksichtslos durch die Menge und rempelte den Zeugen Sc von hinten an. Nachdem H den Angeklagten gefragt hatte, was er in der Diskothek suche und ob er nicht in seinem eigenen Bezirk bleiben könne, versuchte der Angeklagte, H in den „Schwitzkasten“ zu nehmen. Der Nebenkläger konnte sich aber dem Griff des Angeklagten entwinden. Auf eine Beleidigung des H entgegnete der Angeklagte mit den Worten : „Ich ficke deine Mutter, ich stech dich ab, du Schwein.“ Hieraus entwickelte sich ein heftiges Wortgefecht, das in Handgreiflichkeiten zwischen den sich um den Angeklagten und den Nebenkläger H gebildeten Besuchergruppen auszuufern drohte. Die Türsteher traten dazwischen und drängten beide Gruppen aus der Diskothek.
Der Zeuge Ho folgte der Gruppe um den Angeklagten auf den Parkplatz und rief: „Halt! Bleibt stehn, ihr Arschlöcher, ihr Kanaken!“ Gü trat daraufhin mit einer am Flaschenhals ergriffenen Glasflasche auf den Zeugen Ho zu und schlug auf ihn ein. K griff Ho an dessen Kleidung und schlug ihm mit der Faust in das Gesicht. Ho wehrte sich mit Fußtritten, so dass Gü nur Fuß und Oberschenkel traf und K am Kinn verletzt wurde. Die Nebenkläger und der Zeuge He beobachteten diese Auseinandersetzung und eilten herbei, um Ho zu helfen.
Jetzt griff der Angeklagte C ein, um Gü und K bei deren Auseinandersetzung mit Ho zu unterstützen. Er nahm ein mit einer spitz zulaufenden zweischneidigen Klinge von 6,5 cm versehenes Klappmesser in die rechte Hand und trat damit H wortlos entgegen. Dem Nebenkläger gelang es, den ersten Angriff des Angeklagten auf den Kopf durch Erheben des linken Armes abzuwehren. H erlitt oberhalb des linken Ellenbogens eine Stichverletzung. Der Angeklagte traf danach mit einer Schwingbewegung seines rechten Arms den Nebenkläger mit dem Messer am linken Nacken. Das Messer drang bis in das Rückenmark ein. H sackte sofort zusammen. Dies hatte S beobachtet. Er wollte H zu Hilfe kommen. Der Angeklagte trat auf S zu und führte – wie gegen H – einen Messerangriff mit einem Schwinger gegen den Kopf des Zeugen. Dem konnte S ausweichen, ohne verletzt zu werden. Der zweite Angriff des Angeklagten führte zu einer tiefen und stark blutenden Schnittwunde am linken Oberarm. Der Zeuge Pa trat hinzu, um S zu helfen. Ihm fügte der Angeklagte mit einer weiteren Schwingbewegung gegen den Kopf eine heftig pulsierende Verletzung der Schläfenschlagader zu. Mehrere Männer umringten den Angeklagten. Diese hielt er auf Distanz, indem er sein Messer hin und her schwenkte und drohte: „Ich stech euch alle ab, ihr Schweine.“ Dem Angeklagten gelang es zu fliehen. Er traf später am Rand des Parkplatzes auf den alkoholisierten Zeugen F . Der Angeklagte verbarg zunächst das Messer hinter dem Rücken und griff dann den Zeugen durch einen Schwinger mit dem Messer in Richtung des Kopfes an. F konnte einen Stich gegen den Kopf durch Erheben beider Arme abwehren. Dabei wurde er am linken Unterarm verletzt.
Die linke Körperseite des Nebenklägers H ist vollständig gelähmt, die rechte unsensibel. H leidet unter Störungen der Sexualfunktion und Einschränkungen bei der Stimmbildung. Er ist depressiv. Nur mit Gehstützen kann er sich deutlich verlangsamt und unter höchster Konzentration fortbewegen. Der Nebenkläger S musste Einschränkungen in der Feinmoto- rik seines verletzten Armes hinnehmen. Seinen Beruf als Zahntechniker kann er nicht mehr ausüben.
Das Landgericht hat – sachverständig beraten – angenommen, dass die Hemmungs- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund der psychischen Auswirkungen der Hormonbehandlung und der zur Tatzeit wirkenden Alkoholbeeinflussung im Umfang von maximal 1,37 Promille BAK erheblich vermindert war. Es verneint das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes im Blick auf ein fehlendes Motiv. Der Angeklagte habe lediglich verhindern wollen, dass die Geschädigten dem Zeugen Ho zu Hilfe kommen. Der Angeklagte habe seine Opfer auch nicht gekannt. Ferner hätten der äußerst dynamische Verlauf der Kampflage und das ausgeprägte Aggressions - und Dominanzverhalten des Angeklagten dazu führen können, dass der Angeklagte sich keine Gedanken über die möglicherweise tödlichen Folgen seines Verhaltens gemacht habe.
Das Landgericht hat die dem Regelstrafrahmen der § 226 Abs. 1, § 224 Abs. 1 StGB entnommenen Strafen nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert und Einzelfreiheitsstrafen von drei Jahren (Nebenkläger H ), zwei Jahren (Nebenkläger S ), einem Jahr und sechs Monaten (Zeuge Pa ) sowie einem Jahr (Zeuge F ) festgesetzt.
2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben Erfolg. Das Landgericht hat das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes mit Wertungsfehlern verneint.

a) Die Abgrenzung des bedingten Tötungsvorsatzes vom Körperverletzungsvorsatz erfordert bei schwerwiegenden Gewalttaten eine sorgfältige Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Der Täter handelt mit bedingtem Tötungsvorsatz, wenn er den Eintritt des Todes als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit ihm abfindet. Für den Nachweis stellt die offen- sichtliche Lebensgefährlichkeit einer Handlung einen Umstand von erheblichem Gewicht dar, so dass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen der subjektive Tatbestand eines Tötungsdelikts sehr nahe liegt. Angesichts der hohen Hemmschwelle bei Tötungsdelikten bedarf die Frage der Billigung des Todes indes einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände , in die auch die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motive mit einzubeziehen sind (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 35, 38, 51; BGH NStZ-RR 2000, 165; BGH, Urt. v. 24. März 2005 – 3 StR 402/04).

b) Die Würdigung der äußeren Umstände der Tat zum Nachteil des Nebenklägers H durch das Landgericht lässt besorgen, dass es der hier vorliegenden offensichtlichen Lebensgefährlichkeit des Angriffs des Angeklagten nicht in dem gebotenen Maße indizielles Gewicht für die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes beigemessen hat (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz bedingter 57; BGH, Urt. v. 24. März 2005 – 3 StR 402/04). Der Angeklagte drang mit seinem Messer in die Halswirbelsäule bis in das Rückenmark ein. Die beidseitig geschliffene, relativ schmale und kurze Klinge war in der Hand des kräftigen Angeklagten besonders geeignet, weiter in und durch die Halswirbelsäule zu dringen und bei schon geringfügig größerem Kraftaufwand den Tod sofort herbeizuführen. Bei der vom Angeklagten gewählten Art der Messerführung, einer dem Boxsport entlehnten Schwingbewegung , war der Krafteinsatz aber nicht im Einzelnen dosierbar (vgl. BGH, Urt. v. 24. März 2005 – 3 StR 402/04), so dass es hier dem Zufall überlassen blieb und nicht dem Willen des Angeklagten zuzurechnen ist, dass Rückenmark und Wirbelsäule nicht weiter durchtrennt worden sind. Damit hätte es tragfähiger Anhaltspunkte dafür bedurft, dass der Angeklagte ernsthaft darauf vertraut haben könnte, der Geschädigte werde nicht zu Tode kommen (vgl. BGH aaO). Solche hat das Landgericht aber nicht festgestellt: Soweit das Landgericht aus den objektiven Umständen gefolgert hat, der Angeklagte habe lediglich verhindern wollen, dass die Geschädigten dem von K und Gü angegriffenen Zeugen Ho zu Hilfe kommen und dass der Angeklagte somit über kein Tötungsmotiv verfügt habe, steht dem entgegen , dass es dem Angeklagten schon allein durch bloßes Hin- und Herschwenken des Messers und einer Drohung mit Worten problemlos gelungen war, mehrere Personen gleichzeitig von einem Eingreifen abzuhalten. Eines zielgerichteten Stiches hätte es also nicht bedurft, um gegen Dritte nur eine abschreckende Wirkung zu erzielen.
Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe seine Opfer nicht gekannt, trifft auf den Nebenkläger H nicht zu. Der Angeklagte und H hatten sich noch in der Diskothek wechselseitig beleidigt. Der Angeklagte hatte darüber hinaus dem Nebenkläger gedroht, ihn „abzustechen“.
Auch die Erwägung des Landgerichts, der dynamische Verlauf der Kampflage habe dem Angeklagten kaum Gelegenheit geboten, sich über die seinem Handeln innewohnende Todesgefahr Gedanken zu machen, wird von den Feststellungen nicht getragen. Die Tat zum Nachteil des Nebenklägers H war nicht durch eine besondere Kampflage, womit ein wechselndes Agieren und Reagieren der Kämpfenden gemeint ist, gekennzeichnet. Vielmehr griff allein der Angeklagte, ohne ein Wort zu sagen, zielgerichtet den überraschten Zeugen H an, der lediglich den ersten Angriff auf den Kopf unter Hinnahme einer Stichverletzung am Arm abwehren konnte. Dominierte somit allein der Angeklagte das Kampfgeschehen, konnte seine Gedankenführung nicht durch Kampfhandlungen seines Gegners beeinflusst werden.
Soweit das Landgericht es nicht auszuschließen vermochte, dass sich der Angeklagte im Blick auf sein deutlich ausgeprägtes Aggressionsund Dominanzverhalten keine Gedanken über die möglicherweise tödlichen Folgen seines Verhaltens gemacht hatte, steht dem – worauf die Revisionen zu Recht hinweisen – entgegen, dass umgekehrt ein solches Verhalten bei gezielten Stichen gegen den Hals eines Menschen die Annahme eines Vernichtungswillens eher aufdrängt.

Die subjektiven Tatumstände der Messerstiche zum Nachteil des Nebenklägers H bedürfen demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Der Senat ist nicht in der Lage, auf versuchten Totschlag durchzuentscheiden. Es bleibt allein dem Tatrichter vorbehalten, die subjektiven Tatumstände umfassend festzustellen und zu bewerten. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den äußeren Tatumständen können indes aufrechterhalten bleiben.

c) Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers S ist der Schuldspruch auch aufzuheben, soweit der Angeklagte wegen der Taten zum Nachteil dieses Nebenklägers und des Zeugen Pa ebenfalls nur wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist. Zwar belegen die objektiven Tatumstände in geringerem Umfang als bei der Tat zum Nachteil des Nebenklägers H Indizien, die für eine Gesamtschau zur Prüfung eines bedingten Tötungsvorsatzes heranzuziehen gewesen wären. Im Blick auf die gleichartige Tatausführung und die mögliche indizielle Wirkung der Umstände der Tat zum Nachteil des Nebenklägers H (vgl. BGH wistra 2002, 260, 261; 430) ist aber eine – bisher nicht vorgenommene – differenzierte Feststellung und Bewertung aller subjektiven Umstände auch in diesen Fällen geboten.
3. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet. Die wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen F festgesetzte Freiheitsstrafe von einem Jahr ist damit rechtskräftig. Sie wird in eine neu zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe einzubeziehen sein.
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
a) Auch wenn die tatrichterliche Wertung bei der Abgrenzung zwischen (Mit-)Täterschaft und Beihilfe vom Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen ist (BGHSt 47, 383, 385 m.w.N.), kann solches nicht von der Pflicht entbinden, die für die Wertung herangezogenen Umstände zumindest knapp darzustellen. Für die hierfür in Betracht kommende Tathandlung des Angeklagten zum Nachteil des Zeugen Ho wird es freilich naheliegen, von § 154a Abs. 2 StPO Gebrauch zu machen.

b) Für den Fall, dass erneut eine verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten festgestellt werden kann, wird der Tatrichter über die fakultative Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nach seinem pflichtgemäßen Ermessen und aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände zu entscheiden haben (vgl. BGHSt 49, 239, 241). Hier liegen Umstände vor, die es rechtfertigen könnten, dem Angeklagten die Strafmilderung zu versagen.
Der Senat hat solches bei erheblicher Alkoholisierung angenommen, wenn der Täter die für ihn besonders ungünstige Wirkung des Alkoholgenusses kannte und wusste oder wissen musste, dass er dann zu Gewalttätigkeiten oder anderen Straftaten neigt, und hat darauf abgestellt, ob besondere Umstände in der Person des Täters im konkreten Einzelfall vorhersehbar das Risiko der Begehung rechtswidriger Taten signifikant erhöht haben (BGHSt aaO S. 242). Dies ist auch bei Einnahme aggressivitätssteigernder Substanzen allein oder in Verbindung mit einer weiteren Enthemmung durch Alkoholgenuss in Betracht zu ziehen.
Der Angeklagte hat durch systematische übermäßige Einnahme von männlichen Sexualhormonen eine Wesensveränderung – gesteigerte Angriffslust und übermäßiges Dominanzstreben – herbeigeführt. Die Erhöhung der Aggressivität ist vorliegend ein vom Angeklagten geschaffener Dauerzustand , der in besonderem Maß geeignet ist, wenigstens in aggressionsträchtigen Situationen schon ohne alkoholbedingte Enthemmung das Risiko einer Verletzung erheblicher Rechtsgüter Dritter zu steigern. Hier tritt als weiterer gefahrerhöhender Umstand eine nicht unerhebliche Alkoholisierung des An- geklagten im Umfang einer Blutalkoholkonzentration von 1,37 Promille hinzu und ferner, dass der Angeklagte – nach Ausschlagen einer Warnung – bewusst eine gewaltträchtige Situation aufgesucht hat (vgl. BGHSt aaO S. 244).
Im Blick auf diese Anhäufung von Umständen, die das Risiko der Begehung von Straftaten erhöhen, dürfte es eher fernliegen, dass der Angeklagte sein erhöhtes Aggressionspotential nicht erkannt hatte oder wenigstens nicht hatte erkennen müssen.
Basdorf Häger Raum Brause Schaal

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 290/05
vom
1. September 2005
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. September
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovi?,
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter für die Nebenkläger und
,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 8. November 2004 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen mit der Maßgabe, daß die in Italien in dieser Sache erlittene Freiheitsentziehung im Verhältnis 1 : 1 auf die hier verhängte Freiheitsstrafe angerechnet wird.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen der gefährlichen Körperverletzung zu neun Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen wenden sich der Angeklagte und - zu seinen Ungunsten - die Staatsanwaltschaft mit ihren jeweils auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen.
Während der Angeklagte das Urteil ohne nähere Ausführungen zur Sachrüge allgemein zur Überprüfung durch das Revisionsgericht stellt, beanstandet die Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel, dass das Landgericht den Angeklagten nicht wegen versuchten Mordes verurteilt hat. Das - vom Generalbundesanwalt vertretene - Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg; dagegen ist das Rechtsmittel des Angeklagten unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


Opfer der dem Angeklagten angelasteten Tat sind seine Ehefrau Manuela K. sowie deren Vater, Rainer L. . Nach den Feststellungen des Landgerichts lernten sich der aus Albanien stammende Angeklagte und seine spätere, seinerzeit 17-jährige Ehefrau 1992 kennen. Sie heirateten Ende Mai 1994, nachdem bereits knapp zwei Monate zuvor die gemeinsame Tochter geboren worden war. Schon sehr bald belastete der Angeklagte die Beziehung durch sein dominantes, bei Widerspruch seiner Ehefrau auch aggressiv wütendes Verhalten. Als sie sich deshalb erstmals im November 1996 für kurze Zeit von ihm trennte und zu ihren Eltern zog, drohte der Angeklagte, sie mit Gewalt zurückzuholen , versprach aber auch, sein Verhalten zu ändern. Seine cholerischen Ausbrüche setzten sich dennoch fort, so dass sich seine Ehefrau im Sommer 2001 endgültig von ihm trennte. Auslöser war eine Auseinandersetzung am 17. September 2001, in deren Verlauf der Angeklagte seiner Ehefrau plötzlich und unerwartet zweimal mit der Faust in das Gesicht schlug. Noch am selben Tage verließ sie mit der Tochter die eheliche Wohnung und bezog kurze Zeit darauf in einem anderen Ort eine eigene Wohnung. Der Angeklagte war nicht bereit, die Trennung zu akzeptieren. Auch drohte er seiner Ehefrau an, ihr und ihren
Eltern etwas anzutun und sich der gemeinsamen Tochter zu bemächtigen und diese nach Albanien zu verbringen, sofern sie nicht zu ihm zurückkehren und die von ihr wegen des Vorfalls vom 17. September 2001 erstattete Strafanzeige zurücknehmen würde. Dazu war sie jedoch nicht bereit. Vielmehr sagte sie trotz der von ihm ausgesprochenen Todesdrohungen am 13. März 2002 in dem Strafverfahren wegen jenes Vorfalls beim Amtsgericht Leipzig gegen ihn aus, worauf der Angeklagte an diesem Tage wegen Körperverletzung zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten fünfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
Am Morgen des nächsten Tages, dem 14. März 2002, fuhr der Angeklagte , dem bekannt war, wann seine Ehefrau das Haus verlassen würde, auf den Parkplatz hinter dem Haus, in dem sie wohnte, und wartete dort zwischen Fahrzeugen auf sie. Als sie mit ihrem Vater, der sie zu ihrem Schutz begleitete, den Parkplatz erreichte, trat der Angeklagte plötzlich hinter seinem Fahrzeug hervor und sprach sie mit den Worten an: "Manu, was hast Du dir dabei gedacht !", wobei er ihre ihn belastende Aussage vom Vortag beim Amtsgericht Leipzig meinte. Zugleich zog er ein Messer hervor, stürzte sich auf seine Ehefrau und stach ihr "in der Absicht, sich an seiner Ehefrau für deren Aussage und die Trennung von seiner Tochter zu rächen“, mit Wucht in die linke Seite, in den Oberbauch und in den Rücken. Ihr gelang es aber, den Angeklagten abzuschütteln und zu hilfsbereiten Passanten zu flüchten. Darauf wandte sich der Angeklagte nunmehr ausschließlich dem Vater seiner Ehefrau zu in der Absicht, auch ihn zu töten, nachdem er ihn bereits zuvor verletzt hatte, als dieser versuchte, ihm das Messer zu entwinden. Er versetzte dem Vater drei Stiche in den Unterleib, ließ dann aber von ihm ab und verließ den Tatort. Beide Opfer wurden durch die Stiche lebensgefährlich verletzt und hätten ohne die
sofort eingeleiteten ärztlichen Rettungsbemühungen höchstwahrscheinlich nicht überlebt.
Das Landgericht hat hinsichtlich der zum Nachteil des Vaters der Ehefrau des Angeklagten begangenen Tat einen strafbefreienden Rücktritt vom unbeendeten Versuch des Totschlags "nicht ausschließen" können und den Angeklagten deshalb nur der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) für schuldig befunden. Soweit sich die Tat gegen die Ehefrau des Angeklagten richtete, hat das Schwurgericht einen fehlgeschlagenen Versuch des Totschlags (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) angenommen, indes das Vorliegen der Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe verneint. Zu letzterem Merkmal hat das Schwurgericht ausgeführt, zwar seien "die Tatmotive des Angeklagten ... grundsätzlich geeignet, die Annahme eines niedrigen Beweggrundes zu rechtfertigen. ... Vorliegend (sei aber ) der konkrete Tatanlass von Gewicht. ... Sah sich der Angeklagte aufgrund des von seiner Ehefrau betriebenen Scheidungsverfahrens einer Trennung von seiner Tochter ausgesetzt, wurde dieser Zustand durch seine Verurteilung und einen dadurch bedingten zukünftigen Haftantritt weiter vertieft. Hatte der Angeklagte bis dahin noch versucht, Manuela K. zur Wiederaufnahme ihrer ehelichen Beziehung zu bewegen, so mußte er mit deren belastender Aussage erkennen , dass jede weiteren Versuche fruchtlos bleiben müssen".
II. Revision des Angeklagten
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der allein erhobenen Sachrüge hat weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben.
III. Revision der Staatsanwaltschaft
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Zu Recht greift die Beschwerdeführerin die Erwägungen, mit denen das Schwurgericht das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe verneint hat, als rechtsfehlerhaft an. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Tötungsbeweggrund niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt (BGHSt 35, 116, 127; 47, 128, 130 m.w.N.). Das hat das Landgericht an sich auch nicht verkannt. Seine Würdigung, mit der es im Ergebnis das Vorliegen niedriger Beweggründe verneint hat, hält jedoch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil sie den konkreten Umständen der Tat nicht hinreichend Rechnung trägt.
Das Schwurgericht hat sich rechtsfehlerfrei die Überzeugung verschafft, dass der Angeklagte sich an seiner Ehefrau für deren ihn belastende Aussage im Strafverfahren vor dem Amtsgericht Leipzig und die Trennung von seiner Tochter rächen wollte. Zu Recht hat das Schwurgericht diesen Beweggrund grundsätzlich als niedrig im Sinne des Mordtatbestandes gewertet. Weshalb dieser Wertung dann aber im Ergebnis der "konkrete Tatanlass" entgegenstehen soll, ist nicht nachvollziehbar dargelegt. Richtig ist allerdings, dass Gefühlsregungen wie Rache nach der Rechtsprechung nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht kommen, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 36 m.w.N.). Auch beruht nicht jede Tötung, die geschieht, weil sich der Intimpartner vom Täter abwenden will oder - wie hier - abgewandt hat, schon deshalb zwangs-
läufig auf niedrigen Beweggründen; vielmehr können in einem solchen Fall tatauslösend und tatbestimmend auch Gefühle der Enttäuschung und inneren Ausweglosigkeit sein, die einer Wertung als niedrig entgegenstehen (BGHR aaO niedrige Beweggründe 18, 32), und zwar auch dann, wenn der Täter den Grund für die Trennung selbst herbeigeführt hat (BGH StV 2000, 20 f.; Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2000 - 4 StR 499/00). Solche Umstände, die der Wertung als "niedrig" entgegenstehen könnten, hat das Schwurgericht aber gerade nicht festgestellt.
Soweit das Landgericht darauf verweist, der Angeklagte habe "bis dahin noch versucht, (seine Ehefrau) zur Wiederaufnahme ihrer ehelichen Beziehung zu bewegen" (UA 39), erfasst dies die Beweggründe für die Tat nur unzureichend , weil es dem Angeklagten dabei nach den Feststellungen nicht etwa darum ging, seine Ehe zu retten. Vielmehr beabsichtigte der Angeklagte die Tötung seiner Ehefrau in erster Linie wegen ihrer ihn belastenden Aussage vom Vortage. Wer aber einen anderen aus Rache deshalb tötet oder zu töten beabsichtigt, weil dieser ihn als Zeuge wahrheitsgemäß belastet, handelt nicht weniger verwerflich als derjenige, der durch die Tötung seine eigene Straftat verdecken will und deshalb ein mordqualifizierendes Merkmal verwirklicht (vgl. BGH, Urt. vom 30. März 2004 - 4 StR 42/04, insoweit in NStZ 2004, 510 nicht abgedruckt). Dies gilt zumal dann, wenn - wie hier - das Opfer des Tötungsdelikts , das gegen den Täter ausgesagt hat, bereits Opfer der Tat war, die dem Täter in dem früheren Strafverfahren zur Last gelegt wurde.
Auch der Umstand, dass sich der Angeklagte einer Trennung von seiner Tochter ausgesetzt sah, relativiert nicht die Verwerflichkeit der Beweggründe seines Handelns. Nach den Feststellungen spricht nichts dafür, dass der Angeklagte etwa das Wohl seiner Tochter im Auge hatte. Vielmehr zeigt die zuvor
klagte etwa das Wohl seiner Tochter im Auge hatte. Vielmehr zeigt die zuvor wiederholt ausgesprochene Drohung, die Tochter nach Albanien zu entführen, dass der Angeklagte das Kind lediglich als Druckmittel gegen seine Ehefrau einsetzte.
Schließlich bieten die getroffenen Feststellungen auch keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, der Angeklagte habe seine Tatantriebe nicht gedanklich beherrschen oder gefühlsmäßig steuern können (vgl. BGHR aaO niedrigere Beweggründe 26). Vielmehr hat der Angeklagte die Tat, die sich als "Bestrafungsaktion" (vgl. BGHR aaO niedrigere Beweggründe 39) darstellt, planmäßig vorbereitet und verwirklicht.

IV.


Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils im Ganzen. Zwar betrifft der Rechtsfehler unmittelbar nur den Schuldspruch wegen versuchten Totschlags. Da aber das Schwurgericht die Tat, obwohl sie sich gegen zwei Personen richtete, unter den hier gegebenen Umständen rechtsfehlerfrei als eine Tat im Rechtssinne bewertet hat (vgl. BGH NStZ 1993, 234; BGH, Beschlüsse vom 16. September 2004 - 3 StR 316/04, vom 13. Oktober 2004 - 3 StR 371/04 und vom 19. Oktober 2004 - 3 StR 221/04; Urteil vom 16. August 2005 – 4 StR 168/05), scheidet eine auf die Tat zum Nachteil der Ehefrau beschränkte Teilaufhebung des angefochtenen Urteils aus (BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Über die Sache ist deshalb insgesamt neu zu verhandeln und zu entscheiden.
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:
Der neue Tatrichter wird in Bezug auf das Tötungsdelikt zum Nachteil der Ehefrau auch die Voraussetzungen des Mordmerkmals der Heimtücke einer näheren Prüfung, als sie das angefochtene Urteil ausweist, zu unterziehen haben. Dass die Ehefrau allgemein mit einem tätlichen Angriff des Angeklagten rechnete, schließt ihre Arglosigkeit in der – worauf es ankommt – konkreten Tatsituation bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs noch nicht aus (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 23. August 2000 – 3 StR 234/00 –, vom 3. September 2002 – 5 StR 139/02 – und vom 20. Januar 2005 – 4 StR 491/04). Zudem kann das Opfer auch dann (noch) arglos sein, wenn der Täter ihm zwar mit bereits gefasstem Tötungsvorsatz offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (vgl. BGH NStZ 1999, 506; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15). Hierzu wird der neue Tatrichter nähere Feststellungen zu treffen haben.
Soweit die Tat sich gegen den Vater der Ehefrau richtete, bedarf insbesondere die Frage der Voraussetzungen für den vom Schwurgericht ohne nähere Begründung für möglich erachteten strafbefreienden Rücktritt vom Versuch des Tötungsdelikts (§ 24 Abs. 1 StGB) der näheren Prüfung. Die Annah-
me eines unbeendeten Versuchs liegt angesichts der Wucht der von dem Angeklagten geführten Stiche in den Unterleib und der Schwere der Verletzungen des Opfers nicht eben nahe (vgl. BGHSt 40, 304).
Tepperwien Maatz Athing
Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovi? ist wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben.
Tepperwien Sost-Scheible

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.