Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 30. Apr. 2015 - 6 K 2894/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
21. Das Gesetz über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen – TVgG-NRW) vom 10. Januar 2012 (GV. NRW. 2012, 17) verpflichtet öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in § 4 Abs. 2 Satz 1 TVgG-NRW, öffentliche Aufträge im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs auf Straße und Schiene nur an Unternehmen zu vergeben, die sich bei Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Beschäftigten (ohne Auszubildende) bei der Ausführung der Leistung mindestens das in Nordrhein-Westfalen für diese Leistung in einem der einschlägigen und für repräsentativ erklärten Tarifverträge vorgesehene Entgelt nach den tarifvertraglich festgelegten Modalitäten zu zahlen und während der Ausführungslaufzeit Änderungen nachzuvollziehen. Fehlt eine solche Verpflichtungserklärung bei Angebotsabgabe und wird sie nicht spätestens nach Fristsetzung vom Bieter vorgelegt, so ist das Angebot nach § 8 Abs. 2 TVgG-NRW von der Wertung auszuschließen. Die Abgabe einer unwahren Verpflichtungserklärung sowie die Nichteinhaltung der eingegangen Verpflichtungen stellt nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 TVgG-NRW eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis 50.000,- Euro geahndet werden kann (§ 16 Abs. 2 TVgG-NRW).
3Welche Tarifverträge als repräsentativ anzusehen sind, hat gemäß §§ 4 Abs. 2 Satz 2, 21 Abs. 1 Nr. 1 TVgG-NRW das für Arbeit zuständige Ministerium (MAIS) durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Bei der Feststellung der Repräsentativität eines Tarifvertrages ist nach § 21 Abs. 2 TVgG-NRW auf die Bedeutung des Tarifvertrages für die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer abzustellen. Hierbei kann insbesondere auf die Zahl der von den jeweils tarifgebundenen Arbeitgebern unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Beschäftigten (Nr. 1) oder die Zahl der jeweils unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Mitglieder der Gewerkschaft, die den Tarifvertrag geschlossen hat (Nr. 2), Bezug genommen werden.
4Auf Grundlage von § 4 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 TVgG-NRW erklärte das MAIS durch die Verordnung zur Feststellung der Repräsentativität von Tarifverträgen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs (Repräsentative TarifverträgeVO – RepTVVO) vom 31. Oktober 2012 den Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe (TV-N NW) für den ÖPNV-Bereich Straße und 13 Tarifverträge im Bereich des Schienenverkehrs für repräsentativ.
52. Der Kläger ist ein Arbeitgeberverband mit Sitz in L. . Er vertritt nach eigenen Angaben bundesweit derzeit (Stand April 2015) die Interessen von 105 Mitgliedsunternehmen, die etwa 10.000 Arbeitnehmer beschäftigen. Zwei sind bundeseigene Unternehmen, 103 sind nicht bundeseigene Unternehmen. 26 Mitgliedsunternehmen betreiben Schienenpersonennahverkehr (SPNV mit der Bahn), 34 Mitgliedsunternehmen betreiben ÖPNV mit dem Bus, 19 Mitgliedsunternehmen sind Seilbahnen und sieben Mitgliedsunternehmen sind in den Bereichen Logistik, Spedition oder Eisenbahninfrastruktur tätig. Bundesweit sind 95 Mitgliedsunternehmen des Klägers von öffentlich-rechtlichen Körperschaften ganz oder überwiegend und zehn Mitgliedsunternehmen sind von privaten Personen bzw. Gesellschaften kontrolliert.
6Von den 105 Mitgliedsunternehmen sind siebzehn im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs mit dem Bus im überwiegend ländlichen Bereich in NRW tätig. Diese Unternehmen befinden sich jeweils zu 100 Prozent in öffentlicher Hand und beschäftigen insgesamt ca. 2600 Arbeitnehmer. Ein weiteres Mitgliedsunternehmen mit rund 190 Arbeitnehmern betreibt Schienenpersonennahverkehr in NRW. Die öffentliche Hand hält hieran Anteile in Höhe von 75 Prozent.
7Der Kläger hat mit der ver.di Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) einen bundesweiten Flächentarifvertrag, den sog. Eisenbahntarifvertrag (ETV) mit Stand 1. August 2014, abgeschlossen. Dieser Flächentarifvertrag findet auch Anwendung auf den ÖPNV mit Bus und Bahn in NRW. Für fünfzehn der achtzehn Mitgliedsunternehmen des Klägers, welche im Bereich des ÖPNV in NRW tätig sind, hat der Kläger darüber hinaus sog. firmenbezogene Verbandstarifverträge abgeschlossen. Diese sind teilweise inhaltlich an den Flächentarifvertrag (ETV) angelehnt, enthalten aber eine mehr oder weniger große Zahl von Modifikationen.
8Der Kläger hat am 6. März 2013 gegen die durch die RepTVVO getroffene Feststellung, welche Tarifverträge im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs repräsentativ im Sinne des § 4 Abs. 2 TVgG-NRW sind, Klage erhoben. Seine Klage begründet er im Wesentlichen wie folgt:
9Die Klage sei als Feststellungsklage im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Der Kläger begehre die Feststellung, dass ihn die aufgrund §§ 4 Abs. 2, 21 Abs. 1 TVgG-NRW erlassene RepTVVO in seinen Rechten verletze. Der Erlass der Verordnung begründe ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem beklagten Land als Normgeber, weil die Repräsentativentscheidung – welche ohne weiteren Vollzugsakt gegenüber dem Kläger Wirkung entfalte – diesen in seinen Rechten, insbesondere im Hinblick auf seine durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie verletze. Ungeachtet der Grundrechtsfähigkeit seiner Mitgliedsunternehmen könne sich der Kläger auf die Koalitionsfreiheit berufen, da er – ohne dass es eines Rückgriffs auf Art. 19 Abs. 3 GG bedürfe – seine Grundrechtsfähigkeit direkt und unmittelbar aus Art. 9 Abs. 3 GG ableite. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der Kläger nicht nur Eigengesellschaften und gemischt-öffentliche Unternehmen zu seinen Mitgliedern zähle, sondern auch solche, die zu 100 Prozent in den Händen Privater stünden. Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage des Grundrechtsschutzes von Privatrechtsgesellschaften in öffentlicher Hand spreche nicht gegen eine Grundrechtsberechtigung des Klägers. Der Kläger nehme bereits keine öffentlichen Aufgaben wahr. Seine Betätigung im Koalitions- und Tarifvertragssystem erfassten die Vorbehalte der Grundrechtsberechtigung von Privatunternehmen in öffentlicher Hand damit nicht. Schließlich seien insgesamt 45 Mitgliedsunternehmen des Klägers privatrechtlich organisierte Eisenbahnunternehmen, die trotz einer Beteiligung der öffentlichen Hand aufgrund Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG grundrechtsberechtigt seien.
10Die Klage sei begründet. Die aufgrund §§ 4 Abs. 2, 21 Abs. 1 TVgG-NRW erlassene RepTVVO verletze den Kläger in seinen Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG. Die §§ 4 Abs. 2, 21 Abs. 1 TVgG-NRW stellten bereits keine formell und materiell verfassungskonforme Verordnungsermächtigung dar. Das beklagte Land verfüge nicht über die Kompetenz zum Erlass einer Tariftreuregelung, wie sie in §§ 4 Abs. 2, 21 Abs. 1 und 2 TVgG-NRW Ausdruck gefunden habe. Die Regelung der Tariftreue sowie die damit verbundene Verordnungsermächtigung seien ferner zu unbestimmt und genügten nicht den Vorgaben des Art. 20 Abs. 3 GG sowie des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Regelung verstoße darüber hinaus gegen Art. 31 GG i.V.m. § 2 Abs. 1 TVG und §§ 2a Abs. 1 Nr. 4, 97 ArbGG sowie gegen Art. 31 GG i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG, weil sie sich über die Wirkung der Rechtsnormen von Tarifverträgen hinwegsetze und mit der Einführung des Merkmals der Repräsentativität über die Tariffähigkeit von Koalitionen bestimme. Insbesondere aber begründe die Regelung einen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit des Klägers, der in seiner Betätigungsfreiheit, vor allem mit Blick auf das Ausverhandeln der Vergütung, erheblich beeinträchtigt und in seinem Bestand gefährdet werde. Die aufgrund §§ 4 Abs. 2, 21 Abs. 1 TVgG-NRW erlassene Rechtsverordnung vertiefe diese Grundrechtsverletzung. Aufgrund der lediglich auf Zahlen beruhenden Auswahlentscheidung, welcher Tarifvertrag repräsentativ sei, erfolge eine ungerechtfertigte Bevorzugung großer Koalitionen. Das beklagte Land habe sich ausschließlich von den Arbeitnehmerzahlen bei der Feststellung des repräsentativen Tarifvertrags leiten lassen und andere Aspekte, etwa ob bestimmte Tarifverträge in einem regionalen Bereich innerhalb von NRW oder innerhalb eines abgrenzbaren Bereichs des ÖPNV in NRW besondere Bedeutung aufweisen, gänzlich außen vor gelassen. Gerade aber im ländlichen Bereich sei die Bedeutung der klägerischen Tarifverträge besonders groß. Dass eine derartige Bevorzugung größerer Koalitionen wegen der Beseitigung eines Missstandes erforderlich sein könnte, sei nicht ersichtlich. Der mit dem Tariftreuegesetz verfolgte Schutz vor Niedriglöhnen werde bereits mit dem Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns verfolgt. Schließlich sei die Tariftreueregelung auch mit unionsrechtlichen Vorgaben unvereinbar. Dies folge zum einen aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, welcher mit Urteil vom 18. September 2014 – C-549/13 – die Unvereinbarkeit des § 4 Abs. 3 TVgG-NRW mit Unionsrecht festgestellt habe. Aus der Unanwendbarkeit des § 4 Abs. 3 TVgG-NRW folge auch die Unanwendbarkeit des § 4 Abs. 2 TVgG, da die Regelungen in einem untrennbaren Zusammenhang stünden. Darüber hinaus verstoße § 4 Abs. 2 TVgG-NRW gegen die Niederlassungsfreiheit.
11Die Kläger beantragt,
12festzustellen, dass die aufgrund des § 4 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 TVgG NRW vom 10. Januar 2012 erlassene Verordnung zur Feststellung der Repräsentativität von Tarifverträgen im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs (RepTVVO) vom 31. Oktober 2012 den Kläger in seinem subjektiv-öffentlichen Recht aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt und nichtig ist.
13Das beklagte Land beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Zur Begründung trägt es im Wesentlichen vor, dass die Klage bereits unzulässig sei, da die RepTVVO weder einen Verwaltungsakt darstelle, dessen Nichtigkeit nach § 43 VwGO festgestellt werden könne, noch sei durch die RepTVVO ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem beklagten Land begründet worden. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, denn die RepTVVO verletze den Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten. Sie beruhe auf einer verfassungsgemäßen, hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage, zu deren Erlass das beklagte Land sich auf seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 70, 72, 74 Abs. 1 Nr. 11 GG berufen könne. Die Regelung verstoße nicht gegen Art. 31 GG. Insbesondere bleibe § 2a Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 97 ArbGG unberührt, wonach die Tariffähigkeit von Koalitionen in einem besonderen Verfahren vor den Arbeitsgerichten überprüft wird. Denn weder die Tariffähigkeit noch die koalitionsmäßige Betätigung werde durch das Repräsentativitätserfordernis eingeschränkt. Auch stehe die Tariftreueregelung nicht im Konflikt mit den gesetzlichen Regelungen zur normativen Geltung tarifvertraglicher Regelungen nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG.
16§§ 4 Abs. 2, 21 Abs. 1 TVgG-NRW verstoße nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG. Es läge bereits kein Eingriff in den Schutzbereich vor. Ein etwaiger Eingriff wäre aufgrund der mit dem Gesetz verfolgten Ziele – Schutz der Arbeitgeber vor einem über die Lohnkosten finanzierten Verdrängungswettbewerb, Schutz der Arbeitnehmer vor Lohn- und Sozialdumping, Schutz der Sozialversicherung vor den Kosten für Transferleistungen und Schutz des Tarifsystems vor einer lohnkostenmotivierten Verdrängung von Tarifverträgen – aber jedenfalls gerechtfertigt. Schließlich sei die Tariftreueregelung mit Unionsrecht vereinbar. Ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 ff. AEUV komme bereits nicht in Betracht, weil die Tariftreueregelung auf die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen im Bereich des ÖPNV begrenzt sei, für welchen gem. Art. 58 Abs. 1 AEUV die spezielleren Regelungen über den Verkehr in Art. 90 ff. AEUV Anwendung fänden. Auch die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV werde nicht beeinträchtigt. Erwägungsgrund 17 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 gestatte vielmehr ausdrücklich, dass die für die Vergabeentscheidung zuständigen Behörden die Bieter zur Einhaltung von Mindestarbeitsbedingungen sowie zur Einhaltung sozialer Normen zur Verhinderung des Risikos von Sozialdumping verpflichten können. Entsprechendes folge auch aus Art. 4 Abs. 5 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007.
17Entscheidungsgründe:
18Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig.
191. Zwar ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Streitgegenständlich ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger durch die vom MAIS durch Verordnung festgestellte Repräsentativität des TV-N NW in seinen subjektiven Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt wird. Die damit einhergehende Kontrolle der getroffenen Maßnahme der Exekutive, welche auf öffentlich-rechtlichen Normen beruht und einen Gegenstand des öffentlichen Rechts betrifft – den Erlass einer Verordnung als Akt der Rechtsetzung als staatlichen Hoheitsakt –, stellt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit dar.
20Die Streitigkeit ist nicht verfassungsrechtlicher Art. Eine Streitigkeit ist verfassungsrechtlicher Art, wenn zum einen das Rechtsverhältnis staatsverfassungsrechtlicher Natur ist und zum anderen Verfassungsrechtssubjekte Streitbeteiligte sind (sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit). Dies ist hier nicht der Fall. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Kläger eine Verletzung von Grundrechten durch staatliche Rechtsetzung geltend macht. Denn die gerichtliche Kontrolle der Exekutive, auch soweit sie rechtsetzend tätig wird, ist Aufgabe der Verwaltungsgerichte.
21Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. November 1988 – 7 C 115/86 –, juris Rn. 14 (= BVerwGE 80, 355-373), vom 28. Januar 2010 – 8 C 19/09 –, juris Rn. 30 (= BVerwGE 136, 54-74), und vom 15. September 2014 – 8 B 30/14 –, juris Rn. 5 (= NVwZ-RR 2015, 69-70).
22Schließlich fehlt es auch an einem Streit zwischen Verfassungsorganen oder am Verfassungsleben unmittelbar Beteiligten.
232. Die Feststellungsklage ist aber nach § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO unstatthaft. Es liegt kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO vor. Darunter sind diejenigen rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von natürlichen oder juristischen Personen untereinander oder einer Rechtsbeziehung zwischen einer Person und einem Dritten in Bezug auf eine Sache ergeben. Das Rechtsverhältnis ist gekennzeichnet durch subjektive Rechte und ihnen korrespondierende Pflichten.
24Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1992 – 3 C 50.89 – juris Rn. 29 f. (= BVerwGE 89, 327-334), vom 26. Januar 1996 – 8 C 19.94 – juris Rn. 10 (= BVerwGE 100, 262-275), vom 20. November 2003 – 3 C 44.02 –, juris Rn. 18 (= NVwZ-RR 2004, 253-256); und vom 28. Januar 2010 – 8 C 19.09 –, juris Rn. 24 (= BVerwGE 136, 54-74); Sodan, in: ders./Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung. Großkommentar, 4. Aufl. 2014, § 43 Rn. 7 f., jeweils m.w.N.
25Voraussetzung ist ein konkreter und überschaubarer Sachverhalt als Bezugsgegenstand des Feststellungsbegehrens. Ein derartiger Sachverhalt zeichnet sich dadurch aus, dass Rechtsfragen hinsichtlich eines Einzelfalls relevant werden und in Bezug auf diesen Fall entschieden werden können.
26Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Oktober 1971 – 6 C 57.66 –, juris Rn. 26 (= BVerwGE 38, 346-358), und vom 28. Januar 2010 – 8 C 19.09 –, juris Rn. 24; Beschluss vom 12. November 1987 – 3 B 20.87 –, juris Rn. 4 (= Buchholz 310 § 43 VwGO Nr 97); Sodan, in: ders./Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung. Großkommentar, 4. Aufl. 2014, § 43 Rn. 43 ff. m.w.N.
27An einem konkreten Sachverhalt fehlt es regelmäßig, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden.
28Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2010 – 8 C 19.09 –, juris Rn. 24 (= BVerwGE 136, 54-74).
29Die Gültigkeit von parlamentsgesetzlichen und untergesetzlichen Normen kann im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aber mit der allgemeinen Feststellungsklage inzident überprüft werden, sofern es für den Ausgang des Rechtsstreits von Relevanz ist; die Klärung der Gültigkeit einer Rechtsnorm darf also nicht nur der Beantwortung einer bloßen Rechtsfrage aufgrund eines nur erdachten oder eines ungewissen künftigen Sachverhalts dienen, sondern der Durchsetzung von konkreten Rechten der Beteiligten.
30Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 – 8 C 19.09 –, juris Rn. 25 (= BVerwGE 136, 54-74) m.w.N.
31Das feststellungsfähige Rechtsverhältnis kann auch darin begründet sein, dass die umstrittene Norm den Kläger zwar nicht unmittelbar berechtigt oder verpflichtet, mittelbar aber zu einer Grundrechtsbeeinträchtigung des Klägers führt.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 – 8 C 19.09 –, juris Rn. 47 (= BVerwGE 136, 54-74).
33Dem steht § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, der Normenkontrollen von untergesetzlichem Landesrecht regelt, nicht entgegen. Denn Gegenstand einer Feststellungsklage ist nicht unmittelbar die gesetzliche Norm, sondern es sind die von deren Gültigkeit abhängigen subjektiven Rechte und Pflichten.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 – 8 C 19.09 –, juris Rn. 25 (= BVerwGE 136, 54-74); Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 27. Ergänzungslieferung 2015, § 43 Rn. 25; Gisbert, in: Posser/Wolff, BeckOK, Stand 1. Juli 2013, § 47 Rn. 8; Möstl, in: ebda., § 43 Rn. 11, 30.
35Abgesehen davon hat NRW von der Möglichkeit, eine untergesetzliche Normenkontrolle zuzulassen, keinen Gebrauch gemacht.
36Im Regelfall eröffnet sich ein Rechtsverhältnis zwischen Normadressat und Normanwender, wobei als Normanwender der Rechtsträger der Vollzugsbehörde zu verstehen ist. Dies gilt grundsätzlich auch für sog. self-executing-Normen, d.h. solche, aus denen sich ohne verwaltungsmäßige Umsetzung bereits Rechte und Pflichten ergeben, soweit dort noch Verwaltungsvollzug möglich ist.
37Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. August 2007 – 7 C 13.06 –, juris Rn. 22 (= NVwZ 2007, 1311, 1313-11314), und vom 28. Januar 2010 – 8 C 19.09 –, juris Rn. 29 (= BVerwGE 136, 54-74); Sodan, in: ders./Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung. Großkommentar, 4. Aufl. 2014, § 43 Rn. 58 ff.
38Darüber hinaus kann eine allgemeine Feststellungsklage auch gegen den Normgeber in Betracht kommen, wenn mangels administrativen Vollzugs kein konkretes Rechtsverhältnis zwischen Normanwender und Normadressat begründet, die Rechtsbeeinträchtigung bereits unmittelbar durch die Norm bewirkt wird und effektiver Rechtsschutz nur im Rechtsverhältnis zwischen Normgeber und Normadressat gewährt werden kann.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 – 8 C 19.09 –, juris Rn. 30 (= BVerwGE 136, 54-74); Krumm, DVBl 2011, 1008 (1010 ff.); Sodan, in: ders./Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung. Großkommentar, 4. Aufl. 2014, § 43 Rn. 58c; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 27. Ergänzungslieferung 2015, Rn. 25 f.; Möstl, in: Posser/Wolff, BeckOK, Stand 1. Juli 2013, § 43 Rn. 30.
40Dies zugrunde gelegt liegt kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO vor. Ungeachtet der Frage, ob bereits unmittelbar durch die aufgrund § 4 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 TVgG NRW erlassene RepTVVO subjektive Rechte einer Koalition beeinträchtigt werden, kann jedenfalls der Kläger nicht geltend machen, durch die mit der RepTVVO getroffenen Feststellung der Repräsentativität des TV-N NW in seinem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG beeinträchtigt zu sein. Er ist insoweit nicht grundrechtsberechtigt.
41Art. 9 Abs. 3 GG schützt – ohne dass es eines Rückgriffs auf Art. 19 Abs. 3 GG bedürfte – als sog. Doppelgrundrecht nicht nur das individuelle Recht, zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, sondern auch das Freiheitsrecht der Koalitionen selbst (kollektive Koalitionsfreiheit).
42Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 –, juris Rn. 33 (= BVerfGE 84, 212-232), vom 10. September 2004 – 1 BvR 1191/03 –, juris Rn. 13, und vom 11. Juli 2006 – 1 BvL 4/00 –, BVerfGE 116, 202-228 (juris Rn. 70); Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 9 Rn. 69 ff. A.A., derzufolge allein Art. 19 Abs. 3 GG die Frage der Grundrechtsberechtigung von Koalitionen regelt: Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 19 III Rn. 90 m.w.N. aus der Literatur.
43Die individual- und kollektivrechtliche Dimension des Doppelgrundrechts stehen damit zwar in keinem Rang- oder Ableitungsverhältnis; sie sind aber doch notwendig aufeinander bezogen. Die Kammer kann der Ansicht des Klägers nicht folgen, dass die Begründungsbedürftigkeit der Grundrechtsträgerschaft einer Koalition, insbesondere wenn sie juristische Personen des öffentlichen Rechts bzw. die öffentliche Hand in privatrechtsförmiger Organisationsform zu ihren Mitgliedern zählt, von vornherein entbehrlich wäre. Dass der Schutzbereich auch die kollektive Koalitionsfreiheit umfasst, lässt ebenso wenig zwingende Rückschlüsse auf die Grundrechtsfähigkeit einer Koalition zu, wie von der Tariffähigkeit einer Koalition ohne Weiteres auf ihre Grundrechtssubjektivität geschlossen werden kann.
44Zur differenzierten Behandlung von Tariffähigkeit und Grundrechtsfähigkeit siehe bereits BVerfG, Entscheidung vom 19. Oktober 1966 – 1 BvL 24/65 –, BVerfGE 20, 312; Berlit, Koalitionsfreiheit und öffentlicher Dienst. Bemerkungen zur Grundrechtsfähigkeit der öffentlichen Arbeitgeber und ihrer Koalitionen, in: ZTR 1994, 143 (152).
45Ausgangspunkt ist, dass auf juristische Personen des öffentlichen Rechts Grundrechte prinzipiell unanwendbar sind, weil diese nicht Träger, sondern Adressaten der Grundrechte sind (Art. 1 Abs. 3 GG).
46Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 – 2 BvR 1187/80 –, juris Rn. 66 ff. (= BVerfGE 61, 82-118).
47Dies gilt für den Bereich, in dem juristische Personen des öffentlichen Rechts öffentliche Aufgaben wahrnehmen,
48st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2. Mai 1967 – 1 BvR 578/63 –, juris Rn. 23 ff. (= BVerfGE 21, 362), vom 7. Juni 1977 – 1 BvR 108/73, 1 BvR 41 BvR 424/73, 1 BvR 21 BvR 226/74 –, juris Rn. 46 (= BVerfGE 45, 63-81), vom 8. Juli 1982 – 2 BvR 1187/80 –, juris Rn. 58 (= BVerfGE 61, 82-118), und vom 31. Oktober 1984 – 1 BvR 35/82, 1 BvR 31 BvR 356/82, 1 BvR 71 BvR 794/82 –, juris Rn. 37 (= BVerfGE 68, 193-226),
49ebenso wie für die Tätigkeit außerhalb des Bereichs der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, wenn sich die juristische Person des öffentlichen Rechts hierbei in keiner „grundrechtstypischen Gefährdungslage“ befindet.
50Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 8. Juli 1982 – 2 BvR 1187/80 –, juris Rn. 66 (= BVerfGE 61, 82-118), vom 23. Juli 2002 – 2 BvR 403/02 –, juris (= DVBl 2002, 1404-1406): jeweils zur Berufung auf die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG außerhalb der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben.
51Gleiches gilt, wenn ein Verwaltungsträger in privatrechtlicher Rechtsform handelt. So sind sog. Eigengesellschaften, bei denen die öffentliche Hand alle Anteile des von ihr gegründeten oder übernommenen Unternehmens selbst hält, ebenso wie gemischtöffentliche Unternehmen, an denen verschiedene Träger öffentlicher Verwaltung beteiligt sind, grundsätzlich nicht grundrechtsberechtigt. Der bloße Rechtsformwechsel würde andernfalls zu einer Selbstverleihung der Grundrechtsberechtigung führen.
52Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2. Mai 1967 – 1 BvR 578/63 –, juris Rn. 19 ff. (= BVerfGE 21, 362), und vom 7. Juni 1977 – 1 BvR 108/73, 1 BvR 41 BvR 424/73, 1 BvR 21 BvR 226/74 –, juris Rn. 50 (= BVerfGE 45, 63-81); Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 19 III Rn. 72.
53Sind neben kommunalen oder staatlichen Verwaltungsträgern auch Privatpersonen (natürliche oder juristische) an den Unternehmen beteiligt (sog. gemischtwirtschaftliche Unternehmen), hängt die Grundrechtsberechtigung entscheidend davon ab, ob eine Mehrheitsbeteiligung des Staates vorliegt oder eine Beherrschung des Unternehmens durch die öffentliche Hand anzunehmen ist.
54Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Mai 1989 – 1 BvR 705/88 –, juris (= NJW 1990, 1783 – sog. HEW-Beschluss – 72 % in öffentlicher Hand); Fortführung dieser Judikatur durch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. Mai 2009 – 1 BvR 1731/05 –, juris (= JZ 2009, 1069-1071 – 75,2 % in öffentlicher Hand); zur Grundrechtsbindung: BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 699/06 –, juris Rn. 52 f. (= BVerfGE 128, 226-278 – ca. 52 % in öffentlicher Hand); zum Diskussionsstand Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 19 III Rn. 73 ff.
55Denn soweit die öffentliche Hand die juristische Person des Privatrechts weiterhin beherrscht, sie also dem bestimmenden Einfluss eines Hoheitsträgers unterliegt, trifft auch auf sie die für Eigengesellschaften der öffentlichen Hand geltende Erwägung zu, dass ein Hoheitsträger nicht durch die Gründung einer juristischen Person des Privatrechts die eigene Grundrechtsbindung abstreifen und mittelbar eine eigene Grundrechtsfähigkeit erwerben darf.
56Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. Mai 2009 – 1 BvR 1731/05 –, juris Rn. 17 m.w.N. (= JZ 2009, 1069-1071); Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 19 III Rn. 72.
57Die Frage der Grundrechtsberechtigung einer Koalition aus Art. 9 Abs. 3 GG ist anhand dieser Maßstäbe zu beantworten. Stehen hinter der Koalition überwiegend juristische Personen des öffentlichen Rechts bzw. die öffentliche Hand in privatrechtsförmiger Organisationsform in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber, kann sie den Schutz der Koalitionsfreiheit nicht beanspruchen. Dies folgt zwingend daraus, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts auch in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber nicht Träger der Koalitionsfreiheit sein können.
58Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März 1993 – 1 BvR 1213/85 –, BVerfGE 88, 103-117. Hier hat das BVerfG den öffentlichen Arbeitgebern – ungeachtet ihrer Tariffähigkeit – weder ausdrücklich noch implizit den Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG zugebilligt. Siehe hierzu auch Berlit, Koalitionsfreiheit und öffentlicher Dienst. Bemerkungen zur Grundrechtsfähigkeit der öffentlichen Arbeitgeber und ihrer Koalitionen, in: ZTR 1994, 143 (146); a.A. F. Depenheuer, Die Grundrechtsfähigkeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts und ihrer Arbeitgebervereinigungen, ZTR 1993, 364 (367).
59Folglich kann der privatrechtsförmig handelnde Staat die ihm fehlende Grundrechtsfähigkeit auch nicht durch einen tarifgemeinschaftlichen Zusammenschluss erwirken. Dann aber kann auch die Koalition selbst nicht aus Art. 9 Abs. 3 GG grundrechtsberechtigt sein.
60Vgl. Berlit, Koalitionsfreiheit und öffentlicher Dienst. Bemerkungen zur Grundrechtsfähigkeit der öffentlichen Arbeitgeber und ihrer Koalitionen, in: ZTR 1994, 143 (148); Höfling, in: Sachs, Grundgesetz. Kommentar, 6. Aufl. 2011, Art. 9 Rn. 114; Kemper, in: Mangoldt/Klein/Stark (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 1, 2005, Art. 9 Abs. 3 Rn. 171; Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 19 III Rn. 66; Park, Verfassungs-, zivil- und arbeitsrechtliche Stellung der Arbeitgeberverbände, 1997, S. 73; a.A. F. Depenheuer, Die Grundrechtsfähigkeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts und ihrer Arbeitgebervereinigungen, in: ZTR 1993, 364-367; Löwisch/Rieble, in: Richardi/Wlotzke/Wißmann/Oetker (Hrgs.), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 2, 3. Aufl. 2009, § 155 Rn. 40;
61Auch wenn eine als Verein im Sinne des § 21 BGB organisierte Koalition nicht staatlich beherrschte – also grundrechtsfähige – Unternehmen zu seinen Mitgliedern zählt, begründet das für sich genommen die Grundrechtsfähigkeit der Koalition nicht. Ebenso wenig wie eine private Minderheitsbeteiligung an einem mehrheitlich von der öffentlichen Hand beherrschten Privatrechtssubjekt die Grundrechtsfähigkeit verschaffen kann, vermögen private Mitglieder einer mehrheitlich von Eigengesellschaften und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen beherrschten Vereinigung Grundrechtsfähigkeit zu vermitteln. Die für gemischtwirtschaftliche Unternehmen entwickelten Grundsätze sind insoweit übertragbar. Wie die Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung bei Kapitalgesellschaften (vgl. § 48 GmbHG, § 118 AktG) bestimmt auch die Mitgliederversammlung (§ 32 BGB) eines Vereins im Sinne des § 21 BGB – welcher die Grundform der korporativen Zusammenschlüsse darstellt –,
62vgl. Heider, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl. 2008, § 1 Rn. 15; Hüffer, Aktiengesetz, 11. Aufl. 2014, § 1 Rn. 2 f. m.w.N.,
63maßgeblich über die Körperschaftsangelegenheiten. So sind es die staatlich beherrschten Mitgliedsunternehmen, welche aufgrund ihrer Mehrheit in der Mitgliederversammlung (§ 32 Abs. 1 Satz 3 BGB) die Willensbildung der Koalition steuern und die Tätigkeit des Verbandes im Interesse der hinter ihnen stehenden öffentlichen Hand leiten. Insofern besteht eine augenfällige Parallelität zu gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, bei denen die öffentliche Hand Hauptanteilseigner ist.
64Die Rechte der nicht staatlich beherrschten Unternehmen erfahren hierdurch auch keine ungerechtfertigte Einbuße. Ob diese Mitglied in einem mehrheitlich von staatlich beherrschten Mitgliedsunternehmen dominierten Verband werden oder nicht, liegt in ihrer freien Entscheidung. Auch wenn sich die Mehrheitsverhältnisse erst nachträglich ändern, steht es ihnen frei, hierauf zu reagieren. Ohnehin unberührt bleibt ihre eigene individuelle Rechtsstellung als Grundrechtsträger gegenüber der öffentlichen Gewalt. Auch insofern besteht ein Gleichklag mit der Rechtstellung der privaten Gesellschafter eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens.
65Dies zugrunde gelegt, kann sich der Kläger nicht auf die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit berufen, soweit er geltend macht, auf dem Gebiet des ÖPNV in NRW in seiner Tätigkeit als Arbeitgeberverband durch die aufgrund §§ 4, 21 TVgG-NRW erlassene RepTVVO beeinträchtigt zu sein.
66Der Kläger ist ein in das Vereinsregister eingetragener Verein im Sinne des § 21 BGB. Nach den dargelegten Grundsätzen ist 95 seiner 105 Mitgliedsunternehmen die Grundrechtsfähigkeit nicht zuzuerkennen. Denn diese werden von öffentlich-rechtlichen Körperschaften ganz oder überwiegend beherrscht. Auf dem Gebiet des ÖPNV in NRW vertritt er derzeit sogar ausschließlich die Interessen von sechs Eigengesellschaften der öffentlichen Hand, elf gemischtöffentlichen Unternehmen und einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, an welchem die öffentliche Hand mit 75 Prozent und damit beherrschend beteiligt ist. In ihrer Eigenschaft als Verkehrsunternehmen nehmen die Mitgliedsunternehmen Aufgaben des öffentlichen Personennahverkehrs und damit eine öffentliche Aufgabe wahr.
67Die Mitgliedsunternehmen bilden auch keinen Ausnahmefall, in dem auch einer juristischen Person des öffentlichen Rechts Grundrechtsfähigkeit zuzuerkennen ist.
68Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 1967 – 1 BvR 578/63 –, juris Rn. 32 f. (= BVerfGE 21, 362); Entscheidung vom 27. Juli 1971 – 2 BvF 1/68, 2 BvR 72 BvR 702/68 –, juris Rn. 22 (BVerfGE 31, 314).
69Die im Bereich des ÖPNV in NRW tätigen Mitgliedsunternehmen sind unmittelbar keinem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet. Das setzte voraus, dass es sich – wie bei den Kirchen, Universitäten und Rundfunkanstalten – um juristische Personen handelte, die den Bürgern zur Verwirklichung ihrer individuellen Grundrechte dienen und als eigenständige, vom Staat unabhängige oder jedenfalls distanzierte Einrichtungen Bestand haben. Davon kann bei den betroffenen Mitgliedsunternehmen des Klägers aber keine Rede sein.
70Entgegen der Ansicht des Klägers folgt anderes auch nicht aus Art. 87e Abs. 3 GG. Danach werden Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Die Regelung soll die kommerzielle Ausrichtung der bundeseigenen Eisenbahnen absichern und ihnen ein Bereich unternehmerischer Selbstbestimmung einräumen.
71Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2011 – 2 BvE 3/08 –, juris Rn. 29 (= BVerfGE 129, 356-376).
72Ob Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG über die verfassungsrechtliche Vorgabe eines privatwirtschaftlichen Funktions- und Organisationskonzepts hinaus Grundrechtsfähigkeit verleiht, oder es auch im Anwendungsbereich des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG bei dem dargelegten Grundsatz, dass bei Verwendung von zivilrechtlichen Handlungsformen die öffentliche Hand die Grundrechtsberechtigung nicht erlangen kann, verbleibt,
73die Grundrechtsfähigkeit verneinend: OVG NRW, Urteile vom 18. Februar 2013 – 13 A 474/11 –, juris Rn. 56, und vom 8. April 2014 – 13 A 1054/13 –, juris Rn. 40; BayVGH, Beschluss vom 24. Juli 2008 – 22 ZB 07.1938 – juris Rn. 5 (NVwZ-RR 2009, 16-19); Kramer, Anmerkung zum Urteil des BVerwG vom 18. 5. 2010 – 3 C 21.09 –, DVBl. 2010, 1052 (1052); bislang offen gelassen: BVerwG, Urteile vom 18. Mai 2010 – 3 C 21.09 – juris (= BVerwGE 137, 58-74); 7. Dezember 2011 – 6 C 39.10 –, juris Rn. 12 (= BVerwGE 141, 143), und vom 29. September 2011 – 6 C 17.10 –, juris Rn. 20 (= BVerwGE 140, 359); Beschluss vom 8. Januar 2015 – 6 B 36/14 –, juris Rn. 15 (= N&R 2015, 117-120); a.A. Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 87e Rn. 13; Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 5. Aufl. 2009, Art. 87e Rn. 49,
74bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst wenn Eisenbahnen des Bundes nach 87e Abs. 3 Satz 1 GG Grundrechtsfähigkeit zukommen würde, würde dies an der fehlenden Grundrechtsfähigkeit des Klägers nichts ändern.
75Der Kläger trägt vor, dass 45 Mitgliedsunternehmen privatrechtlich organisierte Eisenbahnunternehmen (26 im Bereich SPNV und 19 im Bereich Güterverkehr) seien. Auf sie findet Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG aber keine Anwendung. Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG erfasst ausschließlich Eisenbahnen des Bundes. Ob es sich um Eisenbahnen des Bundes handelt, hängt wie bei Art. 73 Nr. 6a GG von den Eigentumsverhältnissen ab. Infolge der Privatisierung der Bundeseisenbahnen kommt es darauf an, dass der Bund über die Mehrheit der Anteile an den Eisenbahnunternehmen verfügt.
76Vgl. Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz. Kommentar, 5. Aufl. 2005, Art. 87e Rn.14; Windthorst, in: Sachs, Grundgesetz. Kommentar, 6. Aufl. 2011, Art. 87e Rn. 15.; Wieland, in: Dreier (Hrsg), Grundgesetz. Kommentar, Band III, 2. Aufl. 2008, Art. 87e Rn. 21.
77Dies ist bei den im Bereich Schienenverkehr tätigen Mitgliedsunternehmen nicht der Fall, an denen der Bund – soweit ersichtlich – nicht jeweils über die Mehrheit der Anteile verfügt. Selbst wenn für die vom Kläger benannten zwei bundeseigenen Mitgliedsunternehmen der Anwendungsbereich des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG eröffnet sein sollte und diesen hiernach – entgegen der obergerichtlichen Rechtsprechung – Grundrechtsfähigkeit zukommen würde, führte dies nicht zur Grundrechtsfähigkeit des Klägers. Denn der, nach den dargelegten Grundsätzen für die Beurteilung der Grundrechtsfähigkeit des Klägers maßgebliche, beherrschende Anteil der Mitgliedsunternehmen (dann 93 von 105 Mitgliedsunternehmen/ca. 88 Prozent) wäre weiterhin nicht grundrechtsfähig. Keines der ggf. unter den Anwendungsbereich des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG fallenden Unternehmen ist darüber hinaus im Bereich ÖPNV in NRW tätig.
78Schließlich vermag auch die von dem Kläger zur Begründung der Grundrechtsfähigkeit seiner Mitgliedsunternehmen herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Grundrechtsfähigkeit der Deutschen Telekom AG zu keinem anderen Ergebnis führen.
79Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2001 – 6 C 6/00 –, BVerwGE 114, 160-195.
80Das Bundesverwaltungsgericht hat die Grundrechtsfähigkeit der Deutschen Telekom AG wegen ihrer ausschließlich privatwirtschaftlichen Tätigkeit und Aufgabenstellung (Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG) angenommen. Unerheblich sei insoweit, dass die Deutsche Telekom AG aus dem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen Deutsche Bundespost bzw. dem öffentlich-rechtlichen Teilsondervermögen Deutsche Bundespost TELEKOM hervorgegangen sei und bis zur Entscheidung trotz der Veräußerung von Aktien an private Investoren mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehe.
81BVerwG, Urteil vom 25. April 2001 – 6 C 6/00 –, juris Rn. 65 (= BVerwGE 114, 160-195).
82Hintergrund dieser Rechtsprechung ist, dass die Einflussnahme des Bundes bereits 1994 im Rahmen der Errichtung der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost gesetzlich erheblich eingegrenzt worden ist. Diese Einschränkung wurde auch nach der Privatisierung fortgesetzt.
83Siehe § 3 Abs. 4 des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost vom 14. September 1994, BGBl. I S. 2325, und § 32 der Satzung der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost vom 14. September 1994, BGBl. I S. 2331; Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 2. Aufl. 2008, Art. 87f Rn. 23.
84Es fehlt damit an dem die Grundrechtsfähigkeit ausschließenden beherrschenden Einfluss des Bundes auf das Unternehmen Deutsche Telekom AG. Der Staat hat seinen Einflussbereich damit soweit aufgegeben, dass hinter der Unternehmenspolitik im Ganzen nicht mehr eine Umsetzung der Interessen des staatlichen Mehrheitsaktionärs gesehen werden kann.
85Siehe hierzu bereits ausführlich v. Arnauld, Grundrechtsfragen im Bereich von Postwesen und Telekommunikation, DÖV 1998, S. 437-451.
86Eine vergleichbare, verfassungsrechtlich speziell vorgezeichnete, und einfachgesetzlich ausgeformte Einschränkung der Beherrschungsmöglichkeit der die Mitgliedsunternehmen des Klägers beherrschenden öffentlichen Hand ist nicht gegeben. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Grundrechtsfähigkeit der Deutschen Telekom AG ist auf den Kläger bzw. dessen Mitgliedsunternehmen nicht übertragbar.
87Dass der Kläger bundesweit nicht ausschließlich Unternehmen mit beherrschendem Einfluss der öffentlichen Hand zu seinen Mitgliedern zählt und eine Mitgliedschaft grundsätzlich jeder natürlichen oder juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts offen steht (§ 3 Nr. 1 AGVDE-Satzung), vermag die Grundrechtsfähigkeit des Klägers nach den dargelegten Grundsätzen ebenfalls nicht zu begründen. Die Tätigkeit des Klägers wird angesichts der rund 90-prozentigen Mitgliedermehrheit von Eigengesellschaften und gemischtöffentlichen Unternehmen von der öffentlichen Hand geleitet und beherrscht. Es sind die staatlich beherrschten Mitgliedsunternehmen, welche aufgrund ihrer Mehrheit die Willensbildung des Klägers steuern (vgl. § 9 Nr. 6, § 10 AGVDE-Satzung).
88Abgesehen davon hat der Kläger nicht geltend gemacht, dass überhaupt eines seiner nicht öffentlich beherrschten Mitglieder in NRW seine Leistungen anbieten will, sodass er jedenfalls aufgrund des auf NRW begrenzten Anwendungsbereichs des TVgG-NRW im konkreten Fall keine Verletzung subjektiver Rechte geltend machen kann. Denn Voraussetzung der allgemeinen Feststellungsklage ist ein konkreter und überschaubarer Sachverhalt als Bezugsgegenstand des Feststellungsbegehrens. Maßgeblich für die Frage der möglichen subjektiven Rechtsverletzung ist danach allein die tatsächliche Tätigkeit des Klägers im Bereich des ÖPNV in NRW. Die bloß abstrakte Möglichkeit, dass private Mitgliedsunternehmen des Klägers in Zukunft auf dem Gebiet des ÖPNV in NRW tätig werden könnten, deren Interessen er bei der Verhandlung von Tarifverträgen vertreten würde, genügt nicht, um den Sachverhalt im Rahmen der Feststellungsklage zur Überprüfung zu stellen.
893. Dem Kläger fehlt darüber hinaus die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis. Die Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung,
90st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Juli 1973 – VII C 6.72 –, juris Rn. 18 (= BVerwGE 44, 1-11), und vom 3. November 1988 – 7 C 115/86 –, juris Rn. 19 (= BVerwGE 80, 355-373), Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung. Kommentar, 20. Aufl. 2014, § 42 Rn. 66,
91welche auch im Rahmen einer Feststellungsklage zur Vermeidung einer dem Verwaltungsprozess fremden Popular- und Interessentenklage eine notwendige Zulässigkeitsvoraussetzung darstellt,
92st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1995 – 2 C 32/94 –, juris (= BVerwGE 99, 64-69); ablehnend Sodan, in: ders./Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung. Großkommentar, 4. Aufl. 2014, § 43 Rn. 72,
93scheidet vorliegend mangels Grundrechtsfähigkeit des Klägers bezüglich Art. 9 Abs. 3 GG in jeglicher Hinsicht aus.
944. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
95Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, § 709 Satz 1 ZPO.
96Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
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(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
(1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.
(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.
(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.
(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.
(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.
(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.
(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.
(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.
Bundesrecht bricht Landesrecht.
(1) Tarifvertragsparteien sind Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern.
(2) Zusammenschlüsse von Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern (Spitzenorganisationen) können im Namen der ihnen angeschlossenen Verbände Tarifverträge abschließen, wenn sie eine entsprechende Vollmacht haben.
(3) Spitzenorganisationen können selbst Parteien eines Tarifvertrags sein, wenn der Abschluß von Tarifverträgen zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben gehört.
(4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 haften sowohl die Spitzenorganisationen wie die ihnen angeschlossenen Verbände für die Erfüllung der gegenseitigen Verpflichtungen der Tarifvertragsparteien.
(1) Die Gerichte für Arbeitssachen sind ferner ausschließlich zuständig für
- 1.
Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz, soweit nicht für Maßnahmen nach seinen §§ 119 bis 121 die Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist; - 2.
Angelegenheiten aus dem Sprecherausschußgesetz, soweit nicht für Maßnahmen nach seinen §§ 34 bis 36 die Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist; - 3.
Angelegenheiten aus dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz und dem Drittelbeteiligungsgesetz, soweit über die Wahl von Vertretern der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat und über ihre Abberufung mit Ausnahme der Abberufung nach § 103 Abs. 3 des Aktiengesetzes zu entscheiden ist; - 3a.
Angelegenheiten aus den §§ 177, 178 und 222 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, - 3b.
Angelegenheiten aus dem Gesetz über Europäische Betriebsräte, soweit nicht für Maßnahmen nach seinen §§ 43 bis 45 die Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist; - 3c.
Angelegenheiten aus § 51 des Berufsbildungsgesetzes; - 3d.
Angelegenheiten aus § 10 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes; - 3e.
Angelegenheiten aus dem SE-Beteiligungsgesetz vom 22. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3675, 3686) mit Ausnahme der §§ 45 und 46 und nach den §§ 34 bis 39 nur insoweit, als über die Wahl von Vertretern der Arbeitnehmer in das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan sowie deren Abberufung mit Ausnahme der Abberufung nach § 103 Abs. 3 des Aktiengesetzes zu entscheiden ist; - 3f.
Angelegenheiten aus dem SCE-Beteiligungsgesetz vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1911, 1917) mit Ausnahme der §§ 47 und 48 und nach den §§ 34 bis 39 nur insoweit, als über die Wahl von Vertretern der Arbeitnehmer in das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan sowie deren Abberufung zu entscheiden ist; - 3g.
Angelegenheiten aus dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3332) in der jeweils geltenden Fassung mit Ausnahme der §§ 34 und 35 und nach den §§ 23 bis 28 nur insoweit, als über die Wahl von Vertretern der Arbeitnehmer in das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan sowie deren Abberufung mit Ausnahme der Abberufung nach § 103 Abs. 3 des Aktiengesetzes zu entscheiden ist; - 3h.
Angelegenheiten aus dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung vom 4. Januar 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 10) in der jeweils geltenden Fassung mit Ausnahme der §§ 38 und 39 und nach den §§ 25 bis 30 nur insoweit, als über die Wahl von Vertretern der Arbeitnehmer in das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan sowie deren Abberufung mit Ausnahme der Abberufung nach § 103 Absatz 3 des Aktiengesetzes zu entscheiden ist; - 4.
die Entscheidung über die Tariffähigkeit und die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung; - 5.
die Entscheidung über die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 des Tarifvertragsgesetzes, einer Rechtsverordnung nach § 7 oder § 7a des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und einer Rechtsverordnung nach § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes; - 6.
die Entscheidung über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag.
(2) In Streitigkeiten nach diesen Vorschriften findet das Beschlußverfahren statt.
Bundesrecht bricht Landesrecht.
(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist.
(2) Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist.
(3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.
(2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemißt sich nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung.
(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.
(2) Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.
(3) Hat der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht, können die Länder durch Gesetz hiervon abweichende Regelungen treffen über:
- 1.
das Jagdwesen (ohne das Recht der Jagdscheine); - 2.
den Naturschutz und die Landschaftspflege (ohne die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes); - 3.
die Bodenverteilung; - 4.
die Raumordnung; - 5.
den Wasserhaushalt (ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen); - 6.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse; - 7.
die Grundsteuer.
(4) Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß eine bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlichkeit im Sinne des Absatzes 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann.
(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:
- 1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung; - 2.
das Personenstandswesen; - 3.
das Vereinsrecht; - 4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer; - 5.
(weggefallen) - 6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen; - 7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht); - 8.
(weggefallen) - 9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung; - 10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft; - 11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte; - 12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung; - 13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung; - 14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt; - 15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft; - 16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung; - 17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz; - 18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht; - 19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte; - 19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze; - 20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz; - 21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen; - 22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen; - 23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen; - 24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm); - 25.
die Staatshaftung; - 26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen; - 27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung; - 28.
das Jagdwesen; - 29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege; - 30.
die Bodenverteilung; - 31.
die Raumordnung; - 32.
den Wasserhaushalt; - 33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.
(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.
Bundesrecht bricht Landesrecht.
(1) In den Fällen des § 2a Abs. 1 Nr. 4 wird das Verfahren auf Antrag einer räumlich und sachlich zuständigen Vereinigung von Arbeitnehmern oder von Arbeitgebern oder der obersten Arbeitsbehörde des Bundes oder der obersten Arbeitsbehörde eines Landes, auf dessen Gebiet sich die Tätigkeit der Vereinigung erstreckt, eingeleitet.
(2) Für Verfahren nach § 2a Absatz 1 Nummer 4 ist das Landesarbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Vereinigung, über deren Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit zu entscheiden ist, ihren Sitz hat.
(2a) Für das Verfahren sind § 80 Absatz 1, 2 Satz 1 und Absatz 3, §§ 81, 83 Absatz 1 und 2 bis 4, §§ 83a, 84 Satz 1 und 2, § 91 Absatz 2 und §§ 92 bis 96 entsprechend anzuwenden. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Absatz 4 und 5 entsprechend.
(3) Der rechtskräftige Beschluss über die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung wirkt für und gegen jedermann. Die Vorschrift des § 63 über die Übersendung von Urteilen gilt entsprechend für die rechtskräftigen Beschlüsse von Gerichten für Arbeitssachen im Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4.
(4) In den Fällen des § 2a Abs. 1 Nr. 4 findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann statt, wenn die Entscheidung über die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit darauf beruht, daß ein Beteiligter absichtlich unrichtige Angaben oder Aussagen gemacht hat. § 581 der Zivilprozeßordnung findet keine Anwendung.
(5) Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine Vereinigung tariffähig oder ob die Tarifzuständigkeit der Vereinigung gegeben ist, so hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des Beschlußverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 auszusetzen. Im Falle des Satzes 1 sind die Parteien des Rechtsstreits auch im Beschlußverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 antragsberechtigt.
(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist.
(2) Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist.
(3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.
(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
Tatbestand
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Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4, Arbeitgeber der Briefdienstleistungsbranche und Mitglieder des am 11. September 2007 gegründeten Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste e.V., und der Kläger zu 2, ein Arbeitgeberverband derselben Branche, wenden sich mit ihren Feststellungsklagen gegen die am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28. Dezember 2007 (Bundesanzeiger 2007, Nr. 242, S. 8410). Mit dieser bis zum 30. April 2010 befristeten Verordnung regelt die Beklagte, dass näher bezeichnete Rechtsnormen des Tarifvertrages über Mindestlöhne für den Bereich Briefdienstleistungen, der zwischen dem im August 2007 gegründeten Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di abgeschlossen wurde, auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anwendbar sind, die unter seinen Geltungsbereich fallen. Danach beträgt der Bruttomindestlohn mit Wirkung vom 1. Dezember 2007 für Briefzusteller unabhängig vom zeitlichen und/oder mengenmäßigen Anteil an der Gesamttätigkeit je nach Bundesland 9,00 € bzw. 9,80 € und für die übrigen Arbeitnehmer der Branche 8,00 € bzw. 8,40 €.
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Am 11. September 2007 beantragten der Arbeitgeberverband Postdienste e.V., dem die Deutsche Post AG angehört, und die Gewerkschaft ver.di beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Aufnahme der Branche Postdienstleistungen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und zugleich die Allgemeinverbindlicherklärung eines an diesem Tag geschlossenen Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne in der Branche Postdienste. Er sollte für alle Betriebe gelten, die gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, unabhängig vom Anteil dieser Tätigkeit an der Gesamttätigkeit des Betriebes. Ein Verfahren nach § 5 TVG wurde nicht betrieben. Das Bundesministerium leitete ein Verfahren zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a Arbeitnehmer-Entsendegesetz ein. Im Bundesanzeiger vom 8. November 2007 wurden der Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages für die Branche Postdienste und der Entwurf einer Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Briefdienstleistungen bekannt gemacht, verbunden mit der Gewährung einer Frist zur schriftlichen Stellungnahme von drei Wochen. Im gleichzeitig durchgeführten Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes war insbesondere die Reichweite des einzubeziehenden Bereichs umstritten.
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Nach einer Änderung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 durch Protokollnotizen Anfang November 2007 hoben die Tarifvertragsparteien ihren Tarifvertrag am 29. November 2007 unter Ausschluss von Nachwirkungen auf und schlossen am selben Tag den nunmehr von der Verordnung erfassten Tarifvertrag. Zugleich beantragten sie beim Bundesminister für Arbeit und Soziales die Allgemeinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages. Den daraufhin angepassten Verordnungsentwurf leitete das Bundesministerium nur denjenigen, die sich auf die Bekanntmachung vom 8. November 2007 geäußert hatten, mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 7. Dezember 2007 zu. Eine neue Bekanntmachung hielt es für unnötig.
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Die beigeladene, im Oktober 2007 gegründete Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste schloss am 11. Dezember 2007 mit dem Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e.V. einen Tarifvertrag für das Bundesgebiet. Er betrifft Unternehmen, die Mehrwertbriefdienstleistungen anbieten, die von der Universaldienstleistung trennbar sind, besondere Leistungsmerkmale aufweisen und qualitativ höherwertig sind. Nach § 3 des Tarifvertrages beträgt der Bruttomindestlohn für Mehrwertbriefdienstleistungen mit Wirkung vom 1. Januar 2008 je nach Bundesland 6,50 € oder 7,50 €. Weiter schloss die Beigeladene am 12. Dezember 2007 mit dem Kläger zu 2 einen Tarifvertrag für alle tarifgebundenen Betriebe, die als wesentliche betriebliche Tätigkeit näher definierte Postdienstleistungen, insbesondere die gewerbsmäßige Beförderung von adressierten schriftlichen Mitteilungen bis zu 2 kg zwischen Absender und Empfänger, erbringen. Er gilt deutschlandweit. Der ab dem 1. Januar 2008 vereinbarte Bruttomindestlohn liegt ebenfalls unter den in der streitigen Verordnung bestimmten Beträgen.
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Am 14. Dezember 2007 beantragten der Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e.V. und die Beigeladene beim Bundesministerium den von ihnen geschlossenen Tarifvertrag zur Regelung von Mindestarbeitsbedingungen für Mehrwertbriefdienstleistungen vom 11. Dezember 2007 für allgemeinverbindlich zu erklären.
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Am 14. Dezember 2007 beschloss der Bundestag das am 28. Dezember 2007 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes. Dessen Art. 1 fügte in § 1 Abs. 1 Satz 4 dieses Gesetzes die Wörter "und für Tarifverträge für Briefdienstleistungen, wenn der Betrieb oder die selbstständige Betriebsabteilung überwiegend gewerbs- und geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördert" ein.
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Am 19. Dezember 2007 stimmte die Bundesregierung unter der Bedingung des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes dem Erlass der streitigen Verordnung zu.
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Am 28. Dezember 2007 unterzeichnete der Bundesminister für Arbeit und Soziales die Verordnung, die am Tag darauf im Bundesanzeiger bekannt gemacht wurde.
- 9
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Im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht machten die Kläger u.a. geltend, die Verordnung verletze ihre Rechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Sie sei formell rechtswidrig, weil die nach § 1 Abs. 3a Satz 2 Arbeitnehmer-Entsendegesetz in der seinerzeit geltenden Fassung - AEntG a.F. - gebotene Beteiligung der Betroffenen fehlerhaft verlaufen sei. Die Verordnung sei außerdem materiell rechtswidrig. Sie sei nicht von ihrer Ermächtigungsgrundlage gedeckt, die nur eine Erstreckung eines Tarifvertrages auf nicht anderweitig Tarifgebundene ermögliche und eine Entsendeproblematik voraussetze. Der Verordnungsgeber missbrauche seine Verordnungsmacht zu wettbewerblichen Zwecken.
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Das Verwaltungsgericht hat auf den Antrag der Kläger festgestellt, die Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 28. Dezember 2007 über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen verletze den Kläger zu 2 in seinem Recht aus Art. 9 Abs. 3 GG sowie die übrigen Klägerinnen in ihren Rechten aus Art. 9 Abs. 3 und Art. 12 Abs. 1 GG.
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Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat die Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Die Klagen seien bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Es fehle an einem konkreten Rechtsverhältnis. Der Kläger zu 2 sei als Arbeitgeberverband nicht einmal Normadressat der Verordnung. Diese begründe zwar für die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 unmittelbar Pflichten, aber nicht für die Beklagte. Die Rechtsverordnung sei überdies rechtmäßig. Insbesondere sei sie von der Ermächtigung im Arbeitnehmer-Entsendegesetz gedeckt. Die darin verwendete Formulierung, es könne bestimmt werden, dass die Rechtsnormen des Tarifvertrages auf "nicht tarifgebundene" Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung fänden, sei bei einem weiten Verständnis, wonach auch anderweitig tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer von der Rechtsverordnung erfasst würden, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dieses Verständnis habe die Beklagte bisher allen Mindestlohnverordnungen zugrunde gelegt.
- 12
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Das Oberverwaltungsgericht hat im Berufungsverfahren das Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise geändert und die Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 abgewiesen. Im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten - hinsichtlich des Klägers zu 2 - zurückgewiesen. Hinsichtlich der Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 seien die Sachurteilsvoraussetzungen einer Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO nicht erfüllt. Zwar seien die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 kraft Verordnung unmittelbar verpflichtet, ihren Arbeitnehmern den im Tarifvertrag vom 29. November 2007 bestimmten Mindestlohn zu gewähren. Zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten begründe dies jedoch kein konkretes Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Der Zulässigkeit stehe zudem die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) entgegen, die rechtswegübergreifend zu verstehen sei. Die Rechtmäßigkeit der Verordnung könne inzident im arbeitsgerichtlichen Verfahren geklärt werden. Die Feststellungsklage des Klägers zu 2 sei dagegen zulässig. Zwar begründe die Rechtsverordnung für ihn keine unmittelbaren Pflichten. Sie betreffe ihn aber in seinen satzungsmäßigen Aufgaben als Arbeitgeberverband, zu denen auch der Abschluss von Tarifverträgen gehöre. Dem Kläger zu 2 werde durch die Rechtsverordnung die Möglichkeit genommen, im Geltungsbereich des Tarifvertrages für seine Mitglieder abweichende Tarifverträge abzuschließen. Damit werde der Kläger zu 2 in seiner grundrechtlich geschützten Betätigungsfreiheit als Arbeitgeberkoalition eingeschränkt. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG schütze auch die Koalition selbst in ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen. Die Klage des Klägers zu 2 sei auch begründet. Der Erlass der Verordnung verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG. Überdies verstoße die Verordnung gegen den Gesetzesvorbehalt gemäß Art. 80 Abs. 1 GG, weil die in der Verordnung zitierte gesetzliche Ermächtigung in § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG es nur zulasse, dass alle unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallenden und nicht bereits anderweitig tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer von deren Geltungserstreckung erfasst würden. Die Verordnung greife auch deshalb unzulässig in verfassungsmäßige Rechte des Klägers zu 2 ein, weil die Beklagte bei ihrem Erlass die in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG geregelten Beteiligungsrechte missachtet haben. Die Anfang November eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme durch die erfolgte Veröffentlichung im Bundesanzeiger habe den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt. Die Aufhebung des alten und der Abschluss eines neuen Tarifvertrages hätten die Einleitung eines neuen Verfahrens mit erneuter Beteiligung erforderlich gemacht.
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Gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts haben die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und die Beklagte die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt.
- 14
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Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 rügen, dass das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht von der Unzulässigkeit ihrer Klage ausgegangen sei. In Übereinstimmung mit dem Kläger zu 2 machen sie geltend, die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28. Dezember 2007 sei formell und materiell rechtswidrig und verletze sie in ihren Grundrechtspositionen.
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Die Klägerin zu 1 beantragt,
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das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufzuheben, soweit es die Klage der Klägerin und Berufungsbeklagten zu 1 abgewiesen hat, und die Berufung der Beklagten auch insoweit zurückzuweisen.
- 16
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Die Klägerinnen zu 3 und 4 beantragen,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 abzuändern, soweit es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, und die Klage des Klägers zu 2 abzuweisen und die Revisionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zurückzuweisen.
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Der Kläger zu 2 beantragt,
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die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
- 19
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Die Beklagte hält die Klagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 für unzulässig und die Klage des Klägers zu 2 für unbegründet. Zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten bestehe kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, weil die streitige Verordnung vom 28. Dezember 2007 die Rechtsbeziehungen zwischen Normgeber und Normadressaten nicht unmittelbar gestalte. Dessen ungeachtet sei eine Feststellungsklage auch subsidiär. Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 hätten die Möglichkeit, die Verordnung vom 28. Dezember 2007 in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht oder, soweit Überwachungs- und Sanktionsmaßnahmen in Betracht kämen, vor dem Finanzgericht inzident überprüfen zu lassen.
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Die Klage des Klägers zu 2 sei unbegründet. Die Verordnung vom 28. Dezember 2007 sei formell und materiell rechtmäßig, insbesondere sei die Einholung einer erneuten Stellungnahme der von der Verordnung betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach Änderung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 nicht mehr erforderlich gewesen.
Entscheidungsgründe
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Die Revisionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 haben Erfolg. Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts beruht auf einer Verletzung von § 43 VwGO, in dem es zu Unrecht annimmt, die Feststellungsklagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 seien mangels eines feststellbaren Rechtsverhältnisses zwischen Normgeber und Normadressat und wegen der Subsidiarität der Feststellungsklagen unzulässig (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Die Entscheidung stellt sich auch nicht im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Deshalb führen die Revisionen insoweit zur Aufhebung des Urteils (1.). Die Revision der Beklagten erweist sich nicht als begründet. Das Oberverwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Feststellungsklage des Klägers zu 2 zulässig ist (2.). Auch seine Annahme, der Kläger zu 2 sei wegen Missachtung des in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. vorgeschriebenen Beteiligungsverfahrens in seinen Rechten verletzt, ist frei von Rechtsfehlern. Die Missachtung des Beteiligungsverfahrens verletzt in gleicher Weise auch die Rechte der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 (3.).
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1. Die Feststellungsklagen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 sind zulässig.
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Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (Urteile vom 23. Januar 1992 - BVerwG 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327 <329 f.> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 30 S. 87 f., vom 26. Januar 1996 - BVerwG 8 C 19.94 - BVerwGE 100, 262 <264> = Buchholz 454.9 MietpreisR Nr. 15 S. 2 f. und vom 20. November 2003 - BVerwG 3 C 44.02 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 37). Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h. es muss "in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig" sein (Urteile vom 13. Oktober 1971 - BVerwG 6 C 57.66 - BVerwGE 38, 346 m.w.N. = Buchholz 232 § 123 BBG Nr. 8 und vom 30. Mai 1985 - BVerwG 3 C 53.84 - BVerwGE 71, 318 = Buchholz 418.32 AMG Nr. 13; Beschluss vom 12. November 1987 - BVerwG 3 B 20.87 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 97). Unabhängig von der Frage der Konkretisierung des Rechtsverhältnisses setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis voraus, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt (Urteil vom 23. Januar 1992 a.a.O. S. 330 bzw. S. 88). Daran fehlt es, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden. Auch bloße Vorfragen oder unselbstständige Elemente eines Rechtsverhältnisses können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Darauf beschränkt sich das Klagebegehren bei sinngemäßer Auslegung nach § 88 VwGO jedoch nicht.
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aa) Der Antrag der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 festzustellen, dass die Rechtsverordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28. Dezember 2007 über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten (Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt, richtet sich nicht auf die Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Norm, so dass § 47 VwGO gegenüber dem Rechtsschutzbegehren der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 keine Sperrwirkung entfaltet. Dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes kann nicht entnommen werden, dass außerhalb des § 47 VwGO die Überprüfung von Rechtsetzungsakten ausgeschlossen sein soll. Es gehört zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die Gültigkeit einer Rechtsnorm, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, zu überprüfen, sofern es für den Ausgang des Rechtsstreits hierauf ankommt (Urteil vom 3. November 1988 - BVerwG 7 C 115.86 - BVerwGE 80, 355 <363> = Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 238). Von einer "Umgehung" des § 47 VwGO kann nur dann die Rede sein, wenn mit einem auf eine andere Klageart gestützten Rechtsschutzbegehren lediglich die Klärung der Gültigkeit einer Rechtsnorm oder einer abstrakten Rechtsfrage aufgrund eines nur erdachten oder eines ungewissen künftigen Sachverhalts erreicht werden soll; in einem solchen Fall würde der Rechtsstreit nicht der Durchsetzung von konkreten Rechten der Beteiligten, sondern dazu dienen, Rechtsfragen gleichsam um ihrer selbst willen theoretisch zu lösen (Urteil vom 9. Dezember 1982 - BVerwG 5 C 103.81 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 78). Anders liegt es dagegen, wenn - wie vorliegend - die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, in der Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt streitig ist, so dass die Rechtmäßigkeit der Norm als - wenn auch streitentscheidende - Vorfrage aufgeworfen wird (Urteile vom 9. Dezember 1982 - BVerwG 5 C 103.81 - a.a.O. und vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <278> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 1; so auch BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 - 1 BvR 541/02 u.a. - BVerfGE 115, 81 <95 f.>). Mit dem Feststellungsbegehren werden subjektive Rechtspositionen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 geltend gemacht, um Einschränkungen der tarifautonomen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes abzuwehren.
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bb) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts besteht zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und der Beklagten ein feststellungsfähiges konkretes streitiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Es ergibt sich aus der Anwendung der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 3a AEntG in der Fassung vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3140) und der den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 verbürgten Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG. Streitig ist, ob der zuständige Minister der Beklagten formell- und materiellrechtlich gegenüber den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 befugt war, auf der Grundlage des § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG in der Fassung vom 21. Dezember 2007 (a.F.) die streitige Rechtsverordnung zu erlassen, und ob die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 nach wie vor berechtigt sind, ihre Arbeitnehmer zu niedrigeren Löhnen zu beschäftigen, als es den im Verordnungsweg erstreckten Mindestlohnregelungen entspricht. Das Vorbringen der Klägerinnen zu 1, 3 und 4, wegen eingegangener anderweitiger Tarifbindung würden sie von der Erstreckungsregelung in der Rechtsverordnung nicht erfasst, lässt sich als ein Geltendmachen des "Nichtbestehens" eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO deuten.
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Ein im Verhältnis zur Beklagten feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil das Recht der Klägerinnen zu 1, 3 und 4, die Zahlung des Mindestlohns zu verweigern, nicht gegenüber der Beklagten, sondern nur gegenüber ihren Arbeitnehmern bestünde. Das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zwischen den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 und ihren Arbeitnehmern schließt das gleichzeitige Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Beklagten als Verordnungsgeberin nicht aus. Beide Rechtsverhältnisse sind von einander abzugrenzen, weil sie auf der Anwendung unterschiedlicher Rechtsnormen beruhen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zu ihren Arbeitnehmern richtet sich nach den arbeitsvertraglichen Regelungen des Privatrechts sowie - bei wirksamer Erstreckung - der tariflichen Mindestlohnvereinbarung. Das streitige Rechtsverhältnis der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Beklagten beurteilt sich hingegen nach § 1 Abs. 3a Satz 1 und 2 AEntG a.F. und den Grundrechtspositionen, in deren Schutzbereich die tarif- oder privatautonome Vereinbarung von Arbeitsentgelten fällt. Wegen des von den Klägerinnen zu 3 und 4 zwischenzeitlich abgeschlossenen Mantel-/Haustarifvertrages vom 23. April 2008 und der Bindung der Klägerin zu 1, die Mitglied im Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste ist, an den Tarifvertrag vom 11. Dezember 2007 kommt eine Verletzung ihrer positiven, ihnen als Arbeitgebern zustehenden Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG in Betracht. Jedenfalls ist ihre Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berührt, weil die Erstreckung von Mindestlohntarifregelungen das Recht des Arbeitgebers einschränkt, die Arbeitsbedingungen privatautonom zu gestalten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Dezember 2004 - 1 BvR 2283/03, 2504/03 und 2582/03 - NZA 2005, 153 <155>).
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cc) Die Annahme eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses scheitert vorliegend auch nicht daran, dass eine Feststellungsklage des Normadressaten unmittelbar gegen den Normgeber im Regelfall ausscheidet. Da nach Art. 30 GG die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder ist und Art. 83 GG ebenso grundsätzlich bestimmt, dass die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführen, d.h. sie verwaltungsmäßig umsetzen, eröffnet sich im Regelfall ein Rechtsverhältnis zwischen Normadressaten und Normanwender, nicht hingegen zwischen Normadressaten und Normgeber, weil Letzterer an der Umsetzung der Norm gegenüber dem Adressaten nicht beteiligt ist (Urteil vom 23. August 2007 - BVerwG 7 C 2.07 - BVerwGE 129, 199 <204> = Buchholz 451.221 § 24 KrW-/AbfG Nr. 5). Das schließt jedoch nicht aus, über den Ausnahmefall der zulässigen Normerlassklagen hinaus - wenn etwa das Recht des Betroffenen auf Gleichbehandlung den Erlass oder die Änderung einer Rechtsnorm gebietet (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 a.a.O.; BVerwG, Urteile vom 4. Juli 2002 - BVerwG 2 C 13.01 - Buchholz 240 § 49 BBesG Nr. 2 und vom 7. September 1989 - BVerwG 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 93) - eine Feststellungsklage gegen den Normgeber auch für zulässig zu halten, wenn mangels administrativen Vollzugs kein konkretes Rechtsverhältnis zwischen Normanwender und Normadressat begründet, die Rechtsbeeinträchtigung bereits unmittelbar durch die Norm bewirkt wird und effektiver Rechtsschutz nur im Rechtsverhältnis zwischen Normgeber und Normadressat gewährt werden kann.
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Dass eine Norm "self-excuting" ist, d.h. dass sich aus ihr unmittelbar Rechte und Pflichten ergeben, begründet jedoch noch kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zum Normgeber, soweit dort noch Verwaltungsvollzug möglich ist (vgl. Urteil vom 23. August 2007 a.a.O. S. 205). Auch bei solchen Normen können sich normbetroffene Personen und eine die Norm vollziehende Behörde gegenüberstehen, die die Regelungen konkretisiert oder individualisiert und Anordnungen für den Einzelfall aufgrund gesetzlicher Befugnisse trifft. In solchen Fällen muss die Feststellung eines konkreten streitigen Rechtsverhältnisses zwischen Normadressat und Normanwender geklärt werden und nicht eine Rechtsbeziehung zum Normgeber.
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Eine Feststellungsklage gegen den Normgeber kommt mithin nur dann in Betracht, wenn die Rechtsverordnung unmittelbar Rechte und Pflichten der Betroffenen begründet, ohne dass eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Verwaltungsvollzug vorgesehen oder möglich ist (vgl. etwa Urteil vom 1. März 1967 - BVerwG 4 C 74.66 - BVerwGE 26, 251 <253> = Buchholz 445.4 § 23 WHG Nr. 2; Beschluss vom 19. Dezember 2002 - BVerwG 7 VR 1.02 - Buchholz 451.221 § 24 KrW-/AbfG Nr. 2; Urteile vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <279> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 1, vom 26. November 2003 - BVerwG 9 C 6.02 - BVerwGE 119, 245 <249> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 2 und vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <155 f.> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3). Das ist hier der Fall. Aus der Erstreckung tarifvertraglicher Regelungen durch § 1 BriefArbbV ergeben sich unmittelbar Pflichten der von ihrem Anwendungsbereich erfassten Arbeitgeber. Eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Maßnahmen des Verwaltungsvollzugs ist nicht vorgesehen.
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Nach dem Wortlaut des § 1 BriefArbbV führt die Erstreckung der Rechtsnormen des zwischen dem Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrages vom 29. November 2007 dazu, dass dessen Regelungen auf alle nicht bereits an den Tarifvertrag gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anzuwenden sind. Sie gelten damit kraft Tariferstreckung durch Rechtsverordnung, indem sie die betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den persönlichen Geltungsbereich des erstreckten Tarifvertrages einbeziehen. Die Betroffenen unterliegen damit der Bindung an die Regelungen des Tarifvertrages ebenso wie die Tarifvertragsparteien. Nach § 4 Abs. 1 TVG verdrängen tarifvertragliche Regelungen in ihrem Geltungsbereich grundsätzlich entgegenstehende arbeitsvertragliche Abreden, ohne dass es dazu einer Umsetzung oder anderer Maßnahmen bedarf (Löwisch/Rieble, TVG, 2. Aufl. 2004, § 4 Rn. 21). Bei einer Erstreckung des Anwendungsbereichs tarifvertraglicher Regelungen nach § 1 Abs. 3a AEntG tritt die unmittelbare Gestaltungswirkung jedenfalls bei Arbeitsverhältnissen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein, die bisher keiner Tarifbindung unterlagen. Auch bei Arbeitsverhältnissen, auf die unterschiedliche tarifvertragliche Regelungen Anwendung finden können, ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon auszugehen, dass die Rechtsverordnung eine Verpflichtung der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 zur Zahlung des Mindestlohns begründet. Auch die Beklagte geht davon aus, dass durch die unmittelbare Gestaltungswirkung der Rechtsverordnung eine anderweitige Tarifbindung verdrängt wird.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Fälle der Tarifkonkurrenz, d.h. der Bindung beider Arbeitsvertragsparteien an konkurrierende Tarifverträge, grundsätzlich nach den Regeln der sog. Tarifspezialität zu lösen. Zur Anwendung kommt der speziellere Tarifvertrag, der dem betreffenden Betrieb räumlich, fachlich und persönlich am nächsten steht. Das gilt auch bei einer Tarifkonkurrenz zwischen einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag nach § 5 TVG und einem nicht für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag und für die Fälle der Tarifpluralität, also der Bindung eines Arbeitgebers an mehrere Tarifverträge (BAG, Urteil vom 4. Dezember 2002 - 10 AZR 113/02 - AP Nr. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; a.A. LAG Frankfurt/Main, Urteil vom 14. Juli 2003 - 16 Sa 530/02 - DB 2004, 1786). Der Vorrang des spezielleren Tarifvertrages gilt allerdings dann nicht, wenn der speziellere Tarifvertrag ohne Tarifbindung des Arbeitgebers lediglich einzelvertraglich vereinbart worden ist (BAG, Urteile vom 22. September 1993 - 10 AZR 207/92 - AP Nr. 21 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz und vom 4. Dezember 2002 a.a.O.).
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Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 und 3 AEntG a.F. werden Tarifkonkurrenzen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch nach dem Günstigkeitsprinzip gelöst. Die für den Arbeitnehmer günstigere Regelung verdrängt die ungünstigere, unabhängig davon, ob der betreffende Tarifvertrag aufgrund vertraglicher Bindung nach § 3 TVG oder aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung anzuwenden ist (BAG, Urteile vom 20. Juli 2004 - 9 ARZ 343/03 - BAGE 111, 247 und vom 18. Oktober 2006 - 10 AZR 576/05 - BAGE 120, 1). Wird die Tarifkonkurrenz auch bei einer Erstreckung tariflicher Mindestarbeitsbedingungen durch Rechtsverordnung nach dem Günstigkeitsprinzip aufgelöst, ergibt sich für alle Arbeitgeber, die nicht bereits aufgrund anderweitiger Tarifbindung zur Zahlung des Mindestlohnes verpflichtet sind, diese Pflicht aus der unmittelbaren Einbeziehung in den Geltungsbereich des erstreckten Tarifvertrages.
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Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sieht wegen der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der durch die Rechtsverordnung erstreckten Tarifnormen keine Umsetzungs- bzw. Vollzugsakte vor, sondern beschränkt sich darauf, Verstöße mit Sanktionen zu bewehren (vgl. § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 4 AEntG a.F. i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 1 OWiG zur Zuständigkeit der Bundesbehörden; § 5 Abs. 1 und 2 AEntG a.F.). Eine Verfolgung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit ist jedoch nicht geeignet, zwischen den Klägerinnen und der Beklagten ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO zu begründen. Ein solches Rechtsverhältnis besteht ausschließlich zur Beklagten als Normgeberin, die die Pflichtenregelung durch die Bekanntgabe im Bundesanzeiger ausgelöst hat und die sie wieder aufheben könnte (Beschluss vom 19. Dezember 2002 a.a.O.).
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Diese Annahme steht nicht im Widerspruch zur nicht entscheidungstragenden Erwägung im Urteil des 7. Senats vom 23. August 2007 (a.a.O.), dass es über den Ausnahmefall der zulässigen Normerlassklagen hinausgehend keiner weiteren "atypischen Feststellungsklagen" gegen den Normgeber bedürfe. Diese Formulierung ist nicht dahingehend zu verstehen, dass ein konkretes Rechtsverhältnis zum Normgeber in allen anderen Fällen begrifflich ausgeschlossen wäre, sondern erklärt sich daraus, dass regelmäßig, wie im seinerzeit zu entscheidenden Fall, die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Norm im Rahmen der gegen die Vollzugsbehörde gerichteten Feststellungsklage als inzident zu prüfende Vorfrage geklärt werden kann. So wurde damals die Zulässigkeit einer Feststellungsklage gegen den Normgeber mit Blick auf die Befugnis in § 21 KrW-/AbfG zum Vollzug der Verpackungsverordnung verneint. Mit der Frage, ob bei Fehlen des Verwaltungsvollzugs eine Feststellungsklage gegen den Normgeber in Betracht kommt, setzt sich die Entscheidung des 7. Senats nicht auseinander.
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Für die Annahme eines streitigen Rechtsverhältnisses genügt es, dass die Möglichkeit der Verdrängung einer anderweitigen Tarifbindung der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 durch eine unmittelbare Gestaltungswirkung der Rechtsverordnung besteht, deren Beachtung von der Beklagten eingefordert wird. Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der Feststellungsklage muss weder abschließend geklärt werden, ob bei einer Tariferstreckung nach § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG a.F. das Günstigkeitsprinzip anzuwenden ist, noch, ob sich die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 unter Hinweis auf den Grundsatz der Spezialität auf einen betriebsnäheren Tarifvertrag berufen können, der ihre Verpflichtung zur Zahlung eines erstreckten Mindestlohnes entfallen lässt. Fragen zur Wirksamkeit der von den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 abgeschlossenen Tarifverträge sind daher ebenfalls unerheblich.
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b) Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 haben auch ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung. Das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, insbesondere auch wirtschaftlicher oder ideeller Art ein. Unabhängig von den Sanktionen, die den Klägerinnen zu 1, 3 und 4 drohen, falls sie den festgesetzten Bruttomindestlohn ihren Arbeitnehmern nicht bezahlen, ergibt sich ein wirtschaftliches Interesse der Klägerinnen zu 1, 3 und 4 schon daraus, dass sie wegen der finanziellen Belastung möglichst frühzeitig wissen wollen, ob sie verpflichtet sind, den festgesetzten Bruttomindestlohn zu zahlen. Die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 können daneben auch geltend machen, dass sie durch die Erstreckungswirkung in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sind. Eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG und/oder von Art. 9 Abs. 3 GG ist jedenfalls möglich.
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c) Zu Unrecht hat das Oberverwaltungsgericht eine Subsidiarität der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 VwGO bejaht und angenommen, eine mögliche Klärung des Rechtsstreits sei in einem arbeitsgerichtlichen Prozess aus prozessökonomischen Gründen vorrangig.
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Wegen des fehlenden Verwaltungsvollzugs können die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 keinen Rechtsschutz durch eine verwaltungsgerichtliche Gestaltungsklage im Wege der Anfechtung erlangen. Auch eine verwaltungsgerichtliche Leistungsklage scheidet aus.
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Eine Subsidiarität gegenüber Rechtsbehelfen zu den Arbeits- oder Finanzgerichten ist nicht gegeben. Ebenso wenig können die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 darauf verwiesen werden, vorrangig in einem Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz eine Klärung der aufgeworfenen Fragen herbeizuführen. Das Berufungsgericht wird im angegriffenen Urteil der Zielsetzung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht gerecht. Diese Vorschrift will unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung eine andere sachnähere und wirksamere Klageart zur Verfügung steht (Urteil vom 7. September 1989 - BVerwG 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 93). Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie auf ein einziges Verfahren, nämlich dasjenige, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden (Urteil vom 25. April 1996 - BVerwG 3 C 8.95 - Buchholz 418.61 Tierkörperbeseitigungsgesetz Nr. 12). Wegen der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Rechtswege gilt diese Zielsetzung "rechtswegübergreifend", d.h. etwa auch dann, wenn die mit der Feststellungsklage konkurrierende Klage vor dem Zivilgericht zu erheben ist (Urteile vom 18. Oktober 1985 - BVerwG 4 C 21.80 - Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 28 = BVerwGE 72, 172 und vom 12. Juli 2000 - BVerwG 7 C 3.00 - BVerwGE 111, 306 <308 f.> = Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 133). Eine Subsidiarität ist jedoch zu verneinen, wenn die Feststellungsklage - wie hier - effektiveren Rechtsschutz bietet (Urteil vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <156> = Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3).
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Die Feststellungsklage ist nicht subsidiär gegenüber der Möglichkeit, sich gegen Leistungsklagen der Arbeitnehmer auf Lohnzahlung vor den Arbeitsgerichten zu wehren und in diesen Verfahren eine inzidente Kontrolle der BriefArbbV herbeizuführen. Zum einen legt der Wortlaut des § 43 Abs. 2 VwGO nahe, dass die Subsidiarität die Möglichkeit anderweitiger aktiver Geltendmachung eigener Rechte, und nicht nur eine Verteidigungsmöglichkeit oder eine mögliche Beteiligung als Dritter voraussetzt. Im Übrigen würde die Stellung als Beklagte im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 nicht davor schützen, von der zuständigen Behörde vor Ergehen eines rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts über die Lohnklage mit Sanktionen wegen der Nichtgewährung des Mindestlohns belangt zu werden.
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Es ist für die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 auch nicht zumutbar, über ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eine gerichtliche Klärung zu erreichen (Urteil vom 13. Januar 1969 - BVerwG 1 C 86.64 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 31 = BVerwGE 31, 177). § 5 Abs. 3 AEntG a.F. erlaubt eine Ahndung mit bis zu 500 000 €. Dass die Beklagte ihre Behörden angewiesen hat, während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Sanktionen zu verhängen und sich auf Ermittlungen zu beschränken, bedeutet keinen Verzicht, sondern nur einen zeitlichen Aufschub. Da die Klägerinnen zu 1, 3 und 4 Klarheit haben wollen, ob sie verpflichtet sind, allen bei ihnen beschäftigten Mitarbeitern den Bruttomindestlohn zu zahlen, geht es ihnen auch nicht lediglich darum, vorbeugenden Rechtsschutz gegenüber etwaigen späteren Bußgeldverfahren zu erlangen (Urteile vom 7. Mai 1987 - BVerwG 3 C 53.85 - BVerwGE 77, 207 <213> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 16 und vom 23. Januar 1992 - BVerwG 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327 <331> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 30).
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Soweit nach § 23 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung vom 23. Juli 2004 (BGBl I S. 1842), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. April 2009 (BGBl I S. 818), der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet ist, handelt es sich um Rechtsbehelfe gegen Prüfungs- und Ermittlungsmaßnahmen sowie gegen datenschutzrechtlich relevantes Handeln der Finanzbehörden im Zuge der Verfolgung von Verstößen gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Unterlassungsklagen dagegen stellen keinen effektiven Rechtsschutz hinsichtlich der Klärung der geltend gemachten Rechtsverletzungen durch die Verordnung dar, der einer Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO vorgeht.
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2. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Klage des Klägers zu 2 im Ergebnis zu Recht bejaht.
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a) Auch zwischen dem Kläger zu 2 und der Beklagten besteht ein konkretes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Gegenstand des Streits zwischen diesen Beteiligten ist die Anwendung des § 1 Abs. 3a AEntG und der darauf gestützten BriefArbbV auf einen konkreten Sachverhalt, nämlich die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Betätigung des Klägers zu 2 als Arbeitgeberverband (Koalition). Streitig ist, ob § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG zur Tariferstreckung gegenüber anderweitig tarifgebundenen Arbeitgebern ermächtigt mit der Folge, dass vom Kläger zu 2 wirksam abgeschlossene oder noch abzuschließende Tarifverträge bei Anwendung des Günstigkeitsprinzips verdrängt würden, und ob dem Kläger zu 2 wegen eines mittelbaren Eingriffs in sein Recht auf koalitionsgemäße Betätigung aus Art. 9 Abs. 3 GG ein Abwehrrecht gegen die Geltungserstreckung tariflicher Mindestlohnregelungen nach § 1 BriefArbbV zusteht, obwohl die Verordnung nur für seine Mitglieder, und nicht für ihn selbst unmittelbar Rechte und Pflichten begründet.
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Für das Vorliegen eines im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO streitigen konkreten Rechtsverhältnisses ist es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht erforderlich, abschließend zu klären, ob die zwischen den Beteiligten streitige Befugnis zum Erlass der Verordnung und das geltend gemachte Abwehrrecht tatsächlich bestehen.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses zwischen ihr und dem Kläger zu 2 weder voraus, dass die umstrittene Verordnung den Arbeitgeberverband unmittelbar verpflichtet, noch, dass sie ihm den Abschluss den Mindestlohn unterschreitender Tarifverträge verbietet. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit kann auch mittelbaren Beeinträchtigungen der koalitionsgemäßen Betätigung entgegengehalten werden.
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Art. 9 Abs. 3 GG schützt die Koalition selbst in ihrem Bestand, in ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen (BVerfG, Urteil vom 1. März 1979 - 1 BvR 532/77 u.a. - BVerfGE 50, 290 <373 f.>; Beschlüsse vom 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212 <224>, vom 27. April 1999 - 1 BvR 2203/93, 1 BvR 897/95 - BVerfGE 100, 271 <282> und vom 3. April 2001 - 1 BvL 32/97 - BVerfGE 103, 293 <304>). Der Schutz ist nicht von vornherein auf einen Kernbereich koalitionsmäßiger Betätigungen beschränkt. Er erstreckt sich vielmehr auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (Beschluss vom 27. April 1999 a.a.O. m.w.N.) und umfasst insbesondere auch die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht. Das Aushandeln von Tarifverträgen ist ein wesentlicher Zweck der Koalitionen (BVerfG, Beschluss vom 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - BVerfGE 94, 268 <283> m.w.N.). Zu den der Regelungsbefugnis der Koalitionen überlassenen Materien gehören insbesondere das Arbeitsentgelt und die anderen materiellen Arbeitsbedingungen (BVerfG, Beschlüsse vom 24. April 1996 a.a.O., vom 14. November 1995 - 1 BvR 601/92 - BVerfGE 93, 353 <358> und vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - NJW 2007, 51 <53>). Die Wahl der Mittel, die die Koalitionen zur Erfüllung ihrer Aufgaben für geeignet halten, bleiben unter dem Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich ihnen überlassen (BVerfG, Beschluss vom 28. April 1976 - 1 BvR 71/73 - BVerfGE 42, 133 <138>; Urteil vom 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 u.a. - BVerfGE 92, 365 <393>). Allerdings schützt Art. 9 Abs. 3 GG einen Arbeitgeberverband nicht gegen ein tarifpolitisches Konkurrenzverhältnis, selbst wenn dieses den Verlust von Verbandsmitgliedern zur Folge haben kann (Beschlüsse vom 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - BVerfGE 44, 322 <352> m.w.N. und vom 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79 - BVerfGE 55, 7 <24>). Die Koalitionsfreiheit schützt aber vor staatlicher Einflussnahme auf das Konkurrenzverhältnis.
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Solche für den Kläger zu 2 als Arbeitgeberverband nachteiligen mittelbaren Beeinträchtigungen seiner Koalitionsfreiheit ergeben sich bei Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips aus der Verdrängungswirkung der erstreckten tariflichen Mindestlohnvereinbarung gegenüber den Mindestlohn unterbietenden, bereits abgeschlossenen oder noch abzuschließenden Tarifverträgen im selben Geltungsbereich. Auf die Frage, ob der vom Kläger zu 2 bereits abgeschlossene Tarifvertrag wirksam ist, und auf die in diesem Zusammenhang erhobenen, arbeitsgerichtlich noch nicht rechtskräftig geklärten Bedenken gegen die Tariffähigkeit und Gegnerfreiheit der Beigeladenen kommt es für die Geltendmachung einer mittelbaren Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit nicht an. Auch wenn die Verdrängungswirkung sich noch nicht aktualisiert haben sollte, verschlechtert sie bereits jetzt die Verhandlungsposition der Arbeitgeberverbände, die nicht am Abschluss des erstreckten Tarifvertrages beteiligt waren. Die Erstreckung der Geltung tariflich vereinbarter Mindestarbeitsbedingungen auf anderweitig Tarifgebundene beeinträchtigt die Verhandlungs- und Wettbewerbsposition der nicht am Tarifvertragsschluss beteiligten Koalitionen jedenfalls insoweit, als sie mit einer Verdrängung ihrer - auch künftigen - Tarifabreden rechnen müssen. Aufgrund der durch die Rechtsverordnung erfolgten Erstreckung des Tarifvertrages vom 29. November 2007 kann der Kläger zu 2 seine durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten tarif- und sozialpolitischen Zielvorstellungen beim angestrebten Abschluss anderweitiger Tarifverträge mit von der Allgemeinverbindlicherklärung abweichendem Inhalt nur noch im beschränkten Maße verwirklichen. Seine koalitionsspezifische Verhandlungsposition wird durch den Erlass der Rechtsverordnung damit beeinträchtigt. Für ihn verschlechtern sich die Möglichkeiten, unbehindert von den Rechtswirkungen der Tariferstreckung mit Arbeitnehmerkoalitionen Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen, die seinen tarif- und sozialpolitischen Vorstellungen und denjenigen seiner Mitgliedsunternehmen entsprechen.
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Die Beeinträchtigung seiner Koalitionsfreiheit kann im Einzelfall durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt sein, ist aber jedenfalls rechtfertigungsbedürftig. Das reicht für das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO aus.
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Dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2000 - 1 BvR 948/00 - (GewArch 2000, 381 f.) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Denn weder er selbst noch die darin in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts verhalten sich zur Frage, ob in einer Erstreckung tarifvertraglicher Normen auf einen Arbeitgeberverband eine rechtfertigungsbedürftige mittelbare Beeinträchtigung seiner Koalitionsfreiheit liegen kann.
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b) Das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Interesse des Klägers zu 2 an der baldigen Feststellung liegt vor. Der Kläger zu 2 ist mittelbar eingeschränkt, seine tarif- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele zu verfolgen und entsprechend diesen Zielvorstellungen für seine Mitgliedsunternehmen von dem durch Rechtsverordnung erstreckten Tarifvertrag abweichende Arbeitsbedingungen auszuhandeln und abzuschließen. Er hat ein geschütztes wirtschaftliches und ideelles Interesse daran, die Rechtmäßigkeit seiner Einschränkung gerichtlich durch Feststellungsklage überprüfen zu lassen und kann eine mögliche Verletzung seiner Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG geltend machen.
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c) Die vom Kläger zu 2 erhobene Feststellungsklage ist auch nicht unzulässig, weil sie gegenüber einer Klage vor den Arbeitsgerichten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 9 TVG) subsidiär wäre. Nach § 9 TVG sind rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem TVG oder über das Bestehen eines Tarifvertrages ergangen sind, in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend. Für solche sog. Verbandsklagen ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet. Dabei handelt es sich um eine "quasi-Normenkontrolle" (Reinecke, in: Däubler, Kommentar zum Tarifvertragsgesetz, 2. Aufl. 2006, § 9 Rn. 3) der Tarifvertragsparteien, die den Tarifvertrag abgeschlossen haben. Der Kläger zu 2 scheidet als Partei eines Verfahrens nach § 9 TVG gegen den Tarifvertrag vom 29. November 2007 von vornherein aus, weil er an dessen Abschluss nicht beteiligt war.
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Der Kläger zu 2 kann auch nicht auf den Abschluss eines eigenen Tarifvertrages verwiesen werden, um dann gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG i.V.m. § 9 TVG dessen Gültigkeit im Wege der Verbandsklage abklären zu lassen. Mit einer solchen Klage kann das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrages, jedoch nicht geklärt werden, ob ein Tarifvertrag nach den Regelungen der Tarifkonkurrenz oder aus anderen Gründen gegenüber anderen Tarifverträgen zurücktritt (Franzen, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 10. Aufl. 2010, § 9 TVG Rn. 7). Sie könnte den Kläger zu 2 jedenfalls vor den hier in Betracht zu ziehenden mittelbaren Beeinträchtigungen seiner Koalitionsfreiheit, die von der Rechtsverordnung ausgehen, nicht schützen.
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3. Gegen die selbstständig tragende Annahme des Berufungsgerichts, dass beim Erlass der Rechtsverordnung zur Erstreckung der tariflichen Mindestlohnregelungen das vorgeschriebene Verfahren nicht beachtet worden ist und dass die wegen der Evidenz des Verfahrensfehlers rechtswidrige Verordnung den Kläger zu 2 in seinen Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt, ist revisionsrechtlich nichts einzuwenden. Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen.
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a) Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die BriefArbbV den Kläger zu 2 in seinen Rechten verletzt, weil die Beklagte beim Erlass der Rechtsverordnung das gesetzlich in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. vorgeschriebene Verfahren missachtet hat. Die Annahme des Berufungsgerichts, dem dort geregelten Beteiligungsgebot komme wegen des Fehlens sonstiger materiellrechtlicher Anforderungen an den Erlass der Rechtsverordnung einerseits und der handgreiflichen Betroffenheit der Arbeitgeberseite im grundrechtlich geschützten Bereich andererseits wesentliche Bedeutung für die Abwägung der für und wider den Erlass der Rechtsverordnung streitenden Erwägungen zu, ist nicht zu beanstanden. Der Senat teilt die Auffassung, dass zwischen den normativen Regelungen des Tarifvertrages und dem Beteiligungsrecht ein unmittelbarer Bezug dergestalt besteht, dass sich die Gelegenheit zur Stellungnahme der betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die konkrete Tarifvertragsvereinbarung beziehen muss und nicht allgemein auf ein "Projekt", das in einer Branche Mindestarbeitsbedingungen mit dem Instrumentarium des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes festlegen will.
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b) Gemäß § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. gibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor Erlass der Rechtsverordnung den in den Geltungsbereich der vorgesehenen Rechtsverordnung fallenden Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie den Parteien des Tarifvertrages Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. nicht dahingehend zu interpretieren, dass es ausreicht, den zu Beteiligenden auch in dem Fall Gelegenheit zur Stellungnahme nur zum ursprünglichen Entwurf der Rechtsverordnung zu geben, wenn dieser im weiteren Verlauf des Verfahrens wesentlich in seinem Inhalt verändert wird. Die gegenteilige Annahme der Beklagten lässt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung, noch aus ihrem Sinn und Zweck und ihrer Systematik herleiten.
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Bereits aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. ergibt sich, dass das Recht zur Stellungnahme auf den konkreten Tarifvertrag bezogen ist, dessen Rechtsnormen durch Rechtsverordnung auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden und nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstreckt werden sollen. Zu beteiligen sind nicht nur diejenigen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die unter den Anwendungsbereich der Rechtsverordnung fallen, sondern auch die Parteien des Tarifvertrages, dessen Regelungen erstreckt werden sollen. Damit besteht zwischen den Rechtsnormen des konkreten, zu erstreckenden Tarifvertrages und dem Recht zur Stellungnahme eine unmittelbare Beziehung, die das Oberverwaltungsgericht zutreffend mit "handgreiflicher Betroffenheit" jedenfalls im grundrechtlich geschützten Bereich umschrieben hat. Existiert der ursprüngliche Tarifvertrag nicht mehr und wird ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen, so bedarf es grundsätzlich auch eines hierauf bezogenen neuen Antrags auf Allgemeinverbindlicherklärung und einer erneuten Beteiligung im Sinne des Gesetzes.
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Auch der erkennbare Zweck des Rechts zur Stellungnahme spricht für eine erneute Beteiligung im vorliegenden Fall. § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. dient nicht nur der Information des zuständigen Ministeriums, sondern soll den Betroffenen die Möglichkeit einräumen, ihre Rechte geltend zu machen. § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. gewährt den betroffenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie den Parteien des Tarifvertrages das Recht zur Stellungnahme, weil sich die Geltungserstreckung eines Tarifvertrages per Rechtsverordnung unmittelbar gestaltend auf die jeweiligen Arbeitsverhältnisse auswirkt. Betroffen sind grundrechtlich geschützte Positionen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, da die Freiheit zur privatautonomen Gestaltung der Arbeitsverhältnisse eingeschränkt wird. Die damit einhergehende finanzielle Belastung der Arbeitgeber durch die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns kann je nach Wirtschaftslage und Kostenstruktur eines betroffenen Unternehmens unter Umständen auch zu betriebsbedingten Kündigungen führen und so mittelbar die freie Berufsausübung der Arbeitnehmer beeinträchtigen. Die Beteiligung nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. soll gewährleisten, dass der Verordnungsgeber diese Gesichtspunkte und die Interessen aller Betroffenen in das Verordnungsverfahren einbezieht, um in einem späteren Abwägungsvorgang die widerstreitenden Interessen zu gewichten und zu werten (vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 4. Dezember 1998, BTDrucks 14/151 S. 32 f.). Wegen der eingeschränkten Kontrolldichte bei der Prüfung gesetzgeberischer Einschätzungen und Zielsetzungen im Bereich des Arbeits- und Wirtschaftsrechts ist die vom Gesetz eingeräumte Gelegenheit zur Geltendmachung eigener Rechte vor Inkrafttreten der Regelung von besonderer Bedeutung. Da die Verordnung unmittelbare Gestaltungswirkung hat und ein administrativer Vollzug nicht vorgesehen ist, können die Betroffenen auch nicht auf ein Verwaltungsverfahren verwiesen werden, um dort rechtliches Gehör nach Maßgabe der Vorschriften des VwVfG zu erlangen. Ihre rechtlichen Interessen können sie nur im Rahmen der Beteiligung vor Erlass der Verordnung zu Gehör bringen.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten führt der Vergleich mit dem Konsultations- und Konsolidierungsverfahren, das von der Bundesnetzagentur im Marktregulierungsverfahren (vgl. §§ 9 f. TKG) durchzuführen ist, zu keinem anderen Ergebnis, weil dieses Verfahren anderen Zwecken dient. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Entscheidung vom 2. April 2008 - BVerwG 6 C 15.07 - (BVerwGE 131, 41 <59 f.>) dazu ausgeführt: "Bei der Konsultation geht es nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie um die Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber dem Regulierungsadressaten ..., sondern um die Herstellung umfassender Transparenz gegenüber der interessierten Fachöffentlichkeit." Daher bezieht die Konsultation neben den Antragstellern und den Adressaten gemäß § 12 Abs. 1 TKG auch nur "interessierte" Dritte mit ein, und ist das Konsultationsergebnis nach § 5 TKG zu veröffentlichen.
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Der von der Beklagten vorgenommene Vergleich mit Anhörungspflichten aus dem Bereich planerischer oder planungsähnlicher Verwaltungsentscheidungen führt zu keiner anderen rechtlichen Einschätzung. Vielmehr sieht § 73 VwVfG, der das Anhörungsverfahren für den Bereich der Planfeststellung regelt, ebenfalls eine erneute Anhörung für den Fall der Planänderung vor (vgl. § 73 Abs. 8 VwVfG).
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Auch aus § 28 Abs. 1 VwVfG folgt nicht, dass eine einmalige Anhörung in allen Verwaltungsverfahren auch im Falle nachträglich erfolgter wesentlicher Änderungen des Anhörungsgegenstandes ausreichend ist, um dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs zu genügen. § 28 VwVfG gilt überdies ausschließlich für Verwaltungsverfahren, die in den Erlass eines Verwaltungsakts münden und ist auf die Beteiligung in einem Normerlassverfahren weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. § 1 Abs. 3a AEntG a.F. ist insofern lex specialis.
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Für die Notwendigkeit einer erneuten Beteiligung vor Erlass der Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a AEntG für den Fall einer wesentlichen Änderung des ursprünglichen Tarifvertrages, dessen Erklärung als allgemeinverbindlich zunächst beantragt worden war, spricht auch die Gesetzessystematik. Mit § 1 Abs. 3a AEntG a.F. sollte im Interesse einer wirksamen Durchführung des Gesetzes die bislang ausschließliche Anknüpfung an allgemeinverbindliche Tarifverträge um eine Ermächtigung zur Tariferstreckung durch Rechtsverordnung ergänzt werden. In Bezug auf die Verbindlichkeit der einzuhaltenden Arbeitsbedingungen sollte sich hieraus kein Unterschied ergeben (BTDrucks 14/45 S. 17, 25, 26). § 5 Abs. 1 und 2 TVG stellt sowohl hinsichtlich der am Verfahren zu Beteiligenden als auch bezüglich der materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages höhere Anforderungen als das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Nach § 5 Abs. 1 TVG ist neben dem Antrag einer Tarifvertragspartei und dem Einverständnis des Ausschusses, der aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, für die Allgemeinverbindlicherklärung erforderlich, dass die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 v.H. der unter den Geltungsbereich des zu erstreckenden Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen (Grundsatz der Repräsentativität) und dass die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Ferner sieht § 5 Abs. 2 TVG unter anderem vor, dass vor der Entscheidung über den Antrag den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen würden, sowie den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben ist. Dagegen ist nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. weder ein Ausschuss aus Interessenvertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu beteiligen noch ist dessen Einvernehmen vor dem Erlass der Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erforderlich. Auch das Erfordernis des sog. 50 %-Quorums und des öffentlichen Interesses im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG sind dem Wortlaut des § 1 Abs. 3a AEntG a.F. nicht zu entnehmen. Er verlangt für den Erlass einer Rechtsverordnung lediglich einen Antrag einer Tarifvertragspartei auf Allgemeinverbindlicherklärung. Dieser Verzicht auf die Abstimmung mit einem Ausschuss, der mit den jeweiligen Interessenvertretern besetzt ist, und der Verzicht auf inhaltliche Vorgaben für den Erlass einer erstreckenden Rechtsverordnung verleihen dem in § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG vorgesehenen Recht auf Stellungnahme - gleichsam als Ausgleich für die Reduzierung der formellen und materiellen Anforderungen - ein besonderes Gewicht. Die Beteiligung Betroffener dient dem Schutz ihrer Rechte (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 17. November 1994 - 2 BvB 1/93 - BVerfGE 91, 262). Soll das Beteiligungsrecht mit Blick auf die in Rede stehenden Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG nicht "leer" laufen, gebührt ihm im Normerlassverfahren besondere Aufmerksamkeit und Beachtung. Es stellt keinen "unnötigen Formalismus" dar, auf einer erneuten Beteiligung zu bestehen, wenn der Tarifvertrag, zu dem die Betroffenen Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme erhalten haben, durch einen neuen, hinsichtlich des Geltungsbereichs oder der zu erstreckenden Regelungen abweichenden Tarifvertrag ersetzt wird. Dies setzt ein neues Verfahren in Gang.
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c) Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Mitteilung der Tarifvertragsparteien über den Abschluss eines neuen Tarifvertrages mit Schreiben vom 29. November 2007 ein neuer Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung zu entnehmen ist, der eine erneute Stellungnahme erforderlich machte. Die Formulierung des Schreibens, die Tarifvertragsparteien hielten an ihrem Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages vom 11. September 2007 "fest" und beantragen "nunmehr" die Allgemeinverbindlicherklärung "unter Einschluss der am 29. November 2007 erfolgten Änderung", ändert nichts daran, dass der Tarifvertrag vom 11. September 2007 nebst Protokollnotiz vom 9. November 2007 von den Tarifvertragsparteien am 29. November 2007 "unter Ausschluss von Nachwirkungen" aufgehoben und durch den neuen Tarifvertrag vom 29. November 2007 ersetzt wurde (vgl. BA 3 Bl. 389). Dabei handelte es sich nicht lediglich um die "Änderung" eines früheren Tarifvertrages, der in den ursprünglichen Antrag mit einbezogen wurde, sondern um einen neuen Tarifvertrag, der den Antrag vom 11. September 2007 gegenstandslos und einen neuen Antrag mit neuer Beteiligungspflicht erforderlich machte.
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Die erneute schriftliche Stellungnahme der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie der Tarifvertragsparteien zum neuen Entwurf der Rechtsverordnung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich dessen Regelungsinhalt gegenüber dem vorhergehenden Entwurf nicht wesentlich geändert hätte. Ursprünglich sollten vom Tarifvertrag vom 11. September 2007 "alle Betriebe, die gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, unabhängig vom Anteil dieser Tätigkeit an ihrer Gesamttätigkeit des Betriebes" von dessen Geltungsbereich erfasst werden. Demgegenüber sieht der Tarifvertrag vom 29. November 2007 vor: "Der Tarifvertrag gilt für die Branche Briefdienstleistungen. Dies sind alle Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern."
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Mit der Änderung vom 29. November 2007 sollte sichergestellt werden, dass das "50 %-Quorum" erfüllt ist, das nach Einschätzung der Beklagten ursprünglich für erforderlich gehalten wurde, um eine Erstreckung tariflicher Mindestlohnregelungen zu rechtfertigen (UA S. 5). Betroffene, die deshalb bei der ersten Anhörung meinen konnten, es genüge auf den aus ihrer Sicht bestehenden Mangel der Repräsentativität hinzuweisen, mussten nunmehr Gelegenheit erhalten, auch zum Inhalt der Rechtsnormen des zu erstreckenden Tarifvertrages Stellung zu beziehen. Der Einwand des Beklagten, der neue Entwurf der Rechtsverordnung bedeute gegenüber dem ursprünglichen Entwurf lediglich ein "Minus" trifft nicht zu, vielmehr hat er qualitativ andere Wirkungen für die Rechtspositionen der betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Durch den geänderten Tarifvertrag ist ein Teil des ursprünglichen Adressatenkreises gänzlich von der Erstreckungswirkung der Rechtsverordnung ausgenommen worden, während Betriebe und selbstständige Betriebsteile, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, vom Geltungsbereich des neuen Tarifvertrages nach wie vor erfasst werden. Darin liegt eine grundrechtsrelevante rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung, die eine (erneute) Beteiligung der Adressaten der neuen Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. erforderlich machte. Die verfassungsrechtliche Relevanz der Einschränkung des Geltungsbereichs ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten bereits aus der ungleichen rechtlichen Behandlung zweier Gruppen von Briefdienstleistern und nicht erst aus den möglichen, durch Marktanalysen zu ermittelnden wirtschaftlichen Folgen der Ungleichbehandlung. Gerade auch zur Frage, ob durch die Beschränkung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrages auf Unternehmen eines bestimmten Zuschnitts eine Veränderung der Wettbewerbssituation eintritt, müssen die unmittelbar Betroffenen nach § 1 Abs. 3a AEntG vorab Stellung nehmen können.
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d) Die nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG a.F. erforderliche Stellungnahme zum geänderten Entwurf der Rechtsverordnung wurde nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, gegen die die Revisionen keine Einwendungen erhoben haben (§ 137 Abs. 2 VwGO), nicht ermöglicht. Eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger ist unterblieben (vgl. UA S. 5, 38 f.).
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Das Verordnungserlassverfahren leidet damit an einem Verfahrensmangel, der evident ist (BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1994 - 1 BvR 337/92 - BVerfGE 91, 148). Das Beteiligungsrecht ist im Hinblick auf die Wahrung der Grundrechtspositionen der Arbeitgeber und deren Koalitionen so gewichtig und bedeutsam, dass durch seine Nichtbeachtung das Rechtsetzungsverfahren an einem erheblichen Mangel leidet, der die BriefArbbV unwirksam macht.
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Auf die weiteren Rechtsfragen kommt es nicht an, weil bereits die Verletzung der Beteiligungsrechte zum Erfolg der Klagen führte.
Gründe
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I.
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Die Parteien streiten um die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs.
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Die Klägerin, eine tariflich ungebundene Arbeitgeberin des Baugewerbes, wendet sich mit ihrer Klage gegen die Allgemeinverbindlicherklärung näher bezeichneter Tarifvertragswerke für das Baugewerbe für die Jahre 2004 bis 2012 durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach § 5 Abs. 1 TVG. Aufgrund dessen wird sie von der Urlaubskasse des Baugewerbes in verschiedenen Verfahren vor dem Arbeitsgericht auf Beitragszahlung in Anspruch genommen. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die sie betreffenden Allgemeinverbindlicherklärungen rechtswidrig sind und sie in ihren Rechten verletzen. Das Verwaltungsgericht hat vorab beschlossen, dass der Verwaltungsrechtsweg zulässig ist. Die hiergegen erhobene Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und die weitere Beschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen.
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II.
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Die gemäß § 152 Abs. 1, § 173 Abs. 1 VwGO, § 17a Abs. 4 Sätze 4 und 5 GVG zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zurecht angenommen, dass für die geltend gemachten Ansprüche auf Feststellung, dass die durch die Beklagte ausgesprochenen Allgemeinverbindlicherklärungen rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen, der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist.
- 4
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Dem steht Art. 2 Nr. 1b des am 16. August 2014 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz) vom 11. August 2014 (BGBl I 1348 <1354>), wonach die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit für "die Entscheidung über die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 des Tarifvertragsgesetzes" gegeben ist, nicht entgegen. Dabei kann offenbleiben, ob die hier in Rede stehende Klage auf Feststellung der Verletzung eigener Rechte durch die Allgemeinverbindlicherklärung denselben Streitgegenstand betrifft. Die Regelung des Art. 2 Nr. 1b des Tarifautonomiestärkungsgesetzes ist hier jedenfalls gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG unbeachtlich, weil sie bei Rechtshängigkeit des vorliegenden Rechtsstreits am 7. Februar 2012 (§ 90 Abs. 1 VwGO) noch nicht in Kraft getreten war; eine abweichende gesetzliche Regelung wurde nicht getroffen (Urteil vom 12. Oktober 1989 - BVerwG 6 C 38.88 - BVerwGE 84, 3 <8> = Buchholz 448.6 § 18 KDVG Nr. 4 S. 11). Nach der Rechtslage zum danach maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit war der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten aus den nachfolgenden Gründen eröffnet.
- 5
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Die Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG ist ein Rechtsetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung, die gemäß § 5 Abs. 4 TVG die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber - wie hier die Klägerin - einseitig den Rechtsnormen des Tarifvertrags unterwirft. Es handelt sich somit um einen dem öffentlichen Recht zugehörenden "staatlichen Hoheitsakt" (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - BVerfGE 44, 322 <340, 344>). Da Klagen auf Feststellung der Verletzung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte durch eine Allgemeinverbindlicherklärung nach § 43 Abs. 1 VwGO (vgl. Urteil vom 28. Januar 2010 - BVerwG 8 C 38.09 - BVerwGE 136, 75 Rn. 30 = Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 149 Rn. 30) weder verfassungsrechtlicher Art sind noch bis zum Erlass des Art. 2 Nr. 1b des Tarifautonomiestärkungsgesetzes eine Sonderzuweisung an die Arbeitsgerichtsbarkeit bestand (vgl. Urteil vom 3. November 1988 - BVerwG 7 C 115.86 - BVerwGE 80, 355 <357 ff.> = Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 238; Düwell, NZA-Beilage 2/2011 S. 80 <81>), war bei Rechtshängigkeit die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit gegeben. Davon ist das Bundesverwaltungsgericht schon bisher unausgesprochen ausgegangen (vgl. Urteile vom 3. November 1988 a.a.O. S. 359 und vom 28. Januar 2010 a.a.O. Rn. 77 ff.).
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Die Klägerin meint demgegenüber, dass das einschränkende Tatbestandsmerkmal des § 47 Abs. 1 VwGO, wonach das Oberverwaltungsgericht "im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit" über die Gültigkeit von Rechtsvorschriften entscheidet, analog auf Klagen zur Feststellung der Verletzung eigener Rechte durch Normen nach § 43 Abs. 1 VwGO anzuwenden sei. Danach sei der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet, weil für Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Bezug auf die Rechte und Pflichten aus dem für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag ausschließlich die Arbeitsgerichte zuständig seien. Dem kann nicht gefolgt werden.
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Ein Oberverwaltungsgericht ist nur dann i.S.d. § 47 Abs. 1 VwGO "im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit" zur Kontrolle von untergesetzlichen Rechtsvorschriften berufen, wenn sich aus der Anwendung der angegriffenen Rechtsvorschrift Rechtsstreitigkeiten ergeben können, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (Beschluss vom 27. Juli 1995 - BVerwG 7 NB 1.95 - BVerwGE 99, 88 <96 f.> = Buchholz 451.22 § 3 AbfG Nr. 1 S. 9). Damit soll verhindert werden, dass Gerichte anderer Gerichtszweige für Streitigkeiten präjudiziert werden, zu deren Entscheidung im Einzelfall sie sonst ausschließlich zuständig sind (BTDrucks 3/55 S. 33; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 47 Rn. 17; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 47 Rn. 32). Dieser Regelungszweck ist bei der hier relevanten Klage auf Feststellung der Verletzung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte durch eine Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG nicht berührt. Denn Entscheidungen über Feststellungsklagen nach § 43 Abs. 1 VwGO sind nicht wie die Erklärung der Unwirksamkeit einer Rechtsnorm gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO allgemein verbindlich, sondern gelten nur inter partes (lat. "zwischen den Parteien"). Die Gerichte anderer Gerichtszweige werden daher durch die Feststellung der Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte durch die zur Prüfung gestellte Norm nicht hinsichtlich von Rechtsstreitigkeiten präjudiziert, welche die Anwendung derselben Norm betreffen. So hindert etwa eine bereits getroffene verwaltungsgerichtliche Feststellung der Rechtsverletzung durch eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung die Arbeitsgerichte nicht, im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten über Rechte und Pflichten aus dem Tarifvertrag die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung erneut inzident zu prüfen und ihrer Entscheidung ein abweichendes Ergebnis zugrunde zu legen (vgl. Düwell a.a.O. S. 83; BAG, Beschluss vom 26. Oktober 2009 - 3 AZB 24/09 - NZA 2009, 1436 ff. und Urteil vom 26. September 2012 - 4 AZR 5/11 - juris Rn. 14). Die von der Klägerin angenommene "faktische Präjudizwirkung" durch solche verwaltungsgerichtliche Feststellungsurteile kann nicht mit der gesetzlich angeordneten Allgemeinverbindlichkeit verglichen werden. Nur letztere begründet das Bedürfnis, zur Vermeidung einer dem Grundsatz der Gleichwertigkeit der einzelnen Gerichtszweige zuwider laufenden Überordnung der Oberverwaltungsgerichte diejenigen Rechtsvorschriften aus der Kontrollbefugnis nach § 47 Abs. 1 VwGO auszunehmen, deren Anwendung der Überprüfung durch Gerichte anderer Gerichtszweige obliegt (vgl. BTDrucks 3/55 S. 33). Davon zu unterscheiden ist das - vom Gesetzgeber nunmehr durch Konzentration der Entscheidungen über die Wirksamkeit von Allgemeinverbindlicherklärungen bei den Arbeitsgerichten und die Anordnung einer inter omnes-Wirkung (lat. "unter allen") entsprechender rechtskräftiger Beschlüsse (Art. 2 Nr. 5 Tarifautonomiestärkungsgesetz) gelöste - rechtspolitische Problem, dass es infolge fehlender Bindungswirkung zu sich widersprechenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte und der Gerichte anderer Gerichtszweige zur Frage der Rechtmäßigkeit von Normen kommen kann (vgl. Düwell a.a.O. S. 84 f.).
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Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Kostenentscheidung ist hier nicht gemäß § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG entbehrlich. Denn die Kosten im "Verfahren vor dem angegangenen Gericht" sind nur die Kosten des erstinstanzlichen Gerichts. Das Beschwerdegericht hat daher über die Kosten eines Beschwerdeverfahrens nach § 17a Abs. 4 Satz 3 und 4 GVG selbst eine Kostenentscheidung zu treffen (vgl. Beschluss vom 15. Oktober 1993 - BVerwG 1 DB 34.92 - BVerwGE 103, 26 <32>; Zimmermann, in: Münchener Kommentar, ZPO, 3. Aufl. 2008, Band 3, § 17b GVG Rn. 10; anderer Ansicht Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 41 <§ 17 - 17b GVG> Rn. 45).
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit
- 1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs - 2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.
(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.
(2a) (weggefallen)
(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.
(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.
(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.
(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts.
(1) Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Versammlungen gefaßt. Versammlungen können auch fernmündlich oder mittels Videokommunikation abgehalten werden, wenn sämtliche Gesellschafter sich damit in Textform einverstanden erklären.
(2) Der Abhaltung einer Versammlung bedarf es nicht, wenn sämtliche Gesellschafter in Textform mit der zu treffenden Bestimmung oder mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen sich einverstanden erklären.
(3) Befinden sich alle Geschäftsanteile der Gesellschaft in der Hand eines Gesellschafters oder daneben in der Hand der Gesellschaft, so hat er unverzüglich nach der Beschlußfassung eine Niederschrift aufzunehmen und zu unterschreiben.
(1) Die Aktionäre üben ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft in der Hauptversammlung aus, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Satzung kann vorsehen oder den Vorstand dazu ermächtigen vorzusehen, dass die Aktionäre an der Hauptversammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort und ohne einen Bevollmächtigten teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können. Bei elektronischer Ausübung des Stimmrechts ist dem Abgebenden der Zugang der elektronisch abgegebenen Stimme nach den Anforderungen gemäß Artikel 7 Absatz 1 und Artikel 9 Absatz 5 Unterabsatz 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1212 von der Gesellschaft elektronisch zu bestätigen. Sofern die Bestätigung einem Intermediär erteilt wird, hat dieser die Bestätigung unverzüglich dem Aktionär zu übermitteln. § 67a Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 gilt entsprechend.
(2) Die Satzung kann vorsehen oder den Vorstand dazu ermächtigen vorzusehen, dass Aktionäre ihre Stimmen, auch ohne an der Versammlung teilzunehmen, schriftlich oder im Wege elektronischer Kommunikation abgeben dürfen (Briefwahl). Absatz 1 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(3) Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sollen an der Hauptversammlung teilnehmen. Die Satzung kann jedoch bestimmte Fälle vorsehen, in denen die Teilnahme von Mitgliedern des Aufsichtsrats im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen darf.
(4) Die Satzung oder die Geschäftsordnung gemäß § 129 Abs. 1 kann vorsehen oder den Vorstand oder den Versammlungsleiter dazu ermächtigen vorzusehen, die Bild- und Tonübertragung der Versammlung zuzulassen.
(1) Die Angelegenheiten des Vereins werden, soweit sie nicht von dem Vorstand oder einem anderen Vereinsorgan zu besorgen sind, durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet. Zur Gültigkeit des Beschlusses ist erforderlich, dass der Gegenstand bei der Berufung bezeichnet wird. Bei der Beschlussfassung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
(2) Bei der Berufung der Versammlung kann vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können (hybride Versammlung). Die Mitglieder können beschließen, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlungen einberufen werden können, an der Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben müssen. Wird eine hybride oder virtuelle Versammlung einberufen, so muss bei der Berufung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.
(3) Auch ohne Versammlung der Mitglieder ist ein Beschluss gültig, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich erklären.
Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts.
(1) Die Angelegenheiten des Vereins werden, soweit sie nicht von dem Vorstand oder einem anderen Vereinsorgan zu besorgen sind, durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet. Zur Gültigkeit des Beschlusses ist erforderlich, dass der Gegenstand bei der Berufung bezeichnet wird. Bei der Beschlussfassung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
(2) Bei der Berufung der Versammlung kann vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können (hybride Versammlung). Die Mitglieder können beschließen, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlungen einberufen werden können, an der Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben müssen. Wird eine hybride oder virtuelle Versammlung einberufen, so muss bei der Berufung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.
(3) Auch ohne Versammlung der Mitglieder ist ein Beschluss gültig, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich erklären.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts.
(1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.
(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.
(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.
(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.
(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.
Tenor
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Der Antrag wird verworfen.
Gründe
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Der Organstreit betrifft die Frage, ob der Deutsche Bundestag einer Veräußerung von Vermögensgegenständen durch die Deutsche Bahn AG hätte zustimmen müssen.
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A.
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I.
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1. a) Gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG in der bis zum 22. Dezember 1993 geltenden Fassung waren die Bundeseisenbahnen in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau zu führen. Hinsichtlich ihrer Wirtschaftsführung war die Deutsche Bundesbahn auf eine Doppelrolle als Wirtschaftsunternehmen einerseits und als eine dem Gemeinwohl verpflichtete Einrichtung andererseits festgelegt. Unter diesen rechtlichen Rahmenbedingungen zog ihre Tätigkeit eine erhebliche Belastung der öffentlichen Haushalte nach sich. Als ein wesentlicher Grund für diesen Umstand wurde die Unternehmensverfassung der Deutschen Bundesbahn ausgemacht, die als in sich widersprüchlich bewertet wurde (vgl. die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens, BTDrucks 12/4609
, S. 55 f.).
- 3
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Im Jahre 1993 wurden Gesetzentwürfe zur Änderung des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag eingebracht, deren Ziel es war, die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine "Führung der bisherigen Bundeseisenbahnen als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form" (BTDrucks 12/5015, S. 1) zu schaffen. Mit der Streichung der Wörter "die Bundeseisenbahnen" in Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG sollte die Schaffung eines Art. 87e GG einhergehen, dessen dritter und zugleich letzter Absatz die Führung der Eisenbahnen des Bundes in privat-rechtlicher Form anordnete. Der Bundesrat trat diesem Entwurf entgegen. Er führte an, dass bei einer Übertragung des Eigentums am Schienennetz auf ein privat-rechtlich organisiertes Wirtschaftsunternehmen nicht gewährleistet sei, dass das Schienennetz zumindest in seinen wesentlichen Bestandteilen erhalten und bedarfsgerecht ausgebaut werde. Die beschlossene Fassung des Art. 87e GG geht auf die Empfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zurück. Sie soll einen Ausgleich darstellen zwischen dem ursprünglich beim Deutschen Bundestag eingebrachten Entwurf und der Forderung des Bundesrates, das Eigentum an Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes beim Bund zu belassen. Absatz 4 der neugeschaffenen Grundgesetzbestimmung soll die "Sicherstellung einer politischen Verantwortung des Bundes für die Infrastruktur der Eisenbahnen des Bundes und dem Gemeinwohl dienende Verkehrsangebote des Bundes" bezwecken (vgl. BTDrucks 12/6280, S. 8).
- 4
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b) Das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. Dezember 1993 (BGBl I S. 2378) regelte die Zusammenführung der Sondervermögen "Deutsche Bundesbahn" und "Deutsche Reichsbahn" zu einem nicht rechtsfähigen Sondervermögen des Bundes mit dem Namen "Bundeseisenbahnvermögen". Ferner ordnete es die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft an und sah die Übertragung bestimmter Bestandteile des Bundeseisenbahnvermögens auf die Deutsche Bahn AG vor. Auf die Gesellschaft zu übertragen waren die sogenannten bahnnotwendigen Liegenschaften und das bahnnotwendige sonstige Vermögen. Nicht bahnnotwendige Vermögensgegenstände sollten beim Bundeseisenbahnvermögen verbleiben. Der Übergang erfolgte teils gesetzlich, teils in Vollzug sogenannter Übergabebescheide, die zu erlassen das Bundeseisenbahnvermögen berechtigt war. Das Gesetz erlaubte es, die Liegenschaftszuordnung zwischen Bundeseisenbahnvermögen und der Deutsche Bahn AG durch Vergleich zu regeln und diesem Vergleich entsprechende Übergabebescheide zu erlassen.
- 5
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Am 4. und 5. August 1996 wurde als ein solcher Vergleich die sogenannte Rahmenvereinbarung zwischen der Deutsche Bahn AG und der Bundesregierung geschlossen, die der abschließenden und verbindlichen Aufteilung der Liegenschaften zwischen der Deutsche Bahn AG und dem Bundeseisenbahnvermögen zu dienen bestimmt war. Schon beim Abschluss der Rahmenvereinbarung sahen die Parteien voraus, dass der Deutsche Bahn AG dadurch auch nicht unmittelbar bahnnotwendige Liegenschaften zugeordnet werden würden. Um dies zu vermeiden, hätte der gesamte Liegenschaftsbestand kataster- und grundbuchmäßig erfasst werden müssen. Der hierfür erforderliche Aufwand wurde als unverhältnismäßig angesehen.
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c) In der Folgezeit wurde der Liegenschaftsbestand der Deutsche Bahn AG in zahlreiche sogenannte Bewirtschaftungseinheiten aufgeteilt. Die Bewirtschaftungseinheiten wurden den Geschäftsbereichen innerhalb der Deutsche Bahn AG - Personennahverkehr, Personenfernverkehr, Güterverkehr und Fahrweg - zugeordnet. Am 2. Dezember 1998 beschloss eine außerordentliche Hauptversammlung der Deutsche Bahn AG einen Ausgliederungsplan zur Überführung der Geschäftsbereiche in Konzerntöchter. Der Ausgliederungsplan sah die Gründung der Gesellschaften DB Regio AG, DB Reise&Touristik AG, DB Cargo AG, DB Netz AG und DB Station&Service AG zum 1. Januar 1999 vor. Den Gesellschaften, ganz überwiegend den Eisenbahninfrastrukturunternehmen, wurden die den Geschäftsbereichen zugeordneten Bewirtschaftungseinheiten übertragen. Dies geschah teils durch die Übertragung bürgerlich-rechtlichen Eigentums an der jeweiligen Liegenschaft, teils durch die Übertragung lediglich wirtschaftlichen Eigentums. Zahlreiche Liegenschaften verblieben bei der Konzernmutter Deutsche Bahn AG. Der Grund hierfür lag zum Teil in der inzwischen zutage getretenen fehlenden Bahnnotwendigkeit dieser Liegenschaften. Zum Teil war der Verbleib bei der Konzernmutter durch den Wunsch nach einer wirtschaftlichen Optimierung der Immobiliennutzung motiviert oder er war die Folge von Mischnutzungen bestimmter Liegenschaften durch mehrere Geschäftsbereiche und spätere Konzerntöchter.
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d) Seit Ende 2001 beabsichtigte die Deutsche Bahn AG, sich von einem erheblichen Teil der vorhandenen und als nicht oder nicht mehr bahnnotwendig erachteten Immobilien zu trennen. Zu diesem Zweck gründete das Unternehmen mit Wirkung vom 15. Februar 2002 die A... GmbH & Co. KG und als deren persönlich haftende Gesellschafterin die A... GmbH. Am 30. April 2003 veräußerte die Deutsche Bahn AG ein Immobilienportfolio an die A... GmbH & Co. KG. Die veräußerten Liegenschaften hatten eine Gesamtfläche von rund 30 Mio. m² und einen Buchwert von rund 1 Mrd. Euro. Es handelte sich überwiegend um Verwaltungsgebäude, die mittel- bis langfristig wegen geplanter Standortwechsel oder anderer Umstände entbehrlich erschienen. Teilweise waren die an die A... GmbH & Co. KG veräußerten Liegenschaften 1999 Konzerntöchtern übertragen und von diesen zwischenzeitlich als entbehrlich klassifiziert worden. Im Übrigen handelte es sich um Liegenschaften, die nach der Ausgliederung der Konzerntöchter bei der Deutsche Bahn AG verblieben waren. Nicht in jedem Fall wurde der A... GmbH & Co. KG bürgerlich-rechtliches Eigentum an den Liegenschaften übertragen. Zum Teil wurden lediglich Anwartschaften oder schuldrechtliche Verschaffungsansprüche begründet, schon weil nicht jede Liegenschaft kataster- und grundbuchmäßig erfasst war.
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Die zur Begleichung des Kaufpreises notwendigen Mittel setzten sich aus dem Eigenkapital der A... GmbH & Co. KG, aus einem Gesellschafterdarlehen der Deutsche Bahn AG und überwiegend aus der Aufnahme von Fremdkapital durch die A... GmbH & Co. KG zusammen. Die der Deutsche Bahn AG durch den Verkauf zufließende Liquidität wurde zur Deckung von Verlusten der DB Netz AG sowie zu einer Eigenkapitalerhöhung dieser Gesellschaft verwendet.
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e) In der Folgezeit veräußerte die A... GmbH & Co. KG einen Teil der Liegenschaften. Im Jahre 2007 traf die Deutsche Bahn AG, die zu diesem Zeitpunkt wieder Alleingesellschafterin der A... GmbH und einzige Kommanditistin der A... GmbH & Co. KG war, die Entscheidung, die A...-Gesellschaften in ihrer Gänze zu veräußern. Die Deutsche Bahn AG leitete im Mai 2007 ein Bieterverfahren ein und bot ihre Geschäftsanteile an der A... GmbH und ihren Kommanditanteil an der A... GmbH & Co. KG zum Verkauf an. Erwerbsinteresse zeigte ein durch die Z... GmbH & Co. KG handelndes Konsortium, bestehend aus der H... GmbH und dem Finanzinvestor R.... Am 31. August 2007 wurde eine Exklusivitätsvereinbarung zur Vorbereitung des Verkaufs getroffen.
- 10
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Die zuständigen Organe der Veräußerer- und der Erwerbergesellschaft stimmten einer Veräußerung der A...-Gesellschaften zu einem Kaufpreis von 1.640 Mio. Euro zu. Zu diesem Zeitpunkt verfügte die A... GmbH & Co. KG noch über einen Liegenschaftsbestand mit einer Gesamtfläche von rund 27 Mio. m². Am 13. September 2007 schlossen die Deutsche Bahn AG und die Z... GmbH & Co. KG den notariell beurkundeten Kauf- und Abtretungsvertrag über den Kommanditanteil der Deutsche Bahn AG an der A... GmbH & Co. KG und über die Geschäftsanteile an der A... GmbH. Nach Abzug der konzernexternen Verbindlichkeiten, Rückstellungen und Transaktionskosten ergab sich ein Nettotransaktionsergebnis von 192 Mio. Euro zugunsten des Deutsche-Bahn-Konzerns.
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Der Kauf- und Abtretungsvertrag stand unter der aufschiebenden Bedingung einer Genehmigung durch die Bundesregierung. Die Bundesregierung genehmigte am 23. November 2007 die Veräußerung der Anteile an den A...-Gesellschaften.
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2. a) Die Veräußerung der A...-Gesellschaften war Gegenstand der Beratungen im Deutschen Bundestag. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung übersandte dem Vorsitzenden des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages am 13. September 2007 einen Bericht über die Veräußerung. Hierin teilte er mit, dass die Deutsche Bahn AG am 31. August 2007 mit dem erwerbsinteressierten Konsortium eine Exklusivitätsvereinbarung geschlossen habe. Er legte die Hintergründe sowie eine eigene Bewertung des Vorgangs dar. Der Bericht war Gegenstand der Beratungen des Verkehrsausschusses am 19. September 2007. Der in der Sitzung anwesende Parlamentarische Staatssekretär sicherte den Abgeordneten zu, dass ein weiterer Bericht vorgelegt werde, bevor die Bundesregierung das Veräußerungsgeschäft genehmigen werde.
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Der angekündigte weitere Bericht wurde dem Vorsitzenden des Verkehrsausschusses am 8. Oktober 2007 übersandt. Dieser Bericht war Gegenstand der Ausschusssitzung am 10. Oktober 2007. Erörtert wurden unter anderem die Höhe des Verkaufspreises, dessen Verhältnis zum Wert der Immobilien und die Zuordnung des Nettotransaktionsergebnisses zu der Tochtergesellschaft DB Station&Service AG. Im Zuge der Diskussion wiesen mehrere Abgeordnete auf Fragen im Zusammenhang mit der Veräußerung hin, die nach ihrer Auffassung noch nicht zufriedenstellend beantwortet worden seien. Der Abgeordnete Friedrich, Mitglied der Fraktion der FDP, forderte von der Bundesregierung, den Verkauf der A...-Gesellschaften zu untersagen, bis alle relevanten Punkte geklärt seien. Die FDP-Fraktion halte sich im weiteren Verfahrensgang alle parlamentarischen Rechte offen.
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b) Am 29. Januar 2008 stellten mehrere Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE und die Fraktion selbst an die Bundesregierung eine Kleine Anfrage zur Veräußerung von Immobilien der Deutsche Bahn AG (siehe BTDrucks 16/7949). Die Bundesregierung wurde unter anderem gefragt, wie sie es begründe, dass sie zu der Veräußerung der A...-Gesellschaften "nicht die Einwilligung des Deutschen Bundestages und des Bundesrates eingeholt habe, obwohl § 65 Abs. 7 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) vorschreibt: 'Haben Anteile an Unternehmen besondere Bedeutung und ist deren Veräußerung im Haushaltsplan nicht vorgesehen, so dürfen sie nur mit Einwilligung des Bundestages und des Bundesrats veräußert werden.' ... ". Die Bundesregierung beantwortete die Frage dahingehend, dass § 65 Abs. 7 BHO auf mittelbare Bundesbeteiligungen - zu denen die A...-Gesellschaften gehörten - keine Anwendung finde.
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II.
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Mit ihrem durch Antrag vom 23. Mai 2008 eingeleiteten Organstreitverfahren macht die Antragstellerin eine Verletzung der Rechte des Deutschen Bundestages geltend. Die Antragsgegnerin habe das Zustimmungsrecht des Parlaments aus Art. 110 GG in Verbindung mit Art. 87e GG bei der Veräußerung der Anteile an den A...-Gesellschaften verletzt.
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1. Für die Veräußerung staatlichen Vermögens sehe Art. 110 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 110 Abs. 1 GG ein parlamentarisches Zustimmungsrecht in Form eines haushaltsrechtlichen Gesetzesvorbehalts vor. Alle Einnahmen des Bundes seien in den Haushaltsplan vollständig einzustellen. Der Haushaltsplan müsse durch das Haushaltsgesetz festgestellt werden. Das Beteiligungsrecht des Parlaments, welches die Antragstellerin in Prozessstandschaft einzufordern befugt sei, erstrecke sich dabei auch auf die Einnahmenseite. Erfolgten haushaltsrelevante Veräußerungen außerhalb des Haushaltsplanes, müsse eine gesonderte Zustimmung des Deutschen Bundestages zu diesem Geschäft eingeholt werden.
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Aus der in Art. 87e Abs. 4 GG geregelten Gewährleistungspflicht des Bundes für Eisenbahnverkehr und -infrastruktur folge, dass der Zustimmungsvorbehalt des Parlaments bei Veräußerungen von Tochterunternehmen durch die Deutsche Bahn AG nicht entfalle. Er bestehe dort ebenso wie bei der Veräußerung von Staatsvermögen. Die Gewährleistungspflicht erfasse die Eisenbahnen des Bundes insgesamt und nicht lediglich die Unternehmen der Netzinfrastruktur. Sachlich sei die Gewährleistungspflicht nicht auf die Vorgänge des Bauens und Erhaltens des Schienennetzes beschränkt. Die Gewährleistungspflicht umfasse alle Vorgänge, deren Zweck es sei, dem Wohl der Allgemeinheit bei Ausbau und Erhalt des Schienennetzes Rechnung zu tragen. Art. 87e Abs. 4 GG sei deshalb auch berührt, wenn die Kapitalkraft der DB Station&Service AG und der DB Netz AG gestärkt werden solle. Im Übrigen könnten die den Eisenbahnen des Bundes entzogenen Grundstücke nicht mehr dem Ausbau des Schienennetzes dienen.
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2. Die Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG zur Einleitung eines Organstreitverfahrens habe die Antragstellerin durch die Antragstellung am 23. Mai 2008 gewahrt. Selbst wenn man insoweit nicht auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage am 13. Februar 2008, sondern auf die Erklärung der Genehmigung durch die Bundesregierung am 23. November 2007 abstelle, sei der Antrag fristgerecht. Die Beratungen im Verkehrsausschuss seien aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen ungeeignet, einen früheren Fristbeginn zu markieren. Die Kenntnis der Abgeordneten im Ausschuss könne nicht mit der Kenntnis der Antragstellerin selbst gleichgesetzt werden, eine Zurechnung komme nicht in Betracht. Auch sei den Ausschussmitgliedern in den Sitzungen des Verkehrsausschusses am 19. September 2007 und am 10. Oktober 2007 keine Kenntnis über den Stand des Veräußerungsgeschäftes vermittelt worden.
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3. Für den Antrag bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis. Bei der Absicht, die Auslegung streitbestimmender Vorschriften des Grundgesetzes gerichtlich klären zu lassen, handele es sich ungeachtet parlamentarischer Handlungsmöglichkeiten um ein verfahrensrechtlich zulässiges Rechtsschutzziel. Im Übrigen sei aufgrund der Mehrheitsverhältnisse nicht zu erwarten gewesen, dass die Antragstellerin mit parlamentarischem Handeln erfolgreich gewesen wäre und einen verfassungsrechtlichen Streit hätte verhüten können. Zudem sei die parlamentarische Beteiligung im Ausschuss auch tatsächlich eingefordert worden.
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III.
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Die Antragsgegnerin sieht keine Rechte des Deutschen Bundestages verletzt. Art. 110 GG sei hier schon deshalb nicht anwendbar, weil diese Bestimmung allein die Haushaltswirtschaft der Gebietskörperschaft Bund erfasse. Die Einnahmen durch die Veräußerung der A...-Gesellschaften habe hingegen die Deutsche Bahn AG erzielt. Auch Art. 87e Abs. 4 GG begründe kein Zustimmungsrecht des Deutschen Bundestages. Die Veräußerung habe sachlich weder die Eisenbahninfrastruktur noch die diese Infrastruktur nutzenden Verkehrsangebote betroffen, sondern lediglich nicht bahnnotwendige Liegenschaften. Zudem müsste ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Deutschen Bundestages bei Maßnahmen der Geschäftsführung - zu denen die Veräußerung der A...-Gesellschaften gehöre - als unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG qualifiziert werden. Er träfe das Gebot der Privatwirtschaftlichkeit in seinem Kern.
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IV.
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Dem Bundespräsidenten, dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, den Landtagen, Bürgerschaften und dem Abgeordnetenhaus sowie den Landesregierungen und Senaten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie haben sich zu dem Verfahren nicht geäußert.
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B.
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Der Antrag im Organstreitverfahren ist unzulässig und kann durch Beschluss gemäß § 24 Satz 1 BVerfGG verworfen werden.
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I.
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Auch wenn die verfassungsgerichtliche Prüfung auf den durch den Antrag umschriebenen Verfahrensgegenstand beschränkt ist, ist das Bundesverfassungsgericht nicht an die Wortfassung eines Antrags gebunden. Entscheidend ist vielmehr der eigentliche Sinn des mit einem Antrag verfolgten prozessualen Begehrens (vgl. BVerfGE 68, 1 <68>). Die Antragstellerin rügt einen vermeintlich verfassungswidrigen Ablauf des Veräußerungsvorgangs. An diesem Vorgang ist die Antragsgegnerin weder auf Veräußerer- noch auf Erwerberseite beteiligt gewesen. Sie ist indessen dadurch in den Vorgang eingebunden gewesen, dass die an der Veräußerung beteiligten Gesellschaften den Veräußerungsvertrag unter die aufschiebende Bedingung einer Genehmigungserklärung der Antragsgegnerin gestellt hatten. Diese den Bedingungseintritt auslösende Genehmigungserklärung hat die Antragsgegnerin abgegeben. Von einer Zustimmung des Deutschen Bundestages hat die Antragsgegnerin diese Erklärung nicht abhängig gemacht. Auf diese Unterlassung bezieht sich der Antrag. Die Antragstellerin rügt der Sache nach, dass die Antragsgegnerin eine parlamentarische Zustimmung zur Genehmigung nicht eingeholt hat.
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II.
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Ein Antrag im Organstreitverfahren ist gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG nur zulässig, wenn der Antragsteller schlüssig behauptet, dass er und der Antragsgegner an einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis unmittelbar beteiligt sind und dass der Antragsgegner hieraus erwachsende verfassungsmäßige Rechte oder Zuständigkeiten des Antragstellers oder des Organs, dem er angehört, durch die beanstandete Maßnahme oder das Unterlassen verletzt oder unmittelbar gefährdet hat. Schlüssig ist die Behauptung, wenn die Rechtsverletzung nach dem vorgetragenen Sachverhalt möglich erscheint (vgl. BVerfGE 80, 188 <209>; 102, 224 <231 f.>). Daran fehlt es hier. Das von der Antragstellerin geltend gemachte Beteiligungsrecht des Deutschen Bundestages kommt unter keinem denkbaren verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt in Betracht. Weder nach Art. 110 GG noch unter dem Aspekt einer von der Antragstellerin angeführten "Budgetflucht" noch auf der Grundlage eines ungeschriebenen Parlamentsvorbehalts erscheint insoweit das Bestehen eines parlamentarischen Zustimmungsrechtes möglich.
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1. Nach Art. 110 Abs. 2 GG ist der Haushaltsplan durch das Haushaltsgesetz festzustellen. In den Haushaltsplan sind nach Art. 110 Abs. 1 GG alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes einzustellen; bei Bundesbetrieben und Sondervermögen brauchen nur die Zuführungen und Ablieferungen eingestellt zu werden. Die Grundgesetzbestimmung erfasst die Veräußerung der A...-Gesellschaften nicht, weil der Bund durch sie weder Einnahmen erzielte noch Ausgaben tätigte. Zudem sieht Art. 110 GG die parlamentarische Beteiligungsform der Zustimmung nicht vor.
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a) Einnahmen und Ausgaben des Bundes sind lediglich solche der Gebietskörperschaft Bund. Nicht erfasst sind die Einnahmen und Ausgaben von bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder von privat-rechtlich organisierten Gesellschaften, die im Eigentum des Bundes stehen oder an denen der Bund beteiligt ist. Zwar lässt der Wortlaut des Art. 110 Abs. 1 GG eine Auslegung zu, nach der zum Bund im Sinne dieser Vorschrift alle Verwaltungseinheiten der unmittelbaren und mittelbaren Bundesverwaltung zu rechnen wären, unabhängig von ihrer Rechtsform. Verfassungstradition und Entstehungsgeschichte des Art. 110 Abs. 1 GG sprechen aber dafür, den Begriff des Bundes hier eng auszulegen. So findet sich eine Art. 110 GG entsprechende Bestimmung bereits in Art. 99 Abs. 1 der Preußischen Verfassung von 1850, der durch das Gesetz betreffend den Staatshaushalt vom 11. Mai 1898 (Preußische Gesetzessammlung, S. 77) näher ausgeformt wurde. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes sollten danach zu den in den Staatshaushalts-Etat aufzunehmenden Einnahmen und Ausgaben die "Einnahmen und Ausgaben derjenigen zu besonderen Zwecken bestimmten Fonds, über welche dem Staate allein die Verfügung zusteht, sofern diese Fonds nicht juristische Persönlichkeit besitzen", gehören. Diese - zuvor im Preußischen Abgeordnetenhaus durchaus umstrittene - "juristische" Sichtweise setzte sich gegenüber einer "finanzwirtschaftlichen" Betrachtung auch in späteren Verfassungen durch (vgl. Hillgruber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 110 Rn. 19; Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, 1996, S. 122 f.). So wurde Art. 69 der Reichsverfassung von 1871 im selben Sinne ausgelegt und auch zu Art. 85 der Weimarer Reichsverfassung entsprach es der allgemeinen Auffassung, dass Einnahmen und Ausgaben des Reiches nur solche der Gebietskörperschaft Reich seien, nicht aber solche anderer rechtlich selbständiger Einheiten (vgl. Heckel, in: Anschütz/Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 2, 1932, S. 379). Der Parlamentarische Rat knüpfte an diese Verfassungstradition an (vgl. Höpker-Aschoff, AöR 75 <1949>, S. 306 <308>) und wollte den Haushaltsplan auf die Einnahmen und Ausgaben der Gebietskörperschaft Bund beschränkt wissen. Daran hat sich durch die Neufassung des Art. 110 GG im Zuge der Haushaltsrechtsreform vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 357) nichts geändert (vgl. BTDrucks V/3040, S. 44).
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b) Die Veräußerung der A...-Gesellschaften durch die Deutsche Bahn AG hat weder Einnahmen noch Ausgaben des Bundes nach sich gezogen. Dem Bund flossen durch die Veräußerung keine Mittel zu. Er hat auch selbst keine Vermögensgegenstände veräußert. Die Deutsche Bahn AG, nicht der Bund, war Inhaberin der veräußerten A...-Gesellschaften.
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c) Das behauptete Erfordernis parlamentarischer Zustimmung kann Art. 110 GG nicht entnommen werden. Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG schreibt die Feststellung des Haushaltsplans durch Gesetz vor. Das Haushaltsgesetz ist ein förmliches Bundesgesetz; für das Gesetzgebungsverfahren gelten die durch Art. 110 Abs. 3 GG bestimmten Besonderheiten. Die Gesetzgebungsbefugnis ist gemäß Art. 110 Abs. 2 GG dem Deutschen Bundestag zugewiesen. Zustimmungsrechte zu Maßnahmen der Haushaltsführung der Exekutive in der Form eines schlichten Parlamentsbeschlusses sieht Art. 110 GG nicht vor. Dies gilt auch, wenn während des Haushaltsjahres Abweichungen vom Haushaltsplan notwendig werden. Sofern aus diesem Grund eine Beteiligung des Deutschen Bundestages haushaltsverfassungsrechtlich geboten ist, erfolgt diese in der Form eines Nachtragshaushaltsgesetzes, für das ebenfalls Art. 110 Abs. 2 und 3 GG gilt.
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2. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zustimmungseinholung ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer "Budgetflucht", mit der die in der Deutsche Bahn AG organisierte Vermögensmasse der Möglichkeit parlamentarischer Einflussnahme entzogen wurde. Es kann offen bleiben, ob und bejahendenfalls welche Vorgaben dem Art. 110 GG hinsichtlich der Errichtung und Bewirtschaftung von Nebenhaushalten zu entnehmen sind. Die haushalterische Selbständigkeit der Deutsche Bahn AG ist verfassungsrechtlich legitimiert. Sie beruht auf einer Entscheidung des verfassungsändernden Gesetzgebers. Nach Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG sind die Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form zu führen. Bereits vor der Schaffung des Art. 87e GG durch das Änderungsgesetz vom 20. Dezember 1993 (BGBl I S. 2089) waren die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn Sondervermögen des Bundes, bei denen nach Art. 110 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG nur die Zuführungen und Ablieferungen in den Haushaltsplan einzustellen waren. Die Grundgesetzänderung sollte aber gerade nicht einer Integration der Bahn in die öffentliche Verwaltung nebst ihrer Eingliederung in den Staatshaushalt Vorschub leisten, sondern ihre organisatorische, wirtschaftliche und finanzielle Verselbständigung befördern (vgl. BTDrucks 12/5015, S. 7). Mit der im Grundgesetz nunmehr vorgesehenen Führung der Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form sollte deren kommerzielle Ausrichtung abgesichert und ihnen ein Bereich unternehmerischer Selbstbestimmung eingeräumt werden (vgl. BTDrucks 12/5015, S. 7). Mit dieser Zielsetzung wäre es unvereinbar, die einzelnen wirtschaftlichen Entscheidungen des Unternehmens unter parlamentarische Kontrolle zu stellen.
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3. Schließlich sind auch dem Art. 87e Abs. 4 GG keine verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entnehmen, die ein Zustimmungsrecht des Deutschen Bundestages bei der Veräußerung von Vermögenswerten der Deutsche Bahn AG begründen. Nach dieser Bestimmung hat der Bund zu gewährleisten, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Art. 87e Abs. 4 Satz 2 GG sieht vor, dass das Nähere durch ein Bundesgesetz geregelt wird, das gemäß Art. 87e Abs. 5 Satz 1 GG der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Neben der Klärung der föderal-kompetenzrechtlichen Frage in Hinblick auf die Erfüllung der Gewährleistungspflicht ist der Vorschrift auch zu entnehmen, auf welche Art und Weise, nämlich durch Gesetzgebung, der Deutsche Bundestag seinen Anteil an der Erfüllung der Gewährleistungspflicht zu leisten hat. Räumte man dem Deutschen Bundestag jenseits der legislativen Mitgestaltungsmöglichkeit Beteiligungsrechte an unternehmerischen Einzelentscheidungen der Deutsche Bahn AG ein, würde deren Fähigkeit zum verfassungsrechtlich gewollten Handeln nach marktwirtschaftlicher Handlungsrationalität in erheblichem Maße beeinträchtigt. Zudem käme der durch die Entstehungsgeschichte des Art. 87e GG belegte Kompromisscharakter der Vorschrift nicht zur Geltung. Die Bundesregierung brachte gegen die vom Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren erhobene Forderung, der Bund müsse Eigentümer der Schienenwege bleiben, den Einwand an, durch die Übertragung des Eigentums an Schienenwegen auf die Deutsche Bahn AG solle gerade ein "unternehmerischer Handlungszwang" geschaffen werden. Anderenfalls sei zu befürchten, dass die Deutsche Bahn AG "ähnlich einer Behörde" die Schienenwege lediglich "verwalten" und nicht "als eigenes unternehmerisches Produktionsmittel wirtschaftlich optimal nutzen" werde (vgl. BTDrucks 12/5015, S. 16, dort alle Zitate). An diesen nach gesetzgeberischer Absicht zu vermeidenden Zustand einer bloßen Verwaltung des Vermögens der Deutsche Bahn AG näherte man sich durch eine Auslegung des Art. 87e Abs. 4 GG an, nach der die Bestimmung parlamentarische Beteiligungsrechte begründet. Den angestrebten Ausgleich (vgl. BTDrucks 12/5015, S. 8) zwischen den Positionen von Bundesregierung und Bundesrat würde eine solche Auslegung verfehlen.
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Art. 87e Abs. 4 GG erfasst zudem nicht die Tätigkeit von Eisenbahnunternehmen insgesamt, sondern ist auf den Ausbau und Erhalt des Schienennetzes sowie die Verkehrsangebote auf diesem Schienennetz sachlich beschränkt. Die Veräußerung der A...-Gesellschaften betrifft jedoch weder den Bereich der Eisenbahninfrastruktur noch den der Eisenbahnverkehrsleistungen. Mit der Veräußerung verliert die Deutsche Bahn AG zwar eine konzernrechtlich vermittelte Möglichkeit zur Inanspruchnahme der im Eigentum der A... GmbH & Co. KG stehenden Liegenschaften oder zur Aufhebung bestehender schuldrechtlicher Verschaffungspflichten zugunsten dieser Gesellschaft. Davon betroffen sind jedoch ausschließlich solche Liegenschaften, die zuvor von der Deutsche Bahn AG als nicht bahnnotwendig qualifiziert worden waren. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Klassifizierung in einer verfassungsgerichtlich zu beanstandenden Weise fehlerhaft wäre. Dass die Veräußerung der A...-Gesellschaften dazu diente, die Kapitalausstattung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen DB Netz AG und DB Station&Service AG zu steigern und dortige Verluste auszugleichen, rechtfertigt nicht die Annahme, dass der Ausbau und Erhalt des Schienennetzes oder die Verkehrsangebote betroffen seien. Denn der Zufluss finanzieller Mittel bei den für die Eisenbahninfrastruktur zuständigen Unternehmen wirkt sich auf die konkrete Gestaltung dieser Infrastruktur oder des Verkehrsangebots allenfalls mittelbar aus.
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Art. 87e Abs. 3 GG enthält in seinen Sätzen 3 und 4 ausdrückliche Vorgaben hinsichtlich der Veräußerung von Anteilen an Eisenbahnunternehmen des Bundes, deren Tätigkeit den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfasst. In Bezug auf diese Unternehmen wird bestimmt, dass die Veräußerung auf Grund eines Gesetzes zu erfolgen hat. Damit hat der Verfassungsgesetzgeber die Beteiligung des Deutschen Bundestages in sachlicher wie in formeller Hinsicht festgelegt. Diese Eingrenzung würde hinfällig, wenn dem Art. 87e Abs. 4 GG ein parlamentarisches Zustimmungsrecht in den nicht von Absatz 3 erfassten Fällen der Anteilsveräußerung zu entnehmen wäre.
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III.
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Der Antrag vom 23. Mai 2008 ist zudem verfristet, da die Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG spätestens mit Ablauf des 10. April 2008, sechs Monate nach der Sitzung des Verkehrsausschusses vom 10. Oktober 2007, endete. Zweck der Vorschrift ist es, angreifbare Rechtsverletzungen nach einer bestimmten Zeit außer Streit zu stellen. Sie dient damit der Rechtssicherheit (vgl. BVerfGE 4, 31 <37>; 80, 188 <210>; 103, 164 <171>). Es handelt sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist (vgl. BVerfGE 24, 252 <257>). Eine Wiedereinsetzung in diese Frist ist nicht möglich (vgl. BVerfGE 24, 252 <258>; 27, 294 <297>; 71, 299 <304 f.>; stRspr).
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1. Der Beginn der Sechs-Monats-Frist richtet sich nach § 64 Abs. 3 BVerfGG. Die Vorschrift stellt darauf ab, wann die Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden ist. Ein fortdauerndes, rechtserhebliches Unterlassen des Antragsgegners löst den Lauf der Antragsfrist jedenfalls dann aus, wenn er die Vornahme der begehrten Handlung erkennbar eindeutig verweigert (vgl. BVerfGE 92, 80 <89>; 103, 164 <171>; 110, 403 <405>; 114, 107 <118>; 118, 244 <256 f.>; stRspr).
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Haben die in einen Ausschuss des Deutschen Bundestages berufenen Mitglieder einer Parlamentsfraktion Kenntnis hinsichtlich einer Maßnahme oder Unterlassung, so ist diese Kenntnis der Parlamentsfraktion zuzurechnen. Bei Gegenständen, die im Plenum behandelt werden, setzt die Unterrichtung des Plenums durch die Bundesregierung die Ausschlussfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG in Gang (vgl. BVerfGE 45, 1 <30 f.>). Bei Gegenständen, die im Ausschuss behandelt werden, läuft die Frist ab dessen Unterrichtung. Die Bewältigung der parlamentarischen Arbeitslast durch die Einrichtung von Ausschüssen ist im Grundgesetz selbst vorgesehen (vgl. Art. 45, 45a, 45c GG und BVerfGE 80, 188<221 f.>). Jedes Mitglied des Deutschen Bundestages soll grundsätzlich einem Ausschuss angehören (§ 57 Abs. 1 Satz 2 GO-BT). Die Ausschüsse sind nicht nur zur Erledigung der ihnen überwiesenen Aufgaben verpflichtet (§ 62 Abs. 1 Satz 1 und 2 GO-BT), ihnen steht daneben das Recht zur Selbstbefassung mit Angelegenheiten aus ihrem Geschäftsbereich zu (§ 62 Abs. 1 Satz 3, § 64 Abs. 1 Variante 2 GO-BT). Grundgesetz (vgl. Art. 43 Abs. 1 GG) und Geschäftsordnungsrecht (vgl. §§ 68 bis 70 GO-BT) ermöglichen den Ausschüssen, sich nicht nur von der Bundesregierung, sondern auch anderweit, insbesondere über öffentliche Anhörungen Informationen zu beschaffen. Folgt aus alledem, dass sich der Deutsche Bundestag die Kenntnis eines Ausschusses über bestimmte Umstände zurechnen lassen muss, hat dies auch im Verhältnis zwischen den Fraktionen und den von ihnen entsandten Ausschussmitgliedern zu gelten.
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2. Die Sechs-Monats-Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG wurde spätestens am 10. Oktober 2007 in Gang gesetzt. Sowohl die 45. Sitzung des Verkehrsausschusses vom 19. September 2007 als auch die 46. Sitzung vom 10. Oktober 2007 waren ausweislich der Sitzungsprotokolle von dem übereinstimmenden Verständnis getragen, dass die A...-Gesellschaften veräußert worden seien und dass die Bundesregierung nicht beabsichtige, ihre Genehmigungserklärung von einer für notwendig erachteten parlamentarischen Zustimmung abhängig zu machen.
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a) Die Sitzung des Verkehrsausschusses vom 19. September 2007 fand nach dem Abschluss des notariellen Kaufvertrages zwischen der Deutsche Bahn AG und dem Erwerberkonsortium am 13. September 2007 statt. Aus dem Sitzungsprotokoll (Protokoll des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages Nr. 16/45) ergibt sich das Datum des Vertragsschlusses zwar nicht. Allerdings finden sich in den protokollierten Diskussionsbeiträgen der Abgeordneten und der Vertreter der Bundesregierung ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass den Abgeordneten bekannt war, dass der Vertrag bereits abgeschlossen und seine Wirksamkeit nur noch von der Genehmigung der Bundesregierung abhängig war. So fragte der Abgeordnete Friedrich, warum der Verkauf so schnell durchgeführt worden sei, und verlangte, dass der Verkehrsminister bis zur abschließenden Klärung der Fragen im Ausschuss seine Zustimmung nicht erteilen solle (a.a.O., S. 16). Der Abgeordnete Hermann verlangte Aufklärung darüber, ob der Aufsichtsrat und die Regierungsvertreter dem Verkauf zugestimmt hätten (a.a.O., S. 16 f.). Die sich anschließende Diskussion mit dem anwesenden Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bezog sich ausschließlich auf die Frage, ob das Bundesverkehrsministerium den Vertrag bereits genehmigt habe (a.a.O., S. 22).
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Das Protokoll der Ausschusssitzung vom 10. Oktober 2007 (Protokoll des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages Nr. 16/46) bestätigt, dass den Ausschussmitgliedern der Abschluss des Kaufvertrages bekannt gewesen ist. Der im Ausschuss anwesende Mitarbeiter der Deutsche Bahn AG stellte den Verkaufsvorgang dar und führte aus, dass den Infrastrukturunternehmen durch die A...-Transaktion Gelder zugeflossen seien (a.a.O., S. 21 f.). Zu dieser Erläuterung des Sachstandes gab es keine Rückfragen.
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b) In den Sitzungen des Verkehrsausschusses vom 19. September 2007 und vom 10. Oktober 2007 war für die im Ausschuss versammelten Abgeordneten auch erkennbar, dass die Antragsgegnerin ihre Genehmigung des Geschäfts nicht von einer parlamentarischen Zustimmungserklärung abhängig machen wollte. Aus dem protokollierten Inhalt der Sitzungen ergibt sich zwar keine ausdrückliche Weigerung der Antragsgegnerin, die Zustimmung des Deutschen Bundestages einzuholen. Die Sitzungen waren indes von dem Verständnis getragen, dass ein parlamentarisches Zustimmungsrecht nicht in Betracht komme. So erklärte der Parlamentarische Staatssekretär in der Ausschusssitzung vom 19. September 2007, dass der Vertrag von der Bundesregierung genehmigt werden müsse, die Prüfung noch ein paar Wochen dauere und die Genehmigung nicht erteilt werde, bevor nicht ein weiterer Bericht erstellt und dem Ausschuss zugeleitet worden sei (Protokoll des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages Nr. 16/45, S. 22 f.). Dass die Genehmigung durch die Antragsgegnerin von dem Ergebnis einer parlamentarischen Beschlussfassung abhängig gemacht werden sollte, ergibt sich daraus nicht. Die Ausführungen legen vielmehr gerade den Umkehrschluss nahe, dass die Antragsgegnerin die ihr im Veräußerungsvertrag eingeräumte Möglichkeit der Genehmigungserklärung nicht an eine parlamentarische Zustimmung zu koppeln beabsichtigte, sondern sich lediglich in der Pflicht sah, dem Ausschuss noch einen weiteren Bericht vorzulegen. Dies war für die Ausschussmitglieder erkennbar und wurde von ihnen auch so verstanden. Ansonsten ergäbe die Aussage des Abgeordneten Friedrich in der Sitzung vom 10. Oktober 2007 keinen Sinn. Der Abgeordnete forderte die Antragsgegnerin zur Untersagung des Verkaufs bis zur Klärung aller relevanten Punkte auf und erklärte, dass sich die FDP-Fraktion im weiteren Fortgang alle parlamentarischen Rechte offen halte (Protokoll des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages Nr. 16/46, S. 23). Wäre von einem Mitglied des Ausschusses ein parlamentarisches Zustimmungsrecht in Betracht gezogen worden, hätte es nahe gelegen, in diesem Zusammenhang hierauf zu verweisen.
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Dass die Antragsgegnerin nicht beabsichtigte, eine Zustimmung des Parlaments einzuholen, war für die Mitglieder des Verkehrsausschusses auch deshalb deutlich erkennbar, weil die Ausschusssitzung vom 10. Oktober 2007 das Ende der parlamentarischen Debatte über die Veräußerung der A...-Gesellschaften markierte. Dass nach dieser Sitzung weitere parlamentarische Schritte im Plenum des Deutschen Bundestages erfolgen sollten, lässt sich dem Ausschussprotokoll nicht entnehmen. Es wurden auch keine weiteren Schritte im Rahmen der Selbstbefassung angekündigt, etwa die Anforderung weiterer Informationen oder eine erneute Anhörung eines Mitglieds der Bundesregierung gemäß Art. 43 Abs. 1 GG.
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IV.
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Für den Antrag fehlt schließlich das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragstellerin hat es unterlassen, sich vorprozessual auf das dem Deutschen Bundestag vermeintlich zustehende Beteiligungsrecht zu berufen.
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1. Den Antragsteller im Organstreitverfahren trifft im Regelfall nicht die Obliegenheit, vor der Antragstellung politische Handlungsmöglichkeiten zu ergreifen und etwa den Versuch zu unternehmen, eine Beschlussfassung des Deutschen Bundestages in seinem Sinne herbeizuführen (vgl. BVerfGE 90, 286 <338 f.>; 104, 151 <198>; vgl. auch BVerfGE 121, 135 <153>). Das Bundesverfassungsgericht hat auf einen ihm angetragenen Organstreit hin nicht darüber zu befinden, ob dem Antragsteller zur Verfolgung seines Prozesszieles außerhalb der gewählten Verfahrensart andere gleichwertige verfassungsrechtliche Wege offengestanden hätten oder noch offenstehen (vgl. BVerfGE 45, 1 <30>; 90, 286 <338 f.>). Umso weniger darf es einen Antragsteller auf Wege rein politischen Agierens verweisen, die dem Organstreit verfassungsrechtlich schon deshalb nicht gleichwertig sind, weil eine Klärung der grundgesetzlichen Rechte der Beteiligten auf diese Weise nicht erreicht werden kann (vgl. BVerfGE 90, 286 <338 f.>).
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Indessen obliegt es dem Antragsteller, vor der Einleitung eines Organstreits das in Streit stehende Recht geltend zu machen, wenn dessen Bestehen bislang nicht in Erwägung gezogen worden ist. Dem tatsächlich oder vermeintlich Verpflichteten wird erst durch die Geltendmachung des Rechts Veranlassung gegeben, die Rechtslage seinerseits zu prüfen und gegebenenfalls dem Begehren des Berechtigten und damit seinen verfassungsrechtlichen Pflichten nachzukommen. Die damit verbundene Verpflichtung, sich bereits im politischen Prozess mit der Verfassungsrechtslage zu befassen und beanspruchte Rechte zu artikulieren, stellt keine unzumutbare Belastung dar. Denn sie ist lediglich Konsequenz dessen, dass der Organstreit als kontradiktorisches Verfahren ausgestaltet ist, in dem über streitig gewordene Rechte und Pflichten zwischen den Beteiligten zu befinden ist (vgl. BVerfGE 20, 18 <23 f.>), und geht nicht über das hinaus, was für den Umgang zwischen Verfassungsorganen als selbstverständlich zu erwarten ist.
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2. In den Sitzungen des Verkehrsausschusses vom 19. September 2007 und vom 10. Oktober 2007 ist ein Zustimmungsrecht des Deutschen Bundestages nicht geltend gemacht worden. Der Abgeordnete Hermann führte aus, dass er es dreist fände, "nebenbei anderthalb Milliarden zu veräußern, ohne dass eine politische Debatte stattgefunden habe und ohne dass das Parlament daran beteiligt gewesen sei. Hier werde man weiter nachfragen und eventuell den Unterausschuss bemühen." (Protokoll des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages Nr. 16/45, S. 16 f.). Die Abgeordnete Menzner regte an, "dass das Parlament hier doch sehr viel genauer hinschaue" (a.a.O., S. 17). Alle Beiträge zur Debatte zielten auf Beteiligungen in Form von weiteren Ausschusssitzungen zum Thema, Berichterstattung der Antragsgegnerin oder Anhörung von Regierungsmitgliedern ab. Ein mögliches Zustimmungsrecht des Deutschen Bundestages stand dagegen nicht zur Diskussion. Auch in früheren Fällen, in denen die Deutsche Bahn AG Vermögensgegenstände veräußert hatte, war ein solches Recht gegenüber der Antragsgegnerin weder durch die Antragstellerin noch durch andere geltend gemacht worden.
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Die Geltendmachung eines Zustimmungsrechts ergibt sich erst aus dem Inhalt der Kleinen Anfrage vom 29. Januar 2008 (vgl. BTDrucks 16/7949). Die Anfrage erfolgte aber in einem deutlichen zeitlichen Abstand zum Veräußerungsvorgang, der durch die Genehmigung der Antragsgegnerin vom 23. November 2007 abgeschlossen worden war. Die Anfrage ist rückblickend formuliert. Sie sollte und konnte ein rechtserhebliches Handeln der Antragsgegnerin nicht mehr auslösen.
(1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.
(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.
(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.
(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.
(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 8. März 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Klägerin, für ihre Fahrzeug-Übergangseinrichtungen in O. und X. auf T. Nutzungsbedingungen für Serviceeinrichtungen aufzustellen.
3Die Klägerin ist ein öffentliches Eisenbahnverkehrsunternehmen, das zum DB-Konzern gehört. Sie ist Rechtsnachfolgerin der E. GmbH, die mit Wirkung vom 27. September 2013 auf sie verschmolzen wurde. Sie bietet u.a. Eisenbahnverkehrsleistungen mit Autoreisezügen von 16 Verladestationen aus an, die von der DB Station & Service betrieben werden. Den sogenannten T1. über den I.---------damm betreibt die Klägerin allerdings von eigenen Fahrzeug-Übergangseinrichtungen in O. und X. auf T. aus. Dabei fahren ihre Kunden mit den eigenen Fahrzeugen auf die an der Verladestation stehenden Züge auf und verbleiben während der Fahrt in ihren Fahrzeugen. Motorradfahrer fahren mit ihren Motorrädern in einen Waggon hinein und getrennt von diesen in einem Sitzplatzabteil im selben Waggon. Die Züge des T1. verkehren tagsüber in einem Takt von 30 bzw. 60 Minuten bei einer Fahrzeit von 35 Minuten.
4Nach Anhörung verpflichtete die Bundesnetzagentur die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die E. GmbH (im Folgenden: Klägerin), mit Bescheid vom 14. Oktober 2010, für die von ihr betriebenen Verladestationen in O. und X. Nutzungsbedingungen für Serviceeinrichtungen (NBS) aufzustellen (Ziff. 1.). Des Weiteren wurde ihr aufgegeben, die Bundesnetzagentur über die aufgestellten Nutzungsbedingungen bis zum 14. Januar 2011 gemäß § 14d Satz 1 Nr. 6 AEG zu unterrichten (Ziff. 2). Die Verfügungen der Bundesnetzagentur waren mit der Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 25.000 Euro für den Fall der gänzlichen oder teilweisen Nichtbefolgung verbunden (Ziff. 3). Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Klägerin sei als öffentliches Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EIBV zur Aufstellung von NBS verpflichtet. Ihre Verladestationen in O. und X. seien nach der gebotenen funktionalen Betrachtung Eisenbahninfrastruktur i. S. d. § 2 Abs. 3 AEG. Sie stellten einen Personenbahnhof i. S. d. § 2 Abs. 3c Nr. 2 AEG dar, weil sie in erster Linie für den Transport von Personen gedacht seien, die ihre Fahrzeuge mit sich führten. Im Ergebnis könne die genaue Zuordnung der Verladestationen zu einer der im Katalog des § 2 Abs. 3c AEG genannten Serviceeinrichtungen offen bleiben, weil die dargestellte kombinierte Beförderung von Personen und Kraftfahrzeugen entweder § 2 Abs. 3c Nr. 2 AEG (Personenbahnhöfe) oder § 2 Abs. 3c Nr. 3 AEG (Güterbahnhöfe und -terminals) unterfalle. Die aus § 10 Abs. 1 EIBV folgende Pflicht zur Aufstellung von NBS werde nicht durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2001/14/EG eingeschränkt, der auf vertretbare Alternativen unter Marktbedingungen abstelle. Die Vorschrift beziehe sich allein auf die Ablehnung eines konkreten Zugangsantrags; zudem habe der deutsche Gesetzgeber eine weiter gehende Öffnung der Eisenbahninfrastruktur regeln können. § 10 Abs. 1 EIBV sei auch nicht aufgrund der technischen Beschaffenheit der Verladeeinrichtungen oder aus Kapazitätsgründen unanwendbar. Es sei aufgrund der Bauart jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass auch Mitbewerber der Klägerin diese Stationen mit ihren Fahrzeugen nutzten.
5Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Den vorläufigen Rechtsschutzantrag der Klägerin lehnte das Verwaltungsgericht Köln mit Beschluss vom 9. Dezember 2010 - 18 L 1710/10 - ab. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg (OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2011 - 13 B 1818/10 -). Noch am 13. Januar 2011 teilte die Klägerin gemäß § 14d Satz 1 Nr. 6 AEG „aufgrund des sofort vollziehbaren Bescheides“ und „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ die beabsichtigte Neufassung der Nutzungsbedingungen für Serviceeinrichtungen (Nutzungsbedingungen für die Fahrzeug-Übergangseinrichtungen der E. GmbH für die Standorte O. - X. , NB-FÜ NW) mit. Am 24. Januar 2011 übersandte sie, ebenfalls ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, die Entgeltliste.
6Die Bundesnetzagentur wies den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2011 als unbegründet zurück. Zur Begründung nahm sie auf den Ausgangsbescheid Bezug und machte ergänzend geltend, die Klägerin habe auch in ihrer Widerspruchsbegründung nicht dargelegt, dass tatsächlich vertretbare Alternativen für die Durchführung von Autoreisezugverkehren von und nach T. vorhanden seien. Wegen der seitlichen Beladung in den Verladestationen O. und X. sei schon zweifelhaft, ob die anderen Verladerampen mit einer allein von der Kopfseite des Zugs her möglichen Beladung überhaupt eine geeignete Alternative für Mitbewerber der Klägerin darstellten. Insgesamt wäre eine Nutzung der Rampen mit deutlich erhöhtem betrieblichen Aufwand verbunden. Für weitere von der Klägerin benannte Rampen sei das wegen ihrer knappen Darlegungen nicht zu beurteilen.
7Die Klägerin hat am 9. Januar 2012 Klage erhoben, zu deren Begründung sie ausgeführt hat: Sie sei nicht verpflichtet, NBS aufzustellen, weil sie kein EIU im Sinne von § 2 Abs. 2 Alt. 2 AEG sei. Ihre Verladestationen seien keine Eisenbahninfrastruktur gemäß § 2 Abs. 3 AEG. Aus Gründen des Verfassungs- und Europarechts sei eine Einschränkung auf solche Betriebsanlagen vorzunehmen, zu denen es keine vertretbaren Alternativen unter Marktbedingungen gebe; es müsse sich um wesentliche Einrichtungen im Sinne der „essential facilities doctrine“ handeln. Das folge aus dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit sowie aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2001/14/EG, wonach entsprechende Anträge von Eisenbahnunternehmen nur abgelehnt werden könnten, wenn vertretbare Alternativen unter Marktbedingungen vorhanden seien. Vertretbare Alternativen seien die von der DB Station & Service AG in den Bahnhöfen X. und O. betriebenen Autoreisezugterminals, ferner die Rampen in L. , L1. sowie auf dem Flugplatz in X. . Darüber hinaus seien die in Rede stehenden Verladestationen auch keine Serviceeinrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 3c AEG, weil es sich bei ihnen weder um Personenbahnhöfe noch um Güterbahnhöfe oder andere technische Einrichtungen, sondern um Eisenbahneinrichtungen sui generis handele. Die Verladestationen unterfielen auch deshalb nicht der Regulierung und Pflicht zur Aufstellung von NBS, weil sie schon nicht verpflichtet sei, Dritten Zugang zu gewähren. Sie betreibe ihre Verladestationen im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 AEG ausschließlich für den eigenen Güterverkehr und sie seien aus objektiven eisenbahnbetrieblichen Gründen nicht für eine Drittnutzung geeignet. Eine Verdrängung durch andere Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) wäre rechtlich unzulässig. Da sie auf unabsehbare Zeit Nutzungsanträgen Dritter nicht entsprechen könne, sei die Verpflichtung zur Aufstellung von NBS zugleich ermessensfehlerhaft, weil sie weder einen Transparenzgewinn erbrächten noch zur Sicherstellung eines Wettbewerbs beitrügen. Im Übrigen habe bei ihr kein anderes EVU Zugangsanträge zu den Verladestationen gestellt.
8Die Klägerin hat beantragt,
9den Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 2010 und den Widerspruchsbescheid
10vom 7. Dezember 2011 aufzuheben.
11Die Beklagte hat beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung hat sie in Ergänzung ihrer Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden vorgetragen: Nach ihrer Funktion seien die Verladestationen Personenbahnhöfe. Beim T1. liege der Schwerpunkt auf dem Transport von Personen, die unter Mitnahme ihres Kraftfahrzeugs auf die Insel T. bzw. von dort auf das Festland gelangen wollten. Bei gegenteiliger Sichtweise stellten die Verladeeinrichtungen jedenfalls Güterbahnhöfe bzw. Güterterminals i. S. d. § 2 Abs. 3c Nr. 3 AEG dar, weshalb die genaue Zuordnung zu einer der Katalognummern dahinstehen könne. Die abschließende Aufzählung der Serviceeinrichtungen in § 2 Abs. 3c AEG diene nicht dazu, solche Anlagen auszunehmen, die sich unter mehr als einen der dort genannten Begriffe subsumieren ließen. Bei § 2 Abs. 3 AEG und bei der Pflicht zur Aufstellung von NBS handele es sich um verfassungsrechtlich unbedenkliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14/EG regle nicht die Zuordnung von Serviceeinrichtungen zur Eisenbahninfrastruktur, sondern die Reichweite des Diskriminierungsverbots. Außerdem habe der deutsche Gesetzgeber etwaige Einschränkungen des Zugangsrechts auf wesentliche Einrichtungen nicht in das deutsche Eisenbahnrecht übernommen, was möglich sei, weil das Europarecht lediglich Mindestanforderungen für den Eisenbahnsektor vorgebe.
14Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 8. März 2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei als Betreiberin von Serviceeinrichtungen i. S. d. § 2 Abs. 3c AEG und damit öffentliches EIU gemäß § 10 Abs. 1 EIBV verpflichtet, NBS aufzustellen. Die in Rede stehenden Verladestationen in O. und X. seien als Serviceeinrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 3c AEG Eisenbahninfrastruktur. Es könne offen bleiben, ob es sich – wofür viel spreche – (allein) um Personenbahnhöfe im Sinne des § 2 Abs. 3c Nr. 2 AEG oder um kombinierte Personen- und Güterbahnhöfe handele. Die Klägerin sei bezüglich dieser Serviceeinrichtungen auch nicht deshalb von der Eisenbahnregulierung ausgenommen, weil diese Anlagen von keinem anderen als von ihr benutzt werden könnten bzw. immer nur einer die Verladestationen nutzen könne. Es liege keine objektive Unmöglichkeit vor, weil entsprechende Fahrzeuge, die auf die speziellen Verladestationen der Klägerin abgestimmt seien, auch von anderen EVU in Auftrag gegeben und benutzt werden könnten. Der Gesetzgeber gehe mit seiner Verpflichtung der EIU in § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AEG, für eine diskriminierungsfreie Erbringung der angebotenen Leistungen zu sorgen, und dem in § 10 Abs. 5 und 6 EIBV vorgesehenen Entscheidungs- und Koordinierungsverfahren auch gerade davon aus, dass nur eines von mehreren EVU Zugang erhalte. Serviceeinrichtungen unterfielen dem regulierungsrechtlichen Eisenbahninfrastrukturbegriff auch nicht nur insoweit, als für EVU keine Alternativen unter Marktbedingungen existierten. Eine solche Einschränkung des Umfangs des deutschen Eisenbahnregulierungsrechts folge insbesondere nicht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2001/14/EG. Der deutsche Gesetzgeber sei auch nicht gehalten, den Ablehnungsgrund vertretbarer Alternativen unter Marktbedingungen in das nationale Recht zu übernehmen. § 2 Abs. 3 und 3c AEG sowie die durch § 10 EIBV normierte Pflicht zur Aufstellung von NBS verstießen nicht gegen deutsches Verfassungsrecht.
15Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Bei den von ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin eigenwirtschaftlich aufgebauten und betriebenen Fahrzeugübergangseinrichtungen handele es sich um technisch wie betrieblich maßgeschneiderte Einrichtungen, die allein zu dem Zweck konzipiert worden seien, ihr die Erbringung ihrer Verkehrsleistungen zu ermöglichen. Die auf der Strecke eingesetzten Waggons seien Sonderanfertigungen für den T1. , die Zuglängen sowie Fahrzeuge exakt auf die Übergangsrampen abgestimmt und die Infrastrukturkapazitäten zu den Hauptverkehrszeiten vollständig ausgelastet. Vor dem Hintergrund dieses einzigartigen integrierten Infrastruktur- und Transportsystems scheide es aus, sie als Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Sinne von § 2 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 AEG zu qualifizieren. Die mit der Gewährung von Zugriffsrechten verbundene Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit (Art. 87e GG i.V.m. Art. 12, 14 GG) als Eisenbahnverkehrsunternehmen sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Ein Zugangsrecht zu nicht wesentlichen Einrichtungen im Sinne der „essential facilities doctrine“ sei keine verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung. Eine entsprechende Einschränkung ergebe sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2001/14/EG, der bei der Auslegung des deutschen Eisenbahnregulierungsrechts zu berücksichtigen sei. Die Vorschrift ermögliche nicht allein die Ablehnung einzelner Zugangsanträge nach Art einer Feinsteuerung, sondern erlaube es in Fällen wie dem vorliegenden, die Anlage gänzlich aus dem Begriff der Eisenbahninfrastruktur herauszunehmen. Schließlich fielen die Verladestationen auch nicht unter den Begriff des Personenbahnhofs nach § 2 Abs. 3c Nr. 2 AEG oder in eine andere in § 2 Abs. 3c AEG genannte Kategorie von Serviceeinrichtungen; sie seien nach Konstruktion und Bauart weder mit Personen- noch mit Güterbahnhöfen vergleichbar. Die Aufzählung des Gesetzgebers mache deutlich, dass nur bestimmte Einrichtungen mit spezifischen Funktionen Eisenbahninfrastruktur seien, wobei hier keine funktionale, sondern eine betriebstechnisch-bauliche Betrachtung geboten sei. Auch eine kombinierte Einordnung als Personen- und Güterbahnhof scheide aus, da die betreffende Anlage hierfür sämtliche Begriffsmerkmale beider Serviceeinrichtungen erfüllen müsse, die sich nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) und der Eisenbahnverkehrsordnung (EVO) bestimmten.
16Die Klägerin beantragt,
17das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 8. März 2013 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Zur Begründung nimmt sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie auf das Urteil des Senats zu Wartungseinrichtungen vom 18. Februar 2013 ‑ 13 A 474/11 ‑ Bezug und führt weiter aus: Das europäische Recht gehe bei der Ausfüllung des Begriffs „Personenbahnhöfe“ nicht von der äußeren Erscheinungsform, sondern von der Funktion der Infrastruktureinrichtung aus. Es komme darauf an, ob die Einrichtung ungeachtet ihrer Gestalt dazu diene, Personen die Beförderung über die Schiene zu ermöglichen, was hier der Fall sei. Die baulichen bzw. betrieblichen Zielsetzungen dienenden Vorschriften der EBO und der EVO seien zur Auslegung des Begriffs der Personenbahnhöfe im AEG, mit dem Unionsrecht umgesetzt worden sei, nicht geeignet. Die Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden. Technisch komplexe Vorgaben rechtfertigten nicht die Annahme, eine Drittnutzung sei unmöglich. Vielmehr könnten EVU erst durch die aufgestellten Nutzungsbedingungen abschätzen, ob sich die Investition in die erforderliche Technik rentiere. Eine besondere Eingriffsintensität ergebe sich nicht daraus, dass die Klägerin auch Eisenbahnverkehrsunternehmen sei. Ein Grundsatz, dass ein Infrastrukturunternehmen, das auch Verkehrsleistungen erbringe, vor Wettbewerb geschützt sei, lasse sich dem Eisenbahnrecht nicht entnehmen. Soweit die Aufstellung von NBS zu (mehr) Wettbewerb im Verkehrsbereich führe, sei dies gerade Ziel des Eisenbahnregulierungsrechts und insoweit eine vom Gesetzgeber anerkannte Betroffenheit.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
24A. Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage, nachdem die Klägerin am 13. Januar 2011 NBS vorgelegt hat. Die Klägerin ist nach dem erfolglosen, durch Zurückweisung der Beschwerde am 13. Januar 2011 abgeschlossenen Eilverfahren zwar der Anordnung nachgekommen, die Bundesnetzagentur über die aufgestellten Nutzungsbedingungen bis zum 14. Januar 2011 gemäß § 14d Satz 1 Nr. 6 AEG zu unterrichten. Sie hat dies aber ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht getan und wollte damit nur Vollstreckungsmaßnahmen abwenden. Auch könnte die Erfüllung der regulierungsrechtlichen Verpflichtung im Falle eines Obsiegens rückgängig gemacht werden.
25B. Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Bundesnetzagentur vom 14. Oktober 2010 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
26I. Rechtsgrundlage ist § 14c Abs. 1 AEG. Nach dieser Vorschrift kann die Regulierungsbehörde in Wahrnehmung ihrer Aufgaben gegenüber öffentlichen Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Maßnahmen treffen, die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße gegen die Vorschriften des Eisenbahnrechts über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur erforderlich sind. Die Anwendung der Vorschrift kommt hier in Betracht, weil die spezielleren Eingriffsermächtigungsnormen §§ 14e und 14f AEG nicht einschlägig sind, nach denen die Regulierungsbehörde allein bereits aufgestellte Nutzungsbedingungen prüfen kann. Die Verpflichtung, Nutzungsbedingungen für Serviceeinrichtungen aufzustellen, ist hingegen eine zulässige Maßnahme im Sinne des § 14c Abs. 1 AEG.
27Auf der Grundlage von § 14c Abs. 1 AEG kann die Regulierungsbehörde zur Einhaltung sämtlicher Pflichten anweisen, die sich aus den §§ 14 bis 14f AEG sowie der Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung (EIBV) ergeben.
28Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Februar 2013 ‑ 13 A 474/11 -, DVBl. 2013, 663, sowie Beschlüsse vom 24. Februar 2012 – 13 B 18/12 -, juris, vom 13. Oktober 2009 ‑ 13 B 1334/09 -, NVwZ-RR 2010, 223, und vom 13. Januar 2011 - 13 B 1818/10 -, NVwZ-RR 2011, 361.
29II. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 14c Abs. 1 AEG sind gegeben. Die Klägerin ist ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen (1.), das es unter Verstoß gegen § 10 Abs. 1 Satz 1 EIBV unterlassen hat, Nutzungsbedingungen für seine Fahrzeug-Übergangseinrichtungen in O. und X. aufzustellen (2.).
301. Die Klägerin ist ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Nach § 2 Abs. 1 2. Alt. AEG sind dies öffentliche Einrichtungen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen, die eine Eisenbahninfrastruktur betreiben. Dies kann auch durch die in § 2 Abs. 1 1. Alt. AEG definierten Eisenbahnverkehrsunternehmen – Unternehmen, die Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen – erfolgen, d. h. diese können eine Doppelfunktion einnehmen und zugleich eine Eisenbahninfrastruktur betreiben.
31Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Februar 2013 - 13 A 474/11 -, a. a. O., und Beschluss vom 22. Februar 2008 - 13 B 68/08 -, N&R 2008, 152; Kunz (Hrsg.), Eisenbahnrecht, A 4.1, Stand 2009, § 2 AEG, Rn. 1.
32a. Die Klägerin betreibt mit ihren Verladestationen eine Eisenbahninfrastruktur. Sie sind Serviceeinrichtungen im Sinne von § 2 Abs. 3c AEG (aa.) und als solche Teil der Eisenbahninfrastruktur im Sinne des § 2 Abs. 3 AEG (bb.).
33aa. Die Verladestationen sind den Personen- und Güterbahnhöfen im Sinne von § 2 Abs. 3c Nr. 2 und 3 AEG zuzuordnen.
34Die Aufzählung der Serviceeinrichtungen in § 2 Abs. 3c AEG ist abschließend, wie das Fehlen des Merkmals „insbesondere“ und die Verwendung des Begriffs „und“ am Ende von Nr. 7 dieser Vorschrift zeigen. Die rechtliche Zuordnung zu einer Einrichtung in dem Katalog der Serviceeinrichtungen nach § 2 Abs. 3c Nr. 1 bis 8 AEG ist aber nicht anhand des jeweils typischen äußeren Erscheinungsbildes vorzunehmen. Die von der Klägerin geforderte betriebstechnisch-bauliche Betrachtungsweise unter Heranziehung der Begriffsbestimmungen in der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) sowie der Eisenbahnverkehrsordnung (EVO) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Vielmehr ist im Hinblick auf die Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen eine funktionale Betrachtung geboten, der eine weite Auslegung der eisenbahnrechtlichen Regulierungsvorschriften zugrundeliegt.
35Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2011 - 13 B 1818/10 -, a. a. O.
36Das Gebot eines weiten Begriffsverständnisses hinsichtlich der einzelnen Serviceeinrichtungen lässt sich schon aus dem Wortlaut ableiten. So heißt es etwa in § 2 Abs. 3c Nr. 2 AEG, dass Serviceeinrichtungen Personenbahnhöfe, deren Gebäude und sonstige Einrichtungen sind, und in Nr. 7, dass Wartungseinrichtungen und andere technische Einrichtungen Serviceeinrichtungen sind. Der Katalog knüpft damit gerade nicht an die betriebs- und verkehrstechnischen Begriffsbestimmungen, sondern an die Funktionen der Einrichtungen an. Aus dem Sinn und Zweck des Regulierungsrechts folgt, dass die eisenbahnrechtlichen Regulierungsvorschriften weit auszulegen sind. Mit Rücksicht auf die Gewährleistung eines sicheren Betriebs der Eisenbahn und eines attraktiven Verkehrsangebots auf der Schiene und unter Berücksichtigung der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs auf der Schiene (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 AEG) kann nur eine Rechtsanwendung in Betracht kommen, die sowohl den typischen als auch den atypischen Sachverhalt rechtlich angemessen zu würdigen weiß. § 2 Abs. 3 AEG soll alle Infrastruktureinrichtungen erfassen, die für die Märkte des Schienenpersonen- und -güterverkehrs bedeutsam sind. Bezogen auf Serviceeinrichtungen können besondere Ausprägungen von Einrichtungen von § 2 Abs. 3c Nr. 2 AEG erfasst sein, wenn der Regulierungsadressat unter Berücksichtigung eines technisch-funktionalen Zusammenhangs mit dem Eisenbahnbetrieb hinreichend erkennen kann, ob etwa ein Personen- oder Güterbahnhof in Rede steht. Eine auf die äußere Erscheinungsform bezogene Betrachtung scheidet deshalb aus. Vielmehr kommt es auf den Zweck und die typischen Betriebsabläufe an der zu betrachtenden Eisenbahninfrastruktureinrichtung an.
37Diese Auslegung begegnet auch vor dem Hintergrund des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots keinen verfassungsrechtlichen Bedenken und steht nicht im Widerspruch zum Unionsrecht. Anhang II zur Richtlinie 2001/14/EG, der diese Serviceeinrichtungen behandelt, ist mit der nationalen Bestimmung größtenteils textidentisch.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2011 - 13 B 1818/10 -, a. a. O.
39Hiervon ausgehend hält der Senat an seiner Wertung im vorgenannten Beschluss im parallelen Eilverfahren fest, wonach die Verladestationen der Klägerin in O. und X. Einrichtungen sind, die nach ihrer Funktion sowohl der Beförderung von Personen als auch der Beförderung von Gütern dienen. Damit sind die Voraussetzungen von Personen- und Güterbahnhöfen im Sinne von § 2 Abs. 3c Nr. 2 und 3 AEG gegeben. Dass den Fahrzeug-Übergangseinrichtungen nach dem Vorbringen der Klägerin typische Merkmale eines Personenbahnhofs ‑ wie übliche Bahnsteige ‑ fehlen, hat keine ausschlaggebende Bedeutung. Hauptzweck dieser Einrichtungen ist die Beförderung von Reisenden, die ein Kfz oder ein Motorrad mit sich führen, vom Festland nach T. und zurück. Im Übrigen verwendet die Klägerin Waggons für Motorradfahrer, da diese während der Überfahrt nicht bei ihren Motorrädern bleiben können. Die Verladestationen sind, auch wenn die Reisenden nicht über einen gewohnten Bahnsteig – von der Längsseite – in den Waggon einsteigen, nicht ohne und auch nicht getrennt von ihren Fahrzeugen in einem Reisezugwaggon fahren können, insoweit Personenbahnhöfe in einem funktionalen Sinn. Was die Beförderung von Fahrzeugen, aber auch von sonstigen Gütern, etwa auf Lastkraftwagen, angeht, handelt es sich funktionell um Güterbahnhöfe.
40Die Notwendigkeit der Zuordnung zu einer einzigen Katalogziffer des § 2 Abs. 3c AEG lässt sich auch nicht aus der Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung ableiten. Die Anforderungen des § 10 Abs. 1 Satz 4 EIBV an die NBS sind für Personenbahnhöfe und Güterbahnhöfe identisch.
41§ 2 Abs. 3c AEG ist ferner nicht wegen der technischen Beschaffenheit der klägerischen Einrichtungen oder aufgrund von Kapazitätserwägungen einschränkend auszulegen. Ob die Fahrzeug-Übergangseinrichtungen in O. und X. zur Drittnutzung geeignet, ob Nutzungen durch verschiedene Zugangsberechtigte möglich und wie die Anlagen konkret nutzbar sind, ist ohne Bedeutung für die Subsumtion unter den Tatbestand des § 2 Abs. 3c AEG. Die diesbezüglichen Einwände der Klägerin richten sich letztlich gegen die Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Bescheide und damit gegen die Ermessensausübung durch die Bundesnetzagentur.
42bb. Als Serviceeinrichtungen sind die Verladestationen Teil der Eisenbahninfrastruktur gemäß § 2 Abs. 3 AEG. Danach umfasst diese die Betriebsanlagen der Eisenbahnen einschließlich der Bahnstromfernleitungen. Serviceeinrichtungen werden zwar in dieser Vorschrift nicht genannt. Sie zählen aber zu den Betriebsanlagen der Eisenbahnen im Sinne von § 2 Abs. 3 AEG.
43Der Begriff der Betriebsanlagen wird im Allgemeinen Eisenbahngesetz nicht bestimmt, sondern – etwa in §§ 4 Abs. 6 Satz 1, 5a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 18 Satz 1 AEG – nur verwendet. Nach seinem Wortsinn sind hierunter alle Anlagen zu fassen, die einen Betriebsbezug aufweisen, d. h. unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse funktional für den Eisenbahnbetrieb erforderlich sind. Dies ist für Serviceeinrichtungen ohne Weiteres zu bejahen. Für die Einbeziehung der Serviceeinrichtungen in den Begriff der Betriebsanlagen streitet neben dem Wortlaut insbesondere die systematische Stellung von Absatz 3c des § 2 AEG, der als Unterfall Absatz 3 der Vorschrift zugeordnet ist, in dem die Eisenbahninfrastruktur geregelt ist. Die systematische Verortung an dieser Stelle – anstelle der Anfügung weiterer Absätze nach Absatz 9 des § 2 AEG – spricht gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe damit lediglich die Bezifferung bereits existierender Normen beibehalten wollen. Dies zeigt auch der Blick auf die Absätze 3a und 3b, die als Unterpunkte zu Absatz 3 den Betrieb von Schienenwegen regeln. Dass der Gesetzgeber Serviceeinrichtungen in § 2 Abs. 3c AEG separat aufführt, dürfte allein redaktionelle Gründe haben. Für Schienenanlagen im weiteren Sinne und Serviceeinrichtungen gelten unterschiedliche Rechte und Pflichten. Dass § 2 Abs. 3c AEG die eisenbahnrechtliche Infrastruktur aufzählt, zeigen auch § 14 Abs. 5 Satz 1 AEG und § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AEG, die die Zuordnung der im Eisenbahngesetz bestimmten Serviceeinrichtungen zur Eisenbahninfrastruktur voraussetzen. Dieses Verständnis entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der den Infrastrukturbegriff mit dem planfeststellungsrechtlichen Begriff der Betriebsanlagen der Eisenbahn des § 18 Absatz 1 Satz 1 AEG in Einklang bringen und die Unterscheidung zwischen einem zugangsrechtlichen und einem planfeststellungsrechtlichen Begriff für Anlagen aufgeben wollte (BT-Drs. 15/3280 vom 10. Juni 2004, S. 14). Gerade angesichts der Gesetzesbegründung überzeugt die Auffassung nicht, § 2 Abs. 3 AEG liege ein eigenständiger, regulierungs- oder netzzugangsrechtlicher, wettbewerbsbezogener Begriff der Eisenbahninfrastruktur zugrunde. Ein solcher Ansatz findet ferner weder im Wortlaut noch in der Systematik der Vorschrift einen Anhalt. Auch Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3, Abs. 3c AEG lassen sich hierfür nicht anführen. In erster Linie sollte mit § 2 Abs. 3 AEG das nationale Recht an die veränderten Zugangsrechte nach der Richtlinie 2001/14/EG angepasst werden.
44Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Urteil vom 18. Februar 2013 - 13 A 474/11 -, a. a. O.
45b. Weder das Verfassungs- noch das Unionsrecht gebieten eine einschränkende Auslegung des Begriffs der Eisenbahninfrastruktur gemäß § 2 Abs. 3 AEG. Insbesondere ist der Auffassung der Klägerin nicht zu folgen, er sei – entsprechend dem kartellrechtlichen Zugangsanspruch nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB – auf wesentliche Eisenbahnbetriebsanlagen („essential facilities“) zu beschränken, zu denen es im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2001/14/EG keine vertretbaren Alternativen unter Marktbedingungen gebe.
46aa. Die Klägerin kann sich schon nicht auf Art. 14 Abs. 1 GG oder Art. 12 Abs. 1 GG berufen. Als juristische Person des Privatrechts in staatlichem Eigentum – ihre Anteile gehören zu 100 % dem Bund – ist die Klägerin nicht grundrechtsfähig, weil auf sie die Grundrechte ihrem Wesen nach nicht anwendbar sind (Art. 19 Abs. 3 GG).
47OVG NRW, Urteil vom 18. Februar 2013 – 13 A 474/11 -, a. a. O .; offen gelassen von BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2010 - 3 C 21.09 -, BVerwGE 137, 58; wie hier Bay. VGH, Beschluss vom 24. Juli 2008 - 22 ZB 07.1938 -, NVwZ-RR 2009, 16; Dreier, in: Dreier, GG, 2. Auflage 2004, Art. 19 III Rn. 70; Grupp, DVBl. 1996, 591 (594); Hammer, DÖV 2011, 761 (765); Hermes/ Schweinsberg, in: Hermes/Sellner, Beck'scher AEG Kommentar, 2006, § 5a Rn. 2; Kramer, DVBl. 2010, 1052; Remmert, in: Epping/ Hillgruber, GG, 2009, Art. 87e Rn. 13; Wachinger, in: Ronellenfitsch/ Schweinsberg/ Henseler-Unger, Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts XVII, 2012, S.177 (190); a. A. Uerpmann, in: von Münch/Kunig, GG, 5. Auflage 2003, Art. 87e Rn. 10; Windthorst, in: Sachs, GG, 5. Auflage 2009; wohl auch Gersdorf, in: von Mangoldt/ Klein/ Starck, GG, 6. Auflage 2010, Art. 87e Rn. 53.
48Unabhängig davon liegt jedenfalls eine verfassungsmäßige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vor.
49Der Gesetzgeber hat die schutzwürdigen Interessen der Infrastrukturbetreiber und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis gebracht. Auszugehen ist bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von der – zulässigerweise pauschalisierenden und typisierenden, abstrakt-generellen – Wertung des Gesetzgebers, dass im Eisenbahnrecht zur Sicherstellung des wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs auf der Schiene bei dem Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen und dem Betrieb von Eisenbahninfrastrukturen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AEG) grundsätzlich eine Regulierung erforderlich ist. Nutzungsbedingungen kommt eine Informationsfunktion zu; mit ihnen soll, wie auch der fünfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/14/EG zeigt, Transparenz und ein diskriminierungsfreier Zugang für alle Eisenbahnunternehmen sichergestellt werden.
50Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 ‑ 6 C 17.10 -, BVerwGE 140, 359, und vom 13. Juni 2012 – 6 C 42.10 -, NVwZ 2012, 154; OVG NRW, Urteil vom 18. Februar 2013 - 13 A 474/11 -, a. a. O.; Kunz (Hrsg.), Eisenbahnrecht, Band II, § 10 EIBV, Stand 2011, Rn. 3; Serong, N&R 2009, 108.
51Die Einbeziehung sämtlicher Infrastruktureinrichtungen und damit auch der Verladestationen in § 2 Abs. 3 AEG und § 10 Abs. 1 Satz 1 EIBV ist zur Sicherstellung und Förderung des chancengleichen Wettbewerbs geeignet und erforderlich. Der Eingriffszweck steht auch in einem angemessenen Verhältnis zur Intensität der individuellen Rechtsbeeinträchtigung. Insoweit ist vorliegend zu berücksichtigen, dass lediglich die Pflicht zum Aufstellen von Nutzungsbedingungen in Rede steht. Dies mag eine vorgelagerte Zugangsleistung sein; sie ist aber von der Zugangsberechtigung und dem tatsächlichen Zugang Dritter zu trennen. Schon deshalb erfordert die von der Klägerin angeführte spezifische Eingriffslage, die sich aus ihrer Doppelrolle als Eisenbahninfrastruktur- und Eisenbahnverkehrsunternehmen sowie der Einzigartigkeit des Systems T1. ergebe, keine andere Bewertung. Im Übrigen rechtfertigen die Regulierungsziele des § 1 Abs. 1 AEG die Verpflichtung zur Zugangsgewährung auch dann, wenn das Eisenbahn(infrastruktur)unternehmen die Entscheidung getroffen hat, unter einem Dach auch Eisenbahnverkehrsleistungen anzubieten. Schließlich wird den schutzwürdigen Interessen des Infrastrukturbetreibers dadurch Rechnung getragen, dass für die Nutzung ein Entgelt zu zahlen ist.
52Aus Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG folgt nichts anderes. Mit der Zuordnung der Einrichtungen zur Eisenbahninfrastruktur und der damit verbundenen Pflicht, Nutzungsbedingungen aufzustellen, wird die privatwirtschaftliche Unternehmensführung nicht beeinträchtigt. Insbesondere ist damit noch keine tatsächliche Zugangsgewährung und deshalb weder eine Beeinträchtigung der allgemeinen Vertragsfreiheit noch der unternehmerischen Betätigungsfreiheit der Klägerin verbunden. Selbst wenn man eine Beeinträchtigung der unternehmerischen Betätigung im Sinne des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG bejaht, ist diese aus den vorstehenden Gründen gerechtfertigt.
53Vgl. dazu ebenfalls OVG NRW, Urteil vom 18. Februar 2013 - 13 A 474/11 -, a. a. O.
54bb. Der Eisenbahnfrastrukturbegriff ist auch nicht aus unionsrechtlichen Gründen einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur wesentliche Einrichtungen erfasst werden, zu denen es keine vertretbaren Alternativen unter Marktbedingungen gibt.
55Der von der Klägerin angeführte Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2001/14/EG fordert keine tatbestandsreduzierende Auslegung von § 2 Abs. 3 AEG.
56Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Februar 2013 ‑ 13 A 474/11 -, Beschlüsse vom 13. Januar 2011 - 13 B 1818/10 - und vom 24. Februar 2012 - 13 B 18/12 -, jeweils a. a. O.; Wachinger, a. a. O., S. 177 (180 ff.); a. A. Ernert/Lerche, N&R 2009, 166 (169f.); Lerche, in: Schmitt/Staebe, Einführung in das Eisenbahn-Regulierungsrecht, 2010, Rn. 76 ff.; Leitzke/Schmitt, IR 2006, 131 (137); Suckale, in: Hermes/Sellner, Beck'scher AEG Kommentar, a. a. O., § 2 Rn. 82 ff.
57Nach dieser Bestimmung erfolgt die Erbringung der in Anhang II Nummer 2 genannten Leistungen unter Ausschluss jeglicher Diskriminierung, wobei entsprechende Anträge von Eisenbahnunternehmen nur abgelehnt werden dürfen, wenn vertretbare Alternativen unter Marktbedingungen vorhanden sind.
58Die Vorschrift regelt allein den Zugang zu Leistungen der Eisenbahnunternehmen und trifft insoweit Aussagen zur Reichweite des Diskriminierungsverbots. Dies wird auch durch die Formulierung „entsprechende Anträge“ deutlich. Der Ablehnungsgrund vertretbarer Marktalternativen erfordert zudem eine einzelfallbezogene Prüfung. Diese ist aber bei der Bestimmung der eisenbahnrechtlichen Eigenschaft eines Unternehmens, also gewissermaßen seines Status, nicht möglich. Eine solchermaßen dynamische, von der jeweiligen Marktsituation her gesteuerte und nicht statische Bestimmung eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens, die die Klägerin mit der Forderung nach einer „Tatbestandslösung“ geltend macht, widerspräche der insoweit bestehenden Notwendigkeit einer generellen Festlegung.
59Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Februar 2013 ‑ 13 A 474/11 - sowie Beschlüsse vom 24. Februar 2012 - 13 B 18/12 - und vom 13. Januar 2011 ‑ 13 B 1818/10 -, jeweils a. a. O.; Wachinger, a. a. O., S. 177 (180).
60Abgesehen davon hat die Berücksichtigung der vertretbaren Marktalternativen in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2001/14/EG – auch auf der Ebene der Zugangsgewährung – keinen Eingang ins deutsche Eisenbahnregulierungsrecht gefunden, was aus den Gründen des Urteils gleichen Datums und Rubrums im Verfahren 13 A 884/13 unionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
612. Als Eisenbahninfrastrukturunternehmen ist die Klägerin gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG verpflichtet, die diskriminierungsfreie Benutzung ihrer Eisenbahninfrastruktur sowie die diskriminierungsfreie Erbringung der von ihr angebotenen Leistungen in dem durch die Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung bestimmten Umfang zu gewähren.
62Die Klägerin ist entgegen ihrer Auffassung hiervon nicht gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 AEG ausgenommen. Nach dieser Vorschrift findet § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG keine Anwendung auf Eisenbahninfrastrukturen, die ausschließlich zur Nutzung für den eigenen Güterverkehr betrieben werden. Das ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil die Fahrzeug-Übergangseinrichtungen nach den obigen Ausführungen auch und vor allem für den Personenverkehr betrieben werden. Soweit Güter befördert werden, dient dies nicht dem innerbetrieblichen Transport (vgl. § 2 Abs. 3b Satz 1 AEG). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, werden die Kraftfahrzeuge nicht zum Zweck der Beförderung auf dem Gelände der klägerischen Verladestationen bewegt, sondern allein zwecks Übergabe an einen Schienenweg, den nicht die Klägerin, sondern eines ihrer Schwesterunternehmen betreibt.
63Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EIBV haben Eisenbahninfrastrukturunternehmen für den Zugang zu Serviceeinrichtungen und die Erbringung der damit verbundenen Leistungen Nutzungsbedingungen aufzustellen. Dieser Pflicht ist die Klägerin für die streitgegenständlichen Fahrzeug-Übergangseinrichtungen bis zum Erlass des Bescheids vom 14. Oktober 2010 nicht, sodann nach erfolglosem Eilverfahren nur ohne Anerkennung einer Rechtspflicht nachgekommen.
64III. Die Bundesnetzagentur hat das ihr in § 14c Abs. 1 AEG eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Sie hat, überprüft am Maßstab des § 114 VwGO, in rechtlich einwandfreier Weise in Erfüllung der gesetzlichen, verfassungsgemäßen Regulierungsaufgaben von ihrer Befugnis Gebrauch gemacht, die Klägerin zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen zu verpflichten.
65Zweck der Ermächtigung in § 14c Abs. 1 AEG ist die Schaffung von Wettbewerb (vgl. § 1 AEG), der durch die mit Nutzungsbedingungen bewirkte Transparenz gefördert wird. Dem soll die angegriffene Verfügung dienen. Bei Berücksichtigung des regulierungsrechtlichen Ziels der Wettbewerbsförderung ist die Bundesnetzagentur grundsätzlich gehalten, die rechtliche Verpflichtung des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, Nutzungsbedingungen aufzustellen, durchzusetzen.
66Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Februar 2013 - 13 A 474/11 - sowie Beschlüsse vom 24. Februar 2012 - 13 B 18/12 - und vom 13. Januar 2011 ‑ 13 B 1818/10 -, jeweils a. a. O.
67Umstände, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz gebieten würden, sind nicht ersichtlich. Dass nach dem Vorbringen der Klägerin bisher kein Wettbewerber bei ihr einen Antrag auf Zugang zu den Verladestationen gestellt hat, ist für die Betätigung des Entschließungsermessens unerheblich. Dies verlangt das Eisenbahnrecht nicht. Soweit die Klägerin unerwünschte Folgen für die Versorgungssicherheit der Insel T. aufgrund des Aufstellens von Nutzungsbedingungen geltend macht, setzt dieses in Aussicht gestellte Geschehen den Zugang von (mehreren) Wettbewerbern voraus, der aber allein aufgrund der Erstellung von Nutzungsbedingungen noch nicht eintritt.
68Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig. Insoweit wird zunächst auf die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit eines etwaigen Grundrechtseingriffs Bezug genommen. Die Anordnung ist geeignet, die mit ihr verfolgten Regulierungszwecke zu fördern, und hierzu auch erforderlich. Es sind ferner keine Einzelfallumstände ersichtlich, die es unangemessen erscheinen ließen, dass die Klägerin Nutzungsbedingungen für die Verladestationen zu erstellen hat. Etwaige nachgelagerte Nutzungskonflikte waren von der Bundesnetzagentur hier nicht zu berücksichtigen. Die Maßnahme ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die Nutzbarkeit der Einrichtungen für die Wettbewerber schlechterdings ausgeschlossen wäre. Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht die Rechtspflicht zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen für Serviceeinrichtungen grundsätzlich unabhängig davon, ob und in welchem Umfang Serviceeinrichtungen für dritte Eisenbahnverkehrsunternehmen nutzbar sind. Dies ist eine nachrangige Frage, die im Rahmen des Koordinierungs- und Entscheidungsverfahrens nach § 10 Abs. 2 ff. EIBV zu berücksichtigen ist. Die Vermischung der unterschiedlichen Fragestellungen (Verpflichtung zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen einerseits und Zugangsberechtigung und tatsächlicher Zugang von Dritten andererseits) könnte abgesehen hiervon Zugangshindernisse bewirken, wenn dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Möglichkeit eingeräumt wäre, der Verpflichtung zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen trotz Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen nicht nachkommen zu müssen. Denn der interessierte Wettbewerber wird seine Entscheidung auch vom Inhalt der jeweiligen Nutzungsbedingungen abhängig machen. Existieren hingegen keine Nutzungsbedingungen, wird zudem der Wettbewerber nicht überprüfen können, ob sich der Zugang unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten lohnt. Allein in dem Fall, dass die Nutzbarkeit der Serviceeinrichtung für den Wettbewerber schlechterdings ausgeschlossen ist, die objektive Unmöglichkeit also feststeht, wird eine Maßnahme der Bundesnetzagentur wegen Verstoßes gegen die Aufstellungspflicht nach § 14c Abs. 1 AEG unverhältnismäßig sein, weil der Bescheid nicht erforderlich ist. Hiervon kann vorliegend aber keine Rede sein.
69Vgl. dazu schon OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2011 ‑ 13 B 1818/10 -, a. a. O.
70Die Unangemessenheit der Anordnung ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht daraus, dass sie die Fahrzeug-Übergangseinrichtungen errichtet und bei der Zugangsgewährung an Dritte in ihrer wirtschaftlichen Freiheit als Eisenbahnverkehrsunternehmen beeinträchtigt wäre. Die Frage, ob mehrere EVU oder welches EVU allein eine Anlage nutzen können und ob die Nutzungswünsche der Klägerin als EVU zurückzutreten haben, stellt sich erst bei der Zugangsgewährung, die die Erstellung von Nutzungsbedingungen voraussetzt. Abgesehen davon kann die von der Klägerin geltend gemachte Sonderstellung als Eisenbahninfrastruktur- und ‑verkehrsunternehmen nicht zum Entfallen oder der Beschränkung von Regulierungsmaßnahmen führen. Als öffentliches Unternehmen hat sie nach dem derzeitigen Regulierungsrecht grundsätzlich den Zugang zu ihrer Infrastruktur zu eröffnen und insoweit kein absolutes Vorrecht. Der Gesetzgeber hat vielmehr auch in solchen Fällen einen umfassenden Zugangsanspruch geschaffen. Der Verordnungsgeber hat in § 10 Abs. 6 Nr. 2 EIBV einen Eigentümervorrang nur für Wartungseinrichtungen geregelt. Welches EVU bei kollidierenden Zugangswünschen den Zugang erhält, entscheidet sich im Konfliktlösungs- und ‑entscheidungsverfahren. Dass es sich bei den Verladestationen in O. und X. um ein integriertes, nach Darstellung der Klägerin einzigartiges System handelt, lässt angesichts der Zwecke des § 1 AEG das Einschreiten nicht unangemessen erscheinen. Dies mag allenfalls dazu führen, dass nach Aufstellung von Nutzungsbedingungen Dritte aus wirtschaftlichen Gründen kein Interesse an der Nutzung zeigen, was zum derzeitigen Zeitpunkt aus Sicht des Senats aber nicht endgültig feststeht.
71IV. Die Ziffern 2 und 3 sind ausgehend von den vorstehenden Ausführungen rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Verpflichtung zur Vorlage der Nutzungsbedingungen findet ihre Rechtsgrundlage in der allgemeinen Befugnisnorm des § 14c Abs. 1 AEG. Die Zwangsgeldandrohung beruht auf § 14c Abs. 4 AEG i. V. m. §§ 6 Abs. 1, 11 und 13 VwVG.
72Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
73Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
74Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Gründe
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I
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Die Klägerin gehört dem Konzern der Deutsche Bahn AG an. Sie betreibt als Rechtsnachfolgerin der DB Autozug GmbH den sog. Sylt Shuttle über den Hindenburgdamm mit eigenen Fahrzeugübergangseinrichtungen bzw. Verladestationen in Niebüll und in Westerland. Die Klägerin wendet sich dagegen, dass die Bundesnetzagentur ihre Rechtsvorgängerin mit Bescheid vom 14. Oktober 2010 unter Berufung auf § 14c Abs. 1 AEG dazu verpflichtet hat, für die Verladestationen in Niebüll und Westerland Nutzungsbedingungen für Serviceeinrichtungen aufzustellen und die Bundesnetzagentur darüber gemäß § 14d Satz 1 Nr. 6 AEG zu unterrichten. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision.
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II
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Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
- 3
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Eine grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.
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1. Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig zunächst die Frage:
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„Sind Fahrzeugübergangseinrichtungen (sog. Verladestationen) als Serviceeinrichtungen im Sinne von § 2 Abs. 3c AEG zu qualifizieren?“
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Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sie sich dem Oberverwaltungsgericht in dieser Allgemeinheit weder gestellt hat noch stellen musste und deshalb auch in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig ist. Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr einen durch besondere Umstände geprägten Einzelfall entschieden, in dem es die Verladestationen des von der Klägerin betriebenen Sylt Shuttles in Niebüll und in Westerland, die die Klägerin selbst in ihrer Beschwerdebegründung wegen der ihnen zukommenden Funktion der Sache nach als einzigartig beschreibt, in Bezug auf die Beförderung von Reisenden, die ein Kraftfahrzeug oder ein Motorrad mit sich führen, funktionell als Personenbahnhöfe im Sinne von § 2 Abs. 3c Nr. 2 AEG und im Hinblick auf die Beförderung von Fahrzeugen und sonstigen Gütern funktionell als Güterbahnhöfe im Sinne von § 2 Abs. 3c Nr. 3 AEG qualifiziert hat (UA S. 11 ff.).
- 6
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Unabhängig von dem Einzelfallcharakter der oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidung ist auch mit dem ihr zu Grunde liegenden Ansatz kein grundsätzlicher Klärungsbedarf verbunden. Dieser Ansatz geht dahin, dass für die in dem Katalog des § 2 Abs. 3c AEG aufgeführten Serviceeinrichtungen ein weites Begriffsverständnis geboten und für die Zuordnung konkreter Einrichtungen zu einzelnen Nummern des Katalogs auf deren Zweck und typische Betriebsabläufe abzustellen ist. Übereinstimmend hiermit und deshalb keiner weiteren Klärung bedürftig ist in der Rechtsprechung des Senats anerkannt, dass es sich bei den Serviceeinrichtungen des § 2 Abs. 3c AEG um einen tendenziell weit zu verstehenden Regelungsgegenstand mit vielfältigen Ausprägungen handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2012 - 6 C 42.10 - Buchholz 442.09 § 14e AEG Nr. 2 Rn. 26, 43). Diesem weiten Verständnis entspricht es, dass konkrete Einrichtungen bzw. Teile von ihnen grundsätzlich auch mehreren Nummern des in § 2 Abs. 3c AEG enthaltenen Katalogs zugeordnet werden können (vgl. auch Fehling, in: Hermes/Sellner
, Beck'scher AEG-Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 2 Rn. 113).
- 7
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2. Vor dem Hintergrund, den die Klägerin dadurch gekennzeichnet sieht, dass die in Rede stehenden Verladestationen technisch wie betrieblich maßgeschneiderte Einrichtungen darstellten, die allein dem Zweck dienten, ihr die Erbringung ihrer Verkehrsleistungen zu ermöglichen, und zu denen es eine Reihe von vertretbaren Marktalternativen gebe, wirft die Klägerin als grundsätzlich klärungsbedürftig weiter folgende Frage auf:
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„Sind sie (die besagten Verladestationen) als solche Teil der Eisenbahninfrastruktur im Sinne von § 2 Abs. 3 AEG, für die eine Verpflichtung zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 EIBV besteht, oder gebieten das Unionsrecht (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2001/14/EG) und das Verfassungsrecht in diesem Zusammenhang eine einschränkende Auslegung des Begriffs der Eisenbahninfrastruktur, die derartige Anlagen in bestimmten Fällen ausklammert, und zwar insbesondere dann, wenn vertretbare Marktalternativen vorhanden sind oder die Anlagen zur Drittnutzung aus eisenbahnbetrieblichen Gründen von vornherein nicht geeignet sind?“
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Dieser Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Das Oberverwaltungsgericht hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2012 - 6 C 42.10 - Buchholz 442.09 § 14e AEG Nr. 2 Rn. 43) erkannt, dass Serviceeinrichtungen gemäß § 2 Abs. 3 AEG zu den Betriebsanlagen der Eisenbahnen und damit zur Eisenbahninfrastruktur gehören, so dass nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EIBV für den Zugang zu ihnen Nutzungsbedingungen aufzustellen sind. Die gestellte Frage spricht, von ihrem Bezug auf den Einzelfall und von gänzlich unbestimmten Bestandteilen („in bestimmten Fällen“) befreit, als Problem an, ob dies aus unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Gründen dann nicht gilt, wenn vertretbare Marktalternativen bestehen oder eine Drittnutzung aus eisenbahnbetrieblichen Gründen von vornherein ausscheidet.
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a) Auch in dieser Form fehlt es einem Teil der Frage an der erforderlichen Klärungsfähigkeit, weil sie sich insoweit dem Oberverwaltungsgericht nicht gestellt hat. So ist das Oberverwaltungsgericht nicht davon ausgegangen, dass die in Rede stehenden Einrichtungen der Klägerin für eine Drittnutzung von vornherein nicht geeignet sind. Es hat im Gegenteil - von der Klägerin mit Verfahrensrügen nicht angegriffen - festgestellt, es könne keine Rede davon sein, dass eine Nutzbarkeit für Wettbewerber schlechterdings ausgeschlossen ist (UA S. 21). Auf weitere Tatsachenfeststellungen kommt es für die gestellte Frage nicht an.
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b) Für den Restbestand der Frage kann auf der Grundlage der Beschwerdebegründung eine Klärungsbedürftigkeit nicht angenommen werden.
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aa) Ein aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der für den vorliegenden Fall noch maßgeblichen Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung, ABl L 75 S. 29 (mit Wirkung vom 15. Dezember 2012 ersetzt durch die bis zum 16. Juni 2015 umzusetzende Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen Eisenbahnraums
vgl. Art. 64 bis 66 dieser Richtlinie) folgendes unionsrechtliches Gebot für eine einschränkende Auslegung des Begriffs der Eisenbahninfrastruktur und damit der Verpflichtung zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen hat das Oberverwaltungsgericht mit zwei selbständig tragenden Begründungen verneint (UA S. 18 f.): Die Vorschrift verhalte sich nicht zu dem eisenbahnrechtlichen Status eines Unternehmens, sondern regele allein den einzelfallbezogenen Zugang zu den Leistungen der Eisenbahnunternehmen unter Bestimmung der Reichweite des Diskriminierungsverbots. Abgesehen davon habe die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2001/14/EG vorgesehene Berücksichtigung vertretbarer Alternativen unter Marktbedingungen generell keinen Eingang in das deutsche Eisenbahnrecht gefunden, was unionsrechtlich nicht zu beanstanden sei.
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Dem erstgenannten Begründungsstrang tritt die Beschwerde im Wesentlichen nur mit der Erwägung entgegen, es liefe auf eine Überregulierung bzw. eine bloße Förmelei hinaus, wenn die Aufstellung von Nutzungsbedingungen gefordert werde, obwohl Zugang wegen des Bestehens vertretbarer Marktalternativen nicht gewährt werden müsse. Mit dieser Darlegung verfehlt die Klägerin den Kern des berufungsgerichtlichen Ansatzes. Dieser besteht darin, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2001/14/EG für die hier streitige Verpflichtung zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen keine Bedeutung beigemessen wird, da sich die Frage der Vertretbarkeit von Marktalternativen im Sinne der Vorschrift - ihre Relevanz nach nationalem Recht insoweit unterstellt - im weiteren Verlauf in Abhängigkeit von dem jeweiligen Nutzungswunsch und dessen Zeitpunkt unterschiedlich darstellen könne.
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Die Tragfähigkeit des zweiten Begründungsstrangs des Oberverwaltungsgerichts bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil diese Tragfähigkeit entgegen der Ansicht der Klägerin in der Rechtsprechung des Senats bereits - bejahend - geklärt ist und sich aus dem Beschwerdevortrag keine Gesichtspunkte ergeben, die sie als klärungsbedürftig geblieben oder wieder klärungsbedürftig geworden erscheinen lassen könnten. Der Senat hat in seiner Rechtsprechung den Standpunkt eingenommen, dass der nationale Gesetzgeber alle Serviceeinrichtungen nach § 2 Abs. 3c AEG der Eisenbahninfrastruktur zugerechnet und dem Zugangsrecht aus § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG unterstellt hat, ohne dabei den in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2001/14/EG enthaltenen einschränkenden Vorbehalt des Fehlens vertretbarer Alternativen unter Marktbedingungen zu übernehmen (BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2012 - 6 C 42.10 - Buchholz 442.09 § 14e AEG Nr. 2 Rn. 42 f. mit Hinweis auf die Sonderregelung des § 10 Abs. 6 Nr. 2 EIBV für Wartungseinrichtungen, vgl. dazu: BR-Drs. 249/05 S. 47). Der Senat hat sich zur Begründung zwar in ausdrücklicher Form nur auf das nationale Recht - vor allem auf dessen Systematik - bezogen, hätte die besagte Feststellung indes ersichtlich nicht treffen können, wenn er Zweifel an deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht gehabt hätte (vgl. insoweit bestätigend auch: BVerwG, Beschluss vom 21. März 2014 - 6 B 55.13 - N&R 2014, 245 Rn. 16). Hierfür bestand vor dem Hintergrund des zurückhaltenden, weitergehende nationale Liberalisierungsschritte grundsätzlich nicht ausschließenden Charakters der europäischen Eisenbahnregulierung (vgl. dazu etwa: Kühling, N&R 2013, 139 <140, 145> sowie die Beispiele für über den europäischen Standard hinausgehende Regelungen - auch - im geltenden nationalen Recht bei: Lerche, N&R 2013, 27 <31, 33 und 34>) bereits auf Grund des Wortlauts des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14/EG kein Anlass. Der Begriff des Mindestzugangspakets, den Satz 1 der Vorschrift in Bezug auf den Anhang II der Richtlinie gebraucht, steht auch im Hinblick auf Satz 2 der Vorschrift der Annahme eines abschließenden Charakters der unionsrechtlichen Regelung entgegen. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich kein Gesichtspunkt, der es rechtfertigen könnte, von dieser Einschätzung abzurücken. Insbesondere wird nicht deutlich, weshalb der von der Klägerin unter Verweis auf die Erwägungsgründe 17, 18 und 20 der Richtlinie 2001/14/EG benannte Ausgleich zwischen den geschäftlichen Anforderungen und Flexibilitätserwartungen der Betreiber der Infrastruktur und den Anforderungen der Nutzungsinteressenten im Rahmen der bestehenden Regelungen des § 10 EIBV nicht möglich sein sollte, sondern stattdessen zwingend eine Übernahme des unionsrechtlichen Vorbehalts der vertretbaren Alternativen unter Marktbedingungen verlangt haben könnte. Auch die Erwägungen zur Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit von Investitionen in die Eisenbahninfrastruktur erfordern diese Übernahme nicht.
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bb) Ein durch verfassungsrechtliche Vorgaben gefordertes eingeschränktes Verständnis der Eisenbahninfrastruktur und damit der Verpflichtung zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen in dem von der Klägerin befürworteten Sinn hat das Oberverwaltungsgericht ebenfalls auf Grund zweier selbständiger Begründungsstränge verneint (UA S. 15 ff.): Auf die Grundrechte des Art. 14 Abs. 1 GG oder des Art. 12 Abs. 1 GG könne sich die Klägerin als vollständig in staatlichem Eigentum stehende juristische Person des Privatrechts nach Art. 19 Abs. 3 GG nicht berufen. Unabhängig davon bestehe jedenfalls eine verfassungsmäßige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und damit auch - so ist das Oberverwaltungsgericht der Sache nach zu verstehen - eine verhältnismäßige Beschränkung des Art. 12 Abs. 1 GG. Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber habe zur Sicherstellung des in § 1 Abs. 1 Satz 1 AEG genannten wettbewerblichen Ziels der Eisenbahnregulierung sämtliche Infrastruktureinrichtungen in verhältnismäßiger Weise in die Pflicht zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen einbezogen. Aus denselben Gründen werde die in Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG garantierte privatwirtschaftliche Unternehmensführung der Eisenbahnen des Bundes nicht in ungerechtfertigter Weise beeinträchtigt (vgl. zu dieser Begründung ausführlich auch: OVG Münster, Urteil vom 18. Februar 2013 - 13 A 474/11 - N&R 2013, 167 <169 f.>).
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Es bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass die von der Klägerin befürwortete eingeschränkte Definition der Eisenbahninfrastruktur verfassungsrechtlich jedenfalls im Ergebnis nicht geboten ist. Dabei kann die Frage der Grundrechtsfähigkeit der zum Konzern der Deutsche Bahn AG zählenden, der öffentlichen Hand gehörenden Unternehmen, die das Bundesverwaltungsgericht angesichts ihrer in Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG geregelten und von dem Allgemeinen Eisenbahngesetz vorausgesetzten unternehmerischen Handlungs- und Organisationsfreiheit in seiner Rechtsprechung bisher offen gelassen hat (BVerwG, Urteile vom 18. Mai 2010 - 3 C 21.09 - BVerwGE 137, 58 Rn. 20, vom 7. Dezember 2011 - 6 C 39.10 - BVerwGE 141, 243 Rn. 12 und vom 29. September 2011 - 6 C 17.10 - BVerwGE 140, 359 Rn. 21), weiter offen bleiben. Denn aus dem Sinn und Zweck der eisenbahnrechtlichen Regulierung und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Senats ergibt sich eindeutig, dass jedenfalls der zweite Begründungsstrang des Oberverwaltungsgerichts dem restriktiven Infrastrukturverständnis der Klägerin entgegensteht.
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Die eisenbahnrechtliche Regulierung dient gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AEG der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs auf der Schiene beim Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen und dem Betrieb von Eisenbahninfrastrukturen. Im Rahmen dieses legitimen Ziels ist der Normgeber, was die Bewertung der Marktverhältnisse im Bereich der Eisenbahninfrastruktur und die einzusetzenden Regulierungsinstrumente anbetrifft, zu Pauschalierungen und Typisierungen befugt. Den Nutzungsbedingungen für Serviceeinrichtungen hat er in diesem Rahmen die Funktion zugemessen, über alle wesentlichen Voraussetzungen für den Zugang zu den Einrichtungen und die dort angebotenen Leistungen zu informieren, dementsprechend Transparenz herzustellen und dadurch die Voraussetzungen für einen diskriminierungsfreien Zugang überhaupt erst zu schaffen (vgl. in diesem Sinn: BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2012 - 6 C 42.10 - Buchholz 442.09 § 14e AEG Nr. 2 Rn. 22, 27; für Schienennetznutzungsbedingungen: BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 6 C 17.10 - BVerwGE 140, 359 Rn. 41, 64). Dieser Funktion der Nutzungsbedingungen entspricht eine Pflicht zur Aufstellung unabhängig von im Einzelfall etwa bestehenden vertretbaren Alternativen unter Marktbedingungen. Hierdurch werden weder etwaige Rechte der betroffenen Unternehmen aus Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 12 Abs. 1 GG noch ihr durch Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistetes privatwirtschaftliches Funktions- und Organisationskonzept in unverhältnismäßiger Weise beschränkt.
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3. Bezugnehmend auf die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts zur Ausübung des der Bundesnetzagentur von § 14c Abs. 1 AEG eingeräumten Ermessens will die Klägerin ferner grundsätzlich geklärt wissen:
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„Verstößt es gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn die Bundesnetzagentur die Verpflichtung zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen gemäß § 14c Abs. 1 AEG i.V.m. § 10 EIBV anordnet, obwohl die in Frage stehende Einrichtung zur Nutzung durch Wettbewerber aufgrund der Umstände des Einzelfalls nur eingeschränkt geeignet ist und die Betreiberin in ihrer Eigenschaft als Eisenbahnverkehrsunternehmen beeinträchtigt, das heißt ist die Rechtspflicht zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen davon abhängig, ob und in welchem Umfang Serviceeinrichtungen für dritte Eisenbahnverkehrsunternehmen nutzbar sind und zu Beeinträchtigungen des Geschäftsbetriebs des Betreibers in seiner Eigenschaft als Eisenbahnverkehrsunternehmen führen?“
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Diese Frage ist einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren weder fähig noch bedürftig.
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An der Klärungsfähigkeit fehlt es schon deshalb, weil die Klägerin in der Formulierung ihrer Frage selbst auf die Umstände des Einzelfalls abstellt. Darüber hinaus hat sich die Frage dem Oberverwaltungsgericht zutreffender Weise nicht gestellt. Das Berufungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht - wie bereits erwähnt - festgestellt, dass die Nutzbarkeit der Einrichtungen der Klägerin für Wettbewerber nicht schlechterdings ausgeschlossen ist. Zu den weiteren tatsächlichen Gegebenheiten, von denen die aufgeworfene Frage ausgeht - Beeinträchtigung der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Eisenbahnverkehrsunternehmen und Umfang der Nutzbarkeit der Serviceeinrichtungen der Klägerin für Wettbewerber - hat das Oberverwaltungsgericht keine Feststellungen getroffen und musste dies auf Grund des insoweit eindeutigen und deshalb nicht klärungsbedürftigen Inhalts des Infrastrukturzugangsrechts nicht tun.
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Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Verpflichtung zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen für Serviceeinrichtungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EIBV ungeachtet ihrer Eigenschaft als - zugleich - Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen trifft (vgl. zur Unerheblichkeit dieses Doppelcharakters nur: Kramer, in: Kunz
, Eisenbahnrecht, Stand: März 2014, § 2 AEG Rn. 1; Fehling, in: Hermes/Sellner , Beck'scher AEG-Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 2 Rn. 23). Es hat weiter zutreffend erkannt, dass es für die Aufstellungsverpflichtung auf etwaige nachgelagerte Nutzungskonflikte nicht ankommt, weil deren Bewältigung Gegenstand des Koordinierungs- und Entscheidungsverfahrens nach § 10 Abs. 2 bis 7 EIBV ist, wohingegen die Nutzungsbedingungen Wettbewerbern zunächst die Prüfung ermöglichen sollen, ob sich die Verfolgung eines Zugangsbegehrens überhaupt ökonomisch lohnt. Gerade die Erfüllung eines derartigen Informationsbedürfnisses entspricht der bereits beschriebenen Funktion der Nutzungsbedingungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2012 - 6 C 42.10 - Buchholz 442.09 § 14e AEG Nr. 2 Rn. 22).
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4. Ebenfalls auf die Ermessensausübung nach § 14c Abs. 1 AEG bezogen, hält die Klägerin weiterhin Folgendes für grundsätzlich bedeutsam:
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„Verstößt es mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der RL 2001/14/EG gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn die Bundesnetzagentur die Verpflichtung zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen gemäß § 14c Abs. 1 AEG i.V.m. § 10 EIBV anordnet, obwohl vertretbare Marktalternativen bestehen?“
- 22
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Es ergibt sich bereits aus den obigen Darlegungen (unter 2., b), aa)), dass dieser Frage mangels Klärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im Übrigen unterläge es der Beurteilung des Gesetz- und Verordnungsgebers, ob in dem von der Klägerin angesprochenen Fall einer fortschreitenden Etablierung von Wettbewerb im Eisenbahninfrastrukturbereich regulierungsrechtliche Konsequenzen zu ziehen wären.
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5. Schließlich sieht die Klägerin eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung in Folgendem:
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„Verstößt es gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn die Bundesnetzagentur die Verpflichtung zur Aufstellung von Nutzungsbedingungen anordnet, obwohl das betreffende Eisenbahnverkehrsunternehmen dadurch nicht in seiner Eigenschaft als Betreiber von Anlagen, sondern in seiner Eigenschaft als Eisenbahnverkehrsunternehmen betroffen ist, da eine Zulassung Dritter notwendigerweise dazu führt, dass die Verkehrsdienstleistung nicht mehr im bisherigen Umfang erbracht werden kann?“
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Auf die mangelnde Klärungsfähigkeit und Klärungsbedürftigkeit dieser Frage kann ebenfalls bereits auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen geschlossen werden. Auch ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen, das zugleich Eisenbahnverkehrsunternehmen ist, muss nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EIBV Nutzungsbedingungen für Serviceeinrichtungen aufstellen und ist wegen etwaiger Nutzungskonflikte auf das Koordinierungs- und Entscheidungsverfahren nach § 10 Abs. 2 bis 7 EIBV verwiesen. Das Oberverwaltungsgericht hatte deshalb keinen Anlass, Feststellungen darüber zu treffen, ob der Klägerin im Fall der Zulassung von Wettbewerbern die Erbringung von Verkehrsleistungen noch im bisherigen Umfang möglich wäre.
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstands beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
(1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.
(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.
(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.
(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.
(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.
(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:
- 1.
die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung; - 2.
die Staatsangehörigkeit im Bunde; - 3.
die Freizügigkeit, das Paßwesen, das Melde- und Ausweiswesen, die Ein- und Auswanderung und die Auslieferung; - 4.
das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie die Zeitbestimmung; - 5.
die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes; - 5a.
den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland; - 6.
den Luftverkehr; - 6a.
den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen (Eisenbahnen des Bundes), den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes sowie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege; - 7.
das Postwesen und die Telekommunikation; - 8.
die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen; - 9.
den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht; - 9a.
die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt in Fällen, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht; - 10.
die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder - a)
in der Kriminalpolizei, - b)
zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und - c)
zum Schutze gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
sowie die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und die internationale Verbrechensbekämpfung;
- 11.
die Statistik für Bundeszwecke; - 12.
das Waffen- und das Sprengstoffrecht; - 13.
die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen; - 14.
die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe.
(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 9a bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.
(1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.
(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.
(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.
(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.
(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.
(1) Die Bundesanstalt hat die Aufgaben nach den Abschnitten 4, 5, 7 und 8.
(2) Postnachfolgeunternehmen im Sinne dieses Gesetzes sind die Postnachfolgeunternehmen im Sinne des § 38 Absatz 1 des Postpersonalrechtsgesetzes.
(3) Das Bundesministerium der Finanzen kann der Bundesanstalt im Einvernehmen mit den Postnachfolgeunternehmen weitere Folgeaufgaben der Neuordnung des Postwesens in Bezug auf die Beschäftigten des ehemaligen Sondervermögens Deutsche Bundespost übertragen.
(4) Über die in diesem Gesetz genannten Aufgaben hinaus darf die Bundesanstalt weder Rechte noch Einfluß in bezug auf die Postnachfolgeunternehmen ausüben.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.