Landgericht Düsseldorf Schlussurteil, 19. Jan. 2016 - 4b O 156/14
Tenor
I.
Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 13. Dezember 2013
mobile Endgeräte zur Verwendung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
wobei das Endgerät Mittel zum Ausführen der Schritte des folgenden Verfahrens umfasst:
Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt; Bestimmen mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle; Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle; Melden von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle und Melden der erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle, Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Erkennen eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung; und Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
wobei die Auskunft in Form einer geordneten Aufstellung gegenüber der Klägerin zu erfolgen hat, und zwar, soweit zutreffend, unter Angabe
a)
der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, aufgeschlüsselt nach der jeweiligen Menge, Zeiten, Preisen, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer;
c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Suchmaschinen und anderer Marketingwerkzeuge, mit Hilfe derer die betroffenen Webseiten einzeln oder gemeinsam registriert wurden, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;
e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Beklagten die Richtigkeit ihrer Angaben nach a) und b) belegen müssen, indem sie Belegkopien wie Rechnungen hilfsweise Lieferscheine vorlegen;
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer, der in der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist, mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die der A durch die vom 13.12.2013 bis zum 26.02.20104 und der Klägerin durch die seit dem 27.02.2014 begangenen, unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden.
III.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin zu 20%, die Beklagte zu 1) zu 40% und die Beklagte zu 2) zu 40% zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) trägt die Klägerin zu jeweils 20%. Die Kosten der Streithilfe haben die Beklagte zu 1) zu 50% und die Beklagte zu 2) zu 50% zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
IV.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 800.000,00 vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagten und die Streithelferin ist das Urteil vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP B (Anlagen EIP ES1, EIP ES1a; nachfolgend: Klagepatent) auf Auskunft, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
3Das Klagepatent wurde von der Streithelferin am 28.02.2007 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 18.11.2009 veröffentlicht. Am 13.11.2013 erfolgte die Veröffentlichung und Bekanntmachung seiner Erteilung. Die Beklagten haben neben mehreren anderen Einsprechenden gegen die Erteilung des Klagepatents Einspruch beim Europäischen Patentamt eingelegt, über den bislang noch nicht entschieden ist. Das Klagepatent steht in Kraft.
4Das in englischer Sprache erteilte Klagepatent betrifft die Selbstkonfiguration und Optimierung von Zellennachbarn in drahtlosen Telekommunikationsnetzen. Die geschützte Technik dient zur Vereinfachung der Architekturverwaltung und beschäftigt sich mit der Identifizierung von Funkzellen, die für einen reibungslosen Weiterleitungsvorgang (sog. handover) der Mobilfunkverbindung zwischen Nachbarzellen des Telekommunikationsnetzes notwendig ist.
5Die Klägerin stützt den Verletzungsvorwurf auf eine Kombination der Klagepatentansprüche 1 und 6.
6Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
7„A method for operating a mobile terminal in a wireless telecommunication system which defines a plurality of communications cells, the method comprising:
8Communication with a radio base station which serves a first communication cell;
9determining (101) at least one operating parameter for a second communications cell;
10detecting non-unique identifier information for the second communications cell;
11reporting (103) parameter information relating to the or each operating parameter for the second communications cell and reporting the detected non-unique identifier information to the radio base station of the first communications cell,
12wherein the method further comprises:
13receiving (113) an instruction from the radio base station of the first communications cell;
14detecting (115) unique cell identifier information for the second communications cell upon receipt of the instruction; and
15reporting (117) the detected unique cell identifier information for the second communications cell to the radio base station of the first communications cell.”
16Anspruch 1 des Klagepatents lautet in deutscher Übersetzung:
17„Verfahren zum Betreiben eines mobilen Endgeräts in einem drahtlosen Telekommunikationssystem, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, wobei das Verfahren Folgendes umfasst:
18Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt;
19Bestimmen (101) mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle;
20Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle;
21Melden (103) von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle und Melden der erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle,
22wobei das Verfahren weiterhin Folgendes umfasst:
23Empfangen (113) einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
24Erkennen (115) eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung; und
25Melden (117) der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle.“
26Anspruch 6 des Klagepatents lautet:
27„ A mobile terminal (4) for use in a wireless telecommunications system which defines a plurality of communications cells, the terminal comprising means for carrying out the steps of a method as claimed in any one of the preceding claims.”
28Anspruch 6 des Klagepatents lautet in deutscher Übersetzung:
29„Mobiles Endgerät (4) zur Verwendung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, wobei das Endgerät Mittel zum Ausführen der Schritte eines Verfahrens nach einem beliebigen der vorhergehenden Ansprüche umfasst.“
30Die Streithelferin besitzt eines der stärksten Portfolios essentieller Patente in der Telekommunikationsindustrie. Am 10.01.2013 schloss sie mit der C („E Sub“), der D („UP“), deren Tochtergesellschaften E („UP Sub1“) und F („UP Sub 2“) sowie der A („UP“) das sogenannte Master Sales Agreement („MSA“), das die weitere Verwertung eines Teils ihrer Patente zum Gegenstand hat. Betroffen war ein Patentportfolio, das über 2000 Patente umfasste. Hinsichtlich der Regelungen des MSA im Einzelnen wird auf den in Auszügen von den Parteien zur Akte gereichten Vertragstext Bezug genommen.
31Bei der Streithelferin handelt es sich um eine Gesellschaft, die nach schwedischem Recht gegründet wurde. Die E Sub, UP, UP Sub 1 und UP Sub 2 sind sämtlich Gesellschaften, die nach dem Recht des Staates Delaware gegründet wurden. Die UPwurde nach dem Recht des Staates Nevada gegründet. Die Klägerin wurde nach irischem Recht gegründet. Sie gehört zur G Gruppe und ist mit der Verwaltung und Lizensierung von Patenten befasst. Sie ist dem MSA nachträglich beigetreten.
32Im MSA findet sich in Ziffer 6.14 unter anderem die Regelung, dass die UP die FRAND-Verpflichtung der Streithelferin übernimmt und innerhalb einer angemessenen Frist nach Abschluss des Vertrages gegenüber der ETSI eine eigene FRAND-Erklärung abgeben wird. Dieser Verpflichtung ist die UP durch Erklärung vom 14.06.2013 nachgekommen. In einer weiteren Vereinbarung vom 13.02.2013 (Patent Sale and Grant-Back Licence Agreement – „PSA“) findet sich in Klausel 5.4 die Verpflichtung der UP, bei einer Übertragung von Patenten auf Dritte sicherzustellen, dass die FRAND-Verpflichtung übernommen wird. Dies wurde bei der Übertragung des Klagepatents auf die Klägerin umgesetzt und die Klägerin gab am 6.3.2014 gegenüber der ETSI eine eigene FRAND-Verpflichtungserklärung ab.
33In Umsetzung des MSA schlossen dessen Vertragsparteien in der Folgezeit drei Übertragungsverträge, deren Wirksamkeit zwischen den Parteien im Streit steht. Die Klägerin bietet öffentlich die Lizensierung der übertragenen Patente zu einheitlichen Konditionen an („License Proposal“). Hierin ist unter anderem eine Lizenzgebühr von 0,75 USD pro Mobilfunkendgerät vorgesehen. Die Beklagten rügen diese als zu hoch. Zu dem Abschluss eines Lizenzvertrages kam es nicht.
34Die Beklagten sind im Segment der Verbraucherelektronik, Haushaltsgeräte und mobilen Kommunikation tätig. Zu ihrer Produktpalette zählen neben Audio- und Videoprodukten auch Long-Term-Evolution (LTE)-fähige Mobiltelefone, darunter das G2 und das Nexus 5 (vgl. Anlage EIP ES 15; nachfolgend: angegriffene Ausführungsform).
35Die Architektur der LTE-Netzwerke ebenso wie die LTE-Fähigkeit der Mobilgeräte ist standardisiert. Daher kommunizieren die eNBs (Basisstationen) mit den LTE-Mobilgeräten (UEs) über Funksignale nach den LTE-Standards. Die streitgegenständliche Technik wird unter anderem in dem Telekommunikationsstandard 3GPP TS 36.300 Version 8.9.0 (nachfolgend LTE-Standard I), dem Telekommunikationsstandard 3GPP TS 36.331 Version 8.7.0 (nachfolgend LTE-Standard II), dem Dokument 3GPP TS 36.523-1 Version 12.3.0 (nachfolgend LTE Standard III) sowie dem Dokument 3 GPP 36.211 Version 8.8.0 (nachfolgend LTE-Standard IV) behandelt. Die früheste Version des LTE-Standards I, welche sich mit der streitgegenständlichen Technik befasst, ist die Version 8.5.0, die im Juni 2008 veröffentlicht wurde. Bei der frühesten Version des LTE-Standards II, welche die streitgegenständliche Technik betrifft, handelt es sich um die Version 8.3.0, deren Veröffentlichung im September 2008 erfolgte. Die definierten und standardisierten Konformitätstests im LTE-Standard III sind gültig für alle Endgeräte, die 3GPP Releases ab Release 8 umsetzen. Der LTE Standard IV liegt in der Version 8.8.0 vor, die im September 2009 veröffentlicht wurde.
36Der LTE-Standard beschreibt den hier streitgegenständlichen Betrieb der automatischen Nachbarbeziehungen (Automatic Neighbour Relation Function = sog. ANR-Funktion). Hierbei handelt es sich um eine einseitige Beziehung zwischen der Ausgangs- bzw. Versorgungszelle (serving cell) und einer oder mehreren Zielzellen. Diese Zielzellen stellen Nachbarzellen dar, die Signale – unter anderem Synchronisationssignale – übermitteln, die vom UE empfangen werden können.
37Die Beklagte zu 2) bietet in Deutschland Mobiltelefone an und bringt sie in Verkehr. Sie wird im Impressum der deutsch-sprachigen Seite http://H genannt und ist für die Seite verantwortlich.
38Die Beklagte zu 1) unterhält und betreibt die Internetseite http://H /global (Anlage EIP ES15) in englischer Sprache, für die sie verantwortlich ist. Von dieser Webseite gelangt der Nutzer auf die von der Beklagten zu 2) betriebene Seite, indem auf der Startseite und dem Menüpunkt „Country/Language“ lediglich die Sprachauswahl auf „Germany/Deutsch“ umgestellt wird. Unter dem Menüpunkt „Mobile“ findet der Nutzer dann die angegriffene Ausführungsform.
39Die Klägerin behauptet, die Streithelferin habe durch Übertragungsvertrag vom 11.02.2013 (nachfolgend ÜV I) einen Teil ihres Patentportfolios – darunter das Klagepatent bzw. die diesem vorausgegangene Patentanmeldung – auf die C übertragen. Der Vertrag sei auf Seiten der Streithelferin von den Damen I und J , auf Seiten der C von Herrn X für die AB K unterschrieben worden. Sämtliche Personen seien vertretungsbefugt gewesen. Für die Damen I und J ergebe sich dies aus der Registrierungsurkunde der Streithelferin. Die AB K sei ausweislich des Limited Liability Company Agreement of C die Geschäftsführerin der C gewesen. Diese wiederum habe Herrn X zur Vertretung bevollmächtigt. Die Vollmacht sei von Frau I und Herrn L unterzeichnet worden. Beide seien ausweislich der Registrierungsurkunde der AB K Mitglieder des Vorstandes und gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt. Die Vertretungsregelungen seien nach schwedischem Recht wirksam. Hierzu verweist die Klägerin auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten der Rechtsanwälte M und N . Einer besonderen Form habe der Vertrag nicht bedurft. Im Übrigen sei die Schriftform aber auch gewahrt.
40Am 13.02.2013 habe die C die von der Streithelferin erlangten Patente – darunter das Klagepatent bzw. die diesem vorausgegangene Patentanmeldung – auf die UP weiter übertragen (nachfolgend ÜV II). Der Vertrag sei auf Seiten der C von Herrn X unterzeichnet worden, der aus den vorgenannten Gründen Vertretungsmacht für die AB K , diese wiederum für die C gehabt habe. Für die UP habe den Übertragungsvertrag Herr O unterzeichnet. Dieser sei CEO der UP. Das ergebe sich aus Pressemitteilungen und Proxy Statements. Die UP wiederum sei Geschäftsführerin der UP IP Manager LLC. Diese sei gemeinsam mit der UP Gesellschafterin der UPLLC, nachdem die UP IP Manager LLC durch das Interest Assignment Agreement vom 10.01.2013 die Anteile der UP an der UPLLC übernommen habe. Das Interest Assignment Agreement habe auf beiden Seiten Herr O unterzeichnet. Seine Vertretungsbefugnis ergebe sich aus seiner Position als CEO der UP. Die Geschäftsführung der UPLLC sei durch das Amended And Restated Operating Agreement vom 13.02.2013 auf die UP IP Manager LLC übertragen worden. Auch diese Vereinbarung habe Herr O auf beiden Seiten unterzeichnet, wobei er als CEO der UP über die erforderliche Vertretungsmacht verfügt habe. Die dargestellten Vertretungsregelungen seien nach dem Recht des Staates Delaware sämtlich zulässig. Die Klägerin verweist insofern auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten des Herrn Professor P . Auch im Übrigen begegne der Übertragungsvertrag nach dem Recht des Staates Delaware keinen Bedenken. Infolge dieses Vertrages habe die UPLLC am 03.09.2013 die Änderung des Patentregisters beantragt, die – insoweit unstreitig – am 24.10.2013 antragsgemäß erfolgt sei.
41Am 27.02.2014 habe die UPLLC die Patente – darunter das Klagepatent – auf die Klägerin weiter übertragen (nachfolgend: ÜV III). Die Vereinbarung sei auf Seiten der UPLLC von Herrn R , auf Seiten der Klägerin von Herrn Q unterzeichnet worden. Herr R sei CFO der UP und durch das Amended And Restated Operating Agreement vom 13.02.2013 bevollmächtigt worden, die UPLLC bei der Ausführung des MSA zu vertreten. Im Übrigen ergebe sich die Vertretungsbefugnis des Herrn R für die UPLLC auch aus einem Board Meeting der UP vom 10.01.2013. Herr Q sei im Rahmen des Board Meetings der Klägerin am 27.02.2014 zum Managing Director ernannt worden und als solcher zur Vertretung der Klägerin befugt. Die dargestellten Vertretungsregelungen seien nach dem Recht des Staates Nevada zulässig. Dies werde durch das von ihr eingeholte Privatgutachten der Kanzlei S bestätigt. Auch im Übrigen begegne der ÜV III nach dem Recht des Staates Nevada keinen Bedenken. Die Klägerin habe am 07.03.2014 die Änderung des Patentregisters beantragt, die – insoweit unstreitig – am 03.07.2014 erfolgt sei.
42Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten seien passiv legitimiert. Dies ergebe sich aus den Internetauftritten der Beklagten. Hier böten beide Beklagte Mobiltelefone an, die mit dem LTE-Standard kompatibel seien.
43Die Klägerin sieht im Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents. Hierzu behauptet sie, dass die angegriffene Ausführungsform den Vorgaben des LTE-Standards entspreche.
44Das Klagepatent erfasse mit der Übertragung einer nichteindeutigen Zellenkennungsinformation auch ein Versenden von einzelnen Signalen, die erst zusammengesetzt einen „Sinn“ ergeben würden. So weise das Klagepatent bereits in der Beschreibung für die eindeutige Zellenkennung – wobei hieraus eine Auslegung für beide Verfahrensschritte entnommen werden könne – darauf hin, dass das mobile Endgerät diese Information empfange und dekodiere. Vorher werde die eindeutige Zellenkennung übertragen. Für den Fachmann sei der Dekodierungsvorgang eine Selbstverständlichkeit, mit der Folge, dass sodann auch das an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle übertragen werde, was das mobile Endgerät erkannt/entdeckt habe. Gleiches gelte auch für die nicht-eindeutigen Zelleninformationen.
45Der Klagepatentanspruch biete keinen Anhalt dafür, dass das mobile Endgerät alle Betriebsparameter, die bestimmt werden, auch an das Netz zu melden habe. Sofern bestimmte Betriebsparameter primär zur Nutzung für das mobile Endgerät bestimmt seien, seien diese daher nicht zwangsläufig zu melden.
46Die angegriffene Ausführungsform verwende die ANR-Funktion. Dies zeige die Überprüfung von Feature Group Indicators (FGI´s) durch einen Test mit dem Nexus 5, ein Modell der angegriffenen Ausführungsform. Die dort gelisteten Funktionen müssten zwingend bei einem UE vorhanden sind, darunter falle auch die streitgegenständliche ANR-Funktion. Der Test habe ergeben, dass sie beim Nexus 5 vorhanden sei (vgl. Anlagen ETL31 (= ESL32)).
47Die Klägerin hat ursprünglich die Urteilsveröffentlichung verlangt und ihren Auskunftsanspruch auch auf die Anwendung des im Anspruch 1 geschützten Verfahrens gestützt. Nach Rücknahme dieser Anträge beantragt sie nunmehr,
48I.
49die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 13. Dezember 2013
50mobile Endgeräte zur Verwendung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
51wobei das Endgerät Mittel zum Ausführen der Schritte des folgenden Verfahrens umfasst:
52Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt; Bestimmen mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle; Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle; Melden von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparametes für die zweite Kommunikationszelle und Melden der erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Erkennen eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung; und Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
53insbesondere wenn der mindestens eine Betriebsparameter einen Codierungscode, eine Signalstärkemessung, eine Signalgütemessung und/oder Taktinformationen umfasst;
54und/oder wenn das Verfahren ferner das Empfangen einer Liste von Kommunikationszellen von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle, wobei die Liste die zweite Kommunikationszelle und eine Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen enthält, umfasst;
55und/oder wenn die zweite Kommunikationszelle der ersten Kommunikationszelle benachbart ist;
56insbesondere wenn das mobile Endgerät eine Steuerung zum Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt, umfasst, wobei die Steuerung betreibbar ist zum Bestimmen mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle; Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle; Melden von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle und Melden der nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle, wenn die erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen nicht in einer Nachbarzellenmenge der ersten Kommunikationszelle enthalten sind; Erkennen von eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung, und Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
57und/oder wenn der mindestens eine Betriebsparameter einen Verwürfelungscode, eine Signalstärkemessung, eine Signalgütemessung und/oder Taktinformationen umfasst;
58und/oder wenn die Steuerung zum Empfangen einer Liste von Kommunikationszellen von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle betreibbar ist, wobei die Liste die zweite Kommunikationszelle und eine Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen enthält;
59und/oder wenn die zweite Kommunikationszelle der ersten Kommunikationszelle benachbart ist;
60und/oder wenn die Steuerung betreibbar ist zum Erkennen nichteindeutiger Zellenkennungsinformationen für eine Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen; Melden von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen und Melden der nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle, wenn die erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen nicht in einer Nachbarzellenmenge der ersten Kommunikationszelle enthalten sind; Erkennen eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen nach Empfang der Anweisung; und Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
61wobei die Auskunft in Form einer geordneten Aufstellung gegenüber der Klägerin zu erfolgen hat, und zwar, soweit zutreffend, unter Angabe
62a)
63der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, aufgeschlüsselt nach der jeweiligen Menge, Zeiten, Preisen, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
64b)
65der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -Zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer;
66c)
67der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
68d)
69der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Suchmaschinen und anderer Marketingwerkzeuge, mit Hilfe derer die betroffenen Webseiten einzeln oder gemeinsam registriert wurden, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;
70e)
71der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
72wobei die Beklagten die Richtigkeit ihrer Angaben nach a) und b) belegen müssen, indem sie Belegkopien wie Rechnungen hilfsweise Lieferscheine vorlegen;
73wobei den jeweiligen Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer, der in der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist, mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
74II.
75festzustellen, dass die Beklagten jeweils verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die der A durch die vom 13.12.2013 bis zum 26.02.20104 begangenen und der Klägerin durch die seit dem 27.02.2014 begangenen, unter Ziffer I bezeichneten Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden.
76Die Beklagten beantragen,
77die Klage abzuweisen,
78hilfsweise
79den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den gegen das Klagepatent ES (EP T ) erhobenen Einspruch auszusetzen.
80Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.
81Die mit Schriftsatz vom 16.03.2015 dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetretene Streithelferin beantragt,
82den Beklagten die durch die Nebenintervention verursachten Kosten aufzuerlegen.
83Den ursprünglich gestellten Antrag der Beklagten zu 1), die Klage für zurückgenommen zu erklären, haben die Klägerin und die Beklagte zu 1) übereinstimmend für erledigt erklärt.
84Die Beklagten bestreiten die Aktivlegitimation der Klägerin mit Nichtwissen. Im Einzelnen bestreiten sie die Wirksamkeit der Übertragungsverträge nach den jeweils zur Anwendung kommenden ausländischen Rechtsordnungen, die Echtheit der zur Akte gereichten Kopien, die Existenz der U LLC, der AB K und der UPLLC, die Vertretungsbefugnis der handelnden Personen sowie die wirksame Abtretung in der Vergangenheit entstandener Ansprüche an die Klägerin. Zudem sei die Schriftform des Art. 72 EPÜ nicht gewahrt.
85Die Registereintragung der Klägerin begründe keine Indizwirkung für die materiell-rechtliche Inhaberschaft der Klägerin am Klagepatent. Denn ausweislich des klägerischen Vortrags sei das Klagepatent bzw. die diesem zugrunde liegende Anmeldung nicht unmittelbar von der Streithelferin auf die Klägerin übertragen worden, sondern es habe zwei Zwischenerwerber gegeben: die C und die UPLLC. Die C sei nicht im Patentregister eingetragen worden. Der behauptete Rechtsübergang auf die UPLLC sei jedenfalls nicht in zeitlichem Zusammenhang hiermit, sondern mehr als ein halbes Jahr später in das Register eingetragen worden. Dies stehe der Vermutungswirkung des Registers für die materiell rechtliche Inhaberschaft der Klägerin am Klagepatent entgegen. Im Übrigen weise der Vortrag der Klägerin zu den behaupteten Patentübertragungen Unschlüssigkeiten auf. Die Eintragung des Klagepatents im Patentregister habe keine konstitutive Wirkung. Die Wirksamkeit der Abtretungen der Patentanmeldung sei vielmehr Voraussetzung für die materiell rechtliche Inhaberschaft der Klägerin am Klagepatent.
86Bezüglich etwaiger kartellrechtlicher Bedenken gegen die Wirksamkeit der Übertragungsverträge haben sich die hiesigen Beklagten ergänzend das Vorbringen der Beklagten in dem Parallelverfahren 4b O 122/14 zu eigen gemacht. Die Beklagte (Samsung) vertritt in diesem Verfahren die Auffassung, die Streithelferin habe bei der Umsetzung des MSA sowohl gegen die Vorschriften der Fusionskontrolle (§§ 35-42 GWB) als auch gegen das Verbot der Wettbewerbsbeschränkung (Art. 101, 102 AEUV) verstoßen.
87Bei der mit dem MSA vereinbarten Transaktion handele es sich um einen Zusammenschluss im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GWB, der beim Bundeskartellamt hätte angemeldet werden müssen. Dies ist – insoweit unstreitig – nicht geschehen. Die Umsatzschwellen des § 35 GWB seien überschritten. Der weltweite Umsatz allein von W habe im Jahr 2012 etwa 26,17 Mrd. EUR betragen. Davon entfalle ein Betrag von mehr als 25 Mio. EUR auf Deutschland. Mit den übertragenen Patenten seien im Jahr 2012 Umsatzerlöse in Deutschland in Höhe von mehr als 5 Mio. EUR erzielt worden. Hierbei seien auch die Patente zu berücksichtigen, die noch nicht abgetreten worden seien, nach dem MSA aber in den nächsten Jahren abgetreten werden sollen (vgl. Ziffer 6.3 des MSA). Das MSA belege, dass die Vertragsparteien selbst den Wert der von der Vereinbarung umfassten Patente auf mindestens 1,05 Milliarden USD geschätzt hätten (vgl. Ziffern 3.3 und 8.13 des MSA). Der tatsächliche Wert sei sogar höher. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die übertragenen Patente in bis zu acht Jahren ab Übertragung auslaufen würden und dass der deutsche Mobilfunkmarkt etwa fünf Prozent des weltweiten Marktes ausmache, werde deutlich, dass mit der Lizensierung des übertragenden Patentportfolios im Jahr 2012 in Deutschland ein Umsatz von mindestens 6,56 Mio. USD erzielt worden sei (5 % von 1,05 Milliarden USD geteilt durch 8 Jahre). Dies entspreche einem Betrag von 5,1 Mio. EUR. Ähnliches ergebe sich auch unter Berücksichtigung des „License Proposal“ der Klägerin. Hiernach sei pro Mobilfunkendgerät ein Betrag von 0,75 USD zu zahlen. Im Jahr 2012 seien nach den von der Streithelferin vorgelegten Marktstudien in Deutschland 30,4 Mio. Endgeräte abgesetzt worden. Hieraus würden sich Lizenzeinnahmen im Jahr 2012 von 22,8 Mio. USD errechnen. Der Klägerin obliege insofern eine sekundäre Beweislast, da der Beklagten zu 2. mangels Kenntnis der konkreten Umsatzzahlen der Streithelferin näherer Vortrag nicht möglich sei.
88Im Übrigen stelle das MSA eine wettbewerbswidrige Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV dar. W und UP hätten bezweckt, durch die Aufspaltung des Patentportfolios die ETSI-Regeln zu umgehen. Demgegenüber sei die Klägerin aus kartellrechtlichen Gründen verpflichtet gewesen, nicht nur eine eigene FRAND-Erklärung abzugeben, sondern sich auch rechtswirksam zu verpflichten, die bisherige Lizensierungspraxis der Streithelferin fortzuführen. Dies habe sie hingegen nicht getan, so dass das MSA nichtig sei. Die Erzielung exzessiver Lizenzgebühren habe dabei im Interesse der Streithelferin gelegen. Die Kläuseln 3.4 und 6.1 (aa) des MSA hätten der Streithelferin Mittel an die Hand gegeben, um entsprechenden Druck auf die UP Gruppe auszuüben, noch höhere Lizenzeinnahmen zu generieren.
89Zudem sehe das MSA in Ziffer 3.4 wettbewerbswidrige Mindestlizenzgebühren vor und enthalte daher eine unzulässige Preisbindung. Für die Übertragung der Patente sei – insoweit unstreitig – nicht etwa ein fester Kaufpreis vereinbart worden, sondern der „Kaufpreis“ sei gemäß Ziffer 3.2 des MSA als Anteil an den Bruttolizenzeinnahmen von UPLLC zu zahlen. Dabei werde durch die einzelnen Regelungen des MSA erheblicher Druck auf UPLLC ausgeübt, die zu vereinbarenden Lizenzen möglichst zu maximieren. Dies ergebe sich zum einen aus Ziffer 3.4., wonach UPLLC verpflichtet sei, von seinen Lizenznehmern bestimmte Mindestlizenzgebühren (sog. Applicable Royalty Rate) zu verlangen. Andernfalls werde eine Strafzahlung fällig. Eine solche werde nach den Ziffern 3.3 und 8.13 (c) des MSA auch fällig, wenn UPLLC ohne Zustimmung von W seine Kontrollstrukturen ändere. Die Drohung mit einer erheblichen Zahlungsverpflichtung begründe für UPLLC einen Anreiz, bei potenziellen Lizenznehmern die höchstmöglichen Lizenzgebühren zu erzielen. UPLLC sei dadurch massiv in seiner Preissetzungsfreiheit beschränkt. Hierin liege eine „Kernbeschränkung“, die ungeachtet der Tatsache, ob sie in horizontalen oder vertikalen Vereinbarungen enthalten sei, eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstelle.
90Das MSA und sein Vollzug würden zudem gegen Art. 102 AEUV verstoßen. Die Streithelferin habe ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem sie ihr Patentportfolio künstlich aufgespalten habe. Dies habe der Umgehung der FRAND-Verpflichtung gedient mit dem Ziel, die Lizenzeinnahmen auf ein über FRAND liegendes Niveau anzuheben.
91Die Beklagten vertreten die Auffassung, die Beklagte zu 1) sei nicht passiv legitimiert, weil sich die Webseite H /global nicht an Abnehmer in Deutschland richte und insbesondere keine für den deutschen Markt bestimmten Angebote enthalte.
92Die Beklagten sind weiter der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen würden das Klagepatent nicht verletzen. Sie bestreiten die seitens der Klägerin durchgeführten Tests und deren Ergebnisse für Geräte der Beklagten mit Nichtwissen.
93Das Klagepatent unterscheide die Begriffe „bestimmen“ und „entdecken“. Entdecken sei zu verstehen als das Vorhandensein oder die Existenz feststellen oder auffinden. In dem Augenblick, in dem das mobile Endgerät die eindeutige oder nichteindeutige Zellenkennungsinformation wahrnehme, sei der Schritt des Erkennens/Entdeckens dieser Information abgeschlossen. Der Begriff „detect“ entspreche einem rein passiven Empfangen einer bereits vorhandenen Information und stehe im Gegensatz zu einem Errechnen eines neuen Werts.
94Das Endgerät weise Mittel auf, um Parameterinformationen bezüglich sämtlicher Betriebsparameter, die bestimmt wurden, zu melden. Parameterinformationen jedes Betriebsparameters würden für den Fall, dass mehrere Betriebsparameter erkannt werden, gemeldet. Der Klagepatentanspruch lasse es erkennbar nicht zur, dass Parameterinformationen bezüglich irgendwelcher Betriebsparameter als nicht gemeldet vom Mobilgerät unterschlagen würden.
95Das Klagepatent grenze sich nur dahingehend vom Stand der Technik ab, dass das vollautomatische Erstellen von Nachbarzellen dort an seine Grenzen gestoßen sei, wo Nachbarzellen dieselbe nichteindeutige Kennung hatten. Im LTE-Netzwerk werde dieses Problem durch eine Zellenplanung vermieden, bei der nahegelegene Zellen keine identische nichteindeutige Kennung erhalten. Die eindeutige Kennung solle nach der Lehre des Klagepatents lediglich sicherstellen, dass keine Verwechselungen zwischen Nachbarzellen – keine weiter entfernten Zellen – stattfinden könnten.
96Nach dem LTE-Standard werde die PCI bzw. PhysCellID nicht als solche in dem Synchronisationssignal von einer eNB übertragen, sondern in zwei getrennten Synchronisationssignalen – im Primary Synchronisation Signal (PSS) und Secondary Synchronisation Signal (SSS). Lediglich diese beiden Signale würden auch an das UE übertragen. Aus den beiden Signalen werde die nichteindeutige physikalische Zellidentität anhand der Formel errechnet. Das UE melde nur den so errechneten Summenwert als ganze Zahl. Damit melde ein standardmäßiges UE nicht die erkannten Informationen (PSS und SSS), sondern den davon abweichenden, anhand der genannten mathematischen Formel errechneten Wert für die physikalische Zellkennung an die eNB.
97Ferner empfange das UE Informationen im SystemInformationBlockType 1 (die plmn-IdentityList, aus der das UE den 1. Eintrag als plmn-identity wählt, und die cellidentity), aus denen es erst den ECGI ermitteln müsse. Indem der erst zu ermittelnde ECGI an die Basisstation gemeldet werde, weise das UE weder Mittel zum Erkennen noch zum Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformation auf.
98Im LTE-Netzwerk stelle sich das vom Klagepatent gelöste Problem nicht, da es durch menschliche Bemühungen bei der Planung des Netzwerks so konfiguriert werde, dass nahegelegene Zellen keine gemeinsame uneindeutige Zellidentität haben. Die ECGI diene vielmehr dazu, die IP-Adresse einer benachbarten Zelle für die dienende eNB leichter herleitbar zu machen, damit die Verbindungsübergabe schneller erfolge.
99Die SystemFrameNumber (SFN) – eine Information, die dazu dient, dass sich das UE mit dem Netzwerk in zeitlicher Hinsicht synchronisiert – sei ein seitens des UE gemessener Betriebsparameter, die in einem sog. MasterInformationsBlock von dem Netzwerk an das UE übertragen werde. Im LTE-Standard sei hingegen nicht vorgesehen, dass das UE die SFN an die eNB melde. Entgegen des klagepatentgemäßen Anspruchs würden daher nicht sämtliche Betriebsparameter für die zweite Kommunikationszelle gemeldet.
100Im Übrigen stehe der Durchsetzung der mit der Klage verfolgten Ansprüche der Lizenzeinwand aus Art. 102 AEUV entgegen. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, sie – die Beklagten - vor Klageerhebung auf die Verletzung des Klagepatents hinzuweisen und ihnen ein Lizenzvertragsangebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten. Dies habe sie nicht getan. Insbesondere seien die in den vorangegangenen Lizenzvertragsverhandlungen von der Klägerin geforderten Lizenzgebühren unverhältnismäßig hoch und nicht diskriminierungsfrei gewesen. Die Klägerin habe es jedenfalls versäumt, vergleichbare Lizenzverträge vorzulegen, aufgrund derer erst beurteilt werden könne, ob die angebotenen Lizenzbedingungen diskriminierungsfrei seien. Infolgedessen sei die Geltendmachung von Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüchen kartellrechtswidrig/rechtsmissbräuchlich. Jedenfalls aber sei ein etwaiger Schadensersatzanspruch auf die Geltendmachung einer angemessenen Lizenzgebühr beschränkt. Insofern sei der Antrag auf Auskunft und Rechnungslegung zu weit gefasst.
101Hilfsweise sei das Verfahren auszusetzen. Das Klagepatent werde sich nicht als rechtsbeständig erweisen. Sowohl die hiesigen Beklagten als auch die Beklagten aus den Parallelverfahren 4b O 51/14 und 4b O 122/14 sind der Ansicht, der Gegenstand des Klagepatents sei unzulässig erweitert bzw. die geschützte technische Lehre nicht ausführbar und werde überdies neuheitsschädlich von diversen Entgegenhaltungen offenbart. Jedenfalls fehle es ihm an der nötigen Erfindungshöhe.
102Die Klägerin und die Streithelferin treten den kartellrechtlichen Einwänden der Beklagten entgegen.
103Die Nebenintervenientin behauptet, für ihr umfangreiches Patentportfolio auf dem Markt keine angemessenen Lizenzgebühren mehr habe erzielen können. Dies sei der Grund für den Abschluss des MSA gewesen. Es sei ihr legitimes Ziel gewesen, durch die Aufspaltung des Portfolios einen faireren Ausgleich für die von ihr geleistete Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu erlangen. Diese sei immens. Sie investiere jährlich etwa 4 Milliarden USD in diesen Bereich und beschäftige dort mehr als 25.000 Mitarbeiter. Ein großer Teil der Aktivitäten sei dabei der Entwicklung von offenen Mobilfunkstandards gewidmet. Etwa 40 % des weltweiten mobilen Datenverkehrs verlaufe durch Netzwerke, die von ihr bereitgestellt würden. Als Ergebnis ihrer umfangreichen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit halte sie mittlerweile ein Portfolio von über 37.000 erteilten Patenten. Hinzu komme die jährliche Erteilung von weiteren etwa 2.000 Patenten. Eine Vielzahl dieser Patente sei wesentlich für die bedeutenden Standards, die von modernen Mobilkommunikationsgeräten und deren Infrastruktur genutzt würden. Sie habe in der Vergangenheit eine Vielzahl von Lizenzverträgen abgeschlossen. Die Einnahmen aus diesen Verträgen seien ein notwendiger Anreiz, um weiterhin in Forschung und Entwicklung zu investieren.
104Dabei setze sie – die Streithelferin – sich vehement für die Implementierung der FRAND-Prinzipien ein. Ihr uneingeschränktes Bekenntnis zu der Einhaltung und Umsetzung der FRAND-Prinzipien habe auch beim Abschluss des MSA eine wesentliche Rolle gespielt. Dies zeige sich an verschiedenen Stellen des Vertrages, etwa in den Ziffern 6.1 (x), 6.7 (a), 6.7 (b), 6.12, 6.14 (a), 6.14 (b). Auch im PSA sei in Ziffer 5.4 eine entsprechende Regelung getroffen worden.
105Immer mehr potenzielle Lizenznehmer würden demgegenüber die Möglichkeit des „Hold-out“ nutzen, d.h. die geschützte Technologie ohne bestehenden Lizenzvertrag nutzen und darauf warten, vom Patentinhaber verklagt zu werden. Dies geschehe in dem Wissen, dass solche Verfahren nur Patent für Patent und Land für Land durchgeführt werden könnten und entsprechend lange Zeit benötigten. An ernsthaften Lizenzvertragsverhandlungen seien diese Marktteilnehmer nicht interessiert.
106Das MSA verstoße nicht gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften. Es sei schon kein Zusammenschlusstatbestand erfüllt. Im Übrigen seien die Umsatzschwellen des § 35 GWB nicht überschritten. Für die Annahme, die Umsätze von UPLLC in Deutschland im Jahr 2012 hätten 5 Millionen Euro überschritten, gebe es keinerlei Anhaltspunkte.
107Nur hilfsweise weist die Streithelferin außerdem darauf hin, dass ein Verstoß gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften jedenfalls nicht die Unwirksamkeit der Patentübertragungen zur Folge hätte. § 41 Abs. 1 S. 2 GWB beschränke die Nichtigkeitsfolge vielmehr auf dasjenige Rechtsgeschäft, das gegen das Vollzugsverbot verstoße. Im Übrigen bleibe das MSA und erst Recht die nachfolgenden Patentübertragungen wirksam.
108Das MSA enthalte auch keine unzulässige Preisbindung. Die Vereinbarung einer „Applicable Royalty Rate“ stelle nicht die Festlegung einer Mindestlizenzgebühr dar, sondern sei lediglich Hilfsmittel, um die Zahlung eines angemessenen Kaufpreises für die übertragenen Patente sicherzustellen. Die Klägerin sei frei, mit ihren potentiellen Lizenznehmern jedwede Lizenzgebühr auszuhandeln. Dabei sei sie allein kaufmännischen Erwägungen unterworfen. Der Anreiz für die Klägerin, die „Applicable Royalty Rate“ nicht zu unterschreiten, sei vergleichbar mit dem Anreiz für jeden Großhändler, bei einem Weiterverkauf der Waren nicht deren Einkaufspreis zu unterschreiten. Hierin liege keine kartellrechtswidrige Preisfestsetzung.
109Schließlich verstoße das MSA nicht gegen Art. 101 AEUV oder Art. 102 AEUV. Es sei – entgegen dem Vorbringen der Beklagten – keineswegs Sinn und Zweck des MSA gewesen, die Lizenzgebühren auf ein über FRAND liegendes Niveau zu erhöhen. Vielmehr hätten sowohl UPLLC als auch die Klägerin – insoweit unstreitig – entsprechend den Regelungen im MSA und PSA eigene FRAND-Erklärungen abgegeben, um sicherzustellen, dass die FRAND-Prinzipien eingehalten würden. Der Umstand, dass es sich bei der Klägerin um eine Patentverwertungsgesellschaft handele, könne keinen Unterschied machen. Ein Recht auf einen bestimmten Lizenzgeber gewähre das Kartellrecht nicht.
110Der Kartellrechtseinwand der Beklagten könne schon deshalb keinen Erfolg haben, weil mit der Klage keine Unterlassung, sondern ausschließlich Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht geltend gemacht werde. Auf diese Ansprüche finde Art. 102 AEUV keine Anwendung. Insofern sei auch keine Beschränkung der Schadensersatzpflicht auf eine angemessene Lizenzgebühr gerechtfertigt. Die Beklagten hätten nämlich gerade kein annahmefähiges Angebot abgegeben, geschweige denn Sicherheit geleistet. Vielmehr hätten die Beklagten bis zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage kein echtes Interesse daran gehabt, in inhaltliche Gespräche mit der Klägerin über eine Lizensierung ihrer Patente einzutreten. Mit dem License Proposal habe sie – die Klägerin - ein FRAND-Angebot vorgelegt, das die Beklagten nicht hätten ausschlagen dürfen. Die Lizenzgebühr in Höhe von 0,75 USD sei gerechtfertigt, weil diese sich nicht ausschließlich auf das Klagepatent, sondern auf das gesamte angebotene Portfolio beziehe.
111Mit Zwischenurteil vom 29.07.2014 hat die Kammer den Antrag der Beklagten zu 2) auf Leistung der Prozesskostensicherheit durch die Klägerin zurückgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
112Das Gericht hat aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 27.11.2015 und 01.12.2015 Beweis erhoben unter anderem durch die Vernehmung der Zeugen I , L , U , J , O , R , V und X. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2015, 03.12.2015 und 10.12.2015 Bezug genommen. Die Akten 4b O 49/14, 4b O 51/14, 4b O 52/14, 4b O 120/14, 4b O 122/14, 4b O 123/14, 4b O 4b O 156/14 und 4b O 157/14 wurden beigezogen und waren ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
113Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2015, 01.12.2015, 03.12.2015 und 10.12.2015 Bezug genommen.
114Entscheidungsgründe
115Die Klage ist zulässig und begründet.
116Die Klägerin hat gegen die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit §§ 139 Abs. 2, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB.
117I.
118Die Klägerin ist zur Geltendmachung der mit der vorliegenden Klage verfolgten Ansprüche auf Schadensersatz und Rechnungslegung aktiv legitimiert.
119Für die Sachlegitimation im Verletzungsrechtsstreit maßgeblich ist nicht der Eintrag im Patentregister, sondern die materielle Rechtslage (BGH, GRUR 2013, 713 ff. – Fräsverfahren; OLG Düsseldorf, BeckRS 2013, 1781; OLG Düsseldorf BeckRS 2013, 18737). Soweit Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden, ist die vorgenannte Differenzierung ohne Belang, weil die Beklagte nicht zur Unterlassung gegenüber einem bestimmten Berechtigten, sondern zur Unterlassung schlechthin verurteilt wird (BGH, GRUR 2013, 713 ff. – Fräsverfahren; vgl. auch Pitz, GRUR 2010, 688, 689). Soweit allerdings – wie im Streitfall - Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, stehen diese nur dem jeweils materiell berechtigten Patentrechtsinhaber zu.
1201.
121Die Erteilung des Patents und dessen Eintragung im Register zugunsten eines bestimmten Inhabers lässt das Recht aus dem Patent originär in der Person des eingetragenen Inhabers entstehen.
122Das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) unterscheidet in einer dem nationalen Recht (vgl. die Aufzählung in § 15 Abs. 1 Satz 1 PatG) grundsätzlich vergleichbaren Weise zwischen drei Kategorien von Rechten, die aus einer Erfindung resultieren können. Das im deutschen Recht in der Vorschrift des § 6 PatG geregelte „Recht auf das Patent” beschreibt in materieller Hinsicht die Gesamtheit der aus der Erfindung herrührenden Rechte. Diese erste Kategorie erfindungsbezogener Rechte kennt auch das EPÜ, indem es in seinem Art.60 Abs. 1 Satz 1 das „Recht auf das europäische Patent” dem Erfinder (bzw. seinem Rechtsnachfolger) zuweist. Die zweite Kategorie beschreibt das „Recht aus der Patentanmeldung” (den „Anspruch auf Erteilung des Patents”, wie § 15 Abs. 1 Satz 1 PatG es nennt), mithin die durch die Anmeldung begründete und damit formale Rechtsposition des Anmelders eines Patents. In Bezug auf dieses Recht aus der Patentanmeldung fingiert Art. 60 Abs. 3 EPÜ im Verfahren vor dem EPA, dass der Anmelder berechtigt ist, das Recht auf das europäische Patent geltend zu machen. Die dritte Kategorie schließlich betrifft das Recht aus dem Patent, das in seinen Rechtswirkungen im nationalen Recht in den §§ 9 und 10 PatG geregelt und im EPÜ in Art. 64 genannt ist (vgl. hierzu: LG Düsseldorf, GRUR Int. 2007, 347 ff.).
123Die in Art. 60 Abs. 3 EPÜ normierte Fiktion hinsichtlich des Rechts aus der Patentanmeldung, die im nationalen Recht in § 7 Abs. 1 PatG geregelt ist, bewirkt in der dritten Kategorie das Entstehen des Rechts aus dem Patent in der Person des Anmeldenden (vgl. hierzu auch: Benkard/Mellulis, Europäisches Patentübereinkommen, 2. Auflage 2012, Art. 60 Rn 28; eindeutiger: Benkard/Mellulis, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 7 Rn 2). Dieser wird originärer Inhaber des Rechts aus dem Patent und insofern nicht nur formell, sondern auch materiell Berechtigter hinsichtlich sämtlicher Rechte aus dem Patent (OLG Düsseldorf, BB 1970, 1110; kürzlich bestätigt durch: OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2015, Az.: I-2 U 25/10; Benkard/Mellulis, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 7 Rn 2). Ist der Anmeldende weder der Erfinder noch dessen (unmittelbarer oder mittelbarer) Rechtsnachfolger, ist er gemäß Art. II § 5 Abs. 2 IntPatÜ bzw. § 8 S. 2 PatG dem sachlich Berechtigten gegenüber zur Übertragung des Patents verpflichtet. Bis dahin jedoch hat er gegenüber Dritten die Stellung des materiell berechtigten Inhabers am Patent und kann sämtliche Ansprüche aus dem Patent geltend machen.
124Durch die Erteilung des Klagepatents am 13.11.2013 ist das Recht aus dem Patent formell und materiell in der Person der UPLLC entstanden.
125Aus der Entscheidung „Magazinbildwerfer“ des Bundesgerichtshofs vom 23.06.1992 (GRUR 1993, 69) ergibt sich nichts anderes. In dieser Entscheidung hat sich der BGH nicht mit der Frage befasst, welche Rechtswirkungen die Erteilung eines Patents durch das Europäische Patentamt hat. Ebenso wenig kann aus dem Umstand, dass der BGH trotz der zwischenzeitlichen Erteilung des Patents die Wirksamkeit der Übertragung der vorausgehenden Patentanmeldung geprüft hat, hergeleitet werden, dass der Anmelder mit der Erteilung des Patents nicht originär Inhaber des Schutzrechts wird. Denn der vom BGH zu entscheidende Sachverhalt unterscheidet sich vom Streitfall dadurch, dass die vom Patentinhaber beklagte Partei – die dortige Beklagte zu 1) – eingewandt hat, selbst Inhaberin der Patentanmeldung gewesen zu sein, so dass sie den vom eingetragenen Inhaber geltend gemachten Ansprüchen unter Umständen entsprechende Gegenrechte entgegenhalten konnte (dolo-agit-Einwand). Dies steht im Streitfall hingegen nicht in Rede.
1262.
127Hinsichtlich der (wirksamen) Übertragung des Klagepatents von der UPLLC an die Klägerin mit Übertragungsvertrag vom 27.04.2014 begründet die Eintragung der Klägerin im Register eine tatsächliche Vermutung.
128Insofern ist anerkannt, dass für die Beurteilung der Frage, wer materiell-rechtlich Inhaber des Patents ist, dem Patentregister in aller Regel eine erhebliche Indizwirkung zukommt (BGH, GRUR 2013, 713 ff. – Fräsverfahren). Nach § 30 Abs. 3 S. 1 PatG darf das Patentamt eine Änderung in der Person des Patentinhabers nur dann im Register vermerken, wenn sie ihm nachgewiesen wird, wobei jeder Nachweis erkennen lassen muss, dass der bisherige Schutzrechtsinhaber mit dem Übergang der daraus folgenden Rechte auf den neuen Inhaber einverstanden ist. Gemäß § 28 Abs. 2 DPMAV muss der bisherige Inhaber den Antrag auf Umschreibung zusammen mit dem Rechtsnachfolger unterschreiben oder der Rechtsnachfolger muss eine Zustimmungserklärung des zuvor eingetragenen Inhabers vorlegen. Dies begründet eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Eintragung im Patentregister die materielle Rechtslage zuverlässig wiedergibt (BGH, GRUR 2013, 713, 717 – Fräsverfahren). Angesichts dessen bedarf es in einem Verletzungsrechtsstreit regelmäßig keines weiteren Vortrags oder Beweisantritts, wenn sich eine Partei auf den aus dem Patentregister ersichtlichen Rechtsstand beruft, solange nicht konkrete Anhaltspunkte ersichtlich sind oder vom Gegner aufgezeigt werden, aus denen sich die Unrichtigkeit ergibt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
129Selbst wenn man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – annehmen wollte, dass die Erteilung des Patents in der Person der UPLLC keine konstitutive Wirkung hatte, würde die Indizwirkung des Registers für die Klägerin streiten. Insbesondere steht der Indizwirkung nicht entgegen, dass im Rahmen der Übertragung der dem Klagepatent vorausgegangenen Patentanmeldung ein Zwischenerwerber in der von der Klägerin vorgetragenen Übertragungskette, nämlich die U LLC, nicht im Patentregister eingetragen war. Die Kammer folgt zwar nicht der Auffassung des LG Mannheim, wonach die Nichteintragung eines Zwischenerwerbers im Patentregister generell unbeachtlich sein soll (vgl.: LG Mannheim, Urteil vom 10.03.2015 - Aktenzeichen 2 O 103/14, BeckRS 2015, 15918 für den Zwischenerwerb an einem Patent), im vorliegenden Fall reichen die von der Klägerin zur Übertragungskette vorgetragenen Details – im Hinblick auf den nichteingetragenen Zwischenerwerb der C – aber jedenfalls nicht aus, die Vermutungswirkung des Patentregisters zu erschüttern. Denn die Übertragungskette war nach dem Vortrag der Klägerin zwischen sämtlichen Parteien von vornherein abgestimmt und die C gerade einmal für einen Zeitraum von zwei Tagen Inhaberin der dem Klagepatent vorausgegangenen Patentanmeldung. Die Eintragung der U LLC, die von vornherein nur als Zwischenerwerberin fungieren sollte, wäre reine Förmelei gewesen. Insofern genügt die Eintragung der UPLLC im Patentregister, um dessen Indizwirkung zu erhalten.
1303.
131Die insoweit bestehende Vermutung hinsichtlich der Inhaberschaft der Klägerin am Klagepatent wird bestätigt durch die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und die aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 27.11.2015 und 01.12.2015 durchgeführte Zeugenvernehmung. Hiernach steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die UPLLC das Klagepatent durch Patentübertragungsvertrag vom 27.02.2014 an die Klägerin übertragen hat (nachfolgend: ÜV III).
132Nur äußerst hilfsweise für den Fall, dass man der Erteilung des Patents im Hinblick auf die materielle Berechtigung keine rechtsbegründende Wirkung beimessen wollte, stellt die Kammer fest, dass aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme auch zu ihrer Überzeugung feststeht, dass die Streithelferin die das Klagepatent betreffende Anmeldung durch Übertragungsvertrag vom 11.02.2013 an die C übertragen hat (nachfolgend: ÜV I), die diese sodann durch Übertragungsvertrag vom 13.02.2013 an die UPLLC weiter übertragen hat (nachfolgend: ÜV II).
133a) Grundsätze
134Für die Entstehung, die Rechteinhaberschaft, den Bestand und die Übertragung des Patents gilt das Schutzlandprinzip (lex loci protectionis). Dieses ist zwingend und einer abweichenden Rechtswahl der Parteien nicht zugänglich. Die Anknüpfung an das Schutzlandprinzip bedeutet, dass für die Anforderungen an die Übertragung eines Patents das Recht desjenigen Staates heranzuziehen ist, in dem das Patent seinen territorialen Schutz entfaltet (vgl.: Kühnen, GRUR 2014, 137, 142 f.). Entsprechend ist vorliegend, da der deutsche Teil eines europäischen Patents im Streit steht, die Wirksamkeit der vorgetragenen Patentübertragungen nach deutschem Recht zu beurteilen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass von den Übertragungsverträgen zugleich weitere ausländische Schutzrechte umfasst waren (vgl.: OLG München, GRUR-RR 2006, 130).
135aa)
136Mangels besonderer gesetzlicher Vorgaben kann die Übertragung eines Patents im deutschen Recht durch schlichte Übereinkunft zwischen dem bisherigen Inhaber und dem in Aussicht genommenen Patenterwerber erfolgen. Der Einhaltung einer besonderen Form bedarf es gemäß Art. 72 EPÜ nur für europäische Patentanmeldungen (LG Düsseldorf, GRUR Int. 2007, 347, 350 – Medizinisches Instrument). Für die Übertragung dieser Patentanmeldungen erfordert Art. 72 EPÜ aus Gründen der Rechtsklarheit die Schriftform. Für das EPA soll aus lediglich einer einheitlichen Urkunde nachvollziehbar sein, dass und an wen eine Übertragung der europäischen Patentanmeldung stattgefunden hat und ob diese Übertragung - etwa im Hinblick auf die Vertretungsbefugnis der tatsächlich handelnden Personen - wirksam zustande gekommen ist. Durch die Schriftform soll ermöglicht werden, die materielle Berechtigung an der Patentanmeldung vertragsweit auf einfache und zugleich sichere Weise feststellen zu können (vgl. BGH, GRUR 1992, 692, 693 - Magazinbildwerfer). Die Schriftform steht im Zusammenhang mit der auch im Übrigen vorgesehenen Schriftlichkeit im Verfahren gegenüber dem EPA (vgl. etwa Art. 99 Abs. 1 Satz 2, Art. 108 Satz 1, Art. 121 Abs. 2 EPÜ).
137Das Erfordernis der Schriftform nach Art. 72 EPÜ geht Formerfordernissen des nationalen Rechtsvor, da Art. 72 EPÜ die Frage der Form der Übertragung der europäischen Patentanmeldung abschließend regelt. Die schriftliche Vereinbarung im Sinne des Art. 72 EPÜ muss das Schutzrecht bezeichnen, den Willen zu dessen Übertragung wiedergeben und jedenfalls auch insoweit die Unterschrift der beiden Vertragsparteien tragen (BGH, GRUR Int. 1993, 548 ff. – Magazinbildwerfer). Für die Einhaltung der Schriftform des Art. 72 EPÜ ist es nicht unbedingt erforderlich, dass die Unterschrift auf jeder Seite eines mehrseitigen Dokuments steht. Erforderlich ist nur, dass der auf mehreren Seiten stehende Text den Willen der unterzeichnenden Personen darstellt und entsprechend von der Unterschrift gedeckt ist (Fitzner/Lutz/Bodewig/Heinrich, Patentrechtskommentar, 4. Auflage 2012, Art. 72 EPÜ Rn 6). Dies kann nicht nur durch eine Unterschrift/Paraphierung auf jeder Seite des Vertrages oder eine Heftung oder ähnlich feste Verbindung der einzelnen Vertragsseiten deutlich gemacht werden, sondern auch mittels einer Beweiserhebung – etwa durch die Vernehmung von Zeugen – geklärt werden.
138bb)
139Ob ein bestimmter über das Klagepatent abgeschlossener Vertrag dessen materielle Übertragung zum Gegenstand hat, ist im Streitfall durch Auslegung zu ermitteln. Die Auslegung ist nach denjenigen gesetzlichen Regeln vorzunehmen, die das Vertragsstatut vorgibt. Haben für die Parteien des Übertragungsvertrages Bevollmächtigte gehandelt, entscheidet das Vertragsstatut auch darüber, ob die Voraussetzungen einer wirksamen Stellvertretung gegeben sind. Wird nach erfolgter, ggf. ausländischem Vertragsrecht folgender Auslegung und Beurteilung der Vertretungsverhältnisse eine den Geschäftsherrn bindende Übertragungsabsprache bejaht, entscheidet deutsches Recht darüber, ob die verabredete Patentübertragung den Anforderungen an ein solches Verfügungsgeschäft genügt (vgl.: Kühnen, GRUR 2014, 137, 142 f.).
140b) Übertragungsvertrag Streithelferin – U LLC
141Die Klägerin hat schlüssig dargetan und bewiesen, dass die Streithelferin die dem Klagepatent vorausgehende Patentanmeldung als Teil eines Portfolios mit Vertrag vom 11.02.2013 an die C (E-Sub) übertragen hat.
142aa)
143Die Klägerin hat die Übertragungsvereinbarung zwischen der Streithelferin und der C vom 11.02.2013 mit Schriftsatz vom 17.11.2015 im Original vorgelegt. Dass dieses Original nicht vollständig mit dem zuvor von der Klägerin als Kopie eingereichten Exemplar des ÜV I übereinstimmt, heißt nicht, dass die darin enthaltene Vereinbarung zwischen den Parteien nicht wirksam zustande gekommen ist. Die Zeugen I , J und X haben übereinstimmend ausgesagt, dass sowohl das Original als auch die Kopie ihre Unterschriften aufweisen und die Unterschiede auf den Unterschriftsseiten daher rühren können, dass sie den Vertrag mehrfach unterzeichnet haben. Die Zeugen haben zudem gegenseitig ihre Unterschriften verifiziert.
144Die Unterzeichnung des Vertrages kam nach übereinstimmender Aussage der drei Zeugen in Schweden zu Stande und zwar im Rahmen eines Leadership-Meetings, das am 7. Februar 2013 am Hauptsitz von W in der Nähe von Stockholm stattfand. Aus Anlass dieses Leadership-Meetings befand sich auch der Zeuge X zu diesem Zeitpunkt in Schweden. Die Zeugen stimmten darin überein, dass die Unterschriften von dem In-House Anwalt der Streithelferin, Herrn Y , gesammelt wurden, da es sich bei dem ÜV I um einen internen Vorgang innerhalb der W Unternehmensgruppe gehandelt habe.
145Zugleich wiesen alle drei Zeugen darauf hin, dass der ÜV I nur ein Teil einer größeren Transaktion gewesen sei und die spätere Übertragung der Patente an die G Unternehmensgruppe vorbereitet habe. Die Zeugin J schilderte detailliert, wie üblicherweise die Unterzeichnung von Verträgen bei transkontinentalen Vereinbarungen ablaufe. Die Dokumente würden per e-mail ausgetauscht, wobei im Regelfall der Vertragstext und die Unterschriftsseite als separate pdf-Dokumente verschickt würden. Die Unterschriftsseite werde ausgedruckt, unterzeichnet, eingescannt und zurückgesandt. Die beauftragte Anwaltskanzlei sammele die Unterschriftsseiten, füge diese mit dem Vertragstext zusammen und stelle sicher, dass die korrekten Anlagen beiliegen. Mittlerweile werde häufig vereinbart, dass die pdf-Dokumente als Originale gelten sollen, weshalb auf die Originale nicht mehr so viel Wert gelegt werde. Die Üblichkeit dieses Vorgehens wurde von den Zeugen I und L dem Grunde nach bestätigt. Der Zeuge V ergänzte dies im Rahmen seiner Vernehmung dahingehend, dass die beteiligten Kanzleien die Unterschriftsseiten austauschen und deren Erhalt bestätigen würden.
146Die Zeugen I , J und X haben weiter übereinstimmend ausgesagt, dass vorliegend die Gesamttransaktion von der amerikanischen Rechtsanwaltskanzlei Z begleitet worden sei, die die Verträge ausgearbeitet, bei sich gesammelt und sichergestellt habe, dass alles ordnungsgemäß unterzeichnet gewesen sei. Für den ÜV I habe, da sämtliche der unterzeichnenden Personen in Schweden gewesen seien, Herr AA die Unterschriften gesammelt. Der Umstand, dass die Verträge durch die amerikanische Kanzlei Z vorbereitet wurden, erklärt, warum der ÜV I verschiedene Papierformate aufweist. Denn europäische und amerikanische Formate unterscheiden sich geringfügig und es erscheint vor dem Hintergrund der Zeugenaussagen durchaus möglich, dass einzelne Seiten in den USA und andere in Schweden ausgedruckt wurden.
147Soweit es im Rahmen der Unterzeichnung des ÜV I eine Änderung im Vertragsinhalt gegeben hat, an die sich die Zeugen im einzelnen nicht mehr erinnern konnten, stimmten sie sämtlich darin überein, dass es sich allenfalls um ein Detail gehandelt habe, um dass sich die Rechts- bzw. Patentabteilung gekümmert habe. Die drei vorgenannten Zeugen waren sich bei der Unterzeichnung des Vertrages darüber im Klaren, dass mit dem ihnen zur Unterschrift vorgelegten Vertrag eine Reihe von Patenten und Patentanmeldungen der Streithelferin auf deren hundertprozentige Tochtergesellschaft, die U LLC, übertragen werden sollten. Dass die Zeugen hierbei nicht im Einzelnen wussten, welche Patente und Patentanmeldungen - insbesondere mit welchen Patentnummern - übertragen werden sollten, hindert die Wirksamkeit des Vertrages nicht. Insofern haben sich alle drei Zeugen in der konkreten Ausgestaltung des Vertrages auf ihre Anwälte verlassen; ihr Vertragsbindungswille bezog sich auf die grundsätzliche Übertragung von Patenten von der Streithelferin auf die U LLC, wobei die Details durch die hierfür bevollmächtigten Anwälte geregelt werden sollten. Dass sich die Kenntnis und damit der Wille der Zeugen nicht auf jedes Detail des Vertrages bezog, steht der Annahme eines wirksamen Vertragsschlusses nicht entgegen. Dies entspricht vielmehr der üblichen Arbeitsteilung innerhalb größerer Unternehmen. Die eingeschalteten Anwälte handelten als Vertreter der Unterzeichnenden. Dies gilt auch für den gegenseitigen Empfang der Willenserklärungen.
148bb)
149Die Kammer ist davon überzeugt, dass der ÜV I die Übertragung der dem Klagepatent vorausgehenden Patentanmeldung von der Streithelferin an die C umfasste. Die gemäß Ziffer 1 des ÜV I übertragenen Patente und Patentanmeldungen sind in Anhang A aufgelistet. Zu den dort genannten Patenten gehört u.a. das Klagepatent bzw. die diesem vorausgehende Anmeldung. Insofern ist der Vertrag hinreichend bestimmt. Es ist zwar richtig, dass die fehlende feste Verbindung der Seiten und die fehlende Paraphierung die Feststellung erschwert, mit welchem Inhalt der Vertrag geschlossen wurde, es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Klagepatent nicht Gegenstand des Vertrages sein sollte. Im Gegenteil, das Klagepatent taucht in beiden der in diesem Rechtsstreit vorgelegten Listen von Patenten auf. Soweit es hier also verschiedene Versionen von Patentlisten gegeben hat, ist dies jedenfalls im Hinblick auf das Klagepatent unschädlich. Des Weiteren kann der Umstand, dass die Rechteinhaberschaft an dem Patent im Register geändert wurde, zumindest als ein Indiz dafür gelten, dass das Klagepatent von den Übertragungen umfasst sein sollte. Schließlich zeigt auch die Stellung von W als Streithelferin der Klägerin in diesem Rechtsstreit, dass der Wille des Vorstandes von W dahin ging, das Klagepatent an die C und von dieser an den G Unternehmenskonzern zu übertragen. Dieser Wille des Vorstandes wurde durch die den ÜV I unterzeichnenden Personen ausgeführt. Insofern konnte die Zeugin J bestätigen, dass Patente aus dem Bereich des Mobilfunks betreffend 2G, 3G und 4G ausgewählt wurden.
150cc)
151Vor diesem Hintergrund genügt der ÜV I auch den Anforderungen an die Schriftform im Sinne des Art. 72 EPÜ. Durch die durchgeführte Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Unterschriften unter dem Vertrag sich auf den darüber stehenden Vertragstext bezogen. Die Vereinbarung gibt den Willen der Streithelferin wieder, die im Anhang aufgelisteten Patente an die C zu übertragen, die wiederum diese Abtretung angenommen hat. Zugleich ist die Kammer aufgrund der Aussagen der Zeugen I , J , X, L und V davon überzeugt, dass der Vereinbarung eine Liste mit Patenten beigefügt war, die jedenfalls das Klagepatent bzw. die diesem vorausgehende Anmeldung umfasste. Sofern nicht sicher festgestellt werden konnte, ob diese Liste jedem der Unterzeichnenden vor oder bei der Unterzeichnung des Vertrages vorlag, ist dies im Rahmen des Art. 72 EPÜ unschädlich. Denn angesichts des Zwecks dieser Vorschrift, gegenüber dem EPA Rechtsklarheit zu schaffen, ist es ausreichend, dass die Liste jedenfalls im Rahmen des Closings dem Vertrag hinzugefügt wurde und dies von dem Willen der unterzeichnenden Personen gedeckt war. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest.
152dd)
153Soweit die Beklagten die Existenz der C bestreiten, sieht die Kammer hierfür keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.11.2015 in Kopie das Limited Liability Company Agreement of C vom 11.12.2012 vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass die C durch ihre Gesellschafter, die Aktiebolaget Parentesen und die Aktiebolaget K , gegründet wurde. Dass zu diesem Dokument kein Original vorgelegt werden konnte, bedeutet nicht, dass die C in Wirklichkeit nicht existiert.
154Vielmehr haben die Zeugen I und L bestätigt, das Limited Liability Company Agreement of C vom 11.12.2012 für die AB K unterzeichnet zu haben. Dass sie an den Vertragsinhalt im Einzelnen keine Erinnerung mehr hatten, ist unschädlich. Die Zeugin I konnte sich jedenfalls daran erinnern, dass die C eigens zur Durchführung der Patentübertragung von der Streithelferin auf die G Unternehmensgruppe gegründet wurde. Auch der Zeuge L konnte dies bestätigen, wobei er sich zu erinnern meinte, dass die C gegründet worden sei, weil die Streithelferin keine eigenständige Niederlassung in den USA haben wollte. Beide Zeugen konnten mit Sicherheit bestätigen, dass das vorgelegte Agreement of C ihre Unterschrift trägt. Der Zeuge L hatte sogar noch eine konkrete Erinnerung an die Unterzeichnung des Dokuments, da er zu dem Zeitpunkt, als seine Unterschrift angefordert wurde, krank war, und erst zwei Tage später wieder im Büro war, um das Dokument zu unterzeichnen. Seine zeitliche Angabe „vor Weihnachten 2012“ stimmt überein mit dem in dem Agreement angegebenen Datum, dem 11.12.2012. Soweit er das Dokument erst einige Tage nach dem 11.12.2012 unterzeichnet haben sollte, ist dies für die rechtswirksame Gründung der C unerheblich. Die Zeichnungsbefugnis der Zeugen I und L ergibt sich aus der Gründungsurkunde der AB K . Beide Zeugen konnten bestätigen, im Dezember 2012 für die AB K zeichnungsbefugt gewesen zu sein. Der Zeuge L hat dies dahingehend konkretisiert, dass zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam zeichnungsbefugt gewesen seien. Desweiteren konnte er bestätigen, dass die Vertretungsverhältnisse bei der AB K über längere Zeit gleich geblieben sind. Die Zeugen I und L , beides Vorstandsmitglieder der AB K , waren daher für die Unterzeichnung des Limited Liability Company Agreement of C im Dezember 2012 gemeinsam zeichnungsbefugt.
155Für die AB Parentesen hat die Zeugin U den Gesellschaftsvertrag unterzeichnet. Auch sie hat ihre Unterschrift – und die Unterschriften der Zeugen I und L – eindeutig erkannt. Ihre Vertretungsbefugnis für die AB Parentesen ergibt sich aus deren Registrierungszertifikat. Insofern hat die Zeugin U bestätigt, im Dezember 2012 Vorstandsmitglied der AB Parentesen und für diese allein zeichnungsberechtigt gewesen zu sein
156Die Kammer sieht - auch wenn die Zeugen nicht mit den Details des Limited Liability Company Agreement of C vertraut waren – vor diesem Hintergrund keinerlei Anlass, die Existenz der C ernsthaft in Zweifel zu ziehen.
157Dies gilt auch in Ansehung des Umstandes, dass die Dokumentennummern nicht auf allen Seiten des vorgelegten Agreements übereinstimmen. Dies lässt sich ohne weiteres damit erklären, dass die Verträge durch die amerikanische Kanzlei Z vorbereitet wurden und einen Abstimmungsprozess zwischen den beteiligten Unternehmen durchlaufen haben. Die Unterschriftenseite weist einen eindeutigen Bezug zu dem übrigen Teil des Agreements auf, da sie einen Verweis auf das LLC Agreement enthält und die Gesellschaften aufführt, die auch auf der ersten Seite des Vertrages genannt werden.
158ee)
159Die Zeuginnen I und J verfügten bei der Unterzeichnung des ÜV I für die Streithelferin über die hierzu erforderliche Vertretungsmacht. Bei der Streithelferin handelt es sich um eine Aktiengesellschaft, die nach schwedischem Recht gegründet wurde. Die Vertretungsbefugnis der Zeuginnen I und J ergibt sich aus der Registrierungsurkunde der Streithelferin. Darin sind die Zeuginnen I und J als besonders autorisierte Personen („specially authorized signatories“) aufgeführt. Unter dem Punkt „signatory power“ ist die Vertretungsmacht für die Streithelferin dergestalt geregelt, dass Frau I die Streithelferin gemeinsam mit Frau J vertreten kann. Dies haben die Zeuginnen so auch im Rahmen ihrer Vernehmung bestätigt. Die Zeugin I hat ergänzend ausgeführt, bereits seit etwa zehn Jahren für die Streithelferin zeichnungsbefugt zu sein.
160Ausweislich der Stellungnahme der schwedischen Rechtsanwälte BB M und CC N aus der Kanzlei DD vom 28.07.2015 ist eine solche Regelung nach schwedischem Recht möglich (s. S. 14-16 des Gutachtens). Hiernach wird eine schwedische Gesellschaft nach dem Aktiengesetz grundsätzlich durch ihren Vorstand vertreten. Es ist allerdings möglich, die Vertretungsmacht auf einzelne „Sonderunterzeichner der Gesellschaft“ zu übertragen. Die Befugnisse eines solchen Sonderunterzeichners entsprechen denjenigen des Vorstands. Diese Grundsätze belegen die Rechtsanwälte M und N durch den Verweis auf die entsprechenden Vorschriften des schwedischen Aktiengesetzes. Konkrete Einwände gegen die Ausführungen der beiden Anwälte tragen die Beklagten nicht vor und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Kammer hat keinerlei Zweifel daran, dass die Zeuginnen I und J nach schwedischem Recht über die erforderliche Vertretungsbefugnis verfügten, um den ÜV I zu unterzeichnen.
161ff)
162Die C wurde beim Abschluss des ÜV I wirksam durch die AB K , diese wiederum durch Herrn X, vertreten.
163Bei der C handelt es sich um eine nach dem Recht des US-Staates Delaware gegründete Gesellschaft. Auf eine solche Gesellschaft findet der Delaware Limited Liability Company Act (DLLCA) Anwendung. Gemäß § 18-402 DLLCA sind bei einer LLC nach dem Recht des Staates Delaware grundsätzlich alle Gesellschafter geschäftsführungs- und vertretungsbefugt. Die Geschäftsführung kann jedoch durch ein sog. Operating Agreement auf einen oder mehrere Geschäftsführer übertragen werden. In einem solchen Fall bezeichnet man die Gesellschaft auch als eine „Manager Managed LLC“. Dies wird beschrieben in dem Handbuch „Drafting Delaware Limited Liability Company Agreements: Forms and Practise Manual“ des US-Rechtsanwaltes EE , 3. Auflage 2014. Aus § 18-101 (10) und § 18-101 (12) DLLCA ergibt sich zudem, dass Geschäftsführer nicht nur eine natürliche, sondern auch eine juristische Person sein kann. Bestätigt wird dies durch die Stellungnahme des Herrn Professor FF (s. das Gutachten vom 23.07.2015, S. 2, vorletzter Absatz).
164Gemäß Ziffer 5 des „Limited Liability Company Agreement of U LLC“ handelt es sich bei der C um eine Manager Managed LLC, deren Geschäftsführer die AB K ist. In dieser Zifffer findet sich weiter die Regelung, dass der Geschäftsführer berechtigt ist, alle Handlungen vorzunehmen, die für Vertragsschlüsse und deren Durchführung notwendig sind. Außerdem sollte die AB K berechtigt sein, jegliche Verantwortung oder Berechtigung an einen leitenden Mitarbeiter, Angestellten oder Beauftragten zu delegieren. Hierin liegt die Gestattung zur Erteilung von Untervollmachten. Dies ist nach schwedischem Recht möglich. Ausweislich der Stellungnahme der Rechtsanwälte M und N (Gutachten vom 28.07.2015, S. 14) können Aktiengesellschaften nach schwedischem Recht neben dem Vorstand und dem Geschäftsführer durch „Sonderunterzeichner der Gesellschaft“ oder besonders bevollmächtigte Personen vertreten werden.
165Von dieser Möglichkeit hat die AB K durch Erteilung der Vollmacht vom 11.02.2013 Gebrauch gemacht. Die Vollmachtsurkunde hat die Klägerin im Original zur Akte gereicht. Die zuvor eingereichte Kopie stimmt mit dem Original überein. Unterschrieben ist die Vollmacht von den Zeugen I und L . Diese gehören ausweislich der Registrierungsurkunde der AB K dem Vorstand der Gesellschaft an und verfügen gemeinsam über die erforderliche Vertretungsmacht für die AB K (s.o.). In ihrer Vernehmung haben sie bestätigt, die entsprechende Vollmacht für Herrn X und Herrn GG ausgestellt zu haben. Dabei hatte der Zeuge L aufgrund eines Scherzes zwischen ihm und Herrn AA sogar noch eine konkrete Erinnerung an die Unterzeichnung des Dokumentes. Er wusste außerdem noch, dass Herr GG und Herr X aus bestimmten Gründen bevollmächtigt wurden. Insbesondere an Herrn GG konnte er sich als besonders zuverlässigen Mitarbeiter erinnern.
166Die Vollmacht gewährt den Herren HH X und HH GG jeweils Einzelvertretungsmacht für sämtliche Vereinbarungen und Erklärungen, die die C in Bezug auf die Durchführung des Master Sales Agreement zu schließen bzw. abzugeben hat. Entsprechend hatte Herr X die erforderliche Vertretungsmacht, um die C bei der Übertragung des Klagepatents wirksam vertreten zu können.
167Sofern Herr X den ÜV I bereits vor dem „effektive date“ am 11.02.2013 unterzeichnet hat, wofür seine Aussage spricht, den Vertrag am 07.02.2013 im Rahmen des Leadership-Meetings in Schweden unterschrieben zu haben, deutet die Aussage der Zeugin I darauf hin, dass auch die Vollmacht einige Tage vor dem 11.02.2013 unterzeichnet und dann vorgehalten wurde. Denn die Zeugin I hat ausgesagt, dass alle Dokumente zur selben Zeit vorbereitet worden seien. Selbst wenn aber die Vollmacht tatsächlich erst nach dem 11.02.2013 unterzeichnet worden wäre, wäre dies unschädlich, da jedenfalls zum „effective date“ und damit zum Inkrafttreten des ÜV I die erforderliche Vollmacht vorlag. Dies ist ausreichend, um eine wirksame Stellvertretung anzunehmen.
168GG)
169Die Kammer sieht keine Veranlassung, die Glaubwürdigkeit der Zeugen I , J , X und L anzuzweifeln. Ihre Aussagen erscheinen der Kammer glaubhaft, da sie frei von Widersprüchen sind und die Zeugen sich erkennbar bemüht haben, kenntlich zu machen, an welchen Punkten sie über eine konkrete Erinnerung verfügen und hinsichtlich welcher Umstände sie sich unsicher sind. Der Vergleich der Aussagen der Zeuginnen I und J ließ dabei erkennen, dass die Detailkenntnis bei der Zeugin J , die als Leiterin der Rechtsabteilung mit den Vorgängen im Einzelnen näher befasst war als die Zeugin I , ausgeprägter war, was der Lebenswirklichkeit entsprechen dürfte und darauf hindeutet, dass die Zeugen sich im Vorfeld der Beweisaufnahme nicht detailliert abgesprochen haben. Die Zeugin I hat im Rahmen ihrer Vernehmung wiederholt darauf hingewiesen, mit den Details der Transaktion nicht vertraut gewesen zu sein, hatte aber durchaus Kenntnis von der Gesamtkonzeption der Transaktion. Der Zeuge L hat der Kammer den Eindruck vermittelt, sehr genau zu arbeiten und seine Unterschrift keinesfalls unbedacht zu leisten. Entsprechend hatte er teilweise eine sehr genaue Erinnerung an die Umstände der Unterzeichnung. Dies gilt auch für den Zeugen X, der sich noch daran erinnern konnte, seine Unterschriften in einer Pause eines am 7.2.2013 im Hauptquartier von W abgehaltenen Leadership-Meetings geleistet zu haben. Insofern stimmt seine Aussage mit der der Zeugin J überein.
170Soweit die Zeugen im Vorfeld ihrer Vernehmung mit den Anwälten der Streithelferin Kontakt hatten, hielt sich dieser Kontakt nach der Überzeugung der Kammer im üblichen Rahmen einer Information ausländischer Zeugen über den Ablauf, den Inhalt und den Grund ihrer Vernehmung. Eine Beeinflussung der Zeugen vermochte die Kammer nicht zu erkennen.
171c) Übertragungsvertrag C - G LLC
172Die Klägerin hat schlüssig dargelegt und bewiesen, dass die C die dem Klagepatent vorausgehende Patentanmeldung mit Vertrag vom 13.02.2013 an die UPLLC abgetreten hat.
173aa)
174Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.11.2015 das Original des ÜV II vorgelegt. Dass dieses Original nicht vollständig mit dem zuvor von der Klägerin als Kopie eingereichten Exemplar des ÜV II übereinstimmt, ist insofern unschädlich, als die Unterzeichner des Vertrages im Rahmen ihrer Vernehmung bestätigt haben, eine Vereinbarung mit dem wiedergegebenen Inhalt abgeschlossen zu haben. Beide Zeugen haben ihre Unterschrift verifiziert.
175Soweit sich die Unterschrift des Herrn X auf dem als Original zur Akte gereichten ÜV II von der Unterschrift auf der Kopie unterscheidet, kann dies seine Ursache darin haben, dass die Verträge ggf. zweifach unterzeichnet wurden. Dies ist nach den Aussagen der Zeugen durchaus nicht unüblich. Auch der Zeuge O hielt dies für denkbar und hat bestätigt, üblicherweise bei derartigen Verträgen zwei Exemplare zu unterzeichnen. Der Zeuge X hatte hieran zwar keine konkrete Erinnerung mehr, wusste aber noch, „viele“ Unterschriften geleistet zu haben. Soweit der Vertrag unterschiedliche Papierformate aufweist, lässt sich dies damit erklären, dass ggf. einzelne Seiten in den USA auf dem dort gängigen Papierformat und einzelne Seiten in Schweden auf dem dort üblichen Papierformat ausgedruckt wurden.
176Der Zeuge O hat im Rahmen seiner Vernehmung ausgeführt, dass die Verträge von der amerikanischen Kanzlei II ausgehandelt worden seien. Diese Kanzlei sei im Rahmen der Transaktion vorbereitend rechtsberatend tätig geworden und habe dann ganz konkret die Transaktion begleitet, indem sie die Verträge ausgearbeitet und die Unterzeichnung koordiniert habe. Er selbst habe die Verträge zur Unterschrift von II vorgelegt bekommen. Dabei habe ein enger Austausch mit dem Zeugen V stattgefunden, der die Transaktion als In-House Anwalt begleitet habe und insofern über Detailkenntnisse verfügte. Dies wurde von dem Zeugen V so bestätigt. Der Zeuge O erklärte weiter, er sei nicht für die rechtlichen Details zuständig gewesen. Er habe vielmehr das Unternehmensziel festgelegt, das dann von den Anwälten konkret umgesetzt worden sei. Die Gegenseite, d.h. W , sei bei der Transaktion von der Kanzlei Z vertreten worden. Über diese beiden Kanzleien seien die Verträge ausgetauscht worden.
177Dies hat der Zeuge X im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt. Auch er hat ausgesagt, über die wesentlichen Grundzüge der Transaktion informiert gewesen zu sein, die Details aber seinen Anwälten überlassen zu haben. Dies sei zum einen Herr Y als In-House Anwalt, zum anderen die Kanzlei Z als externer Berater gewesen.
178Beide Zeugen konnten sich zwar an die Details des ÜV II nicht erinnern, wussten aber, dass es um eine strukturierte Übertragung von W -Patenten aus dem Bereich Mobilfunk auf die UPLLC ging. Dass sie hierbei keine Kenntnis von den konkreten Patenten, insbesondere den einzelnen Patentnummern, hatten, hindert die Wirksamkeit des Vertrages nicht. Denn die Details haben beide Zeugen ihren Anwälten überlassen, die als ihre Vertreter gehandelt haben und in dieser Eigenschaft auch die Willenserklärung der Gegenseite entgegennehmen konnten.
179bb)
180Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass der ÜV II die Übertragung der dem Klagepatent vorausgehenden Patentanmeldung von der C auf die UPLLC umfasste. Die gemäß Ziffer 1 des ÜV II übertragenen Patente und Patentanmeldungen sind in Anhang A aufgelistet. Zu den dort genannten Patenten gehört u.a. das Klagepatent bzw. die diesem zugrunde liegende Patentanmeldung. Insofern ist der Vertrag hinreichend bestimmt. Es ist zwar richtig, dass die fehlende feste Verbindung der Seiten und die fehlende Paraphierung die Feststellung erschwert, mit welchem Inhalt der Vertrag geschlossen wurde, es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die dem Klagepatent vorausgehende Patentanmeldung nicht Gegenstand des Vertrages sein sollte. Im Gegenteil, die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung ist in beiden der in diesem Rechtsstreit vorgelegten Listen von Patenten und Patentanmeldungen enthalten. Soweit es hier also verschiedene Versionen von Patentlisten gegeben hat, ist dies jedenfalls im Hinblick auf das Klagepatent und die diesem vorausgehende Anmeldung unschädlich. Des Weiteren kann der Umstand, dass die UPLLC als Inhaberin im Patentregister eingetragen wurde, zumindest als ein Indiz dafür gelten, dass die dem Klagepatent zugrunde liegende Patentanmeldung von den Übertragungen umfasst sein sollte.
181cc)
182Vor diesem Hintergrund genügt der ÜV II den Anforderungen an die Schriftform im Sinne des Art. 72 EPÜ. Durch die durchgeführte Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Unterschriften unter dem Vertrag sich auf den darüber stehenden Vertragstext bezogen. Die Vereinbarung gibt den Willen der C wieder, die im Anhang aufgelisteten Patente an die UPLLC zu übertragen, die wiederum diese Abtretung angenommen hat. Zugleich ist die Kammer davon überzeugt, dass der Vereinbarung eine Liste mit Patenten beigefügt war, die jedenfalls das Klagepatent bzw. die diesem vorausgehende Anmeldung umfasste. Sofern nicht sicher festgestellt werden konnte, ob diese Liste den Unterzeichnenden vor oder bei der Unterzeichnung des Vertrages vorlag, ist dies im Rahmen des Art. 72 EPÜ unschädlich. Denn angesichts des Zwecks dieser Vorschrift, gegenüber dem EPA Rechtsklarheit zu schaffen, ist es ausreichend, dass die Liste jedenfalls im Rahmen des Closings dem Vertrag hinzugefügt wurde und dies von dem Willen der unterzeichnenden Personen gedeckt war. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest.
183dd)
184Hinsichtlich der wirksamen Vertretung der C durch Herrn X wird auf die Ausführungen zum ÜV I verwiesen, die im Rahmen des ÜV II entsprechend gelten.
185ee)
186Die UPLLC ist im Rahmen des ÜV II wirksam von dem Zeugen O vertreten worden. Der Zeuge O hat ausgesagt, im Februar 2013 President und Chief Executive Officer der UPLLC und Chief Executive Officer der UP Inc. gewesen zu sein. Diese Aussage haben die Zeugen R und V im Rahmen ihrer Vernehmung gestützt.
187Die Position des Zeugen O als CEO der UP Inc. wird außerdem durch die von der Klägerin vorgelegten Proxy Statements der D vom 27.09.2012 und 01.10.2013 und eine Pressemitteilung der D vom 19.02.2013 bestätigt. Das Protokoll des Board Meetings der UP Inc. vom 10.01.2013 enthält den Beschluss des Vorstandes der UP Inc. zur Umsetzung des MSA und der nachfolgenden Patentübertragungsverträge. In diesem Zusammenhang wurde der Zeuge O als CEO der UP Inc. autorisiert, für die UP Inc. und deren Tochtergesellschaften die „transaction documents“ zu unterzeichnen. Die Zeugen O , R und V haben im Rahmen ihrer Vernehmung übereinstimmend ausgesagt, dass das Board Meeting der UP Inc. am 10.01.2013 stattgefunden hat und dort die vorstehend bezeichneten Entscheidungen getroffen wurden. Ausweislich Seite 1 des Protokolls waren die Zeugen O und R bei dem „Meeting of the board of directors of G Inc.“ anwesend.
188In Umsetzung der im Rahmen des Board Meetings getroffenen Vorstandsbeschlüsse wurde der Zeuge O durch das Amended And Restated Operating Agreement der UPLLC vom 13.02.2013 zum „Initial Officer“ der UPLLC ernannt (Ziffer 6.(b)) und im Anhang 1 als „President and Chief Executive Officer“ der UPLLC bezeichnet. Unterzeichnet ist dieses Agreement von dem Zeugen O sowohl für die UP IP Manager LLC als auch für die UP IP Holdings Inc., jeweils in seiner Funktion als CEO für beide Gesellschaften. Die UP IP Manager LLC und die UP IP Holdings Inc. waren die Gesellschafter der UPLLC, wobei es sich in beiden Fällen um hundertprozentige Tochtergesellschaften der UP Inc. handelt. Die UP Holdings Inc. verfügte ausweislich des „Written Consent in Lieu Of A Special Meeting Of Stockholders Of G Holdings Inc.“ vom 07.10.2011 über nur einen Director, nämlich Herrn JJ O , der daher für die Gesellschaft allein vertretungsbefugt war. Die Geschäftsführung der UPLLC wurde der UP IP Manager LLC übertragen (vgl. Ziffern 1.(k) und 6.(a) des Amended And Restated Operating Agreement). Dies ist nach dem Recht des US-Staates Nevada möglich. Maßgeblich ist insofern der Nevada Limited Liability Company Act. In Ziffer 86 der Nevada Revised Statutes (NRS) ist die Vertretung einer nach dem Recht des US-Staates Nevada gegründeten LLC im Einzelnen geregelt. NRS 86.291 bestimmt, dass die LLC durch ihre Gesellschafter oder ihre Manager vertreten werden kann. Die UPLLC wurde ursprünglich als member managed LLC gegründet. Am 12.02.2013 wurden die „Articles of Organisation“ allerdings dahingehend geändert, dass die UPLLC manager managed wurde. Als Manager kann auch eine juristische Person eingesetzt werden, wie im vorliegenden Fall die UP IP Manager LLC (vgl. hierzu das Gutachten des US-Anwalts JJ KK vom 09.11.2015, S. 2).
189Die UP IP Manager LLC hat die Gesellschaftsanteile an der UPLLC durch das Interest Assignment Agreement vom 10.01.2013 von der UP Inc. erworben. Eine solche Anteilsübertragung ist nach NRS 86.351 möglich. Manager der UP IP Manager LLC war wiederum die UP Inc. (vgl. § 7 des Company Agreement der F vom 09.01.2013). Unterzeichnet wurde das Interest Assignment Agreement auf beiden Seiten von dem Zeugen O , jeweils in seiner Funktion als Chief Executive Officer. Dies ist nach dem maßgeblichen Recht des US-Staates Delaware zulässig (vgl. das Gutachten des Herrn Prof. FF vom 13.11.2015, S. 3-4). Gleiches gilt im Übrigen auch für das Recht des US-Staates Nevada (vgl. das Gutachten des US-Rechtsanwaltes JJ KK vom 09.11.2015, S. 2-3).
190Die Echtheit sämtlicher vorgenannten Unterschriften hat der Zeuge O im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt. Die Existenz des Amended And Restated Operating Agreements der UPLLC konnte im Übrigen auch der Zeuge R bestätigen, da er dieses Dokument nach seiner Aussage im Rahmen der Verträge, die Gegenstand der gesamten Transaktion waren, gesehen hat. Er hat hierzu weiter ausgesagt, dass diese Vereinbarung für W von besonderer Bedeutung gewesen sei, da sie die rechtliche Struktur wiedergebe, die W als Insolvenzsicherheit dienen sollte. Der Zeuge V hat dies ergänzend dahingehend erläutert, dass es W gerade darauf angekommen sei, die UP IP Manager LLC als Geschäftsführer der UPLLC einzusetzen. Die UP IP Manager LLC habe 5 % der Anteile an UPLLC gehalten, die UP IP Holdings Inc. 95 % der Anteile.
191Vor diesem Hintergrund steht die Vertretungsbefugnis des Zeugen O im Rahmen des ÜV II zur Überzeugung der Kammer fest.
192ff)
193Die Kammer sieht keine Veranlassung, an der Glaubwürdigkeit der Zeugen O , R und X zu zweifeln. Soweit Herr O noch als Chairman bei der UP Inc. tätig ist, handelt es sich lediglich um eine beratende Tätigkeit für die Erfinder, die in der Vorgängergesellschaft der UP Inc. gearbeitet und dort Erfindungen getätigt haben. Der Zeuge R steht in keinem Arbeitsverhältnis mehr zur UP. Dass er noch Anteile an dieser hält, reicht für sich genommen nicht aus, seine Glaubwürdigkeit anzuzweifeln.
194Die Aussagen der Zeugen O , R und X sind glaubhaft. Sie stimmen in ihrem grundsätzlichen Gehalt überein. Wesentliche Widersprüche konnte die Kammer nicht feststellen. Der Zeuge O hat an diversen Stellen in seiner Vernehmung zu verstehen gegeben, dass er in die Details der Transaktion nicht involviert war. Er hat aber überzeugend ein Bild von dem Gesamtkonzept der Transaktion gezeichnet, das mit der Aussage des Zeugen X übereinstimmt.
195Soweit die Zeugen O , R und Han im Vorfeld ihrer Vernehmung mit den Anwälten der Klägerin Kontakt hatten, hielt sich dieser Kontakt nach der Überzeugung der Kammer im üblichen Rahmen einer Information ausländischer Zeugen über den Ablauf, den Inhalt und den Grund ihrer Vernehmung. Eine Beeinflussung der Zeugen vermochte die Kammer auch hier nicht zu erkennen.
196Soweit die Kammer in den vorstehenden Ausführungen Bezug genommen hat auf Aussagen des Zeugen V , hat sie hierbei berücksichtigt, dass dieser offenbar in einer sehr engen Beziehung zu den anwaltlichen Vertretern der Klägerin steht und sich mit diesen schon im Vorfeld dieses Rechtsstreits detailliert über die streitgegenständlichen Vorgänge ausgetauscht bzw. ihnen Informationen und Unterlagen verschafft hat. Vor diesem Hintergrund hat die Kammer zwar keine grundsätzlichen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen, hat aber im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit seiner Aussage berücksichtigt, dass bei ihm ein gewisses Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits vorhanden sein mag bzw. gewisse Bestandteile seiner Aussage von den Interessen der Klägerin beeinflusst gewesen sein mögen. Die Kammer hat die Aussage des Zeugen V daher lediglich insoweit herangezogen, wie sie geeignet war, die Aussagen anderer Zeugen zu bestätigen.
197d) Übertragungsvertrag A - Klägerin
198Schließlich hat die Klägerin substantiiert vorgetragen und bewiesen, dass die UPLLC das Klagepatent mit Vertrag vom 27.02.2014 an die Klägerin abgetreten hat.
199aa)
200Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.11.2015 das Original des ÜV III vorgelegt. Dass dieses Original nicht vollständig mit dem zuvor von der Klägerin eingereichten Exemplar des ÜV III übereinstimmt, beeinträchtigt zwar den Beweiswert der als Original vorgelegten Urkunde, das Zustandekommen einer Vereinbarung mit dem im ÜV III festgehaltenen Inhalt steht aber zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest. Der Zeuge R hat, nachdem ihm im Rahmen seiner Zeugenvernehmung das von der Klägerin als Original eingereichte Exemplar des ÜV III vorgehalten worden ist, nicht nur die Echtheit seiner eigenen Unterschrift, sondern auch die des Herrn Q bestätigt. Hierzu hat er ausgesagt, mit der Unterschrift des Herrn Q vertraut zu sein und diese zu erkennen. Dass der Zeuge R sich an Ort und Zeit seiner Unterschriftsleistung nicht mehr genau erinnern konnte, unterstreicht nur die Glaubhaftigkeit seiner Aussage, hindert aber nicht die Annahme eines wirksamen Vertragsschlusses. Der Zeuge konnte sich nämlich noch genau daran erinnern, den gesamten Vertrag gelesen zu haben, wobei ihm auch eine Liste mit Patenten vorgelegt wurde. Hierzu wusste er noch, dass er Herrn V gefragt hat, ob er diese Liste durcharbeiten müsse. Dass er sich an die Details dieser Liste – etwa ob sie in schwarz-weiß oder Farbe gedruckt war – nicht mehr erinnern konnte, ist unschädlich. Der Zeuge hatte jedenfalls eine klare Vorstellung davon, dass mit dem zu unterzeichnenden Vertrag ein Patentportfolio von der UPLLC auf die Klägerin übertragen werden sollte. Der Zeuge wusste auch, dass aufgrund steuerlicher Gesichtspunkte gerade die europäischen und koreanischen Patente auf die Klägerin übertragen werden sollten. Dies hat auch der Zeuge V so bestätigt. Soweit in diesem Rechtsstreit zwei Versionen des ÜV III vorgelegt wurden, hielt der Zeuge R es nicht für ausgeschlossen, den Vertrag zweimal unterzeichnet zu haben. Hierdurch lassen sich Unterschiede in den vorgelegten Unterschriftsseiten erklären. Der Zeuge R hat weiter ausgesagt, dass die Unterzeichnung des Vertrages von dem Zeugen V koordiniert wurde, zugleich aber für die Transaktion auch die Rechtsanwaltskanzlei II beauftragt war. Dies deckt sich mit der Aussage des Zeugen O . Insofern ist den Zeugenaussagen auch zu entnehmen, dass die hinzugezogenen Anwälte bevollmächtigt waren, die Willenserklärungen der Vertragsparteien weiterzuleiten und entgegenzunehmen. Der Zeuge V hat zudem ausgesagt, dass beide Vertragsparteien eine elektronische Version der Unterschriftenseite der jeweils anderen Partei erhalten hätten. Insofern ist von einem wirksamen Zugang der Willenserklärungen bei der jeweils anderen Vertragspartei auszugehen.
201bb)
202Die Kammer ist außerdem davon überzeugt, dass der ÜV III die Abtretung des Klagepatents von der UPLLC an die Klägerin umfasste. Die gemäß Ziffer 1 des ÜV III übertragenen Patente sind in Anhang A aufgelistet. Zu den dort genannten Patenten gehört unter anderem das Klagepatent. Der Vertrag ist damit hinreichend bestimmt. Die fehlende feste Verbindung der einzelnen Seiten des Vertrages und die fehlende Paraphierung der Seiten erschweren zwar die Feststellung, mit welchem Inhalt der Vertrag im Einzelnen geschlossen wurde, es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Klagepatent nicht von dem ÜV III umfasst sein sollte. Im Gegenteil, das Klagepatent ist in der vorgelegten Liste von Patenten enthalten und es handelt sich um ein europäisches Patent. Eben die europäischen Patente sollten nach der Aussage des Zeugen R Gegenstand der Übertragung sein. Zudem kann der Umstand, dass die Rechteinhaberschaft an dem Klagepatent – mit Zustimmung der UPLLC – im Patentregister geändert wurde und die Klägerin nunmehr als Inhaberin des Klagepatents im Register genannt ist, als ein Indiz dafür herangezogen werden, dass der Wille der Vertragsparteien dahin ging, das Klagepatent mit dem ÜV III von der UPLLC auf die Klägerin zu übertragen.
203cc)
204Hinsichtlich des ÜV III findet Art. 72 EPÜ keine Anwendung. Denn das Klagepatent wurde am 13.11.2013 erteilt. Übertragen wurde damit im Rahmen des ÜV III nicht eine europäische Patentanmeldung, sondern ein europäisches Patent.
205Ungeachtet dessen genügt aber auch der ÜV III den Anforderungen an die Schriftform im Sinne des Art. 72 EPÜ. Durch die durchgeführte Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Unterschriften unter dem Vertrag sich auf den darüber stehenden Vertragstext bezogen. Die Vereinbarung gibt den Willen der UPLLC wieder, die im Anhang aufgelisteten Patente an die Klägerin zu übertragen, die wiederum diese Abtretung angenommen hat. Zugleich ist die Kammer aufgrund der Aussagen der Zeugen R und V davon überzeugt, dass der Vereinbarung eine Liste mit Patenten beigefügt war, die jedenfalls das Klagepatent umfasste. Sofern nicht sicher festgestellt werden konnte, ob diese Liste den Unterzeichnenden vor oder bei der Unterzeichnung des Vertrages vorlag, ist dies im Rahmen des Art. 72 EPÜ unschädlich. Denn angesichts des Zwecks dieser Vorschrift, gegenüber dem EPA Rechtsklarheit zu schaffen, ist es ausreichend, dass die Liste jedenfalls im Rahmen des Closings dem Vertrag hinzugefügt wurde und dies von dem Willen der unterzeichnenden Personen gedeckt war. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest.
206dd)
207Die UPLLC wurde bei der Unterzeichnung des ÜV III wirksam von dem Zeugen R vertreten. Der Zeuge hat im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt, zum damaligen Zeitpunkt Chief Financial Officer der UP Inc. und der UPLLC gewesen zu sein. Dies wird bestätigt durch das von der Klägerin vorgelegte Protokoll eines Board Meetings der UP Inc. vom 10.01.2013, in dem der Zeuge R als CFO der UP Inc. benannt ist. Darüber hinaus hat auch der Zeuge O angegeben, dass der Zeuge R in den Jahren 2013 und 2014 CFO der UP Inc. und der UPLLC gewesen sei. Entsprechend findet sich in dem Amended And Restated Operating Agreement der UPLLC vom 13.02.2013 im Anhang 1 der Name des Zeugen R . Gemäß Ziffer 6.(b) des Agreements in Verbindung mit dem Anhang 1 wurde er zum „Initial Officer“ der UPLLC ernannt, wobei ihm ausweislich des Anhangs 1 die Funktion des CFO zukam. Gemäß Ziffer 6. (b) des Agreements verfügte der Zeuge R damit über die entsprechende Befugnis, die UPLLC im Rahmen des ÜV III zu vertreten.
208ee)
209Die Klägerin wurde beim Abschluss des ÜV III wirksam durch Herrn Q vertreten. Die Klägerin ist im irischen Handelsregister als Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach irischem Recht eingetragen. Der Vorstand der Klägerin bestand im Jahr 2014 aus den beiden Vorstandsmitgliedern Herrn R und Herrn Q . Dass Herr Q bereits am 27.02.2014 – dem Tag des Inkrafttretens des ÜV III „Managing Director“ der Klägerin und damit für diese vertretungsberechtigt war, ergibt sich aus dem Protokoll des Board Meetings der Klägerin vom 27.02.2014. Ausweislich dieses Protokolls wurde Herrn Sami Q die Vollmacht erteilt, alle notwendigen Dokumente zur Umsetzung der Patentübertragungen im Rahmen des MSA zu unterzeichnen. Die Zeugen R und V haben bestätigt, dass ein entsprechendes Board Meeting der Klägerin stattgefunden hat und dort die vorgenannte Entscheidung getroffen wurde. Dass es zwei unterschiedliche Versionen des Protokolls gibt, erklärte der Zeuge R nachvollziehbar damit, dass das Protokoll von seiner Assistentin während der Telefonkonferenz angefertigt worden sei. Die hinzugezogenen irischen Anwälte hätten dann darum gebeten, das Protokoll mehr aus der Sicht der in Irland ansässigen Klägerin zu fertigen. Dies sei so umgesetzt worden und er habe das Protokoll dann nochmals unterzeichnet. Diese Aussage passt zu den in den beiden Protokollversionen angegebenen Daten und der Änderung der im Kopf angegebenen Anschrift in KK in die Anschrift der Klägerin in Irland. Vor diesem Hintergrund ist die Kammer davon überzeugt, dass das Board Meeting der Klägerin tatsächlich am 27.02.2014 stattgefunden hat und darin Herr Q die erforderliche Vertretungsmacht erhielt, den ÜV III zu unterzeichnen.
210ff)
211Die Aussage des Zeugen R ist glaubhaft. Sie weist keine erkennbaren Widersprüche auf und der Zeuge hat sich darum bemüht, deutlich zu machen, an welche Details er keine konkrete Erinnerung mehr hat. Auf der anderen Seite hatte er ein sehr genaues Bild von den Gesamtumständen der Transaktion, das mit den Aussagen der anderen Zeugen übereinstimmt. Soweit die Kammer im Rahmen der Beweiswürdigung Aussagen des Zeugen V herangezogen hat, gilt das zum ÜV II Gesagte entsprechend.
2124.
213Die von der Klägerin im Wege der Abtretung geltend gemachten Ansprüche auf Rechnungslegung und Schadensersatz für die Zeit vor dem 27.02.2014 unterliegen nicht der Indizwirkung des Patentregisters. Denn über etwaige Abtretungen solcher Ansprüche sagt das Patentregister grundsätzlich nichts aus. Eine Indizwirkung könnte allenfalls insofern bestehen, als dass derjenige, der berechtigt das Patent übertragen durfte, auch berechtigt war, die in der Vergangenheit liegenden Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüche abzutreten. Ob eine solche Indizwirkung angenommen werden kann, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, da nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer feststeht, dass das Klagepatent wie von der Klägerin vorgetragen am 27.04.2014 von der UPLLC auf die Klägerin übertragen wurde und dabei die in der Vergangenheit entstandenen Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüche der UPLLC mit abgetreten wurden. Hinsichtlich der Wirksamkeit des Übertragungsvertrages wird auf die Ausführungen unter Ziffer 3. verwiesen.
214Der ÜV III umfasste neben der Abtretung des Patents auch die Abtretung von in der Vergangenheit entstandenen Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüchen der UPLLC. So heißt es in Ziffer 1 des ÜV III, dass die Übertragung das Recht umfasst, hinsichtlich vergangener, gegenwärtiger oder zukünftiger Verletzungen der Patente Schadensersatz oder andere Formen der Entschädigung einzuklagen und zu erhalten. Die Klägerin soll in allen Angelegenheiten, die die übertragenen Patente betreffen, vollständig und uneingeschränkt an die Stelle der UPLLC treten. Dies ist dahingehend auszulegen, dass der ÜV III neben der Abtretung des Klagepatents selbst auch eine Abtretung der in diesem Rechtsstreit streitgegenständlichen Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche der UPLLC an die Klägerin enthält.
215Die Anwendung des Rechts des Staates Nevada führt zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Die Abtretung europäischer Patente und der aus ihrer Verletzung resultierenden Schadensersatzansprüche ist ausweislich der Stellungnahme der Kanzlei S (Gutachten vom 28.07.2015, S. 6) nach dem Recht des Staates Nevada möglich. Ist dies der Fall, müssen auch die korrespondierenden Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche abtretbar sein, da andernfalls der Schadensersatz nicht beziffert werden könnte.
216Die Beklagten haben gegen das dargelegte Verständnis des ausländischen Rechts keine substantiierten Einwände erhoben.
2175.
218Soweit nach dem Vorstehenden festgestellt werden kann, dass die von der Klägerin vorgetragenen Abtretungen des Klagepatents und der dieses betreffenden Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche rechtswirksam erfolgt sind, stehen dem kartellrechtliche Gesichtspunkte nicht entgegen.
219Das MSA bzw. die nachfolgenden Patentübertragungen verstoßen weder gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften (§§ 35-43 GWB) noch kann eine Unwirksamkeit der Patentübertragungen infolge eines kartellrechtlich verbotenen Eingriffs in den Wettbewerb im Sinne der Art. 101, 102 AEUV angenommen werden.
220Das europäische Kartellrecht findet in den Mitgliedstaaten unmittelbar Anwendung und ist Bestandteil der in den Mitgliedstaaten – und damit auch in Deutschland – geltenden Rechtsordnungen. Das nationale Recht und das Gemeinschaftsrecht finden nebeneinander Anwendung, wobei in Kollisionsfällen dem Gemeinschaftsrecht der Anwendungsvorrang zukommt (Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, Einführung Rn 102 ff.).
221a) Verstoß gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften, §§ 35-43 GWB
222Zusammenschlüsse, die entgegen einer nach § 39 GWB bestehenden Verpflichtung nicht beim Bundeskartellamt angemeldet werden, sind gemäß § 41 Abs. 1 S. 2 GWB (schwebend) unwirksam. Dies setzt voraus, dass die Transaktion erstens einen Zusammenschluss nach § 37 GWB beinhaltet, zweitens die beteiligten Unternehmen die Umsatzschwellen des § 35 GWB überschreiten und drittens der Zusammenschluss Inlandswirkung hat, § 130 Abs. 2 GWB. Dass diese Voraussetzungen vorliegen, kann nicht festgestellt werden.
223Es kann dahinstehen, ob die Übertragung des Patentportfolios der Streithelferin an den UP Unternehmenskonzern nach Maßgabe des MSA einen Vermögenserwerb im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB darstellt oder ob die insbesondere in Artikel 6 des MSA enthaltenen Regelungen einen Kontrollerwerb im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB begründen. Denn ungeachtet dessen haben die Beklagten jedenfalls nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass die in § 35 GWB genannten Umsatzschwellen überschritten werden.
224§ 35 Abs. 1 GWB verlangt für das Bestehen einer fusionskontrollrechtlichen Anmeldepflicht im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss (kumulativ) die folgenden Umsatzerlöse:
225- Weltweite Umsatzerlöse aller beteiligten Unternehmen von insgesamt mehr als 500 Mio. EUR
226- Umsatzerlöse mindestens eines beteiligten Unternehmens in Deutschland von mehr als 25 Mio. EUR (erste Inlandsumsatzschwelle)
227- Umsatzerlöse mindestens eines anderen beteiligten Unternehmens in Deutschland von mehr als 5 Mio. EUR (zweite Inlandsumsatzschwelle)
228Als Beteiligte im Sinne des § 35 Abs. 1 GWB sind diejenigen Unternehmen zu identifizieren, zwischen denen der Zusammenschluss nach § 37 Abs. 1 GWB erfolgt. Dies sind diejenigen Unternehmen, zwischen denen nach dem Vollzug eine relevante Unternehmensverbindung im Sinne des § 37 Abs. 1 GWB besteht, welche vorher noch nicht bestanden hat. Konkret lässt sich diese Frage nur nach Klärung der jeweils verwirklichten Zusammenschlusstatbestände im Sinne des § 37 Abs. 1 GWB beantworten (Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 35 GWB Rn 50). Nach § 36 Abs. 2 GWB gilt hierbei eine Verbundbetrachtung. Materiell zusammenschlussbeteiligt ist immer die gesamte Unternehmensgruppe,welcher der unmittelbar zusammenschlussbeteiligte Rechtsträger angehört (Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 35 GWB Rn 51).
229aa)
230Zusammenschlussbeteiligt sind beim Vermögenserwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB neben dem Erwerber (hier: UPLLC) der Veräußerer (hier die Streithelferin) bzw. das übertragene Vermögen. Der Streit, ob auf Seiten des Veräußerers der Veräußerer selbst oder das übertragene Vermögen als Beteiligter anzusehen ist, hat aufgrund der Regelung des § 38 Abs. 5 S. 1 GWB keine praktischen Auswirkungen. Im Fall des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB ist auf der Seite des Veräußerers stets nur der Umsatz zu berücksichtigen, der auf den veräußerten Vermögensteil entfällt (vgl. zum Streitstand: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 37 GWB Rn 68).
231Dass der Umsatz von UPLLC bzw. der UP Unternehmensgruppe im Geschäftsjahr 2012 in Deutschland über 25 Mio. EUR betrug, behaupten die Beklagten selbst nicht. Aber auch hinsichtlich der übertragenen Patente behaupten die Beklagten lediglich Umsätze von über 5 Mio. EUR im Geschäftsjahr 2012. Damit fehlt es im Rahmen des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB jedenfalls an Sachvortrag zu der Überschreitung der ersten Inlandsumsatzschwelle.
232bb)
233Beteiligt an einem Zusammenschluss im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB durch den Erwerb von (Mit-)Kontrolle sind immer alle Unternehmen, die nach Durchführung des Vorhabens durch Kontrolle im Sinne von §37 Abs. 1 Nr. 2 GWB miteinander in Verbindung stehen. Das sind das gemeinsam kontrollierte Gemeinschaftsunternehmen und alle künftig mitkontrollierenden Unternehmen (Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 37 GWB Rn 235), im vorliegenden Fall also UPLLC, UP Inc. und die Streithelferin. Die Beklagten haben nicht vorgetragen, dass UPLLC, UP Inc. oder auch die gesamte UP Unternehmensgruppe im Geschäftsjahr 2012 Umsätze in Höhe von mehr als 5 Mio. EUR erzielt hätten. Damit fehlt es im Rahmen des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB jedenfalls an der Überschreitung der zweiten Inlandsumsatzschwelle.
234cc)
235Aber auch wenn man davon ausgehen wollte, dass die beiden vorgenannten Zusammenschlusstatbestände nebeneinander erfüllt wären, und damit im Rahmen eines einheitlichen Zusammenschlusses den Kreis der beteiligten Personen auf die Streithelferin, den UP Unternehmensverbund (einschließlich UPLLC) sowie die übertragenen Patente erweitern wollte, reicht der Vortrag der Beklagten nicht aus, um das Überschreiten der zweiten Inlandsumsatzschwelle von 5 Mio. EUR zu begründen. Soweit die Beklagten versuchen, aus einem im MSA angenommenen Wert der übertragenen Patente von mindestens 1,05 Milliarden USD auf angebliche Umsätze mit den übertragenen Patenten in Deutschland rückzurechnen, geht dies schon vom Ansatz her fehl, weil Anlass für den Abschluss des MSA nach Auskunft der Streithelferin gerade der Umstand war, dass die Streithelferin mit den übertragenen Patenten zuvor keine dem Wert der übertragenen Patente entsprechenden Lizenzeinnahmen erzielen konnte. Jedenfalls ihre Einschätzung des Werts der übertragenen Patente – die im MSA zum Ausdruck kommt – dürfte daher nicht mit den im Jahr 2012 mit diesen Patenten erzielten Lizenzeinnahmen korrespondieren. Es steht nicht einmal fest, dass die Streithelferin mit den übertragenen Patenten im Geschäftsjahr 2012 überhaupt irgendwelche Lizenzeinnahmen in Deutschland erzielt hat. Diese sollten vielmehr nach dem Willen der Vertragsparteien des MSA gerade durch UP generiert werden. Insofern sind auch etwaige Anhaltspunkte im MSA, mit welchen Lizenzeinnahmen die Vertragsparteien ggf. in der Zukunft rechneten, nicht aussagekräftig im Hinblick auf die tatsächlich im Geschäftsjahr 2012 von der Streithelferin erzielten Umsätze mit den übertragenen Patenten in Deutschland. Soweit die Beklagten diesbezüglich auf eine Stellungnahme der Streithelferin gegenüber der United States Securities and Exchange Commission abstellt, betrifft diese das gesamte Patentportfolio der Streithelferin weltweit. Eine Aussage gerade im Hinblick auf die übertragenen Patente und die mit diesen in Deutschland erzielten Umsätze kann ihr nicht entnommen werden.
236dd)
237Soweit die Beklagten meinen, die Klägerin bzw. die Streithelferin treffe im Rahmen des § 35 GWB eine sekundäre Darlegungslast, folgt die Kammer dem nicht. Das Behaupten des Überschreitens der Umsatzschwellen durch die Beklagten erfolgt ins Blaue hinein; konkrete Anhaltspunkte hierfür bestehen nicht. Vor diesem Hintergrund ist kein Anlass ersichtlich, der Klägerin, noch weniger der Streithelferin, eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen, die letztlich der Ausforschung des Sachverhalts durch die Beklagten dienen würde.
238Dies gilt umso mehr, als die Vorschriften der Fusionskontrolle grundsätzlich nicht den Interessen Dritter dienen. § 41 Abs. 1 GWB soll vielmehr ein geordnetes Fusionskontrollverfahren sicherstellen. Er gilt für alle tatbestandsmäßigen Zusammenschlüsse, die die Umsatzschwellen des § 35 erfüllen, unabhängig von deren materiellrechtlicher Bewertung. Auch freizugebende Zusammenschlüsse unterliegen (zunächst) dem Vollzugsverbot. Daher kann sich kein Wettbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter darauf berufen, dass § 41 GWB ihn vor den wirtschaftlichen Folgen eines Zusammenschlusses schützen soll (vgl. Immenga/Mestmäcker/Thomas, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 41 Rn 74 m.w.N.). Soweit in dem Verfahren vor dem Bundeskartellamt andere Grundsätze hinsichtlich der Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten gelten sollten – die Beklagten verweisen in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des BGH vom 14.10.2008 in der Streitsache „Faber/Basalt“ (NJW 2009, 1611) – hat dies jedenfalls für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung. Die erkennende Kammer ist nicht dazu berufen, das Fusionskontrollverfahren durchzuführen, sondern hat nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen über das Bestehen oder die Nichtigkeit eines schuldrechtlichen Vertrages bzw. einer Übertragung von Patenten zu entscheiden. Diesbezüglich trifft die Beklagten die volle Darlegungs- und Beweislast für die von ihnen behauptete Unwirksamkeit des MSA und der nachfolgenden Patentübertragungsverträge. Dem haben sie nicht genügt.
239b) Art. 101 AEUV (§ 1 GWB)
240Ohne Erfolg wenden die Beklagten ein, das MSA und die diese Vereinbarung vollziehenden Abtretungsvereinbarungen verstießen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV (§ 1 GWB) mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit gemäß Art. 101 Abs. 2 AEUV.
241Art. 101 Abs. 1 AEUV verlangt – ebenso wie § 1 GWB – eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist bei der Prüfung des wettbewerbswidrigen Zwecks einer Vereinbarung insbesondere auf deren Inhalt und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang, in dem sie steht, abzustellen. Ferner kann die Kommission die Absicht der Parteien in ihrer Prüfung berücksichtigen, selbst wenn dieser Aspekt für die Entscheidung, ob eine Vereinbarung einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, nicht ausschlaggebend ist. (Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, 2011/C 11/01, Rn 25)
242Wenn eine Vereinbarung keine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, ist zu prüfen, ob sie spürbare wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen hat. Dabei sind die tatsächlichen wie auch die potenziellen Auswirkungen zu berücksichtigen. Es muss also zumindest wahrscheinlich sein, dass eine Vereinbarung wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen hat. (Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, 2011/C 11/01, Rn 26)
243Eine Vereinbarung hat dann wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV, wenn sie eine tatsächliche oder wahrscheinliche spürbare negative Auswirkung auf mindestens einen Wettbewerbsparameter des Marktes (zum Beispiel Preis, Produktionsmenge, Produktqualität, Produktvielfalt, Innovation) hat. Vereinbarungen können solche Auswirkungen haben, wenn sie den Wettbewerb zwischen den Parteien der Vereinbarung oder zwischen einer der Parteien und Dritten spürbar verringern. Die Vereinbarung muss die Parteien – entweder durch in der Vereinbarung festgelegte Pflichten, die das Marktverhalten von mindestens einer Partei regeln, oder durch Einflussnahme auf das Marktverhalten mindestens einer Partei durch Veränderung ihrer Anreize – in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränken (Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, 2011/C 11/01, Rn 27).
244Das MSA (und seine Umsetzung durch die nachfolgenden Übertragungen der „W Assigned Patents“) verfolgt weder einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck, noch kommen ihm wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen in dem vorbeschriebenen Sinne zu.
245aa)
246Dies gilt zunächst einmal im Hinblick darauf, dass die Streithelferin ihr Portfolio standardessentieller Patente aufgeteilt und einen Teil dieses Portfolios an die Klägerin veräußert hat.
247Die Streithelferin hält nach ihrem eigenen (unbestrittenen) Vortrag eines der stärksten Portfolios essentieller Patente in der Telekommunikationsindustrie, das über 37.000 Patente umfasst. Mit der Veräußerung eines Teils ihres Patentportfolios verfolgte sie den Zweck, einen faireren Ausgleich für die veräußerten Patente zu erlangen, um die vorangegangenen Kosten für Forschung und Entwicklung zu kompensieren. Diese Kosten sind immens; die W -Gruppe beschäftigt mehr als 25.000 Mitarbeiter im Bereich der Forschung und Entwicklung und investiert jährlich etwa 5 Milliarden USD in diesen Bereich. In der Folge werden jährlich etwa 2.000 neue Patente erteilt. Ein Großteil der von der Streithelferin gehaltenen Patente ist essentiell für die bedeutenden Standards, die von Mobilkommunikationsgeräten und deren Infrastruktur genutzt werden. Sie hat daher in der Vergangenheit bereits eine große Anzahl von Lizenzverträgen abgeschlossen. Das Patentrecht dient insbesondere der Förderung solcher Forschungs- und Entwicklungsarbeit, indem die daraus resultierenden Erfindungen unter entsprechenden rechtlichen Schutz gestellt werden. Vor diesem Hintergrund ist die erklärte Absicht der Streithelferin, für ihre Patente einen angemessenen Ausgleich zu erlangen, wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.
248Grundsätzlich ist der Patentinhaber frei, seine – auch standardessentiellen – Patente zu verwerten, ggf. also auch an Dritte zu veräußern und zu übertragen (so auch schon: OLG Karlsruhe, MMR 2011, 469, 471). Ein generelles Veräußerungsverbot für standardessentielle Patente lässt sich über kartellrechtliche Vorschriften nicht rechtfertigen. Es besteht auch grundsätzlich keine Verpflichtung des Patentinhabers, eine bestehende Lizensierungspraxis aufrecht zu erhalten. Beschränkt wird der Inhaber eines Patents, das Gegenstand eines von einer Standardisierungsorganisation vereinbarten Standards ist, in seiner Lizensierungspraxis unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten durch die von ihm abgegebene Selbstverpflichtungserklärung, Dritten Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu gewähren.
249Die Kammer vermag – entgegen dem anderslautenden Vortrag der Beklagten – im vorliegenden Fall nicht festzustellen, dass es bezweckt war, durch die Aufteilung des Patentportfolios der Streithelferin am Markt überhöhte, insbesondere über einen FRAND-Maßstab hinausgehende Lizenzgebühren durchzusetzen oder die Beklagten gegenüber anderen Marktteilnehmern zu diskriminieren.
250Die den Patentübertragungen zugrundeliegenden Verträge, das Master Sale Agreement vom 10.01.2013 („MSA“) und das Patent Sale and Grant-Back License Agreement vom 13.02.2013 („PSA“), enthalten eine Vielzahl von Regelungen, die die Überleitung der FRAND-Verpflichtung von der Streithelferin auf die UPLLC bzw. von der UPLLC auf die Klägerin sicherstellen sollen. Gemäß Ziffer 6.7 des MSA sollten die Patente der Streithelferin einschließlich der bestehenden Lizensierungsverpflichtungen, unter anderem der Verpflichtungen, die bei der ETSI eingereicht wurden, übertragen werden. In Ziffer 6.14 des MSA heißt es entsprechend, dass die UPLLC die FRAND-Verpflichtung der Streithelferin übernimmt und innerhalb einer angemessenen Frist nach Abschluss des Vertrages gegenüber der ETSI eine eigene FRAND-Erklärung abgeben wird. Gemäß Ziffer 6.1 (x) des MSA ist UPLLC die Geltendmachung von Ansprüchen aus den zu übertragenden Patenten, die über FRAND-Bedingungen hinausgehen, untersagt. In Klausel 6.1 (b) des MSA wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die bestehenden Belastungen die Möglichkeiten des Erwerbers einschränken können, die zu übertragenden Patente zu verwerten. Im PSA findet sich in Klausel 5.4 die Verpflichtung der UPLLC, bei einer Übertragung von Patenten auf Dritte sicherzustellen, dass die FRAND-Verpflichtung übernommen wird. Um sicherzustellen, dass die Klägerin in gleicher Weise verpflichtet ist wie UPLLC, ist die Klägerin dem MSA beigetreten.
251Entsprechend ihrer vertraglichen Verpflichtungen gaben sowohl die UPLLC unter dem 14.06.2013 als auch die Klägerin unter dem 6.3.2014 eigene FRAND-Erklärungen gegenüber der ETSI ab. Hiernach sind sowohl die UPLLC als auch die Klägerin (jeweils einschließlich der mit diesen verbundenen Unternehmen) unwiderruflich dazu verpflichtet, Lizenzen an ihren essentiellen Patenten zu Bedingungen einzuräumen, die mit Art. 6.1 der ETSI IPR Richtlinien in Einklang stehen, d.h. „fair, reasonable and non-discriminatory“ sind.
252Dass die FRAND-Erklärung der Klägerin dabei nicht die Verpflichtung umfasst, die bisherige, von der Streithelferin konkret umgesetzte Lizensierungspraxis weiterzuführen, ist unschädlich. Art. 101 AEUV schützt nicht etwa eine bestimmte Lizensierungspraxis, sondern den Zugang zu dem durch den Standard geregelten Produktmarkt zu FRAND-Bedingungen. Der Grundsatz der „Nicht-Diskriminierung“ verlangt dabei von dem Patentinhaber nur, die in einer vergleichbaren Position befindlichen Lizenznehmer gleich zu behandeln, nicht aber, auf die Dauer allen Lizenznehmern exakt dieselben Lizenzbedingungen anzubieten (vgl. hierzu auch schon: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff. – Standard-Spundfass). Befinden sich die Lizenznehmer in einer unterschiedlichen Ausgangsposition, etwa aufgrund einer zwischenzeitlich erfolgten Veräußerung und Übertragung der lizensierten Patente, können durchaus unterschiedliche Lizenzbedingungen zur Anwendung kommen, ohne dass dies zwingend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Lizensierung zu FRAND-Bedingungen bedeuten würde. Dies ergibt sich praktisch schon daraus, dass ggf. ein anderes Portfolio lizensiert wird. Kartellrechtlich bedenklich ist eine solche Lizensierung zu unterschiedlichen Bedingungen erst dann, wenn die Bedingungen sich nicht mehr im fairen und angemessenen Bereich bewegen und die zwischen den einzelnen Lizenznehmern vorgenommenen Unterschiede zu einer wesentlichen Störung des Wettbewerbs führen.
253Was im einzelnen FRAND ist, ist objektiv zu bewerten. Dabei ist unter anderem auch der Umstand zu berücksichtigen, dass für die Herstellung und Vermarktung eines standardkonformen Produkts ggf. Lizenzen bei mehreren Patentinhabern eingeholt werden müssen. FRAND ist dabei die einzelne Lizenzgebühr nur dann, wenn sie insgesamt – d.h. mit den ggf. zusätzlich erforderlichen Lizenzen zusammen – nicht zu einer unangemessen hohen Belastung des Lizenznehmers führt (vgl. hierzu auch Müller, GRUR 2012, 686, 689).
254Soweit die Streithelferin mit dem MSA und den diesen vollziehenden Patentübertragungen die Hoffnung verbindet, durch eine Aufgliederung ihres umfangreichen Patentportfolios in Teil-Portfolios mit unterschiedlichen Patentinhabern höhere, nach ihrem Empfinden angemessene Lizenzgebühren erzielen zu können, wird dies nur dann der Fall sein, wenn die bislang für ihre Patente gezahlten Lizenzgebühren sich unterhalb oder am unteren Rand einer FRAND-Lizenzgebühr bewegten. Die Anhebung der Gebühren auf ein Niveau, das (zumindest mittleren) FRAND-Kriterien entspricht, ist aber nicht als Wettbewerbsbeschränkung anzusehen, zumal die Parteien des MSA nicht die Möglichkeit haben, die Lizenzgebühren einseitig festzusetzen. Diese müssen vielmehr mit den potentiellen Lizenznehmern ausgehandelt werden. Soweit die Streithelferin bzw. die Klägerin sich durch die Umsetzung des MSA in diesem Zusammenhang eine bessere Verhandlungsposition versprechen, ist dies durchaus legitim. Die Kammer vermag hierin weder einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck zu erkennen, noch hält sie es für wahrscheinlich, dass die Vereinbarung spürbar negative Auswirkungen auf den Mobilfunkmarkt hat. Im Hinblick auf die Auswirkungen am Markt hat die Kammer dabei in ihre Überlegungen auch den Umstand eingestellt, dass ausweislich des „license proposal“ der Klägerin Lizenzgebühren von um die 0,75 USD pro Mobilfunkgerät im Raum stehen. In Anbetracht der handelsüblichen Preise für Mobilfunkgeräte ist dies, selbst im niedrigpreisigen Segment, lediglich ein geringer Anteil an den Gesamtkosten. Dass potentielle Lizenznehmer, die den GSM-Standard nutzen möchten, die Lizenzgebühren nunmehr mit (mindestens) zwei Inhabern standardessentieller Patente aushandeln müssen und jedenfalls einer der Patentinhaber – nämlich die Klägerin – eine reine Patentverwertungsgesellschaft darstellt, mag zwar die Lizenzverhandlungen am Markt für die Lizenznehmer etwas erschweren, zumal es jedenfalls in Bezug auf die Klägerin nicht möglich sein dürfte, Kreuzlizenzen zu vereinbaren, dies führt aber so lange nicht zu einem kartellrechtlich bedeutsamen Verhandlungsungleichgewicht, wie die insgesamt für die Nutzung des GSM-Standards geforderten Lizenzgebühren FRAND bleiben. Hierzu haben sich sowohl die Streithelferin als auch die Klägerin gegenüber der ETSI verpflichtet. Darüber hinaus steht den Beklagten weder das Recht auf einen bestimmten Patentinhaber und damit Verhandlungspartner, noch das Recht auf die Zusammenfassung für den GSM-Standard essentieller Patente in einem Portfolio oder die Beibehaltung einer bestimmten Lizensierungspraxis zu.
255bb)
256Das MSA enthält – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch keine unzulässige Preisbindung. Insbesondere verstößt Ziffer 3.4 des MSA nicht gegen Art. 101 AEUV.
257Ziffer 3.4 des MSA lautet:
258„Calculation Adjustment; Royalty Rate
259(a) If UPLLC enters into any license, release, covenant not to sue or assert or other agreement with a third party between Closing and … thereafter that gives or purports to give such third party and/or its Affiliates rights to W Assigned Patents (or any other Patents assigned to UPLLC by E Sub or any of its Affiliates) owned or controlled by UPLLC that, at the time that UPLLC enters into such agreement, is known by UPLLC to include at least one Defined Patent to design, manufacture, have made, sell, import or otherwise use Specified Products and if and only if such license, release, covenant or agreement provides for a Royalty Rate for the sales of such Specified Products that is less than the Applicable Royalty Rate for such sales (each such license, release, covenant or agreement, a „Specified Mobile License“), the amounts to be included in Gross Revenues for any fiscal quarter from any Specified Mobile Licenses for purposes of calculating Quarterly Payment under this Agreement for such fiscal quarter shall be the amounts UPLLC would have received had the Royalty Rate in such Specified Mobile Licenses been the Applicable Royalty Rate.”
260Die vorgenannte Regelung des MSA enthält zwar die Vereinbarung einer sog. „Applicable Royalty Rate“, hierin liegt aber keine unzulässige Preisbindung. UPLLC wird durch das MSA nicht verpflichtet, die „Applicable Royalty Rate“ von ihren Lizenznehmern zu verlangen. Vielmehr ist UPLLC in ihrer Preisgestaltung im Verhältnis zu ihren Lizenznehmern frei. Ziffer 3.4 stellt lediglich eine Kaufpreisregelung im Verhältnis zur Streithelferin bzw. deren Tochtergesellschaft, der U LLC, dar.
261Die Parteien des MSA haben für den Verkauf der „W Assigned Patents“ keinen festen Kaufpreis vereinbart. Vielmehr wird der Kaufpreis gemäß Ziffer 3.1 des MSA von UPLLC in vierteljährlichen Zahlungen an die C geleistet. Die Höhe der Zahlungen bemisst sich ausweislich Ziffer 3.2 des MSA anhand eines festgelegten Prozentsatzes der von UPLLC im vorhergehenden Quartal erzielten Einkünfte („Gross Revenue“). Mit anderen Worten erhält die C als Gegenwert für die Übertragung der Patente einen Anteil an den von UPLLC erzielten Lizenzeinnahmen. In diesem Zusammenhang ist auch Ziffer 6.1 (aa) des MSA zu sehen, wonach UPLLC mit ihren Lizenznehmern ohne die Zustimmung der Streithelferin keine Gebührenstruktur vereinbaren darf, die nicht an einen Prozentsatz der Gesamteinnahmen des Lizenznehmers aus Verkäufen der „Specified Products“ anknüpft. So soll sichergestellt werden, dass W bzw. die C ihren Anteil an den Lizenzeinnahmen erhält. Die Regelungen in den Ziffern 3.3 und 8.13 des MSA dienen dazu, den Kaufpreis für den Fall abzusichern, dass UPLLC ihre vertraglichen Pflichten aus dem MSA verletzt (sog. „trigger events“) oder ein Kontrollwechsel („change of control“) stattfindet.
262Um sicherzustellen, dass die „Kaufpreiszahlung“ an die C einen bestimmten Wert erreicht, sieht Ziffer 3.4 des MSA die Festlegung einer „Applicable Royalty Rate“ vor. Wird diese beim Abschluss eines Lizenzvertrages von UPLLC unterschritten, ist der an die C abzuführende Anteil an den Lizenzeinnahmen (hypothetisch) auf der Grundlage der Applicable Royalty Rate zu berechnen. Dabei stellt der abgeschlossene Lizenzvertrag – auch bei Unterschreiten der Applicable Royalty Rate für die UPLLC nicht notwendigerweise ein Verlustgeschäft dar. Denn an die C abzuführen ist nicht die gesamte Applicable Royalty Rate, sondern nur der jeweils nach Ziffer 3.2 des MSA geschuldete Prozentsatz. Liegt dieser bei 20 %, tritt ein rechnerischer Verlust bei der UPLLC erst dann ein, wenn der tatsächlich vereinbarte Lizenzsatz weniger als 1/5 der Applicable Royalty Rate beträgt. Insofern ist die Situation vergleichbar mit der eines Zwischenhändlers, der selbstverständlich bestrebt sein wird, seine Waren über dem Einkaufspreis weiter zu verkaufen und hierbei den höchstmöglichen Gewinn zu erwirtschaften. Das Ziel der Gewinnmaximierung ist dabei dem Wirtschafsleben immanent. Die Regelungen des MSA gehen über diese Zielsetzung nicht hinaus.
263Dabei sind sowohl UPLLC als auch die Klägerin gebunden durch ihre FRAND-Erklärungen gegenüber der ETSI. Die UPLLC bzw. die Klägerin kann weder die Lizensierung standardessentieller Patente als solches verweigern, noch steht ihr die Option offen, von ihren Lizenznehmern überhöhte, nämlich über FRAND-Lizenzsätze hinausgehende Lizenzgebühren zu verlangen. Auch dies hat sie im Rahmen ihrer kaufmännischen Überlegungen zu berücksichtigen, wenn es darum geht zu entscheiden, ob ein Lizenzvertrag auf der Basis eines bestimmten Lizenzsatzes abgeschlossen werden soll. Insofern liegt das Risiko, dass der im Einzelfall als FRAND zu bewertende Lizenzsatz unter der Applicable Royalty Rate liegt, allein bei der UPLLC bzw. der Klägerin. Wenn dies nämlich der Fall sein sollte, ist UPLLC bzw. die Klägerin aufgrund des MSA (vgl. etwa Ziffer 6.14) und der von ihr abgegebenen FRAND-Erklärung dennoch verpflichtet, zu FRAND-Bedingungen zu lizensieren und die damit verbundenen Gewinneinbußen hinzunehmen. Eine Verpflichtung, zu den Bedingungen der Applicable Royalty Rate abzuschließen, besteht demgegenüber gerade nicht.
264Selbst wenn man aber – entgegen den vorstehenden Ausführungen – eine unzulässige Preisbindung annehmen wollte, hätte diese jedenfalls nicht die Unwirksamkeit des gesamten MSA, schon gar nicht der hier allein in Rede stehenden Verträge über die Übertragung des Klagepatents zur Folge. Gemäß Art. 101 Abs. 2 AEUV sind nur die nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verbotenen Vereinbarungen, nicht also ohne weiteres das komplette Vertragswerk, nichtig. Der Umfang der unmittelbar aus Art. 101 Abs. 2 AEUV folgenden Nichtigkeit ergibt sich aus dem Verbotszweck des Art. 101 Abs. 1 AEUV: Nichtig sind diejenigen Vertragsabreden, die entweder unmittelbar gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen oder von der verbotswidrigen Vereinbarung nicht zu trennen sind oder dem verbotswidrigen Vertragsinhalt dienen (Immenga/Mestmäcker/Schmidt, EU-Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2012, Art. 101 AEUV Rn 21). Über die Frage, inwiefern sich einzelne, kartellrechtswidrige Klauseln vom übrigen Vertrag trennen lassen, entscheidet nicht die zivilrechtliche Ausgewogenheit des Vertrags in seiner Gesamtheit, sondern allein der Zweck des Kartellverbots (Immenga/Mestmäcker/Schmidt, EU-Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2012, Art. 101 AEUV Rn 22). Soweit also infolge einer unzulässigen Preisfestsetzung Ziffer 3.4 (a) des MSA, ggf. zusammen mit Ziffer 6.1, nichtig sein sollte, hätte dies – jedenfalls im Hinblick auf Art. 101 Abs. 2 AEUV – auf den übrigen Vertrag keine Auswirkungen, da sich die vorgenannten Regelungen ohne weiteres von dem Vertragsinhalt im Übrigen trennen lassen.
265Inwieweit die Teilnichtigkeit ggf. doch den gesamten Vertrag erfasst, ist in einem zweiten Schritt nach nationalem Recht zu prüfen, in diesem Fall nach dem Recht des Staates Delaware (vgl. Ziffer 8.4 des MSA). Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass nach dem Recht des Staates Delaware die Nichtigkeit einer oder mehrerer Vertragsklauseln nicht automatisch zu einer Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt (vgl. hierzu auch: Capital Bakers, Inc. / Leahy, 20. Del. Ch. 407, 411-12, 178 A. 648, 650 (1935)). Die Absicht der Parteien, eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages im Zweifel zu vermeiden, kann durch eine salvatorische Klausel ausgedrückt werden. Dies ist im MSA in Ziffer 8.9 geschehen. Hiernach soll die Nichtigkeit einer Bestimmung den Rest des Vertrages nicht berühren. Die Parteien verpflichten sich vielmehr, in einem solchen Fall eine Ersatzbestimmung zu suchen, die dem Zweck der unwirksamen Regelung entspricht. Die Kammer ist davon überzeugt, dass es dem Willen der Parteien des MSA entsprach, die hier in Rede stehenden Patentübertragungen wirksam vorzunehmen. Für den Fall, dass Ziffer 3.4 tatsächlich eine unzulässige Preisbindung darstellen sollte, hätten die Vertragsparteien eine andere Regelung gefunden, um den der Streithelferin zustehenden Kaufpreis abzusichern und das Risiko der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der übertragenen Patente angemessen zwischen ihnen zu verteilen. Es sind vielfältige Kaufpreisregelungen denkbar, die der UPLLC bzw. der Klägerin den erforderlichen Handlungsspielraum in den Lizenzvertragsverhandlungen mit Dritten lassen, zugleich aber sicherstellen, dass die Streithelferin für die Veräußerung und Übertragung ihrer Patente einen angemessenen Gegenwert erhält. Insofern mag die Sicherung des Kaufpreises zwar ein wesentliches Interesse der Streithelferin gewesen sein, dies konnte aber nicht allein durch die in Ziffer 3.4 des MSA getroffene Regelung erreicht werden, sondern es ist durchaus vorstellbar, dass die Vertragsparteien eine dem Zweck der Regelung ebenfalls entsprechende Ersatzbestimmung gefunden hätten.
266c) Art. 102 AEUV, § 19 GWB i.V.m. § 134 BGB
267Die Regelungen des MSA und deren Umsetzung durch die nachfolgenden Übertragungen des Klagepatents einschließlich damit verbundener Rechte stellen keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV dar.
268Zwar vermittelt das Klagepatent der Klägerin auf dem Markt für die Vergabe von Lizenzen am Klagepatent eine marktbeherrschende Stellung, die infolge der technischen Bedeutung des Klagepatents auch auf den nachgelagerten Produktmarkt durchschlägt (s. ausführlicher unten zum Lizenzeinwand), die im MSA festgehaltene Vereinbarung zwischen der Streithelferin, ihrer Tochtergesellschaft und dem G Konzern stellt sich aber nicht als missbräuchlich dar. Insbesondere liegt weder ein Ausbeutungs- noch ein Behinderungsmissbrauch vor. Wie bereits im Rahmen des Art. 101 AEUV erläutert, ist das Ziel, die Lizenzeinnahmen aus den übertragenen Patenten zu steigern, jedenfalls so lange nicht wettbewerbsbeschränkend und damit im Rahmen des Art. 102 AEUV auch nicht missbräuchlich, wie die Klägerin sich an ihre Verpflichtung hält, Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen. Auf die Argumentation im Rahmen des Art. 101 AEUV wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Weitere Aspekte, die einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere sieht die Kammer nicht, inwiefern durch den MSA die technische Entwicklung beschränkt werden sollte, nachdem die Möglichkeit der Lizenznahme zu FRAND-Bedingungen gewährleistet ist.
269II.
270Die Beklagten sind passiv legitimiert.
2711.
272Die Beklagte zu 2) bietet die angegriffene Ausführungsform gemäß § 9 S.2 Nr. 1 PatG auf ihrer InternetseiteH /de an. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.
2732.
274Die Beklagte zu 1) fördert jedenfalls das Anbieten der Beklagten 2) durch die Verlinkung der Internetseite H /global mit der Internetseite H /de.
275a)
276Anbieten ist jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert darauf gerichtet ist, das Erzeugnis der Nachfrage wahrnehmbar zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitzustellen (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel). Der Begriff ist rein wirtschaftlich zu verstehen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014, Az. I-2 U 42/13; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014, Az. I-15 U 19/14). Neben dem Angebot nach § 145 BGB sind auch vorbereitende Handlungen umfasst, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patents stehenden Gegenstand ermöglichen oder befördern sollen. Dies kann in dessen Ausbieten dergestalt geschehen, dass Interessenten Gebote auf Überlassung abgeben können. Ein Mittel hierzu ist auch die bloße Bewerbung eines Produkts im Internet. Bereits diese Maßnahme ist bestimmt und geeignet, Interesse an dem beworbenen Gegenstand zu wecken und diesen betreffende Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen (vgl. BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259 – Thermocycler; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014, Az. I-15 U 19/14). Das Unterhalten einer solchen Internetseite mit der Ausstattung von Links, die im Hinblick auf die Produkte des Konzerns auf Seiten von Tochtergesellschaften verweisen, stellt eine unternehmensbezogene Information und zugleich Werbung dar. Diese muss einen Gegenstand betreffen, der von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259 – Thermocycler). Das Internetangebot muss einen wirtschaftlich relevanten Bezug zum Inland haben, wobei dieser auch dann gegeben sein kann, wenn das Angebot in einer fremden Sprache abgefasst ist, sofern diese Sprache von den in Betracht kommenden inländischen Interessenten verstanden wird (vgl. LG Düsseldorf, InstGE 10, 193 – Geogitter; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Aufl., Rn. 218). Es kommt auch nicht darauf an, ob der Anbietende mit seiner Offerte eigene Geschäftsabschlüsse forcieren will oder ob das Angebot einem Dritten zugutekommen soll, für dessen Produkt mit dem Angebot eine zu befriedigende Nachfrage geschaffen wird (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014, Az. I-2 U 42/13). In dem einen wie in dem anderen Fall ist die Rechtsposition des Schutzrechtsinhabers in gleichem Maße beeinträchtigt, weil eine Nachfrage nach schutzrechtsverletzenden Gegenständen geweckt wird, die das Ausschließlichkeitsrecht aus dem Patent schmälert. Insofern entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass zur Gewährleistung eines wirksamen Patentschutzes nur von Belang ist, ob mit der fraglichen Handlung für einen schutzrechtsverletzenden Gegenstand tatsächlich eine Nachfrage geschaffen wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird. (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014, Az. I-2 U 42/13; Urteil vom 11.06.2015, Az. I-2 U 64/14). Darüber hinaus ist auch derjenige Verletzer, wer die Verwirklichung des Benutzungstatbestandes objektiv ermöglicht und fördert, wobei er sich mit zumutbarem Aufwand die Kenntnis verschaffen kann, dass die von ihm unterstützte Handlung das absolute Recht des Patentinhabers verletzt. Das Bestehen und der Umfang einer Rechtspflicht zur Vermeidung eines schutzrechtsverletzenden Erfolges richtet sich im Einzelfall nach der Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen, es kommt entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch genommenen nach den Umständen des Einzelfalles ein Tätigwerden zumutbar ist (vgl. BGH, GRUR 2009, 1142 – MP3-Player-Import; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Aufl., Rn. 1012).
277b)
278Nach diesen Grundsätzen stellt sich zunächst die Frage, ob bereits der bloße Link auf Angebote dritter Konzernunternehmen ohne nähere Angaben der Produkte ein Angebot der Beklagten zu 1) ist, bei dem die klagepatentverletzenden Erzeugnisse der Nachfrage wahrnehmbar zum Erwerb der Verfügungsgewalt zur Verfügung gestellt werden. Auf der Internetseite der Beklagten zu 1) findet sich gerade kein Menüpunkt „Mobile“ o.ä. unter dem der Nutzer die angegriffene Ausführungsform auffindet. Die Verlinkung der beiden Seiten besteht in der Sprachauswahl Country/Language, durch die bei der Wahl von „Germany/Deutsch“ die Weiterleitung auf die Internetseite der Beklagten zu 2) erfolgt, auf der unter dem Menüpunkt „Mobile“ die Handys und Smartphones angewählt werden können. Diese Frage kann jedoch offenbleiben. Denn selbst wenn man in dem Verhalten der Beklagten zu 1) keine eigene Angebotshandlung zu sehen vermag, so liegt in dieser Art der Verlinkung gleichwohl ein Mitwirken bzw. eine Förderungshandlung der Beklagten zu 2). Sinn und Zweck der Verlinkung ist, dass die Beklagte zu 1) dem Internetnutzer die Möglichkeit bietet, das jeweilige länderspezifische Angebot ihrer Konzerngesellschaft – hier der Beklagten zu 2) – zur Kenntnis zu nehmen. Insofern ist der Beklagten zu 1) auch eine Verletzung einer Prüfpflicht nach den Umständen des hiesigen Falles vorzuwerfen. Gerade im Bereich des Mobilfunks ist der Stand der Technik weltweit durch Patentportfolios von Wettbewerbern geschützt. Das ist der Beklagten zu 1), die seit Jahren zu den führenden Marktteilnehmern in der Branche gehört, bekannt. Sie hätte sich daher mit zumutbarem Aufwand Kenntnis über die Schutzrechtslage in Deutschland verschaffen können. Insofern handelte sie wenigstens pflichtwidrig. Schließlich handelt es sich auch nicht um eine lediglich reflexartig inländische Benutzungshandlung, die patentrechtlich unbedenklich wäre (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Rn. 1015). Die Unterstützungshandlung der Beklagten zu 1) richtet sich vielmehr konkret auf den inländischen Markt und ein inländisches Angebot. Das Klagepatent verleiht der Klägerin nach Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 9, 139 PatG das Recht, ein solches Verhalten zu untersagen.
279III.
280Das Klagepatent betrifft die Selbstkonfiguration und Optimierung von Zellennachbarn in drahtlosen Telekommunikationsnetzen.
281Die streitgegenständliche Technik gewährleistet eine automatisierte Verwaltung der Architektur eines drahtlosen Telekommunikationsnetzes. Dieses Netz besteht aus verschiedenen Kommunikationszellen, die von sog. Basisstationen bereit gestellt werden. Eine Mobilfunkverbindung wird durch die Übergabe der Verbindung (sog. Handover) von einer Kommunikationszelle zur nächsten aufrechterhalten. Anhand bestimmter Charakteristika ermittelt das Netz mit Hilfe des mobilen Endgeräts die optimale Zelle für ein Handover. Das Klagepatent stellt ein Verfahren und ein Netzwerk mit entsprechendem mobilem Endgerät zur Verfügung, bei denen die korrekte Identifizierung einer passenden Zelle automatisch erfolgen soll.
282In Abgrenzung zum Stand der Technik erläutert das Klagepatent eingangs ein drahtloses Telekommunikationsnetz, das mehrere Kommunikationszellen definiert, von denen jede von einer (Funk-)basisstation versorgt wird. Jede Kommunikationszelle deckt ein geografisches Gebiet ab, das durch die Kombination mehrerer Zellen groß sein kann. Eine Basisstation ist mit mehreren Empfängern und Sendern ausgestattet, welche die Funkversorgung einer oder mehrerer Zellen bereitstellt. Wichtige Elemente in diesem Netz sind die Zellen und ihre Nachbarn. Während eines Gesprächs bewegt sich ein mobiles Endgerät normalerweise zwischen den Zellen umher und geht wiederholt von einer Zelle zu einer Nachbarzelle. Eine Liste bekannter Nachbarn, die sog. Nachbarzellenmenge, ist für das Netz und das mobile Endgerät wichtig, um ein zuverlässiges Handover zwischen den Zellen zu gewährleisten. Das Netz speichert die die Nachbarzellenmenge betreffenden Informationen für jedes mobile Endgerät. Die Nachbarzellenmenge wird zur Evaluierung und für das Handover eines mobilen Endgeräts von einer Zelle zur anderen beim Überschreiten der Zellgrenze verwendet.
283In den vorbekannten Systemen erkennt und misst das mobile Endgerät Betriebsparameter für Nachbarzellen durch den Empfang von Signalen aus der Nachbarschaft. Die gemessenen Betriebsparameter sind normalerweise eine Bitübertragungsschicht-Kennung, wie z.B. ein Verwürfelungscode, die der Zelle, Signalstärke, Signalqualität und Zeitinformation nicht eindeutig zugeordnet ist. Das mobile Endgerät misst die Betriebsparameter jeder Nachbarzelle und meldet diese an das Netz. Wenn die Qualität einer Nachbarzelle als besser als diejenige der aktuellen Versorgungszelle eingestuft wird, führt das Netz ein Handover von der Versorgungszelle zur ausgewählten Nachbarzelle durch. Die Nachbarzelle wird dann die Versorgungszelle für das mobile Endgerät.
284Das Klagepatent erläutert weiter, dass in einem Breitband-Codevielfachzugriffssystem (WCDMA) das mobile Endgerät Übertragungen des gemeinsamen Pilotkanals (CPICH) von umgebenden Zellen erkennt, um die Kennung zu bestimmen. Bedeutsam sind diese jeweiligen Zellkennungen bei der Meldung der Signalqualitätsmessungen der Nachbarzelle vom mobilen Endgerät an das Netz. Im Stand der Technik werden mehrere Verwürfelungscodes für mehr als eine Zelle verwendet. Nach dem Klagepatent besteht daher die Gefahr von Verwechselungen, da die Versorgungszelle Nachbarzellen mit denselben Kennungsinformationen haben kann.
285Die Schrift WO 96/38014 zeigt nichteindeutige, in den Zellen übertragene Zellenkennungscodes. Diese Schrift dient dazu, die Zelle zu identifizieren, z.B. bei der Durchführung von Messungen der Nachbarzellen durch ein mobiles Endgerät. Das Klagepatent führt aus, dass man davon ausgehen könne, dass die Zellenkennung entgegen der Angabe, dass die Kennung pro Zelle eindeutig sei, nicht eindeutig ist. Das in der WO 96/38014 offenbarte Netz stellt – so das Klagepatent – offenbar ein GSM-Netz dar. Der verwendete Name für die Zellenkennung ist der Kennungscode der Basisstation (BSIC). Dies ist ein für das GSM-Netz standardisierter Begriff. Das Klagepatent erläutert weiter, dass nach dem GSM-Standard der BSIC aus insgesamt 6 binären Bits generiert wird. Damit stehen nur 64 unterschiedliche eindeutige Codes zur Verfügung. Das GSM-Netz umfasst jedoch weit mehr Zellen. Um die BSIC-Codes sinnvoll zu reduzieren, wird ein GSM-Endgerät angewiesen, auf bestimmten Kanälen der verschiedenen Frequenzkanalsätze dieses TDMA-Systems Messungen von Nachbarzellen durchzuführen. Damit wird das Risiko reduziert, dass eine mit ihrem BSIC gemeldete Messung irrtümlicherweise einer anderen Zelle zugeordnet wird und nicht der tatsächlichen Messung entspricht. Die korrekte Identifizierung der von dem mobilen Endgerät gemeldeten Zellen ist erforderlich, damit ein Handover zur bestgeeignetsten Zelle eingeleitet wird.
286Das Klagepatent kritisiert hieran, dass mangels eindeutiger Bitübertragungsschicht-Kennung der Zellen die Platzierung und Wartung/Pflege der Nachbarzellenmengen nie vollautomatisch ablaufen. Menschliche Bemühungen sind – so das Klagepatent – notwendig zur Lösung von Problemen in Situationen, in denen die Versorgungszelle mehrere Nachbarn mit derselben nichteindeutigen Kennung hat. Die Planung eines Netzes, in dem eine von einem mobilen Endgerät gemessene und gemeldete Zelle nicht irrtümlicherweise für eine andere Zelle gehalten werden kann, wäre zu aufwändig.
287Das Klagepatent stellt sich daher die Aufgabe, die Kosten für Planung und Wartung/Pflege zu senken, indem es eine zusätzliche Maßnahme durchführt, wenn von mobilen Endgeräten zusätzlicher Aufwand zur eindeutigen Identifizierung von Nachbarzellen im Funknetz verlangt wird und die Kennungen von dem mobilen Endgerät an das Netz zu melden sind. Die Ausführungsformen der klagepatentgemäßen Erfindung sollen manuelle Eingriffe reduzieren.
288Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent im Anspruch 6 in Kombination mit Anspruch 1 ein mobiles Endgerät mit folgenden Merkmalen vor:
2891.
290Mobiles Endgerät zur Verwendung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem
2912.
292Das drahtlose Telekommunikationssystem definiert eine Mehrzahl von Kommunikationszellen.
2933.
294Das Endgerät umfasst Mittel zum Ausführen der Schritte des folgenden Verfahrens:
2953.1
296Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt
2973.2.
298Bestimmen mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle
2993.3
300Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle
3013.4.
302Melden an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle
3033.4.1
304von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle und
3053.4.2
306der erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen
3073.6
308Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle
3093.7
310Erkennen eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung
3113.8
312Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle.
313IV.
314Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedarf es näherer Ausführungen insbesondere zur Auslegung der Merkmale 3.2, 3.3, 3.7, 3.8 und der Merkmalsgruppe 3.4.
3151.
316Der Fachmann versteht unter Mitteln zum „Erkennen“ von eindeutigen sowie nichteindeutigen Kennungsinformationen (Merkmale 3.3, 3.4.2 und 3.7), dass das Endgerät über Mittel verfügt, die die nicht- und eindeutigen Kennungsinformationen der zweiten Kommunikationszelle identifizieren können. Spezifische Anforderungen, wie diese Identifikation konkret von statten zu gehen habe, enthält das Klagepatent nicht.
317Der Anspruchswortlaut fordert nur ein Erkennen von eindeutigen und nicht-eindeutigen Kennungsinformationen. Funktional muss eine Identifikation der Information möglich sein. Mehr verlangt der Anspruch nicht. Auf welche Art und Weise, in welcher Zeit und woran das Mobilgerät die Zellenkennungsinformationen erkennen kann, gibt der Anspruch nicht vor. Die Zellenkennung gehört zu den Informationen der Nachbarzellen, die für die Identifikation der Zelle notwendig ist und dazu dient, sie in die Nachbarzellenmenge des Telekommunikationsnetzes aufzunehmen. Diese Liste enthält bekannte Nachbarn (vgl. Absatz [0004]). Den Ablauf des Erkennens lässt das Klagepatent völlig offen. Ebenso verhält es sich mit der Ausgestaltung der Kennungsinformation als eine absolute Zahl, eine Zahlenreihe, eine Kombination, einen Code etc. Für die erfindungsgemäße Lehre ist es daher unerheblich, ob für den Vorgang des Erkennens der Kennungsinformation – sei es der eindeutigen und/oder der nichteindeutigen – ein oder mehrere Rechenschritte oder Dekodierungsmaßnahmen vorgenommen werden müssen oder nicht.
318So führt das Klagepatent bei der Erläuterung des Standes der Technik sogar aus, dass die Kennung in Form eines Verwürfelungscodes ausgestaltet sein kann (vgl. Absätze [0006], [0007]). Diese Art der Kennung ist auch weiterhin vom Klagepatent erfasst. In einem Ausführungsbeispiel erläutert das Klagepatent im Zusammenhang mit der eindeutigen Zellenkennung, dass das mobile Endgerät gegebenenfalls seine Kommunikation mit der Versorgungszelle vorübergehend unterbrechen muss, um diese Information zu empfangen und zu dekodieren (Absatz [0022]). Das Klagepatent nennt damit Beispiele, in denen die Kennungsinformation mittels eines Codes dargestellt und beim Erkennen decodiert werden muss. Das Ausführungsbeispiel zeigt somit ein Erkennen, bei dem weitere Folgeschritte durchgeführt werden müssen, um an die gewünschte Kennungsinformation zu gelangen. Ein weiteres Beispiel für die anspruchsgemäße Lehre sind daneben auch zusätzliche Rechenschritte, die das mobile Endgerät durchführen muss.
319Etwas anderes folgt auch nicht aus der Abgrenzung des Erkennens vom Bestimmen. Die Kammer vermag sich dem Verständnis der Beklagten, dass nur das Bestimmen eine Berechnung oder ein Recherchieren zulasse und beim Erkennen ein solcher Zwischenschritt zwingend abgeschlossen sei, nicht anzuschließen. Denn der Fachmann hat keine Veranlassung, das Erkennen der Zellkennungsinformationen aufgrund dieses Begriffspaares enger auszulegen. Der Anspruch unterscheidet zwischen Bestimmen der Betriebsparameter und Erkennen der Zellkennungsinformationen. Letzteres führt das mobile Endgerät zur Identifikation der Nachbarzelle durch. In dem Zeitpunkt, in dem die Identifikation abgeschlossen ist, ist die Erkennung beendet.
320Zuletzt erschließt sich nicht, welche Konsequenz die Beklagten im Rahmen der Auslegung aus ihrem (etwas isolierten) Vortrag zum Erfindungsgegenstand des Klagepatents ziehen möchten. Abgesehen davon, dass die Kammer die Auffassung der Beklagten hierzu nicht teilt, ist dieser Vortrag für die Auslegung nicht zielführend, da der Fachmann kein Verständnis wählen wird, wonach das Klagepatent die Aufgabe der Erfindung nicht löst. Aus dem von den Beklagten herangezogenen Absatz [0010] ergibt sich gerade, dass die Platzierung und Wartung des Netzes nie vollautomatisch ablaufen wird. Sofern die Beklagten behaupten, dass LTE-Netz werde so aufwändig geplant, so dass die Kritik des Klagepatents ins Leere laufe, haben sie dies nicht näher belegt. Diese Ausführungen erscheinen zudem wenig plausibel, weil das LTE-Netz unstreitig auf das vorhandene UMTS-Netz aufsetzt. Da nur 64 eindeutige Kennungen zur Verfügung stehen, erschließt sich nicht, wie bei der Planung eine Verwechselung der nichteindeutigen Kennung ausgeschlossen werden soll.
3212.
322Nach der Lehre des Klagepatents genügt es, wenn mindestens ein Betriebsparameter für eine zweite Kommunikationszelle bestimmt wird (Merkmal 3.3). Gemeldet werden kann entweder mindestens der eine bestimmte Betriebsparameter oder jeder bestimmte (Merkmal 3.4.1). Merkmal 3.4.1 knüpft an die Anzahl der bestimmten Betriebsparameter an, die nicht eingegrenzt ist, sondern nur mindestens einen Parameter erfordert. Dabei verlangt der Klagepatentanspruch aber nicht, dass zwingend immer jeder Parameter gemeldet werden muss, der bestimmt wurde. Der Wortlaut lässt auch das Verständnis zu, dass jeder Parameter, der bestimmt wurde, gemeldet werden kann. Funktional sollen die Parameter gemeldet werden, deren Kenntnis für bestimmte Vorgänge wie zum Beispiel ein Handover für das Netz erforderlich sind. Es ist nicht ersichtlich, warum das Endgerät immer alle Parameter melden sollte, die bestimmt wurden, auch wenn sie in der konkreten aktuellen Situation nicht von Interesse sind. Ein anderes Verständnis ergibt sich auch nicht aus der allgemeinen Beschreibung oder den genannten Ausführungsbeispielen. Somit können von mehreren gemessenen Betriebsparameterinformationen auch nur einige gemeldet werden, andere nicht.
323V.
324Zur Überzeugung der Kammer handelt es sich bei der ANR-Funktion um eine zwingende Vorgabe des LTE-Standards (dazu 1), so dass es für die Darlegung der Verletzung genügt, dass der Standard die klagepatentgemäße Lehre zeigt. Das ist hier der Fall. Die angegriffene Ausführungsform macht von allen Merkmalen des Klagepatentanspruchs 6 Gebrauch (dazu 2).
3251.
326Die ANR-Funktion ist im LTE-Standard zwingend und nicht lediglich optional. Die Klägerin hat insbesondere über die sog. „feature group indicators“ substantiiert dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatents in Form der ANR-Funktion Gebrauch macht. Diese Indikatoren listen für UEs zwingende LTE-Funktionen auf. Annex B, Ziffer B.1, Table B.1-1 des Standarddokuments 3GPP TS 36.331 Version 9.4.0 zeigt, dass die FGI 5 und 17, die sich mit der ANR-Funktion befassen, zwingend getestet und implementiert werden müssen. Die Klägerin hat die Tests der angegriffenen Ausführungsform (UE Capability Information WCDMA and LTE; Test Report no.:04032015_006) vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass die Funktion positiv getestet wurde. Sofern die Beklagten die Durchführung der Tests und ihre Ergebnisse mit Nichtwissen bestreiten, dringen sie damit nicht durch. Die angegriffene Ausführungsform wird von den Beklagten angeboten. Sie sind gehalten, substantiiert zu den Funktionen ihrer eigenen Telefone vorzutragen und können sich mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 138 Abs. 4 ZPO nicht auf ein Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen.
3272.
328Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht alle Merkmale des Anspruchs 6. Dies ist bis auf das Erkennen und Melden der nichteindeutigen und eindeutigen Kennungsinformationen der zweiten Kommunikationszelle (Merkmale 3.3., 3.4.2, 3.7 und 3.8) und das Melden von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle (Merkmal 3.4.1) zu Recht zwischen den Parteien unstreitig.
329a)
330Angesichts obiger Ausführungen zur Auslegung ist es unerheblich, dass der PCI aus den Synchronisationssignalen PSS und SSS zusammengesetzt und anhand der Formel errechnet wird (vgl. LTE-Standard IV, Ziffer 6.11). Gleiches gilt auch für die ECGI, die sich aus der plmn-Identity und der cellIdentity zusammensetzt (vgl. LTE-Standard II, Ziffer 6.3.4, CellGloballdEUTRA). Sofern die Beklagten vortragen, dass die ECGI nicht zum eindeutigen Unterscheiden von benachbarten Zellen verwendet werde, sondern um die IP-Adresse einer benachbarten Zelle für die serving eNB leichter herleitbar zu machen, damit ein Handover schneller erfolgen kann, führt dies nicht aus der Verletzung heraus. Bei der ECGI handelt es sich um eine eindeutige Kennung. Dies genügt, mag der LTE-Standard auch einen anderen Zweck damit verfolgen. Abgesehen davon ist jedoch die eindeutige Unterscheidung der Nachbarzellen eine unmittelbare Vorfrage, damit ein Handover schneller erfolgen kann. Letzteres ist nicht möglich, wenn die Versorgungszelle die zweite Zelle nicht eindeutig identifizieren kann. Dieses Verständnis greift das Klagepatent auch in einem Ausführungsbeispiel auf, wonach im LTE-Netz die eindeutige Zellenkennung auf der IP-Adresse abgebildet wird, die wiederum auf die Funkbasisstation verweist, die die Zelle erkennt (vgl. Absatz [0028]). Schließlich ist die pauschale Behauptung, das LTE-Netzwerk sei bereits entsprechend geplant, dass es zu einer Verwechselung nicht komme, bereits aus den oben genannten Gründen unerheblich.
331b)
332Ferner genügt es für die Verwirklichung des Merkmals 3.4.1, dass von mehreren gemessenen Betriebsparametern nicht sämtliche auch der eNB gemeldet werden. Es schadet daher nicht, dass die SFN seitens des UE nicht an die eNB gemeldet wird, wenn eine zeitliche Synchronisation des UE ohne Beteiligung der versorgenden eNB möglich ist.
333VI.
334Aufgrund der unberechtigten Benutzung der patentgemäßen Lehre durch die Beklagten ergeben sich folgende Rechtsfolgen:
3351.
336Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen hat die Klägerin gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit § 139 Abs. 1 und 2 PatG.
337Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht (vgl. Schulte/Voß/Kühnen, Patentgesetz, 9. Aufl. 2014, § 139 Rn. 231).
338Die Beklagten haben die streitgegenständliche Patentverletzung schuldhaft begangen. Als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Der Umstand, dass die Klägerin für das Klagepatent gegenüber der ETSI eine FRAND-Erklärung abgegeben hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar mag die FRAND-Erklärung bei den betroffenen Marktteilnehmern die berechtigte Erwartung hervorrufen, dass ihnen eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen erteilt werde, dennoch ist es fahrlässig, ohne den erfolgreichen Abschluss eines Lizenzvertrages mit der Nutzung des Patents zu beginnen. Denn erst die Lizenz vermittelt das Recht zur Benutzung. Der FRAND-Erklärung selbst kommt diese Wirkung hingegen nicht zu; sie stellt lediglich die ernstgemeinte Erklärung des Patentinhabers dar, für den Fall der marktbeherrschenden Wirkung seines Patents potentiellen Benutzern Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen (s. hierzu ausführlicher unten im Rahmen des Zwangslizenzeinwandes).
339Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Dieser besteht bereits in der unberechtigten Benutzung des Schutzrechts durch die Beklagten.
3402.
341Der Klägerin steht gegen die Beklagten auch ein Anspruch auf Auskunft aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit den §§ 140b PatG, 242, 259 BGB zu, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagten werden durch die von ihnen verlangte Auskunft nicht unzumutbar belastet. Eine Beschränkung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch aus kartellrechtlichen Gründen ist nicht gerechtfertigt (s. ausführlicher sogleich zum Zwangslizenzeinwand).
342VII.
343Die Beklagten halten dem Klagebegehren der Klägerin ohne Erfolg den Einwand ihrer (angeblichen) Lizenzwilligkeit entgegen. Weder die FRAND-Selbstverpflichtungserklärung der Klägerin noch die Art. 101, 102 AEUV hindern die Durchsetzung der mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz und Rechnungslegung ganz oder auch nur in Teilen. Hierzu im Einzelnen:
3441.
345Den Ansprüchen wegen unberechtigter Patentbenutzung kommt grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu; die Rechte des geistigen Eigentums werden in der Charta der Grundrechte der EU (Art. 17 Abs. 2) ausdrücklich unter Schutz gestellt. Um diesen Schutz in angemessener Weise zur Geltung zu bringen, müssen die gesetzlichen Ansprüche wegen widerrechtlicher Patentbenutzung in der Regel zur Anwendung gebracht werden. Dies gilt umso mehr, als auch der Zugang zu den Gerichten seinerseits Grundrechtsschutz genießt, Art. 47 der EU-Charta (so auch: EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 57). Beschränkt wird der Schutz des geistigen Eigentums durch den Vorbehalt der Allgemeinverträglichkeit, was insbesondere eine Ausübung der Patentrechte nach den Regeln des Kartellrechts verlangt. Insofern ist spätestens durch die Entscheidung „Orange-Book-Standard“ geklärt, dass einem Unterlassungsanspruch im Patentverletzungsprozess der Einwand eines kartellrechtlichen Lizenzvertragsanspruches entgegengehalten werden kann (BGH, GRUR 2009, 694 ff.; bestätigt zuletzt durch EuGH, GRUR 2015, 764 ff.).
3462.
347Die Klägerin ist Inhaberin eines standardessentiellen Patents, für das sie gegenüber der Standardisierungsorganisation ETSI eine FRAND-Selbstverpflichtungserklärung abgegeben hat. Bei einer solchen de iure-Standardisierung trifft ein Zusammenschluss von Marktteilnehmern – organisiert in einer Standardisierungsorganisation – unter den für die Lösung der Standardisierungsaufgabe infrage kommenden Technologien eine Auswahl und beschließt das Ergebnis dieser Auswahl als Standard. Die Vorteile der de iure-Standardisierung liegen in der Vermeidung eines Ressourcen zehrenden Verdrängungswettkampfes, der Durchsetzung von überlegenen Technologien trotz ggf. geringer Marktmacht des dahinter stehenden Unternehmens, der Erzielung einer weitgehenden Kompatibilität konkurrierender Produkte und der damit verbundenen erleichterten Vergleichbarkeit dieser Produkte für den Verbraucher. Auf der anderen Seite birgt die de iure-Standardisierung auch gewisse Gefahren. Wird etwa die Auswahl der in Frage kommenden Technologien unsachgemäß durchgeführt, so kann dies zu schlechten Ergebnissen führen, weil sich die gewählte Lösung nicht unter Wettbewerbsdruck am Markt durchsetzen muss. Zudem bewirkt die erfolgreiche Standardisierung einer bestimmten technischen Lehre häufig eine Abhängigkeit des betroffenen Produktmarktes. Vor diesem Hintergrund müssen die Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der standardbezogenen Patentnutzung kontrolliert werden, mit denen ein Marktteilnehmer die Machtstellung ausnutzt, die ihm aus dem Zusammenspiel eines erfolgreich implementierten Standards mit einem Patent erwächst (vgl. Picht, GRUR Int. 2014, 1 ff.). Zur Kontrolle dienen hier insbesondere die Regelungen in Art. 101 und 102 AEUV.
3483.
349Der de iure-Standardisierungsvorgang unterfällt dem Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV (Horizontale Leitlinien, 2011, Rn 263 ff.). Am Standardisierungsvorgang beteiligt sind „Unternehmen“ im Sinne dieser Norm, nämlich Einheiten, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Der Begriff der „Vereinbarung“ in Art. 101 AEUV ist grundsätzlich weit zu verstehen. Er erfasst die de-iure-Standardisierung schon deswegen, weil sie zu einem nach Ziel und Vorgehen bewusst gleichgerichteten Vorgehen der Standardisierungsteilnehmer führt. Auswirkungen auf den Wettbewerb entstehen dadurch, dass die Standardisierungsteilnehmer zu Gunsten des Standards auf die Entwicklung oder Nutzung alternativer Technologien verzichten und ein gewisser faktischer Zwang entsteht, nach dem Standard herzustellen oder zu arbeiten.
350Eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV liegt bei der de-iure-Standardisierung dann nicht vor, wenn die Möglichkeit der uneingeschränkten Mitwirkung am Normungsprozess für alle potenziellen Anwender gegeben ist, das Verfahren für die Annahme der betreffenden Norm transparent ist, keine Verpflichtung zur Einhaltung der Norm besteht und Dritten der Zugang zu der Norm zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen gewährt wird (Horizontale Leitlinien, 2011, Rn 280; vgl. auch: Grabitz/Hilf/Nettesheim/Schroeder, Das Recht der Europäischen Union, 54. Auflage 2014, Rn 639). Letzteres gewährleisten die Standardisierungsorganisationen in der Regel durch die Einholung sogenannter FRAND-Erklärungen, mit der die am Standardisierungsprozess beteiligten Inhaber standardessentieller Patente ihre ernstgemeinte Absicht erklären, für den im Voraus nicht sicher absehbaren Fall einer Wettbewerbsbeeinträchtigung allen Marktteilnehmern eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen („fair, reasonable and non-discriminatory“) zu erteilen.
351Die am LTE-Standard mitwirkenden Unternehmen haben für ihre standardessentiellen Patente gegenüber der ETSI FRAND-Selbstverpflichtungserklärungen abgegeben. Der Standardisierungsvorgang als solcher begegnet im vorliegenden Fall keinen Bedenken.
3524.
353Für die Frage, ob der Patentinhaber berechtigt ist, sein (standardessentielles) Patent gerichtlich durchzusetzen, ist Art. 101 AEUV ohne Belang. Denn insofern steht nicht der Vorgang der Standardisierung als solcher, sondern ein (späteres) einseitiges Verhalten des Patentinhabers – die Nichtaufnahme von Lizenzvertragsverhandlungen entsprechend seiner FRAND-Erklärung – im Streit. Soweit in Rechtsprechung und Literatur vereinzelt die Auffassung vertreten wird, auch ein solches Verhalten des Patentinhabers sei an Art. 101 AEUV zu messen (vgl. LG Mannheim, Beschluss vom 21.11.2014, Az.: 7 O 23/14; so wohl auch: LG Mannheim, Urteil vom 27.11.2015, Az.: 2 O 108/14; S. Barthelmeß/N. Gauß, WuV 2010, 626; wohl auch: Walz, GRUR Int. 2013, 718 ff.) überzeugt dies nicht. Art. 101 AEUV verfolgt den Zweck, kartellrechtswidrige Vereinbarungen, d.h. ein wechselseitiges Zusammenwirken von zumindest zwei Parteien, zu unterbinden. Als Rechtsfolge sieht die Norm die Nichtigkeit entsprechender kartellrechtswidriger Vereinbarungen vor. Art. 101 AEUV (i.V.m. § 33 Abs. 1 S. 1 GWB) regelt hingegen nicht, dass der Patentinhaber die Durchsetzung eines Patents zu unterlassen hat, solange er nicht entsprechend der FRAND-Erklärung verhandelt.
3545.
355Die FRAND-Erklärung selbst stellt die ernstgemeinte Erklärung dar, für den im Voraus nicht sicher absehbaren Fall einer Wettbewerbsbeeinträchtigung allen Marktteilnehmern eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen (fair, zumutbar und nicht diskriminierend) zu erteilen (invitatio ad offerendum). Sie ist deklaratorischer Natur und gibt Dritten damit keinen Anspruch auf Einräumung einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen (so auch schon: LG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2012, Az.: 4b O 273/10). Die am Standardisierungsvorgang beteiligten Unternehmen geben die FRAND-Selbstverpflichtungserklärung ab, um die kartellrechtliche Unbedenklichkeit der Standardabsprache sicherzustellen. Entsprechend ist ihre Erklärung dahingehend auszulegen, dass sie sich soweit verpflichten wollen, wie dies aus kartellrechtlichen Gründen zwingend erforderlich ist. Hierfür ist weder ein bindendes Lizenzvertragsangebot seitens des Patentinhabers noch ein Verzicht auf die Durchsetzung seiner Unterlassungsansprüche gegenüber jedem Lizenzinteressenten erforderlich. Ein solcher Bedeutungsgehalt kann den Erklärungen bei verständiger Würdigung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) nicht beigemessen werden. Es entspricht nicht dem Willen der Standardisierungsteilnehmer bzw. etwaiger Rechtsnachfolger, gegenüber jedem Dritten eine rechtliche Verpflichtung dergestalt einzugehen, mit ihm einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen, unabhängig davon, ob das jeweilige in Rede stehende Patent seinem Inhaber überhaupt eine marktbeherrschende Stellung vermittelt und damit in kartellrechtlicher Hinsicht Bedeutung auf dem Markt erlangt hat. Vielmehr gibt der Patentinhaber mit seiner FRAND-Erklärung lediglich seine grundsätzliche Bereitschaft zu erkennen, für den Fall der marktbeherrschenden Wirkung seines Patents Lizenzen zu gleichen und angemessenen Bedingungen einzuräumen. Diese Erklärung stellt damit die deklaratorische Konkretisierung des kraft Kartellrechts ohnehin bestehenden gesetzlichen Abschlusszwangs dar. Eigenständige rechtliche Bedeutung hat sie insoweit, als sie das Pflichtenprogramm des Patentinhabers im Rahmen der Prüfung des Art. 102 AEUV (§§ 19, 20 GWB) mit beeinflusst.
3566.
357Art. 102 AEUV verlangt neben der marktbeherrschenden Stellung des anspruchstellenden Unternehmens das Eingreifen außergewöhnlicher Umstände, die zu einer Beeinträchtigung des Handels führen.
358a)
359Die für die Anwendung des Art. 102 AEUV erforderliche marktbeherrschende Position der Klägerin ergibt sich nicht schon allein aufgrund ihrer Rechtsposition am Klagepatent. Nicht jedes standardessentielle Patent vermittelt eine kartellrechtlich bedeutsame Marktmacht (vgl. das Urteil der Kammer vom 26.03.2015, Az.: 4b O 140/13; so auch Müller, GRUR 2012, 686). Die Berufung auf eine etwaige fehlende Marktmacht ist auch nicht etwa vor dem Hintergrund der abgegebenen FRAND-Erklärung treuwidrig. Denn mit dieser gibt der Patentinhaber – wie vorstehend ausgeführt – lediglich seine grundsätzliche Bereitschaft zu erkennen, für den Fall der marktbeherrschenden Wirkung seines Patents Lizenzen zu gleichen und angemessenen Bedingungen einzuräumen. Im Rahmen des Art. 102 AEUV ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob der unter Schutz gestellten technischen Lehre tatsächlich eine kartellrechtlich relevante, marktbeherrschende Bedeutung zukommt.
360Der Begriff der Marktbeherrschung ist weder eine feststehende Eigenschaft eines Unternehmens noch ein absoluter rechtlicher Begriff. Die Marktbeherrschung besteht immer nur im Hinblick auf gewisse Funktionen, Märkte, Vorschriften, usw. So kann ein Unternehmen insbesondere nur im Hinblick auf einen bestimmten Teil seiner Aktivitäten marktbeherrschend sein (Langen/Bunte/Nothdurft/Ruppelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 15).
361Speziell für den Bereich des geistigen Eigentums hat die Europäische Kommission in der Entscheidung „AstraZeneca“ (C-457/10P, EU:C:2012:770, Rn 175) festgestellt, dass eine beherrschende Stellung eine wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens sei, „die es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, seinen Kunden und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten“. Weiter heißt es in Rn 186, dass „zwar nicht angenommen werden könne, dass die bloße Inhaberschaft von Rechten des geistigen Eigentums eine beherrschende Stellung begründe, sie aber geeignet sei, unter bestimmten Umständen eine solche Stellung zu schaffen, insbesondere dadurch, dass das Unternehmen die Möglichkeit erhalte, einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt zu verhindern“.
362Dabei muss sich die Marktmacht nicht zwingend auf den beherrschten Markt selbst beschränken, sondern kann sich auch auf vor- oder nachgelagerte Märkte erstrecken (Langen/Bunte/Nothdurft/Ruppelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 15). Im Hinblick auf Rechte am geistigen Eigentum ist kartellrechtlich relevant insofern nicht der Markt der Lizenzvergabe, sondern der nachgelagerte Produktmarkt (vgl.: EuGH, GRUR Int. 1995, 490, Rn 47 – Magill TVG Guide; BGH, NJW-RR 2010, 392 ff. – Reisestellenkarte).
363Dieser nachgelagerte Produktmarkt als sachlich relevanter Markt ist im Hinblick auf die vom Patent geschützte technische Lehre genauer zu qualifizieren. Bezogen auf ein standardessentielles Patent ist der relevante Markt im Grundsatz der Markt, auf dem diejenigen Produkte angeboten werden, die den Standard mit der SEP-geschützten Technik verwirklichen. Dabei erfolgt die Marktabgrenzung in ständiger Rechtsprechung nach dem sog. Bedarfsmarktkonzept. Hiernach werden alle Leistungen einem Markt zugeordnet, die aus Sicht der Marktgegenseite funktionell austauschbar sind (BGHZ 160, 321-332 – Staubsaugerbeutelmarkt m.w.N.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.03.2008, Az.: VI-U (Kart) 29/06, zitiert nach juris). Ziel der Marktabgrenzung ist es stets, die den Wahlmöglichkeiten der Marktgegenseite entsprechende Realität des Wettbewerbs zu erfassen (Langen/Bunte/Nothdurft/Ruppelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 20 m.w.N.).
364Bei dem in Rede stehenden Betrieb der automatischen Nachbarbeziehungen (sog. ANR-Funktion), handelt es sich um eine Technologie, die eine der Grundfunktionen eines Mobilfunkgerätes betrifft und die den LTE-Standards I bis III (3GPP TS 36.300 Version 8.9.0, 3GPP TS 36.331 Version 8.7.0 und 3GPP TS 36.523-1 Version 12.3.0) unterfällt. Nach den LTE-Standards kommunizieren die eNBs mit den LTE-Mobilgeräten über Funksignale. Die streitgegenständliche Technik gewährleistet eine automatisierte Verwaltung der Architektur eines drahtlosen Telekommunikationsnetzes. Dieses Netz besteht aus verschiedenen Kommunikationszellen, die von sog. Basisstationen bereit gestellt werden. Eine Mobilfunkverbindung wird durch die Übergabe der Verbindung (sog. Handover) von einer Kommunikationszelle zur nächsten aufrechterhalten. Anhand bestimmter Charakteristika ermittelt das Netz mit Hilfe des mobilen Endgeräts die optimale Zelle für ein Handover. Das Klagepatent stellt ein Verfahren und ein Netzwerk mit entsprechendem mobilen Endgerät zur Verfügung, bei denen die korrekte Identifizierung einer neuen Zelle automatisch erfolgen soll.
365Es kann dahinstehen, ob tatsächlich jedes mobile Endgerät am Markt mit der streitgegenständlichen Technologie ausgestattet ist und es keine konkurrenzfähige Alternative am Markt gibt. In seinen Entscheidungen „Standard-Spundfaß“ (BGH, GRUR 2004, 967) und „Orange-Book-Standard“ (BGH, GRUR 2009, 694) ist der BGH zwar davon ausgegangen, dass es für die kartellrechtlich relevante Marktmacht darauf ankommt, ob ein konkretes, dem Standard bzw. der Norm entsprechendes Produkt substituierbar ist, d.h. ein nicht norm- bzw- standardgerechtes Produkt auf dem nachgelagerten Nachfragemarkt überhaupt absetzbar und damit wettbewerbsfähig wäre, auf solche Fälle der Marktzutrittsvoraussetzung eines SEP ist die Annahme einer marktbeherrschenden Bedeutung hingegen nicht beschränkt. Vielmehr kann eine marktbeherrschende Stellung auch dann angenommen werden, wenn auf dem relevanten Markt auch Produkte angeboten werden, die die Produktkonfiguration des standardessentiellen Patents nicht aufweisen. Voraussetzung für die Annahme einer marktbeherrschenden Position ist in diesem Fall, dass ohne den Zugang zur Nutzung des streitgegenständlichen Patents ein wettbewerbsfähiges Angebot nicht möglich ist, d.h. allein mit Produkten ohne die patentierte Funktion kein wirksamer Wettbewerb zu den übrigen Anbietern stattfindet. Demgegenüber wäre eine marktbeherrschende Stellung jedenfalls dann zu verneinen, wenn die durch das SEP geschützte technische Funktion für den Nachfrager von SEP-Produkten gar keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt. Letzteres kommt im Streitfall nicht in Betracht. Die streitgegenständliche Technik ist sowohl für die Netzbetreiber als auch für die Endkunden so wesentlich, dass ohne ihre Nutzung ein wirksamer Wettbewerb auf dem Markt für mobile Endgeräte nicht möglich ist. Dies wird auch von der Klägerin nicht ernsthaft bestritten.
366b)
367Bei der Frage, wann außergewöhnliche Umstände vorliegen, die einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV begründen können, muss die Standardessentialität des geltend gemachten Patents Ausgangspunkt sämtlicher Überlegungen sein, weil eben jene das Patent für jeden Wettbewerber, der Produkte herzustellen beabsichtigt, die dem Standard entsprechen, unerlässlich macht. Der Inhaber eines standardessentiellen Patents ist damit in der Lage zu verhindern, dass standardkonforme Produkte seiner Wettbewerber auf den Markt gelangen oder auf dem Markt bleiben. Hinzu kommt, dass der Patentinhaber – wie vorstehend ausgeführt – sich durch seine FRAND-Erklärung bereit erklärt hat, Lizenzen zu gleichen und angemessenen Bedingungen zu erteilen. Hierin liegt der grundlegende Unterschied des Streitfalls zu dem Sachverhalt, über den der BGH in seiner Entscheidung „Orange-Book-Standard“ zu befinden hatte (NJW-RR 2009, 1047 ff.). Die dort aufgestellten hohen Anforderungen an das Verhalten des Patentverletzers lassen sich auf Konstellationen, in denen der Patentinhaber gegenüber der Standardisierungsorganisation eine FRAND-Erklärung abgegeben hat, nicht ohne weiteres übertragen. Vielmehr hat der EuGH für einen solchen Fall in seinem Urteil vom 16.07.2015 folgende Grundsätze aufgestellt (GRUR 2015, 764 ff.):
368aa)
369Der Inhaber eines standardessentiellen Patents, für das er gegenüber der Standardisierungsorganisation eine FRAND-Erklärung abgegeben hat, muss, damit eine Klage auf Unterlassung, Rückruf oder Vernichtung nicht als missbräuchlich angesehen werden kann, Bedingungen erfüllen, durch die ein gerechter Ausgleich der betroffenen Interessen gewährleistet wird. Vor der gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche muss er den angeblichen Verletzer zunächst einmal auf die Patentverletzung hinweisen (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 61) und ihm, soweit der Verletzer zur Lizenznahme grundsätzlich bereit ist, ein konkretes schriftliches Angebot auf Lizenzierung des Patents zu FRAND-Bedingungen unterbreiten (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 63). Hierauf muss der Verletzer nach Treu und Glauben und insbesondere ohne Verzögerungstaktik reagieren (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 65). Nimmt der Verletzer das Angebot des Patentinhabers nicht an, muss er innerhalb kurzer Frist ein Gegenangebot machen (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 66). Lehnt der SEP-Inhaber dieses Gegenangebot ab, muss der Patentverletzer ab diesem Zeitpunkt über die Benutzung des SEPs abrechnen und für die Zahlung der Lizenzgebühren Sicherheit leisten (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 67).
370Diese kartellrechtlichen Beschränkungen gelten nicht nur für den Unterlassungsanspruch, sondern auch für den Rückrufanspruch und den Anspruch auf Vernichtung patentverletzender Gegenstände. Denn diese Ansprüche beinhalten im Allgemeinen ein Verkaufsverbot des Produktes, mit dem das Patent verletzt wird, und können deshalb einen Marktausschluss bedeuten (vgl. hierzu etwa: Pressemitteilung der Kommission in Sachen Motorola vom 29.04.2014). Dies kann zu einer Verzerrung von Lizenzverhandlungen und zu wettbewerbswidrigen Lizenzbedingungen führen, die der Lizenznehmer ohne die drohende Unterlassungsverfügung nicht akzeptiert hätte.
371bb)
372Entgegen der Auffassung der Beklagten sind diese Überlegungen nicht ohne weiteres auf den Schadensersatzanspruch zu übertragen. Ein Marktausschluss droht durch die Zuerkennung dieses Anspruchs nicht und auch sonst wird ein wirksamer Wettbewerb durch sie nicht verhindert. Eine Klage auf Schadensersatz für vergangene Benutzungshandlungen, die das standardessentielle Patent verletzen, ist lediglich darauf gerichtet, den SEP-Inhaber für bereits erfolgte Verletzungen seines Patents zu entschädigen. Sie führt weder zum Ausschluss standardkonformer Produkte vom Markt noch dazu, dass ein potentieller Lizenznehmer sich gezwungen sieht, ungünstigen Lizensierungsbedingungen für zukünftige Benutzungen eines SEP zuzustimmen.
373Entsprechend hält auch der EuGH die Geltendmachung eines Anspruches auf Schadensersatz grundsätzlich für nicht missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 73-76). Der Verletzer eines standardessentiellen Patents ist – wie jeder andere Patentverletzer auch – verpflichtet, sich vor jeder Benutzung über die bestehende Patentsituation zu informieren und ggf. eine Lizenz einzuholen (vgl.: EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 58). Tut er dies nicht, muss er damit rechnen, auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.
374cc)
375Im Rahmen der Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach ist eine irgendwie geartete Beschränkung aus Gründen des Kartellrechts nicht geboten. Grundsätzlich stehen dem Patentinhaber für die konkrete Angabe der Höhe des Schadensersatzes gemäß § 139 Abs. 2 PatG drei Berechnungsarten zur Verfügung (vgl. hierzu auch: Kraßer, Patentrecht, 6. Auflage 2009, 5. Abschnitt § 35 IV. a); Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, 11. Auflage 2015, § 139 Rn 61). Gemäß § 139 Abs. 2 S. 1 PatG i.V.m. § 249 BGB i.V.m. § 252 BGB ist die Berechnung des konkreten Schadens einschließlich des entgangenen Gewinns nach der Differenzlehre vorgesehen. Seit der Neufassung von § 139 Abs. 2 PatG durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7.7.2008 (Durchsetzungsgesetz), das am 1.9.2008 in Kraft getreten ist und mit dem die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums umgesetzt worden ist, werden der Verletzergewinn (§ 139 Abs. 2 S. 2 PatG) und die angemessene Lizenzgebühr (§ 139 Abs. 2 S. 3 PatG) als Berechnungsgrundlage ausdrücklich im Patentgesetz erwähnt. Die drei Berechnungsarten – entgangener Gewinn, Lizenzanalogie oder Verletzergewinn – stehen nebeneinander. Der Verletzte hat ein Wahlrecht und muss sich für eine der drei Berechnungsarten entscheiden (Kraßer, Patentrecht, 6. Auflage 2009, 5. Abschnitt § 35 IV. a); Pitz, Patentverletzungsverfahren, 2. Auflage 2010, Teil 4 I. 4. a)). Alle drei Berechnungsmethoden dienen der Berechnung desselben Schadens und stellen damit lediglich Rechenoptionen, nicht aber unterschiedliche Ansprüche dar (Melullis, GRUR Int. 2008, 679 ff.). Die Feststellung, dass ein bestimmter Verletzer dem Patentinhaber nach § 139 PatG Schadensersatz schuldet, die Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruches also grundsätzlich gegeben sind, geht der Bestimmung der Höhe dieses Schadens vor. Die Zuerkennung nur einer bestimmten Berechnungsmethode – insbesondere der Lizenzanalogie – kommt nicht in Betracht. Soweit – wie im vorliegenden Fall – lediglich die Feststellung der Schadensersatzpflicht beantragt ist, entscheidet das Gericht ausschließlich über den Grund des Anspruchs.
376Die Höhe des konkreten Schadens hat auf die Frage der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach lediglich dann Einfluss, wenn die Möglichkeit besteht, dass der dem Patentinhaber entstandene Schaden mit Null zu bemessen ist (vgl.: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff – Standard-Spundfass). Eine solche Freilizenz kommt vorliegend ersichtlich nicht in Betracht. Dass eine solche von der Klägerin geschuldet würde, wird auch von den Beklagten nicht geltend gemacht.
377dd)
378Andernfalls kommt lediglich eine Begrenzung der Schadensersatzverpflichtung auf einen bestimmten Höchstbetrag in Betracht, die allerdings erst im Rahmen des ggf. sich anschließenden Höheverfahrens zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu auch: Obergericht für Geistiges Eigentum, Japan, GRUR Int. 2015, 144 ff. – Apple v. Samsung II, mit etwas anderem Ansatz).
379Insofern ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von §§ 19, 20 GWB bzw. Art. 102 AEUV einen Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrages begründen kann (vgl. hierzu: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff. – Standard-Spundfass; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2007, 181 – Orange Book). Dieser kartellrechtliche Anspruch auf Lizenzierung dient der Durchsetzung des gegenüber jedem Marktteilnehmer geltenden Verbots, eine marktbeherrschende Stellung nicht zu missbrauchen. Die Weigerung des Patentinhabers, dem berechtigten Verlangen des Patentverletzers auf Abschluss eines Lizenzvertrages nachzukommen, kann kartellrechtswidrig sein und einen eigenen Schadensersatzanspruch des Patentverletzers gegen den Patentinhaber begründen (§ 33 GWB i.V.m. Art. 102 AEUV bzw. §§ 19, 20 GWB). Der Patentinhaber kann in einem solchen Fall für die Zeit nach seiner rechtswidrigen Weigerung keinen vollen Schadensersatz verlangen, sondern ist der Höhe nach beschränkt auf den Betrag einer angemessenen Lizenzgebühr (vgl.: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff. – Standard-Spundfass).
380Nichts anderes gilt auch dann, wenn der Patentinhaber für das in Rede stehende standardessentielle Patent eine FRAND-Erklärung abgegeben hat. Insbesondere hat die FRAND-Erklärung nicht die Wirkung, dass der Schadensersatzanspruch von vornherein auf die Höhe der FRAND-Lizenzgebühr beschränkt ist. Dies könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn man der FRAND-Erklärung konstitutive Wirkung in dem Sinne beimessen wollte, dass sie jedem Marktteilnehmer einen eigenen Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrages zu FRAND-Bedingungen vermittelt. Dieser Auffassung folgt die Kammer hingegen nicht (s.o.). Vielmehr kann der dem Grunde nach zunächst in voller Höhe bestehende Schadensersatzanspruch des Patentinhabers wegen Patentverletzung nur durch einen Gegenanspruch des Verletzers eingeschränkt werden, § 33 GWB i.V.m. Art. 102 AEUV bzw. §§ 19, 20 GWB. Die Voraussetzungen eines solchen Gegenanspruchs sind vom Verletzer darzulegen und zu beweisen.
381Nachdem Art. 102 AEUV ein missbräuchliches Verhalten des Patentinhabers voraussetzt, ist vorrangig auf dessen Verhalten abzustellen, wobei dieses üblicherweise im Wechselspiel mit dem Verhalten des Patentbenutzers zu bewerten ist. Unter welchen Voraussetzungen dem Patentinhaber im Einzelnen bei der Geltendmachung eines Schadensersatz-, Auskunfts- und/oder Rechnungslegungsanspruch ein Missbrauchsvorwurf zu machen ist, ist vom EuGH in seinem Urteil vom 16.07.2015 (GRUR 2015, 764 ff.) nicht entschieden worden. Die Ausführungen des EuGH beziehen sich ausdrücklich nur auf die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs sowie der in ihren Wirkungen auf den betroffenen Markt vergleichbaren Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung (vgl. EuGH, GRUR 2015, 764 ff.). Im Gegensatz hierzu sind die Auswirkungen der Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung auf den Markt weitaus geringer. Allein der Umstand, dass die zu leistende Auskunft und Rechnungslegung für den Verletzer ggf. mit hohem Aufwand verbunden ist und/oder seine Geheimhaltungsinteressen berührt, rechtfertigt es nicht, für die Geltendmachung dieser Ansprüche die Anforderungen an die Pflichten des Patentinhabers im Rahmen des Art. 102 AEUV genauso hoch anzusetzen wie bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs.
382Vielmehr ist mit dem EuGH im Grundsatz davon auszugehen, dass der Verletzer eines standardessentiellen Patents – wie jeder andere Patentverletzer auch – verpflichtet ist, sich vor jeder Benutzung über die bestehende Patentsituation zu informieren und ggf. eine Lizenz einzuholen (vgl.: EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 58). Tut er dies nicht, muss er damit rechnen, auf (vollen) Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Erst wenn der Patentinhaber sich weigert, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, verhält er sich missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 53) und der Verletzer schuldet in der Folge nur noch Schadensersatz in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr.
383Soweit der EuGH vom Patentinhaber für den Fall einer Klage auf Unterlassung, Rückruf und/oder Vernichtung verlangt, dass er den Verletzer vor der Klageerhebung auf die Verletzung hinweist und ihm, nachdem der Verletzer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, ein Angebot zu FRAND-Bedingungen unterbreitet (vgl. EuGH, GRUR 2015, S. 764 ff. Rn 61-63), beruht dies unter unterem auf der Erwägung, dass mit der Zuerkennung der vorgenannten Ansprüche des Patentinhabers der Marktausschluss des Verletzers mit seinem standardkonformen Produkt mit den damit verbundenen einschneidenden Folgen für den Produktmarkt droht (vgl. EuGH, GRUR 2015, S. 764 ff. Rn 52). Diese Erwägung ist auf die Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung nicht übertragbar. Erhebt der Patentinhaber eine Klage zur Geltendmachung dieser Ansprüche, ohne den Verletzer zuvor auf die Verletzung hingewiesen und, nachdem der Verletzer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, ein Angebot zu FRAND-Bedingungen unterbreitet zu haben, begründet allein dies noch keinen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV. Hinzukommen muss vielmehr ein erkennbar nach außen zutage getretener Wille des Verletzers auf Abschluss eines Lizenzvertrages, dem der Patentinhaber sich treuwidrig verweigert.
384ee)
385Liegen nach den vorstehenden Ausführungen die Voraussetzungen für eine Beschränkung des Schadensersatzanspruches auf die Höhe einer FRAND-Gebühr vor, führt dies in der Folge zu einer inhaltlichen Beschränkung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruches. Denn letzterer hat seinem Zweck nach dem Umfang des Schadensersatzanspruches zu folgen (vgl. hierzu: Schulte/Voß/Kühnen, PatG, 9. Auflage, § 139 Rn 148).
386Die der Vorbereitung des Schadensersatzanspruches dienende Auskunft und Rechnungslegung muss zwar grundsätzlich alle Angaben enthalten, die der Verletzte benötigt, um eine der ihm offen stehenden drei Berechnungsmethoden (Lizenzanalogie, Verletzergewinn oder entgangener Gewinn) auszuwählen und auf dieser Grundlage die Schadenshöhe zu beziffern (BGH, GRUR 1962, 354, 356 - Furniergitter; BGH, GRUR 1974, 53 – Nebelscheinwerfer; Fitzner/Lutz/Bodewig/Pitz, Patentrechtskommentar, 4. Auflage 2012, § 139 Rn 236), jedoch unterstehen Inhalt und Umfang der Verpflichtung zur Auskunft und Rechnungslegung dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dies erfordert eine Abwägung der Interessen beider Parteien unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls (BGH, GRUR 1974, 53, 54 – Nebelscheinwerfer). In diesem Sinne mag auch die Äußerung des Generalanwalts Wathelet zu verstehen sein, der in seinen Schlussanträgen darauf hingewiesen hat, dass das Gericht über die Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zu wachen habe (Schlussanträge des Generalanwaltes Melchior Wathelet vom 20.11.2014 in der Rechtssache C-170/13, dort Ziffer 101).
387Dabei ist auf Seiten des Patentinhabers die Bedeutung der verlangten Auskunft für die Darlegung der für Grund und Höhe des Schadensersatzanspruchs wesentlichen Umstände in die Abwägung einzustellen; auf Seiten des Verletzers kann insbesondere ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse Bedeutung erlangen (BGH, GRUR 2007, 532 ff. – Meistbegünstigungsvereinbarung). Demgegenüber rechtfertigen Unterschiede bezüglich des Arbeitsaufwandes bei verschiedenen Schadensberechnungsarten es in aller Regel nicht, den Patentinhaber auf eine für den Verletzer weniger aufwändige Berechnungsart zu verweisen (BGH, GRUR 1982, 723 ff. – Dampffrisierstab).
388Liegen die Umstände des Einzelfalls so, dass der Patentinhaber für die Nutzung der patentgemäßen Lehre lediglich eine angemessene, FRAND-Bedingungen entsprechende Lizenzgebühr verlangen kann, gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben, auch die Verpflichtung zur Auskunft und Rechnungslegung auf die zur Berechnung dieser FRAND-Lizenzgebühr erforderlichen Angaben zu beschränken. Insbesondere ist in diesem Fall kein schutzwürdiges Interesse des Patentinhabers an Angaben zum Verletzergewinn (Kosten- und Gewinnangaben) ersichtlich, das die berechtigten Geheimhaltungsinteressen des Patentverletzers überwiegen könnte.
389Allerdings ist von den Beklagten nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass die Voraussetzungen für einen kartellrechtlichen Anspruch auf Lizensierung zu FRAND-Bedingungen gegeben sind und der Schadensersatzanspruch der Klägerin damit von vornherein auf die Höhe einer FRAND-Lizenzgebühr beschränkt wäre. Die Beklagten behaupten zwar, Lizenzvertragsverhandlungen mit der Klägerin geführt zu haben, zu deren Inhalt tragen sie hingegen nicht vor. Hinsichtlich der Behauptung der Beklagten, das Angebot der Klägerin entspreche nicht FRAND-Kriterien, fehlt es an Vortrag zu den zugrundeliegenden Tatsachen, der es der Kammer ermöglichen würde, das Angebot der Klägerin zu überprüfen. Ein Gegenangebot haben die Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag nicht abgegeben. Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin den Abschluss eines Lizenzvertrages zu FRAND-Bedingungen treuwidrig verweigert und damit ihre marktbeherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV missbraucht.
390Aus den vorgenannten Gründen kommt auch eine Anwendung des § 254 BGB nicht in Betracht. Ein Verstoß der Klägerin gegen die sie treffende Schadensminderungspflicht ist nicht erkennbar.
391VIII.
392Es besteht keine Veranlassung, den Rechtsstreit im Hinblick auf das Nichtigkeitsverfahren gem. § 148 ZPO auszusetzen. Für die Kammer lässt sich auf der Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstands die für eine Aussetzung erforderliche hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit der Nichtigkeitsklage nicht feststellen (BGH, GRUR 2014, 1237 – Kurznachrichten).
3931.
394Das Klagepatent ist gegenüber dem Stand der Technik neu.
395a)
396Der Standard 3GPP TS 23.331 V3.4.0 (nachfolgend: V3.4.0) steht dem Klagepatent nicht neuheitsschädlich entgegen.
397Angesichts des genannten Aussetzungsmaßstabs vermag die Kammer in der hiesigen Situation keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Widerruf des Klagepatents zu erkennen. So präsentieren die Parteien in sich schlüssige Argumentationen und vermögen andererseits nicht, ein stichhaltiges Gegenargument anzuführen, das dem Vortrag der Gegenseite die Grundlage entziehen bzw. einen grundlegenden Widerspruch aufzeigen könnte. Die Klägerin hat ein mögliches fachmännisches Verständnis der Entgegenhaltung dargelegt, das von den Beklagten nicht eine Aussetzungsentscheidung tragend in Zweifel gezogen werden konnte. Da es den Beklagten obliegt, die erforderlichen Erfolgsaussichten des anhängigen Einspruchsverfahrens darzulegen und glaubhaft zu machen, geht dies zu ihren Lasten. Hinzu tritt, dass die Annahme einer (hinreichend) sicheren Vernichtungswahrscheinlichkeit sich verbietet, wenn der im Rechtsbestandsverfahren zur Diskussion stehende technische Sachverhalt derart kompliziert und/oder komplex ist, dass sich das Verletzungsgericht keinen wirklichen Einblick in die Gegebenheiten verschaffen kann (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 8. Aufl., Rn. 531). Das ist hier der Fall.
398Nach Ansicht der Kammer werden die Anweisung, die Mitteilung und das Erkennen der eindeutigen Zellkennung (Merkmale 3.5 bis 3.7 des Anspruchs 6) nicht unmittelbar und eindeutig gezeigt.
399Aus Ziffer 8.6.7.5 erkennt der Fachmann, dass das UE in dem Zustand CELL_FACH die Cell Identity melden soll, wenn das Information Element „Cell Identity“ auf „TRUE“ gesetzt ist. Der Zustand CELL_DCH spielt keine Rolle, weil hier die Cell Identity nicht gemeldet werden soll. Die Cell Identity wird von der Nachbarzelle im System Information Block Typ 3 oder 4 ausgegeben. Aus Ziffer 10.3.2.2 folgt, dass die Cell Identity eindeutig eine Zelle innerhalb eines PLMN (Public Land Mobile Network) identifiziert. Insofern handelt es sich um eine eindeutige Zellenkennung.
400Die Klägerin wendet ein, dass im UMTS-System das UE nicht in der Lage sei, die Cell Identity nach Empfang der Measurement-Control Nachricht im CELL_FACH Zustand zu erkennen und zu melden.
401Die RRC-Schicht (Radio-Resource-Control-Schicht) sei für den Empfang und die Verarbeitung von Signalisierungsnachrichten verantwortlich, die zwischen einem RNC (radio network controller) und einem Endgerät übertragen werden. Das RRC bediene sich einer Zustandsmaschine, um den Verbindungstyp zwischen dem mobilen Endgerät und dem RNC zu definieren.
402Es gebe 5 RRC-Zustände, unter anderem die Zustände CELL_FACH und CELL_DCH. Von Interesse seien nur drei Messungen, mit denen die Cell Identity übertragen werden könne: Messungen an im selben Frequenzbereich wie die serving cell übertragenden UMTS-Nachbarzellen (intra-frequency measurements); Messungen an in einem anderen Frequenzbereich als die serving cell übertragenden UMTS-Nachbarzellen (inter-frequency measurements) und Messungen an Nicht-UMTS Nachbarzellen (inter-system measurements).
403Mittels der „measurement control message“ könne eine Messung im UE initiiert werden (V3.4.0; Ziffer 8.4). Die entsprechenden Messergebnisse würden mittels des Informationselements „measured results“ übertragen, das Bestandteil der „measurement report message“ sei. Mit der measurement report message werde berichtet (V3.4.0, Ziffer 10.3.7.69, 10.2.17). Wenn hingegen die Nachbarzellmessung mittels des Systeminformationsblock 11 und 12 konfiguriert wurde (V3.4.0, Ziffer 8.4), würden in dem RCC-Zustand CELL_FACH die Messergebnisse der Nachbarzelle nicht in den measured results in einem Messbericht, sondern über den Transportkanal RACH übertragen (V3.4.0, Ziffer 8.4 – measurement report message sent to report uplink traffic volume; nur Informationen von netzgerichteten Datenverkehrsaufkommen). Nur die ersten vier Nachrichten (RRC Connection Request bis Cell Update) enthielten Informationen über die Nachbarzellen und zwar ausschließlich mittels des Informationselements Measured Results on RACH (V3.4.0; Ziffer 10.3.7.70). Hierbei handele es sich um ein inhaltlich verkürztes Informationselement angehängt an einer ohnehin an das Netz gesendeten Nachricht.
404Es würden daher zwei Arten von Messinformationen im CELL_FACH Zustand gesendet. Nach dem Übergang vom Zustand CELL_DCH in den Zustand CELL_FACH könnten Datenverkehrsvolumenmessungen fortgesetzt und initiiert werden. Bei diesen Messungen werde die Cell Identity weder verlangt noch gesendet. Diese Datenverkehrsvolumenmessungen würden in einem Measurement Report gesendet. Ferner würden Intrafrequenzmessungen vorgenommen, die angehängt an andere Nachrichten mittels des IE measured results on RACH gesendet würden. Die gemeldeten Messinformationen enthielten in keinem der beiden Fälle eine cell identity (vgl. V3.4.0, Privatgutachten Martin, S. 4 und 5 mit den dortigen Hinweisen auf V 3.4.0).
405An dieser Argumentation bestehen keine derart durchgreifenden Zweifel, die die Kammer zu dem Ergebnis kommen ließen, der Standard zeige ein Endgerät, das eine eindeutige Zellenkennung erkenne, melde und anweise.
406Dies folgt zunächst nicht aus der Übertragung der „Reporting information for state CELL_DCH“ mittels der Systeminformationsblöcke 11 und 12, die nach dem Übergang zurück von CELL_FACH in den Zustand CELL_DCH übertragen wird (vgl. Abschnitte 10.3.7.41, 10.3.7.5; Privatgutachten Martin, S.6). Denn die hierin enthaltene Cell Identity wird nicht ohne weiteres als Inhalt der Cell reporting quantities übertragen. Um in dem Bericht enthalten zu sein, muss der Boolean Type auf TRUE gesetzt sein (vgl. Abschnitt 10.3.7.5). Der Fachmann erkennt anhand des Abschnitts 8.6.7.5 indes, dass ein TRUE im CELL_DCH Zustand wie ein FALSE behandelt wird („[…] - in CELL_DCH state:- treat the IE as if the IE „Cell Identity“ is set to FALSE.“). Daher wird die Cell Identity nicht gemeldet.
407Auch das Informationselement Measurement Validity (Abschnitt 10.3.7.36), das dem Mobilgerät anzeigt, für welche RRC-Zustände die Messkonfiguration maßgeblich sein soll, hat hier keine Auswirkung, weil die Messkonfiguration „alle Zustände“, „alle Zustände außer CELL_DCH“ nur einen Geltungsbereich für Verkehrsdatenaufkommensmessungen hat (Abschnitt 8.6.7.1). Somit enthält sie ebenfalls nicht die Cell Identity.
408Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus Abschnitt 9.3.2.7 des V3.4.0. Die Vorrangsaussage bezieht sich nur auf die Measurement Control message, die vor dem Wechsel in den Zustand CELL_FACH bereits im Zustand CELL_DCH empfangen wurde, bei der das Informationselement Measurement Validity auf all states oder all states except CELL_DCH gesetzt ist und die Konfiguration der Datenverkehrsvolumenmessung betrifft. Ihr gebührt danach Vorrang vor den Messungen in CELL_FACH, die durch die Systeminformationsblöcke 11 und 12 initiiert werden. Der Abschnitt regelt den für diesen Fall auftretenden Konflikt (Privatgutachten Martin, S. 4).
409Für die andere Lesart, nach der Abschnitt 9.3.2.7 zwingend zeige, dass die Ausführungen unter Abschnitt 8.4.1.7 nicht abschließend seien, lässt sich insbesondere dem Privatgutachten Carle (vgl. S. 6) kein konkretes Argument entnehmen. Sofern dort ausgeführt wird, die Abschnitte 8.4.1.7 bis 8.4.1.10 beschrieben nicht das Verhalten des Mobilgeräts für den Fall, dass im CELL_FACH Zustand Messaufträge mittels Nachrichten vom Typ „Measurement Control“ übertragen würden, sondern das Verhalten des Mobilgeräts, wenn nach Eingang eines Messauftrages ein Zustandsübergang stattfindet (Privatgutachten Carle, S. 6), wird ein entsprechendes Zitat für die erste Aussage (Übertragung von Messaufträgen vom Typ „Measurement Control“ im CELL_FACH Zustand) gerade nicht genannt. Dem steht indes der Vortrag gegenüber, dass im Sparzustand CELL_FACH weniger Messparameter und inhaltlich gekürzte Messberichte verwendet werden und die Nachbarzellmessungen so effizient wie möglich durchgeführt werden.
410Dass der Fachmann den Abschnitt 8.6.7.5 als eine Offenbarungsstelle für den Bericht einer eindeutigen Zellkennung versteht, vermag die Kammer nicht mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Es kann insoweit dahinstehen, ob die nachträgliche Änderung dieses Abschnitts durch den Change Request CR-702 Tdoc R2-101593 von Motorola gerade zeigt, dass der Fachmann diesen Passus von vorneherein für missverständlich gehalten hat. Die klagepatentgemäße Lehre muss unmittelbar und eindeutig offenbart sein. Daran bestehen hingegen durchgreifende Zweifel, wenn der Fachmann die Funktion eines Merkmals im Gesamtkontext der Offenbarung für nachteilig erachtet und deswegen ein solches Verständnis von vorneherein nicht zugrundelegt. Denn erkennbare Fehler wird der Fachmann in der Regel korrigieren (vgl. Benkard/Mellulis, 11. Aufl., § 3 PatG Rn. 182). Die Beklagten vermochten die Argumentation der Klägerin nicht derart zu erschüttern, dass die Kammer von einer Offenbarung des Merkmals 3.7 ausgeht.
411b)
412Die vorherigen Ausführungen gelten auch für die Version 3GPP TS 23.331 V3.4.1 (nachfolgend: V3.4.1).
413c)
414Auch die Version 3GPP TS 23.331 V3.3.0 (nachfolgend: V3.3.0.) offenbart die Merkmale 3.3 bis 3.7 des Anspruchs 6 nicht.
415aa)
416So ist nicht unmittelbar und eindeutig gezeigt, dass in CELL_DCH die Cell Identity von der UE erkannt wird. Zwar lassen sich die Verweisungen der Abschnitte 10.2.17, 10.3.7.69, 10.3.7.35 und 10.3.7.3 zunächst so verstehen, dass die Cell Identity als Bestandteil der Cell measured results Bestandteil des measurement reports ist (Merkmal 3.7). Indes hat die Klägerin vorgetragen, dass im CELL_DCH Zustand das UE nicht in der Lage ist, die Cell Identity zu erkennen. Diese werden nur in den Systeminformationsblöcken SIB 3 und SIB 4 übertragen (V3.3.0, S. 198/199), die jedoch im CELL_DCH Zustand nicht ausgelesen werden können (V3.3.0, Tabelle 8.1.1, S. 29-30).
417V3.3.0 zeigt also nicht, dass die eindeutige Zellkennungsinformation im CELL_DCH Zustand erkannt werden kann (Merkmal 3.6). Vor diesem Hintergrund erscheint die Meldung der Cell Identity als Bestandteil des Measurement Reports jedenfalls widersprüchlich. Auch wenn das Klagepatent sich nicht zu den einzelnen Zuständen verhält, soll die Zellenkennung, die erkannt wurde, im (direkten) Anschluss gemeldet werden.
418Dieses Verständnis wird durch den Änderungsvorschlag von NTT DoCoMo R2-001416 bestätigt, aus dem sich ebenfalls ergibt, dass die Zellidentität nur im Systeminformationsblock Typ 3 und 4 vorhanden ist, welche nicht gelesen werden können, falls das UE sich im CELL_DCH Zustand befindet und das UE eine potentiell ungültige Zellidentität nach dem Wechsel in den CELL_DCH Zustand meldet. Selbst wenn man den Änderungsvorschlag zusammen mit der V 3.3.0 als ein Dokument ansähe – was zweifelhaft ist –, geht hieraus nur hervor, dass es gerade eines zusätzlichen Informationselementes mit der Cell Identity vor dem Hintergrund des V 3.3.0 bedurft hätte. Eine unmittelbare und offenkundige Gesamtoffenbarung der klagepatentgemäßen Lehre erkennt der Fachmann hierin nicht, sondern wiederum nur das Aufzeigen eines Fehlers, der gegebenenfalls zu einer Anpassung führen kann.
419Schließlich folgt auch nichts anderes aus der Spezifikation TS 134 123-1 V3.3.0 für die UMTS-Konformitätstests für mobile Endgeräte. Zum einen spricht bereits der Umstand, dass es sich um ein anderes Dokument handelt, gegen eine unmittelbare und eindeutige Gesamtoffenbarung. Zum anderen ergibt sich aus der Spezifikation ebenfalls nicht, dass die Cell Identity – auch wenn sie Bestandteil des Measurement Reports ist – im CELL_DCH Zustand vom UE erkannt werden kann, obwohl sie sich in den Systeminformationsblöcken SIB 3 und 4 befindet, die in diesem Zustand nicht gelesen werden können.
420bb)
421Ferner offenbart die Version V3.3.0 auch nicht, dass die Cell Indentity nach dem Übergang vom Zustand vom CELL_FACH in den Zustand CELL_DCH übertragen wird. Im Unterschied zur Version V3.4.0 findet sich hier der Abschnitt 8.6.7.5 nicht. Gleichwohl offenbart Abschnitt 10.3.7.5 dem Fachmann nicht eindeutig und unmittelbar, dass nach dem Zustandswechsel in CELL_DCH die Anweisung besteht, die Cell Identity zu berichten. Dem Hinweis, dass der Boolean Typ auf TRUE gesetzt werden muss, um in dem Messbericht enthalten zu sein, mag der Fachmann allenfalls diese Möglichkeit entnehmen. Diese wird der Fachmann indes nicht wählen, weil er weiß, dass die Cell Identity im CELL_FACH nicht benötigt wird. Permanent antizipierte Messungen in einem Zustand, der energiesparend sein soll, sind nicht notwendig. Es bedarf dort ihrer nicht im gleichen Umfang für ein Handover wie im CELL_DCH Zustand, in dem wie ausgeführt die Cell Identity auch nicht der Basisstation gemeldet wird. Daher würde der Bericht veraltete und gegebenenfalls ungültige Messergebnisse beinhalten. Insofern sieht der Fachmann keine Notwendigkeit für die Anweisung und wird den Boolean Type auf FALSE setzen.
422d)
423Die Ausführungen zu den Versionen V3.3.0, V3.4.0 und V3.4.1 gelten ebenfalls für Anspruch 16, so dass die Merkmale 4.4.1 und 4.4.2 nicht offenbart sind.
424e)
425Das Klagepatent ist gegenüber der Entgegenhaltung „Wang“ (Masterarbeit vom 16.06.2003), neu.
426Wang befasst sich mit einem Handover Mechanismus in einem heterogenen Netz, das z.B. aus einer Kombination von Weitverkehrsfunknetzen (GPRS oder 3G) und lokalen Drahtlosnetzwerken (WLAN) besteht. Der Entgegenhaltung mangelt es an der Offenbarung einer nichteindeutigen Zellenkennung. Im Rahmen der Erstellung einer externen Ressourcenkarte wird ein Präfixcode/BS-ID Nummer einer benachbarten BS übertragen und analysiert, ob es sich um ein bekanntes IP-Präfix handelt (Anlage ROKH-ES 16a, S. 18, Schritte 2 und 3). In der mündlichen Verhandlung haben die Beklagten insoweit ausgeführt, dass es sich bei dem Präfixcode, den ersten beiden gelben Spalten der Tabelle 1 in der Anlage ROKH-ES 16a, um die nichteindeutige Zellenkennung handele, das Netzwerk IP-Präfix in der orangen Spalte demgegenüber die eindeutige Zellenkennung darstelle. Ferner sei in der Tabelle 12 auf S. 58 ein geschlossenes System definiert, das nur 28 Zellen zeige, die wiederum alle ein anderes Network-IP-Präfix aufwiesen. Dem kann die Kammer nicht beitreten, denn neben dem eindeutigen Network-IP-Präfix zeigt diese Tabelle auch jeweils einen eindeutigen Präfixcode/BS-ID-Nummer: Diese die Network ID und Cell serial number enthaltenden Präfixcodes/BS-ID Nummern haben die Aufteilung WWAN BS 1-8 und WLAN 1 AP 1-20. Keine der Präfixcodes/ID-Nummern wiederholt sich. Dieser gezeigte Beacon-Code offenbart daher keine nichteindeutige Zellenkennung.
427f)
428Die Entgegenhaltung WO X (nachfolgend: Jansson) nimmt die klagepatentgemäße Lehre der Ansprüche 6 und 16 ebenfalls nicht neuheitsschädlich vorweg.
429Eine eindeutige Zellenkennung ist in Form der zweiten BSIC Zellenkennung nicht offenbart. Die zweite BSIC stellt keine eindeutige Kennung im Sinne des Klagepatents dar. Sie erscheint in Anbetracht der überschaubaren Auswahl an möglichen BSIC (Basisstationsidentifikationscodes) – 64 an der Zahl – nur lokal als eindeutig, wobei die Lehre des Klagepatents eine im gesamten Netz eindeutige Kennung fordert. Sofern die Beklagte hier auf den zweiten Broadcast-Kontrollkanal und der dort gesendeten zweiten BSIC verweist, bleibt diese Art der Eindeutigkeit hinter der Lehre des Klagepatents zurück. Wird im Messbericht lediglich die zweite BSIC übertragen, ist diese Kennung als 6-Bit-Wert nach dem Klagepatent gerade nicht eindeutig. Nach Jansson ist es nicht ausgeschlossen, dass die zweite BSIC in anderen lokalen Bereichen des Netzes wiederverwendet wird. Verwirrende Messberichte durch eine Doppelnutzung scheinen nur deswegen ausgeschlossen zu sein, weil durch den BSC und MSC vor der Vergabe der BSIC geklärt wurde, dass er in keiner weiteren Nachbarzelle bereits Verwendung findet. Nach der Lehre des Klagepatents ist die eindeutige Zellenkennung aber so ausgestaltet, dass Verwechselungen mit jeglichen Zellen im Netz vermieden werden. Die globale Eindeutigkeit bezieht sich auf das Netz. Unerheblich ist, aus wie vielen Werten die eindeutige Zellenkennung besteht, solange diese Werte im Netz eine unverwechselbare Zuordnung ermöglichen.
430g)
431Das Klagepatent ist auch gegenüber der Entgegenhaltung WO X (nachfolgend Olofsson) neu.
432Es fehlt an einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung, dass sowohl die eindeutige als auch nicht die nichteindeutige Zellenkennung erkannt werden (Merkmale 3.3 und 3.6 des Anspruchs 6, Merkmale 4.2, 4.4 und 4.4.2 des Anspruchs 16).
433Olofsson präsentiert in Abgrenzung zum Stand der Technik, bei dem eine nichteindeutige Kennung eingesetzt wird, den Einsatz einer eindeutigen Kennung. Die Darstellung der nichteindeutigen Kennung wie des aus BCC und NCC zusammensetzten BSIC bezieht sich auf den Stand der Technik („conventional measurements“ (Z.5); „The principal way in which base station identification has been attempted in the past is […]“; „Thus, for system wide algorithm development, neither of these techniques for identifying a base station are sufficiently reliable to ensure unique identifications […]“. Demgegenüber zeigt Figur 4 in Olofsson eine Lösung, in der nur eine eindeutige Kennung offenbart ist. Hier ist ein kombiniertes Erkennen von eindeutiger und nichteindeutiger Zellkennung nicht gezeigt. Die Kombination wird vom Fachmann auch nicht mitgelesen. Weitere Überlegungen, wie z.B. ein erhöhter Ressourcenverbrauch, der eine kombinierte Erkennung fordern könnte, die der Fachmann zusätzlich anstellen müsste, sprechen dagegen.
4342.
435Die klagepatentgemäße Lehre ist zudem im Stand der Technik nicht nahe gelegt.
436Der Standard 3 GPP TS 36.300 V0.5.0 (2007-02) zeigt bereits nicht das Empfangen einer Anweisung und das Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennung (Merkmale 3.5, 3.7 des Anspruchs 6, Merkmal 4.4.1 des Anspruchs 16).
437Eine Kombination mit der Entgegenhaltung Nokia/R3-061758 zeigt mangels Offenbarung der Anweisung die klagepatentgemäße Erfindung nicht. Es erscheint der Kammer zweifelhaft, ob das Erkennen einer etwaig gezeigten Cell Identity nach einer Anweisung erfolgt und nicht bereits davor bzw. beide (eindeutig und nichteindeutigen) Kennungen gemeldet werden.
438In der Entgegenhaltung Meeting Report RigaTSGR#54(11) R3-070322 ist nicht ersichtlich, dass die Cell Identities zwingend in den DSR-Meldungen enthalten sind, so dass eine vorherige Anweisung und Meldung ebenfalls nicht gezeigt sind. Eine Kombination zeigt daher nicht alle klagepatentgemäßen Merkmale.
439Mangels näherer Ausführungen ist die klagepatentgemäße Lehre auch nicht durch die Kombination mit den Entgegenhaltungen T-Mobile/R3-061488, Telekom/S5-070207, Qualcomm/R2-062303 und T-Mobile/R2-061545 nahe gelegt.
4403.
441Das Klagepatent ist nicht unzulässig erweitert.
442a)
443Indem das mobile Endgerät als Ganzes in der Figur 2 und deren Beschreibung in den Anmeldeunterlagen offenbart ist, erkennt der Fachmann auch, dass die Mittel zum Kommunizieren, Erkennen und Bestimmen etc. gezeigt sind.
444b)
445Es ist nicht ersichtlich, dass der Zusatz des Erkennens und Meldens der nichteindeutigen Zellenkennung den Gegenstand des Klagepatents gegenüber der Patentanmeldung unzulässig erweitert. Bei der streitgegenständlichen Erfindung geht es in erster Linie um die Identifizierung der Nachbarzelle über die eindeutige Zellenkennung. Aus den Anmeldeunterlagen ergibt sich, dass die nicht eindeutige Zellenkennung mit den Messinformationen der Betriebsparameter verknüpft ist (WO X, nachfolgend: WO X). Es ergibt sich aber ebenfalls, dass ein gemessener Betriebsparameter typischerweise ein physikalischer Übertragungscodes wie beispielsweise ein Verwürfelungscode, der einer Zelle nicht eindeutig zugeordnet ist, sein kann (WO X, S 2, 2. Abs.). Damit zeigen die Anmeldeunterlagen, dass es sich bei der nichteindeutigen Zellenkennung um einen Betriebsparameter handelt, der erkannt und gemeldet wird. Indem der Anspruch die nichteindeutige Kennung als einen spezifischen Betriebsparameter herausgreift, wird der Anspruch nicht erweitert. Das Klagepatent hat den eben aufgeführten Passus ebenso wie das Ausführungsbeispiel in Absatz [0023] in seine Beschreibung übernommen. Der erteilte Anspruch geht insofern nicht über die Anmeldeunterlagen hinaus, weil das Erkennen und Melden der nichteindeutigen Kennung das Erkennen und Melden einer Parameterinformation darstellt.
446Aus diesem Grund ist auch das Bestimmen der Notwendigkeit eindeutiger Zellenkennungsinformationen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen in den Anmeldeunterlagen offenbart.
447c)
448Es ist nicht nachvollziehbar, wieso durch die Änderung der Reihenfolge die Bedeutung des beanspruchten Gegenstandes geändert werden soll. Es erscheint vielmehr so, dass die Reihenfolge aus den Figuren in den Anmeldeunterlagen gerade in der erteilten Fassung eingehalten wird.
4494.
450Die Kammer hält es nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass das Klagepatent mangels Ausführbarkeit widerrufen wird. Die Einwände werfen Auslegungsfragen bezüglicher einzelner Merkmale bzw. des Begriffs der eindeutigen Zellkennung, des Bestimmens aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen und der Definition von Nachbarzellenliste und Handover-Kandidatenliste auf. Der Fachmann wird die Begriffe jedoch mit Hilfe seiner Fachkenntnis auslegen und ihren technischen Sinngehalt umsetzen können.
4515.
452Die weiteren Angriffe sind mangels schriftsätzlicher Behandlung im Verletzungsverfahren von den Parteien selbst zu Recht nicht als eine Aussetzungsentscheidung tragend angesehen worden.
453IX.
454Dem Antrag der Beklagten auf Vorlage des MSA war nicht zu entsprechen.
4551.
456Soweit die Beklagten die Vorlage des MSA gemäß § 142 ZPO beantragen, haben sie hiermit keinen Erfolg.
457Nach § 142 Absatz 1 ZPO kann das Gericht anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Dabei muss sich die Bedeutung einer konkret zu bezeichnenden Urkunde für die begehrte Entscheidung aus schlüssigem Parteivortrag ergeben. Die Anordnung ist nur zulässig, wenn sie dazu dient, für die vom Gericht begehrte Entscheidung relevante Umstände zu erhellen (vgl. Zöller/Greger, 31. Aufl. 2016, § 142 Rn. 7; BGH, NJW 2014, 3312). Dabei sind im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung insbesondere auch berechtigte Belange des Geheimnis- oder Persönlichkeitsschutzes zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Greger, 31. Aufl. 2016, § 142 Rn. 8; BGH, NJW 2007, 2989).
458Vor diesem Hintergrund kommt die Anordnung der Vorlage des gesamten MSA nicht in Betracht. Die Kammer vermag anhand des Vortrags der Beklagten nicht zu erkennen, dass die Vorlage des gesamten MSA – über die bereits zur Akte gereichten Auszüge hinaus – für die Entscheidung von Relevanz ist. Demgegenüber würde die Anordnung der Vorlage des gesamten MSA dazu führen, dass Inhalte, die bisher nicht über einen eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und die auch nicht öffentlich verbreitet werden sollen, Dritten bekannt werden würden. Die Vorlage des gesamten MSA würde damit schutzwürdige Interessen der Klägerin und/oder der Streithelferin verletzen. Unter Abwägung der berechtigten Interessen der Parteien hat die Kammer von einer Anordnung der Vorlage des gesamten MSA abgesehen.
459Sofern der Antrag der Beklagten dahingehend zu verstehen sein sollte, dass er sich auf die Vorlage des gesamten Closing binders bezieht, gilt das zuvor Gesagte erst recht.
4602.
461Auch eine Vorlagepflicht nach § 423 ZPO besteht nicht.
462Nach § 423 ZPO ist der Gegner zur Vorlage der in seinen Händen befindlichen Unterlagen verpflichtet, auf die er im Prozess zur Beweisführung Bezug genommen hat. Ausreichend ist jede Bezugnahme zu Aufklärungszwecken (vgl. Zöller, a.a.O., § 423 Rn. 1). Es genügt aber nicht, wenn der Gegner auf den Urkundeninhalt lediglich zur Ergänzung oder Erläuterung seines Tatsachenvortrags hingewiesen hat (vgl. Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 423 Rn. 1).
463Im vorliegenden Fall hat die Klägerin auf den Closing Binder lediglich Bezug genommen, um die Glaubwürdigkeit der vernommenen Zeugen darzulegen. Eine inhaltliche Bezugnahme dergestalt, dass der Closing Binder zur Aufklärung strittiger Punkte beitragen würde, erfolgte nicht.
464X.
465Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 Abs. 3 Nr. 2, 101 Abs. 1 ZPO. Einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO im Hinblick auf den Antrag nach § 113 S. 2 ZPO bedurfte es mangels gesonderten Kostenanfalls nicht (vgl. Zöller/Herget, 31. Aufl., § 113 Rn. 4). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit basiert auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
466Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt.
467ursprünglich: 1.000.000,00 EUR
468ab dem 01.07.2014 (Teilklagerücknahme): 800.000,00 EUR
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Düsseldorf Schlussurteil, 19. Jan. 2016 - 4b O 156/14
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Tenor
I.
Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 13. Dezember 2013,
1. (nur die Beklagte zu 2.) mobile Endgeräte zur Verwendung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
wobei das Endgerät Mittel zum Ausführen der Schritte des folgenden Verfahrens umfasst:
Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt; Bestimmen mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle; Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle; Melden von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle und Melden der erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Erkennen eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung; und Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
2. drahtlose Telekommunikationsnetze in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
die eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definieren, wobei das Netz Netzressourcen umfasst, die betreibbar sind zum Kommunizieren mit einem in einer ersten Kommunikationszelle betriebenen mobilen Endgerät; Empfangen nichteindeutiger Kennungsinformationen und Parameterinformationen bezüglich mindestens eines Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät; Definieren einer Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät, wobei die Nachbarzellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält; Bestimmen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen, ob eindeutige Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle erforderlich sind, und wenn solche eindeutigen Kennungsinformationen erforderlich sind, Übertragen einer Anweisung an das mobile Endgerät; Empfangen eindeutiger Zellenkennungsinformationen bezüglich der zweiten Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät; und Definieren einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät, wobei die für das Handover infrage kommende Zellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält;
wobei die Auskunft in Form einer geordneten Aufstellung gegenüber der Klägerin zu erfolgen hat, und zwar, soweit zutreffend, unter Angabe
a)
der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, aufgeschlüsselt nach der jeweiligen Menge, Zeiten, Preisen, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer;
c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Suchmaschinen und anderer Marketingwerkzeuge, mit Hilfe derer die betroffenen Webseiten einzeln oder gemeinsam registriert wurden, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;
e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Beklagten die Richtigkeit ihrer Angaben nach a) und b) belegen müssen, indem sie Belegkopien wie Rechnungen hilfsweise Lieferscheine vorlegen;
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer, der in der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist, mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die der A durch die vom 13.12.2013 bis zum 26.02.2014 und der Klägerin durch die seit dem 27.02.2014 begangenen, unter Ziffer I. (Beklagte zu 1) nur Ziffer I.2) bezeichneten Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden.
III.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin zu 40%, die Beklagte zu 1) zu 20% und die Beklagte zu 2) zu 40% zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Klägerin zu 60%, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt die Klägerin zu 20%. Die Kosten der Streithilfe haben die Beklagte zu 1) zu 25% und die Beklagte zu 2) zu 50% zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
V.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 1.200.000,00 vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagten und die Streithelferin ist das Urteil vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP B (Anlagen C ES1, C ES1a; im Folgenden: Klagepatent) auf Auskunft, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
3Das Klagepatent wurde von der Streithelferin am 28.02.2007 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 18.11.2009 veröffentlicht. Am 13.11.2013 erfolgte die Veröffentlichung und Bekanntmachung seiner Erteilung. Am 13.08.2014 legten unter anderem die Beklagten Einspruch gegen die Erteilung des Klagepatents beim Europäischen Patentamt ein, über den bislang noch nicht entschieden ist. Das Klagepatent steht in Kraft.
4Das in englischer Sprache erteilte Klagepatent betrifft die Selbstkonfiguration und Optimierung von Zellennachbarn in drahtlosen Telekommunikationsnetzen. Die geschützte Technik dient zur Vereinfachung der Architekturverwaltung und beschäftigt sich mit der Identifizierung von Funkzellen, die für einen reibungslosen Weiterleitungsvorgang (sog. handover) der Mobilfunkverbindung zwischen Nachbarzellen des Telekommunikationsnetzes notwendig ist.
5Die Klägerin stützt den Verletzungsvorwurf auf eine Kombination der Klagepatentansprüche 1 und 6 und den Anspruch 16.
6Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
7„A method for operating a mobile terminal in a wireless telecommunication system which defines a plurality of communications cells, the method comprising:
8Communication with a radio base station which serves a first communication cell;
9determining (101) at least one operating parameter for a second communications cell;
10detecting non-unique identifier information for the second communications cell;
11reporting (103) parameter information relating to the or each operating parameter for the second communications cell and reporting the detected non-unique identifier information to the radio base station of the first communications cell,
12wherein the method further comprises:
13receiving (113) an instruction from the radio base station of the first communications cell;
14detecting (115) unique cell identifier information for the second communications cell Z on recC t of the instruction; and
15reporting (117) the detected unique cell identifier information for the second communications cell to the radio base station of the first communications cell.”
16Anspruch 1 des Klagepatents lautet in deutscher Übersetzung:
17„Verfahren zum Betreiben eines mobilen Endgeräts in einem drahtlosen Telekommunikationssystem, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, wobei das Verfahren Folgendes umfasst:
18Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt;
19Bestimmen (101) mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle;
20Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle;
21Melden (103) von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle und Melden der erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle,
22wobei das Verfahren weiterhin Folgendes umfasst:
23Empfangen (113) einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
24Erkennen (115) eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung; und
25Melden (117) der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle.“
26Anspruch 6 des Klagepatents lautet:
27„ A mobile terminal (4) for use in a wireless telecommunications system which defines a plurality of communications cells, the terminal comprising means for carrying out the steps of a method as claimed in any one of the preceding claims.”
28Anspruch 6 des Klagepatents lautet in deutscher Übersetzung:
29„Mobiles Endgerät (4) zur Verwendung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, wobei das Endgerät Mittel zum Ausführen der Schritte eines Verfahrens nach einem beliebigen der vorhergehenden Ansprüche umfasst.“
30Anspruch 16 des Klagepatents lautet:
31„A wireless telecommunications network defines a plurality of communications cells, the network comprising network resources operable to:
32communicate with a mobile terminal operating in a first communications cell;
33receive (107) non-unique identifier information and parameter information relating to at least one operating parameter for the second communications cell from the mobile terminal;
34define (109) a neighbor cell list for the mobile terminal, the neighbor celllist including the second communications cell;
35determine (111) from the non-unique identifier information, whether unique cell identity information, whether unique cell indentity information is required for the second communications; and, if such unique identity information is required:
36transmit (111) an instruction to the mobile terminal;
37receive (119) unique cell identifier information relation to the second communications cell from the mobile terminal; and
38define (121) a handover candidate cell list for the mobile terminal, the handover candidate cell list including the second communications cell.”
39Anspruch 16 des Klagepatents lautet in deutscher Übersetzung:
40„Drahtloses Telekommunikationsnetz, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, wobei das Netz Netzressourcen umfasst, die betreibbar sind zum:
41Kommunizieren mit einem in einer ersten Kommunikationszelle betriebenen mobilen Endgerät;
42Empfangen (107) nichteindeutiger Kennungsinformationen und Parameterinformationen bezüglich mindestens eines Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät;
43Definieren (109) einer Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät, wobei die Nachbarzellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält;
44Bestimmen (111) aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen, ob eindeutige Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle erforderlich sind, und wenn solche eindeutigen Kennungsinformationen erforderlich sind:
45Übertragen (111) einer Anweisung an das mobile Endgerät;
46Empfangen (119) eindeutiger Zellenkennungsinformationen bezüglich der zweiten Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät; und
47Definieren (121) einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät, wobei die für das Handover infrage kommende Zellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält.“
48Die Streithelferin besitzt eines der stärksten Portfolios essentieller Patente in der Telekommunikationsindustrie. Am 10.01.2013 schloss sie mit der D („E Sub“), der E („Z “), deren Tochtergesellschaften F („Z Sub1“) und G Manager LLC („Z Sub 2“) sowie der A („R “) das sogenannte Master Sales Agreement („MSA“), das die weitere Verwertung eines Teils ihrer Patente zum Gegenstand hat. Betroffen war ein Patentportfolio, das über 2000 Patente umfasste. Hinsichtlich der Regelungen des MSA im Einzelnen wird auf den in Auszügen von den Parteien zur Akte gereichten Vertragstext Bezug genommen.
49Bei der Streithelferin handelt es sich um eine Gesellschaft, die nach schwedischem Recht gegründet wurde. Die E Sub, Z , Z Sub 1 und Z Sub 2 sind sämtlich Gesellschaften, die nach dem Recht des Staates Delaware gegründet wurden. Die R wurde nach dem Recht des Staates Nevada gegründet. Die Klägerin wurde nach irischem Recht gegründet. Sie gehört zur H GrZ pe und ist mit der Verwaltung und Lizensierung von Patenten befasst. Sie ist dem MSA nachträglich beigetreten.
50Im MSA findet sich in Ziffer 6.14 unter anderem die Regelung, dass die R die FRAND-Verpflichtung der Streithelferin übernimmt und innerhalb einer angemessenen Frist nach Abschluss des Vertrages gegenüber der ETSI eine eigene FRAND-Erklärung abgeben wird. Dieser Verpflichtung ist die R durch Erklärung vom 14.06.2013 nachgekommen. In einer weiteren Vereinbarung vom 13.02.2013 (Patent Sale and Grant-Back Licence Agreement – „PSA“) findet sich in Klausel 5.4 die Verpflichtung der R , bei einer Übertragung von Patenten auf Dritte sicherzustellen, dass die FRAND-Verpflichtung übernommen wird. Dies wurde bei der Übertragung des Klagepatents auf die Klägerin umgesetzt und die Klägerin gab am 6.3.2014 gegenüber der ETSI eine eigene FRAND-Verpflichtungserklärung ab.
51In Umsetzung des MSA schlossen dessen Vertragsparteien in der Folgezeit drei Übertragungsverträge, deren Wirksamkeit zwischen den Parteien im Streit steht. Die Klägerin bietet öffentlich die Lizensierung der übertragenen Patente zu einheitlichen Konditionen an („License Proposal“). Hierin ist unter anderem eine Lizenzgebühr von 0,75 USD pro Mobilfunkendgerät vorgesehen. Die Beklagten unterbreiteten der Klägerin ein Gegenangebot. Zu dem Abschluss eines Lizenzvertrages mit der Klägerin kam es nicht.
52Die Beklagten gehören zur I -GrZ pe, die sowohl im Bereich der Infrastruktur als auch im Bereich der Mobilfunkendgeräte im Markt für Telekommunikationsnetzwerke tätig ist. Zu ihrem Produktsortiment gehören unter anderem Basisstationen (sog. eNodeBs oder eNB) für den Aus- und Aufbau von Long Term Evolution (LTE)-Netzwerken bzw. sog. 4G-Netzwerken (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform I) und LTE-fähige Mobilgeräte (sog. UEs; nachfolgend: angegriffene Ausführungsform II).
53Die Architektur der LTE-Netzwerke ebenso wie die LTE-Fähigkeit der Mobilgeräte ist standardisiert. Daher kommunizieren die eNBs mit den LTE-Mobilgeräten über Funksignale nach den LTE-Standards. Die streitgegenständliche Technik wird in dem Telekommunikationsstandard 3GPP TS 36.300 Version 8.9.0 (nachfolgend LTE-Standard I), dem Telekommunikationsstandard 3GPP TS 36.331 Version 8.7.0 (nachfolgend LTE-Standard II) und dem Dokument 3GPP TS 36.523-1 Version 12.3.0 (nachfolgend LTE Standard III) behandelt. Die früheste Version des LTE-Standard I, welche sich mit der streitgegenständlichen Technik befasst, ist die Version 8.5.0, die im Juni 2008 veröffentlicht wurde. Bei der frühesten Version des LTE-Standards II, welche die streitgegenständliche Technik betrifft, handelt es sich um die Version 8.3.0, deren Veröffentlichung im September 2008 erfolgte. Die definierten und standardisierten Konformitätstests im LTE-Standard III sind gültig für alle Endgeräte, die 3GPP Releases ab Release 8 umsetzen.
54Der LTE-Standard beschreibt unter anderem den hier streitgegenständlichen Betrieb der automatischen Nachbarbeziehungen (Automatic Neighbour Relation Function = sog. ANR-Funktion). Hierbei handelt es sich um eine einseitige Beziehung zwischen der Ausgangs- bzw. Versorgungszelle (serving cell) und einem oder mehreren Zielzellen. Diese Zielzellen stellen Nachbarzellen dar, die Signale übermitteln, die vom LTE-Mobilgerät empfangen werden können.
55Die Beklagte zu 2) bietet die angegriffene Ausführungsform II in Deutschland an und bringt sie in Verkehr. Die Beklagte zu 1) stellt die angegriffene Ausführungsform I her.
56Geschwärzt und gelöscht
57Die Klägerin behauptet, die Streithelferin habe durch Übertragungsvertrag vom 11.02.2013 (nachfolgend ÜV I) einen Teil ihres Patentportfolios – darunter das Klagepatent bzw. die diesem vorausgegangene Patentanmeldung – auf die D übertragen. Der Vertrag sei auf Seiten der Streithelferin von den Damen J und K , auf Seiten der D von Herrn X für die AB II unterschrieben worden. Sämtliche Personen seien vertretungsbefugt gewesen. Für die Damen J und K ergebe sich dies aus der Registrierungsurkunde der Streithelferin. Die AB II sei ausweislich des L of D die Geschäftsführerin der D gewesen. Diese wiederum habe Herrn X zur Vertretung bevollmächtigt. Die Vollmacht sei von Frau J und Herrn M unterzeichnet worden. Beide seien ausweislich der Registrierungsurkunde der AB II Mitglieder des Vorstandes und gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt. Die Vertretungsregelungen seien nach schwedischem Recht wirksam. Hierzu verweist die Klägerin auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten der Rechtsanwälte N . Einer besonderen Form habe der Vertrag nicht bedurft. Im Übrigen sei die Schriftform aber auch gewahrt.
58Am 13.02.2013 habe die D die von der Streithelferin erlangten Patente – darunter das Klagepatent bzw. die diesem vorausgegangene Patentanmeldung – auf die R weiter übertragen (nachfolgend ÜV II). Der Vertrag sei auf Seiten der D von Herrn X unterzeichnet worden, der aus den vorgenannten Gründen Vertretungsmacht für die AB II , diese wiederum für die D gehabt habe. Für die R habe den Übertragungsvertrag Herr O unterzeichnet. Dieser sei CEO der Z . Das ergebe sich aus Pressemitteilungen und Proxy Statements. Die Z wiederum sei Geschäftsführerin der Q . Diese sei gemeinsam mit der P Gesellschafterin der R , nachdem die Q durch das Interest Assignment Agreement vom 10.01.2013 die Anteile der Z an der R übernommen habe. Das Interest Assignment Agreement habe auf beiden Seiten Herr O unterzeichnet. Seine Vertretungsbefugnis ergebe sich aus seiner Position als CEO der Z . Die Geschäftsführung der R sei durch das UU vom 13.02.2013 auf die Q übertragen worden. Auch diese Vereinbarung habe Herr O auf beiden Seiten unterzeichnet, wobei er als CEO der Z über die erforderliche Vertretungsmacht verfügt habe. Die dargestellten Vertretungsregelungen seien nach dem Recht des Staates Delaware sämtlich zulässig. Die Klägerin verweist insofern auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten des Herrn Professor S . Auch im Übrigen begegne der Übertragungsvertrag nach dem Recht des Staates Delaware keinen Bedenken. Infolge dieses Vertrages habe die R am 03.09.2013 die Änderung des Patentregisters beantragt, die – insoweit unstreitig – am 24.10.2013 antragsgemäß erfolgt sei.
59Am 27.02.2014 habe die R die Patente – darunter das Klagepatent – auf die Klägerin weiter übertragen (nachfolgend: ÜV III). Die Vereinbarung sei auf Seiten der R von Herrn T , auf Seiten der Klägerin von Herrn U unterzeichnet worden. Herr T sei CFO der Z und durch das UU vom 13.02.2013 bevollmächtigt worden, die R bei der Ausführung des MSA zu vertreten. Im Übrigen ergebe sich die Vertretungsbefugnis des Herrn T für die R auch aus einem Board Meeting der Z vom 10.01.2013. Herr U sei im Rahmen des Board Meetings der Klägerin am 27.02.2014 zum Managing Director ernannt worden und als solcher zur Vertretung der Klägerin befugt. Die dargestellten Vertretungsregelungen seien nach dem Recht des Staates Nevada zulässig. Dies werde durch das von ihr eingeholte Privatgutachten der Kanzlei V bestätigt. Auch im Übrigen begegne der ÜV III nach dem Recht des Staates Nevada keinen Bedenken. Die Klägerin habe am 07.03.2014 die Änderung des Patentregisters beantragt, die – insoweit unstreitig – am 03.07.2014 erfolgt sei.
60Die Klägerin ist weiter der Ansicht, die Beklagten seien passiv legitimiert. Von der Internetseite der Beklagten zu 2) X gelange man über die Reiter „Geschäftskunden“ und „Telekommunikationssysteme“ auf die englisch-sprachige Internetseite der Beklagten zu 1) W , wo man wiederum über den Reiter „Product“ durch Klick auf den Standard „LTE“ zu den Angeboten der eNBs gelange (Anlage C ES9). So würden ausdrücklich die eNodeBs als Produkte aufgezählt. Die Beklagten sprächen auf ihren Internetseiten stets in der „Wir“-Form. Es handele sich daher um ein einheitliches Angebot der angegriffenen Ausführungsform I. Auch nach der Umgestaltung der Internetseite der Beklagten zu 2) könne der Nutzer nach „eNodeB“ suchen, wobei er über den Hauptbegriff „Other“ die Suchergebnisse „eNodeB“, „Stackable eNodeB“ und „LTE eNodeB“ erhalte. Nach Anklicken des Ergebnisses „eNodeB“ gelange man auf eine Seite der Beklagten zu 1), auf welcher die eNodeBs umfangreich und auch mit ausdrücklichem bildlichen Hinweis auf die Verwendbarkeit für den LTE-Standard beworben würden.
61Die Klägerin sieht im Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents. Hierzu behauptet sie, dass die angegriffenen Ausführungsformen den Vorgaben des LTE-Standards entsprechen würden.
62Das Klagepatent erfasse mit der Übertragung einer nichteindeutigen Zellenkennungsinformation auch ein Versenden von einzelnen Signalen, die erst zusammengesetzt einen „Sinn“ ergeben würden. So weise das Klagepatent bereits in der Beschreibung für die eindeutige Zellenkennung – wobei hieraus eine Auslegung für beide Verfahrensschritte entnommen werden könne – darauf hin, dass das mobile Endgerät diese Information empfange und dekodiere. Vorher werde die eindeutige Zellenkennung übertragen. Für den Fachmann sei der Dekodierungsvorgang eine Selbstverständlichkeit mit der Folge, dass sodann auch das an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle übertragen werde, was das mobile Endgerät erkannt/entdeckt habe. Gleiches gelte auch für die nichteindeutigen Zelleninformationen.
63Der Klagepatentanspruch biete keinen Anhalt dafür, dass das mobile Endgerät alle Betriebsparameter, die bestimmt werden, auch an das Netz zu melden habe. Sofern bestimmte Betriebsparameter primär zur Nutzung für das mobile Endgerät bestimmt seien, seien diese daher nicht zwangsläufig zu melden.
64Die ANR-Funktion als solche sei im LTE-Standard zwingend vorgesehen. Dies ergebe sich abgesehen von der eindeutig definierten Wortwahl im Standard zusätzlich durch „Feature Group Indicators“, die zwingende LTE-Funktionen listeten und die ANR-Funktion enthielten. Insbesondere der relevante FGI 17 sei bei einer angegriffenen Ausführungsform – dem I Galaxy S5 – positiv getestet und nachgewiesen worden.
65Ein drahtloses Telekommunikationsnetz werde bereits durch den Zusammenschluss von mindestens zwei eNBs bereitgestellt, der Mobilgeräte bedürfe es nicht. Dies folge insbesondere aus dem Umstand, dass eine Basisstation mit einer anderen über eine Transportverbindung kommunizieren könne. Ein E-Utran umfasse ausschließlich den Zusammenschluss von Funkbasisstationen unter Ausschluss der mobilen Endgeräte.
66Dem Klagepatent lasse sich nicht entnehmen, dass es sich bei der Nachbarzellenliste und der Handover-Zellenliste zwingend um zwei verschiedene Listen handeln müsse, jedenfalls sei kein zeitlicher Zusammenhang zwischen ihrem Definieren ersichtlich.
67Der LTE-Standard zeige zwei Listen. Die linken zwei Spalten der Neighbour Relation Table (NRT) zeige die Nachbarzellenliste, die rechten drei Spalten zeigten die Handover-Zellenliste. Daneben zeige auch die Abspeicherung der besten Zellnachbarn das Definieren einer Nachbarzellenliste. Sobald das mobile Endgerät die ECGI an die eNB berichtet habe, werde diese Zelle von der Serving Cell eNB ihrer NRT hinzugefügt. Sodann stehe die Zelle als Handover-Kandidat zur Verfügung. Es handele sich schon aufgrund dessen um eine für das Handover infrage kommende Liste.
68Die Nachbarzellenliste wie auch die Handover-Zellenliste seien relevant für die zuverlässige Gewährleistung eines Handovers. Dieser Zweck sei für jedes einzelne mobile Endgerät relevant, das von der Zelle bedient werde. Der Formulierung „für das mobile Endgerät“ sei keine negative Beschränkung zu entnehmen. Die NRT sei zwar netzseitig vorgehalten, jedoch für jedes mobile Endgerät, das von dieser eNB versorgt werde, relevant.
69Die Klägerin hat ursprünglich die Urteilsveröffentlichung verlangt und ihren Auskunftsanspruch auch auf die Verletzung des in den Ansprüchen 1 und 12 geschützten Verfahrens gestützt. Nach Rücknahme dieser Anträge beantragt sie nunmehr,
70I.
71die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 13. Dezember 2013
721.
73mobile Endgeräte zur Verwendung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
74wobei das Endgerät Mittel zum Ausführen der Schritte des folgenden Verfahrens umfasst:
75Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt; Bestimmen mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle; Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle; Melden von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle und Melden der erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Erkennen eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung; und Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
76insbesondere wenn der mindestens eine Betriebsparameter einen Codierungscode, eine Signalstärkemessung, eine Signalgütemessung und/oder Taktinformationen umfasst;
77und/oder wenn das Verfahren ferner das Empfangen einer Liste von Kommunikationszellen von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle, wobei die Liste die zweite Kommunikationszelle und eine Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen enthält, umfasst;
78und/oder wenn die zweite Kommunikationszelle der ersten Kommunikationszelle benachbart ist;
79insbesondere wenn das mobile Endgerät eine Steuerung zum Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt, umfasst, wobei die Steuerung betreibbar ist zum Bestimmen mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle; Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle; Melden von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle und Melden der nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle, wenn die erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen nicht in einer Nachbarzellenmenge der ersten Kommunikationszelle enthalten sind; Erkennen von eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung, und Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
80und/oder wenn der mindestens eine Betriebsparameter einen Verwürfelungscode, eine Signalstärkemessung, eine Signalgütemessung und/oder Taktinformationen umfasst;
81und/oder wenn die Steuerung zum Empfangen einer Liste von Kommunikationszellen von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle betreibbar ist, wobei die Liste die zweite Kommunikationszelle und eine Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen enthält;
82und/oder wenn die zweite Kommunikationszelle der ersten Kommunikationszelle benachbart ist;
83und/oder wenn, die Steuerung betreibbar ist zum Erkennen nichteindeutiger Zellenkennungsinformationen für eine Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen; Melden von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen und Melden der nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle, wenn die erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen nicht in einer Nachbarzellenmenge der ersten Kommunikationszelle enthalten sind; Erkennen eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen nach Empfang der Anweisung; und Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
842.
85drahtlose Telekommunikationsnetze in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben, die eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definieren, wobei die Netze Netzressourcen umfassen,
86die betreibbar sind zum Kommunizieren mit einem in einer ersten Kommunikationszelle betriebenen mobilen Endgerät; Empfangen nichteindeutiger Kennungsinformationen und Parameterinformationen bezüglich mindestens eines Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät; Definieren einer Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät, wobei die Nachbarzellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält; Bestimmen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen, ob eindeutige Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle erforderlich sind, und wenn solche eindeutigen Kennungsinformationen erforderlich sind, Übertragen einer Anweisung an das mobile Endgerät; Empfangen eindeutiger Zellenkennungsinformationen bezüglich der zweiten Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät; und Definieren einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät, wobei die für das Handover infrage kommende Zellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält;
87insbesondere wenn der mindestens eine Betriebsparameter einen Verwürfelungscode, eine Signalstärkemessung, eine Signalgütemessung und/oder Taktinformationen umfasst;
88und/oder wenn die zweite Kommunikationszelle der ersten Kommunikationszelle benachbart ist;
89und/oder wenn die Netzressourcen betreibbar sind zum Empfangen nichteindeutiger Zellenkennungsinformationen für eine Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen von dem mobilen Endgerät; Bestimmen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen, ob eindeutige Zellenkennungsinformationen für die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen erforderlich sind, und wenn solche eindeutigen Kennungsinformationen erforderlich sind, Übertragen einer Anweisung an das mobile Endgerät; Empfangen eindeutiger Zellenkennungsinformationen bezüglich der Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen von dem mobilen Endgerät; und Definieren einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät, wobei die für das Handover infrage kommende Zellenliste die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen enthält;
90und/oder wenn die Netzressourcen durch eine Funkbasisstation bereitgestellt werden,
91wobei die Auskunft in Form einer geordneten Aufstellung gegenüber der Klägerin zu erfolgen hat, und zwar, soweit zutreffend, unter Angabe
92a)
93der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, aufgeschlüsselt nach der jeweiligen Menge, Zeiten, Preise, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
94b)
95der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer;
96c)
97der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
98d)
99der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Suchmaschinen und anderer Marketingwerkzeuge, mit Hilfe derer die betroffenen Webseiten einzeln oder gemeinsam registriert wurden, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;
100e)
101der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
102wobei die Beklagten die Richtigkeit ihrer Angaben nach a) und b) belegen müssen, indem sie Belegkopien wie Rechnungen hilfsweise Lieferscheine vorlegen;
103wobei den jeweiligen Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer, der in der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist, mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
104II.
105festzustellen, dass die Beklagten jeweils verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die der A durch die vom 13.12.2013 bis zum 26.02.2014 begangenen und der Klägerin durch die seit dem 27.02.2014 begangenen, unter Ziffer I bezeichneten Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden.
106Die Beklagten beantragen,
107die Klage abzuweisen,
108hilfsweise
109den Rechtsstreit bis zur Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes über die Einsprüche gegen das Klagepatent EP B auszusetzen.
110Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.
111Die mit Schriftsatz vom 16.03.2015 dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetretene Streithelferin beantragt,
112den Beklagten die durch die Nebenintervention verursachten Kosten aufzuerlegen.
113Die Beklagten bestreiten die Aktivlegitimation der Klägerin mit Nichtwissen. Die zum ausländischen Recht vorgelegten Privatgutachten seien schon deshalb unbrauchbar, weil der Verweis auf Normen teilweise gänzlich fehle, die zitierten Normen und Entscheidungen nicht beigefügt seien und unklar sei, welche Unterlagen den Gutachtern vorgelegen hätten.
114Die Registereintragung der Klägerin begründe keine Indizwirkung für die materiell-rechtliche Inhaberschaft der Klägerin am Klagepatent. Denn ausweislich des klägerischen Vortrags sei die D zwischenzeitlich Inhaberin des Klagepatents gewesen; diese sei hingegen nicht im Patentregister eingetragen gewesen. Auch im Übrigen weise der Vortrag der Klägerin zu den behaupteten Patentübertragungen Unschlüssigkeiten auf. Insofern sei der Erfahrungssatz, das die Registerlage regelmäßig die materielle Rechtslage widergebe, erschüttert. Die Eintragung des Klagepatents im Patentregister habe keine konstitutive Wirkung. Die Wirksamkeit der Abtretungen der Patentanmeldung sei vielmehr Voraussetzung für die materiell rechtliche Inhaberschaft der Klägerin am Klagepatent.
115Im Übrigen sind die Beklagten der Auffassung, die Streithelferin habe bei der Umsetzung des MSA sowohl gegen die Vorschriften der Fusionskontrolle (§§ 35-42 GWB) als auch gegen das Verbot der Wettbewerbsbeschränkung (Art. 101, 102 AEUV) verstoßen.
116Bei der mit dem MSA vereinbarten Transaktion handele es sich um einen Zusammenschluss im Sinne von § 37 GWB, der beim Bundeskartellamt hätte angemeldet werden müssen. Dies ist – insoweit unstreitig – nicht geschehen.
117Die Übertragung des Patentportfolios von der Y Unternehmensgruppe an die Z Unternehmensgruppe stelle einen Vermögenserwerb im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB dar. Denn bei den übertragenen Patenten handele es sich um einen wesentlichen Teil des Vermögens von Y . Sie seien die wesentliche Grundlage für die Stellung von Y auf dem relevanten Markt. Ihre Übertragung sei geeignet, die Marktstellung von Y auf Z zu übertragen. Insofern stelle jedes SEP einen selbständigen, relevanten Produktmarkt dar, auf dem der Patentinhaber Lizenzen zur Nutzung seiner geschützten Technologie durch Lizenznehmer vergebe. Jedes der nach dem MSA zu übertragenden Patente habe Y eine marktbeherrschende Stellung und einen Marktanteil von 100% auf jedem der relevanten Märkte für die Lizensierung der einzelnen SEPs verschafft. Durch die Übertragung der Patente habe Z in die Monopolstellung von Y eintreten sollen.
118Zudem hätten Y und Z durch den MSA die gemeinsame Kontrolle im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 2 b) GWB über R erlangt. Denn Y und Z hätten bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung der Organe von R gehabt. Dies ergebe sich aus Ziffer 6.1 (y) des MSA, wonach R nicht ohne die Zustimmung von Y jemand anderen als die Q zum Geschäftsführer bestimmen dürfe. Weitere Vetorechte in den Ziffern 6.1 (a) bis (z) würden den bestimmenden Einfluss von Y auf R verstärken.
119Die Umsatzschwellen des § 35 GWB seien überschritten. Der weltweite Umsatz allein von Y habe im Jahr 2012 etwa 26,17 Mrd. EUR betragen (vgl. Anlage FFF -NT-C4). Davon entfalle ein Betrag von mehr als 25 Mio. EUR auf Deutschland (vgl. Anlage FFF -NT-C5-C7). Mit den übertragenen Patenten seien im Jahr 2012 Umsatzerlöse in Deutschland in Höhe von mehr als 5 Mio. EUR erzielt worden. Hierbei seien auch die Patente zu berücksichtigen, die noch nicht abgetreten worden seien, nach dem MSA aber in den nächsten Jahren abgetreten werden sollen (vgl. Ziffer 6.3 des MSA). Das MSA belege, dass die Vertragsparteien selbst den Wert der von der Vereinbarung umfassten Patente auf mindestens 1,05 Milliarden USD geschätzt hätten (vgl. Ziffern 3.3 und 8.13 des MSA). Der tatsächliche Wert sei sogar höher. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die übertragenen Patente in bis zu acht Jahren ab Übertragung auslaufen würden und dass der deutsche Mobilfunkmarkt etwa fünf Prozent des weltweiten Marktes ausmache, werde deutlich, dass mit der Lizensierung des übertragenden Patentportfolios im Jahr 2012 in Deutschland ein Umsatz von mindestens 6,56 Mio. USD erzielt worden sei (5 % von 1,05 Milliarden USD geteilt durch 8 Jahre). Dies entspreche einem Betrag von 5,1 Mio. EUR. Ähnliches ergebe sich auch unter Berücksichtigung des „License Proposal“ der Klägerin. Hiernach sei pro Mobilfunkendgerät ein Betrag von 0,75 USD zu zahlen. Im Jahr 2012 seien nach den von der Streithelferin vorgelegten Marktstudien in Deutschland 30,4 Mio. Endgeräte abgesetzt worden. Hieraus würden sich Lizenzeinnahmen im Jahr 2012 von 22,8 Mio. USD errechnen. Der Klägerin obliege insofern eine sekundäre Beweislast, da den Beklagten mangels Kenntnis der konkreten Umsatzzahlen der Streithelferin näherer Vortrag nicht möglich sei.
120Im Übrigen stelle das MSA eine wettbewerbswidrige Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV dar.
121Y und Z hätten bezweckt, durch die Aufspaltung des Patentportfolios die ETSI-Regeln zu umgehen und die Lizenzeinnahmen auf ein oberhalb von FRAND liegendes („Supra-FRAND“) Niveau anzuheben. Dies werde durch die künstliche Schaffung eines zusätzlichen Handelspartners erreicht, der zudem als reine Patentverwertungsgesellschaft nicht durch die Notwendigkeit, Kreuzlizenzen an standardessentiellen Patenten anderer Wettbewerber zu nehmen, eingeschränkt sei. Hierdurch entstehe ein Verhandlungsungleichgewicht zu Gunsten von Y und Z , das zu höheren Lizenzgebühren am Markt führen werde.
122Zudem sehe das MSA in Ziffer 3.4 wettbewerbswidrige Mindestlizenzgebühren vor und enthalte daher eine unzulässige Preisbindung. Für die Übertragung der Patente sei – insoweit unstreitig – nicht etwa ein fester Kaufpreis vereinbart worden, sondern der „Kaufpreis“ sei gemäß Ziffer 3.2 des MSA als Anteil an den Bruttolizenzeinnahmen von R zu zahlen. Dabei werde durch die einzelnen Regelungen des MSA erheblicher Druck auf R ausgeübt, die zu vereinbarenden Lizenzen möglichst zu maximieren. Dies ergebe sich zum einen aus Ziffer 3.4., wonach R verpflichtet sei, von seinen Lizenznehmern bestimmte Mindestlizenzgebühren (sog. Applicable Royalty Rate) zu verlangen. Andernfalls werde eine Strafzahlung fällig. Eine solche werde nach den Ziffern 3.3 und 8.13 (c) des MSA auch fällig, wenn R ohne Zustimmung von Y seine Kontrollstrukturen ändere. Die Drohung mit einer erheblichen Zahlungsverpflichtung begründe für R einen Anreiz, bei potenziellen Lizenznehmern die höchstmöglichen Lizenzgebühren zu erzielen. R sei dadurch massiv in seiner Preissetzungsfreiheit beschränkt. Hierin liege eine „Kernbeschränkung“, die ungeachtet der Tatsache, ob sie in horizontalen oder vertikalen Vereinbarungen enthalten sei, eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstelle.
123Desweiteren bewirke das MSA einen unzulässigen Informationsaustausch, zwischen der Klägerin und der Nebenintervenientin. Diese seien Wettbewerber in der Vergabe von Lizenzen. Das MSA gewähre der Nebenintervenientin Einblicke in wesentliche, auch wettbewerblich sensible Geschäftsvorfälle der Klägerin, die die Nebenintervenientin dazu ausnutzen könne, ihr eigenes Marktverhalten entsprechend anzZ assen.
124Aufgrund des Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV sei das MSA gemäß Art. 102 Abs. 2 AEUV insgesamt nichtig. Die Unwirksamkeit des MSA erstrecke sich auch auf die nachfolgenden Vollzughandlungen – d.h. die Übertragungsverträge – da diese unmittelbar mit der Beschränkung des Wettbewerbs verbunden seien. Die in Ziffer 8.9 des MSA enthaltene salvatorische Klausel stehe diesem Ergebnis nicht entgegen. Die Beschränkung der Preisgestaltung könne vernünftigerweise nicht vom MSA im Übrigen getrennt werden; das MSA wäre ohne die Art. 101 AEUV verletzenden Bestimmungen nicht geschlossen und vollzogen worden.
125Das MSA und sein Vollzug würden zudem gegen Art. 102 AEUV verstoßen. Die Streithelferin habe ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem sie ihr Patentportfolio künstlich aufgespalten habe. Dies habe der Umgehung der FRAND-Verpflichtung gedient mit dem Ziel, die Lizenzeinnahmen auf ein über FRAND liegendes Niveau anzuheben. Rechtsfolge sei die Nichtigkeit des MSA und der Übertragungsverträge gemäß § 134 BGB i.V.m. Art. 102 AEUV.
126Die Beklagten behaupten ferner, die Beklagte zu 2) habe die angegriffene Ausführungsform I auf dem deutschen Markt weder vertrieben, angeboten noch in Verkehr gebracht. Sie habe keinen Besitz an eNB und liefere diese nicht. Die seitens der Klägerin vorgelegten Ausdrucke der Webseite belegten kein Anbieten drahtloser Telekommunikationsnetze. Die Verlinkung „Geschäftskunden“ und „Telekommunikationssysteme“ führe – unstreitig – auf die Webseite der Beklagten zu 1). Dabei handele es sich nur um das Aufzeigen bloßer Bezugsmöglichkeiten. Durch das „Durchklicken“ durch diverse Untermenüs und spätestens, wenn sich das neue Fenster mit geänderter Sprache öffne, sei für den Nutzer offensichtlich, dass er das Internetangebot der Beklagten zu 2) verlassen habe. Bei der neugestalten Internetseite sei das Ergebnis der Suche nach „eNodeB“ allenfalls ein Hinweis auf die Leistungen des ausländischen Mutterkonzerns. Zudem biete die Beklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform II nicht an.
127Die Beklagten sind weiter der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen würden von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch machen. In diesem Zusammenhang bestreiten sie die mit dem I Galaxy S5 durchgeführten Tests mit Nichtwissen.
128Anspruch 6 des Klagepatents erfordere lediglich die Eignung der Mittel zur Ausführung der Verfahrensschritte. Bereits im Stand der Technik sei es bekannt gewesen, einen Cell Global Identifier (CGI; zusammengesetzt aus der Cell Identity (Cl) und der Location Area Identity (LAI)) zu übertragen. Allein die Cl hätte eine sehr hohe Anzahl möglicher Werte (65.535), was bedeute, dass für viele Netzwerkbetreiber jeder Wert nur einmal innerhalb ihres eigenen Netzes auftauchen werde. Unter Einbeziehung des Location Area Code (LAC), des Mobile Country Code (MCC) und Mobile Network Code (MNC) ergebe sich eine Gesamtbitzahl für die CGI in GSM von 38, was zu 238 verschiedenen Werten führe. Ähnliches gelte für UMTS, bei dem man letztlich auf 252 Werte gekommen sei. Das seitens des Klagepatents geschilderte Problem sei daher nicht aufgetreten. Das zu lösende Problem bestehe nur noch in der vollständig automatischen Erstellung und Aktualisierung einer Nachbarzellenliste, weil es dafür menschlicher Eingriffe bedurfte.
129Ferner sehe der Klagepatentanspruch – abgesehen von den das Melden betreffenden Verfahrensschritten – keine Zweiteilung zwischen üblichen Messberichten der Mobilstation und nur auf gesonderte Anforderung hin erfolgendes Ermitteln und Berichten auch einer eindeutigen Zellenkennung vor. Das insoweit engere Ausführungsbeispiel könne den weiter gefassten Anspruchswortlaut nicht beschränken. Die zweite Kommunikationszelle könne weiter entfernt liegen und müsse nicht unmittelbar benachbart zur Versorgungszelle sein. Der Fachmann verstehe auch unter einem Dekodieren kein Berechnen. Anders als bei GSM und UMTS würden die empfangenen und dekodierten Synchronisationssignale im LTE-Standard nicht dekodiert und zweitverwendet, sondern die PCI werde gesondert neu berechnet.
130Unter einer eindeutigen Zellenkennung verstehe der Fachmann immer einen relativen, zweckbezogenen Zusammenhang: Sie sei dann eindeutig, wenn sie die in dem fraglichen Kontext erforderliche zweifelsfreie Erkennung der Zelle ermögliche. Dieses allgemeine Verständnis sei aus dem Stand der Technik geprägt. Dass das Klagepatent sich hiervon habe entfernen wollen hin zu einer absolut verstandenen Eindeutigkeit, sei nicht ersichtlich.
131Bei der Bestimmung der Betriebsparameter seien alle erfasst, unabhängig von deren sachlichem Zusammenhang. Nur dieses Verständnis ließe sich mit dem Anspruchswortlaut vereinbaren. Das Klagepatent kenne keine Unterscheidung zwischen Betriebsparametern, die primär für die weitere Nutzung ermittelt würden, und anderen Betriebsparametern. Dies sei auch technisch unsinnig, da das Signal, das die Zellkennung trage, durch die Mobilstationen primär verwendet werde, sich mit der betreffenden Zelle zu synchronisieren, sekundär die empfangenen Informationen zu entschlüsseln und tertiär, ob diese Information auch an das Netzwerk berichtet werden müsse.
132Anspruch 6 unterscheide die Begriffe „Erkennen“ und „Bestimmen“. Sowohl die Betriebsparameter als auch die Zellenkennungen werden gemeldet, wobei der Klagepatentanspruch voraussetze, dass die eindeutige Kennungsinformation, so wie sie erkannt wurde, vom mobilen Endgerät gemeldet werde. Ferner lasse der Klagepatentanspruch 6 offen, welche Anweisung das mobile Endgerät von der Funkbasisstation empfangen solle, so das prinzipiell jede Anweisung – nicht nur die Anweisung, die eindeutige Zellenkennung der Nachbarzelle zu bestimmen – erfasst sei. Der Anspruch gebe auch keinen Zeitpunkt vor oder in welchem Zusammenhang die Anweisung geschickt werden müsse. Ein Erkennen iSd Klagepatents sei keine Berechnung einer Kennung.
133Anspruch 16 des Klagepatents gebe netzseitig eine bestimmte Reihenfolge für die Abfolge der Verfahrensschritte vor. Der Anspruch verstehe unter dem drahtlosen Telekommunikationsnetz nur die Mobilstationen und Funkbasisstationen, jedenfalls aber die Vernetzung von zwei Basisstationen.
134Der Anspruch unterscheide zwei verschiedene Listen, die Nachbarzellenliste und die Handover-Kandidaten-Liste. Das System solle die Nachbarzellenliste automatisch definieren, ohne dass ein bestimmter zeitlicher Kontext vorgegeben werde. Der Klagepatentanspruch erfasse auch Fälle, in denen die Nachbarzellenliste bereits bestehe und nicht erstmals definiert werde. Die Nachbarzellenliste werde für das Mobilfunkgerät definiert. Es handele sich um eine mobilstationsspezifische Liste. Gleiches gelte für die Handover-Kandidaten-Liste, wobei diese die eindeutige Zellenkennung enthalte. Eine Anweisung werde nur nach Prüfung ihrer Notwendigkeit versendet.
135Vor diesem Hintergrund würden die beiden angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent nicht verletzen. Nach dem LTE-Standard gebe es keine nichteindeutige Kennung einer Zelle, die direkt als solche vom Netzwerk übertragen werde. Die PCI sei vielmehr das Ergebnis einer Rechenoperation jedoch nicht in den Signalen, die die Mobilstation auswerte, existent. Nach dem LTE-Standard komme den Signalen PSS und SSS die primäre Bedeutung zu, dass die Mobilstation auf das Signal der Basisstation synchronisiere. Beide Signale müssten zuvor demoduliert und decodiert werden. Anders als im GSM und UMTS-Standard, wo die Zellenkennung die BSIC sei bzw. aus dem CPICH empfangenen Signal erkannt werde, werde die PCI im LTE-Standard errechnet.
136Ferner meldeten standardgemäße Mobilstationen nicht alle Betriebsparameter. Die System Frame Number (SFN) werde nicht übertragen. Die angegriffene Ausführungsform II verletze daher nicht Anspruch 6 des Klagepatents.
137Aber auch die angegriffene Ausführungsform I mache nicht von der technischen Lehre des Anspruchs 16 Gebrauch. Zunächst scheide eine Verletzung bereits aus Rechtsgründen aus, weil die Beklagten kein komplettes Telekommunikationsnetzwerk als solches, also das E-Utran, anböten. Abgesehen davon fielen unter den Anspruchswortlaut keine anderen Teile der Netzwerkausrüstung, wie das EPC und MME. Außerdem werde keine nichteindeutige Kennung übertragen. Ferner stelle die im Standard genannte NRT keine Nachbarzellenliste dar, weil es keine NRT ohne eindeutige Zellenkennung gebe. Ferner werde die NRT – unstreitig – ausschließlich auf Zellebene verwaltet und sei gerade nicht mobilstationsbezogen. Aus LTE Standard I, Kap. 22.3.3, Ziffer 4 folge ausdrücklich, dass eine Nachbarbeziehung erst dann der NRT hinzugefügt werde, wenn bereits die ECGI der betreffenden Zelle vorliege. Gleiches ergebe sich auch noch aus anderen Textstellen des LTE-Standards. Es sei nur eine einzige Liste vorgesehen. Insbesondere die in den letzten 3 Spalten gezeigte Art der Nachfilterung stelle nicht die Handover-Kandidaten-Liste im Sinne des Klagepatentanspruchs 16 dar. Auch die Menge der besten Nachbarzellen sei keine Nachbarzellenliste im Sinne des Klagepatents. Beim Empfangen der Measurement-Report Nachricht werde netzseitig nichts mehr festgelegt. Der Parameter „maxReportCells“ betreffe lediglich die Anzahl der zu berichtenden Zellen, nicht die Zellen selbst. Das mobile Endgerät treffe demgegenüber die Auswahl, ob eine Zelle zu den besten Nachbarzellen gehört und in den Bericht aufgenommen wird. Zudem handele es sich auch bei der Handover-Kandidaten-Liste um eine zellbezogene und nicht mobilstationsspezifische Liste.
138Geschwärzt und gelöscht
139Im Übrigen stehe der Durchsetzung der mit der Klage verfolgten Ansprüche der Lizenzeinwand aus Art. 102 AEUV entgegen. Die Beklagten würden sich in ernsthaften Verhandlungen mit der Klägerin über eine Lizenz am Klagepatent befinden. Zu diesem Zweck hätten mehrfach Treffen stattgefunden und es sei detailliert die mögliche Gestaltung eines solchen Lizenzvertrags diskutiert worden. Soweit die Klägerin öffentlich die Lizensierung der übertragenen Patente zu einheitlichen Konditionen anbiete („License Proposal“), enthalte das Angebot nicht die erforderlichen Grundlagen zur Berechnung der Lizenzgebühr und stelle zudem eine Diskriminierung der Beklagten dar, weil nicht berücksichtigt werde, dass diese bereits in der Vergangenheit über eine Lizenz verfügt hätten. Sie – die Beklagten – hätten der Klägerin ein Gegenangebot unterbreitet, das FRAND-Bedingungen entspreche. Aufgrund vertraglicher Geheimhaltungsverpflichtungen könnten hierzu allerdings keine näheren Angaben gemacht werden.
140Jedenfalls aber sei das Verfahren auszusetzen. Das Klagepatent werde sich als nicht rechtsbeständig erweisen. Sowohl die hiesigen Beklagten als auch die Beklagten aus den Parallelverfahren 4b O 51/14 und 4b O 156/14 sind der Ansicht, der Gegenstand des Klagepatents sei unzulässig erweitert bzw. die geschützte technische Lehre nicht ausführbar und werde überdies neuheitsschädlich von diversen Entgegenhaltungen offenbart. Jedenfalls fehle es ihm an der nötigen Erfindungshöhe.
141Die Klägerin und die Streithelferin treten den kartellrechtlichen Einwänden der Beklagten entgegen.
142Die Nebenintervenientin behauptet, für ihr umfangreiches Patentportfolio auf dem Markt keine angemessenen Lizenzgebühren mehr habe erzielen können. Dies sei der Grund für den Abschluss des MSA gewesen. Es sei ihr legitimes Ziel gewesen, durch die Aufspaltung des Portfolios einen faireren Ausgleich für die von ihr geleistete Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu erlangen. Diese sei immens. Sie investiere jährlich etwa 4 Milliarden USD in diesen Bereich und beschäftige dort mehr als 25.000 Mitarbeiter. Ein großer Teil der Aktivitäten sei dabei der Entwicklung von offenen Mobilfunkstandards gewidmet. Etwa 40 % des weltweiten mobilen Datenverkehrs verlaufe durch Netzwerke, die von ihr bereitgestellt würden. Als Ergebnis ihrer umfangreichen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit halte sie mittlerweile ein Portfolio von über 37.000 erteilten Patenten. Hinzu komme die jährliche Erteilung von weiteren etwa 2.000 Patenten. Eine Vielzahl dieser Patente sei wesentlich für die bedeutenden Standards, die von modernen Mobilkommunikationsgeräten und deren Infrastruktur genutzt würden. Sie habe in der Vergangenheit eine Vielzahl von Lizenzverträgen abgeschlossen. Die Einnahmen aus diesen Verträgen seien ein notwendiger Anreiz, um weiterhin in Forschung und Entwicklung zu investieren.
143Dabei setze sie – die Streithelferin – sich vehement für die Implementierung der FRAND-Prinzipien ein. Ihr uneingeschränktes Bekenntnis zu der Einhaltung und Umsetzung der FRAND-Prinzipien habe auch beim Abschluss des MSA eine wesentliche Rolle gespielt. Dies zeige sich an verschiedenen Stellen des Vertrages, etwa in den Ziffern 6.1 (x), 6.7 (a), 6.7 (b), 6.12, 6.14 (a), 6.14 (b). Auch im PSA sei in Ziffer 5.4 eine entsprechende Regelung getroffen worden.
144Immer mehr potenzielle Lizenznehmer würden demgegenüber die Möglichkeit des „Hold-out“ nutzen, d.h. die geschützte Technologie ohne bestehenden Lizenzvertrag nutzen und darauf warten, vom Patentinhaber verklagt zu werden. Dies geschehe in dem Wissen, dass solche Verfahren nur Patent für Patent und Land für Land durchgeführt werden könnten und entsprechend lange Zeit benötigten. An ernsthaften Lizenzvertragsverhandlungen seien diese Marktteilnehmer nicht interessiert.
145Das MSA verstoße nicht gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften. Es sei schon kein Zusammenschlusstatbestand erfüllt.
146Die übertragenen Patente würden keinen wesentlichen Vermögensteil darstellen. Denn der Erwerb des Patentportfolios sei nicht geeignet gewesen, eine vorhandene Marktstellung auf R zu übertragen. Vielmehr müsse R bzw. die Klägerin sich ihre Marktstellung von Grund auf selbst erarbeiten. Die Übernahme bestehender Lizenzverträge an den übertragenen Patenten sei – insoweit unstreitig - gerade nicht Gegenstand des MSA gewesen. R habe vielmehr „nackte“ Vermögenswerte und gerade keinen Geschäftsbereich erworben.
147Auch ein Kontrollerwerb über R sei nicht gegeben. Hintergrund der beanstandeten Regelungen sei es gewesen, den Kaufpreis zu sichern und zugleich sicherzustellen, dass sich R bzw. deren Rechtsnachfolger an die FRAND-Verpflichtung halte. Ein Einfluss auf das Wettbewerbspotential von R sei weder bezweckt gewesen noch durch das MSA erreicht worden.
148Im Übrigen seien die Umsatzschwellen des § 35 GWB nicht überschritten. Für die Annahme, die Umsätze von R in Deutschland im Jahr 2012 hätten 5 Millionen Euro überschritten, gebe es keinerlei Anhaltspunkte.
149Nur hilfsweise weist die Streithelferin außerdem darauf hin, dass ein Verstoß gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften jedenfalls nicht die Unwirksamkeit der Patentübertragungen zur Folge hätte. § 41 Abs. 1 S. 2 GWB beschränke die Nichtigkeitsfolge vielmehr auf dasjenige Rechtsgeschäft, das gegen das Vollzugsverbot verstoße. Im Übrigen bleibe das MSA und erst Recht die nachfolgenden Patentübertragungen wirksam.
150Das MSA enthalte auch keine unzulässige Preisbindung. Die Vereinbarung einer „Applicable Royalty Rate“ stelle nicht die Festlegung einer Mindestlizenzgebühr dar, sondern sei lediglich Hilfsmittel, um die Zahlung eines angemessenen Kaufpreises für die übertragenen Patente sicherzustellen. Die Klägerin sei frei, mit ihren potentiellen Lizenznehmern jedwede Lizenzgebühr auszuhandeln. Dabei sei sie allein kaufmännischen Erwägungen unterworfen. Der Anreiz für die Klägerin, die „Applicable Royalty Rate“ nicht zu unterschreiten, sei vergleichbar mit dem Anreiz für jeden Großhändler, bei einem Weiterverkauf der Waren nicht deren Einkaufspreis zu unterschreiten. Hierin liege keine kartellrechtswidrige Preisfestsetzung.
151Schließlich verstoße das MSA nicht gegen Art. 101 AEUV oder Art. 102 AEUV. Es sei – entgegen dem Vorbringen der Beklagten – keineswegs Sinn und Zweck des MSA gewesen, die Lizenzgebühren auf ein über FRAND liegendes Niveau zu erhöhen. Vielmehr hätten sowohl R als auch die Klägerin – insoweit unstreitig – entsprechend den Regelungen im MSA und PSA eigene FRAND-Erklärungen abgegeben, um sicherzustellen, dass die FRAND-Prinzipien eingehalten würden. Der Umstand, dass es sich bei der Klägerin um eine Patentverwertungsgesellschaft handele, könne keinen Unterschied machen. Ein Recht auf einen bestimmten Lizenzgeber gewähre das Kartellrecht nicht.
152Der Kartellrechtseinwand der Beklagten könne schon deshalb keinen Erfolg haben, weil mit der Klage keine Unterlassung, sondern ausschließlich Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht geltend gemacht werde. Auf diese Ansprüche finde Art. 102 AEUV keine Anwendung. Insofern sei auch keine Beschränkung der Schadensersatzpflicht auf eine angemessene Lizenzgebühr gerechtfertigt. Die Beklagten hätten nämlich gerade kein annahmefähiges Angebot abgegeben, geschweige denn Sicherheit geleistet.
153Mit Zwischenurteil vom 29.07.2014 hat die Kammer den Antrag der Beklagten zu 2) auf Leistung der Prozesskostensicherheit durch die Klägerin zurückgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
154Das Gericht hat aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 27.11.2015 und 01.12.2015 Beweis erhoben unter anderem durch die Vernehmung der Zeugen J , M , AA , K , O , T , BB und X. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2015, 03.12.2015 und 10.12.2015 Bezug genommen. Die Akten 4b O 49/14, 4b O 51/14, 4b O 52/14, 4b O 120/14, 4b O 123/14, 4b O 154/14, 4b O 156/14 und 4b O 157/14 wurden beigezogen und waren ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
155Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2015, 01.12.2015, 03.12.2015 und 10.12.2015 Bezug genommen.
156Entscheidungsgründe
157Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
158Die Klägerin hat gegen die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit §§ 139 Abs. 2, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB. Die Ansprüche bestehen im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform II allerdings nur gegenüber der Beklagten zu 2). Die Beklagte zu 1) ist in dieser Hinsicht nicht passivlegitimiert.
159I.
160Die Klägerin ist zur Geltendmachung der mit der vorliegenden Klage verfolgten Ansprüche auf Schadensersatz und Rechnungslegung aktiv legitimiert.
161Für die Sachlegitimation im Verletzungsrechtsstreit maßgeblich ist nicht der Eintrag im Patentregister, sondern die materielle Rechtslage (BGH, GRUR 2013, 713 ff. – Fräsverfahren; OLG Düsseldorf, BeckRS 2013, 1781; OLG Düsseldorf BeckRS 2013, 18737). Soweit Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden, ist die vorgenannte Differenzierung ohne Belang, weil die Beklagte nicht zur Unterlassung gegenüber einem bestimmten Berechtigten, sondern zur Unterlassung schlechthin verurteilt wird (BGH, GRUR 2013, 713 ff. – Fräsverfahren; vgl. auch Pitz, GRUR 2010, 688, 689). Soweit allerdings – wie im Streitfall - Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, stehen diese nur dem jeweils materiell berechtigten Patentrechtsinhaber zu.
1621.
163Die Erteilung des Patents und dessen Eintragung im Register zugunsten eines bestimmten Inhabers lässt das Recht aus dem Patent originär in der Person des eingetragenen Inhabers entstehen.
164Das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) unterscheidet in einer dem nationalen Recht (vgl. die Aufzählung in § 15 Abs. 1 Satz 1 PatG) grundsätzlich vergleichbaren Weise zwischen drei Kategorien von Rechten, die aus einer Erfindung resultieren können. Das im deutschen Recht in der Vorschrift des § 6 PatG geregelte „Recht auf das Patent” beschreibt in materieller Hinsicht die Gesamtheit der aus der Erfindung herrührenden Rechte. Diese erste Kategorie erfindungsbezogener Rechte kennt auch das EPÜ, indem es in seinem Art.60 Abs. 1 Satz 1 das „Recht auf das europäische Patent” dem Erfinder (bzw. seinem Rechtsnachfolger) zuweist. Die zweite Kategorie beschreibt das „Recht aus der Patentanmeldung” (den „Anspruch auf Erteilung des Patents”, wie § 15 Abs. 1 Satz 1 PatG es nennt), mithin die durch die Anmeldung begründete und damit formale Rechtsposition des Anmelders eines Patents. In Bezug auf dieses Recht aus der Patentanmeldung fingiert Art. 60 Abs. 3 EPÜ im Verfahren vor dem EPA, dass der Anmelder berechtigt ist, das Recht auf das europäische Patent geltend zu machen. Die dritte Kategorie schließlich betrifft das Recht aus dem Patent, das in seinen Rechtswirkungen im nationalen Recht in den §§ 9 und 10 PatG geregelt und im EPÜ in Art. 64 genannt ist (vgl. hierzu: LG Düsseldorf, GRUR Int. 2007, 347 ff.).
165Die in Art. 60 Abs. 3 EPÜ normierte Fiktion hinsichtlich des Rechts aus der Patentanmeldung, die im nationalen Recht in § 7 Abs. 1 PatG geregelt ist, bewirkt in der dritten Kategorie das Entstehen des Rechts aus dem Patent in der Person des Anmeldenden (vgl. hierzu auch: Benkard/Mellulis, Europäisches Patentübereinkommen, 2. Auflage 2012, Art. 60 Rn 28; eindeutiger: Benkard/Mellulis, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 7 Rn 2). Dieser wird originärer Inhaber des Rechts aus dem Patent und insofern nicht nur formell, sondern auch materiell Berechtigter hinsichtlich sämtlicher Rechte aus dem Patent (OLG Düsseldorf, BB 1970, 1110; kürzlich bestätigt durch: OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2015, Az.: I-2 U 25/10; Benkard/Mellulis, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 7 Rn 2). Ist der Anmeldende weder der Erfinder noch dessen (unmittelbarer oder mittelbarer) Rechtsnachfolger, ist er gemäß Art. II § 5 Abs. 2 IntPatÜ bzw. § 8 S. 2 PatG dem sachlich Berechtigten gegenüber zur Übertragung des Patents verpflichtet. Bis dahin jedoch hat er gegenüber Dritten die Stellung des materiell berechtigten Inhabers am Patent und kann sämtliche Ansprüche aus dem Patent geltend machen.
166Durch die Erteilung des Klagepatents am 13.11.2013 ist das Recht aus dem Patent formell und materiell in der Person der R entstanden.
167Aus der Entscheidung „Magazinbildwerfer“ des Bundesgerichtshofs vom 23.06.1992 (GRUR 1993, 69) ergibt sich nichts anderes. In dieser Entscheidung hat sich der BGH nicht mit der Frage befasst, welche Rechtswirkungen die Erteilung eines Patents durch das Europäische Patentamt hat. Ebenso wenig kann aus dem Umstand, dass der BGH trotz der zwischenzeitlichen Erteilung des Patents die Wirksamkeit der Übertragung der vorausgehenden Patentanmeldung geprüft hat, hergeleitet werden, dass der Anmelder mit der Erteilung des Patents nicht originär Inhaber des Schutzrechts wird. Denn der vom BGH zu entscheidende Sachverhalt unterscheidet sich vom Streitfall dadurch, dass die vom Patentinhaber beklagte Partei – die dortige Beklagte zu 1) – eingewandt hat, selbst Inhaberin der Patentanmeldung gewesen zu sein, so dass sie den vom eingetragenen Inhaber geltend gemachten Ansprüchen unter Umständen entsprechende Gegenrechte entgegenhalten konnte (dolo-agit-Einwand). Dies steht im Streitfall hingegen nicht in Rede.
1682.
169Hinsichtlich der (wirksamen) Übertragung des Klagepatents von der R an die Klägerin mit Übertragungsvertrag vom 27.04.2014 begründet die Eintragung der Klägerin im Register eine tatsächliche Vermutung.
170Insofern ist anerkannt, dass für die Beurteilung der Frage, wer materiell-rechtlich Inhaber des Patents ist, dem Patentregister in aller Regel eine erhebliche Indizwirkung zukommt (BGH, GRUR 2013, 713 ff. – Fräsverfahren). Nach § 30 Abs. 3 S. 1 PatG darf das Patentamt eine Änderung in der Person des Patentinhabers nur dann im Register vermerken, wenn sie ihm nachgewiesen wird, wobei jeder Nachweis erkennen lassen muss, dass der bisherige Schutzrechtsinhaber mit dem Übergang der daraus folgenden Rechte auf den neuen Inhaber einverstanden ist. Gemäß § 28 Abs. 2 DPMAV muss der bisherige Inhaber den Antrag auf Umschreibung zusammen mit dem Rechtsnachfolger unterschreiben oder der Rechtsnachfolger muss eine Zustimmungserklärung des zuvor eingetragenen Inhabers vorlegen. Dies begründet eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Eintragung im Patentregister die materielle Rechtslage zuverlässig wiedergibt (BGH, GRUR 2013, 713, 717 – Fräsverfahren). Angesichts dessen bedarf es in einem Verletzungsrechtsstreit regelmäßig keines weiteren Vortrags oder Beweisantritts, wenn sich eine Partei auf den aus dem Patentregister ersichtlichen Rechtsstand beruft, solange nicht konkrete Anhaltspunkte ersichtlich sind oder vom Gegner aufgezeigt werden, aus denen sich die Unrichtigkeit ergibt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
171Selbst wenn man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – annehmen wollte, dass die Erteilung des Patents in der Person der R keine konstitutive Wirkung hatte, würde die Indizwirkung des Registers für die Klägerin streiten. Insbesondere steht der Indizwirkung nicht entgegen, dass im Rahmen der Übertragung der dem Klagepatent vorausgegangenen Patentanmeldung ein Zwischenerwerber in der von der Klägerin vorgetragenen Übertragungskette, nämlich die CC , nicht im Patentregister eingetragen war. Die Kammer folgt zwar nicht der Auffassung des LG Mannheim, wonach die Nichteintragung eines Zwischenerwerbers im Patentregister generell unbeachtlich sein soll (vgl.: LG Mannheim, Urteil vom 10.03.2015 - Aktenzeichen 2 O 103/14, BeckRS 2015, 15918 für den Zwischenerwerb an einem Patent), im vorliegenden Fall reichen die von der Klägerin zur Übertragungskette vorgetragenen Details – im Hinblick auf den nichteingetragenen Zwischenerwerb der D – aber jedenfalls nicht aus, die Vermutungswirkung des Patentregisters zu erschüttern. Denn die Übertragungskette war nach dem Vortrag der Klägerin zwischen sämtlichen Parteien von vornherein abgestimmt und die D gerade einmal für einen Zeitraum von zwei Tagen Inhaberin der dem Klagepatent vorausgegangenen Patentanmeldung. Die Eintragung der CC , die von vornherein nur als Zwischenerwerberin fungieren sollte, wäre reine Förmelei gewesen. Insofern genügt die Eintragung der R im Patentregister, um dessen Indizwirkung zu erhalten.
1723.
173Die insoweit bestehende Vermutung hinsichtlich der Inhaberschaft der Klägerin am Klagepatent wird bestätigt durch die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und die aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 27.11.2015 und 01.12.2015 durchgeführte Zeugenvernehmung. Hiernach steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die R das Klagepatent durch Patentübertragungsvertrag vom 27.02.2014 an die Klägerin übertragen hat (nachfolgend: ÜV III).
174Nur äußerst hilfsweise für den Fall, dass man der Erteilung des Patents im Hinblick auf die materielle Berechtigung keine rechtsbegründende Wirkung beimessen wollte, stellt die Kammer fest, dass aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme auch zu ihrer Überzeugung feststeht, dass die Streithelferin die das Klagepatent betreffende Anmeldung durch Übertragungsvertrag vom 11.02.2013 an die D übertragen hat (nachfolgend: ÜV I), die diese sodann durch Übertragungsvertrag vom 13.02.2013 an die R weiter übertragen hat (nachfolgend: ÜV II).
175a) Grundsätze
176Für die Entstehung, die Rechteinhaberschaft, den Bestand und die Übertragung des Patents gilt das Schutzlandprinzip (lex loci protectionis). Dieses ist zwingend und einer abweichenden Rechtswahl der Parteien nicht zugänglich. Die Anknüpfung an das Schutzlandprinzip bedeutet, dass für die Anforderungen an die Übertragung eines Patents das Recht desjenigen Staates heranzuziehen ist, in dem das Patent seinen territorialen Schutz entfaltet (vgl.: Kühnen, GRUR 2014, 137, 142 f.). Entsprechend ist vorliegend, da der deutsche Teil eines europäischen Patents im Streit steht, die Wirksamkeit der vorgetragenen Patentübertragungen nach deutschem Recht zu beurteilen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass von den Übertragungsverträgen zugleich weitere ausländische Schutzrechte umfasst waren (vgl.: OLG München, GRUR-RR 2006, 130).
177aa)
178Mangels besonderer gesetzlicher Vorgaben kann die Übertragung eines Patents im deutschen Recht durch schlichte Übereinkunft zwischen dem bisherigen Inhaber und dem in Aussicht genommenen Patenterwerber erfolgen. Der Einhaltung einer besonderen Form bedarf es gemäß Art. 72 EPÜ nur für europäische Patentanmeldungen (LG Düsseldorf, GRUR Int. 2007, 347, 350 – Medizinisches Instrument). Für die Übertragung dieser Patentanmeldungen erfordert Art. 72 EPÜ aus Gründen der Rechtsklarheit die Schriftform. Für das EPA soll aus lediglich einer einheitlichen Urkunde nachvollziehbar sein, dass und an wen eine Übertragung der europäischen Patentanmeldung stattgefunden hat und ob diese Übertragung - etwa im Hinblick auf die Vertretungsbefugnis der tatsächlich handelnden Personen - wirksam zustande gekommen ist. Durch die Schriftform soll ermöglicht werden, die materielle Berechtigung an der Patentanmeldung vertragsweit auf einfache und zugleich sichere Weise feststellen zu können (vgl. BGH, GRUR 1992, 692, 693 - Magazinbildwerfer). Die Schriftform steht im Zusammenhang mit der auch im Übrigen vorgesehenen Schriftlichkeit im Verfahren gegenüber dem EPA (vgl. etwa Art. 99 Abs. 1 Satz 2, Art. 108 Satz 1, Art. 121 Abs. 2 EPÜ).
179Das Erfordernis der Schriftform nach Art. 72 EPÜ geht Formerfordernissen des nationalen Rechtsvor, da Art. 72 EPÜ die Frage der Form der Übertragung der europäischen Patentanmeldung abschließend regelt. Die schriftliche Vereinbarung im Sinne des Art. 72 EPÜ muss das Schutzrecht bezeichnen, den Willen zu dessen Übertragung wiedergeben und jedenfalls auch insoweit die Unterschrift der beiden Vertragsparteien tragen (BGH, GRUR Int. 1993, 548 ff. – Magazinbildwerfer). Für die Einhaltung der Schriftform des Art. 72 EPÜ ist es nicht unbedingt erforderlich, dass die Unterschrift auf jeder Seite eines mehrseitigen Dokuments steht. Erforderlich ist nur, dass der auf mehreren Seiten stehende Text den Willen der unterzeichnenden Personen darstellt und entsprechend von der Unterschrift gedeckt ist (Fitzner/Lutz/Bodewig/Heinrich, Patentrechtskommentar, 4. Auflage 2012, Art. 72 EPÜ Rn 6). Dies kann nicht nur durch eine Unterschrift/Paraphierung auf jeder Seite des Vertrages oder eine Heftung oder ähnlich feste Verbindung der einzelnen Vertragsseiten deutlich gemacht werden, sondern auch mittels einer Beweiserhebung – etwa durch die Vernehmung von Zeugen – geklärt werden.
180bb)
181Ob ein bestimmter über das Klagepatent abgeschlossener Vertrag dessen materielle Übertragung zum Gegenstand hat, ist im Streitfall durch Auslegung zu ermitteln. Die Auslegung ist nach denjenigen gesetzlichen Regeln vorzunehmen, die das Vertragsstatut vorgibt. Haben für die Parteien des Übertragungsvertrages Bevollmächtigte gehandelt, entscheidet das Vertragsstatut auch darüber, ob die Voraussetzungen einer wirksamen Stellvertretung gegeben sind. Wird nach erfolgter, ggf. ausländischem Vertragsrecht folgender Auslegung und Beurteilung der Vertretungsverhältnisse eine den Geschäftsherrn bindende Übertragungsabsprache bejaht, entscheidet deutsches Recht darüber, ob die verabredete Patentübertragung den Anforderungen an ein solches Verfügungsgeschäft genügt (vgl.: Kühnen, GRUR 2014, 137, 142 f.).
182b) Übertragungsvertrag Streithelferin – CC
183Die Klägerin hat schlüssig dargetan und bewiesen, dass die Streithelferin die dem Klagepatent vorausgehende Patentanmeldung als Teil eines Portfolios mit Vertrag vom 11.02.2013 an die D (E-Sub) übertragen hat.
184aa)
185Die Klägerin hat die Übertragungsvereinbarung zwischen der Streithelferin und der D vom 11.02.2013 mit Schriftsatz vom 17.11.2015 im Original vorgelegt. Dass dieses Original nicht vollständig mit dem zuvor von der Klägerin als Kopie eingereichten Exemplar des ÜV I übereinstimmt, heißt nicht, dass die darin enthaltene Vereinbarung zwischen den Parteien nicht wirksam zustande gekommen ist. Die Zeugen J , K und X haben übereinstimmend ausgesagt, dass sowohl das Original als auch die Kopie ihre Unterschriften aufweisen und die Unterschiede auf den Unterschriftsseiten daher rühren können, dass sie den Vertrag mehrfach unterzeichnet haben. Die Zeugen haben zudem gegenseitig ihre Unterschriften verifiziert.
186Die Unterzeichnung des Vertrages kam nach übereinstimmender Aussage der drei Zeugen in Schweden zu Stande und zwar im Rahmen eines Leadership-Meetings, das am 7. Februar 2013 am Hauptsitz von Y in der Nähe von Stockholm stattfand. Aus Anlass dieses Leadership-Meetings befand sich auch der Zeuge X zu diesem Zeitpunkt in Schweden. Die Zeugen stimmten darin überein, dass die Unterschriften von dem In-House Anwalt der Streithelferin, Herrn DD , gesammelt wurden, da es sich bei dem ÜV I um einen internen Vorgang innerhalb der Y UnternehmensgrZ pe gehandelt habe.
187Zugleich wiesen alle drei Zeugen darauf hin, dass der ÜV I nur ein Teil einer größeren Transaktion gewesen sei und die spätere Übertragung der Patente an die H Unternehmensgruppe vorbereitet habe. Die Zeugin K schilderte detailliert, wie üblicherweise die Unterzeichnung von Verträgen bei transkontinentalen Vereinbarungen ablaufe. Die Dokumente würden per e-mail ausgetauscht, wobei im Regelfall der Vertragstext und die Unterschriftsseite als separate pdf-Dokumente verschickt würden. Die Unterschriftsseite werde ausgedruckt, unterzeichnet, eingescannt und zurückgesandt. Die beauftragte Anwaltskanzlei sammele die Unterschriftsseiten, füge diese mit dem Vertragstext zusammen und stelle sicher, dass die korrekten Anlagen beiliegen. Mittlerweile werde häufig vereinbart, dass die pdf-Dokumente als Originale gelten sollen, weshalb auf die Originale nicht mehr so viel Wert gelegt werde. Die Üblichkeit dieses Vorgehens wurde von den Zeugen J und M dem Grunde nach bestätigt. Der Zeuge BB ergänzte dies im Rahmen seiner Vernehmung dahingehend, dass die beteiligten Kanzleien die Unterschriftsseiten austauschen und deren Erhalt bestätigen würden.
188Die Zeugen J , K und X haben weiter übereinstimmend ausgesagt, dass vorliegend die Gesamttransaktion von der amerikanischen Rechtsanwaltskanzlei EE begleitet worden sei, die die Verträge ausgearbeitet, bei sich gesammelt und sichergestellt habe, dass alles ordnungsgemäß unterzeichnet gewesen sei. Für den ÜV I habe, da sämtliche der unterzeichnenden Personen in Schweden gewesen seien, Herr FF die Unterschriften gesammelt. Der Umstand, dass die Verträge durch die amerikanische Kanzlei EE vorbereitet wurden, erklärt, warum der ÜV I verschiedene Papierformate aufweist. Denn europäische und amerikanische Formate unterscheiden sich geringfügig und es erscheint vor dem Hintergrund der Zeugenaussagen durchaus möglich, dass einzelne Seiten in den USA und andere in Schweden ausgedruckt wurden.
189Soweit es im Rahmen der Unterzeichnung des ÜV I eine Änderung im Vertragsinhalt gegeben hat, an die sich die Zeugen im einzelnen nicht mehr erinnern konnten, stimmten sie sämtlich darin überein, dass es sich allenfalls um ein Detail gehandelt habe, um dass sich die Rechts- bzw. Patentabteilung gekümmert habe. Die drei vorgenannten Zeugen waren sich bei der Unterzeichnung des Vertrages darüber im Klaren, dass mit dem ihnen zur Unterschrift vorgelegten Vertrag eine Reihe von Patenten und Patentanmeldungen der Streithelferin auf deren hundertprozentige Tochtergesellschaft, die CC , übertragen werden sollten. Dass die Zeugen hierbei nicht im Einzelnen wussten, welche Patente und Patentanmeldungen - insbesondere mit welchen Patentnummern - übertragen werden sollten, hindert die Wirksamkeit des Vertrages nicht. Insofern haben sich alle drei Zeugen in der konkreten Ausgestaltung des Vertrages auf ihre Anwälte verlassen; ihr Vertragsbindungswille bezog sich auf die grundsätzliche Übertragung von Patenten von der Streithelferin auf die CC , wobei die Details durch die hierfür bevollmächtigten Anwälte geregelt werden sollten. Dass sich die Kenntnis und damit der Wille der Zeugen nicht auf jedes Detail des Vertrages bezog, steht der Annahme eines wirksamen Vertragsschlusses nicht entgegen. Dies entspricht vielmehr der üblichen Arbeitsteilung innerhalb größerer Unternehmen. Die eingeschalteten Anwälte handelten als Vertreter der Unterzeichnenden. Dies gilt auch für den gegenseitigen Empfang der Willenserklärungen.
190bb)
191Die Kammer ist davon überzeugt, dass der ÜV I die Übertragung der dem Klagepatent vorausgehenden Patentanmeldung von der Streithelferin an die D umfasste. Die gemäß Ziffer 1 des ÜV I übertragenen Patente und Patentanmeldungen sind in Anhang A aufgelistet. Zu den dort genannten Patenten gehört u.a. das Klagepatent bzw. die diesem vorausgehende Anmeldung. Insofern ist der Vertrag hinreichend bestimmt. Es ist zwar richtig, dass die fehlende feste Verbindung der Seiten und die fehlende Paraphierung die Feststellung erschwert, mit welchem Inhalt der Vertrag geschlossen wurde, es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Klagepatent nicht Gegenstand des Vertrages sein sollte. Im Gegenteil, das Klagepatent taucht in beiden der in diesem Rechtsstreit vorgelegten Listen von Patenten auf. Soweit es hier also verschiedene Versionen von Patentlisten gegeben hat, ist dies jedenfalls im Hinblick auf das Klagepatent unschädlich. Des Weiteren kann der Umstand, dass die Rechteinhaberschaft an dem Patent im Register geändert wurde, zumindest als ein Indiz dafür gelten, dass das Klagepatent von den Übertragungen umfasst sein sollte. Schließlich zeigt auch die Stellung von Y als Streithelferin der Klägerin in diesem Rechtsstreit, dass der Wille des Vorstandes von Y dahin ging, das Klagepatent an die D und von dieser an den H Unternehmenskonzern zu übertragen. Dieser Wille des Vorstandes wurde durch die den ÜV I unterzeichnenden Personen ausgeführt. Insofern konnte die Zeugin K bestätigen, dass Patente aus dem Bereich des Mobilfunks betreffend 2G, 3G und 4G ausgewählt wurden.
192cc)
193Vor diesem Hintergrund genügt der ÜV I auch den Anforderungen an die Schriftform im Sinne des Art. 72 EPÜ. Durch die durchgeführte Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Unterschriften unter dem Vertrag sich auf den darüber stehenden Vertragstext bezogen. Die Vereinbarung gibt den Willen der Streithelferin wieder, die im Anhang aufgelisteten Patente an die D zu übertragen, die wiederum diese Abtretung angenommen hat. Zugleich ist die Kammer aufgrund der Aussagen der Zeugen J , K , X, M und BB davon überzeugt, dass der Vereinbarung eine Liste mit Patenten beigefügt war, die jedenfalls das Klagepatent bzw. die diesem vorausgehende Anmeldung umfasste. Sofern nicht sicher festgestellt werden konnte, ob diese Liste jedem der Unterzeichnenden vor oder bei der Unterzeichnung des Vertrages vorlag, ist dies im Rahmen des Art. 72 EPÜ unschädlich. Denn angesichts des Zwecks dieser Vorschrift, gegenüber dem EPA Rechtsklarheit zu schaffen, ist es ausreichend, dass die Liste jedenfalls im Rahmen des Closings dem Vertrag hinzugefügt wurde und dies von dem Willen der unterzeichnenden Personen gedeckt war. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest.
194dd)
195Soweit die Beklagten die Existenz der D bestreiten, sieht die Kammer hierfür keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.11.2015 in Kopie das L of D vom 11.12.2012 vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass die D durch ihre Gesellschafter, die GG und die HH , gegründet wurde. Dass zu diesem Dokument kein Original vorgelegt werden konnte, bedeutet nicht, dass die D in Wirklichkeit nicht existiert.
196Vielmehr haben die Zeugen J und M bestätigt, das L of D vom 11.12.2012 für die AB II unterzeichnet zu haben. Dass sie an den Vertragsinhalt im Einzelnen keine Erinnerung mehr hatten, ist unschädlich. Die Zeugin J konnte sich jedenfalls daran erinnern, dass die D eigens zur Durchführung der Patentübertragung von der Streithelferin auf die H Unternehmensgruppe gegründet wurde. Auch der Zeuge M konnte dies bestätigen, wobei er sich zu erinnern meinte, dass die D gegründet worden sei, weil die Streithelferin keine eigenständige Niederlassung in den USA haben wollte. Beide Zeugen konnten mit Sicherheit bestätigen, dass das vorgelegte Agreement of D ihre Unterschrift trägt. Der Zeuge M hatte sogar noch eine konkrete Erinnerung an die Unterzeichnung des Dokuments, da er zu dem Zeitpunkt, als seine Unterschrift angefordert wurde, krank war, und erst zwei Tage später wieder im Büro war, um das Dokument zu unterzeichnen. Seine zeitliche Angabe „vor Weihnachten 2012“ stimmt überein mit dem in dem Agreement angegebenen Datum, dem 11.12.2012. Soweit er das Dokument erst einige Tage nach dem 11.12.2012 unterzeichnet haben sollte, ist dies für die rechtswirksame Gründung der D unerheblich. Die Zeichnungsbefugnis der Zeugen J und M ergibt sich aus der Gründungsurkunde der AB II . Beide Zeugen konnten bestätigen, im Dezember 2012 für die AB II zeichnungsbefugt gewesen zu sein. Der Zeuge M hat dies dahingehend konkretisiert, dass zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam zeichnungsbefugt gewesen seien. Desweiteren konnte er bestätigen, dass die Vertretungsverhältnisse bei der AB II über längere Zeit gleich geblieben sind. Die Zeugen J und M , beides Vorstandsmitglieder der AB II , waren daher für die Unterzeichnung des L of D im Dezember 2012 gemeinsam zeichnungsbefugt.
197Für die AB Parentesen hat die Zeugin AA den Gesellschaftsvertrag unterzeichnet. Auch sie hat ihre Unterschrift – und die Unterschriften der Zeugen J und M – eindeutig erkannt. Ihre Vertretungsbefugnis für die AB Parentesen ergibt sich aus deren Registrierungszertifikat. Insofern hat die Zeugin AA bestätigt, im Dezember 2012 Vorstandsmitglied der AB Parentesen und für diese allein zeichnungsberechtigt gewesen zu sein
198Die Kammer sieht - auch wenn die Zeugen nicht mit den Details des L of D vertraut waren – vor diesem Hintergrund keinerlei Anlass, die Existenz der D ernsthaft in Zweifel zu ziehen.
199Dies gilt auch in Ansehung des Umstandes, dass die Dokumentennummern nicht auf allen Seiten des vorgelegten Agreements übereinstimmen. Dies lässt sich ohne weiteres damit erklären, dass die Verträge durch die amerikanische Kanzlei EE vorbereitet wurden und einen Abstimmungsprozess zwischen den beteiligten Unternehmen durchlaufen haben. Die Unterschriftenseite weist einen eindeutigen Bezug zu dem übrigen Teil des Agreements auf, da sie einen Verweis auf das JJ enthält und die Gesellschaften aufführt, die auch auf der ersten Seite des Vertrages genannt werden.
200ee)
201Die Zeuginnen J und K verfügten bei der Unterzeichnung des ÜV I für die Streithelferin über die hierzu erforderliche Vertretungsmacht. Bei der Streithelferin handelt es sich um eine Aktiengesellschaft, die nach schwedischem Recht gegründet wurde. Die Vertretungsbefugnis der Zeuginnen J und K ergibt sich aus der Registrierungsurkunde der Streithelferin. Darin sind die Zeuginnen J und K als besonders autorisierte Personen („specially authorized signatories“) aufgeführt. Unter dem Punkt „signatory power“ ist die Vertretungsmacht für die Streithelferin dergestalt geregelt, dass Frau J die Streithelferin gemeinsam mit Frau K vertreten kann. Dies haben die Zeuginnen so auch im Rahmen ihrer Vernehmung bestätigt. Die Zeugin J hat ergänzend ausgeführt, bereits seit etwa zehn Jahren für die Streithelferin zeichnungsbefugt zu sein.
202Ausweislich der Stellungnahme der schwedischen Rechtsanwälte KK und LL aus der Kanzlei MM vom 28.07.2015 ist eine solche Regelung nach schwedischem Recht möglich (s. S. 14-16 des Gutachtens). Hiernach wird eine schwedische Gesellschaft nach dem Aktiengesetz grundsätzlich durch ihren Vorstand vertreten. Es ist allerdings möglich, die Vertretungsmacht auf einzelne „Sonderunterzeichner der Gesellschaft“ zu übertragen. Die Befugnisse eines solchen Sonderunterzeichners entsprechen denjenigen des Vorstands. Diese Grundsätze belegen die Rechtsanwälte N durch den Verweis auf die entsprechenden Vorschriften des schwedischen Aktiengesetzes. Konkrete Einwände gegen die Ausführungen der beiden Anwälte tragen die Beklagten nicht vor und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Kammer hat keinerlei Zweifel daran, dass die Zeuginnen J und K nach schwedischem Recht über die erforderliche Vertretungsbefugnis verfügten, um den ÜV I zu unterzeichnen.
203ff)
204Die D wurde beim Abschluss des ÜV I wirksam durch die AB II , diese wiederum durch Herrn X, vertreten.
205Bei der D handelt es sich um eine nach dem Recht des US-Staates Delaware gegründete Gesellschaft. Auf eine solche Gesellschaft findet der NN (DLLCA) Anwendung. Gemäß § 18-402 DLLCA sind bei einer LLC nach dem Recht des Staates Delaware grundsätzlich alle Gesellschafter geschäftsführungs- und vertretungsbefugt. Die Geschäftsführung kann jedoch durch ein sog. Operating Agreement auf einen oder mehrere Geschäftsführer übertragen werden. In einem solchen Fall bezeichnet man die Gesellschaft auch als eine „OO “. Dies wird beschrieben in dem Handbuch „Drafting Delaware Limited Liability Company Agreements: Forms and Practise Manual“ des US-Rechtsanwaltes PP , 3. Auflage 2014. Aus § 18-101 (10) und § 18-101 (12) DLLCA ergibt sich zudem, dass Geschäftsführer nicht nur eine natürliche, sondern auch eine juristische Person sein kann. Bestätigt wird dies durch die Stellungnahme des Herrn Professor QQ (s. das Gutachten vom 23.07.2015, S. 2, vorletzter Absatz).
206Gemäß Ziffer 5 des „L of CC “ handelt es sich bei der D um eine OO , deren Geschäftsführer die AB II ist. In dieser Zifffer findet sich weiter die Regelung, dass der Geschäftsführer berechtigt ist, alle Handlungen vorzunehmen, die für Vertragsschlüsse und deren Durchführung notwendig sind. Außerdem sollte die AB II berechtigt sein, jegliche Verantwortung oder Berechtigung an einen leitenden Mitarbeiter, Angestellten oder Beauftragten zu delegieren. Hierin liegt die Gestattung zur Erteilung von Untervollmachten. Dies ist nach schwedischem Recht möglich. Ausweislich der Stellungnahme der Rechtsanwälte N (Gutachten vom 28.07.2015, S. 14) können Aktiengesellschaften nach schwedischem Recht neben dem Vorstand und dem Geschäftsführer durch „Sonderunterzeichner der Gesellschaft“ oder besonders bevollmächtigte Personen vertreten werden.
207Von dieser Möglichkeit hat die AB II durch Erteilung der Vollmacht vom 11.02.2013 Gebrauch gemacht. Die Vollmachtsurkunde hat die Klägerin im Original zur Akte gereicht. Die zuvor eingereichte Kopie stimmt mit dem Original überein. Unterschrieben ist die Vollmacht von den Zeugen J und M . Diese gehören ausweislich der Registrierungsurkunde der AB II dem Vorstand der Gesellschaft an und verfügen gemeinsam über die erforderliche Vertretungsmacht für die AB II (s.o.). In ihrer Vernehmung haben sie bestätigt, die entsprechende Vollmacht für Herrn X und Herrn RR ausgestellt zu haben. Dabei hatte der Zeuge M aufgrund eines Scherzes zwischen ihm und Herrn FF sogar noch eine konkrete Erinnerung an die Unterzeichnung des Dokumentes. Er wusste außerdem noch, dass Herr RR und Herr X aus bestimmten Gründen bevollmächtigt wurden. Insbesondere an Herrn RR konnte er sich als besonders zuverlässigen Mitarbeiter erinnern.
208Die Vollmacht gewährt den Herren SS X und SS RR jeweils Einzelvertretungsmacht für sämtliche Vereinbarungen und Erklärungen, die die D in Bezug auf die Durchführung des Master Sales Agreement zu schließen bzw. abzugeben hat. Entsprechend hatte Herr X die erforderliche Vertretungsmacht, um die D bei der Übertragung des Klagepatents wirksam vertreten zu können.
209Sofern Herr X den ÜV I bereits vor dem „effektive date“ am 11.02.2013 unterzeichnet hat, wofür seine Aussage spricht, den Vertrag am 07.02.2013 im Rahmen des Leadership-Meetings in Schweden unterschrieben zu haben, deutet die Aussage der Zeugin J darauf hin, dass auch die Vollmacht einige Tage vor dem 11.02.2013 unterzeichnet und dann vorgehalten wurde. Denn die Zeugin J hat ausgesagt, dass alle Dokumente zur selben Zeit vorbereitet worden seien. Selbst wenn aber die Vollmacht tatsächlich erst nach dem 11.02.2013 unterzeichnet worden wäre, wäre dies unschädlich, da jedenfalls zum „effective date“ und damit zum Inkrafttreten des ÜV I die erforderliche Vollmacht vorlag. Dies ist ausreichend, um eine wirksame Stellvertretung anzunehmen.
210gg)
211Die Kammer sieht keine Veranlassung, die Glaubwürdigkeit der Zeugen J , K , X und M anzuzweifeln. Ihre Aussagen erscheinen der Kammer glaubhaft, da sie frei von Widersprüchen sind und die Zeugen sich erkennbar bemüht haben, kenntlich zu machen, an welchen Punkten sie über eine konkrete Erinnerung verfügen und hinsichtlich welcher Umstände sie sich unsicher sind. Der Vergleich der Aussagen der Zeuginnen J und K ließ dabei erkennen, dass die Detailkenntnis bei der Zeugin K , die als Leiterin der Rechtsabteilung mit den Vorgängen im Einzelnen näher befasst war als die Zeugin J , ausgeprägter war, was der Lebenswirklichkeit entsprechen dürfte und darauf hindeutet, dass die Zeugen sich im Vorfeld der Beweisaufnahme nicht detailliert abgesprochen haben. Die Zeugin J hat im Rahmen ihrer Vernehmung wiederholt darauf hingewiesen, mit den Details der Transaktion nicht vertraut gewesen zu sein, hatte aber durchaus Kenntnis von der Gesamtkonzeption der Transaktion. Der Zeuge M hat der Kammer den Eindruck vermittelt, sehr genau zu arbeiten und seine Unterschrift keinesfalls unbedacht zu leisten. Entsprechend hatte er teilweise eine sehr genaue Erinnerung an die Umstände der Unterzeichnung. Dies gilt auch für den Zeugen X, der sich noch daran erinnern konnte, seine Unterschriften in einer Pause eines am 7.2.2013 im Hauptquartier von Y abgehaltenen Leadership-Meetings geleistet zu haben. Insofern stimmt seine Aussage mit der der Zeugin K überein.
212Soweit die Zeugen im Vorfeld ihrer Vernehmung mit den Anwälten der Streithelferin Kontakt hatten, hielt sich dieser Kontakt nach der Überzeugung der Kammer im üblichen Rahmen einer Information ausländischer Zeugen über den Ablauf, den Inhalt und den Grund ihrer Vernehmung. Eine Beeinflussung der Zeugen vermochte die Kammer nicht zu erkennen.
213c) Übertragungsvertrag D - H LLC
214Die Klägerin hat schlüssig dargelegt und bewiesen, dass die D die dem Klagepatent vorausgehende Patentanmeldung mit Vertrag vom 13.02.2013 an die R abgetreten hat.
215aa)
216Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.11.2015 das Original des ÜV II vorgelegt. Dass dieses Original nicht vollständig mit dem zuvor von der Klägerin als Kopie eingereichten Exemplar des ÜV II übereinstimmt, ist insofern unschädlich, als die Unterzeichner des Vertrages im Rahmen ihrer Vernehmung bestätigt haben, eine Vereinbarung mit dem wiedergegebenen Inhalt abgeschlossen zu haben. Beide Zeugen haben ihre Unterschrift verifiziert.
217Soweit sich die Unterschrift des Herrn X auf dem als Original zur Akte gereichten ÜV II von der Unterschrift auf der Kopie unterscheidet, kann dies seine Ursache darin haben, dass die Verträge ggf. zweifach unterzeichnet wurden. Dies ist nach den Aussagen der Zeugen durchaus nicht unüblich. Auch der Zeuge O hielt dies für denkbar und hat bestätigt, üblicherweise bei derartigen Verträgen zwei Exemplare zu unterzeichnen. Der Zeuge X hatte hieran zwar keine konkrete Erinnerung mehr, wusste aber noch, „viele“ Unterschriften geleistet zu haben. Soweit der Vertrag unterschiedliche Papierformate aufweist, lässt sich dies damit erklären, dass ggf. einzelne Seiten in den USA auf dem dort gängigen Papierformat und einzelne Seiten in Schweden auf dem dort üblichen Papierformat ausgedruckt wurden.
218Der Zeuge O hat im Rahmen seiner Vernehmung ausgeführt, dass die Verträge von der amerikanischen Kanzlei TT ausgehandelt worden seien. Diese Kanzlei sei im Rahmen der Transaktion vorbereitend rechtsberatend tätig geworden und habe dann ganz konkret die Transaktion begleitet, indem sie die Verträge ausgearbeitet und die Unterzeichnung koordiniert habe. Er selbst habe die Verträge zur Unterschrift von TT vorgelegt bekommen. Dabei habe ein enger Austausch mit dem Zeugen BB stattgefunden, der die Transaktion als In-House Anwalt begleitet habe und insofern über Detailkenntnisse verfügte. Dies wurde von dem Zeugen BB so bestätigt. Der Zeuge O erklärte weiter, er sei nicht für die rechtlichen Details zuständig gewesen. Er habe vielmehr das Unternehmensziel festgelegt, das dann von den Anwälten konkret umgesetzt worden sei. Die Gegenseite, d.h. Y , sei bei der Transaktion von der Kanzlei EE vertreten worden. Über diese beiden Kanzleien seien die Verträge ausgetauscht worden.
219Dies hat der Zeuge X im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt. Auch er hat ausgesagt, über die wesentlichen Grundzüge der Transaktion informiert gewesen zu sein, die Details aber seinen Anwälten überlassen zu haben. Dies sei zum einen Herr DD als In-House Anwalt, zum anderen die Kanzlei EE als externer Berater gewesen.
220Beide Zeugen konnten sich zwar an die Details des ÜV II nicht erinnern, wussten aber, dass es um eine strukturierte Übertragung von Y -Patenten aus dem Bereich Mobilfunk auf die R ging. Dass sie hierbei keine Kenntnis von den konkreten Patenten, insbesondere den einzelnen Patentnummern, hatten, hindert die Wirksamkeit des Vertrages nicht. Denn die Details haben beide Zeugen ihren Anwälten überlassen, die als ihre Vertreter gehandelt haben und in dieser Eigenschaft auch die Willenserklärung der Gegenseite entgegennehmen konnten.
221bb)
222Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass der ÜV II die Übertragung der dem Klagepatent vorausgehenden Patentanmeldung von der D auf die R umfasste. Die gemäß Ziffer 1 des ÜV II übertragenen Patente und Patentanmeldungen sind in Anhang A aufgelistet. Zu den dort genannten Patenten gehört u.a. das Klagepatent bzw. die diesem zugrunde liegende Patentanmeldung. Insofern ist der Vertrag hinreichend bestimmt. Es ist zwar richtig, dass die fehlende feste Verbindung der Seiten und die fehlende Paraphierung die Feststellung erschwert, mit welchem Inhalt der Vertrag geschlossen wurde, es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die dem Klagepatent vorausgehende Patentanmeldung nicht Gegenstand des Vertrages sein sollte. Im Gegenteil, die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung ist in beiden der in diesem Rechtsstreit vorgelegten Listen von Patenten und Patentanmeldungen enthalten. Soweit es hier also verschiedene Versionen von Patentlisten gegeben hat, ist dies jedenfalls im Hinblick auf das Klagepatent und die diesem vorausgehende Anmeldung unschädlich. Des Weiteren kann der Umstand, dass die R als Inhaberin im Patentregister eingetragen wurde, zumindest als ein Indiz dafür gelten, dass die dem Klagepatent zugrunde liegende Patentanmeldung von den Übertragungen umfasst sein sollte.
223cc)
224Vor diesem Hintergrund genügt der ÜV II den Anforderungen an die Schriftform im Sinne des Art. 72 EPÜ. Durch die durchgeführte Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Unterschriften unter dem Vertrag sich auf den darüber stehenden Vertragstext bezogen. Die Vereinbarung gibt den Willen der D wieder, die im Anhang aufgelisteten Patente an die R zu übertragen, die wiederum diese Abtretung angenommen hat. Zugleich ist die Kammer davon überzeugt, dass der Vereinbarung eine Liste mit Patenten beigefügt war, die jedenfalls das Klagepatent bzw. die diesem vorausgehende Anmeldung umfasste. Sofern nicht sicher festgestellt werden konnte, ob diese Liste den Unterzeichnenden vor oder bei der Unterzeichnung des Vertrages vorlag, ist dies im Rahmen des Art. 72 EPÜ unschädlich. Denn angesichts des Zwecks dieser Vorschrift, gegenüber dem EPA Rechtsklarheit zu schaffen, ist es ausreichend, dass die Liste jedenfalls im Rahmen des Closings dem Vertrag hinzugefügt wurde und dies von dem Willen der unterzeichnenden Personen gedeckt war. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest.
225dd)
226Hinsichtlich der wirksamen Vertretung der D durch Herrn X wird auf die Ausführungen zum ÜV I verwiesen, die im Rahmen des ÜV II entsprechend gelten.
227ee)
228Die R ist im Rahmen des ÜV II wirksam von dem Zeugen O vertreten worden. Der Zeuge O hat ausgesagt, im Februar 2013 President und Chief Executive Officer der R und Chief Executive Officer der Z Inc. gewesen zu sein. Diese Aussage haben die Zeugen T und BB im Rahmen ihrer Vernehmung gestützt.
229Die Position des Zeugen O als CEO der Z Inc. wird außerdem durch die von der Klägerin vorgelegten Proxy Statements der E vom 27.09.2012 und 01.10.2013 und eine Pressemitteilung der E vom 19.02.2013 bestätigt. Das Protokoll des Board Meetings der Z Inc. vom 10.01.2013 enthält den Beschluss des Vorstandes der Z Inc. zur Umsetzung des MSA und der nachfolgenden Patentübertragungsverträge. In diesem Zusammenhang wurde der Zeuge O als CEO der Z Inc. autorisiert, für die Z Inc. und deren Tochtergesellschaften die „transaction documents“ zu unterzeichnen. Die Zeugen O , T und BB haben im Rahmen ihrer Vernehmung übereinstimmend ausgesagt, dass das Board Meeting der Z Inc. am 10.01.2013 stattgefunden hat und dort die vorstehend bezeichneten Entscheidungen getroffen wurden. Ausweislich Seite 1 des Protokolls waren die Zeugen O und T bei dem „Meeting of the board of directors of H Inc.“ anwesend.
230In Umsetzung der im Rahmen des Board Meetings getroffenen Vorstandsbeschlüsse wurde der Zeuge O durch das UU der R vom 13.02.2013 zum „Initial Officer“ der R ernannt (Ziffer 6.(b)) und im Anhang 1 als „President and Chief Executive Officer“ der R bezeichnet. Unterzeichnet ist dieses Agreement von dem Zeugen O sowohl für die Q als auch für die Z VV ., jeweils in seiner Funktion als CEO für beide Gesellschaften. Die Q und die P waren die Gesellschafter der R , wobei es sich in beiden Fällen um hundertprozentige Tochtergesellschaften der Z Inc. handelt. Die Z WW verfügte ausweislich des „XX “ vom 07.10.2011 über nur einen Director, nämlich Herrn YY O , der daher für die Gesellschaft allein vertretungsbefugt war. Die Geschäftsführung der R wurde der Q übertragen (vgl. Ziffern 1.(k) und 6.(a) des Amended And Restated Operating Agreement). Dies ist nach dem Recht des US-Staates Nevada möglich. Maßgeblich ist insofern der ZZ In Ziffer 86 der AAA (NRS) ist die Vertretung einer nach dem Recht des US-Staates Nevada gegründeten LLC im Einzelnen geregelt. NRS 86.291 bestimmt, dass die LLC durch ihre Gesellschafter oder ihre Manager vertreten werden kann. Die R wurde ursprünglich als BBB gegründet. Am 12.02.2013 wurden die „Articles of Organisation“ allerdings dahingehend geändert, dass die R manager managed wurde. Als Manager kann auch eine juristische Person eingesetzt werden, wie im vorliegenden Fall die Q (vgl. hierzu das Gutachten des US-Anwalts YY Rounds vom 09.11.2015, S. 2).
231Die Q hat die Gesellschaftsanteile an der R durch das Interest Assignment Agreement vom 10.01.2013 von der Z Inc. erworben. Eine solche Anteilsübertragung ist nach NRS 86.351 möglich. Manager der Q war wiederum die Z Inc. (vgl. § 7 des Company Agreement der G Manager LLC vom 09.01.2013). Unterzeichnet wurde das Interest Assignment Agreement auf beiden Seiten von dem Zeugen O , jeweils in seiner Funktion als Chief Executive Officer. Dies ist nach dem maßgeblichen Recht des US-Staates Delaware zulässig (vgl. das Gutachten des Herrn Prof. QQ vom 13.11.2015, S. 3-4). Gleiches gilt im Übrigen auch für das Recht des US-Staates Nevada (vgl. das Gutachten des US-Rechtsanwaltes YY Rounds vom 09.11.2015, S. 2-3).
232Die Echtheit sämtlicher vorgenannten Unterschriften hat der Zeuge O im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt. Die Existenz des Amended And Restated Operating Agreements der R konnte im Übrigen auch der Zeuge T bestätigen, da er dieses Dokument nach seiner Aussage im Rahmen der Verträge, die Gegenstand der gesamten Transaktion waren, gesehen hat. Er hat hierzu weiter ausgesagt, dass diese Vereinbarung für Y von besonderer Bedeutung gewesen sei, da sie die rechtliche Struktur wiedergebe, die Y als Insolvenzsicherheit dienen sollte. Der Zeuge BB hat dies ergänzend dahingehend erläutert, dass es Y gerade darauf angekommen sei, die Q als Geschäftsführer der R einzusetzen. Die Q habe 5 % der Anteile an R gehalten, die P 95 % der Anteile.
233Vor diesem Hintergrund steht die Vertretungsbefugnis des Zeugen O im Rahmen des ÜV II zur Überzeugung der Kammer fest.
234ff)
235Die Kammer sieht keine Veranlassung, an der Glaubwürdigkeit der Zeugen O , T und X zu zweifeln. Soweit Herr O noch als Chairman bei der Z Inc. tätig ist, handelt es sich lediglich um eine beratende Tätigkeit für die Erfinder, die in der Vorgängergesellschaft der Z Inc. gearbeitet und dort Erfindungen getätigt haben. Der Zeuge T steht in keinem Arbeitsverhältnis mehr zur Z . Dass er noch Anteile an dieser hält, reicht für sich genommen nicht aus, seine Glaubwürdigkeit anzuzweifeln.
236Die Aussagen der Zeugen O , T und X sind glaubhaft. Sie stimmen in ihrem grundsätzlichen Gehalt überein. Wesentliche Widersprüche konnte die Kammer nicht feststellen. Der Zeuge O hat an diversen Stellen in seiner Vernehmung zu verstehen gegeben, dass er in die Details der Transaktion nicht involviert war. Er hat aber überzeugend ein Bild von dem Gesamtkonzept der Transaktion gezeichnet, das mit der Aussage des Zeugen X übereinstimmt.
237Soweit die Zeugen O , T und X im Vorfeld ihrer Vernehmung mit den Anwälten der Klägerin Kontakt hatten, hielt sich dieser Kontakt nach der Überzeugung der Kammer im üblichen Rahmen einer Information ausländischer Zeugen über den Ablauf, den Inhalt und den Grund ihrer Vernehmung. Eine Beeinflussung der Zeugen vermochte die Kammer auch hier nicht zu erkennen.
238Soweit die Kammer in den vorstehenden Ausführungen Bezug genommen hat auf Aussagen des Zeugen BB , hat sie hierbei berücksichtigt, dass dieser offenbar in einer sehr engen Beziehung zu den anwaltlichen Vertretern der Klägerin steht und sich mit diesen schon im Vorfeld dieses Rechtsstreits detailliert über die streitgegenständlichen Vorgänge ausgetauscht bzw. ihnen Informationen und Unterlagen verschafft hat. Vor diesem Hintergrund hat die Kammer zwar keine grundsätzlichen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen, hat aber im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit seiner Aussage berücksichtigt, dass bei ihm ein gewisses Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits vorhanden sein mag bzw. gewisse Bestandteile seiner Aussage von den Interessen der Klägerin beeinflusst gewesen sein mögen. Die Kammer hat die Aussage des Zeugen BB daher lediglich insoweit herangezogen, wie sie geeignet war, die Aussagen anderer Zeugen zu bestätigen.
239d) Übertragungsvertrag A - Klägerin
240Schließlich hat die Klägerin substantiiert vorgetragen und bewiesen, dass die R das Klagepatent mit Vertrag vom 27.02.2014 an die Klägerin abgetreten hat.
241aa)
242Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.11.2015 das Original des ÜV III vorgelegt. Dass dieses Original nicht vollständig mit dem zuvor von der Klägerin eingereichten Exemplar des ÜV III übereinstimmt, beeinträchtigt zwar den Beweiswert der als Original vorgelegten Urkunde, das Zustandekommen einer Vereinbarung mit dem im ÜV III festgehaltenen Inhalt steht aber zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest. Der Zeuge T hat, nachdem ihm im Rahmen seiner Zeugenvernehmung das von der Klägerin als Original eingereichte Exemplar des ÜV III vorgehalten worden ist, nicht nur die Echtheit seiner eigenen Unterschrift, sondern auch die des Herrn CCC U bestätigt. Hierzu hat er ausgesagt, mit der Unterschrift des Herrn U vertraut zu sein und diese zu erkennen. Dass der Zeuge T sich an Ort und Zeit seiner Unterschriftsleistung nicht mehr genau erinnern konnte, unterstreicht nur die Glaubhaftigkeit seiner Aussage, hindert aber nicht die Annahme eines wirksamen Vertragsschlusses. Der Zeuge konnte sich nämlich noch genau daran erinnern, den gesamten Vertrag gelesen zu haben, wobei ihm auch eine Liste mit Patenten vorgelegt wurde. Hierzu wusste er noch, dass er Herrn BB gefragt hat, ob er diese Liste durcharbeiten müsse. Dass er sich an die Details dieser Liste – etwa ob sie in schwarz-weiß oder Farbe gedruckt war – nicht mehr erinnern konnte, ist unschädlich. Der Zeuge hatte jedenfalls eine klare Vorstellung davon, dass mit dem zu unterzeichnenden Vertrag ein Patentportfolio von der R auf die Klägerin übertragen werden sollte. Der Zeuge wusste auch, dass aufgrund steuerlicher Gesichtspunkte gerade die europäischen und koreanischen Patente auf die Klägerin übertragen werden sollten. Dies hat auch der Zeuge BB so bestätigt. Soweit in diesem Rechtsstreit zwei Versionen des ÜV III vorgelegt wurden, hielt der Zeuge T es nicht für ausgeschlossen, den Vertrag zweimal unterzeichnet zu haben. Hierdurch lassen sich Unterschiede in den vorgelegten Unterschriftsseiten erklären. Der Zeuge T hat weiter ausgesagt, dass die Unterzeichnung des Vertrages von dem Zeugen BB koordiniert wurde, zugleich aber für die Transaktion auch die Rechtsanwaltskanzlei TT beauftragt war. Dies deckt sich mit der Aussage des Zeugen O . Insofern ist den Zeugenaussagen auch zu entnehmen, dass die hinzugezogenen Anwälte bevollmächtigt waren, die Willenserklärungen der Vertragsparteien weiterzuleiten und entgegenzunehmen. Der Zeuge BB hat zudem ausgesagt, dass beide Vertragsparteien eine elektronische Version der Unterschriftenseite der jeweils anderen Partei erhalten hätten. Insofern ist von einem wirksamen Zugang der Willenserklärungen bei der jeweils anderen Vertragspartei auszugehen.
243bb)
244Die Kammer ist außerdem davon überzeugt, dass der ÜV III die Abtretung des Klagepatents von der R an die Klägerin umfasste. Die gemäß Ziffer 1 des ÜV III übertragenen Patente sind in Anhang A aufgelistet. Zu den dort genannten Patenten gehört unter anderem das Klagepatent. Der Vertrag ist damit hinreichend bestimmt. Die fehlende feste Verbindung der einzelnen Seiten des Vertrages und die fehlende Paraphierung der Seiten erschweren zwar die Feststellung, mit welchem Inhalt der Vertrag im Einzelnen geschlossen wurde, es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Klagepatent nicht von dem ÜV III umfasst sein sollte. Im Gegenteil, das Klagepatent ist in der vorgelegten Liste von Patenten enthalten und es handelt sich um ein europäisches Patent. Eben die europäischen Patente sollten nach der Aussage des Zeugen T Gegenstand der Übertragung sein. Zudem kann der Umstand, dass die Rechteinhaberschaft an dem Klagepatent – mit Zustimmung der R – im Patentregister geändert wurde und die Klägerin nunmehr als Inhaberin des Klagepatents im Register genannt ist, als ein Indiz dafür herangezogen werden, dass der Wille der Vertragsparteien dahin ging, das Klagepatent mit dem ÜV III von der R auf die Klägerin zu übertragen.
245cc)
246Hinsichtlich des ÜV III findet Art. 72 EPÜ keine Anwendung. Denn das Klagepatent wurde am 13.11.2013 erteilt. Übertragen wurde damit im Rahmen des ÜV III nicht eine europäische Patentanmeldung, sondern ein europäisches Patent.
247Ungeachtet dessen genügt aber auch der ÜV III den Anforderungen an die Schriftform im Sinne des Art. 72 EPÜ. Durch die durchgeführte Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Unterschriften unter dem Vertrag sich auf den darüber stehenden Vertragstext bezogen. Die Vereinbarung gibt den Willen der R wieder, die im Anhang aufgelisteten Patente an die Klägerin zu übertragen, die wiederum diese Abtretung angenommen hat. Zugleich ist die Kammer aufgrund der Aussagen der Zeugen T und BB davon überzeugt, dass der Vereinbarung eine Liste mit Patenten beigefügt war, die jedenfalls das Klagepatent umfasste. Sofern nicht sicher festgestellt werden konnte, ob diese Liste den Unterzeichnenden vor oder bei der Unterzeichnung des Vertrages vorlag, ist dies im Rahmen des Art. 72 EPÜ unschädlich. Denn angesichts des Zwecks dieser Vorschrift, gegenüber dem EPA Rechtsklarheit zu schaffen, ist es ausreichend, dass die Liste jedenfalls im Rahmen des Closings dem Vertrag hinzugefügt wurde und dies von dem Willen der unterzeichnenden Personen gedeckt war. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest.
248dd)
249Die R wurde bei der Unterzeichnung des ÜV III wirksam von dem Zeugen T vertreten. Der Zeuge hat im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt, zum damaligen Zeitpunkt Chief Financial Officer der Z Inc. und der R gewesen zu sein. Dies wird bestätigt durch das von der Klägerin vorgelegte Protokoll eines Board Meetings der Z Inc. vom 10.01.2013, in dem der Zeuge T als CFO der Z Inc. benannt ist. Darüber hinaus hat auch der Zeuge O angegeben, dass der Zeuge T in den Jahren 2013 und 2014 CFO der Z Inc. und der R gewesen sei. Entsprechend findet sich in dem UU der R vom 13.02.2013 im Anhang 1 der Name des Zeugen T . Gemäß Ziffer 6.(b) des Agreements in Verbindung mit dem Anhang 1 wurde er zum „Initial Officer“ der R ernannt, wobei ihm ausweislich des Anhangs 1 die Funktion des CFO zukam. Gemäß Ziffer 6. (b) des Agreements verfügte der Zeuge T damit über die entsprechende Befugnis, die R im Rahmen des ÜV III zu vertreten.
250ee)
251Die Klägerin wurde beim Abschluss des ÜV III wirksam durch Herrn CCC U vertreten. Die Klägerin ist im irischen Handelsregister als Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach irischem Recht eingetragen. Der Vorstand der Klägerin bestand im Jahr 2014 aus den beiden Vorstandsmitgliedern Herrn T und Herrn CCC U . Dass Herr U bereits am 27.02.2014 – dem Tag des Inkrafttretens des ÜV III „Managing Director“ der Klägerin und damit für diese vertretungsberechtigt war, ergibt sich aus dem Protokoll des Board Meetings der Klägerin vom 27.02.2014. Ausweislich dieses Protokolls wurde Herrn CCC U die Vollmacht erteilt, alle notwendigen Dokumente zur Umsetzung der Patentübertragungen im Rahmen des MSA zu unterzeichnen. Die Zeugen T und BB haben bestätigt, dass ein entsprechendes Board Meeting der Klägerin stattgefunden hat und dort die vorgenannte Entscheidung getroffen wurde. Dass es zwei unterschiedliche Versionen des Protokolls gibt, erklärte der Zeuge T nachvollziehbar damit, dass das Protokoll von seiner Assistentin während der Telefonkonferenz angefertigt worden sei. Die hinzugezogenen irischen Anwälte hätten dann darum gebeten, das Protokoll mehr aus der Sicht der in Irland ansässigen Klägerin zu fertigen. Dies sei so umgesetzt worden und er habe das Protokoll dann nochmals unterzeichnet. Diese Aussage passt zu den in den beiden Protokollversionen angegebenen Daten und der Änderung der im Kopf angegebenen Anschrift in Reno in die Anschrift der Klägerin in Irland. Vor diesem Hintergrund ist die Kammer davon überzeugt, dass das Board Meeting der Klägerin tatsächlich am 27.02.2014 stattgefunden hat und darin Herr CCC U die erforderliche Vertretungsmacht erhielt, den ÜV III zu unterzeichnen.
252ff)
253Die Aussage des Zeugen T ist glaubhaft. Sie weist keine erkennbaren Widersprüche auf und der Zeuge hat sich darum bemüht, deutlich zu machen, an welche Details er keine konkrete Erinnerung mehr hat. Auf der anderen Seite hatte er ein sehr genaues Bild von den Gesamtumständen der Transaktion, das mit den Aussagen der anderen Zeugen übereinstimmt. Soweit die Kammer im Rahmen der Beweiswürdigung Aussagen des Zeugen BB herangezogen hat, gilt das zum ÜV II Gesagte entsprechend.
2544.
255Die von der Klägerin im Wege der Abtretung geltend gemachten Ansprüche auf Rechnungslegung und Schadensersatz für die Zeit vor dem 27.02.2014 unterliegen nicht der Indizwirkung des Patentregisters. Denn über etwaige Abtretungen solcher Ansprüche sagt das Patentregister grundsätzlich nichts aus. Eine Indizwirkung könnte allenfalls insofern bestehen, als dass derjenige, der berechtigt das Patent übertragen durfte, auch berechtigt war, die in der Vergangenheit liegenden Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüche abzutreten. Ob eine solche Indizwirkung angenommen werden kann, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, da nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer feststeht, dass das Klagepatent wie von der Klägerin vorgetragen am 27.04.2014 von der R auf die Klägerin übertragen wurde und dabei die in der Vergangenheit entstandenen Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüche der R mit abgetreten wurden. Hinsichtlich der Wirksamkeit des Übertragungsvertrages wird auf die Ausführungen unter Ziffer 3. verwiesen.
256Der ÜV III umfasste neben der Abtretung des Patents auch die Abtretung von in der Vergangenheit entstandenen Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüchen der R . So heißt es in Ziffer 1 des ÜV III, dass die Übertragung das Recht umfasst, hinsichtlich vergangener, gegenwärtiger oder zukünftiger Verletzungen der Patente Schadensersatz oder andere Formen der Entschädigung einzuklagen und zu erhalten. Die Klägerin soll in allen Angelegenheiten, die die übertragenen Patente betreffen, vollständig und uneingeschränkt an die Stelle der R treten. Dies ist dahingehend auszulegen, dass der ÜV III neben der Abtretung des Klagepatents selbst auch eine Abtretung der in diesem Rechtsstreit streitgegenständlichen Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche der R an die Klägerin enthält.
257Die Anwendung des Rechts des Staates Nevada führt zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Die Abtretung europäischer Patente und der aus ihrer Verletzung resultierenden Schadensersatzansprüche ist ausweislich der Stellungnahme der Kanzlei V (Gutachten vom 28.07.2015, S. 6) nach dem Recht des Staates Nevada möglich. Ist dies der Fall, müssen auch die korrespondierenden Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche abtretbar sein, da andernfalls der Schadensersatz nicht beziffert werden könnte.
258Die Beklagten haben gegen das dargelegte Verständnis des ausländischen Rechts keine substantiierten Einwände erhoben.
2595.
260Soweit nach dem Vorstehenden festgestellt werden kann, dass die von der Klägerin vorgetragenen Abtretungen des Klagepatents und der dieses betreffenden Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche rechtswirksam erfolgt sind, stehen dem kartellrechtliche Gesichtspunkte nicht entgegen.
261Das MSA bzw. die nachfolgenden Patentübertragungen verstoßen weder gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften (§§ 35-43 GWB) noch kann eine Unwirksamkeit der Patentübertragungen infolge eines kartellrechtlich verbotenen Eingriffs in den Wettbewerb im Sinne der Art. 101, 102 AEUV angenommen werden.
262Das europäische Kartellrecht findet in den Mitgliedstaaten unmittelbar Anwendung und ist Bestandteil der in den Mitgliedstaaten – und damit auch in Deutschland – geltenden Rechtsordnungen. Das nationale Recht und das Gemeinschaftsrecht finden nebeneinander Anwendung, wobei in Kollisionsfällen dem Gemeinschaftsrecht der Anwendungsvorrang zukommt (Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, Einführung Rn 102 ff.).
263a) Verstoß gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften, §§ 35-43 GWB
264Zusammenschlüsse, die entgegen einer nach § 39 GWB bestehenden Verpflichtung nicht beim Bundeskartellamt angemeldet werden, sind gemäß § 41 Abs. 1 S. 2 GWB (schwebend) unwirksam. Dies setzt voraus, dass die Transaktion erstens einen Zusammenschluss nach § 37 GWB beinhaltet, zweitens die beteiligten Unternehmen die Umsatzschwellen des § 35 GWB überschreiten und drittens der Zusammenschluss Inlandswirkung hat, § 130 Abs. 2 GWB. Dass diese Voraussetzungen vorliegen, kann nicht festgestellt werden.
265Es kann dahinstehen, ob die Übertragung des Patentportfolios der Streithelferin an den Z Unternehmenskonzern nach Maßgabe des MSA einen Vermögenserwerb im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB darstellt oder ob die insbesondere in Artikel 6 des MSA enthaltenen Regelungen einen Kontrollerwerb im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB begründen. Denn ungeachtet dessen haben die Beklagten jedenfalls nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass die in § 35 GWB genannten Umsatzschwellen überschritten werden.
266§ 35 Abs. 1 GWB verlangt für das Bestehen einer fusionskontrollrechtlichen Anmeldepflicht im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss (kumulativ) die folgenden Umsatzerlöse:
267- Weltweite Umsatzerlöse aller beteiligten Unternehmen von insgesamt mehr als 500 Mio. EUR
268- Umsatzerlöse mindestens eines beteiligten Unternehmens in Deutschland von mehr als 25 Mio. EUR (erste Inlandsumsatzschwelle)
269- Umsatzerlöse mindestens eines anderen beteiligten Unternehmens in Deutschland von mehr als 5 Mio. EUR (zweite Inlandsumsatzschwelle)
270Als Beteiligte im Sinne des § 35 Abs. 1 GWB sind diejenigen Unternehmen zu identifizieren, zwischen denen der Zusammenschluss nach § 37 Abs. 1 GWB erfolgt. Dies sind diejenigen Unternehmen, zwischen denen nach dem Vollzug eine relevante Unternehmensverbindung im Sinne des § 37 Abs. 1 GWB besteht, welche vorher noch nicht bestanden hat. Konkret lässt sich diese Frage nur nach Klärung der jeweils verwirklichten Zusammenschlusstatbestände im Sinne des § 37 Abs. 1 GWB beantworten (Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 35 GWB Rn 50). Nach § 36 Abs. 2 GWB gilt hierbei eine Verbundbetrachtung. Materiell zusammenschlussbeteiligt ist immer die gesamte UnternehmensgrZ pe,welcher der unmittelbar zusammenschlussbeteiligte Rechtsträger angehört (Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 35 GWB Rn 51).
271aa)
272Zusammenschlussbeteiligt sind beim Vermögenserwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB neben dem Erwerber (hier: R ) der Veräußerer (hier die Streithelferin) bzw. das übertragene Vermögen. Der Streit, ob auf Seiten des Veräußerers der Veräußerer selbst oder das übertragene Vermögen als Beteiligter anzusehen ist, hat aufgrund der Regelung des § 38 Abs. 5 S. 1 GWB keine praktischen Auswirkungen. Im Fall des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB ist auf der Seite des Veräußerers stets nur der Umsatz zu berücksichtigen, der auf den veräußerten Vermögensteil entfällt (vgl. zum Streitstand: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 37 GWB Rn 68).
273Dass der Umsatz von R bzw. der Z UnternehmensgrZ pe im Geschäftsjahr 2012 in Deutschland über 25 Mio. EUR betrug, behaZ ten die Beklagten selbst nicht. Aber auch hinsichtlich der übertragenen Patente behaZ ten die Beklagten lediglich Umsätze von über 5 Mio. EUR im Geschäftsjahr 2012. Damit fehlt es im Rahmen des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB jedenfalls an Sachvortrag zu der Überschreitung der ersten Inlandsumsatzschwelle.
274bb)
275Beteiligt an einem Zusammenschluss im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB durch den Erwerb von (Mit-)Kontrolle sind immer alle Unternehmen, die nach Durchführung des Vorhabens durch Kontrolle im Sinne von §37 Abs. 1 Nr. 2 GWB miteinander in Verbindung stehen. Das sind das gemeinsam kontrollierte Gemeinschaftsunternehmen und alle künftig mitkontrollierenden Unternehmen (Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 37 GWB Rn 235), im vorliegenden Fall also R , Z Inc. und die Streithelferin. Die Beklagten haben nicht vorgetragen, dass R , Z Inc. oder auch die gesamte Z Unternehmensgruppe im Geschäftsjahr 2012 Umsätze in Höhe von mehr als 5 Mio. EUR erzielt hätten. Damit fehlt es im Rahmen des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB jedenfalls an der Überschreitung der zweiten Inlandsumsatzschwelle.
276cc)
277Aber auch wenn man davon ausgehen wollte, dass die beiden vorgenannten Zusammenschlusstatbestände nebeneinander erfüllt wären, und damit im Rahmen eines einheitlichen Zusammenschlusses den Kreis der beteiligten Personen auf die Streithelferin, den Z Unternehmensverbund (einschließlich R ) sowie die übertragenen Patente erweitern wollte, reicht der Vortrag der Beklagten nicht aus, um das Überschreiten der zweiten Inlandsumsatzschwelle von 5 Mio. EUR zu begründen. Soweit die Beklagten versuchen, aus einem im MSA angenommenen Wert der übertragenen Patente von mindestens 1,05 Milliarden USD auf angebliche Umsätze mit den übertragenen Patenten in Deutschland rückzurechnen, geht dies schon vom Ansatz her fehl, weil Anlass für den Abschluss des MSA nach Auskunft der Streithelferin gerade der Umstand war, dass die Streithelferin mit den übertragenen Patenten zuvor keine dem Wert der übertragenen Patente entsprechenden Lizenzeinnahmen erzielen konnte. Jedenfalls ihre Einschätzung des Werts der übertragenen Patente – die im MSA zum Ausdruck kommt – dürfte daher nicht mit den im Jahr 2012 mit diesen Patenten erzielten Lizenzeinnahmen korrespondieren. Es steht nicht einmal fest, dass die Streithelferin mit den übertragenen Patenten im Geschäftsjahr 2012 überhaZ t irgendwelche Lizenzeinnahmen in Deutschland erzielt hat. Diese sollten vielmehr nach dem Willen der Vertragsparteien des MSA gerade durch Z generiert werden. Insofern sind auch etwaige Anhaltspunkte im MSA, mit welchen Lizenzeinnahmen die Vertragsparteien ggf. in der Zukunft rechneten, nicht aussagekräftig im Hinblick auf die tatsächlich im Geschäftsjahr 2012 von der Streithelferin erzielten Umsätze mit den übertragenen Patenten in Deutschland. Soweit die Beklagten diesbezüglich auf eine Stellungnahme der Streithelferin gegenüber der United States Securities and Exchange Commission abstellt, betrifft diese das gesamte Patentportfolio der Streithelferin weltweit. Eine Aussage gerade im Hinblick auf die übertragenen Patente und die mit diesen in Deutschland erzielten Umsätze kann ihr nicht entnommen werden.
278dd)
279Soweit die Beklagten meinen, die Klägerin bzw. die Streithelferin treffe im Rahmen des § 35 GWB eine sekundäre Darlegungslast, folgt die Kammer dem nicht. Das Behaupten des Überschreitens der Umsatzschwellen durch die Beklagten erfolgt ins Blaue hinein; konkrete Anhaltspunkte hierfür bestehen nicht. Vor diesem Hintergrund ist kein Anlass ersichtlich, der Klägerin, noch weniger der Streithelferin, eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen, die letztlich der Ausforschung des Sachverhalts durch die Beklagten dienen würde.
280Dies gilt umso mehr, als die Vorschriften der Fusionskontrolle grundsätzlich nicht den Interessen Dritter dienen. §41 Abs. 1 GWB soll vielmehr ein geordnetes Fusionskontrollverfahren sicherstellen. Er gilt für alle tatbestandsmäßigen Zusammenschlüsse, die die Umsatzschwellen des §35 erfüllen, unabhängig von deren materiellrechtlicher Bewertung. Auch freizugebende Zusammenschlüsse unterliegen (zunächst) dem Vollzugsverbot. Daher kann sich kein Wettbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter darauf berufen, dass §41 GWB ihn vor den wirtschaftlichen Folgen eines Zusammenschlusses schützen soll (vgl. Immenga/Mestmäcker/Thomas, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 41 Rn 74 m.w.N.). Soweit in dem Verfahren vor dem Bundeskartellamt andere Grundsätze hinsichtlich der Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten gelten sollten – die Beklagten verweisen in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des BGH vom 14.10.2008 in der Streitsache „Faber/Basalt“ (NJW 2009, 1611) – hat dies jedenfalls für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung. Die erkennende Kammer ist nicht dazu berufen, das Fusionskontrollverfahren durchzuführen, sondern hat nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen über das Bestehen oder die Nichtigkeit eines schuldrechtlichen Vertrages bzw. einer Übertragung von Patenten zu entscheiden. Diesbezüglich trifft die Beklagten die volle Darlegungs- und Beweislast für die von ihnen behaZ tete Unwirksamkeit des MSA und der nachfolgenden Patentübertragungsverträge. Dem haben sie nicht genügt.
281b) Art. 101 AEUV (§ 1 GWB)
282Ohne Erfolg wenden die Beklagten ein, das MSA und die diese Vereinbarung vollziehenden Abtretungsvereinbarungen verstießen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV (§ 1 GWB) mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit gemäß Art. 101 Abs. 2 AEUV.
283Art. 101 Abs. 1 AEUV verlangt – ebenso wie § 1 GWB – eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist bei der Prüfung des wettbewerbswidrigen Zwecks einer Vereinbarung insbesondere auf deren Inhalt und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang, in dem sie steht, abzustellen. Ferner kann die Kommission die Absicht der Parteien in ihrer Prüfung berücksichtigen, selbst wenn dieser Aspekt für die Entscheidung, ob eine Vereinbarung einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, nicht ausschlaggebend ist. (Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, 2011/C 11/01, Rn 25)
284Wenn eine Vereinbarung keine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, ist zu prüfen, ob sie spürbare wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen hat. Dabei sind die tatsächlichen wie auch die potenziellen Auswirkungen zu berücksichtigen. Es muss also zumindest wahrscheinlich sein, dass eine Vereinbarung wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen hat. (Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, 2011/C 11/01, Rn 26)
285Eine Vereinbarung hat dann wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV, wenn sie eine tatsächliche oder wahrscheinliche spürbare negative Auswirkung auf mindestens einen Wettbewerbsparameter des Marktes (zum Beispiel Preis, Produktionsmenge, Produktqualität, Produktvielfalt, Innovation) hat. Vereinbarungen können solche Auswirkungen haben, wenn sie den Wettbewerb zwischen den Parteien der Vereinbarung oder zwischen einer der Parteien und Dritten spürbar verringern. Die Vereinbarung muss die Parteien – entweder durch in der Vereinbarung festgelegte Pflichten, die das Marktverhalten von mindestens einer Partei regeln, oder durch Einflussnahme auf das Marktverhalten mindestens einer Partei durch Veränderung ihrer Anreize – in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränken (Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, 2011/C 11/01, Rn 27).
286Das MSA (und seine Umsetzung durch die nachfolgenden Übertragungen der „Y Assigned Patents“) verfolgt weder einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck, noch kommen ihm wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen in dem vorbeschriebenen Sinne zu.
287aa)
288Dies gilt zunächst einmal im Hinblick darauf, dass die Streithelferin ihr Portfolio standardessentieller Patente aufgeteilt und einen Teil dieses Portfolios an die Klägerin veräußert hat.
289Die Streithelferin hält nach ihrem eigenen (unbestrittenen) Vortrag eines der stärksten Portfolios essentieller Patente in der Telekommunikationsindustrie, das über 37.000 Patente umfasst. Mit der Veräußerung eines Teils ihres Patentportfolios verfolgte sie den Zweck, einen faireren Ausgleich für die veräußerten Patente zu erlangen, um die vorangegangenen Kosten für Forschung und Entwicklung zu kompensieren. Diese Kosten sind immens; die Y -GrZ pe beschäftigt mehr als 25.000 Mitarbeiter im Bereich der Forschung und Entwicklung und investiert jährlich etwa 5 Milliarden USD in diesen Bereich. In der Folge werden jährlich etwa 2.000 neue Patente erteilt. Ein Großteil der von der Streithelferin gehaltenen Patente ist essentiell für die bedeutenden Standards, die von Mobilkommunikationsgeräten und deren Infrastruktur genutzt werden. Sie hat daher in der Vergangenheit bereits eine große Anzahl von Lizenzverträgen abgeschlossen. Das Patentrecht dient insbesondere der Förderung solcher Forschungs- und Entwicklungsarbeit, indem die daraus resultierenden Erfindungen unter entsprechenden rechtlichen Schutz gestellt werden. Vor diesem Hintergrund ist die erklärte Absicht der Streithelferin, für ihre Patente einen angemessenen Ausgleich zu erlangen, wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.
290Grundsätzlich ist der Patentinhaber frei, seine – auch standardessentiellen – Patente zu verwerten, ggf. also auch an Dritte zu veräußern und zu übertragen (so auch schon: OLG Karlsruhe, MMR 2011, 469, 471). Ein generelles Veräußerungsverbot für standardessentielle Patente lässt sich über kartellrechtliche Vorschriften nicht rechtfertigen. Es besteht auch grundsätzlich keine Verpflichtung des Patentinhabers, eine bestehende Lizensierungspraxis aufrecht zu erhalten. Beschränkt wird der Inhaber eines Patents, das Gegenstand eines von einer Standardisierungsorganisation vereinbarten Standards ist, in seiner Lizensierungspraxis unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten durch die von ihm abgegebene Selbstverpflichtungserklärung, Dritten Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu gewähren.
291Die Kammer vermag – entgegen dem anderslautenden Vortrag der Beklagten – im vorliegenden Fall nicht festzustellen, dass es bezweckt war, durch die Aufteilung des Patentportfolios der Streithelferin am Markt überhöhte, insbesondere über einen FRAND-Maßstab hinausgehende Lizenzgebühren durchzusetzen oder die Beklagten gegenüber anderen Marktteilnehmern zu diskriminieren.
292Die den Patentübertragungen zugrundeliegenden Verträge, das Master Sale Agreement vom 10.01.2013 („MSA“) und das Patent Sale and Grant-Back License Agreement vom 13.02.2013 („PSA“), enthalten eine Vielzahl von Regelungen, die die Überleitung der FRAND-Verpflichtung von der Streithelferin auf die R bzw. von der R auf die Klägerin sicherstellen sollen. Gemäß Ziffer 6.7 des MSA sollten die Patente der Streithelferin einschließlich der bestehenden Lizensierungsverpflichtungen, unter anderem der Verpflichtungen, die bei der ETSI eingereicht wurden, übertragen werden. In Ziffer 6.14 des MSA heißt es entsprechend, dass die R die FRAND-Verpflichtung der Streithelferin übernimmt und innerhalb einer angemessenen Frist nach Abschluss des Vertrages gegenüber der ETSI eine eigene FRAND-Erklärung abgeben wird. Gemäß Ziffer 6.1 (x) des MSA ist R die Geltendmachung von Ansprüchen aus den zu übertragenden Patenten, die über FRAND-Bedingungen hinausgehen, untersagt. In Klausel 6.1 (b) des MSA wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die bestehenden Belastungen die Möglichkeiten des Erwerbers einschränken können, die zu übertragenden Patente zu verwerten. Im PSA findet sich in Klausel 5.4 die Verpflichtung der R , bei einer Übertragung von Patenten auf Dritte sicherzustellen, dass die FRAND-Verpflichtung übernommen wird. Um sicherzustellen, dass die Klägerin in gleicher Weise verpflichtet ist wie R , ist die Klägerin dem MSA beigetreten.
293Entsprechend ihrer vertraglichen Verpflichtungen gaben sowohl die R unter dem 14.06.2013 als auch die Klägerin unter dem 6.3.2014 eigene FRAND-Erklärungen gegenüber der ETSI ab. Hiernach sind sowohl die R als auch die Klägerin (jeweils einschließlich der mit diesen verbundenen Unternehmen) unwiderruflich dazu verpflichtet, Lizenzen an ihren essentiellen Patenten zu Bedingungen einzuräumen, die mit Art. 6.1 der ETSI IPR Richtlinien in Einklang stehen, d.h. „fair, reasonable and non-discriminatory“ sind.
294Dass die FRAND-Erklärung der Klägerin dabei nicht die Verpflichtung umfasst, die bisherige, von der Streithelferin konkret umgesetzte Lizensierungspraxis weiterzuführen, ist unschädlich. Art. 101 AEUV schützt nicht etwa eine bestimmte Lizensierungspraxis, sondern den Zugang zu dem durch den Standard geregelten Produktmarkt zu FRAND-Bedingungen. Der Grundsatz der „Nicht-Diskriminierung“ verlangt dabei von dem Patentinhaber nur, die in einer vergleichbaren Position befindlichen Lizenznehmer gleich zu behandeln, nicht aber, auf die Dauer allen Lizenznehmern exakt dieselben Lizenzbedingungen anzubieten (vgl. hierzu auch schon: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff. – Standard-Spundfass). Befinden sich die Lizenznehmer in einer unterschiedlichen Ausgangsposition, etwa aufgrund einer zwischenzeitlich erfolgten Veräußerung und Übertragung der lizensierten Patente, können durchaus unterschiedliche Lizenzbedingungen zur Anwendung kommen, ohne dass dies zwingend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Lizensierung zu FRAND-Bedingungen bedeuten würde. Dies ergibt sich praktisch schon daraus, dass ggf. ein anderes Portfolio lizensiert wird. Kartellrechtlich bedenklich ist eine solche Lizensierung zu unterschiedlichen Bedingungen erst dann, wenn die Bedingungen sich nicht mehr im fairen und angemessenen Bereich bewegen und die zwischen den einzelnen Lizenznehmern vorgenommenen Unterschiede zu einer wesentlichen Störung des Wettbewerbs führen.
295Was im einzelnen FRAND ist, ist objektiv zu bewerten. Dabei ist unter anderem auch der Umstand zu berücksichtigen, dass für die Herstellung und Vermarktung eines standardkonformen Produkts ggf. Lizenzen bei mehreren Patentinhabern eingeholt werden müssen. FRAND ist dabei die einzelne Lizenzgebühr nur dann, wenn sie insgesamt – d.h. mit den ggf. zusätzlich erforderlichen Lizenzen zusammen – nicht zu einer unangemessen hohen Belastung des Lizenznehmers führt (vgl. hierzu auch Müller, GRUR 2012, 686, 689).
296Soweit die Streithelferin mit dem MSA und den diesen vollziehenden Patentübertragungen die Hoffnung verbindet, durch eine Aufgliederung ihres umfangreichen Patentportfolios in Teil-Portfolios mit unterschiedlichen Patentinhabern höhere, nach ihrem Empfinden angemessene Lizenzgebühren erzielen zu können, wird dies nur dann der Fall sein, wenn die bislang für ihre Patente gezahlten Lizenzgebühren sich unterhalb oder am unteren Rand einer FRAND-Lizenzgebühr bewegten. Die Anhebung der Gebühren auf ein Niveau, das (zumindest mittleren) FRAND-Kriterien entspricht, ist aber nicht als Wettbewerbsbeschränkung anzusehen, zumal die Parteien des MSA nicht die Möglichkeit haben, die Lizenzgebühren einseitig festzusetzen. Diese müssen vielmehr mit den potentiellen Lizenznehmern ausgehandelt werden. Soweit die Streithelferin bzw. die Klägerin sich durch die Umsetzung des MSA in diesem Zusammenhang eine bessere Verhandlungsposition versprechen, ist dies durchaus legitim. Die Kammer vermag hierin weder einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck zu erkennen, noch hält sie es für wahrscheinlich, dass die Vereinbarung spürbar negative Auswirkungen auf den Mobilfunkmarkt hat. Im Hinblick auf die Auswirkungen am Markt hat die Kammer dabei in ihre Überlegungen auch den Umstand eingestellt, dass ausweislich des „license proposal“ der Klägerin Lizenzgebühren von um die 0,75 USD pro Mobilfunkgerät im Raum stehen. In Anbetracht der handelsüblichen Preise für Mobilfunkgeräte ist dies, selbst im niedrigpreisigen Segment, lediglich ein geringer Anteil an den Gesamtkosten. Dass potentielle Lizenznehmer, die den GSM-Standard nutzen möchten, die Lizenzgebühren nunmehr mit (mindestens) zwei Inhabern standardessentieller Patente aushandeln müssen und jedenfalls einer der Patentinhaber – nämlich die Klägerin – eine reine Patentverwertungsgesellschaft darstellt, mag zwar die Lizenzverhandlungen am Markt für die Lizenznehmer etwas erschweren, zumal es jedenfalls in Bezug auf die Klägerin nicht möglich sein dürfte, Kreuzlizenzen zu vereinbaren, dies führt aber so lange nicht zu einem kartellrechtlich bedeutsamen Verhandlungsungleichgewicht, wie die insgesamt für die Nutzung des GSM-Standards geforderten Lizenzgebühren FRAND bleiben. Hierzu haben sich sowohl die Streithelferin als auch die Klägerin gegenüber der ETSI verpflichtet. Darüber hinaus steht den Beklagten weder das Recht auf einen bestimmten Patentinhaber und damit Verhandlungspartner, noch das Recht auf die Zusammenfassung für den GSM-Standard essentieller Patente in einem Portfolio oder die Beibehaltung einer bestimmten Lizensierungspraxis zu.
297bb)
298Das MSA enthält – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch keine unzulässige Preisbindung. Insbesondere verstößt Ziffer 3.4 des MSA nicht gegen Art. 101 AEUV.
299Ziffer 3.4 des MSA lautet:
300„Calculation Adjustment; Royalty Rate
301(a) If R enters into any license, release, covenant not to sue or assert or other agreement with a third party between Closing and … thereafter that gives or purports to give such third party and/or its Affiliates rights to Y Assigned Patents (or any other Patents assigned to R by E Sub or any of its Affiliates) owned or controlled by R that, at the time that R enters into such agreement, is known by R to include at least one Defined Patent to design, manufacture, have made, sell, import or otherwise use Specified Products and if and only if such license, release, covenant or agreement provides for a Royalty Rate for the sales of such Specified Products that is less than the Applicable Royalty Rate for such sales (each such license, release, covenant or agreement, a „Specified Mobile License“), the amounts to be included in Gross Revenues for any fiscal quarter from any Specified Mobile Licenses for purposes of calculating Quarterly Payment under this Agreement for such fiscal quarter shall be the amounts R would have received had the Royalty Rate in such Specified Mobile Licenses been the Applicable Royalty Rate.”
302Die vorgenannte Regelung des MSA enthält zwar die Vereinbarung einer sog. „Applicable Royalty Rate“, hierin liegt aber keine unzulässige Preisbindung. R wird durch das MSA nicht verpflichtet, die „Applicable Royalty Rate“ von ihren Lizenznehmern zu verlangen. Vielmehr ist R in ihrer Preisgestaltung im Verhältnis zu ihren Lizenznehmern frei. Ziffer 3.4 stellt lediglich eine Kaufpreisregelung im Verhältnis zur Streithelferin bzw. deren Tochtergesellschaft, der CC , dar.
303Die Parteien des MSA haben für den Verkauf der „Y Assigned Patents“ keinen festen Kaufpreis vereinbart. Vielmehr wird der Kaufpreis gemäß Ziffer 3.1 des MSA von R in vierteljährlichen Zahlungen an die D geleistet. Die Höhe der Zahlungen bemisst sich ausweislich Ziffer 3.2 des MSA anhand eines festgelegten Prozentsatzes der von R im vorhergehenden Quartal erzielten Einkünfte („Gross Revenue“). Mit anderen Worten erhält die D als Gegenwert für die Übertragung der Patente einen Anteil an den von R erzielten Lizenzeinnahmen. In diesem Zusammenhang ist auch Ziffer 6.1 (aa) des MSA zu sehen, wonach R mit ihren Lizenznehmern ohne die Zustimmung der Streithelferin keine Gebührenstruktur vereinbaren darf, die nicht an einen Prozentsatz der Gesamteinnahmen des Lizenznehmers aus Verkäufen der „Specified Products“ anknüpft. So soll sichergestellt werden, dass Y bzw. die D ihren Anteil an den Lizenzeinnahmen erhält. Die Regelungen in den Ziffern 3.3 und 8.13 des MSA dienen dazu, den Kaufpreis für den Fall abzusichern, dass R ihre vertraglichen Pflichten aus dem MSA verletzt (sog. „trigger events“) oder ein Kontrollwechsel („change of control“) stattfindet.
304Um sicherzustellen, dass die „Kaufpreiszahlung“ an die D einen bestimmten Wert erreicht, sieht Ziffer 3.4 des MSA die Festlegung einer „Applicable Royalty Rate“ vor. Wird diese beim Abschluss eines Lizenzvertrages von R unterschritten, ist der an die D abzuführende Anteil an den Lizenzeinnahmen (hypothetisch) auf der Grundlage der Applicable Royalty Rate zu berechnen. Dabei stellt der abgeschlossene Lizenzvertrag – auch bei Unterschreiten der Applicable Royalty Rate für die R nicht notwendigerweise ein Verlustgeschäft dar. Denn an die D abzuführen ist nicht die gesamte Applicable Royalty Rate, sondern nur der jeweils nach Ziffer 3.2 des MSA geschuldete Prozentsatz. Liegt dieser bei 20 %, tritt ein rechnerischer Verlust bei der R erst dann ein, wenn der tatsächlich vereinbarte Lizenzsatz weniger als 1/5 der Applicable Royalty Rate beträgt. Insofern ist die Situation vergleichbar mit der eines Zwischenhändlers, der selbstverständlich bestrebt sein wird, seine Waren über dem Einkaufspreis weiter zu verkaufen und hierbei den höchstmöglichen Gewinn zu erwirtschaften. Das Ziel der Gewinnmaximierung ist dabei dem Wirtschafsleben immanent. Die Regelungen des MSA gehen über diese Zielsetzung nicht hinaus.
305Dabei sind sowohl R als auch die Klägerin gebunden durch ihre FRAND-Erklärungen gegenüber der ETSI. Die R bzw. die Klägerin kann weder die Lizensierung standardessentieller Patente als solches verweigern, noch steht ihr die Option offen, von ihren Lizenznehmern überhöhte, nämlich über FRAND-Lizenzsätze hinausgehende Lizenzgebühren zu verlangen. Auch dies hat sie im Rahmen ihrer kaufmännischen Überlegungen zu berücksichtigen, wenn es darum geht zu entscheiden, ob ein Lizenzvertrag auf der Basis eines bestimmten Lizenzsatzes abgeschlossen werden soll. Insofern liegt das Risiko, dass der im Einzelfall als FRAND zu bewertende Lizenzsatz unter der Applicable Royalty Rate liegt, allein bei der R bzw. der Klägerin. Wenn dies nämlich der Fall sein sollte, ist R bzw. die Klägerin aufgrund des MSA (vgl. etwa Ziffer 6.14) und der von ihr abgegebenen FRAND-Erklärung dennoch verpflichtet, zu FRAND-Bedingungen zu lizensieren und die damit verbundenen Gewinneinbußen hinzunehmen. Eine Verpflichtung, zu den Bedingungen der Applicable Royalty Rate abzuschließen, besteht demgegenüber gerade nicht.
306Selbst wenn man aber – entgegen den vorstehenden Ausführungen – eine unzulässige Preisbindung annehmen wollte, hätte diese jedenfalls nicht die Unwirksamkeit des gesamten MSA, schon gar nicht der hier allein in Rede stehenden Verträge über die Übertragung des Klagepatents zur Folge. Gemäß Art. 101 Abs. 2 AEUV sind nur die nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verbotenen Vereinbarungen, nicht also ohne weiteres das komplette Vertragswerk, nichtig. Der Umfang der unmittelbar aus Art. 101 Abs. 2 AEUV folgenden Nichtigkeit ergibt sich aus dem Verbotszweck des Art. 101 Abs. 1 AEUV: Nichtig sind diejenigen Vertragsabreden, die entweder unmittelbar gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen oder von der verbotswidrigen Vereinbarung nicht zu trennen sind oder dem verbotswidrigen Vertragsinhalt dienen (Immenga/Mestmäcker/Schmidt, EU-Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2012, Art. 101 AEUV Rn 21). Über die Frage, inwiefern sich einzelne, kartellrechtswidrige Klauseln vom übrigen Vertrag trennen lassen, entscheidet nicht die zivilrechtliche Ausgewogenheit des Vertrags in seiner Gesamtheit, sondern allein der Zweck des Kartellverbots (Immenga/Mestmäcker/Schmidt, EU-Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2012, Art. 101 AEUV Rn 22). Soweit also infolge einer unzulässigen Preisfestsetzung Ziffer 3.4 (a) des MSA, ggf. zusammen mit Ziffer 6.1, nichtig sein sollte, hätte dies – jedenfalls im Hinblick auf Art. 101 Abs. 2 AEUV – auf den übrigen Vertrag keine Auswirkungen, da sich die vorgenannten Regelungen ohne weiteres von dem Vertragsinhalt im Übrigen trennen lassen.
307Inwieweit die Teilnichtigkeit ggf. doch den gesamten Vertrag erfasst, ist in einem zweiten Schritt nach nationalem Recht zu prüfen, in diesem Fall nach dem Recht des Staates Delaware (vgl. Ziffer 8.4 des MSA). Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass nach dem Recht des Staates Delaware die Nichtigkeit einer oder mehrerer Vertragsklauseln nicht automatisch zu einer Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt (vgl. hierzu auch: Capital Bakers, Inc. / Leahy, 20. Del. Ch. 407, 411-12, 178 A. 648, 650 (1935)). Die Absicht der Parteien, eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages im Zweifel zu vermeiden, kann durch eine salvatorische Klausel ausgedrückt werden. Dies ist im MSA in Ziffer 8.9 geschehen. Hiernach soll die Nichtigkeit einer Bestimmung den Rest des Vertrages nicht berühren. Die Parteien verpflichten sich vielmehr, in einem solchen Fall eine Ersatzbestimmung zu suchen, die dem Zweck der unwirksamen Regelung entspricht. Die Kammer ist davon überzeugt, dass es dem Willen der Parteien des MSA entsprach, die hier in Rede stehenden Patentübertragungen wirksam vorzunehmen. Für den Fall, dass Ziffer 3.4 tatsächlich eine unzulässige Preisbindung darstellen sollte, hätten die Vertragsparteien eine andere Regelung gefunden, um den der Streithelferin zustehenden Kaufpreis abzusichern und das Risiko der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der übertragenen Patente angemessen zwischen ihnen zu verteilen. Es sind vielfältige Kaufpreisregelungen denkbar, die der R bzw. der Klägerin den erforderlichen Handlungsspielraum in den Lizenzvertragsverhandlungen mit Dritten lassen, zugleich aber sicherstellen, dass die Streithelferin für die Veräußerung und Übertragung ihrer Patente einen angemessenen Gegenwert erhält. Insofern mag die Sicherung des Kaufpreises zwar ein wesentliches Interesse der Streithelferin gewesen sein, dies konnte aber nicht allein durch die in Ziffer 3.4 des MSA getroffene Regelung erreicht werden, sondern es ist durchaus vorstellbar, dass die Vertragsparteien eine dem Zweck der Regelung ebenfalls entsprechende Ersatzbestimmung gefunden hätten.
308c) Art. 102 AEUV, § 19 GWB i.V.m. § 134 BGB
309Die Regelungen des MSA und deren Umsetzung durch die nachfolgenden Übertragungen des Klagepatents einschließlich damit verbundener Rechte stellen keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV dar.
310Zwar vermittelt das Klagepatent der Klägerin auf dem Markt für die Vergabe von Lizenzen am Klagepatent eine marktbeherrschende Stellung, die infolge der technischen Bedeutung des Klagepatents auch auf den nachgelagerten Produktmarkt durchschlägt (s. ausführlicher unten zum Lizenzeinwand), die im MSA festgehaltene Vereinbarung zwischen der Streithelferin, ihrer Tochtergesellschaft und dem H Konzern stellt sich aber nicht als missbräuchlich dar. Insbesondere liegt weder ein Ausbeutungs- noch ein Behinderungsmissbrauch vor. Wie bereits im Rahmen des Art. 101 AEUV erläutert, ist das Ziel, die Lizenzeinnahmen aus den übertragenen Patenten zu steigern, jedenfalls so lange nicht wettbewerbsbeschränkend und damit im Rahmen des Art. 102 AEUV auch nicht missbräuchlich, wie die Klägerin sich an ihre Verpflichtung hält, Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen. Auf die Argumentation im Rahmen des Art. 101 AEUV wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Weitere Aspekte, die einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere sieht die Kammer nicht, inwiefern durch den MSA die technische Entwicklung beschränkt werden sollte, nachdem die Möglichkeit der Lizenznahme zu FRAND-Bedingungen gewährleistet ist.
311II.
312Die Beklagten sind hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform I passiv legitimiert, hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform II ist lediglich die Beklagte zu 2) passiv legitimiert.
3131.
314Unstreitig bietet die Beklagte zu 2) die angegriffene Ausführungsform II auf ihren Internetseiten an. Ein Angebot der angegriffenen Ausführungsform II seitens der Beklagten zu 1) kann die Kammer hingegen nicht feststellen. Ein solches hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, sondern lediglich pauschal behaZ tet. Nachdem die Beklagten in der mündlichen Verhandlung ein Anbieten bestritten haben, wäre es an der Klägerin gewesen, substantiiert zu konkreten Angebotshandlungen der Beklagten zu 1) in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform II vorzutragen. Dem ist sie nicht nachgekommen.
3152.
316Die Beklagte zu 1) bietet die angegriffene Ausführungsform I – deren Herstellerin sie unstreitig ist – auf ihrer Seite W an. Die Beklagte zu 2) wirkt durch ihre Förderungshandlung jedenfalls an dem Anbieten der Beklagten 1) durch die Verlinkung der Webseite W mit der Webseite W mit.
317a)
318Anbieten ist jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert darauf gerichtet ist, das Erzeugnis der Nachfrage wahrnehmbar zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitzustellen (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel). Der Begriff ist rein wirtschaftlich zu verstehen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014, Az. I-2 U 42/13; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014, Az. I-15 U 19/14). Neben dem Angebot nach § 145 BGB sind insofern auch vorbereitende Handlungen umfasst, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patents stehenden Gegenstand ermöglichen oder befördern sollen. Dies kann in dessen Ausbieten dergestalt geschehen, dass Interessenten Gebote auf Überlassung abgeben können. Ein Mittel hierzu ist auch die bloße Bewerbung eines Produkts im Internet. Bereits diese Maßnahme ist bestimmt und geeignet, Interesse an dem beworbenen Gegenstand zu wecken und diesen betreffende Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen (vgl. BGH, GRUR 2003, 1031 – KZ plung für optische Geräte; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259 – Thermocycler; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014, Az. I-15 U 19/14). Das Unterhalten einer solchen Internetseite mit der Ausstattung von Links, die im Hinblick auf die Produkte des Konzerns auf Seiten von Tochtergesellschaften verweisen, stellt eine unternehmensbezogene Information und zugleich Werbung dar. Diese muss einen Gegenstand betreffen, der von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259 – Thermocycler). Das Internetangebot muss einen wirtschaftlich relevanten Bezug zum Inland haben, wobei dieser auch dann gegeben sein kann, wenn das Angebot in einer fremden Sprache abgefasst ist, sofern diese Sprache von den in Betracht kommenden inländischen Interessenten verstanden wird (vgl. LG Düsseldorf, InstGE 10, 193 – Geogitter; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Aufl., Rn. 218). Es kommt auch nicht darauf an, ob der Anbietende mit seiner Offerte eigene Geschäftsabschlüsse forcieren will oder ob das Angebot einem Dritten zugutekommen soll, für dessen Produkt mit dem Angebot eine zu befriedigende Nachfrage geschaffen wird (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014, Az. I-2 U 42/13). In dem einen wie in dem anderen Fall ist die Rechtsposition des Schutzrechtsinhabers in gleichem Maße beeinträchtigt, weil eine Nachfrage nach schutzrechtsverletzenden Gegenständen geweckt wird, die das Ausschließlichkeitsrecht aus dem Patent schmälert. Insofern entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass zur Gewährleistung eines wirksamen Patentschutzes nur von Belang ist, ob mit der fraglichen Handlung für einen schutzrechtsverletzenden Gegenstand tatsächlich eine Nachfrage geschaffen wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird. (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014, Az. I-2 U 42/13; Urteil vom 11.06.2015, Az. I-2 U 64/14). Darüber hinaus ist auch derjenige Verletzer, wer die Verwirklichung des Benutzungstatbestandes objektiv ermöglicht und fördert, wobei er sich mit zumutbarem Aufwand die Kenntnis verschaffen kann, dass die von ihm unterstützte Handlung das absolute Recht des Patentinhabers verletzt. Das Bestehen und der Umfang einer Rechtspflicht zur Vermeidung eines schutzrechtsverletzenden Erfolges richtet sich im Einzelfall nach der Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen, es kommt entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch genommenen nach den Umständen des Einzelfalles ein Tätigwerden zumutbar ist (vgl. BGH, GRUR 2009, 1142 – MP3-Player-Import; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Aufl., Rn. 1012).
319b)
320Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform mit ihrem ursprünglichen Internetauftritt angeboten. Auf ihrer Internetseite führt die Beklagte zu 1) unter „Products“ und „eNodeB“ eine LTE-fähige Basisstation auf. Der Internetauftritt ist zwar auf Englisch verfasst. Englisch stellt aber auf dem weltweiten Markt der Netzausrüster die Handelssprache dar und wird daher von den angesprochenen – auch in Deutschland ansässigen – Interessenten verstanden. Anders als die Beklagten meinen, erscheint es nicht von vorneherein fernliegend, dass ein Netzwerkbetreiber sich nicht auch Informationen über die auf dem Markt erhältliche Hardware für den Ausbau seines Netzes aus dem Internet beschafft. Somit richtet sich die Internetseite zu 1) nicht in erster Linie nur an private Nutzer. Die Beklagte stellt die I eNodeB als eine Schlüsselkomponente, die zukunftsweisende Lösung und den nächsten Schritt in der Long Term Evolution (LTE)-Technologie dar. Ferner führt die Beklagte auf der Internetseite aus, dass sie in verschiedenster Ausführung erhältlich sind – dezentralisierte, zentralisierte und Mischform-Base Stations, für beides, Frequency Division DZ lex und Time Division DZ lex Netzwerke. Verringerte Störungsanfälligkeit gewährleiste ein signifikant nahtloseres Handover zwischen den Zellen. Die Beklagte zu 1) spricht in diesem Zusammenhang zwar nicht in der „wir“-Form, bezeichnet aber die Produkte allgemein als „I “-Produkte. Es wird daher gerade nicht zwischen den konzerninternen Gesellschaften differenziert, sondern das Produktangebot des Konzerns als solches dargestellt. Hiermit wird ein Erzeugnis wahrnehmbar der Nachfrage zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereit gestellt und nicht nur allgemein das Betätigungsfeld der Beklagten zu 1) beschrieben.
321c)
322In der Verlinkung über die Stichworte „Geschäftskunden“ und „Telekommunikationssysteme“ ist darüber hinaus ein Mitwirken durch eine Förderungshandlung der Beklagten zu 2) sehen. Sinn und Zweck der Verlinkung ist, dass Interessenten der Beklagten zu 2) auch das weltweite – und damit auch an das Inland gerichtete – Angebot der Beklagten zu 1) zur Kenntnis nehmen können. Insofern ist der Beklagten zu 2) auch eine Verletzung einer Prüfpflicht nach den Umständen des hiesigen Falles vorzuwerfen. Gerade im Bereich des Mobilfunks ist der Stand der Technik weltweit durch Patentportfolios von Wettbewerbern geschützt. Das ist der Beklagten zu 2), die seit Jahren zu den führenden Marktteilnehmern in der Branche gehören, bekannt. Sie hätte sich daher mit zumutbarem Aufwand Kenntnis über die Schutzrechtslage in Deutschland verschaffen können. Insofern handelte sie wenigstens pflichtwidrig. Schließlich handelt es sich auch nicht um eine lediglich reflexartig inländische Benutzungshandlung, die patentrechtlich unbedenklich wäre (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Rn. 1015). Die Unterstützungshandlung der Beklagten zu 1) richtet sich auf den weltweitend und damit auch den inländischen Markt und stellt ein inländisches Angebot dar.
323III.
324Das Klagepatent betrifft die Selbstkonfiguration und Optimierung von Zellennachbarn in drahtlosen Telekommunikationsnetzen.
325Die streitgegenständliche Technik gewährleistet eine automatisierte Verwaltung der Architektur eines drahtlosen Telekommunikationsnetzes. Dieses Netz besteht aus verschiedenen Kommunikationszellen, die von sog. Basisstationen bereit gestellt werden. Eine Mobilfunkverbindung wird durch die Übergabe der Verbindung (sog. Handover) von einer Kommunikationszelle zur nächsten aufrechterhalten. Anhand bestimmter Charakteristika ermittelt das Netz mit Hilfe des mobilen Endgeräts die optimale Zelle für ein Handover. Das Klagepatent stellt ein Verfahren und ein Netzwerk mit entsprechendem mobilem Endgerät zur Verfügung, bei denen die korrekte Identifizierung einer passenden Zelle automatisch erfolgen soll.
326Als Stand der Technik erläutert das Klagepatent eingangs ein drahtloses Telekommunikationsnetz, das mehrere Kommunikationszellen definiert, von denen jede von einer (Funk-)basisstation versorgt wird. Jede Kommunikationszelle deckt ein geografisches Gebiet ab, das durch die Kombination mehrerer Zellen groß sein kann. Eine Basisstation ist mit mehreren Empfängern und Sendern ausgestattet, welche die Funkversorgung einer oder mehrerer Zellen bereitstellt. Wichtige Elemente in diesem Netz sind die Zellen und ihre Nachbarn. Während eines Gesprächs bewegt sich ein mobiles Endgerät normalerweise zwischen den Zellen umher und geht wiederholt von einer Zelle zu einer Nachbarzelle. Eine Liste bekannter Nachbarn, die sog. Nachbarzellenmenge, ist für das Netz und das mobile Endgerät wichtig, um ein zuverlässiges Handover zwischen den Zellen zu gewährleisten. Das Netz speichert die die Nachbarzellenmenge betreffenden Informationen für jedes mobile Endgerät. Die Nachbarzellenmenge wird zur Evaluierung und für das Handover eines mobilen Endgeräts von einer Zelle zur anderen beim Überschreiten der Zellgrenze verwendet.
327In den vorbekannten Systemen erkennt und misst das mobile Endgerät Betriebsparameter für Nachbarzellen durch den Empfang von Signalen aus der Nachbarschaft. Die gemessenen Betriebsparameter sind normalerweise eine Bitübertragungsschicht-Kennung, wie z.B. ein Verwürfelungscode, die der Zelle, Signalstärke, Signalqualität und Zeitinformation nicht eindeutig zugeordnet ist. Das mobile Endgerät misst die Betriebsparameter jeder Nachbarzelle und meldet diese an das Netz. Wenn die Qualität einer Nachbarzelle als besser als diejenige der aktuellen Versorgungszelle eingestuft wird, führt das Netz ein Handover von der Versorgungszelle zur ausgewählten Nachbarzelle durch. Die Nachbarzelle wird dann die Versorgungszelle für das mobile Endgerät.
328Das Klagepatent erläutert weiter, dass in einem Breitband-Codevielfachzugriffssystem (WCDMA) das mobile Endgerät Übertragungen des gemeinsamen Pilotkanals (CPICH) von umgebenden Zellen erkennt, um die Kennung zu bestimmen. Bedeutsam sind diese jeweiligen Zellkennungen bei der Meldung der Signalqualitätsmessungen der Nachbarzelle vom mobilen Endgerät an das Netz. Im Stand der Technik werden mehrere Verwürfelungscodes für mehr als eine Zelle verwendet. Nach dem Klagepatent besteht daher die Gefahr von Verwechselungen, da die Versorgungszelle Nachbarzellen mit denselben Kennungsinformationen haben kann.
329Die Schrift WO X zeigt nicht eindeutige in den Zellen übertragene Zellenkennungscodes. Diese Schrift dient dazu, die Zelle zu identifizieren, z.B. bei der Durchführung von Messungen der Nachbarzellen durch ein mobiles Endgerät. Das Klagepatent führt aus, dass man davon ausgehen könne, dass die Zellenkennung entgegen der Angabe, dass die Kennung pro Zelle eindeutig sei, nicht eindeutig ist. Das in der WO X offenbarte Netz stellte – so das Klagepatent – offenbar ein GSM-Netz dar. Der verwendete Name für die Zellenkennung ist der Kennungscode der Basisstation (BSIC). Dies ist ein für das GSM-Netz standardisierter Begriff. Das Klagepatent erläutert weiter, dass nach dem GSM-Standard der BSIC aus insgesamt sechs binären Bits generiert wird. Damit stehen nur 64 unterschiedliche eindeutige Codes zur Verfügung. Das GSM-Netz umfasst jedoch weit mehr Zellen. Um die BSIC-Codes sinnvoll zu reduzieren, wird ein GSM-Endgerät angewiesen, auf bestimmten Kanälen der verschiedenen Frequenzkanalsätze dieses TDMA-Systems Messungen von Nachbarzellen durchzuführen. Damit wird das Risiko reduziert, dass eine mit ihrem BSIC gemeldete Messung irrtümlicherweise einer anderen Zelle zugeordnet wird und nicht der tatsächlichen Messung entspricht. Die korrekte Identifizierung der von dem mobilen Endgerät gemeldeten Zellen ist erforderlich, damit ein Handover zur bestgeeignetsten Zelle eingeleitet wird.
330Das Klagepatent kritisiert hieran, dass mangels eindeutiger Bitübertragungsschicht-Kennung der Zellen die Platzierung und Wartung/Pflege der Nachbarzellenmengen nie vollautomatisch ablaufen. Menschliche Bemühungen sind – so das Klagepatent – notwendig zur Lösung von Problemen in Situationen, in denen die Versorgungszelle mehrere Nachbarn mit derselben nichteindeutigen Kennung hat. Die Planung eines Netzes, in dem eine von einem mobilen Endgerät gemessene und gemeldete Zelle nicht irrtümlicherweise für eine andere Zelle gehalten werden kann, wäre zu aufwändig.
331Das Klagepatent stellt sich daher die Aufgabe, die Kosten für Planung und Wartung/Pflege zu senken, in dem es eine zusätzliche Maßnahme durchführt, wenn von mobilen Endgeräten zusätzlicher Aufwand zur eindeutigen Identifizierung von Nachbarzellen im Funknetz verlangt wird und die Kennungen von dem mobilen Endgerät an das Netz zu melden sind. Die Ausführungsformen der klagepatentgemäßen Erfindung sollen manuelle Eingriffe reduzieren.
332Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent im Anspruch 6 in Kombination mit Anspruch 1 ein mobiles Endgerät mit folgenden Merkmalen vor:
3331.
334Mobiles Endgerät zur Verwendung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem
3352.
336Das drahtlose Telekommunikationssystem definiert eine Mehrzahl von Kommunikationszellen.
3373.
338Das Endgerät umfasst Mittel zum Ausführen der Schritte des folgenden Verfahrens:
3393.1
340Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt
3413.2.
342Bestimmen mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle
3433.3
344Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle
3453.4.
346Melden an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle
3473.4.1
348von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle und
3493.4.2
350der erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen
3513.5
352Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle
3533.6
354Erkennen eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung
3553.7
356Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle.
357Weiter schlägt das Klagepatent in Anspruch 16 ein drahtloses Telekommunikationsnetzwerk mit folgenden Merkmalen vor:
3581.
359Drahtloses Telekommunikationsnetz
3602.
361Das drahtlose Kommunikationsnetz definiert eine Mehrzahl von Kommunikationszellen.
3623.
363Das Netz umfasst Netzressourcen.
3644.
365Die Netzressourcen sind betreibbar zum:
3664.1
367Kommunizieren mit einem in einer ersten Kommunikationszelle betriebenen mobilen Endgerät;
3684.2
369Empfangen nichteindeutiger Kennungsinformationen und Parameterinformationen bezüglich mindestens eines Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät;
3704.3
371Definieren einer Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät, wobei die Nachbarzellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält;
3724.4
373Bestimmen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen, ob eindeutige Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle erforderlich sind und wenn solche eindeutigen Kennungsinformationen erforderlich sind:
3744.4.1
375Übertragen einer Anweisung an das mobile Endgerät
3764.4.2
377Empfangen eindeutiger Zellenkennungsinformationen bezüglich der zweiten Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät
3784.4.3
379Definieren einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät, wobei die für das Handover infrage kommende Zellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält.
380IV.
381Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedarf es näherer Ausführungen insbesondere zur Auslegung der Merkmale 3.2, 3.3, 3.7, 3.8 und der MerkmalsgrZ pe 3.4. des Anspruchs 6. Ferner bedürfen die Merkmale 4.3 und 4.4.3 des Anspruchs 16 der Auslegung (dazu 2).
3821.
383Der Fachmann versteht unter „Mittel zum Erkennen“ von eindeutigen sowie nichteindeutigen Kennungsinformationen (Merkmale 3.3, 3.4.2 und 3.7), dass das Endgerät über Mittel verfügt, die die nicht- und eindeutigen Kennungsinformationen der zweiten Kommunikationszelle identifizieren können. Spezifische Anforderungen, wie diese Identifikation konkret von statten zu gehen habe, enthält das Klagepatent nicht.
384Der Anspruchswortlaut fordert nur ein Erkennen von eindeutigen und nicht-eindeutigen Kennungsinformationen. Funktional muss eine Identifikation der Information möglich sein. Mehr verlangt der Anspruch nicht. Auf welche Art und Weise, in welcher Zeit und woran das Mobilgerät die Zellenkennungsinformationen erkennen kann, gibt der Anspruch nicht vor. Die Zellenkennung gehört zu den Informationen der Nachbarzellen, die für die Identifikation der Zelle notwendig ist und dazu dient, sie in die Nachbarzellenmenge des Telekommunikationsnetzes aufzunehmen. Diese Liste enthält bekannte Nachbarn (vgl. Absatz [0004]). Den Ablauf des Erkennens lässt das Klagepatent völlig offen. Ebenso verhält es sich mit der Ausgestaltung der Kennungsinformation als eine absolute Zahl, eine Zahlenreihe, eine Kombination, einen Code etc. Für die erfindungsgemäße Lehre ist es daher unerheblich, ob für den Vorgang des Erkennens der Kennungsinformation – sei es der eindeutigen und/oder der nichteindeutigen – ein oder mehrere Rechenschritte oder Dekodierungsmaßnahmen vorgenommen werden müssen oder nicht.
385So führt das Klagepatent bei der Erläuterung des Standes der Technik aus, dass die Kennung in Form eines Verwürfelungscodes ausgestaltet sein kann (vgl. Absätze [0006], [0007]). Diese Art der Kennung ist auch weiterhin vom Klagepatent erfasst. In einem Ausführungsbeispiel erläutert das Klagepatent im Zusammenhang mit der eindeutigen Zellenkennung, dass das mobile Endgerät gegebenenfalls seine Kommunikation mit der Versorgungszelle vorübergehend unterbrechen muss, um diese Information zu empfangen und zu dekodieren (Absatz [0022]). Das Klagepatent nennt damit ein Beispiel, in dem die Kennungsinformation mittels eines Codes dargestellt und beim Erkennen dekodiert werden muss. Das Ausführungsbeispiel zeigt somit ein Erkennen, bei dem weitere Folgeschritte durchgeführt werden müssen, um an die gewünschte Kennungsinformation zu gelangen.
386Der Einwand der Beklagten, dekodieren sei ein Vorgang des Entschlüsselns sowohl des Scrambling Codes (UMTS-Netz) als auch das über den BCCH empfangenen Signals (GSM-Netz) und insoweit eine Zweitverwendung des Ursprungssignals, verfängt nicht. Die Beklagten möchten mit Blick auf die angegriffene Ausführungsform darauf hinaus, dass die Berechnung der Kennungsinformation aus zwei unterschiedlichen Signalen etwas qualitativ anderes sei als die Entschlüsselung aus einem Signal. Nur letzteres sei ein Erkennen im Sinne des Klagepatents. Dieser Schluss kann aber gerade aus einem bloßen Ausführungsbeispiel nicht gezogen werden. Die Möglichkeit der Dekodierung ist nur ein Beispiel für ein Erkennen, das mehrere Zwischenschritte bis zum Ergebnis zeigt. Insbesondere weil das Klagepatent seinen Anwendungsbereich auf LTE als Telekommunikationstechnik erstreckt (vgl. Absatz [0011]), kann ein Erkennen auch ein Berechnen einer Kennungsinformation aus zwei verschiedenen Signalen sein. Der Fachmann wird den weiten Anspruchswortlaut dahin verstehen, dass neben der Entschlüsselung auch andere Methoden der Erkennung erfasst sind, die in dem Netzwerk LTE möglich sind wie z.B. die Berechnung aus zwei Synchronisationssignalen.
387Etwas anderes folgt auch nicht aus der Abgrenzung des Erkennens vom Bestimmen. Die Kammer vermag sich dem Verständnis der Beklagten, dass nur das Bestimmen eine Berechnung oder Recherchieren zulasse und beim Erkennen ein solcher Zwischenschritt zwingend abgeschlossen sei, nicht anzuschließen. Denn der Fachmann hat keine Veranlassung, das Erkennen der Zellkennungsinformationen aufgrund dieses Begriffspaares enger auszulegen. Der Anspruch unterscheidet zwischen Bestimmen der Betriebsparameter und Erkennen der Zellkennungsinformationen. Letzteres führt das mobile Endgerät zur Identifikation der Nachbarzelle durch. In dem Zeitpunkt, in dem die Identifikation abgeschlossen ist, ist die Erkennung beendet.
388Zuletzt erschließt sich nicht, welche Konsequenz die Beklagten im Rahmen der Auslegung aus ihrem (etwas isolierten) Vortrag zum Erfindungsgegenstand des Klagepatents ziehen möchten. Aus dem von den Beklagten herangezogenen Absatz [0010] ergibt sich gerade, dass die Platzierung und Wartung des Netzes nie vollautomatisch ablaufen wird. Sofern die Beklagten in der DZ lik darlegen, dass bereits im Stand der Technik eine eindeutige Identifizierung mittels einer eindeutigen Zellenkennung möglich gewesen sein soll, überzeugt dies nicht. Es mag sein, dass im GSM-Netz die Cell Identity (CL) als Bestandteil des CGI (Cell Global Identifier) dafür Sorge getragen hat, dass aufgrund seiner 65.535 möglichen Werte eine strukturelle Identifizierung jedenfalls eindeutig innerhalb desselben Location Area Codes (LAC) möglich gewesen ist und unter Hinzunahme des jeweils 3 Bits umfassenden Mobile Country Code (MCC) und Mobile Network Code (MNC) eine Gesamtzahl von CGI von 238 zur Verfügung stand. Dies sei in ähnlicher Weise auch für UMTS möglich gewesen (252). So würdigt das Klagepatent im Hinblick auf das Verhältnis von Gleichkanalabstand, Frequenz und BSIC bereits den GSM-Standard als Stand der Technik, bei dem das Risiko eines falschen Handovers reduziert ist (vgl. Absatz 0008). Dennoch stellt sich das Klagepatent vor diesem Hintergrund nicht die Aufgabe einer Vollautomatisierung, sondern möchte lediglich den Planungsaufwand und Aufwand für Wartung und Pflege durch eine zusätzliche Maßnahme senken. Das technische Problem besteht in dem automatischen Erkennen einer neuen Nachbarbasisstation. Weiter sollen manuelle Eingriffe reduziert werden. Auch wenn eine eindeutige Identifizierung nach dem Vortrag der Beklagten möglich gewesen sein sollte, stellt das Klagepatent eine zusätzliche Maßnahme bereit, nämlich die Abfrage einer eindeutigen Zellenkennung nach Empfang der Anweisung durch die Funkbasisstation, mit der es die genannte Aufgabe lösen möchte.
3892.
390Nach der Lehre des Klagepatents genügt es, wenn mindestens ein Betriebsparameter für eine zweite Kommunikationszelle bestimmt wird (Merkmal 3.3). Gemeldet werden kann entweder mindestens der eine bestimmte Betriebsparameter oder jeder bestimmte (Merkmal 3.4.1). Merkmal 3.4.1 knüpft an die Anzahl der bestimmten Betriebsparameter an, die nicht eingegrenzt ist, sondern nur mindestens einen Parameter erfordert. Dabei verlangt der Klagepatentanspruch aber nicht, dass zwingend immer jeder Parameter gemeldet werden muss, der bestimmt wurde. Der Wortlaut lässt auch das Verständnis zu, dass jeder Parameter, der bestimmt wurde, gemeldet werden kann. Funktional sollen die Parameter gemeldet werden, deren Kenntnis für bestimmte Vorgänge wie zum Beispiel ein Handover für das Netz erforderlich sind. Es ist nicht ersichtlich, warum das Endgerät immer alle Parameter melden sollte, die bestimmt wurden, auch wenn sie in der konkreten aktuellen Situation nicht von Interesse sind. Ein anderes Verständnis ergibt sich auch nicht aus der allgemeinen Beschreibung oder den genannten Ausführungsbeispielen. Somit können von mehreren gemessenen Betriebsparameterinformationen auch nur einige gemeldet werden, andere nicht. Zutreffend bemerken die Beklagten, dass das Klagepatent in den Absätzen [0005] und [0021] nicht zwischen Betriebsparametern, die primär für die weitere Nutzung ermittelt werden, und anderen Betriebsparametern unterscheidet. Gleichwohl unterscheidet das Klagepatent im Anspruch zwischen der nichteindeutigen und eindeutigen Kennungsinformation und den „sonstigen“ Betriebsparametern. An keiner Stelle des Klagepatents lässt sich eindeutig belegen, dass sämtliche Betriebsparameter zwingend gemeldet werden müssen.
3913.
392Das Klagepatent unterscheidet in Merkmal 4.3. und 4.4.3 des Anspruchs 16 zwischen einer Nachbarzellenliste und einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät. Die Netzressourcen werden betrieben zum Definieren einer Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät, wobei die Nachbarzellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält (Merkmal 4.3). Hierfür genügt der Empfang der nichteindeutigen Kennungsinformation der zweiten Kommunikationszelle. Die für das Handover in Frage kommende Zellenliste für das mobile Endgerät (nachfolgend: Handover-Liste; Merkmal 4.4.3) enthält darüber hinaus die eindeutigen Zellenkennungsinformationen der zweiten Kommunikationszelle. Diese Listen können sowohl zellspezifisch definiert sein – für alle Endgeräte, die sich in der Versorgungszelle befinden – als auch gerätespezifisch – für jedes in der Versorgungszelle befindliche Mobilgerät.
393Der Fachmann erkennt, dass die Netzressourcen, zu denen – unstreitig – Funkbasistationen gehören, geeignet sein müssen, eine Nachbarzellenliste und eine Handover-Kandidatenliste zu definieren. Das Klagepatent geht allgemein von dem Begriff der Nachbarzellenmenge aus. Dabei handelt es sich um eine Liste bekannter Nachbarn einer Funkzelle, die für das Netz und das mobile Endgerät insbesondere für die Durchführung eines Handovers wichtig ist (vgl. Absatz [0004]). Im Stand der Technik bestand das Problem, dass die Nachbarzellenmenge aufwändig manuell gepflegt und gewartet werden muss. Dies kann laut dem Klagepatent nie vollautomatisch ablaufen, weil die Nachbarn einer Zelle in den vorbekannten Netzwerken eine identische Kennung aufweisen können (vgl. Abs. [0009], [0010]). Die Erweiterung des Netzes geht mit dem angesprochenen Aufwand an Pflege und Wartung einher. Hier setzt die Lehre des Anspruchs 16 an, nach der die Netzressourcen aus den empfangenen nichteindeutigen Kennungsinformationen bestimmen, ob eine eindeutige Kennungsinformation erforderlich ist (Merkmal 4.4). Dies kann der Fall sein, wenn die Nachbarzelle völlig unbekannt ist oder eine Prüfung der nichteindeutigen und eindeutigen Zellenkennungen anderweitig angemessen erscheint (vgl. Absatz [0025]). Die Lösung des Klagepatents besteht darin, dass die (manuelle) Pflege der Nachbarzellenmenge durch ein eindeutiges Erkennen der Nachbarzelle mittels der Netzressourcen erleichtert wird.
394Ausweislich der Merkmale 4.2 und 4.3 des Klagepatentanspruchs wird nach dem Empfang nichteindeutiger Kennungsinformationen (der zweiten Kommunikationszelle) die Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät definiert. Hierin enthalten sind dem Netz gemeldete Nachbarn der Versorgungszelle. Sofern die Erforderlichkeitsprüfung des Merkmals 4.4 positiv verläuft, wird eine eindeutige Zellenkennung (für die zweite Kommunikationszelle) von dem mobilen Endgerät mitgeteilt (Merkmale 4.4.1, 4.4.2). Mit dieser Information wird eine Handover-Kandidatenliste definiert, welche die zweite Kommunikationszelle als Nachbarzelle enthält (Merkmal 4.4.3). Das Definieren einer Handover-Kandidatenliste kann erfolgen, wenn die eindeutige Identifizierung nach Erhalt der eindeutigen Kennungsinformationen der zweiten Kommunikationszelle abgeschlossen ist. Um die Frage zu beantworten, ob ein Handover möglich ist, muss die Nachbarzelle zunächst eindeutig identifiziert sein. Erst nach Erstellung einer unverwechselbaren Nachbarzellenliste kann das Netz verlässlich bestimmen, welche der Nachbarzellen für ein Handover in Betracht kommen. So führt das Klagepatent aus, dass die Nachbarzellenmenge eindeutige Kennungsinformationen für die als Nachbarzellen einzustufenden Zellen erfasst, die für ein Handover des mobilen Endgeräts infrage kommen (Absatz [0024] des Klagepatents). Die Basisstation empfängt die eindeutigen Kennungsinformationen und aktualisiert anschließend die Nachbarzellenmenge (Absatz [0024] des Klagepatents). In Absatz [0022] heißt es, nachdem die Versorgungszelle die eindeutige Zellenkennung empfangen hat, kann sie die neue entdeckte Nachbarzelle zu ihrer Nachbarzellenmenge hinzufügen.
395Die Unterscheidung der Nachbarzellenliste (Merkmal 4.3) und der Handover-Kandidatenliste (Merkmal 4.4.3) liegt demnach in dem Eintrag der eindeutigen Kennungsinformation. Der Klagepatentanspruch gibt nicht vor, dass die Handoverkandidatenliste darüber hinaus weitere Angaben enthält oder bestimmten Anforderungen entsprechen muss. Insofern kommt jede vom mobilen Endgerät mitgeteilte, eindeutig identifizierbare Nachbarzelle als mögliche Zelle für ein Handover in Betracht. Der Klagepatentanspruch beschäftigt sich nicht mit der im Ausführungsbeispiel genannten Filterung von Messdaten (Absatz [0022]) oder einer Gewichtung von Daten.
396Funktional erfasst das Klagepatent mit den Begriffen der Nachbarzellenliste und Handover-Kandidatenliste einerseits eine funkzellenspezifische Liste, die für alle Mobilgeräte erstellt wird, die sich in der Versorgungszelle befinden, und auf die die Basisstation auch für gerätespezifische Entscheidungen zurückgreifen kann. Andererseits umfassen sie gleichermaßen eine gerätespezifische Zellenliste, die das Netz für jedes einzelne mobile Endgerät gesondert zur Verfügung stellt. Die Pflege der Nachbarzellenmenge kann in beiden Varianten vorgenommen werden. Das Netz muss die Nachbarn der jeweiligen Versorgungzellen kennen. Für die Vorbereitung des Handovers bedarf es – neben zahlreicher anderer notwendiger Betriebsparameter – einer eindeutigen Identifikation der Nachbarzellen. Diese sonstigen Parameterinformationen können von den Netzressourcen empfangen werden und entweder Eingang in eine nur für ein bestimmtes Endgerät und eine bestimmte Handover-Entscheidung gültige Zellenliste finden oder in die zellenspezifische Liste – zugeordnet einem bestimmten mobilen Endgerät – eingetragen werden. Sofern die Nachbarzellenliste bzw. die Handover-Liste „für das mobile Endgerät“ erstellt wird, versteht der Fachmann darunter jedenfalls auch eine zellenspezifische Liste. Ein solches Verständnis schließt der Wortlaut des Anspruchs nicht aus, da die Formulierung „für das mobile Endgerät“ pars pro toto verwendet wird. Gleichwohl erfasst der Wortlaut „für das mobile Endgerät“ ebenso eine gerätespezifische Liste. Hiergegen spricht auch nicht das Erfordernis des Vorhaltens von enormem Speicherplatz insbesondere für die Handover-Kandidatenliste. Einzig die eindeutig gekennzeichnete Nachbarzellenmenge muss gespeichert werden (Absatz [0004]), nicht jedoch müssen alle anderen Betriebsparameter, die neben der eindeutigen Identifikation der zweiten Kommunikationszelle für eine Handover-Entscheidung notwendig sind, vorgehalten werden. Ihrer bedarf es nur solange, bis diese Messdaten erneuert werden (z.B. weil sich das mobile Endgerät fortbewegt hat und sich damit die Signalstärke ändert). Der Anspruch ist somit nicht notwendigerweise beschränkt auf eine physische Liste oder datenspeicherungstechnische Liste. Erfasst ist vielmehr auch eine wechselseitige Zuordnung von nichteindeutigen Zellkennungen, eindeutigen Zellkennungen und anderen Betriebsparametern. So können Nachbarzellenliste und Handover-Kandidatenliste über ihre Einträge miteinander verknüpft sein.
397Ferner versteht der Fachmann unter „Definieren“ sowohl die erstmalige Erstellung der Listen als auch deren Aktualisierung. So wird er schon aus der Funktion der Nachbarzellenliste, die Identifizierung aller Nachbarzellen inklusive der neuen Nachbarn zu dokumentieren, schließen, dass eine Aktualisierung davon erfasst ist. In einem Ausführungsbeispiel empfängt die Basisstation die Messinformationen, die mit den (nicht eindeutigen) Zellenkennungen, die das mobile Endgerät erkannt hat, verknüpft sind. Sofern die Informationen eine Zellenkennung beinhalten, die nicht zur benachbarten Zellenmenge gehört, kann das mobile Endgerät angefordert werden, auch die eindeutige Zellenkennung abzurufen (vgl. Absatz [0022] des Klagepatents). Der Einwand der Beklagten, die Figuren 4 und 6 unterschieden zwischen dem Erzeugen und dem Aktualisieren einer Nachbarzellenmenge, verfängt nicht. Denn die Figuren zeigen als klagepatentgemäßes Ausführungsbeispiel gerade, dass sowohl das Erzeugen als auch das Aktualisieren unter den anspruchsgemäßen Begriff des Definierens fällt.
398V.
399Zur Überzeugung der Kammer handelt es sich bei der ANR-Funktion um eine zwingende Vorgabe des LTE-Standards (dazu 1), so dass es für die Darlegung der Verletzung genügt, dass der Standard die klagepatentgemäße Lehre zeigt. Das ist hier der Fall. Die angegriffene Ausführungsform II macht daher von allen Merkmalen des Klagepatentanspruchs 6 in Kombination mit Klagepatentanspruch 1 (dazu 2), die angegriffene Ausführungsform I macht von allen Merkmalen des Anspruchs 16 wortsinngemäß Gebrauch (dazu 3).
4001.
401Die ANR-Funktion ist im LTE-Standard zwingend und nicht lediglich optional. Die Klägerin hat insbesondere über die sog. „feature groZ indicators“ substantiiert dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatents in Form der ANR-Funktion Gebrauch macht. Diese Indikatoren listen für UEs zwingende LTE-Funktionen auf. Annex B, Ziffer B.1, Table B.1-1 des Standarddokuments 3GPP TS 36.331 Version 9.4.0 zeigt, dass die FGI 5 und 17, die sich mit der ANR-Funktion befassen, zwingend getestet und implementiert werden müssen. Die Klägerin hat die Tests der angegriffenen Ausführungsform (UE Capability Information WCDMA and LTE; Test Report no.:04032015_006) vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass die Funktion positiv getestet wurde. Sofern die Beklagten die Durchführung der Tests und ihre Ergebnisse mit Nichtwissen bestreiten, dringen sie damit nicht durch. Die angegriffene Ausführungsform wird von den Beklagten angeboten und vertrieben. Sie sind gehalten, substantiiert zu den Funktionen ihrer eigenen Telefone vorzutragen, und können sich mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 138 Abs. 4 ZPO nicht auf ein Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen. Ebenfalls überzeugt der Vortrag der Beklagten nicht, dass sich aus dem vorgelegten Testbericht nicht ergebe, dass das I X getestet worden sei. Die hier maßgebliche Seiten 2 und 6 des Berichts zeigen eindeutig, dass die angegriffene Ausführungsform II getestet wurde.
4022.
403Die angegriffene Ausführungsform II verwirklicht alle Merkmale des Anspruchs 6.
404a)
405Angesichts obiger Ausführungen zur Auslegung ist es unerheblich, dass der PCI aus den Synchronisationssignalen PSS und SSS zusammengesetzt und anhand der Formel errechnet wird (vgl. LTE-Standard IV, Ziffer 6.11). Gleiches gilt auch für die ECGI, die sich aus der plmn-Identity und der cellIdentity zusammensetzt (vgl. LTE-Standard II, Ziffer 6.3.4, CellGloballdEUTRA). Sofern die Beklagten vortragen, dass die ECGI nicht zum eindeutigen Unterscheiden von benachbarten Zellen verwendet werde, sondern um die IP-Adresse einer benachbarten Zelle für die serving eNB leichter herleitbar zu machen, damit ein handover schneller erfolgen kann, führt dies nicht aus der Verletzung heraus. Bei der ECGI handelt es sich um eine eindeutige Kennung. Dies genügt, mag der LTE-Standard auch einen anderen Zweck damit verfolgen. Abgesehen davon ist jedoch die eindeutige Unterscheidung der Nachbarzellen eine unmittelbare Vorfrage, damit ein handover schneller erfolgen kann. Letzteres ist nicht möglich, wenn die Versorgungszelle die zweite Zelle nicht eindeutig identifizieren kann. Dieses Verständnis greift das Klagepatent auch in einem Ausführungsbeispiel auf, wonach im LTE-Netz die eindeutige Zellenkennung auf der IP-Adresse abgebildet wird, die wiederum auf die Funkbasisstation verweist, die die Zelle erkennt (vgl. Absatz [0028]). Schließlich ist die pauschale BehaZ tung, das LTE-Netzwerk sei bereits entsprechend geplant, dass es zu einer Verwechselung nicht komme, bereits aus den oben genannten Gründen unerheblich.
406b)
407Ferner genügt es für die Verwirklichung des Merkmals 3.4.1, dass von mehreren gemessenen Betriebsparametern nicht sämtliche auch der eNB gemeldet werden. Es schadet daher nicht, dass die SFN seitens des UE nicht an die eNB gemeldet wird, wenn eine zeitliche Synchronisation des UE ohne Beteiligung der versorgenden eNB möglich ist.
4083.
409Die angegriffene Ausführungsform I verletzt Anspruch 16 des Klagepatents.
410a)
411Auch wenn der Anspruch ein gesamtes drahtloses Telekommunikationsnetz schützt (Merkmal 1), wird dieses nach dem Klagepatent mindestens aus den Funkbasisstationen gebildet. Die Beklagten verwirklichen daher den Anspruch durch das Angebot nur der eNBs unmittelbar. Denn es genügt, wenn die Möglichkeit besteht, dass zwei oder mehrere eNBs gekauft werden, die dann bereits die Schaffung eines drahtlosen Telekommunikationsnetzes ermöglichen. Die Annahme erscheint auch lebensnah, dass Netzbetreiber nicht isoliert eine Funkbasisstation erwerben, sondern mehrere. Selbst beim Erwerb nur einer einzigen eNB kann diese ein bestehendes Telekommunikationsnetz ergänzen.
412b)
413Die angegriffene Ausführungsform I verwirklicht insbesondere auch die Merkmale 4.3 und 4.4.3.
414Die angegriffene Ausführungsform I stellt eine Netzwerkressource (Merkmal 4) dar, die betreibbar und damit geeignet ist, die Schritte gemäß der Merkmale 4.1 bis 4.4.3 auszuführen. Die eNB sind Teile des drahtlosen Telekommunikationsnetzes und geeignet mit den UEs zu kommunizieren. Über das Empfangen von (nicht-) eindeutigen Zellenkennungen und Parameterinformationen werden verschiedene Informationen über die Nachbarzellenmenge gesammelt, die für ein späteres Handover relevant werden können.
415Die angegriffene Ausführungsform I verwirklicht insbesondere die Merkmale 4.4.3 und 4.3. Nach obiger Auslegung umfasst das Definieren der Nachbarzellenliste/Handover-Kandidatenliste auch deren Aktualisierung. Ferner wird die Neighbour Relation Table (NRT) auch für ein mobiles Endgerät definiert. Indem sich das UE in einer Versorgungszelle befindet, die von der eNB bereitgestellt wird, ist deren NRT für das UE definiert. Laut Ziffer 22.3.3 des LTE-Standards I, Schritt 4 aktualisiert das eNB die Nachbarbeziehungsliste, die in der NRT enthalten ist, nachdem sie anhand ECGI und PCI eine neue Nachbarzelle erkannt hat (Merkmal 4.4.3). Bei der Nachbarzellenliste und der Handover-Kandidatenliste muss es sich nicht um physisch unterschiedliche Listen handeln, sondern es genügt eine veränderte wechselseitige Zuordnung von nichteindeutigen und eindeutigen Zellkennungen. Wie bereits ausgeführt berichtet die UE die empfangene ECGI der eNB der Versorgungszelle. Die eNB entscheidet, die Nachbarbeziehung hinzuzufügen, indem sie unter anderem die NRT aktualisiert (LTE Standard I, Ziffer 22.3.3, Ziffer 4b). Die Spalte TCI entspricht dem ECGI und PCI (LTE Standard I, Ziffer 22.3.2a). Durch die Eintragung der ECGI, die in der TCI enthalten ist, definiert die NRT eine Handover-Liste. Ein nur indirekter Handover-Bezug genügt bereits für die Verwirklichung des Merkmals 4.4.3. In der NRT ist die Nachbarzelle zunächst enthalten, wenn sie generell für ein Handover infrage kommt. Aufgrund weiterer O&M Methoden kann die NRT verwaltet werden und Eigenschaften der NRT verändern (LTE Standard I, Ziffer 22.3.2a a.E.). So kann beispielsweise eine Eintragung NoHo erfolgen, wenn die neue Nachbarzelle sich aus bestimmten anderen Gründen nicht für ein Handover eignet (z.B. Überlastung der Zelle). Die Möglichkeit dieses Eintrags führt auch nicht von dem Verständnis einer Handover-Liste weg. Der Eintrag zeigt vielmehr die erfolgte Bewertung eines zunächst vorhandenen Handover-Kandidaten. Anhaltspunkte für den Eintrag einer „dritten Art“ von Zellen, die nicht die Eigenschaft des Handovers betreffen, sind nicht ersichtlich. Gleichwohl wäre ihre Existenz unerheblich für die Verletzungsfrage, da die NRT jedenfalls im Allgemeinen geeignete Handover-Kandidaten eingetragen hat.
416Ausweislich der Ausführungen zu den Merkmalen 3.3 und 3.4.2 des Anspruchs 6 empfängt die eNB die PCI im measResultNeighCell-Element eines measurement reports der UE. Dies greift der LTE-Standard I in Ziffer 22.3.3 wieder auf, wenn dort die Rede davon ist, dass die eNB einen UE Measurement Report empfängt, der die PCI enthält und dann die nachfolgende Sequenz Anwendung finden kann: Die Sequenz beinhaltet unter anderem das Lesen der ECGI (Schritt 1) und das Aktualisieren der NRT (Schritt 4 b)). Auch wenn die Figur 22.3.2a-1 bereits die NRT in ihrer Funktion als Handover-Liste zeigt, muss die eNB die PCI vor der Abfrage der ECGI notwendig vorhalten (Merkmal 4.3). Denn erst nach der neu entdeckten nichteindeutigen Zellenkennung weist die eNB das UE an, die eindeutige Kennung abzufragen. So heißt es in Ziffer 22.3.3 des LTE-Standards I „The eNB instructs the UE, using the newly discovered PCI as parameter, to read the ECGI […]”. Die Prüfung, ob eine ECGI vorhanden ist, setzt einen Rückgriff auf die im eNB gespeicherte NRT voraus. Hierfür ist jedenfalls erforderlich, dass die Daten aus dem Messbericht gespeichert und mit der NRT verknüpft werden. Darin liegt das klagepatentgemäße Definieren einer Nachbarzellenliste im Sinne des Merkmals 4.3.
417Dem Bestimmen der eindeutigen Kennungsinformationen geht schließlich eine Erforderlichkeitsprüfung vorweg (Merkmal 4.4). So formuliert der LTE-Standard I (Ziffer 22.3.3) wie soeben ausgeführt, die ECGI der „neu entdeckten“ PCI zu lesen. Da es sich bei der PCI um eine neu entdeckte Kennungsinformation handelt, muss die eNB zuvor festgestellt haben, dass ihr die PCI bislang nicht bekannt war. Darin liegt jedoch ein Bestimmen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen (PCI), ob eindeutige Zellenkennungsinformationen erforderlich sind oder nicht.
418VI.
419Geschwärzt und gelöscht
420VII.
421Aufgrund der unberechtigten Benutzung der patentgemäßen Lehre durch die Beklagten ergeben sich folgende Rechtsfolgen:
4221.
423Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen hat die Klägerin gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit § 139 Abs. 1 und 2 PatG.
424Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht (vgl. Schulte/Voß/Kühnen, Patentgesetz, 9. Aufl. 2014, § 139 Rn. 231).
425Die Beklagten haben die streitgegenständliche Patentverletzung schuldhaft begangen. Als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Der Umstand, dass die Klägerin für das Klagepatent gegenüber der ETSI eine FRAND-Erklärung abgegeben hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar mag die FRAND-Erklärung bei den betroffenen Marktteilnehmern die berechtigte Erwartung hervorrufen, dass ihnen eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen erteilt werde, dennoch ist es fahrlässig, ohne den erfolgreichen Abschluss eines Lizenzvertrages mit der Nutzung des Patents zu beginnen. Denn erst die Lizenz vermittelt das Recht zur Benutzung. Der FRAND-Erklärung selbst kommt diese Wirkung hingegen nicht zu; sie stellt lediglich die ernstgemeinte Erklärung des Patentinhabers dar, für den Fall der marktbeherrschenden Wirkung seines Patents potentiellen Benutzern Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen (s. hierzu ausführlicher unten im Rahmen des Zwangslizenzeinwandes).
426Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Dieser besteht bereits in der unberechtigten Benutzung des Schutzrechts durch die Beklagten.
4272.
428Der Klägerin steht gegen die Beklagten auch ein Anspruch auf Auskunft aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit den §§ 140b PatG, 242, 259 BGB zu, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagten werden durch die von ihnen verlangte Auskunft nicht unzumutbar belastet. Eine Beschränkung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch aus kartellrechtlichen Gründen ist nicht gerechtfertigt (s. ausführlicher sogleich zum Zwangslizenzeinwand).
429VIII.
430Die Beklagten halten dem Klagebegehren der Klägerin ohne Erfolg den Einwand ihrer (angeblichen) Lizenzwilligkeit entgegen. Weder die FRAND-Selbstverpflichtungserklärung der Klägerin noch die Art. 101, 102 AEUV hindern die Durchsetzung der mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz und Rechnungslegung ganz oder auch nur in Teilen. Hierzu im Einzelnen:
4311.
432Den Ansprüchen wegen unberechtigter Patentbenutzung kommt grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu; die Rechte des geistigen Eigentums werden in der Charta der Grundrechte der EU (Art. 17 Abs. 2) ausdrücklich unter Schutz gestellt. Um diesen Schutz in angemessener Weise zur Geltung zu bringen, müssen die gesetzlichen Ansprüche wegen widerrechtlicher Patentbenutzung in der Regel zur Anwendung gebracht werden. Dies gilt umso mehr, als auch der Zugang zu den Gerichten seinerseits Grundrechtsschutz genießt, Art. 47 der EU-Charta (so auch: EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 57). Beschränkt wird der Schutz des geistigen Eigentums durch den Vorbehalt der Allgemeinverträglichkeit, was insbesondere eine Ausübung der Patentrechte nach den Regeln des Kartellrechts verlangt. Insofern ist spätestens durch die Entscheidung „Orange-Book-Standard“ geklärt, dass einem Unterlassungsanspruch im Patentverletzungsprozess der Einwand eines kartellrechtlichen Lizenzvertragsanspruches entgegengehalten werden kann (BGH, GRUR 2009, 694 ff.; bestätigt zuletzt durch EuGH, GRUR 2015, 764 ff.).
4332.
434Die Klägerin ist Inhaberin eines standardessentiellen Patents, für das sie gegenüber der Standardisierungsorganisation ETSI eine FRAND-Selbstverpflichtungserklärung abgegeben hat. Bei einer solchen de iure-Standardisierung trifft ein Zusammenschluss von Marktteilnehmern – organisiert in einer Standardisierungsorganisation – unter den für die Lösung der Standardisierungsaufgabe infrage kommenden Technologien eine Auswahl und beschließt das Ergebnis dieser Auswahl als Standard. Die Vorteile der de iure-Standardisierung liegen in der Vermeidung eines Ressourcen zehrenden Verdrängungswettkampfes, der Durchsetzung von überlegenen Technologien trotz ggf. geringer Marktmacht des dahinter stehenden Unternehmens, der Erzielung einer weitgehenden Kompatibilität konkurrierender Produkte und der damit verbundenen erleichterten Vergleichbarkeit dieser Produkte für den Verbraucher. Auf der anderen Seite birgt die de iure-Standardisierung auch gewisse Gefahren. Wird etwa die Auswahl der in Frage kommenden Technologien unsachgemäß durchgeführt, so kann dies zu schlechten Ergebnissen führen, weil sich die gewählte Lösung nicht unter Wettbewerbsdruck am Markt durchsetzen muss. Zudem bewirkt die erfolgreiche Standardisierung einer bestimmten technischen Lehre häufig eine Abhängigkeit des betroffenen Produktmarktes. Vor diesem Hintergrund müssen die Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der standardbezogenen Patentnutzung kontrolliert werden, mit denen ein Marktteilnehmer die Machtstellung ausnutzt, die ihm aus dem Zusammenspiel eines erfolgreich implementierten Standards mit einem Patent erwächst (vgl. Picht, GRUR Int. 2014, 1 ff.). Zur Kontrolle dienen hier insbesondere die Regelungen in Art. 101 und 102 AEUV.
4353.
436Der de iure-Standardisierungsvorgang unterfällt dem Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV (Horizontale Leitlinien, 2011, Rn 263 ff.). Am Standardisierungsvorgang beteiligt sind „Unternehmen“ im Sinne dieser Norm, nämlich Einheiten, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Der Begriff der „Vereinbarung“ in Art. 101 AEUV ist grundsätzlich weit zu verstehen. Er erfasst die de-iure-Standardisierung schon deswegen, weil sie zu einem nach Ziel und Vorgehen bewusst gleichgerichteten Vorgehen der Standardisierungsteilnehmer führt. Auswirkungen auf den Wettbewerb entstehen dadurch, dass die Standardisierungsteilnehmer zu Gunsten des Standards auf die Entwicklung oder Nutzung alternativer Technologien verzichten und ein gewisser faktischer Zwang entsteht, nach dem Standard herzustellen oder zu arbeiten.
437Eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV liegt bei der de-iure-Standardisierung dann nicht vor, wenn die Möglichkeit der uneingeschränkten Mitwirkung am Normungsprozess für alle potenziellen Anwender gegeben ist, das Verfahren für die Annahme der betreffenden Norm transparent ist, keine Verpflichtung zur Einhaltung der Norm besteht und Dritten der Zugang zu der Norm zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen gewährt wird (Horizontale Leitlinien, 2011, Rn 280; vgl. auch: Grabitz/Hilf/Nettesheim/Schroeder, Das Recht der Europäischen Union, 54. Auflage 2014, Rn 639). Letzteres gewährleisten die Standardisierungsorganisationen in der Regel durch die Einholung sogenannter FRAND-Erklärungen, mit der die am Standardisierungsprozess beteiligten Inhaber standardessentieller Patente ihre ernstgemeinte Absicht erklären, für den im Voraus nicht sicher absehbaren Fall einer Wettbewerbsbeeinträchtigung allen Marktteilnehmern eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen („fair, reasonable and non-discriminatory“) zu erteilen.
438Die am LTE-Standard mitwirkenden Unternehmen haben für ihre standardessentiellen Patente gegenüber der ETSI FRAND-Selbstverpflichtungserklärungen abgegeben. Der Standardisierungsvorgang als solcher begegnet im vorliegenden Fall keinen Bedenken.
4394.
440Für die Frage, ob der Patentinhaber berechtigt ist, sein (standardessentielles) Patent gerichtlich durchzusetzen, ist Art. 101 AEUV ohne Belang. Denn insofern steht nicht der Vorgang der Standardisierung als solcher, sondern ein (späteres) einseitiges Verhalten des Patentinhabers – die Nichtaufnahme von Lizenzvertragsverhandlungen entsprechend seiner FRAND-Erklärung – im Streit. Soweit in Rechtsprechung und Literatur vereinzelt die Auffassung vertreten wird, auch ein solches Verhalten des Patentinhabers sei an Art. 101 AEUV zu messen (vgl. LG Mannheim, Beschluss vom 21.11.2014, Az.: 7 O 23/14; so wohl auch: LG Mannheim, Urteil vom 27.11.2015, Az.: 2 O 108/14; S. Barthelmeß/N. Gauß, WuV 2010, 626; wohl auch: Walz, GRUR Int. 2013, 718 ff.) überzeugt dies nicht. Art. 101 AEUV verfolgt den Zweck, kartellrechtswidrige Vereinbarungen, d.h. ein wechselseitiges Zusammenwirken von zumindest zwei Parteien, zu unterbinden. Als Rechtsfolge sieht die Norm die Nichtigkeit entsprechender kartellrechtswidriger Vereinbarungen vor. Art. 101 AEUV (i.V.m. § 33 Abs. 1 S. 1 GWB) regelt hingegen nicht, dass der Patentinhaber die Durchsetzung eines Patents zu unterlassen hat, solange er nicht entsprechend der FRAND-Erklärung verhandelt.
4415.
442Die FRAND-Erklärung selbst stellt die ernstgemeinte Erklärung dar, für den im Voraus nicht sicher absehbaren Fall einer Wettbewerbsbeeinträchtigung allen Marktteilnehmern eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen (fair, zumutbar und nicht diskriminierend) zu erteilen (invitatio ad offerendum). Sie ist deklaratorischer Natur und gibt Dritten damit keinen Anspruch auf Einräumung einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen (so auch schon: LG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2012, Az.: 4b O 273/10). Die am Standardisierungsvorgang beteiligten Unternehmen geben die FRAND-Selbstverpflichtungserklärung ab, um die kartellrechtliche Unbedenklichkeit der Standardabsprache sicherzustellen. Entsprechend ist ihre Erklärung dahingehend auszulegen, dass sie sich soweit verpflichten wollen, wie dies aus kartellrechtlichen Gründen zwingend erforderlich ist. Hierfür ist weder ein bindendes Lizenzvertragsangebot seitens des Patentinhabers noch ein Verzicht auf die Durchsetzung seiner Unterlassungsansprüche gegenüber jedem Lizenzinteressenten erforderlich. Ein solcher Bedeutungsgehalt kann den Erklärungen bei verständiger Würdigung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) nicht beigemessen werden. Es entspricht nicht dem Willen der Standardisierungsteilnehmer bzw. etwaiger Rechtsnachfolger, gegenüber jedem Dritten eine rechtliche Verpflichtung dergestalt einzugehen, mit ihm einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen, unabhängig davon, ob das jeweilige in Rede stehende Patent seinem Inhaber überhaZ t eine marktbeherrschende Stellung vermittelt und damit in kartellrechtlicher Hinsicht Bedeutung auf dem Markt erlangt hat. Vielmehr gibt der Patentinhaber mit seiner FRAND-Erklärung lediglich seine grundsätzliche Bereitschaft zu erkennen, für den Fall der marktbeherrschenden Wirkung seines Patents Lizenzen zu gleichen und angemessenen Bedingungen einzuräumen. Diese Erklärung stellt damit die deklaratorische Konkretisierung des kraft Kartellrechts ohnehin bestehenden gesetzlichen Abschlusszwangs dar. Eigenständige rechtliche Bedeutung hat sie insoweit, als sie das Pflichtenprogramm des Patentinhabers im Rahmen der Prüfung des Art. 102 AEUV (§§ 19, 20 GWB) mit beeinflusst.
4436.
444Art. 102 AEUV verlangt neben der marktbeherrschenden Stellung des anspruchstellenden Unternehmens das Eingreifen außergewöhnlicher Umstände, die zu einer Beeinträchtigung des Handels führen.
445a)
446Die für die Anwendung des Art. 102 AEUV erforderliche marktbeherrschende Position der Klägerin ergibt sich nicht schon allein aufgrund ihrer Rechtsposition am Klagepatent. Nicht jedes standardessentielle Patent vermittelt eine kartellrechtlich bedeutsame Marktmacht (vgl. das Urteil der Kammer vom 26.03.2015, Az.: 4b O 140/13; so auch Müller, GRUR 2012, 686). Die Berufung auf eine etwaige fehlende Marktmacht ist auch nicht etwa vor dem Hintergrund der abgegebenen FRAND-Erklärung treuwidrig. Denn mit dieser gibt der Patentinhaber – wie vorstehend ausgeführt – lediglich seine grundsätzliche Bereitschaft zu erkennen, für den Fall der marktbeherrschenden Wirkung seines Patents Lizenzen zu gleichen und angemessenen Bedingungen einzuräumen. Im Rahmen des Art. 102 AEUV ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob der unter Schutz gestellten technischen Lehre tatsächlich eine kartellrechtlich relevante, marktbeherrschende Bedeutung zukommt.
447Der Begriff der Marktbeherrschung ist weder eine feststehende Eigenschaft eines Unternehmens noch ein absoluter rechtlicher Begriff. Die Marktbeherrschung besteht immer nur im Hinblick auf gewisse Funktionen, Märkte, Vorschriften, usw. So kann ein Unternehmen insbesondere nur im Hinblick auf einen bestimmten Teil seiner Aktivitäten marktbeherrschend sein (Langen/Bunte/Nothdurft/RZ pelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 15).
448Speziell für den Bereich des geistigen Eigentums hat die Europäische Kommission in der Entscheidung „DDD “ (C-457/10P, EU:C:2012:770, Rn 175) festgestellt, dass eine beherrschende Stellung eine wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens sei, „die es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, seinen Kunden und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten“. Weiter heißt es in Rn 186, dass „zwar nicht angenommen werden könne, dass die bloße Inhaberschaft von Rechten des geistigen Eigentums eine beherrschende Stellung begründe, sie aber geeignet sei, unter bestimmten Umständen eine solche Stellung zu schaffen, insbesondere dadurch, dass das Unternehmen die Möglichkeit erhalte, einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt zu verhindern“.
449Dabei muss sich die Marktmacht nicht zwingend auf den beherrschten Markt selbst beschränken, sondern kann sich auch auf vor- oder nachgelagerte Märkte erstrecken (Langen/Bunte/Nothdurft/RZ pelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 15). Im Hinblick auf Rechte am geistigen Eigentum ist kartellrechtlich relevant insofern nicht der Markt der Lizenzvergabe, sondern der nachgelagerte Produktmarkt (vgl.: EuGH, GRUR Int. 1995, 490, Rn 47 – Magill TVG Guide; BGH, NJW-RR 2010, 392 ff. – Reisestellenkarte).
450Dieser nachgelagerte Produktmarkt als sachlich relevanter Markt ist im Hinblick auf die vom Patent geschützte technische Lehre genauer zu qualifizieren. Bezogen auf ein standardessentielles Patent ist der relevante Markt im Grundsatz der Markt, auf dem diejenigen Produkte angeboten werden, die den Standard mit der SEP-geschützten Technik verwirklichen. Dabei erfolgt die Marktabgrenzung in ständiger Rechtsprechung nach dem sog. Bedarfsmarktkonzept. Hiernach werden alle Leistungen einem Markt zugeordnet, die aus Sicht der Marktgegenseite funktionell austauschbar sind (BGHZ 160, 321-332 – Staubsaugerbeutelmarkt m.w.N.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.03.2008, Az.: VI-U (Kart) 29/06, zitiert nach juris). Ziel der Marktabgrenzung ist es stets, die den Wahlmöglichkeiten der Marktgegenseite entsprechende Realität des Wettbewerbs zu erfassen (Langen/Bunte/Nothdurft/RZ pelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 20 m.w.N.).
451Bei dem in Rede stehenden Betrieb der automatischen Nachbarbeziehungen (sog. ANR-Funktion), handelt es sich um eine Technologie, die eine der Grundfunktionen eines Mobilfunkgerätes betrifft und die den LTE-Standards I bis III (3GPP TS 36.300 Version 8.9.0, 3GPP TS 36.331 Version 8.7.0 und 3GPP TS 36.523-1 Version 12.3.0) unterfällt. Nach den LTE-Standards kommunizieren die eNBs mit den LTE-Mobilgeräten über Funksignale. Die streitgegenständliche Technik gewährleistet eine automatisierte Verwaltung der Architektur eines drahtlosen Telekommunikationsnetzes. Dieses Netz besteht aus verschiedenen Kommunikationszellen, die von sog. Basisstationen bereitgestellt werden. Eine Mobilfunkverbindung wird durch die Übergabe der Verbindung (sog. Handover) von einer Kommunikationszelle zur nächsten aufrechterhalten. Anhand bestimmter Charakteristika ermittelt das Netz mit Hilfe des mobilen Endgeräts die optimale Zelle für ein Handover. Das Klagepatent stellt ein Verfahren und ein Netzwerk mit entsprechendem mobilem Endgerät zur Verfügung, bei denen die korrekte Identifizierung einer neuen Zelle automatisch erfolgen soll.
452Es kann dahinstehen, ob tatsächlich jedes mobile Endgerät am Markt mit der streitgegenständlichen Technologie ausgestattet ist und es keine konkurrenzfähige Alternative am Markt gibt. In seinen Entscheidungen „Standard-Spundfaß“ (BGH, GRUR 2004, 967) und „Orange-Book-Standard“ (BGH, GRUR 2009, 694) ist der BGH zwar davon ausgegangen, dass es für die kartellrechtlich relevante Marktmacht darauf ankommt, ob ein konkretes, dem Standard bzw. der Norm entsprechendes Produkt substituierbar ist, d.h. ein nicht norm- bzw- standardgerechtes Produkt auf dem nachgelagerten Nachfragemarkt überhaZ t absetzbar und damit wettbewerbsfähig wäre, auf solche Fälle der Marktzutrittsvoraussetzung eines SEP ist die Annahme einer marktbeherrschenden Bedeutung hingegen nicht beschränkt. Vielmehr kann eine marktbeherrschende Stellung auch dann angenommen werden, wenn auf dem relevanten Markt auch Produkte angeboten werden, die die Produktkonfiguration des standardessentiellen Patents nicht aufweisen. Voraussetzung für die Annahme einer marktbeherrschenden Position ist in diesem Fall, dass ohne den Zugang zur Nutzung des streitgegenständlichen Patents ein wettbewerbsfähiges Angebot nicht möglich ist, d.h. allein mit Produkten ohne die patentierte Funktion kein wirksamer Wettbewerb zu den übrigen Anbietern stattfindet. Demgegenüber wäre eine marktbeherrschende Stellung jedenfalls dann zu verneinen, wenn die durch das SEP geschützte technische Funktion für den Nachfrager von SEP-Produkten gar keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt. Letzteres kommt im Streitfall nicht in Betracht. Die streitgegenständliche Technik ist sowohl für die Netzbetreiber als auch für die Endkunden so wesentlich, dass ohne ihre Nutzung ein wirksamer Wettbewerb auf dem Markt für mobile Endgeräte nicht möglich ist. Dies wird auch von der Klägerin nicht ernsthaft bestritten.
453b)
454Bei der Frage, wann außergewöhnliche Umstände vorliegen, die einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV begründen können, muss die Standardessentialität des geltend gemachten Patents Ausgangspunkt sämtlicher Überlegungen sein, weil eben jene das Patent für jeden Wettbewerber, der Produkte herzustellen beabsichtigt, die dem Standard entsprechen, unerlässlich macht. Der Inhaber eines standardessentiellen Patents ist damit in der Lage zu verhindern, dass standardkonforme Produkte seiner Wettbewerber auf den Markt gelangen oder auf dem Markt bleiben. Hinzu kommt, dass der Patentinhaber – wie vorstehend ausgeführt – sich durch seine FRAND-Erklärung bereit erklärt hat, Lizenzen zu gleichen und angemessenen Bedingungen zu erteilen. Hierin liegt der grundlegende Unterschied des Streitfalls zu dem Sachverhalt, über den der BGH in seiner Entscheidung „Orange-Book-Standard“ zu befinden hatte (NJW-RR 2009, 1047 ff.). Die dort aufgestellten hohen Anforderungen an das Verhalten des Patentverletzers lassen sich auf Konstellationen, in denen der Patentinhaber gegenüber der Standardisierungsorganisation eine FRAND-Erklärung abgegeben hat, nicht ohne weiteres übertragen. Vielmehr hat der EuGH für einen solchen Fall in seinem Urteil vom 16.07.2015 folgende Grundsätze aufgestellt (GRUR 2015, 764 ff.):
455aa)
456Der Inhaber eines standardessentiellen Patents, für das er gegenüber der Standardisierungsorganisation eine FRAND-Erklärung abgegeben hat, muss, damit eine Klage auf Unterlassung, Rückruf oder Vernichtung nicht als missbräuchlich angesehen werden kann, Bedingungen erfüllen, durch die ein gerechter Ausgleich der betroffenen Interessen gewährleistet wird. Vor der gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche muss er den angeblichen Verletzer zunächst einmal auf die Patentverletzung hinweisen (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 61) und ihm, soweit der Verletzer zur Lizenznahme grundsätzlich bereit ist, ein konkretes schriftliches Angebot auf Lizenzierung des Patents zu FRAND-Bedingungen unterbreiten (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 63). Hierauf muss der Verletzer nach Treu und Glauben und insbesondere ohne Verzögerungstaktik reagieren (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 65). Nimmt der Verletzer das Angebot des Patentinhabers nicht an, muss er innerhalb kurzer Frist ein Gegenangebot machen (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 66). Lehnt der SEP-Inhaber dieses Gegenangebot ab, muss der Patentverletzer ab diesem Zeitpunkt über die Benutzung des SEPs abrechnen und für die Zahlung der Lizenzgebühren Sicherheit leisten (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 67).
457Diese kartellrechtlichen Beschränkungen gelten nicht nur für den Unterlassungsanspruch, sondern auch für den Rückrufanspruch und den Anspruch auf Vernichtung patentverletzender Gegenstände. Denn diese Ansprüche beinhalten im Allgemeinen ein Verkaufsverbot des Produktes, mit dem das Patent verletzt wird, und können deshalb einen Marktausschluss bedeuten (vgl. hierzu etwa: Pressemitteilung der Kommission in Sachen EEE vom 29.04.2014). Dies kann zu einer Verzerrung von Lizenzverhandlungen und zu wettbewerbswidrigen Lizenzbedingungen führen, die der Lizenznehmer ohne die drohende Unterlassungsverfügung nicht akzeptiert hätte.
458bb)
459Entgegen der Auffassung der Beklagten sind diese Überlegungen nicht ohne weiteres auf den Schadensersatzanspruch zu übertragen. Ein Marktausschluss droht durch die Zuerkennung dieses Anspruchs nicht und auch sonst wird ein wirksamer Wettbewerb durch sie nicht verhindert. Eine Klage auf Schadensersatz für vergangene Benutzungshandlungen, die das standardessentielle Patent verletzen, ist lediglich darauf gerichtet, den SEP-Inhaber für bereits erfolgte Verletzungen seines Patents zu entschädigen. Sie führt weder zum Ausschluss standardkonformer Produkte vom Markt noch dazu, dass ein potentieller Lizenznehmer sich gezwungen sieht, ungünstigen Lizensierungsbedingungen für zukünftige Benutzungen eines SEP zuzustimmen.
460Entsprechend hält auch der EuGH die Geltendmachung eines Anspruches auf Schadensersatz grundsätzlich für nicht missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 73-76). Der Verletzer eines standardessentiellen Patents ist – wie jeder andere Patentverletzer auch – verpflichtet, sich vor jeder Benutzung über die bestehende Patentsituation zu informieren und ggf. eine Lizenz einzuholen (vgl.: EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 58). Tut er dies nicht, muss er damit rechnen, auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.
461cc)
462Im Rahmen der Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach ist eine irgendwie geartete Beschränkung aus Gründen des Kartellrechts nicht geboten. Grundsätzlich stehen dem Patentinhaber für die konkrete Angabe der Höhe des Schadensersatzes gemäß § 139 Abs. 2 PatG drei Berechnungsarten zur Verfügung (vgl. hierzu auch: Kraßer, Patentrecht, 6. Auflage 2009, 5. Abschnitt § 35 IV. a); Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, 11. Auflage 2015, § 139 Rn 61). Gemäß § 139 Abs. 2 S. 1 PatG i.V.m. § 249 BGB i.V.m. § 252 BGB ist die Berechnung des konkreten Schadens einschließlich des entgangenen Gewinns nach der Differenzlehre vorgesehen. Seit der Neufassung von § 139 Abs. 2 PatG durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7.7.2008 (Durchsetzungsgesetz), das am 1.9.2008 in Kraft getreten ist und mit dem die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums umgesetzt worden ist, werden der Verletzergewinn (§ 139 Abs. 2 S. 2 PatG) und die angemessene Lizenzgebühr (§ 139 Abs. 2 S. 3 PatG) als Berechnungsgrundlage ausdrücklich im Patentgesetz erwähnt. Die drei Berechnungsarten – entgangener Gewinn, Lizenzanalogie oder Verletzergewinn – stehen nebeneinander. Der Verletzte hat ein Wahlrecht und muss sich für eine der drei Berechnungsarten entscheiden (Kraßer, Patentrecht, 6. Auflage 2009, 5. Abschnitt § 35 IV. a); Pitz, Patentverletzungsverfahren, 2. Auflage 2010, Teil 4 I. 4. a)). Alle drei Berechnungsmethoden dienen der Berechnung desselben Schadens und stellen damit lediglich Rechenoptionen, nicht aber unterschiedliche Ansprüche dar (Melullis, GRUR Int. 2008, 679 ff.). Die Feststellung, dass ein bestimmter Verletzer dem Patentinhaber nach § 139 PatG Schadensersatz schuldet, die Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruches also grundsätzlich gegeben sind, geht der Bestimmung der Höhe dieses Schadens vor. Die Zuerkennung nur einer bestimmten Berechnungsmethode – insbesondere der Lizenzanalogie – kommt nicht in Betracht. Soweit – wie im vorliegenden Fall – lediglich die Feststellung der Schadensersatzpflicht beantragt ist, entscheidet das Gericht ausschließlich über den Grund des Anspruchs.
463Die Höhe des konkreten Schadens hat auf die Frage der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach lediglich dann Einfluss, wenn die Möglichkeit besteht, dass der dem Patentinhaber entstandene Schaden mit Null zu bemessen ist (vgl.: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff – Standard-Spundfass). Eine solche Freilizenz kommt vorliegend ersichtlich nicht in Betracht. Dass eine solche von der Klägerin geschuldet würde, wird auch von den Beklagten nicht geltend gemacht.
464dd)
465Andernfalls kommt lediglich eine Begrenzung der Schadensersatzverpflichtung auf einen bestimmten Höchstbetrag in Betracht, die allerdings erst im Rahmen des ggf. sich anschließenden Höheverfahrens zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu auch: Obergericht für Geistiges Eigentum, Japan, GRUR Int. 2015, 144 ff. – Apple v. I II, mit etwas anderem Ansatz).
466Insofern ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von §§ 19, 20 GWB bzw. Art. 102 AEUV einen Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrages begründen kann (vgl. hierzu: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff. – Standard-Spundfass; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2007, 181 – Orange Book). Dieser kartellrechtliche Anspruch auf Lizenzierung dient der Durchsetzung des gegenüber jedem Marktteilnehmer geltenden Verbots, eine marktbeherrschende Stellung nicht zu missbrauchen. Die Weigerung des Patentinhabers, dem berechtigten Verlangen des Patentverletzers auf Abschluss eines Lizenzvertrages nachzukommen, kann kartellrechtswidrig sein und einen eigenen Schadensersatzanspruch des Patentverletzers gegen den Patentinhaber begründen (§ 33 GWB i.V.m. Art. 102 AEUV bzw. §§ 19, 20 GWB). Der Patentinhaber kann in einem solchen Fall für die Zeit nach seiner rechtswidrigen Weigerung keinen vollen Schadensersatz verlangen, sondern ist der Höhe nach beschränkt auf den Betrag einer angemessenen Lizenzgebühr (vgl.: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff. – Standard-Spundfass).
467Nichts anderes gilt auch dann, wenn der Patentinhaber für das in Rede stehende standardessentielle Patent eine FRAND-Erklärung abgegeben hat. Insbesondere hat die FRAND-Erklärung nicht die Wirkung, dass der Schadensersatzanspruch von vornherein auf die Höhe der FRAND-Lizenzgebühr beschränkt ist. Dies könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn man der FRAND-Erklärung konstitutive Wirkung in dem Sinne beimessen wollte, dass sie jedem Marktteilnehmer einen eigenen Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrages zu FRAND-Bedingungen vermittelt. Dieser Auffassung folgt die Kammer hingegen nicht (s.o.). Vielmehr kann der dem Grunde nach zunächst in voller Höhe bestehende Schadensersatzanspruch des Patentinhabers wegen Patentverletzung nur durch einen Gegenanspruch des Verletzers eingeschränkt werden, § 33 GWB i.V.m. Art. 102 AEUV bzw. §§ 19, 20 GWB. Die Voraussetzungen eines solchen Gegenanspruchs sind vom Verletzer darzulegen und zu beweisen.
468Nachdem Art. 102 AEUV ein missbräuchliches Verhalten des Patentinhabers voraussetzt, ist vorrangig auf dessen Verhalten abzustellen, wobei dieses üblicherweise im Wechselspiel mit dem Verhalten des Patentbenutzers zu bewerten ist. Unter welchen Voraussetzungen dem Patentinhaber im Einzelnen bei der Geltendmachung eines Schadensersatz-, Auskunfts- und/oder Rechnungslegungsanspruchs ein Missbrauchsvorwurf zu machen ist, ist vom EuGH in seinem Urteil vom 16.07.2015 (GRUR 2015, 764 ff.) nicht entschieden worden. Die Ausführungen des EuGH beziehen sich ausdrücklich nur auf die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs sowie der in ihren Wirkungen auf den betroffenen Markt vergleichbaren Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung (vgl. EuGH, GRUR 2015, 764 ff.). Im Gegensatz hierzu sind die Auswirkungen der Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung auf den Markt weitaus geringer. Allein der Umstand, dass die zu leistende Auskunft und Rechnungslegung für den Verletzer ggf. mit hohem Aufwand verbunden ist und/oder seine Geheimhaltungsinteressen berührt, rechtfertigt es nicht, für die Geltendmachung dieser Ansprüche die Anforderungen an die Pflichten des Patentinhabers im Rahmen des Art. 102 AEUV genauso hoch anzusetzen wie bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs.
469Vielmehr ist mit dem EuGH im Grundsatz davon auszugehen, dass der Verletzer eines standardessentiellen Patents – wie jeder andere Patentverletzer auch – verpflichtet ist, sich vor jeder Benutzung über die bestehende Patentsituation zu informieren und ggf. eine Lizenz einzuholen (vgl.: EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 58). Tut er dies nicht, muss er damit rechnen, auf (vollen) Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Erst wenn der Patentinhaber sich weigert, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, verhält er sich missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 53) und der Verletzer schuldet in der Folge nur noch Schadensersatz in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr.
470Soweit der EuGH vom Patentinhaber für den Fall einer Klage auf Unterlassung, Rückruf und/oder Vernichtung verlangt, dass er den Verletzer vor der Klageerhebung auf die Verletzung hinweist und ihm, nachdem der Verletzer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, ein Angebot zu FRAND-Bedingungen unterbreitet (vgl. EuGH, GRUR 2015, S. 764 ff. Rn 61-63), beruht dies unter unterem auf der Erwägung, dass mit der Zuerkennung der vorgenannten Ansprüche des Patentinhabers der Marktausschluss des Verletzers mit seinem standardkonformen Produkt mit den damit verbundenen einschneidenden Folgen für den Produktmarkt droht (vgl. EuGH, GRUR 2015, S. 764 ff. Rn 52). Diese Erwägung ist auf die Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung nicht übertragbar. Erhebt der Patentinhaber eine Klage zur Geltendmachung dieser Ansprüche, ohne den Verletzer zuvor auf die Verletzung hingewiesen und, nachdem der Verletzer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, ein Angebot zu FRAND-Bedingungen unterbreitet zu haben, begründet allein dies noch keinen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV. Hinzukommen muss vielmehr ein erkennbar nach außen zutage getretener Wille des Verletzers auf Abschluss eines Lizenzvertrages, dem der Patentinhaber sich treuwidrig verweigert.
471ee)
472Liegen nach den vorstehenden Ausführungen die Voraussetzungen für eine Beschränkung des Schadensersatzanspruches auf die Höhe einer FRAND-Gebühr vor, führt dies in der Folge zu einer inhaltlichen Beschränkung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruches. Denn letzterer hat seinem Zweck nach dem Umfang des Schadensersatzanspruches zu folgen (vgl. hierzu: Schulte/Voß/Kühnen, PatG, 9. Auflage, § 139 Rn 148).
473Die der Vorbereitung des Schadensersatzanspruches dienende Auskunft und Rechnungslegung muss zwar grundsätzlich alle Angaben enthalten, die der Verletzte benötigt, um eine der ihm offen stehenden drei Berechnungsmethoden (Lizenzanalogie, Verletzergewinn oder entgangener Gewinn) auszuwählen und auf dieser Grundlage die Schadenshöhe zu beziffern (BGH, GRUR 1962, 354, 356 - Furniergitter; BGH, GRUR 1974, 53 – Nebelscheinwerfer; Fitzner/Lutz/Bodewig/Pitz, Patentrechtskommentar, 4. Auflage 2012, § 139 Rn 236), jedoch unterstehen Inhalt und Umfang der Verpflichtung zur Auskunft und Rechnungslegung dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dies erfordert eine Abwägung der Interessen beider Parteien unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls (BGH, GRUR 1974, 53, 54 – Nebelscheinwerfer). In diesem Sinne mag auch die Äußerung des Generalanwalts Wathelet zu verstehen sein, der in seinen Schlussanträgen darauf hingewiesen hat, dass das Gericht über die Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zu wachen habe (Schlussanträge des Generalanwaltes Melchior Wathelet vom 20.11.2014 in der Rechtssache C-170/13, dort Ziffer 101).
474Dabei ist auf Seiten des Patentinhabers die Bedeutung der verlangten Auskunft für die Darlegung der für Grund und Höhe des Schadensersatzanspruchs wesentlichen Umstände in die Abwägung einzustellen; auf Seiten des Verletzers kann insbesondere ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse Bedeutung erlangen (BGH, GRUR 2007, 532 ff. – Meistbegünstigungsvereinbarung). Demgegenüber rechtfertigen Unterschiede bezüglich des Arbeitsaufwandes bei verschiedenen Schadensberechnungsarten es in aller Regel nicht, den Patentinhaber auf eine für den Verletzer weniger aufwändige Berechnungsart zu verweisen (BGH, GRUR 1982, 723 ff. – Dampffrisierstab).
475Liegen die Umstände des Einzelfalls so, dass der Patentinhaber für die Nutzung der patentgemäßen Lehre lediglich eine angemessene, FRAND-Bedingungen entsprechende Lizenzgebühr verlangen kann, gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben, auch die Verpflichtung zur Auskunft und Rechnungslegung auf die zur Berechnung dieser FRAND-Lizenzgebühr erforderlichen Angaben zu beschränken. Insbesondere ist in diesem Fall kein schutzwürdiges Interesse des Patentinhabers an Angaben zum Verletzergewinn (Kosten- und Gewinnangaben) ersichtlich, das die berechtigten Geheimhaltungsinteressen des Patentverletzers überwiegen könnte.
476Allerdings ist von den Beklagten nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass die Voraussetzungen für einen kartellrechtlichen Anspruch auf Lizensierung zu FRAND-Bedingungen gegeben sind und der Schadensersatzanspruch der Klägerin damit von vornherein auf die Höhe einer FRAND-Lizenzgebühr beschränkt wäre. Soweit die Beklagten vortragen, es habe mehrfach Treffen mit der Klägerin gegeben, im Rahmen derer ernsthafte Lizenzvertragsverhandlungen geführt worden seien, bleiben Zeitpunkte, Orte und Inhalte entsprechender Gespräche im Dunkeln. Die Klägerin bietet öffentlich die Lizensierung der übertragenen Patente zu einheitlichen Bedingungen an. Soweit die Beklagten diesbezüglich bemängeln, dass ihre Sonderposition als frühere Lizenznehmerin an den Y -Patenten nicht hinreichend berücksichtigt werde, ist dieser Einwand ohne Belang. Denn aus dem Umstand, dass die Beklagten in der Vergangenheit eine Lizenz am Klagepatent (als Teil eines Portfolios) hatten, ergibt sich keine Sonderposition, die es rechtfertigen würde, die Beklagten gegenüber anderen Lizenznehmern besser zu stellen. Ebenso wenig ist die Klägerin verpflichtet, die bisherige Lizensierungspraxis von Y fortzuführen (s.o.). Warum das Angebot der Klägerin im Übrigen nicht FRAND sein sollte, erläutern die Beklagten nicht. Ebenso fehlt es an Ausführungen zum Inhalt und Zeitpunkt des von ihnen angeblich abgegebenen Gegenangebotes. Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin den Abschluss eines Lizenzvertrages zu FRAND-Bedingungen treuwidrig verweigert und damit ihre marktbeherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV missbraucht hat.
477IX.
478Es besteht keine Veranlassung, den Rechtsstreit im Hinblick auf das Nichtigkeitsverfahren gem. § 148 ZPO auszusetzen. Für die Kammer lässt sich auf der Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstands die für eine Aussetzung erforderliche hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit der Nichtigkeitsklage nicht feststellen (BGH, GRUR 2014, 1237 – Kurznachrichten).
4791.
480Das Klagepatent ist gegenüber dem Stand der Technik neu.
481a)
482Der Standard 3GPP TS 23.331 V3.4.0 (nachfolgend: V3.4.0) steht dem Klagepatent nicht neuheitsschädlich entgegen.
483Angesichts des genannten Aussetzungsmaßstabs vermag die Kammer in der hiesigen Situation keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Widerruf des Klagepatents zu erkennen. So präsentieren die Parteien in sich schlüssige Argumentationen und vermögen andererseits nicht, ein stichhaltiges Gegenargument anzuführen, das dem Vortrag der Gegenseite die Grundlage entziehen bzw. einen grundlegenden Widerspruch aufzeigen könnte. Die Klägerin hat ein mögliches fachmännisches Verständnis der Entgegenhaltung dargelegt, das von den Beklagten nicht eine Aussetzungsentscheidung tragend in Zweifel gezogen werden konnte. Da es den Beklagten obliegt, die erforderlichen Erfolgsaussichten des anhängigen Einspruchsverfahrens darzulegen und glaubhaft zu machen, geht dies zu ihren Lasten. Hinzu tritt, dass die Annahme einer (hinreichend) sicheren Vernichtungswahrscheinlichkeit sich verbietet, wenn der im Rechtsbestandsverfahren zur Diskussion stehende technische Sachverhalt derart kompliziert und/oder komplex ist, dass sich das Verletzungsgericht keinen wirklichen Einblick in die Gegebenheiten verschaffen kann (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 8. Aufl., Rn. 531). Das ist hier der Fall.
484Nach Ansicht der Kammer werden die Anweisung, die Mitteilung und das Erkennen der eindeutigen Zellkennung (Merkmale 3.5 bis 3.7 des Anspruchs 6) nicht unmittelbar und eindeutig gezeigt.
485Aus Ziffer 8.6.7.5 erkennt der Fachmann, dass das UE in dem Zustand CELL_FACH die Cell Identity melden soll, wenn das Information Element „cell identity“ auf „TRUE“ gesetzt ist. Der Zustand CELL_DCH spielt keine Rolle, weil hier die Cell Identity nicht gemeldet werden soll. Die Cell Identity wird von der Nachbarzelle im System Information Block Typ 3 oder 4 ausgegeben. Aus Ziffer 10.3.2.2 folgt, dass die Cell Identity eindeutig eine Zelle innerhalb eines PLMN (Public Land Mobile Network) identifiziert. Insofern handelt es sich um eine eindeutige Zellenkennung.
486Die Klägerin wendet ein, dass im UMTS-System das UE nicht in der Lage sei, die Cell Identity nach Empfang der Measurement-Control Nachricht im CELL_FACH Zustand zu erkennen und zu melden.
487Die RRC-Schicht (Radio-Resource-Control-Schicht) sei für den Empfang und die Verarbeitung von Signalisierungsnachrichten verantwortlich, die zwischen einem RNC (radio network controller) und einem Endgerät übertragen werden. Das RRC bediene sich einer Zustandsmaschine, um den Verbindungstyp zwischen dem mobilen Endgerät und dem RNC zu definieren.
488Es gebe 5 RRC-Zustände, unter anderem die Zustände CELL_FACH und CELL_DCH. Von Interesse seien nur drei Messungen, mit denen die Cell Identity übertragen werden könne: Messungen an im selben Frequenzbereich wie die serving cell übertragenden UMTS-Nachbarzellen (intra-frequency measurements); Messungen an in einem anderen Frequenzbereich als die serving cell übertragenden UMTS-Nachbarzellen (inter-frequency measurements) und Messungen an Nicht-UMTS Nachbarzellen (inter-system measurements).
489Mittels der „measurement control message“ könne eine Messung im UE initiiert werden (V3.4.0; Ziffer 8.4). Die entsprechenden Messergebnisse würden mittels des Informationselements „measured results“ übertragen, das Bestandteil der „measurement report message“ sei. Mit der measurement report message werde berichtet (V3.4.0, Ziffer 10.3.7.69, 10.2.17). Wenn hingegen die Nachbarzellmessung mittels der Systeminformationsblöcke 11 und 12 konfiguriert wurde (V3.4.0, Ziffer 8.4), würden in dem RCC-Zustand CELL_FACH die Messergebnisse der Nachbarzelle nicht in den measured results in einem Messbericht, sondern über den Transportkanal RACH übertragen (V3.4.0, Ziffer 8.4 – measurement report message sent to report Z link traffic volume; nur Informationen von netzgerichteten Datenverkehraufkommen). Nur die ersten vier Nachrichten (RRC Connection Request bis Cell Z date) enthielten Informationen über die Nachbarzellen und zwar ausschließlich mittels des Informationselements Measured Results on RACH (V3.4.0; Ziffer 10.3.7.70). Hierbei handele es sich um ein inhaltlich verkürztes Informationselement angehängt an einer ohnehin an das Netz gesendeten Nachricht.
490Es würden daher zwei Arten von Messinformationen im CELL_FACH Zustand gesendet. Nach dem Übergang vom Zustand CELL_DCH in den Zustand CELL_FACH könnten Datenverkehrsvolumenmessungen fortgesetzt und initiiert werden. Bei diesen Messungen wird die Cell Identity weder verlangt noch gesendet. Diese Datenverkehrsvolumenmessungen werden in einem Measurement Report gesendet. Ferner würden Intrafrequenzmessungen vorgenommen, die angehängt an andere Nachrichten mittels des IE measured results on RACH gesendet werden. Die gemeldeten Messinformationen enthielten in keinem der beiden Fälle eine Cell Identity (vgl. V3.4.0, Privatgutachten Martin, S. 4 und 5 mit den dortigen Hinweisen auf V 3.4.0).
491An dieser Argumentation bestehen keine derart durchgreifenden Zweifel, die die Kammer zu dem Ergebnis kommen ließen, der Standard zeige ein Endgerät, dass eine eindeutige Zellenkennung erkenne, melde und anweise.
492Dies folgt zunächst nicht aus der Übertragung der „Reporting information for state CELL_DCH“ mittels der Systeminformationsblöcke 11 und 12, die nach dem Übergang zurück von CELL_FACH in den Zustand CELL_DCH übertragen wird (vgl. Abschnitte 10.3.7.41, 10.3.7.5; Privatgutachten Martin, S.6). Denn die hierin enthaltene Cell Identity wird nicht ohne weiteres als Inhalt der Cell reporting quantities übertragen. Um in dem Bericht enthalten zu sein, muss der Boolean Type auf TRUE gesetzt sein (vgl. Abschnitt 10.3.7.5). Der Fachmann erkennt anhand des Abschnitts 8.6.7.5 indes, dass ein TRUE im CELL_DCH Zustand wie ein FALSE behandelt wird („[…] - in CELL_DCH state:- treat the IE as if the IE „Cell Identity“ is set to FALSE.“). Daher wird die Cell Identity nicht gemeldet.
493Auch das Informationselement Measurement Validity (Abschnitt 10.3.7.36), das dem Mobilgerät anzeigt, für welche RRC-Zustände die Messkonfiguration maßgeblich sein soll, hat hier keine Auswirkung, weil die Messkonfiguration „alle Zustände“, „alle Zustände außer CELL_DCH“ nur einen Geltungsbereich für Verkehrsdatenaufkommensmessungen hat (Abschnitt 8.6.7.1). Somit enthält sie ebenfalls nicht die Cell Identity.
494Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus Abschnitt 9.3.2.7 des V3.4.0. Die Vorrangsaussage bezieht sich nur auf die Measurement Control message, die vor dem Wechsel in den Zustand CELL_FACH bereits im Zustand CELL_DCH empfangen wurde, bei der das Informationselement Measurement Validity auf all states oder all states except CELL_DCH gesetzt ist und die Konfiguration der Datenverkehrsvolumenmessung betrifft. Ihr gebührt danach Vorrang vor den Messungen in CELL_FACH, die durch die Systeminformationsblöcke 11 und 12 initiiert werden. Der Abschnitt regelt den für diesen Fall auftretenden Konflikt (Privatgutachten Martin, S. 4).
495Für die andere Lesart, nach der Abschnitt 9.3.2.7 zwingend zeige, dass die Ausführungen unter Abschnitt 8.4.1.7 nicht abschließend seien, lässt sich insbesondere dem Privatgutachten Carle (vgl. S. 6) kein konkretes Argument entnehmen. Sofern dort ausgeführt wird, die Abschnitte 8.4.1.7 bis 8.4.1.10 beschrieben nicht das Verhalten des Mobilgeräts für den Fall, dass im CELL_FACH Zustand Messaufträge mittels Nachrichten vom Typ „Measurement Control“ übertragen würden, sondern das Verhalten des Mobilgeräts, wenn nach Eingang eines Messauftrages ein Zustandsübergang stattfindet (Privatgutachten Carle, S. 6), wird ein entsprechendes Zitat für die erste Aussage (Übertragung von Messaufträgen vom Typ „Measurement Control“ im CELL_FACH Zustand) gerade nicht genannt. Dem steht indes der Vortrag gegenüber, dass im Sparzustand CELL_FACH weniger Messparameter und inhaltlich gekürzte Messberichte verwendet werden und die Nachbarzellmessungen so effizient wie möglich durchgeführt werden.
496Dass der Fachmann den Abschnitt 8.6.7.5 als eine Offenbarungsstelle für den Bericht einer eindeutigen Zellkennung versteht, vermag die Kammer nicht mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Es kann insoweit dahinstehen, ob die nachträgliche Änderung dieses Abschnitts durch den Change Request CR-702 Tdoc R2-101593 von EEE gerade zeigt, dass der Fachmann diesen Passus von vorneherein für missverständlich gehalten hat. Die klagepatentgemäße Lehre muss unmittelbar und eindeutig offenbart sein. Daran bestehen hingegen durchgreifende Zweifel, wenn der Fachmann die Funktion eines Merkmals im Gesamtkontext der Offenbarung für nachteilig erachtet und deswegen ein solches Verständnis von vorneherein nicht zugrundelegt. Denn erkennbare Fehler wird der Fachmann in der Regel korrigieren (vgl. Benkard/Mellulis, 11. Aufl., § 3 PatG Rn. 182). Die Beklagten vermochten die Argumentation der Klägerin nicht derart zu erschüttern, dass die Kammer von einer Offenbarung des Merkmals 3.7 ausgeht.
497b)
498Die vorherigen Ausführungen gelten auch für die Version 3GPP TS 23.331 V3.4.1 (nachfolgend: V3.4.1).
499c)
500Auch die Version 3GPP TS 23.331 V3.3.0 (nachfolgend: V3.3.0.) offenbart die Merkmale 3.3 bis 3.7 des Anspruchs 6 nicht.
501aa)
502So ist nicht unmittelbar und eindeutig gezeigt, dass in CELL_DCH die Cell Identity von der UE erkannt wird. Zwar lassen sich die Verweisungen der Abschnitte 10.2.17, 10.3.7.69, 10.3.7.35 und 10.3.7.3 zunächst so verstehen, dass die Cell Identity als Bestandteil der Cell measured results Bestandteil des measurement reports ist (Merkmal 3.7). Indes hat die Klägerin vorgetragen, dass im CELL_DCH Zustand die UE nicht in der Lage ist, die Cell Identity zu erkennen. Diese werden nur in den Systeminformationsblöcken SIB 3 und SIB 4 übertragen (V3.3.0, S. 198/199), die jedoch im CELL_DCH Zustand nicht ausgelesen werden können (V3.3.0, Tabelle 8.1.1, S. 29-30).
503V3.3.0 zeigt also nicht, dass die eindeutige Zellkennungsinformation im CELL_DCH Zustand erkannt werden kann (Merkmal 3.6). Vor diesem Hintergrund erscheint die Meldung der Cell Identity als Bestandteil des Measurement Reports jedenfalls widersprüchlich. Auch wenn das Klagepatent sich nicht zu den einzelnen Zuständen verhält, soll die Zellenkennung, die erkannt wurde, im (direkten) Anschluss gemeldet werden.
504Dieses Verständnis wird durch den Änderungsvorschlag von NTT DoCoMo R2-001416 bestätigt, aus dem sich ebenfalls ergibt, dass die Zellidentität nur im Systeminformationsblock Typ 3 und 4 vorhanden ist, welche nicht gelesen werden können, falls das UE sich im CELL_DCH Zustand befindet und das UE eine potentiell ungültige Zellidentität nach dem Wechsel in den CELL_DCH Zustand meldet. Selbst wenn man den Änderungsvorschlag zusammen mit der V 3.3.0 als ein Dokument ansähe – was zweifelhaft ist –, geht hieraus nur hervor, dass es gerade eines zusätzlichen Informationselementes mit der Cell Identity vor dem Hintergrund des V 3.3.0 bedurft hätte. Eine unmittelbare und offenkundige Gesamtoffenbarung der klagepatentgemäßen Lehre erkennt der Fachmann hierin nicht, sondern wiederum nur das Aufzeigen eines Fehlers, der gegebenenfalls zu einer Anpassung führen kann.
505Schließlich folgt auch nichts anderes aus der Spezifikation TS 134 123-1 V3.3.0 für die UMTS-Konformitätstests für mobile Endgeräte. Zum einen spricht bereits der Umstand, dass es sich um ein anderes Dokument handelt, gegen eine unmittelbare und eindeutige Gesamtoffenbarung. Zum anderen ergibt sich aus der Spezifikation ebenfalls nicht, dass die Cell Identity – auch wenn sie Bestandteil des Measurements Reports ist – im CELL_DCH Zustand vom UE erkannt werden kann, obwohl sie sich in den Systeminformationsblöcken SIB 3 und 4 befindet, die in diesem Zustand nicht gelesen werden können.
506bb)
507Ferner offenbart die Version V3.3.0 auch nicht, dass die Cell Indentity nach dem Übergang vom Zustand vom CELL_FACH in den Zustand CELL_DCH übertragen wird. Im Unterschied zur Version V3.4.0 findet sich hier der Abschnitt 8.6.7.5 nicht. Gleichwohl offenbart Abschnitt 10.3.7.5 dem Fachmann nicht eindeutig und unmittelbar, dass nach dem Zustandswechsel in CELL_DCH die Anweisung besteht, die Cell Identity zu berichten. Dem Hinweis, dass der Boolean Typ auf TRUE gesetzt werden muss, um in dem Messbericht enthalten zu sein, mag der Fachmann allenfalls diese Möglichkeit entnehmen. Diese wird der Fachmann indes nicht wählen, weil er weiß, dass die Cell Identity im CELL_FACH nicht benötigt wird. Permanent antizipierte Messungen, in einem Zustand, der energiesparend sein soll, sind nicht notwendig. Es bedarf dort ihrer nicht im gleichen Umfang für ein Handover wie im CELL_DCH Zustand, in dem wie ausgeführt die Cell Identity auch nicht der Basisstation gemeldet wird. Daher würde der Bericht veraltete und gegebenenfalls ungültige Messergebnisse beinhalten. Insofern sieht der Fachmann keine Notwendigkeit für die Anweisung und wird den Boolean Type auf FALSE setzen.
508d)
509Die Ausführungen zu den Versionen V3.3.0, V3.4.0 und V3.4.1 gelten ebenfalls für Anspruch 16, so dass die Merkmale 4.4.1 und 4.4.2 nicht offenbart sind.
510e)
511Das Klagepatent ist gegenüber der Entgegenhaltung „Wang“ (Masterarbeit vom 16.06.2003, neu.
512Wang befasst sich mit einem Handover Mechanismus in einem heterogenen Netz, das z.B. aus einer Kombination von Weitverkehrsfunknetzen (GPRS oder 3G) und lokalen Drahtlosnetzwerken (WLAN) besteht. Der Entgegenhaltung mangelt es an der Offenbarung einer nichteindeutigen Zellenkennung. Im Rahmen der Erstellung einer externen Ressourcenkarte wird ein Präfixcode/BS-ID Nummer einer benachbarten BS übertragen und analysiert, ob es sich um ein bekanntes IP-Präfix handelt (Anlage FFF -ES 16a, S. 18, Schritte 2 und 3). In der mündlichen Verhandlung haben die Beklagten insoweit ausgeführt, dass es sich bei dem Präfixcode, den ersten beiden gelben Spalten der Tabelle 1 in der Anlage FFF -ES 16a, um die nichteindeutige Zellenkennung handele, das Netzwerk IP-Präfix in der orangen Spalte demgegenüber die eindeutige Zellenkennung darstelle. Ferner sei in der Tabelle 12 auf S. 58 ein geschlossenes System definiert, das nur 28 Zellen zeige, die wiederum alle ein anderes Network-IP-Präfix aufwiesen. Dem kann die Kammer nicht beitreten, denn neben dem eindeutigen Network-IP-Präfix zeigt diese Tabelle auch jeweils einen eindeutigen Präfixcode/BS-ID-Nummer: Diese die Network ID und Cell serial number enthaltenen Präfixcodes/BS-ID Nummern haben die Aufteilung WWAN BS 1-8 und WLAN 1 AP 1-20. Keine der Präfixcodes/ID-Nummern wiederholt sich. Dieser gezeigte Beacon-Code offenbart daher keine nichteindeutige Zellenkennung.
513f)
514Die Entgegenhaltung WO 02/43430 (nachfolgend: GGG ) nimmt die klagepatentgemäße Lehre der Ansprüche 6 und 16 ebenfalls nicht neuheitsschädlich vorweg.
515Eine eindeutige Zellenkennung ist in Form der zweiten BSIC Zellenkennung nicht offenbart. Die zweite BSIC stellt keine eindeutige Kennung im Sinne des Klagepatents dar. Sie erscheint in Anbetracht der überschaubaren Auswahl an möglichen BSIC (Basisstationsidentifikationscodes) – 64 an der Zahl – nur lokal als eindeutig, wobei die Lehre des Klagepatents eine im gesamten Netz eindeutige Kennung fordert. Sofern die Beklagte hier auf den zweiten Broadcast-Kontrollkanal und der dort gesendeten zweiten BSIC verweist, bleibt diese Art der Eindeutigkeit hinter der Lehre des Klagepatents zurück. Wird im Messbericht lediglich die zweite BSIC übertragen, ist diese Kennung als 6-Bit-Wert nach dem Klagepatent gerade nicht eindeutig. Nach GGG ist es nicht ausgeschlossen, dass die zweite BSIC in anderen lokalen Bereichen des Netzes wiederverwendet wird. Verwirrende Messberichte durch eine Doppelnutzung scheinen nur deswegen ausgeschlossen zu sein, weil durch den BSC und MSC vor der Vergabe der BSIC geklärt wurde, dass er in keiner weiteren Nachbarzelle bereits Verwendung findet. Nach der Lehre des Klagepatents ist die eindeutige Zellenkennung aber so ausgestaltet, dass Verwechselungen mit jeglichen Zellen im Netz vermieden werden. Die globale Eindeutigkeit bezieht sich auf das Netz. Unerheblich ist, aus wie vielen Werten die eindeutige Zellenkennung besteht, solange diese Werte im Netz eine unverwechselbare Zuordnung ermöglichen.
516g)
517Das Klagepatent ist auch gegenüber der Entgegenhaltung WO X (nachfolgend HHH ) neu.
518Es fehlt an einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung, dass sowohl die eindeutige als auch nicht die nichteindeutige Zellenkennung erkannt werden (Merkmale 3.3 und 3.6 des Anspruchs 6, Merkmale 4.2, 4.4 und 4.4.2 des Anspruchs 16). HHH präsentiert in Abgrenzung zum Stand der Technik, bei dem eine nichteindeutige Kennung eingesetzt wird, den Einsatz einer eindeutigen Kennung. Die Darstellung der nichteindeutigen Kennung wie des aus BCC und NCC zusammensetzten BSIC bezieht sich auf den Stand der Technik („conventional measurements“ (Z.5); „The principal way in which base station identification has been attempted in the past is […]“; „Thus, for system wide algorithm development, neither of these techniques for identifying a base station are sufficiently reliable to ensure unique identifications […]“. Demgegenüber zeigt Figur 4 in HHH eine Lösung, in der nur eine eindeutige Kennung offenbart ist. Hier ist ein kombiniertes Erkennen von eindeutiger und nichteindeutiger Zellkennung nicht gezeigt. Die Kombination wird vom Fachmann auch nicht mitgelesen. Weitere Überlegungen, wie z.B. ein erhöhter Ressourcenverbrauch, der eine kombinierte Erkennung fordern könnte, die der Fachmann zusätzlich anstellen müsste, sprechen dagegen.
5192.
520Die klagepatentgemäße Lehre ist zudem im Stand der Technik nicht nahe gelegt.
521Der Standard 3 GPP TS 36.300 V0.5.0 (2007-02) zeigt bereits nicht das Empfangen einer Anweisung und das Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennung (Merkmale 3.5, 3.7 des Anspruchs 6, Merkmal 4.4.1 des Anspruchs 16).
522Eine Kombination mit der Entgegenhaltung X zeigt mangels Offenbarung der Anweisung die klagepatentgemäße Erfindung nicht. Es erscheint der Kammer zweifelhaft, ob das Erkennen einer etwaig gezeigten Cell Identity nach einer Anweisung erfolgt und nicht bereits davor bzw. beide (eindeutig und nichteindeutigen) Kennungen gemeldet werden.
523In der Entgegenhaltung Meeting Report RigaTSGR#54(11) R3-070322 ist nicht ersichtlich, dass die Cell Identities zwingend in den DSR-Meldungen enthalten sind, so dass eine vorherige Anweisung und Meldung ebenfalls nicht gezeigt sind. Eine Kombination zeigt daher nicht alle klagepatentgemäßen Merkmale.
524Mangels näherer Ausführungen ist die klagepatentgemäße Lehre auch nicht durch die Kombination mit den Entgegenhaltungen X, X, X und X nahe gelegt.
5253.
526Das Klagepatent ist nicht unzulässig erweitert.
527a)
528Indem das mobile Endgerät als Ganzes in der Figur 2 und deren Beschreibung in den Anmeldeunterlagen offenbart ist, erkennt der Fachmann auch, dass die Mittel zum Kommunizieren, Erkennen und Bestimmen etc. gezeigt sind.
529b)
530Es ist nicht ersichtlich, dass der Zusatz des Erkennens und Meldens der nichteindeutigen Zellenkennung den Gegenstand des Klagepatents gegenüber der Patentanmeldung unzulässig erweitert. Bei der streitgegenständlichen Erfindung geht es in erster Linie um die Identifizierung der Nachbarzelle über die eindeutige Zellenkennung. Aus den Anmeldeunterlagen ergibt sich, dass die nichteindeutige Zellenkennung mit den Messinformationen der Betriebsparameter verknüpft ist (WO X, nachfolgend: WO X). Es ergibt sich aber ebenfalls, dass ein gemessener Betriebsparameter typischerweise ein physikalischer Übertragungscodes wie beispielsweise ein Verwürfelungscode, der einer Zelle nicht eindeutig zugeordnet ist, sein kann (WO X, S 2, 2. Abs.). Damit zeigen die Anmeldeunterlagen, dass es sich bei der nichteindeutigen Zellenkennung um einen Betriebsparameter handelt, der erkannt und gemeldet wird. Indem der Anspruch die nichteindeutige Kennung als einen spezifischen Betriebsparameter herausgreift, wird der Anspruch nicht erweitert. Das Klagepatent hat den eben aufgeführten Passus ebenso wie das Ausführungsbeispiel in Absatz [0023] in seine Beschreibung übernommen. Der erteilte Anspruch geht insofern nicht über die Anmeldeunterlagen hinaus, weil das Erkennen und Melden der nichteindeutigen Kennung das Erkennen und Melden einer Parameterinformation darstellt.
531Aus diesem Grund ist auch das Bestimmen der Notwendigkeit eindeutiger Zellenkennungsinformationen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen in den Anmeldeunterlagen offenbart.
532c)
533Es ist nicht nachvollziehbar, wieso durch die Änderung der Reihenfolge die Bedeutung des beanspruchten Gegenstandes geändert werden soll. Es erscheint vielmehr so, dass die Reihenfolge aus den Figuren in den Anmeldeunterlagen gerade in der erteilten Fassung eingehalten wird.
5344.
535Die Kammer hält es nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass das Klagepatent mangels Ausführbarkeit widerrufen wird. Die Einwände werfen Auslegungsfragen bezüglicher einzelner Merkmale bzw. des Begriffs der eindeutigen Zellkennung, des Bestimmens aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen und der Definition von Nachbarzellenliste und Handover-Kandidatenliste auf. Der Fachmann wird die Begriffe jedoch mit Hilfe seiner Fachkenntnis auslegen und ihren technischen Sinngehalt umsetzen können.
5365.
537Die weiteren Angriffe sind mangels schriftsätzlicher Behandlung im Verletzungsverfahren von den Parteien selbst zu Recht nicht als eine Aussetzungsentscheidung tragend angesehen worden.
538X.
539Dem Antrag der Beklagten auf Vorlage des MSA war nicht zu entsprechen.
5401.
541Soweit die Beklagten die Vorlage des MSA gemäß § 142 ZPO beantragen, haben sie hiermit keinen Erfolg.
542Nach § 142 Absatz 1 ZPO kann das Gericht anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Dabei muss sich die Bedeutung einer konkret zu bezeichnenden Urkunde für die begehrte Entscheidung aus schlüssigem Parteivortrag ergeben. Die Anordnung ist nur zulässig, wenn sie dazu dient, für die vom Gericht begehrte Entscheidung relevante Umstände zu erhellen (vgl. Zöller/Greger, 31. Aufl. 2016, § 142 Rn. 7; BGH, NJW 2014, 3312). Dabei sind im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung insbesondere auch berechtigte Belange des Geheimnis- oder Persönlichkeitsschutzes zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Greger, 31. Aufl. 2016, § 142 Rn. 8; BGH, NJW 2007, 2989).
543Vor diesem Hintergrund kommt die Anordnung der Vorlage des gesamten MSA nicht in Betracht. Die Kammer vermag anhand des Vortrags der Beklagten nicht zu erkennen, dass die Vorlage des gesamten MSA – über die bereits zur Akte gereichten Auszüge hinaus – für die Entscheidung von Relevanz ist. Demgegenüber würde die Anordnung der Vorlage des gesamten MSA dazu führen, dass Inhalte, die bisher nicht über einen eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und die auch nicht öffentlich verbreitet werden sollen, Dritten bekannt werden würden. Die Vorlage des gesamten MSA würde damit schutzwürdige Interessen der Klägerin und/oder der Streithelferin verletzen. Unter Abwägung der berechtigten Interessen der Parteien hat die Kammer von einer Anordnung der Vorlage des gesamten MSA abgesehen.
544Sofern der Antrag der Beklagten dahingehend zu verstehen sein sollte, dass er sich auf die Vorlage des gesamten Closing binders bezieht, gilt das zuvor Gesagte erst recht.
5452.
546Auch eine Vorlagepflicht nach § 423 ZPO besteht nicht.
547Nach § 423 ZPO ist der Gegner zur Vorlage der in seinen Händen befindlichen Unterlagen verpflichtet, auf die er im Prozess zur Beweisführung Bezug genommen hat. Ausreichend ist jede Bezugnahme zu Aufklärungszwecken (vgl. Zöller, a.a.O., § 423 Rn. 1). Es genügt aber nicht, wenn der Gegner auf den Urkundeninhalt lediglich zur Ergänzung oder Erläuterung seines Tatsachenvortrags hingewiesen hat (vgl. Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 423 Rn. 1).
548Im vorliegenden Fall hat die Klägerin auf den Closing Binder lediglich Bezug genommen, um die Glaubwürdigkeit der vernommenen Zeugen darzulegen. Eine inhaltliche Bezugnahme dergestalt, dass der Closing Binder zur Aufklärung strittiger Punkte beitragen würde, erfolgte nicht.
549XI.
550Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 Nr. 2, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit basiert auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
551Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
552ursprünglich: 2.000.000,00 EUR
553ab dem 23.05.2014 (Teilklagerücknahme): 1.600.000,00 EUR
554Die Streitwertfestsetzung auf 2.000.000,00 EUR beruht darauf, dass mit der Klage neben den mobilen Endgeräten auch Basisstationen angegriffen werden.
(1) Ein Zusammenschluss liegt in folgenden Fällen vor:
- 1.
Erwerb des Vermögens eines anderen Unternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil; das gilt auch, wenn ein im Inland tätiges Unternehmen, dessen Vermögen erworben wird, noch keine Umsatzerlöse erzielt hat; - 2.
Erwerb der unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle durch ein oder mehrere Unternehmen über die Gesamtheit oder Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen. Die Kontrolle wird durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet, die einzeln oder zusammen unter Berücksichtigung aller tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben, insbesondere durch - a)
Eigentums- oder Nutzungsrechte an einer Gesamtheit oder an Teilen des Vermögens des Unternehmens, - b)
Rechte oder Verträge, die einen bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung, die Beratungen oder Beschlüsse der Organe des Unternehmens gewähren;
- 3.
Erwerb von Anteilen an einem anderen Unternehmen, wenn die Anteile allein oder zusammen mit sonstigen, dem Unternehmen bereits gehörenden Anteilen - a)
50 vom Hundert oder - b)
25 vom Hundert
- 4.
jede sonstige Verbindung von Unternehmen, auf Grund deren ein oder mehrere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen wettbewerblich erheblichen Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können.
(2) Ein Zusammenschluss liegt auch dann vor, wenn die beteiligten Unternehmen bereits vorher zusammengeschlossen waren, es sei denn, der Zusammenschluss führt nicht zu einer wesentlichen Verstärkung der bestehenden Unternehmensverbindung.
(3) Erwerben Kreditinstitute, Finanzinstitute oder Versicherungsunternehmen Anteile an einem anderen Unternehmen zum Zwecke der Veräußerung, gilt dies nicht als Zusammenschluss, solange sie das Stimmrecht aus den Anteilen nicht ausüben und sofern die Veräußerung innerhalb eines Jahres erfolgt. Diese Frist kann vom Bundeskartellamt auf Antrag verlängert werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Veräußerung innerhalb der Frist unzumutbar war.
(1) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden Anwendung, wenn im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss
- 1.
die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Millionen Euro und - 2.
im Inland mindestens ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro und ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 17,5 Millionen Euro
(1a) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden auch Anwendung, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 erfüllt sind, - 2.
im Inland im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss - a)
ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro erzielt hat und - b)
weder das zu erwerbende Unternehmen noch ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von jeweils mehr als 17,5 Millionen Euro erzielt haben,
- 3.
der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 400 Millionen Euro beträgt und - 4.
das zu erwerbende Unternehmen nach Nummer 2 in erheblichem Umfang im Inland tätig ist.
(2) Absatz 1 gilt nicht für Zusammenschlüsse durch die Zusammenlegung öffentlicher Einrichtungen und Betriebe, die mit einer kommunalen Gebietsreform einhergehen. Die Absätze 1 und 1a gelten nicht, wenn alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen
- 1.
Mitglied einer kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe im Sinne des § 8b Absatz 4 Satz 8 des Körperschaftsteuergesetzes sind, - 2.
im Wesentlichen für die Unternehmen der kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe, deren Mitglied sie sind, Dienstleistungen erbringen und - 3.
bei der Tätigkeit nach Nummer 2 keine eigenen vertraglichen Endkundenbeziehungen unterhalten.
(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung, soweit die Europäische Kommission nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in ihrer jeweils geltenden Fassung ausschließlich zuständig ist.
Tenor
I.
Die Beklagten werden verurteilt,
der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 13. Dezember 2013
1. (nur die Beklagten zu 1) und 2)) mobile Endgeräte zur Verwendung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
wobei das Endgerät Mittel zum Ausführen der Schritte des folgenden Verfahrens umfasst:
Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt; Bestimmen mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle; Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle; Melden von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle und Melden der erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Erkennen eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung; und Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
2. (nur die Beklagte zu 1)) drahtlose Telekommunikationsnetze in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
die eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definieren, wobei das Netz Netzressourcen umfasst, die betreibbar sind zum Kommunizieren mit einem in einer ersten Kommunikationszelle betriebenen mobilen Endgerät; Empfangen nichteindeutiger Kennungsinformationen und Parameterinformationen bezüglich mindestens eines Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät; Definieren einer Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät, wobei die Nachbarzellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält; Bestimmen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen, ob eindeutige Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle erforderlich sind, und wenn solche eindeutigen Kennungsinformationen erforderlich sind, Übertragen einer Anweisung an das mobile Endgerät; Empfangen eindeutiger Zellenkennungsinformationen bezüglich der zweiten Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät; und Definieren einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät, wobei die für das Handover infrage kommende Zellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält;
wobei die Auskunft in Form einer geordneten Aufstellung gegenüber der Klägerin zu erfolgen hat, und zwar, soweit zutreffend, unter Angabe
a)
der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, aufgeschlüsselt nach der jeweiligen Menge, Zeiten, Preisen, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer;
c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Suchmaschinen und anderer Marketingwerkzeuge, mit Hilfe derer die betroffenen Webseiten einzeln oder gemeinsam registriert wurden, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;
e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Beklagten die Richtigkeit ihrer Angaben nach a) und b) belegen müssen, indem sie Belegkopien wie Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine vorlegen;
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer, der in der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist, mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die der A durch die vom 13.12.2013 bis zum 26.02.2014 und der Klägerin durch die seit dem 27.02.2014 begangenen, unter Ziffer I. (Beklagte zu 2) nur Ziffer I.1) bezeichneten Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden.
III.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin zu 40%, die Beklagte zu 1) zu 40% und die Beklagte zu 2) zu 20% zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) trägt die Klägerin, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) trägt die Klägerin zu jeweils 20%. Die Kosten der Streithilfe haben die Beklagte zu 1) zu 50% und die Beklagte zu 2) zu 25% zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
V.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 1.200.000,00 vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagten und die Streithelferin ist das Urteil vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP B (im Folgenden: Klagepatent) auf Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
3Das Klagepatent wurde von der Streithelferin am 28.02.2007 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 18.11.2009 veröffentlicht. Am 13.11.2013 erfolgte die Veröffentlichung und Bekanntmachung seiner Erteilung. Am 13.08.2014 legte unter anderem die Beklagte zu 3) Einspruch gegen die Erteilung des Klagepatents beim Europäischen Patentamt ein, über den bislang noch nicht entschieden ist. Das Klagepatent steht in Kraft.
4Das in englischer Sprache erteilte Klagepatent betrifft die Selbstkonfiguration und Optimierung von Zellennachbarn in drahtlosen Telekommunikationsnetzen. Die geschützte Technik dient zur Vereinfachung der Architekturverwaltung und beschäftigt sich mit der Identifizierung von Funkzellen, die für einen reibungslosen Weiterleitungsvorgang (sog. handover) der Mobilfunkverbindung zwischen Nachbarzellen des Telekommunikationsnetzes notwendig ist.
5Die Klägerin stützt den Verletzungsvorwurf auf eine Kombination der Klagepatentansprüche 1 und 6 und den Anspruch 16.
6Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
7„A method for operating a mobile terminal in a wireless telecommunication system which defines a plurality of communications cells, the method comprising:
8Communication with a radio base station which serves a first communication cell;
9determining (101) at least one operating parameter for a second communications cell;
10detecting non-unique identifier information for the second communications cell;
11reporting (103) parameter information relating to the or each operating parameter for the second communications cell and reporting the detected non-unique identifier information to the radio base station of the first communications cell,
12wherein the method further comprises:
13receiving (113) an instruction from the radio base station of the first communications cell;
14detecting (115) unique cell identifier information for the second communications cell upon receipt of the instruction; and
15reporting (117) the detected unique cell identifier information for the second communications cell to the radio base station of the first communications cell.”
16Anspruch 1 des Klagepatents lautet in deutscher Übersetzung:
17„Verfahren zum Betreiben eines mobilen Endgeräts in einem drahtlosen Telekommunikationssystem, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, wobei das Verfahren Folgendes umfasst:
18Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt;
19Bestimmen (101) mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle;
20Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle;
21Melden (103) von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameter für die zweite Kommunikationszelle und Melden der erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle,
22wobei das Verfahren weiterhin Folgendes umfasst:
23Empfangen (113) einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
24Erkennen (115) eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung; und
25Melden (117) der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle.“
26Anspruch 6 des Klagepatents lautet:
27„ A mobile terminal (4) for use in a wireless telecommunications system which defines a plurality of communications cells, the terminal comprising means for carrying out the steps of a method as claimed in any one of the preceding claims.”
28Anspruch 6 des Klagepatents lautet in deutscher Übersetzung:
29„Mobiles Endgerät (4) zur Verwendung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, wobei das Endgerät Mittel zum Ausführen der Schritte eines Verfahrens nach einem beliebigen der vorhergehenden Ansprüche umfasst.“
30Anspruch 16 des Klagepatents lautet:
31„A wireless telecommunications network defines a plurality of communications cells, the network comprising network resources operable to:
32communicate with a mobile terminal operating in a first communications cell;
33receive (107) non-unique identifier information and parameter information relating to at least one operating parameter for the second communications cell from the mobile terminal;
34define (109) a neighbor cell list for the mobile terminal, the neighbor CELLIST including the second communications cell;
35determine (111) from the non-unique identifier information, whether unique cell identity information is required for the second communications; and, if such unique identity information is required:
36transmit (111) an instruction to the mobile terminal;
37receive (119) unique cell identifier information relating to the second communications cell from the mobile terminal; and
38define (121) a handover candidate cell list for the mobile terminal, the handover candidate cell list including the second communications cell.”
39Anspruch 16 des Klagepatents lautet in deutscher Übersetzung:
40„Drahtloses Telekommunikationsnetz, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, wobei das Netz Netzressourcen umfasst, die betreibbar sind zum:
41Kommunizieren mit einem in einer ersten Kommunikationszelle betriebenen mobilen Endgerät;
42Empfangen (107) nichteindeutiger Kennungsinformationen und Parameterinformationen bezüglich mindestens eines Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät;
43Definieren (109) einer Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät, wobei die Nachbarzellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält;
44Bestimmen (111) aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen, ob eindeutige Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle erforderlich sind, und wenn solche eindeutigen Kennungsinformationen erforderlich sind:
45Übertragen (111) einer Anweisung an das mobile Endgerät;
46Empfangen (119) eindeutiger Zellenkennungsinformationen bezüglich der zweiten Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät; und
47Definieren (121) einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät, wobei die für das Handover infrage kommende Zellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält.“
48Die Streithelferin besitzt eines der stärksten Portfolios essentieller Patente in der Telekommunikationsindustrie. Am 10.01.2013 schloss sie mit der C („E Sub“), der D („UP“), deren Tochtergesellschaften E („UP Sub1“) und F Manager G („UP Sub 2“) sowie der A („UPG “) das sogenannte Master Sales Agreement („MSA“), das die weitere Verwertung eines Teils ihrer Patente zum Gegenstand hat. Betroffen war ein Patentportfolio, das über 2000 Patente umfasste. Hinsichtlich der Regelungen des MSA im Einzelnen wird auf den in Auszügen von den Parteien zur Akte gereichten Vertragstext Bezug genommen.
49Bei der Streithelferin handelt es sich um eine Gesellschaft, die nach schwedischem Recht gegründet wurde. Die E Sub, UP, UP Sub 1 und UP Sub 2 sind sämtlich Gesellschaften, die nach dem Recht des Staates Delaware gegründet wurden. Die UPG wurde nach dem Recht des Staates Nevada gegründet. Die Klägerin wurde nach irischem Recht gegründet. Sie gehört zur E Gruppe und ist mit der Verwaltung und Lizensierung von Patenten befasst. Sie ist dem MSA nachträglich beigetreten.
50Im MSA findet sich in Ziffer 6.14 unter anderem die Regelung, dass die UPG die FRAND-Verpflichtung der Streithelferin übernimmt und innerhalb einer angemessenen Frist nach Abschluss des Vertrages gegenüber der ETSI eine eigene FRAND-Erklärung abgeben wird. Dieser Verpflichtung ist die UPG durch Erklärung vom 14.06.2013 nachgekommen. In einer weiteren Vereinbarung vom 13.02.2013 (Patent Sale and Grant-Back Licence Agreement – „PSA“) findet sich in Klausel 5.4 die Verpflichtung der UPG , bei einer Übertragung von Patenten auf Dritte sicherzustellen, dass die FRAND-Verpflichtung übernommen wird. Dies wurde bei der Übertragung des Klagepatents auf die Klägerin umgesetzt und die Klägerin gab am 6.3.2014 gegenüber der ETSI eine eigene FRAND-Verpflichtungserklärung ab. In Umsetzung des MSA schlossen dessen Vertragsparteien in der Folgezeit drei Übertragungsverträge, deren Wirksamkeit zwischen den Parteien im Streit steht.
51Die Beklagten gehören zur F -Gruppe, die sowohl im Bereich der Infrastruktur als auch im Bereich der Mobilfunkendgeräte im Markt für Telekommunikationsnetzwerke tätig sind. Zu ihrem Produktangebot gehören unter anderem Basisstationen (sog. eNodeBs oder eNB) für den Aus- und Aufbau von Long Term Evolution (LTE)-Netzwerken bzw. sog. 4G-Netzwerken (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform I) und LTE-fähige Mobilendgeräte (sog. UEs; nachfolgend: angegriffene Ausführungsform II).
52Die Architektur der LTE-Netzwerke ebenso wie die LTE-Fähigkeit der Mobilgeräte ist standardisiert. Daher kommunizieren die eNBs mit den LTE-Mobilgeräten über Funksignale nach den LTE-Standards. Die streitgegenständliche Technik wird in dem Telekommunikationsstandard 3GPP TS 36.300 Version 8.9.0 (nachfolgend LTE-Standard I), dem Telekommunikationsstandard 3GPP TS 36.331 Version 8.7.0 (nachfolgend LTE-Standard II) und dem Dokument 3GPP TS 36.523-1 Version 12.3.0 (nachfolgend LTE Standard III) behandelt. Die früheste Version des LTE-Standards I, welche sich mit der streitgegenständlichen Technik befasst, ist die Version 8.5.0, die im Juni 2008 veröffentlicht wurde. Bei der frühesten Version des LTE-Standards II, welche die streitgegenständliche Technik betrifft, handelt es sich um die Version 8.3.0, deren Veröffentlichung im September 2008 erfolgte. Die definierten und standardisierten Konformitätstests im LTE-Standard III sind gültig für alle Endgeräte, die 3GPP Releases ab Release 8 umsetzen.
53Der LTE-Standard beschreibt u.a. den hier streitgegenständlichen Betrieb der automatischen Nachbarbeziehungen (Automatic Neighbour Relation Function = sog. ANR-Funktion). Hierbei handelt es sich um eine einseitige Beziehung zwischen der Ausgangs- bzw. Versorgungszelle (serving cell) und einer oder mehreren Zielzellen. Diese Zielzellen stellen Nachbarzellen dar, die Signale übermitteln, die vom LTE-Mobilgerät empfangen werden können.
54Die Beklagte zu 2) bietet die angegriffenen Ausführungsformen in Deutschland an und bringt sie in Verkehr. Sie wird im Impressum der Seite http://www.F devices.de genannt. Die Beklagte zu 1) unterhält und betreibt die Internetseite http://www.F .com/. Die Nutzer der Seite können über den Begriff „Worldwide“ die Internetseite teilweise in deutscher Übersetzung anwählen unter http://www.F .com/de. Ferner kann der Nutzer in der Rubrik „Products & Solutions“ unter „Consumers“ zu den Auswahlmöglichkeiten „Telefone, Datenprodukte, Tablets“ zum F -Shop gelangen. Diese verlinkte Webseite wird von der Beklagten zu 2) betrieben. Sie zeigt unter anderem Mobiltelefone, die LTE-fähig sind. Die Beklagte zu 1) stellte außerdem auf der CeBIT in Hannover vom 10.03.2014 bis zum 14.03.2014 die LTE-fähige Basisstation „DBS3900 Distributed Base Station“ aus. Auf einer eigens für die CeBIT eingerichteten Internetseite konnten sich die Messebesucher über die ausgestellten Produkte informieren. Eine hiermit verlinkte Seite stellte diverse Produkte für das „Flagship Product TE 30 All-in-One HD Videoconferencing System“ aus, unter anderem besagte Basisstation, wobei der Nutzer durch deren Anklicken weitere Informationen zu ihren technischen Spezifikationen erfahren konnte. Die Beklagte zu 1) ist im Ausstellerverzeichnis der Messe genannt.
55Mit E-Mail vom 09.07.2013 wies Herr G , Mitarbeiter des Investment-Banking Beraters Evercore Partners, im Namen der E Group Herrn H, Mitarbeiter bei F , auf die Übernahme standardessentieller Patente von I hin. Nach einer Erinnerung am 30.07.2013 verwies Herr X auf die Zuständigkeit von Herrn J . Dieser erklärte am 22.08.2013 gegenüber Herrn K , dass kein Interesse an den I -Patenten bestehe.
56Im Zeitraum September bis Dezember 2013 versuchte die Klägerin, Lizenzierungsgespräche mit den Beklagten zu führen. Herr L , Leiter der Patentabteilung für die Beklagten, wies mit E-mail vom 27.11.2013 darauf hin, dass F grundsätzlich geistige Eigentumsrechte akzeptiere. Im Januar 2014 bat Herr X, Mitarbeiter der Patentabteilung bei F , Herrn M , den Geschäftsführer der Klägerin, um einige claim charts für Patente, die von der Klägerin übernommen worden waren. Hierauf übersandte Herr M Herrn Li am 16.01.2014 den Entwurf einer Vertraulichkeitsvereinbarung und wies darauf hin, dass die Unterzeichnung dieser Erklärung Voraussetzung sei für die Übersendung der erbetenen claim charts. Herr X übersandte Herrn M eine geänderte Fassung der Geheimhaltungsvereinbarung, worauf Herr M am 29.01.2014 antwortete, dass man dies überdenken werde.
57Am 10.03.2014 wurde die vorliegende Klage erhoben, zeitgleich Klagen in Großbritannien. Herr M informierte die Beklagten hierüber noch am selben Tag. Herr N erklärte hierauf, dass man in Kontakt bleiben werde, um vernünftige Lizenzbedingungen zu verhandeln.
58Am 22.04.2014 übersandten die englischen Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Beklagten eine powerpoint-Präsentation zu den möglichen Rahmenbedingungen einer Lizenz („License Proposal“). Diese sah eine Lizenzgebühr von 0,75 USD pro Mobilfunkendgerät vor und war an sämtliche Patentbenutzer gleichermaßen gerichtet. Die Beklagten lehnten einen Vertragsschluss auf der Grundlage dieser Präsentation unter Hinweis darauf ab, dass die vorgeschlagene Lizenzgebühr von 0,75 USD pro verkauftem Handy weit überhöht sei.
59Die Klägerin behauptet, die Streithelferin habe durch Übertragungsvertrag vom 11.02.2013 (nachfolgend ÜV I) einen Teil ihres Patentportfolios – darunter das Klagepatent bzw. die diesem vorausgegangene Anmeldung – auf die C übertragen. Der Vertrag sei auf Seiten der Streithelferin von den Damen O und P , auf Seiten der C von Herrn X für die Q unterschrieben worden. Sämtliche Personen seien vertretungsbefugt gewesen. Für die Damen O und P ergebe sich dies aus der Registrierungsurkunde der Streithelferin. Die Q sei ausweislich des Limited Liability Company Agreement of C die Geschäftsführerin der C gewesen. Diese wiederum habe Herrn X zur Vertretung bevollmächtigt. Die Vollmacht sei von Frau O und Herrn R unterzeichnet worden. Beide seien ausweislich der Registrierungsurkunde der Q Mitglieder des Vorstandes und gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt. Die Vertretungsregelungen seien nach schwedischem Recht wirksam. Hierzu verweist die Klägerin auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten der Rechtsanwälte S und T . Einer besonderen Form habe der Vertrag nicht bedurft. Im Übrigen sei die Schriftform aber auch gewahrt.
60Am 13.02.2013 habe die C die von der Streithelferin erlangten Patente und Patentanmeldungen – darunter das Klagepatent bzw. die diesem zugrunde liegende Anmeldung – auf die UPG weiter übertragen (nachfolgend ÜV II). Der Vertrag sei auf Seiten der C von Herrn X unterzeichnet worden, der aus den vorgenannten Gründen Vertretungsmacht für die Q , diese wiederum für die C gehabt habe. Für die UPG habe den Übertragungsvertrag Herr U unterzeichnet. Dieser sei CEO der UP. Das ergebe sich aus Pressemitteilungen und Proxy Statements. Die UP wiederum sei Geschäftsführerin der UP IP Manager G . Diese sei gemeinsam mit der UP IP V Gesellschafterin der UPG , nachdem die UP IP Manager G durch das Interest Assignment Agreement vom 10.01.2013 die Anteile der UP an der UPG übernommen habe. Das Interest Assignment Agreement habe auf beiden Seiten Herr U unterzeichnet. Seine Vertretungsbefugnis ergebe sich aus seiner Position als CEO der UP. Die Geschäftsführung der UPG sei durch das Amended And Restated Operating Agreement vom 13.02.2013 auf die UP IP Manager G übertragen worden. Auch diese Vereinbarung habe Herr U auf beiden Seiten unterzeichnet, wobei er als CEO der UP über die erforderliche Vertretungsmacht verfügt habe. Die dargestellten Vertretungsregelungen seien nach dem Recht des Staates Delaware sämtlich zulässig. Die Klägerin verweist insofern auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten des Herrn Professor W A. V . Auch im Übrigen begegne der Übertragungsvertrag nach dem Recht des Staates Delaware keinen Bedenken. Infolge dieses Vertrages habe die UPG am 03.09.2013 die Änderung des Patentregisters beantragt, die – insoweit unstreitig – am 24.10.2013 antragsgemäß erfolgt sei.
61Am 27.02.2014 habe die UPG die Patente und Patentanmeldungen – darunter das Klagepatent – auf die Klägerin weiter übertragen (nachfolgend: ÜV III). Die Vereinbarung sei auf Seiten der UPG von Herrn X , auf Seiten der Klägerin von Herrn M unterzeichnet worden. Herr X sei CFO der UP und durch das Amended And Restated Operating Agreement vom 13.02.2013 bevollmächtigt worden, die UPG bei der Ausführung des MSA zu vertreten. Im Übrigen ergebe sich die Vertretungsbefugnis des Herrn X für die UPG auch aus einem Board Meeting der UP vom 10.01.2013. Herr M sei im Rahmen des Board Meetings der Klägerin am 27.02.2014 zum Managing Director ernannt worden und als solcher zur Vertretung der Klägerin befugt. Die dargestellten Vertretungsregelungen seien nach dem Recht des Staates Nevada zulässig. Dies werde durch das von ihr eingeholte Privatgutachten der Kanzlei Y bestätigt. Auch im Übrigen begegne der ÜV III nach dem Recht des Staates Nevada keinen Bedenken. Die Klägerin habe am 07.03.2014 die Änderung des Patentregisters beantragt, die – insoweit unstreitig – am 03.07.2014 erfolgt sei.
62Die Klägerin ist weiter der Ansicht, sämtliche Beklagten seien passiv legitimiert. Sowohl die Internetpräsenz als auch der Messeauftritt stellten Angebotshandlungen der Beklagten zu 1) dar. Für den Internetauftritt hafte außerdem die Beklagte zu 3) mit. Hierzu behauptet die Klägerin, dass im Impressum für die Internetseite http://www.F zwar die Beklagte zu 2) als Verantwortliche genannt werde, jedoch die Kontaktadresse der Beklagten zu 3) – X – angegeben sei. Dies ergebe sich aus den Handelsregisterauszügen, die neben der teilweisen Übereinstimmung der Geschäftsführer (Herr Z (AA ) unterschiedliche Adressen als Geschäftsanschrift zeigten. Die Geschäftsanschrift der Beklagten zu 2) laute X, die der Beklagten zu 3) laute X. Bei Einreichung der Klage sei die Beklagte zu 3) bereits als Kontaktadresse auf der genannten Internetseite angegeben gewesen. Es habe dort schon geheißen, dass die Europazentrale von F ihren Sitz in Düsseldorf gehabt habe, obwohl die Beklagte zu 2) noch unter der Anschrift Willy-Brandt-Allee 20, 53113 Bonn laut Handelsregister tätig gewesen sei.
63Die Klägerin sieht im Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents. Hierzu behauptet sie, dass die angegriffenen Ausführungsformen den Vorgaben der LTE-Standards entsprechen würden.
64Das Klagepatent fordere allenfalls eine chronologische Reihenfolge bei dem Melden der erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen und dem Erkennen der eindeutigen Zellenkennungsinformationen nach Empfang der Anweisung. Unter dem Definieren einer Nachbarzellenliste verstünde der Fachmann auch eine Aktualisierung der bestehenden Nachbarzellenliste. Schließlich müsse das Mobilgerät nicht auch diejenigen Schritte ausführen, die im Klagepatentanspruch von anderen Geräten wie der Funkbasisstation durchgeführt würden und deren Ergebnis sodann von dem Mobilgerät in weiteren Verfahrensschritten verarbeitet werde.
65Die ANR-Funktion als solche sei im LTE-Standard zwingend vorgesehen. Dies ergebe sich abgesehen von der eindeutig definierten Wortwahl im Standard zusätzlich durch „Feature Group Indicators“, die zwingende LTE-Funktionen listeten und die ANR-Funktion enthielten. Der Standard folge bei der ANR-Funktion einer bestimmten Reihenfolge, nach der das UE einen Messbericht an die serving cell sende mit nicht eindeutigen Kennungsinformationen (PCI), ohne ECGI. Nach Empfang des Messberichts könne die eNB das UE anzuweisen, unter Verwendung der neu entdeckten PCI unter anderem die ECGI der dazugehörigen Nachbarzelle zu lesen. Das UE berichte daraufhin die gefundene ECGI an die Serving Cell eNB. Dann entscheide die eNB, diese Nachbarbeziehung hinzuzufügen, und könne die PCI und die ECGI unter anderem dazu verwenden, eine Transportschichtadresse für die neue eNB nachzuschauen und die Nachbarbeziehungsliste zu aktualisieren. Im Übrigen ergebe sich die Einhaltung der klagepatentgemäßen Reihenfolge, inhaltlich wie chronologisch, aus den Testberichten des LTE-Standards III.
66Die Klägerin hat ursprünglich die Urteilsveröffentlichung sowie die Vorlage von Lizenzverträgen, welche die Beklagten mit Dritten geschlossen haben, verlangt und ihren Auskunftsanspruch auch auf die Verletzung des in den Ansprüchen 1 und 12 geschützten Verfahrens gestützt. Nach Rücknahme dieser Anträge beantragt sie nunmehr,
67I.
68die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 13. Dezember 2013
691.
70(nur die Beklagten zu 1. und 2.) mobile Endgeräte zur Verwendung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
71wobei das Endgerät Mittel zum Ausführen der Schritte des folgenden Verfahrens umfasst:
72Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt; Bestimmen mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle; Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle; Melden von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameter für die zweite Kommunikationszelle und Melden der erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Erkennen eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung; und Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
73insbesondere wenn der mindestens eine Betriebsparameter einen Codierungscode, eine Signalstärkemessung, eine Signalgütemessung und/oder Taktinformationen umfasst;
74und/oder wenn das Verfahren ferner das Empfangen einer Liste von Kommunikationszellen von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle, wobei die Liste die zweite Kommunikationszelle und eine Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen enthält, umfasst;
75und/oder wenn die zweite Kommunikationszelle der ersten Kommunikationszelle benachbart ist;
76insbesondere wenn das mobile Endgerät eine Steuerung zum Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt, umfasst, wobei die Steuerung betreibbar ist zum Bestimmen mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle; Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle; Melden von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle und Melden der nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle, wenn die erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen nicht in einer Nachbarzellenmenge der ersten Kommunikationszelle enthalten sind; Erkennen von eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung, und Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
77und/oder wenn der mindestens eine Betriebsparameter einen Verwürfelungscode, eine Signalstärkemessung, eine Signalgütemessung und/oder Taktinformationen umfasst;
78und/oder wenn die Steuerung zum Empfangen einer Liste von Kommunikationszellen von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle betreibbar ist, wobei die Liste die zweite Kommunikationszelle und eine Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen enthält;
79und/oder wenn die zweite Kommunikationszelle der ersten Kommunikationszelle benachbart ist;
80und/oder wenn die Steuerung betreibbar ist zum Erkennen nichteindeutiger Zellenkennungsinformationen für eine Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen; Melden von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen und Melden der nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle, wenn die erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen nicht in einer Nachbarzellenmenge der ersten Kommunikationszelle enthalten sind; Erkennen eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen nach Empfang der Anweisung; und Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
812.
82(nur die Beklagten zu 1. und 3.) drahtlose Telekommunikationsnetze in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
83die eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definieren, wobei das Netz Netzressourcen umfasst, die betreibbar sind zum Kommunizieren mit einem in einer ersten Kommunikationszelle betriebenen mobilen Endgerät; Empfangen nichteindeutiger Kennungsinformationen und Parameterinformationen bezüglich mindestens eines Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät; Definieren einer Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät, wobei die Nachbarzellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält; Bestimmen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen, ob eindeutige Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle erforderlich sind, und wenn solche eindeutigen Kennungsinformationen erforderlich sind, Übertragen einer Anweisung an das mobile Endgerät; Empfangen eindeutiger Zellenkennungsinformationen bezüglich der zweiten Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät; und Definieren einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät, wobei die für das Handover infrage kommende Zellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält;
84insbesondere wenn der mindestens eine Betriebsparameter einen Verwürfelungscode, eine Signalstärkemessung, eine Signalgütemessung und/oder Taktinformationen umfasst;
85und/oder wenn die zweite Kommunikationszelle der ersten Kommunikationszelle benachbart ist;
86und/oder wenn die Netzressourcen betreibbar sind zum Empfangen nichteindeutiger Zellenkennungsinformationen für eine Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen von dem mobilen Endgerät; Bestimmen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen, ob eindeutige Zellenkennungsinformationen für die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen erforderlich sind, und wenn solche eindeutigen Kennungsinformationen erforderlich sind, Übertragen einer Anweisung an das mobile Endgerät; Empfangen eindeutiger Zellenkennungsinformationen bezüglich der Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen von dem mobilen Endgerät; und Definieren einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät, wobei die für das Handover infrage kommende Zellenliste die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen enthält;
87und/oder wenn die Netzressourcen durch eine Funkbasisstation bereitgestellt werden,
88wobei die Auskunft in Form einer geordneten Aufstellung gegenüber der Klägerin zu erfolgen hat, und zwar, soweit zutreffend, unter Angabe
89a)
90der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, aufgeschlüsselt nach der jeweiligen Menge, Zeiten, Preise, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
91b)
92der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer;
93c)
94der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
95d)
96der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Suchmaschinen und anderer Marketingwerkzeuge, mit Hilfe derer die betroffenen Webseiten einzeln oder gemeinsam registriert wurden, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;
97e)
98der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, einschließlich der Umsätze, die mit Zubehör erzielt wurden;
99wobei die Beklagten die Richtigkeit ihrer Angaben nach a) und b) belegen müssen, indem sie Belegkopien wie Rechnungen hilfsweise Lieferscheine vorlegen;
100wobei den jeweiligen Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer, der in der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist, mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
101II.
102festzustellen, dass die Beklagten jeweils verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die der A durch die vom 13.12.2013 bis zum 26.02.2014 begangenen und der Klägerin durch die seit dem 27.02.2014 begangenen, unter Ziffer I bezeichneten Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden.
103Die Beklagten beantragen,
104die Klage abzuweisen,
105hilfsweise
106das Verfahren auszusetzen.
107Die mit Schriftsatz vom 16.03.2015 dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetretene Streithelferin beantragt,
108den Beklagten die durch die Nebenintervention verursachten Kosten aufzuerlegen.
109Die Beklagte zu 1) rügt die örtliche und internationale Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf.
110Die Beklagten bestreiten die Aktivlegitimation der Klägerin mit Nichtwissen. Im Einzelnen bestreiten sie die Wirksamkeit der Übertragungsverträge nach den jeweils zur Anwendung kommenden ausländischen Rechtsordnungen, die Echtheit der zur Akte gereichten Kopien, die Vertretungsbefugnis der handelnden Personen sowie die wirksame Abtretung in der Vergangenheit entstandener Ansprüche an die Klägerin. Zudem sei die Schriftform des Art. 72 EPÜ nicht gewahrt.
111Die Registereintragung der Klägerin begründe keine Indizwirkung für die materiell-rechtliche Inhaberschaft der Klägerin am Klagepatent. Denn ausweislich des klägerischen Vortrags sei das Klagepatent bzw. die diesem zugrunde liegende Anmeldung nicht unmittelbar von der Streithelferin auf die Klägerin übertragen worden, sondern es habe zwei Zwischenerwerber gegeben: die C und die UPG . Dies sei nicht im Patentregister eingetragen worden und stehe daher der Vermutungswirkung des Registers für die materiell rechtliche Inhaberschaft der Klägerin am Klagepatent entgegen. Im Übrigen weise der Vortrag der Klägerin zu den behaupteten Patentübertragungen Unschlüssigkeiten auf. Die Eintragung des Klagepatents im Patentregister habe keine konstitutive Wirkung. Die Wirksamkeit der Abtretungen der Patentanmeldung sei vielmehr Voraussetzung für die materiell rechtliche Inhaberschaft der Klägerin am Klagepatent.
112Bezüglich etwaiger kartellrechtlicher Bedenken gegen die Wirksamkeit der Übertragungsverträge haben sich die hiesigen Beklagten hilfsweise das Vorbringen der Beklagten in dem Parallelverfahren 4b O 122/14 zu eigen gemacht. Die Beklagte (Samsung) vertritt in diesem Verfahren die Auffassung, die Streithelferin habe bei der Umsetzung des MSA gegen die Vorschriften der Fusionskontrolle (§§ 35-42 GWB) als auch gegen das Verbot der Wettbewerbsbeschränkung (Art. 101, 102 AEUV) verstoßen.
113Bei der mit dem MSA vereinbarten Transaktion handele es sich um einen Zusammenschluss im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GWB, der beim Bundeskartellamt hätte angemeldet werden müssen. Dies ist – insoweit unstreitig – nicht geschehen. Die Umsatzschwellen des § 35 GWB seien überschritten. Der weltweite Umsatz allein von I habe im Jahr 2012 etwa 26,17 Mrd. EUR betragen. Davon entfalle ein Betrag von mehr als 25 Mio. EUR auf Deutschland. Mit den übertragenen Patenten seien im Jahr 2012 Umsatzerlöse in Deutschland in Höhe von mehr als 5 Mio. EUR erzielt worden. Hierbei seien auch die Patente zu berücksichtigen, die noch nicht abgetreten worden seien, nach dem MSA aber in den nächsten Jahren abgetreten werden sollen (vgl. Ziffer 6.3 des MSA). Das MSA belege, dass die Vertragsparteien selbst den Wert der von der Vereinbarung umfassten Patente auf mindestens 1,05 Milliarden USD geschätzt hätten (vgl. Ziffern 3.3 und 8.13 des MSA). Der tatsächliche Wert sei sogar höher. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die übertragenen Patente in bis zu acht Jahren ab Übertragung auslaufen würden und dass der deutsche Mobilfunkmarkt etwa fünf Prozent des weltweiten Marktes ausmache, werde deutlich, dass mit der Lizensierung des übertragenden Patentportfolios im Jahr 2012 in Deutschland ein Umsatz von mindestens 6,56 Mio. USD erzielt worden sei (5 % von 1,05 Milliarden USD geteilt durch 8 Jahre). Dies entspreche einem Betrag von 5,1 Mio. EUR. Ähnliches ergebe sich auch unter Berücksichtigung des „License Proposal“ der Klägerin. Hiernach sei pro Mobilfunkendgerät ein Betrag von 0,75 USD zu zahlen. Im Jahr 2012 seien nach den von der Streithelferin vorgelegten Marktstudien in Deutschland 30,4 Mio. Endgeräte abgesetzt worden. Hieraus würden sich Lizenzeinnahmen im Jahr 2012 von 22,8 Mio. USD errechnen. Der Klägerin obliege insofern eine sekundäre Beweislast, da den Beklagten mangels Kenntnis der konkreten Umsatzzahlen der Streithelferin näherer Vortrag nicht möglich sei.
114Im Übrigen stelle das MSA eine wettbewerbswidrige Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV dar. I und UP hätten bezweckt, durch die Aufspaltung des Patentportfolios die ETSI-Regeln zu umgehen und die Lizenzeinnahmen auf ein oberhalb von FRAND liegendes („Supra-FRAND“) Niveau anzuheben. Die von der Streithelferin für die Aufspaltung des Portfolios vorgetragenen Argumente seien unberechtigt. Sie selbst – die Beklagten – verfügten über ein mindestens ebenso großes Portfolio standardessentieller Patente wie die Streithelferin und es sei nicht richtig, dass ein so großes Portfolio nicht durchgesetzt werden könne. Die Streithelferin habe vielmehr das Instrument der „Patent-Trolle“ benutzt, um ein sog. „Royalty Stacking“ zu erreichen und die Lizenzeinnahmen zu steigern. Dies werde im Ergebnis zu deutlich höheren Lizenzkosten und zu einer Behinderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts beim Zugang zu den Technologien 2G, 3G und 4G führen.
115Zudem sehe das MSA in Ziffer 3.4 wettbewerbswidrige Mindestlizenzgebühren vor und enthalte daher eine unzulässige Preisbindung. Für die Übertragung der Patente sei – insoweit unstreitig – nicht etwa ein fester Kaufpreis vereinbart worden, sondern der „Kaufpreis“ sei gemäß Ziffer 3.2 des MSA als Anteil an den Bruttolizenzeinnahmen von UPG zu zahlen. Dabei werde durch die einzelnen Regelungen des MSA erheblicher Druck auf UPG ausgeübt, die zu vereinbarenden Lizenzen möglichst zu maximieren. Dies ergebe sich aus Ziffer 3.4., wonach UPG verpflichtet sei, von seinen Lizenznehmern bestimmte Mindestlizenzgebühren (sog. Applicable Royalty Rate) zu verlangen. Andernfalls werde eine Strafzahlung fällig. UPG sei dadurch massiv in seiner Preissetzungsfreiheit beschränkt. Hierin liege eine „Kernbeschränkung“, die ungeachtet der Tatsache, ob sie in horizontalen oder vertikalen Vereinbarungen enthalten sei, eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstelle.
116Das MSA und sein Vollzug würden außerdem gegen Art. 102 AEUV verstoßen. Die Streithelferin habe ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem sie ihr Patentportfolio künstlich aufgespalten habe. Dies habe der Umgehung der FRAND-Verpflichtung gedient mit dem Ziel, die Lizenzeinnahmen auf ein über FRAND liegendes Niveau anzuheben. Auch aus diesem Grund seien das MSA und die diesen vollziehenden Übertragungsverträge nichtig.
117Die Beklagten sind weiter der Auffassung, die Beklagte zu 1) sei nicht passivlegitimiert. Die Beklagte zu 1) habe keine Mobiltelefone auf dem deutschen Markt vertrieben, angeboten, in Verkehr gebracht, eingeführt oder ausgeführt. Sie sei nicht auf dem deutschen Markt tätig und besitze auch keine dafür nach chinesischem Recht erforderliche Exportlizenz. Sie sei weder in die Fertigung, den Zusammenbau noch in den Export und den Vertrieb der Telefone eingebunden oder daran beteiligt. Vielmehr stelle die F Devices Co. die Telefone her. Das Unterhalten der Internetseite durch die Beklagte zu 1) und auch die Erreichbarkeit der Unterseite F .com/de über die Beklagte zu 1) begründe kein Anbieten. Sämtliche Angebote würden über die von der Beklagten zu 2) betriebene Seite www.F.de bereit gehalten. Auch das Ansteuern der Seiten der Beklagten zu 2) von Seiten der Beklagten zu 1) sei kein Anbieten im patentrechtlichen Sinne. Schließlich begründe auch die Anwesenheit der Beklagten 1) auf dem Messestand der Beklagten zu 2) ebenso wenig eine Angebotshandlung der Beklagten zu 1) wie der Umstand, dass diese im Ausstellerverzeichnis aufgeführt werde.
118Auch die Beklagte zu 3) sei nicht passiv legitimiert. Diese nehme als europäisches Zentrum der Beklagten interne Aufgaben wie Service, Wartung, Human Resources und Forschung wahr. Sie entfalte keine Produktaktivitäten nach außen, sondern sei zuständig für die Gebäudeverwaltung, miete z.B. Räume für die Beklagte zu 2) an, erledige deren Gehaltsabrechnungen und sei ihr Verwaltungsvehikel. Dass ihre Adresse im Impressum der Internetpräsenz der Beklagten zu 2) genannt werde, rechtfertige keine andere Beurteilung. Die Beklagte zu 2) unterhalte sowohl unter den Adressen in der X als auch in der X – beide Adressen gehörten zu einem größeren Bürokomplex – eigene Geschäftsräume. Der im Handelsregister angegebene Sitz spiele für die Frage einer Impressumsangabe keine Rolle.
119Die Beklagten sind weiter der Ansicht, die beiden angegriffenen Ausführungsformen würden das Klagepatent nicht verletzen. So sei die im Standard vorgeschlagene ANR-Funktion lediglich optional. Dafür spräche bereits die Verwendung von Formulierungen wie „können (may) […] verwendet werden“. Die vom LTE-Standard vorgesehene Schrittabfolge der ANR stelle nur einen möglichen Implementierungsvorschlag dar.
120Das Klagepatent schreibe in den hier geltend gemachten Ansprüchen eine definierte Reihenfolge von Verfahrensschritten vor, die vom Endgerät einzuhalten sei, wie auch die Figuren bestätigten würden. Insbesondere erkenne das mobile Endgerät eindeutige Zellkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung.
121Die technische Funktion – auch der Vorrichtungsansprüche, die den Verfahrensanspruch inkorporieren – setze voraus, dass die Schritte logisch und gedanklich aufeinanderfolgen. Bei Anspruch 6 handele es sich um einen Vorrichtungsanspruch das mobile Endgerät betreffend, der auf den Verfahrensanspruch rückbezogen sei. Insofern müsse das mobile Endgerät Mittel zum Ausführen der Schritte eines Verfahrens umfassen und sämtliche, nicht nur einzelne Merkmale des Verfahrensanspruchs verwirklichen. Die Steuerung der Abfolge der Verfahrensschritte hänge von den Instruktionen der das mobile Endgerät bedienenden Basisstation ab. Diese sei aber gerade nicht Bestandteil des Anspruchs.
122Ferner verlange das Klagepatent, dass eine Nachbarzellenliste definiert werde, nachdem bereits eine Kommunikation mit dem mobilen Endgerät stattgefunden habe und von dem Endgerät nichteindeutige Kennungsinformationen und Parameterinformationen einer zweiten Zelle empfangen worden seien. Die Nachbarzellenliste werde also im Betrieb der Netzressourcen und für ein mobiles Endgerät definiert. Für jedes mobile Endgerät werde eine Endgerät-spezifische Zellenliste erstellt. Das Klagepatent sehe zudem neben der Nachbarliste eine für das Handover in Frage kommende Zellenliste vor.
123Die Netze der Beklagten würden bis heute sämtlich „von Hand“ eingerichtet. Der LTE-Standard sehe keine Reihenfolge von aufeinander aufbauenden Schritten vor, zumal diese einzelnen Schritte netzseitig und somit nicht vom UE vorgegeben seien.
124Nach dem Standard weise die eNB das UE an, die eindeutige Zellkennungsinformation (ECGI) zu lesen. Dies habe nichts damit zu tun, wann das UE eindeutige Zellinformationen erkenne. Nach dem Standard werde das UE ohne eine Prüfung, ob eindeutige Kennungsinformationen erforderlich seien, von der eNB angewiesen, die ECGI als eindeutige Zellkennung der zweiten Kommunikationszelle zu lesen. Es erfolge keine Prüfung durch die eNB, ob sich für die erkannte PCI ein Eintrag in ihrer Nachbarbeziehungstabelle (NRT) befinde. Nach Empfang des Messberichts des UE durch die eNB mit der PCI der zweiten Kommunikationszelle weise die eNB das UE an, die ECGI zu dieser zweiten Zelle zu lesen, indem die gerade erkannte PCI dieser Zelle vom UE als Parameter verwendet werde. Die Nachbarzellenliste werde anhand der PCI und ECGI aktualisiert, weil nur diese zusammen den Zielzellenidentifizierer (TCI) bilden.
125Wenn man die Nachbarbeziehungstabelle als Nachbarzellenliste ansehe, so werde im Standard die Nachbarzellenliste vor Inbetriebnahme der eNB definiert. Bei der im Standard beschriebenen NRT handele es sich indes nicht um eine klagepatentgemäße Nachbarzellenliste, da dort eine neu entdeckte Nachbarzelle erst aufgenommen werde, wenn die eNB auch die ECGI erhalten habe. Es werde nur eine zellspezifische NRT eingesetzt, die für jede Zelle der eNB eingesetzt werde. Die im Klagepatent definierte Nachbarzellenliste könne demgegenüber nur Nachbarzellen des mobilen Endgeräts enthalten, da diese Liste nur Nachbarzellen umfasse, die von diesem erkannt würden. Im Falle der standardisierten NRT würden aber alle eindeutig erkannten Nachbarzellen einer bestimmten Zelle von der eNB vorgehalten. Ferner falle auch die Menge von besten Nachbarzellen nicht darunter.
126Im Standard gebe es nur die NRT und keine für das Handover in Frage kommende Zellenliste. Die eNB halte für jede seiner Zellen eine eigene NRT vor, die für alle UEs gültig sei. Zudem werde die NRT nicht definiert, sondern lediglich aktualisiert, wenn eine neue Nachbarzelle entdeckt worden sei. Diese Nachbarzelle werde dann der bereits existierenden NRT hinzugefügt. Schließlich stelle die NRT lediglich eine Zuweisung der PCI zu den eindeutigen Kennungsinformationen dar. Für den Standard sei das Vorhalten von zwei Listen technisch unsinnig.
127Im Übrigen stehe der Durchsetzung der mit der Klage verfolgten Ansprüche der Lizenzeinwand aus Art. 102 AEUV entgegen. Die Beklagten seien lizenzwillig. Es sei die Klägerin gewesen, die im Rahmen der Lizenzverhandlungen weitere Informationen verweigert und stattdessen Klage erhoben hätte. Insbesondere habe sie in keiner Weise dargelegt, nach welchen Maßstäben sie die Lizenzgebühr in Höhe von 0,75 USD pro Endgerät bestimmt habe. Die Klägerin sei infolgedessen jedenfalls auf die Geltendmachung einer angemessenen Lizenzgebühr beschränkt. Gewinnabschöpfung könne sie demgegenüber nicht geltend machen. Sowohl der Schadensersatzfeststellungsantrag als auch der Antrag auf Auskunft und Rechnungslegung seien in dieser Hinsicht zu weit gefasst. Der Auskunftsanspruch im deutschen Recht besitze einen Umfang, der nicht weniger schwer wiege als der Unterlassungsanspruch. Der Auskunftsaufwand sei enorm. Zugleich würden sämtliche Betriebsgeheimnisse ungeschützt offenbart. Der potentielle Lizenznehmer gerate hierdurch so erheblich unter Druck, dass er faktisch einem unangemessenen Lizenzvertrag zustimmen müsse, um die Vollstreckung der Auskunftsverpflichtung abzuwenden. Dies wolle das Kartellrecht gerade verhindern.
128Hilfsweise sei das Verfahren auszusetzen. Das Klagepatent werde sich nicht als rechtsbeständig erweisen. Sowohl die hiesigen Beklagten als auch die Beklagten aus den Parallelverfahren 4b O 122/14 und 4b O 156/14 sind der Ansicht, der Gegenstand des Klagepatents sei unzulässig erweitert bzw. die geschützte technische Lehre nicht ausführbar und werde überdies neuheitsschädlich von diversen Entgegenhaltungen offenbart. Jedenfalls fehle es ihm an der nötigen Erfindungshöhe.
129Die Klägerin und die Streithelferin treten den kartellrechtlichen Einwänden der Beklagten entgegen.
130Die Streithelferin behauptet, für ihr umfangreiches Patentportfolio auf dem Markt keine angemessenen Lizenzgebühren mehr habe erzielen können. Dies sei der Grund für den Abschluss des MSA gewesen. Es sei ihr legitimes Ziel gewesen, durch die Aufspaltung des Portfolios einen faireren Ausgleich für die von ihr geleistete Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu erlangen. Diese sei immens. Sie investiere jährlich etwa 4 Milliarden USD in diesen Bereich und beschäftige dort mehr als 25.000 Mitarbeiter. Ein großer Teil der Aktivitäten sei dabei der Entwicklung von offenen Mobilfunkstandards gewidmet. Etwa 40 % des weltweiten mobilen Datenverkehrs verlaufe durch Netzwerke, die von ihr bereitgestellt würden. Als Ergebnis ihrer umfangreichen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit halte sie mittlerweile ein Portfolio von über 37.000 erteilten Patenten. Hinzu komme die jährliche Erteilung von weiteren etwa 2.000 Patenten. Eine Vielzahl dieser Patente sei wesentlich für die bedeutenden Standards, die von modernen Mobilkommunikationsgeräten und deren Infrastruktur genutzt würden. Sie habe in der Vergangenheit eine Vielzahl von Lizenzverträgen abgeschlossen. Die Einnahmen aus diesen Verträgen seien ein notwendiger Anreiz, um weiterhin in Forschung und Entwicklung zu investieren.
131Dabei setze sie – die Streithelferin – sich vehement für die Implementierung der FRAND-Prinzipien ein. Ihr uneingeschränktes Bekenntnis zu der Einhaltung und Umsetzung der FRAND-Prinzipien habe auch beim Abschluss des MSA eine wesentliche Rolle gespielt. Dies zeige sich an verschiedenen Stellen des Vertrages, etwa in den Ziffern 6.1 (x), 6.7 (a), 6.7 (b), 6.12, 6.14 (a), 6.14 (b). Auch im PSA sei in Ziffer 5.4 eine entsprechende Regelung getroffen worden.
132Immer mehr potenzielle Lizenznehmer würden demgegenüber die Möglichkeit des „Hold-out“ nutzen, d.h. die geschützte Technologie ohne bestehenden Lizenzvertrag nutzen und darauf warten, vom Patentinhaber verklagt zu werden. Dies geschehe in dem Wissen, dass solche Verfahren nur Patent für Patent und Land für Land durchgeführt werden könnten und entsprechend lange Zeit benötigten. An ernsthaften Lizenzvertragsverhandlungen seien diese Marktteilnehmer nicht interessiert.
133Das MSA verstoße nicht gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften. Es sei schon kein Zusammenschlusstatbestand erfüllt. Im Übrigen seien die Umsatzschwellen des § 35 GWB nicht überschritten. Für die Annahme, die Umsätze von UPG in Deutschland im Jahr 2012 hätten 5 Millionen Euro überschritten, gebe es keinerlei Anhaltspunkte.
134Nur hilfsweise weist die Streithelferin außerdem darauf hin, dass ein Verstoß gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften jedenfalls nicht die Unwirksamkeit der Patentübertragungen zur Folge hätte. § 41 Abs. 1 S. 2 GWB beschränke die Nichtigkeitsfolge vielmehr auf dasjenige Rechtsgeschäft, das gegen das Vollzugsverbot verstoße. Im Übrigen bleibe das MSA und erst Recht die nachfolgenden Patentübertragungen wirksam.
135Das MSA enthalte auch keine unzulässige Preisbindung. Die Vereinbarung einer „Applicable Royalty Rate“ stelle nicht die Festlegung einer Mindestlizenzgebühr dar, sondern sei lediglich Hilfsmittel, um die Zahlung eines angemessenen Kaufpreises für die übertragenen Patente sicherzustellen. Die Klägerin sei frei, mit ihren potentiellen Lizenznehmern jedwede Lizenzgebühr auszuhandeln. Dabei sei sie allein kaufmännischen Erwägungen unterworfen. Der Anreiz für die Klägerin, die „Applicable Royalty Rate“ nicht zu unterschreiten, sei vergleichbar mit dem Anreiz für jeden Großhändler, bei einem Weiterverkauf der Waren nicht deren Einkaufspreis zu unterschreiten. Hierin liege keine kartellrechtswidrige Preisfestsetzung.
136Schließlich verstoße das MSA nicht gegen Art. 101 AEUV oder Art. 102 AEUV. Es sei – entgegen dem Vorbringen der Beklagten – keineswegs Sinn und Zweck des MSA gewesen, die Lizenzgebühren auf ein über FRAND liegendes Niveau zu erhöhen. Vielmehr hätten sowohl UPG als auch die Klägerin – insoweit unstreitig – entsprechend den Regelungen im MSA und PSA eigene FRAND-Erklärungen abgegeben, um sicherzustellen, dass die FRAND-Prinzipien eingehalten würden. Der Umstand, dass es sich bei der Klägerin um eine Patentverwertungsgesellschaft handele, könne keinen Unterschied machen. Ein Recht auf einen bestimmten Lizenzgeber gewähre das Kartellrecht nicht.
137Der Kartellrechtseinwand der Beklagten könne schon deshalb keinen Erfolg haben, weil mit der Klage keine Unterlassung, sondern ausschließlich Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht geltend gemacht werde. Auf diese Ansprüche finde Art. 102 AEUV keine Anwendung. Insofern sei auch keine Beschränkung der Schadensersatzpflicht auf eine angemessene Lizenzgebühr gerechtfertigt. Die Beklagten hätten nämlich gerade kein annahmefähiges Angebot abgegeben, geschweige denn Sicherheit geleistet. Vielmehr hätten die Beklagten bis zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage kein echtes Interesse daran gehabt, in inhaltliche Gespräche mit der Klägerin über eine Lizensierung ihrer Patente einzutreten. Sie seien darauf bedacht gewesen, die Gespräche mit der Klägerin zu verschleppen. Mit dem Schreiben vom 22.04.2014 habe sie – die Klägerin - ein FRAND-Angebot vorgelegt, das die Beklagten nicht hätten ausschlagen dürfen. Die Lizenzgebühr in Höhe von 0,75 USD sei gerechtfertigt, weil diese sich nicht ausschließlich auf das Klagepatent, sondern auf das gesamte angebotene Portfolio beziehe. Im Juli 2014 habe sie – die Klägerin – den Beklagten alternativ eine Lizensierung nur der standardessentiellen Patente angeboten. Auch hierauf seien die Beklagten aber nicht eingegangen.
138Mit Zwischenurteil vom 29.07.2014 hat die Kammer den Antrag der Beklagten auf Leistung der Prozesskostensicherheit durch die Klägerin zurückgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
139Das Gericht hat aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 27.11.2015 und 01.12.2015 Beweis erhoben unter anderem durch die Vernehmung der Zeugen O , R , BB , P , U , X , CC und X. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2015, 03.12.2015 und 10.12.2015 Bezug genommen. Die Akten 4b O 49/14, 4b O 52/14, 4b O 120/14, 4b O 122/14, 4b O 123/14, 4b O 154/14, 4b O 156/14 und 4b O 157/14 wurden beigezogen und waren ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
140Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 22.05.2014, 30.06.2015, 26.11.2015, 01.12.2015, 03.12.2015 und 10.12.2015 Bezug genommen.
141Entscheidungsgründe
142Die Klage ist weit überwiegend zulässig (unter A.) und teilweise begründet (unter B.).
143A.
144Die Klage ist mit Ausnahme des Auskunftsantrags gerichtet auf den mit Zubehör erzielten Umsatz zulässig.
145I.
146Die Kammer ist nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ i.V.m. § 143 Abs. 2 PatG i.V.m der Verordnung über die Zuweisung von Gemeinschaftsmarken-, Gemeinschaftsgeschmacksmuster-, Patent-, Sortenschutz-, Gebrauchsmusterstreitsachen und Topographieschutzsachen vom 30. August 2011 international und örtlich zuständig.
147Nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Nach der Rechtsprechung des BGH zu Parallelvorschriften ist anerkannt, dass bei der Auslegung des LugÜ die Parallelvorschriften des EuGVÜ – als Vorgängernorm zur EuGVVO – und die insoweit ergangene Rechtsprechung zu beachten ist (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 644). Der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, erfasst sowohl den Handlungs- als auch den Erfolgsort (vgl. Zöller/Geimer, 30. Aufl., Anh I Art 5 EuGVVO, Rn. 26). Der Erfolgsort ist der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde, also der Schutzstaat. Dabei ist nicht notwendig, dass durch die Benutzung des Klagepatents tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts vorliegt. Es genügt, dass eine Verletzung behauptet und diese nicht von vorneherein ausgeschlossen werden kann (BGH, GRUR 2005, 432 – HOTEL MARITIME). Es handelt sich hierbei um eine doppeltrelevante Tatsache, bei der eine begrenzte Schlüssigkeitsprüfung dahin zu erfolgen hat, ob, das Vorbringen der Klägerin unterstellt, der Rechtsweg zulässig ist (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 1004).
148Die Klägerin hat schlüssig behauptet, dass die Beklagte zu 1) die angegriffenen Ausführungsformen in Deutschland durch ihren auch deutschsprachigen Internetauftritt sowie den Messeauftritt auf der CEBIT 2014 anbiete und vertreibe. Damit liegt der Erfolgsort in Deutschland. Da die angegriffenen Ausführungsformen auch für NRW angeboten werden, ist die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorfs gegeben.
149II.
150Der Antrag auf Auskunft betreffend den Umsatz, der mit Zubehör erzielt wird, ist indes unzulässig. Dieser Teil des Auskunftsantrags genügt nicht dem Bestimmtheitserfordernis, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist nicht ersichtlich, welches konkrete Zubehör eine rechtswidrige Benutzung der klagepatentgemäßen Lehre darstellen soll. Inhalt und Umfang dieses Begehrens ist daher nicht hinreichend bestimmt.
151B.
152Die Klage ist hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 2) begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.
153Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 1) und 2) die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit §§ 139 Abs. 2, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB. Hinsichtlich der beklagten zu 3) fehlt es an der Passivlegitimation.
154I.
155Die Klägerin ist zur Geltendmachung der mit der vorliegenden Klage verfolgten Ansprüche auf Schadensersatz und Rechnungslegung aktiv legitimiert.
156Für die Sachlegitimation im Verletzungsrechtsstreit maßgeblich ist nicht der Eintrag im Patentregister, sondern die materielle Rechtslage (BGH, GRUR 2013, 713 ff. – Fräsverfahren; OLG Düsseldorf, BeckRS 2013, 1781; OLG Düsseldorf BeckRS 2013, 18737). Soweit Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden, ist die vorgenannte Differenzierung ohne Belang, weil die Beklagte nicht zur Unterlassung gegenüber einem bestimmten Berechtigten, sondern zur Unterlassung schlechthin verurteilt wird (BGH, GRUR 2013, 713 ff. – Fräsverfahren; vgl. auch Pitz, GRUR 2010, 688, 689). Soweit allerdings – wie im Streitfall - Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, stehen diese nur dem jeweils materiell berechtigten Patentrechtsinhaber zu.
1571.
158Die Erteilung des Patents und dessen Eintragung im Register zugunsten eines bestimmten Inhabers lässt das Recht aus dem Patent originär in der Person des eingetragenen Inhabers entstehen.
159Das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) unterscheidet in einer dem nationalen Recht (vgl. die Aufzählung in § 15 Abs. 1 Satz 1 PatG) grundsätzlich vergleichbaren Weise zwischen drei Kategorien von Rechten, die aus einer Erfindung resultieren können. Das im deutschen Recht in der Vorschrift des § 6 PatG geregelte „Recht auf das Patent” beschreibt in materieller Hinsicht die Gesamtheit der aus der Erfindung herrührenden Rechte. Diese erste Kategorie erfindungsbezogener Rechte kennt auch das EPÜ, indem es in seinem Art.60 Abs. 1 Satz 1 das „Recht auf das europäische Patent” dem Erfinder (bzw. seinem Rechtsnachfolger) zuweist. Die zweite Kategorie beschreibt das „Recht aus der Patentanmeldung” (den „Anspruch auf Erteilung des Patents”, wie § 15 Abs. 1 Satz 1 PatG es nennt), mithin die durch die Anmeldung begründete und damit formale Rechtsposition des Anmelders eines Patents. In Bezug auf dieses Recht aus der Patentanmeldung fingiert Art. 60 Abs. 3 EPÜ im Verfahren vor dem EPA, dass der Anmelder berechtigt ist, das Recht auf das europäische Patent geltend zu machen. Die dritte Kategorie schließlich betrifft das Recht aus dem Patent, das in seinen Rechtswirkungen im nationalen Recht in den §§ 9 und 10 PatG geregelt und im EPÜ in Art. 64 genannt ist (vgl. hierzu: LG Düsseldorf, GRUR Int. 2007, 347 ff.).
160Die in Art. 60 Abs. 3 EPÜ normierte Fiktion hinsichtlich des Rechts aus der Patentanmeldung, die im nationalen Recht in § 7 Abs. 1 PatG geregelt ist, bewirkt in der dritten Kategorie das Entstehen des Rechts aus dem Patent in der Person des Anmeldenden (vgl. hierzu auch: Benkard/Mellulis, Europäisches Patentübereinkommen, 2. Auflage 2012, Art. 60 Rn 28; eindeutiger: Benkard/Mellulis, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 7 Rn 2). Dieser wird originärer Inhaber des Rechts aus dem Patent und insofern nicht nur formell, sondern auch materiell Berechtigter hinsichtlich sämtlicher Rechte aus dem Patent (OLG Düsseldorf, BB 1970, 1110; kürzlich bestätigt durch: OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2015, Az.: I-2 U 25/10; Benkard/Mellulis, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 7 Rn 2). Ist der Anmeldende weder der Erfinder noch dessen (unmittelbarer oder mittelbarer) Rechtsnachfolger, ist er gemäß Art. II § 5 Abs. 2 IntPatÜ bzw. § 8 S. 2 PatG dem sachlich Berechtigten gegenüber zur Übertragung des Patents verpflichtet. Bis dahin jedoch hat er gegenüber Dritten die Stellung des materiell berechtigten Inhabers am Patent und kann sämtliche Ansprüche aus dem Patent geltend machen.
161Durch die Erteilung des Klagepatents am 13.11.2013 ist das Recht aus dem Patent formell und materiell in der Person der UPG entstanden.
162Aus der Entscheidung „Magazinbildwerfer“ des Bundesgerichtshofs vom 23.06.1992 (GRUR 1993, 69) ergibt sich nichts anderes. In dieser Entscheidung hat sich der BGH nicht mit der Frage befasst, welche Rechtswirkungen die Erteilung eines Patents durch das Europäische Patentamt hat. Ebenso wenig kann aus dem Umstand, dass der BGH trotz der zwischenzeitlichen Erteilung des Patents die Wirksamkeit der Übertragung der vorausgehenden Patentanmeldung geprüft hat, hergeleitet werden, dass der Anmelder mit der Erteilung des Patents nicht originär Inhaber des Schutzrechts wird. Denn der vom BGH zu entscheidende Sachverhalt unterscheidet sich vom Streitfall dadurch, dass die vom Patentinhaber beklagte Partei – die dortige Beklagte zu 1) – eingewandt hat, selbst Inhaberin der Patentanmeldung gewesen zu sein, so dass sie den vom eingetragenen Inhaber geltend gemachten Ansprüchen unter Umständen entsprechende Gegenrechte entgegenhalten konnte (dolo-agit-Einwand). Dies steht im Streitfall hingegen nicht in Rede.
1632.
164Hinsichtlich der (wirksamen) Übertragung des Klagepatents von der UPG an die Klägerin mit Übertragungsvertrag vom 27.04.2014 begründet die Eintragung der Klägerin im Register eine tatsächliche Vermutung.
165Insofern ist anerkannt, dass für die Beurteilung der Frage, wer materiell-rechtlich Inhaber des Patents ist, dem Patentregister in aller Regel eine erhebliche Indizwirkung zukommt (BGH, GRUR 2013, 713 ff. – Fräsverfahren). Nach § 30 Abs. 3 S. 1 PatG darf das Patentamt eine Änderung in der Person des Patentinhabers nur dann im Register vermerken, wenn sie ihm nachgewiesen wird, wobei jeder Nachweis erkennen lassen muss, dass der bisherige Schutzrechtsinhaber mit dem Übergang der daraus folgenden Rechte auf den neuen Inhaber einverstanden ist. Gemäß § 28 Abs. 2 DPMAV muss der bisherige Inhaber den Antrag auf Umschreibung zusammen mit dem Rechtsnachfolger unterschreiben oder der Rechtsnachfolger muss eine Zustimmungserklärung des zuvor eingetragenen Inhabers vorlegen. Dies begründet eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Eintragung im Patentregister die materielle Rechtslage zuverlässig wiedergibt (BGH, GRUR 2013, 713, 717 – Fräsverfahren). Angesichts dessen bedarf es in einem Verletzungsrechtsstreit regelmäßig keines weiteren Vortrags oder Beweisantritts, wenn sich eine Partei auf den aus dem Patentregister ersichtlichen Rechtsstand beruft, solange nicht konkrete Anhaltspunkte ersichtlich sind oder vom Gegner aufgezeigt werden, aus denen sich die Unrichtigkeit ergibt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
166Selbst wenn man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – annehmen wollte, dass die Erteilung des Patents in der Person der UPG keine konstitutive Wirkung hatte, würde die Indizwirkung des Registers für die Klägerin streiten. Insbesondere steht der Indizwirkung nicht entgegen, dass im Rahmen der Übertragung der dem Klagepatent vorausgegangenen Patentanmeldung ein Zwischenerwerber in der von der Klägerin vorgetragenen Übertragungskette, nämlich die Cluster G , nicht im Patentregister eingetragen war. Die Kammer folgt zwar nicht der Auffassung des LG Mannheim, wonach die Nichteintragung eines Zwischenerwerbers im Patentregister generell unbeachtlich sein soll (vgl.: LG Mannheim, Urteil vom 10.03.2015 - Aktenzeichen 2 O 103/14, BeckRS 2015, 15918 für den Zwischenerwerb an einem Patent), im vorliegenden Fall reichen die von der Klägerin zur Übertragungskette vorgetragenen Details – im Hinblick auf den nichteingetragenen Zwischenerwerb der C – aber jedenfalls nicht aus, die Vermutungswirkung des Patentregisters zu erschüttern. Denn die Übertragungskette war nach dem Vortrag der Klägerin zwischen sämtlichen Parteien von vornherein abgestimmt und die C gerade einmal für einen Zeitraum von zwei Tagen Inhaberin der dem Klagepatent vorausgegangenen Patentanmeldung. Die Eintragung der G , die von vornherein nur als Zwischenerwerberin fungieren sollte, wäre reine Förmelei gewesen. Insofern genügt die Eintragung der UPG im Patentregister, um dessen Indizwirkung zu erhalten.
1673.
168Die insoweit bestehende Vermutung hinsichtlich der Inhaberschaft der Klägerin am Klagepatent wird bestätigt durch die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und die aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 27.11.2015 und 01.12.2015 durchgeführte Zeugenvernehmung. Hiernach steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die UPG das Klagepatent durch Patentübertragungsvertrag vom 27.02.2014 an die Klägerin übertragen hat (nachfolgend: ÜV III).
169Nur äußerst hilfsweise für den Fall, dass man der Erteilung des Patents im Hinblick auf die materielle Berechtigung keine rechtsbegründende Wirkung beimessen wollte, stellt die Kammer fest, dass aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme auch zu ihrer Überzeugung feststeht, dass die Streithelferin die das Klagepatent betreffende Anmeldung durch Übertragungsvertrag vom 11.02.2013 an die C übertragen hat (nachfolgend: ÜV I), die diese sodann durch Übertragungsvertrag vom 13.02.2013 an die UPG weiter übertragen hat (nachfolgend: ÜV II).
170a) Grundsätze
171Für die Entstehung, die Rechteinhaberschaft, den Bestand und die Übertragung des Patents gilt das Schutzlandprinzip (lex loci protectionis). Dieses ist zwingend und einer abweichenden Rechtswahl der Parteien nicht zugänglich. Die Anknüpfung an das Schutzlandprinzip bedeutet, dass für die Anforderungen an die Übertragung eines Patents das Recht desjenigen Staates heranzuziehen ist, in dem das Patent seinen territorialen Schutz entfaltet (vgl.: Kühnen, GRUR 2014, 137, 142 f.). Entsprechend ist vorliegend, da der deutsche Teil eines europäischen Patents im Streit steht, die Wirksamkeit der vorgetragenen Patentübertragungen nach deutschem Recht zu beurteilen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass von den Übertragungsverträgen zugleich weitere ausländische Schutzrechte umfasst waren (vgl.: OLG München, GRUR-RR 2006, 130).
172aa)
173Mangels besonderer gesetzlicher Vorgaben kann die Übertragung eines Patents im deutschen Recht durch schlichte Übereinkunft zwischen dem bisherigen Inhaber und dem in Aussicht genommenen Patenterwerber erfolgen. Der Einhaltung einer besonderen Form bedarf es gemäß Art. 72 EPÜ nur für europäische Patentanmeldungen (LG Düsseldorf, GRUR Int. 2007, 347, 350 – Medizinisches Instrument). Für die Übertragung dieser Patentanmeldungen erfordert Art. 72 EPÜ aus Gründen der Rechtsklarheit die Schriftform. Für das EPA soll aus lediglich einer einheitlichen Urkunde nachvollziehbar sein, dass und an wen eine Übertragung der europäischen Patentanmeldung stattgefunden hat und ob diese Übertragung - etwa im Hinblick auf die Vertretungsbefugnis der tatsächlich handelnden Personen - wirksam zustande gekommen ist. Durch die Schriftform soll ermöglicht werden, die materielle Berechtigung an der Patentanmeldung vertragsweit auf einfache und zugleich sichere Weise feststellen zu können (vgl. BGH, GRUR 1992, 692, 693 - Magazinbildwerfer). Die Schriftform steht im Zusammenhang mit der auch im Übrigen vorgesehenen Schriftlichkeit im Verfahren gegenüber dem EPA (vgl. etwa Art. 99 Abs. 1 Satz 2, Art. 108 Satz 1, Art. 121 Abs. 2 EPÜ).
174Das Erfordernis der Schriftform nach Art. 72 EPÜ geht Formerfordernissen des nationalen Rechtsvor, da Art. 72 EPÜ die Frage der Form der Übertragung der europäischen Patentanmeldung abschließend regelt. Die schriftliche Vereinbarung im Sinne des Art. 72 EPÜ muss das Schutzrecht bezeichnen, den Willen zu dessen Übertragung wiedergeben und jedenfalls auch insoweit die Unterschrift der beiden Vertragsparteien tragen (BGH, GRUR Int. 1993, 548 ff. – Magazinbildwerfer). Für die Einhaltung der Schriftform des Art. 72 EPÜ ist es nicht unbedingt erforderlich, dass die Unterschrift auf jeder Seite eines mehrseitigen Dokuments steht. Erforderlich ist nur, dass der auf mehreren Seiten stehende Text den Willen der unterzeichnenden Personen darstellt und entsprechend von der Unterschrift gedeckt ist (Fitzner/Lutz/Bodewig/Heinrich, Patentrechtskommentar, 4. Auflage 2012, Art. 72 EPÜ Rn 6). Dies kann nicht nur durch eine Unterschrift/Paraphierung auf jeder Seite des Vertrages oder eine Heftung oder ähnlich feste Verbindung der einzelnen Vertragsseiten deutlich gemacht werden, sondern auch mittels einer Beweiserhebung – etwa durch die Vernehmung von Zeugen – geklärt werden.
175bb)
176Ob ein bestimmter über das Klagepatent abgeschlossener Vertrag dessen materielle Übertragung zum Gegenstand hat, ist im Streitfall durch Auslegung zu ermitteln. Die Auslegung ist nach denjenigen gesetzlichen Regeln vorzunehmen, die das Vertragsstatut vorgibt. Haben für die Parteien des Übertragungsvertrages Bevollmächtigte gehandelt, entscheidet das Vertragsstatut auch darüber, ob die Voraussetzungen einer wirksamen Stellvertretung gegeben sind. Wird nach erfolgter, ggf. ausländischem Vertragsrecht folgender Auslegung und Beurteilung der Vertretungsverhältnisse eine den Geschäftsherrn bindende Übertragungsabsprache bejaht, entscheidet deutsches Recht darüber, ob die verabredete Patentübertragung den Anforderungen an ein solches Verfügungsgeschäft genügt (vgl.: Kühnen, GRUR 2014, 137, 142 f.).
177b) Übertragungsvertrag Streithelferin – Cluster G
178Die Klägerin hat schlüssig dargetan und bewiesen, dass die Streithelferin die dem Klagepatent vorausgehende Patentanmeldung als Teil eines Portfolios mit Vertrag vom 11.02.2013 an die C (E-Sub) übertragen hat.
179aa)
180Die Klägerin hat die Übertragungsvereinbarung zwischen der Streithelferin und der C vom 11.02.2013 mit Schriftsatz vom 17.11.2015 im Original vorgelegt. Dass dieses Original nicht vollständig mit dem zuvor von der Klägerin als Kopie eingereichten Exemplar des ÜV I übereinstimmt, heißt nicht, dass die darin enthaltene Vereinbarung zwischen den Parteien nicht wirksam zustande gekommen ist. Die Zeugen O , P und X haben übereinstimmend ausgesagt, dass sowohl das Original als auch die Kopie ihre Unterschriften aufweisen und die Unterschiede auf den Unterschriftsseiten daher rühren können, dass sie den Vertrag mehrfach unterzeichnet haben. Die Zeugen haben zudem gegenseitig ihre Unterschriften verifiziert.
181Die Unterzeichnung des Vertrages kam nach übereinstimmender Aussage der drei Zeugen in Schweden zu Stande und zwar im Rahmen eines Leadership-Meetings, das am 7. Februar 2013 am Hauptsitz von I in der Nähe von Stockholm stattfand. Aus Anlass dieses Leadership-Meetings befand sich auch der Zeuge X zu diesem Zeitpunkt in Schweden. Die Zeugen stimmten darin überein, dass die Unterschriften von dem In-House Anwalt der Streithelferin, Herrn EE DD , gesammelt wurden, da es sich bei dem ÜV I um einen internen Vorgang innerhalb der I Unternehmensgruppe gehandelt habe.
182Zugleich wiesen alle drei Zeugen darauf hin, dass der ÜV I nur ein Teil einer größeren Transaktion gewesen sei und die spätere Übertragung der Patente an die E Unternehmensgruppe vorbereitet habe. Die Zeugin P schilderte detailliert, wie üblicherweise die Unterzeichnung von Verträgen bei transkontinentalen Vereinbarungen ablaufe. Die Dokumente würden per e-mail ausgetauscht, wobei im Regelfall der Vertragstext und die Unterschriftsseite als separate pdf-Dokumente verschickt würden. Die Unterschriftsseite werde ausgedruckt, unterzeichnet, eingescannt und zurückgesandt. Die beauftragte Anwaltskanzlei sammele die Unterschriftsseiten, füge diese mit dem Vertragstext zusammen und stelle sicher, dass die korrekten Anlagen beiliegen. Mittlerweile werde häufig vereinbart, dass die pdf-Dokumente als Originale gelten sollen, weshalb auf die Originale nicht mehr so viel Wert gelegt werde. Die Üblichkeit dieses Vorgehens wurde von den Zeugen O und R dem Grunde nach bestätigt. Der Zeuge CC ergänzte dies im Rahmen seiner Vernehmung dahingehend, dass die beteiligten Kanzleien die Unterschriftsseiten austauschen und deren Erhalt bestätigen würden.
183Die Zeugen O , P und X haben weiter übereinstimmend ausgesagt, dass vorliegend die Gesamttransaktion von der amerikanischen Rechtsanwaltskanzlei FF GG begleitet worden sei, die die Verträge ausgearbeitet, bei sich gesammelt und sichergestellt habe, dass alles ordnungsgemäß unterzeichnet gewesen sei. Für den ÜV I habe, da sämtliche der unterzeichnenden Personen in Schweden gewesen seien, Herr DD die Unterschriften gesammelt. Der Umstand, dass die Verträge durch die amerikanische Kanzlei FF GG vorbereitet wurden, erklärt, warum der ÜV I verschiedene Papierformate aufweist. Denn europäische und amerikanische Formate unterscheiden sich geringfügig und es erscheint vor dem Hintergrund der Zeugenaussagen durchaus möglich, dass einzelne Seiten in den USA und andere in Schweden ausgedruckt wurden.
184Soweit es im Rahmen der Unterzeichnung des ÜV I eine Änderung im Vertragsinhalt gegeben hat, an die sich die Zeugen im einzelnen nicht mehr erinnern konnten, stimmten sie sämtlich darin überein, dass es sich allenfalls um ein Detail gehandelt habe, um dass sich die Rechts- bzw. Patentabteilung gekümmert habe. Die drei vorgenannten Zeugen waren sich bei der Unterzeichnung des Vertrages darüber im Klaren, dass mit dem ihnen zur Unterschrift vorgelegten Vertrag eine Reihe von Patenten und Patentanmeldungen der Streithelferin auf deren hundertprozentige Tochtergesellschaft, die Cluster G , übertragen werden sollten. Dass die Zeugen hierbei nicht im Einzelnen wussten, welche Patente und Patentanmeldungen - insbesondere mit welchen Patentnummern - übertragen werden sollten, hindert die Wirksamkeit des Vertrages nicht. Insofern haben sich alle drei Zeugen in der konkreten Ausgestaltung des Vertrages auf ihre Anwälte verlassen; ihr Vertragsbindungswille bezog sich auf die grundsätzliche Übertragung von Patenten von der Streithelferin auf die Cluster G , wobei die Details durch die hierfür bevollmächtigten Anwälte geregelt werden sollten. Dass sich die Kenntnis und damit der Wille der Zeugen nicht auf jedes Detail des Vertrages bezog, steht der Annahme eines wirksamen Vertragsschlusses nicht entgegen. Dies entspricht vielmehr der üblichen Arbeitsteilung innerhalb größerer Unternehmen. Die eingeschalteten Anwälte handelten als Vertreter der Unterzeichnenden. Dies gilt auch für den gegenseitigen Empfang der Willenserklärungen.
185bb)
186Die Kammer ist davon überzeugt, dass der ÜV I die Übertragung der dem Klagepatent vorausgehenden Patentanmeldung von der Streithelferin an die C umfasste. Die gemäß Ziffer 1 des ÜV I übertragenen Patente und Patentanmeldungen sind in Anhang A aufgelistet. Zu den dort genannten Patenten gehört u.a. das Klagepatent bzw. die diesem vorausgehende Anmeldung. Insofern ist der Vertrag hinreichend bestimmt. Es ist zwar richtig, dass die fehlende feste Verbindung der Seiten und die fehlende Paraphierung die Feststellung erschwert, mit welchem Inhalt der Vertrag geschlossen wurde, es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Klagepatent nicht Gegenstand des Vertrages sein sollte. Im Gegenteil, das Klagepatent taucht in beiden der in diesem Rechtsstreit vorgelegten Listen von Patenten auf. Soweit es hier also verschiedene Versionen von Patentlisten gegeben hat, ist dies jedenfalls im Hinblick auf das Klagepatent unschädlich. Des Weiteren kann der Umstand, dass die Rechteinhaberschaft an dem Patent im Register geändert wurde, zumindest als ein Indiz dafür gelten, dass das Klagepatent von den Übertragungen umfasst sein sollte. Schließlich zeigt auch die Stellung von I als Streithelferin der Klägerin in diesem Rechtsstreit, dass der Wille des Vorstandes von I dahin ging, das Klagepatent an die C und von dieser an den E Unternehmenskonzern zu übertragen. Dieser Wille des Vorstandes wurde durch die den ÜV I unterzeichnenden Personen ausgeführt. Insofern konnte die Zeugin P bestätigen, dass Patente aus dem Bereich des Mobilfunks betreffend 2G, 3G und 4G ausgewählt wurden.
187cc)
188Vor diesem Hintergrund genügt der ÜV I auch den Anforderungen an die Schriftform im Sinne des Art. 72 EPÜ. Durch die durchgeführte Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Unterschriften unter dem Vertrag sich auf den darüber stehenden Vertragstext bezogen. Die Vereinbarung gibt den Willen der Streithelferin wieder, die im Anhang aufgelisteten Patente an die C zu übertragen, die wiederum diese Abtretung angenommen hat. Zugleich ist die Kammer aufgrund der Aussagen der Zeugen O , P , X, R und CC davon überzeugt, dass der Vereinbarung eine Liste mit Patenten beigefügt war, die jedenfalls das Klagepatent bzw. die diesem vorausgehende Anmeldung umfasste. Sofern nicht sicher festgestellt werden konnte, ob diese Liste jedem der Unterzeichnenden vor oder bei der Unterzeichnung des Vertrages vorlag, ist dies im Rahmen des Art. 72 EPÜ unschädlich. Denn angesichts des Zwecks dieser Vorschrift, gegenüber dem EPA Rechtsklarheit zu schaffen, ist es ausreichend, dass die Liste jedenfalls im Rahmen des Closings dem Vertrag hinzugefügt wurde und dies von dem Willen der unterzeichnenden Personen gedeckt war. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest.
189dd)
190Soweit die Beklagten die Existenz der C bestreiten, sieht die Kammer hierfür keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.11.2015 in Kopie das Limited Liability Company Agreement of C vom 11.12.2012 vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass die C durch ihre Gesellschafter, die Aktiebolaget HH und die Aktiebolaget Q , gegründet wurde. Dass zu diesem Dokument kein Original vorgelegt werden konnte, bedeutet nicht, dass die C in Wirklichkeit nicht existiert.
191Vielmehr haben die Zeugen O und R bestätigt, das Limited Liability Company Agreement of C vom 11.12.2012 für die AB Q unterzeichnet zu haben. Dass sie an den Vertragsinhalt im Einzelnen keine Erinnerung mehr hatten, ist unschädlich. Die Zeugin O konnte sich jedenfalls daran erinnern, dass die C eigens zur Durchführung der Patentübertragung von der Streithelferin auf die E Unternehmensgruppe gegründet wurde. Auch der Zeuge R konnte dies bestätigen, wobei er sich zu erinnern meinte, dass die C gegründet worden sei, weil die Streithelferin keine eigenständige Niederlassung in den USA haben wollte. Beide Zeugen konnten mit Sicherheit bestätigen, dass das vorgelegte Agreement of C ihre Unterschrift trägt. Der Zeuge R hatte sogar noch eine konkrete Erinnerung an die Unterzeichnung des Dokuments, da er zu dem Zeitpunkt, als seine Unterschrift angefordert wurde, krank war, und erst zwei Tage später wieder im Büro war, um das Dokument zu unterzeichnen. Seine zeitliche Angabe „vor Weihnachten 2012“ stimmt überein mit dem in dem Agreement angegebenen Datum, dem 11.12.2012. Soweit er das Dokument erst einige Tage nach dem 11.12.2012 unterzeichnet haben sollte, ist dies für die rechtswirksame Gründung der C unerheblich. Die Zeichnungsbefugnis der Zeugen O und R ergibt sich aus der Gründungsurkunde der Q . Beide Zeugen konnten bestätigen, im Dezember 2012 für die Q zeichnungsbefugt gewesen zu sein. Der Zeuge R hat dies dahingehend konkretisiert, dass zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam zeichnungsbefugt gewesen seien. Desweiteren konnte er bestätigen, dass die Vertretungsverhältnisse bei der AB Q über längere Zeit gleich geblieben sind. Die Zeugen O und R , beides Vorstandsmitglieder der Q , waren daher für die Unterzeichnung des Limited Liability Company Agreement of C im Dezember 2012 gemeinsam zeichnungsbefugt.
192Für die HH hat die Zeugin BB den Gesellschaftsvertrag unterzeichnet. Auch sie hat ihre Unterschrift – und die Unterschriften der Zeugen O und R – eindeutig erkannt. Ihre Vertretungsbefugnis für die HH ergibt sich aus deren Registrierungszertifikat. Insofern hat die Zeugin BB bestätigt, im Dezember 2012 Vorstandsmitglied der HH und für diese allein zeichnungsberechtigt gewesen zu sein
193Die Kammer sieht - auch wenn die Zeugen nicht mit den Details des Limited Liability Company Agreement of C vertraut waren – vor diesem Hintergrund keinerlei Anlass, die Existenz der C ernsthaft in Zweifel zu ziehen.
194Dies gilt auch in Ansehung des Umstandes, dass die Dokumentennummern nicht auf allen Seiten des vorgelegten Agreements übereinstimmen. Dies lässt sich ohne weiteres damit erklären, dass die Verträge durch die amerikanische Kanzlei FF GG vorbereitet wurden und einen Abstimmungsprozess zwischen den beteiligten Unternehmen durchlaufen haben. Die Unterschriftenseite weist einen eindeutigen Bezug zu dem übrigen Teil des Agreements auf, da sie einen Verweis auf das G Agreement enthält und die Gesellschaften aufführt, die auch auf der ersten Seite des Vertrages genannt werden.
195ee)
196Die Zeuginnen O und P verfügten bei der Unterzeichnung des ÜV I für die Streithelferin über die hierzu erforderliche Vertretungsmacht. Bei der Streithelferin handelt es sich um eine Aktiengesellschaft, die nach schwedischem Recht gegründet wurde. Die Vertretungsbefugnis der Zeuginnen O und P ergibt sich aus der Registrierungsurkunde der Streithelferin. Darin sind die Zeuginnen O und P als besonders autorisierte Personen („specially authorized signatories“) aufgeführt. Unter dem Punkt „signatory power“ ist die Vertretungsmacht für die Streithelferin dergestalt geregelt, dass Frau O die Streithelferin gemeinsam mit Frau P vertreten kann. Dies haben die Zeuginnen so auch im Rahmen ihrer Vernehmung bestätigt. Die Zeugin O hat ergänzend ausgeführt, bereits seit etwa zehn Jahren für die Streithelferin zeichnungsbefugt zu sein.
197Ausweislich der Stellungnahme der schwedischen Rechtsanwälte II S und JJ T aus der Kanzlei KK vom 28.07.2015 ist eine solche Regelung nach schwedischem Recht möglich (s. S. 14-16 des Gutachtens). Hiernach wird eine schwedische Gesellschaft nach dem Aktiengesetz grundsätzlich durch ihren Vorstand vertreten. Es ist allerdings möglich, die Vertretungsmacht auf einzelne „Sonderunterzeichner der Gesellschaft“ zu übertragen. Die Befugnisse eines solchen Sonderunterzeichners entsprechen denjenigen des Vorstands. Diese Grundsätze belegen die Rechtsanwälte S und T durch den Verweis auf die entsprechenden Vorschriften des schwedischen Aktiengesetzes. Konkrete Einwände gegen die Ausführungen der beiden Anwälte tragen die Beklagten nicht vor und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Kammer hat keinerlei Zweifel daran, dass die Zeuginnen O und P nach schwedischem Recht über die erforderliche Vertretungsbefugnis verfügten, um den ÜV I zu unterzeichnen.
198ff)
199Die C wurde beim Abschluss des ÜV I wirksam durch die Q , diese wiederum durch Herrn X, vertreten.
200Bei der C handelt es sich um eine nach dem Recht des US-Staates Delaware gegründete Gesellschaft. Auf eine solche Gesellschaft findet der Delaware Limited Liability Company Act (DG A) Anwendung. Gemäß § 18-402 DG A sind bei einer G nach dem Recht des Staates Delaware grundsätzlich alle Gesellschafter geschäftsführungs- und vertretungsbefugt. Die Geschäftsführung kann jedoch durch ein sog. Operating Agreement auf einen oder mehrere Geschäftsführer übertragen werden. In einem solchen Fall bezeichnet man die Gesellschaft auch als eine „Manager Managed G “. Dies wird beschrieben in dem Handbuch „Drafting Delaware Limited Liability Company Agreements: Forms and Practise Manual“ des US-Rechtsanwaltes LL , 3. Auflage 2014. Aus § 18-101 (10) und § 18-101 (12) DG A ergibt sich zudem, dass Geschäftsführer nicht nur eine natürliche, sondern auch eine juristische Person sein kann. Bestätigt wird dies durch die Stellungnahme des Herrn Professor V (s. das Gutachten vom 23.07.2015, S. 2, vorletzter Absatz).
201Gemäß Ziffer 5 des „Limited Liability Company Agreement of Cluster G “ handelt es sich bei der C um eine Manager Managed G , deren Geschäftsführer die Q ist. In dieser Zifffer findet sich weiter die Regelung, dass der Geschäftsführer berechtigt ist, alle Handlungen vorzunehmen, die für Vertragsschlüsse und deren Durchführung notwendig sind. Außerdem sollte die Q berechtigt sein, jegliche Verantwortung oder Berechtigung an einen leitenden Mitarbeiter, Angestellten oder Beauftragten zu delegieren. Hierin liegt die Gestattung zur Erteilung von Untervollmachten. Dies ist nach schwedischem Recht möglich. Ausweislich der Stellungnahme der Rechtsanwälte S und T (Gutachten vom 28.07.2015, S. 14) können Aktiengesellschaften nach schwedischem Recht neben dem Vorstand und dem Geschäftsführer durch „Sonderunterzeichner der Gesellschaft“ oder besonders bevollmächtigte Personen vertreten werden.
202Von dieser Möglichkeit hat die Q durch Erteilung der Vollmacht vom 11.02.2013 Gebrauch gemacht. Die Vollmachtsurkunde hat die Klägerin im Original zur Akte gereicht. Die zuvor eingereichte Kopie stimmt mit dem Original überein. Unterschrieben ist die Vollmacht von den Zeugen O und R . Diese gehören ausweislich der Registrierungsurkunde der Q dem Vorstand der Gesellschaft an und verfügen gemeinsam über die erforderliche Vertretungsmacht für die Q (s.o.). In ihrer Vernehmung haben sie bestätigt, die entsprechende Vollmacht für Herrn X und Herrn MM ausgestellt zu haben. Dabei hatte der Zeuge R aufgrund eines Scherzes zwischen ihm und Herrn DD sogar noch eine konkrete Erinnerung an die Unterzeichnung des Dokumentes. Er wusste außerdem noch, dass Herr MM und Herr X aus bestimmten Gründen bevollmächtigt wurden. Insbesondere an Herrn MM konnte er sich als besonders zuverlässigen Mitarbeiter erinnern.
203Die Vollmacht gewährt den Herren NN X und NN MM jeweils Einzelvertretungsmacht für sämtliche Vereinbarungen und Erklärungen, die die C in Bezug auf die Durchführung des Master Sales Agreement zu schließen bzw. abzugeben hat. Entsprechend hatte Herr X die erforderliche Vertretungsmacht, um die C bei der Übertragung des Klagepatents wirksam vertreten zu können.
204Sofern Herr X den ÜV I bereits vor dem „effektive date“ am 11.02.2013 unterzeichnet hat, wofür seine Aussage spricht, den Vertrag am 07.02.2013 im Rahmen des Leadership-Meetings in Schweden unterschrieben zu haben, deutet die Aussage der Zeugin O darauf hin, dass auch die Vollmacht einige Tage vor dem 11.02.2013 unterzeichnet und dann vorgehalten wurde. Denn die Zeugin O hat ausgesagt, dass alle Dokumente zur selben Zeit vorbereitet worden seien. Selbst wenn aber die Vollmacht tatsächlich erst nach dem 11.02.2013 unterzeichnet worden wäre, wäre dies unschädlich, da jedenfalls zum „effective date“ und damit zum Inkrafttreten des ÜV I die erforderliche Vollmacht vorlag. Dies ist ausreichend, um eine wirksame Stellvertretung anzunehmen.
205gg)
206Die Kammer sieht keine Veranlassung, die Glaubwürdigkeit der Zeugen O , P , X und R anzuzweifeln. Ihre Aussagen erscheinen der Kammer glaubhaft, da sie frei von Widersprüchen sind und die Zeugen sich erkennbar bemüht haben, kenntlich zu machen, an welchen Punkten sie über eine konkrete Erinnerung verfügen und hinsichtlich welcher Umstände sie sich unsicher sind. Der Vergleich der Aussagen der Zeuginnen O und P ließ dabei erkennen, dass die Detailkenntnis bei der Zeugin P , die als Leiterin der Rechtsabteilung mit den Vorgängen im Einzelnen näher befasst war als die Zeugin O , ausgeprägter war, was der Lebenswirklichkeit entsprechen dürfte und darauf hindeutet, dass die Zeugen sich im Vorfeld der Beweisaufnahme nicht detailliert abgesprochen haben. Die Zeugin O hat im Rahmen ihrer Vernehmung wiederholt darauf hingewiesen, mit den Details der Transaktion nicht vertraut gewesen zu sein, hatte aber durchaus Kenntnis von der Gesamtkonzeption der Transaktion. Der Zeuge R hat der Kammer den Eindruck vermittelt, sehr genau zu arbeiten und seine Unterschrift keinesfalls unbedacht zu leisten. Entsprechend hatte er teilweise eine sehr genaue Erinnerung an die Umstände der Unterzeichnung. Dies gilt auch für den Zeugen Han, der sich noch daran erinnern konnte, seine Unterschriften in einer Pause eines am 7.2.2013 im Hauptquartier von I abgehaltenen Leadership-Meetings geleistet zu haben. Insofern stimmt seine Aussage mit der der Zeugin P überein.
207Soweit die Zeugen im Vorfeld ihrer Vernehmung mit den Anwälten der Streithelferin Kontakt hatten, hielt sich dieser Kontakt nach der Überzeugung der Kammer im üblichen Rahmen einer Information ausländischer Zeugen über den Ablauf, den Inhalt und den Grund ihrer Vernehmung. Eine Beeinflussung der Zeugen vermochte die Kammer nicht zu erkennen.
208c) Übertragungsvertrag C - E G
209Die Klägerin hat schlüssig dargelegt und bewiesen, dass die C die dem Klagepatent vorausgehende Patentanmeldung mit Vertrag vom 13.02.2013 an die UPG abgetreten hat.
210aa)
211Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.11.2015 das Original des ÜV II vorgelegt. Dass dieses Original nicht vollständig mit dem zuvor von der Klägerin als Kopie eingereichten Exemplar des ÜV II übereinstimmt, ist insofern unschädlich, als die Unterzeichner des Vertrages im Rahmen ihrer Vernehmung bestätigt haben, eine Vereinbarung mit dem wiedergegebenen Inhalt abgeschlossen zu haben. Beide Zeugen haben ihre Unterschrift verifiziert.
212Soweit sich die Unterschrift des Herrn Han auf dem als Original zur Akte gereichten ÜV II von der Unterschrift auf der Kopie unterscheidet, kann dies seine Ursache darin haben, dass die Verträge ggf. zweifach unterzeichnet wurden. Dies ist nach den Aussagen der Zeugen durchaus nicht unüblich. Auch der Zeuge U hielt dies für denkbar und hat bestätigt, üblicherweise bei derartigen Verträgen zwei Exemplare zu unterzeichnen. Der Zeuge X hatte hieran zwar keine konkrete Erinnerung mehr, wusste aber noch, „viele“ Unterschriften geleistet zu haben. Soweit der Vertrag unterschiedliche Papierformate aufweist, lässt sich dies damit erklären, dass ggf. einzelne Seiten in den USA auf dem dort gängigen Papierformat und einzelne Seiten in Schweden auf dem dort üblichen Papierformat ausgedruckt wurden.
213Der Zeuge U hat im Rahmen seiner Vernehmung ausgeführt, dass die Verträge von der amerikanischen Kanzlei OO ausgehandelt worden seien. Diese Kanzlei sei im Rahmen der Transaktion vorbereitend rechtsberatend tätig geworden und habe dann ganz konkret die Transaktion begleitet, indem sie die Verträge ausgearbeitet und die Unterzeichnung koordiniert habe. Er selbst habe die Verträge zur Unterschrift von OO vorgelegt bekommen. Dabei habe ein enger Austausch mit dem Zeugen CC stattgefunden, der die Transaktion als In-House Anwalt begleitet habe und insofern über Detailkenntnisse verfügte. Dies wurde von dem Zeugen CC so bestätigt. Der Zeuge U erklärte weiter, er sei nicht für die rechtlichen Details zuständig gewesen. Er habe vielmehr das Unternehmensziel festgelegt, das dann von den Anwälten konkret umgesetzt worden sei. Die Gegenseite, d.h. I , sei bei der Transaktion von der Kanzlei FF GG vertreten worden. Über diese beiden Kanzleien seien die Verträge ausgetauscht worden.
214Dies hat der Zeuge X im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt. Auch er hat ausgesagt, über die wesentlichen Grundzüge der Transaktion informiert gewesen zu sein, die Details aber seinen Anwälten überlassen zu haben. Dies sei zum einen Herr EE DD als In-House Anwalt, zum anderen die Kanzlei FF GG als externer Berater gewesen.
215Beide Zeugen konnten sich zwar an die Details des ÜV II nicht erinnern, wussten aber, dass es um eine strukturierte Übertragung von I -Patenten aus dem Bereich Mobilfunk auf die UPG ging. Dass sie hierbei keine Kenntnis von den konkreten Patenten, insbesondere den einzelnen Patentnummern, hatten, hindert die Wirksamkeit des Vertrages nicht. Denn die Details haben beide Zeugen ihren Anwälten überlassen, die als ihre Vertreter gehandelt haben und in dieser Eigenschaft auch die Willenserklärung der Gegenseite entgegennehmen konnten.
216bb)
217Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass der ÜV II die Übertragung der dem Klagepatent vorausgehenden Patentanmeldung von der C auf die UPG umfasste. Die gemäß Ziffer 1 des ÜV II übertragenen Patente und Patentanmeldungen sind in Anhang A aufgelistet. Zu den dort genannten Patenten gehört u.a. das Klagepatent bzw. die diesem zugrunde liegende Patentanmeldung. Insofern ist der Vertrag hinreichend bestimmt. Es ist zwar richtig, dass die fehlende feste Verbindung der Seiten und die fehlende Paraphierung die Feststellung erschwert, mit welchem Inhalt der Vertrag geschlossen wurde, es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die dem Klagepatent vorausgehende Patentanmeldung nicht Gegenstand des Vertrages sein sollte. Im Gegenteil, die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung ist in beiden der in diesem Rechtsstreit vorgelegten Listen von Patenten und Patentanmeldungen enthalten. Soweit es hier also verschiedene Versionen von Patentlisten gegeben hat, ist dies jedenfalls im Hinblick auf das Klagepatent und die diesem vorausgehende Anmeldung unschädlich. Des Weiteren kann der Umstand, dass die UPG als Inhaberin im Patentregister eingetragen wurde, zumindest als ein Indiz dafür gelten, dass die dem Klagepatent zugrunde liegende Patentanmeldung von den Übertragungen umfasst sein sollte.
218cc)
219Vor diesem Hintergrund genügt der ÜV II den Anforderungen an die Schriftform im Sinne des Art. 72 EPÜ. Durch die durchgeführte Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Unterschriften unter dem Vertrag sich auf den darüber stehenden Vertragstext bezogen. Die Vereinbarung gibt den Willen der C wieder, die im Anhang aufgelisteten Patente an die UPG zu übertragen, die wiederum diese Abtretung angenommen hat. Zugleich ist die Kammer davon überzeugt, dass der Vereinbarung eine Liste mit Patenten beigefügt war, die jedenfalls das Klagepatent bzw. die diesem vorausgehende Anmeldung umfasste. Sofern nicht sicher festgestellt werden konnte, ob diese Liste den Unterzeichnenden vor oder bei der Unterzeichnung des Vertrages vorlag, ist dies im Rahmen des Art. 72 EPÜ unschädlich. Denn angesichts des Zwecks dieser Vorschrift, gegenüber dem EPA Rechtsklarheit zu schaffen, ist es ausreichend, dass die Liste jedenfalls im Rahmen des Closings dem Vertrag hinzugefügt wurde und dies von dem Willen der unterzeichnenden Personen gedeckt war. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest.
220dd)
221Hinsichtlich der wirksamen Vertretung der C durch Herrn X wird auf die Ausführungen zum ÜV I verwiesen, die im Rahmen des ÜV II entsprechend gelten.
222ee)
223Die UPG ist im Rahmen des ÜV II wirksam von dem Zeugen U vertreten worden. Der Zeuge U hat ausgesagt, im Februar 2013 President und Chief Executive Officer der UPG und Chief Executive Officer der UP Inc. gewesen zu sein. Diese Aussage haben die Zeugen X und CC im Rahmen ihrer Vernehmung gestützt.
224Die Position des Zeugen U als CEO der UP Inc. wird außerdem durch die von der Klägerin vorgelegten Proxy Statements der D vom 27.09.2012 und 01.10.2013 und eine Pressemitteilung der D vom 19.02.2013 bestätigt. Das Protokoll des Board Meetings der UP Inc. vom 10.01.2013 enthält den Beschluss des Vorstandes der UP Inc. zur Umsetzung des MSA und der nachfolgenden Patentübertragungsverträge. In diesem Zusammenhang wurde der Zeuge U als CEO der UP Inc. autorisiert, für die UP Inc. und deren Tochtergesellschaften die „transaction documents“ zu unterzeichnen. Die Zeugen U , X und CC haben im Rahmen ihrer Vernehmung übereinstimmend ausgesagt, dass das Board Meeting der UP Inc. am 10.01.2013 stattgefunden hat und dort die vorstehend bezeichneten Entscheidungen getroffen wurden. Ausweislich Seite 1 des Protokolls waren die Zeugen U und X bei dem „Meeting of the board of directors of E Inc.“ anwesend.
225In Umsetzung der im Rahmen des Board Meetings getroffenen Vorstandsbeschlüsse wurde der Zeuge U durch das Amended And Restated Operating Agreement der UPG vom 13.02.2013 zum „Initial Officer“ der UPG ernannt (Ziffer 6.(b)) und im Anhang 1 als „President and Chief Executive Officer“ der UPG bezeichnet. Unterzeichnet ist dieses Agreement von dem Zeugen U sowohl für die UP IP Manager G als auch für die UP IP V , jeweils in seiner Funktion als CEO für beide Gesellschaften. Die UP IP Manager G und die UP IP V waren die Gesellschafter der UPG , wobei es sich in beiden Fällen um hundertprozentige Tochtergesellschaften der UP Inc. handelt. Die UP V verfügte ausweislich des „Written Consent in Lieu Of A Special Meeting Of Stockholders Of E V “ vom 07.10.2011 über nur einen Director, nämlich Herrn PP U , der daher für die Gesellschaft allein vertretungsbefugt war. Die Geschäftsführung der UPG wurde der UP IP Manager G übertragen (vgl. Ziffern 1.(k) und 6.(a) des Amended And Restated Operating Agreement). Dies ist nach dem Recht des US-Staates Nevada möglich. Maßgeblich ist insofern der Nevada Limited Liability Company Act. In Ziffer 86 der Nevada Revised Statutes (NRS) ist die Vertretung einer nach dem Recht des US-Staates Nevada gegründeten G im Einzelnen geregelt. NRS 86.291 bestimmt, dass die G durch ihre Gesellschafter oder ihre Manager vertreten werden kann. Die UPG wurde ursprünglich als member managed G gegründet. Am 12.02.2013 wurden die „Articles of Organisation“ allerdings dahingehend geändert, dass die UPG manager managed wurde. Als Manager kann auch eine juristische Person eingesetzt werden, wie im vorliegenden Fall die UP IP Manager G (vgl. hierzu das Gutachten des US-Anwalts PP Rounds vom 09.11.2015, S. 2).
226Die UP IP Manager G hat die Gesellschaftsanteile an der UPG durch das Interest Assignment Agreement vom 10.01.2013 von der UP Inc. erworben. Eine solche Anteilsübertragung ist nach NRS 86.351 möglich. Manager der UP IP Manager G war wiederum die UP Inc. (vgl. § 7 des Company Agreement der F Manager G vom 09.01.2013). Unterzeichnet wurde das Interest Assignment Agreement auf beiden Seiten von dem Zeugen U , jeweils in seiner Funktion als Chief Executive Officer. Dies ist nach dem maßgeblichen Recht des US-Staates Delaware zulässig (vgl. das Gutachten des Herrn Prof. V vom 13.11.2015, S. 3-4). Gleiches gilt im Übrigen auch für das Recht des US-Staates Nevada (vgl. das Gutachten des US-Rechtsanwaltes PP vom 09.11.2015, S. 2-3).
227Die Echtheit sämtlicher vorgenannten Unterschriften hat der Zeuge U im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt. Die Existenz des Amended And Restated Operating Agreements der UPG konnte im Übrigen auch der Zeuge X bestätigen, da er dieses Dokument nach seiner Aussage im Rahmen der Verträge, die Gegenstand der gesamten Transaktion waren, gesehen hat. Er hat hierzu weiter ausgesagt, dass diese Vereinbarung für I von besonderer Bedeutung gewesen sei, da sie die rechtliche Struktur wiedergebe, die I als Insolvenzsicherheit dienen sollte. Der Zeuge CC hat dies ergänzend dahingehend erläutert, dass es I gerade darauf angekommen sei, die UP IP Manager G als Geschäftsführer der UPG einzusetzen. Die UP IP Manager G habe 5 % der Anteile an UPG gehalten, die UP IP V 95 % der Anteile.
228Vor diesem Hintergrund steht die Vertretungsbefugnis des Zeugen U im Rahmen des ÜV II zur Überzeugung der Kammer fest.
229ff)
230Die Kammer sieht keine Veranlassung, an der Glaubwürdigkeit der Zeugen U , X und X zu zweifeln. Soweit Herr U noch als Chairman bei der UP tätig ist, handelt es sich lediglich um eine beratende Tätigkeit für die Erfinder, die in der Vorgängergesellschaft der UP Inc. gearbeitet und dort Erfindungen getätigt haben. Der Zeuge X steht in keinem Arbeitsverhältnis mehr zur UP. Dass er noch Anteile an dieser hält, reicht für sich genommen nicht aus, seine Glaubwürdigkeit anzuzweifeln.
231Die Aussagen der Zeugen U , X und X sind glaubhaft. Sie stimmen in ihrem grundsätzlichen Gehalt überein. Wesentliche Widersprüche konnte die Kammer nicht feststellen. Der Zeuge U hat an diversen Stellen in seiner Vernehmung zu verstehen gegeben, dass er in die Details der Transaktion nicht involviert war. Er hat aber überzeugend ein Bild von dem Gesamtkonzept der Transaktion gezeichnet, das mit der Aussage des Zeugen X übereinstimmt.
232Soweit die Zeugen U , X und X im Vorfeld ihrer Vernehmung mit den Anwälten der Klägerin Kontakt hatten, hielt sich dieser Kontakt nach der Überzeugung der Kammer im üblichen Rahmen einer Information ausländischer Zeugen über den Ablauf, den Inhalt und den Grund ihrer Vernehmung. Eine Beeinflussung der Zeugen vermochte die Kammer auch hier nicht zu erkennen.
233Soweit die Kammer in den vorstehenden Ausführungen Bezug genommen hat auf Aussagen des Zeugen CC , hat sie hierbei berücksichtigt, dass dieser offenbar in einer sehr engen Beziehung zu den anwaltlichen Vertretern der Klägerin steht und sich mit diesen schon im Vorfeld dieses Rechtsstreits detailliert über die streitgegenständlichen Vorgänge ausgetauscht bzw. ihnen Informationen und Unterlagen verschafft hat. Vor diesem Hintergrund hat die Kammer zwar keine grundsätzlichen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen, hat aber im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit seiner Aussage berücksichtigt, dass bei ihm ein gewisses Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits vorhanden sein mag bzw. gewisse Bestandteile seiner Aussage von den Interessen der Klägerin beeinflusst gewesen sein mögen. Die Kammer hat die Aussage des Zeugen CC daher lediglich insoweit herangezogen, wie sie geeignet war, die Aussagen anderer Zeugen zu bestätigen.
234d) Übertragungsvertrag A - Klägerin
235Schließlich hat die Klägerin substantiiert vorgetragen und bewiesen, dass die UPG das Klagepatent mit Vertrag vom 27.02.2014 an die Klägerin abgetreten hat.
236aa)
237Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.11.2015 das Original des ÜV III vorgelegt. Dass dieses Original nicht vollständig mit dem zuvor von der Klägerin eingereichten Exemplar des ÜV III übereinstimmt, beeinträchtigt zwar den Beweiswert der als Original vorgelegten Urkunde, das Zustandekommen einer Vereinbarung mit dem im ÜV III festgehaltenen Inhalt steht aber zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest. Der Zeuge X hat, nachdem ihm im Rahmen seiner Zeugenvernehmung das von der Klägerin als Original eingereichte Exemplar des ÜV III vorgehalten worden ist, nicht nur die Echtheit seiner eigenen Unterschrift, sondern auch die des Herrn M bestätigt. Hierzu hat er ausgesagt, mit der Unterschrift des Herrn M vertraut zu sein und diese zu erkennen. Dass der Zeuge X sich an Ort und Zeit seiner Unterschriftsleistung nicht mehr genau erinnern konnte, unterstreicht nur die Glaubhaftigkeit seiner Aussage, hindert aber nicht die Annahme eines wirksamen Vertragsschlusses. Der Zeuge konnte sich nämlich noch genau daran erinnern, den gesamten Vertrag gelesen zu haben, wobei ihm auch eine Liste mit Patenten vorgelegt wurde. Hierzu wusste er noch, dass er Herrn CC gefragt hat, ob er diese Liste durcharbeiten müsse. Dass er sich an die Details dieser Liste – etwa ob sie in schwarz-weiß oder Farbe gedruckt war – nicht mehr erinnern konnte, ist unschädlich. Der Zeuge hatte jedenfalls eine klare Vorstellung davon, dass mit dem zu unterzeichnenden Vertrag ein Patentportfolio von der UPG auf die Klägerin übertragen werden sollte. Der Zeuge wusste auch, dass aufgrund steuerlicher Gesichtspunkte gerade die europäischen und koreanischen Patente auf die Klägerin übertragen werden sollten. Dies hat auch der Zeuge CC so bestätigt. Soweit in diesem Rechtsstreit zwei Versionen des ÜV III vorgelegt wurden, hielt der Zeuge X es nicht für ausgeschlossen, den Vertrag zweimal unterzeichnet zu haben. Hierdurch lassen sich Unterschiede in den vorgelegten Unterschriftsseiten erklären. Der Zeuge X hat weiter ausgesagt, dass die Unterzeichnung des Vertrages von dem Zeugen CC koordiniert wurde, zugleich aber für die Transaktion auch die Rechtsanwaltskanzlei OO beauftragt war. Dies deckt sich mit der Aussage des Zeugen U . Insofern ist den Zeugenaussagen auch zu entnehmen, dass die hinzugezogenen Anwälte bevollmächtigt waren, die Willenserklärungen der Vertragsparteien weiterzuleiten und entgegenzunehmen. Der Zeuge CC hat zudem ausgesagt, dass beide Vertragsparteien eine elektronische Version der Unterschriftenseite der jeweils anderen Partei erhalten hätten. Insofern ist von einem wirksamen Zugang der Willenserklärungen bei der jeweils anderen Vertragspartei auszugehen.
238bb)
239Die Kammer ist außerdem davon überzeugt, dass der ÜV III die Abtretung des Klagepatents von der UPG an die Klägerin umfasste. Die gemäß Ziffer 1 des ÜV III übertragenen Patente sind in Anhang A aufgelistet. Zu den dort genannten Patenten gehört unter anderem das Klagepatent. Der Vertrag ist damit hinreichend bestimmt. Die fehlende feste Verbindung der einzelnen Seiten des Vertrages und die fehlende Paraphierung der Seiten erschweren zwar die Feststellung, mit welchem Inhalt der Vertrag im Einzelnen geschlossen wurde, es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Klagepatent nicht von dem ÜV III umfasst sein sollte. Im Gegenteil, das Klagepatent ist in der vorgelegten Liste von Patenten enthalten und es handelt sich um ein europäisches Patent. Eben die europäischen Patente sollten nach der Aussage des Zeugen X Gegenstand der Übertragung sein. Zudem kann der Umstand, dass die Rechteinhaberschaft an dem Klagepatent – mit Zustimmung der UPG – im Patentregister geändert wurde und die Klägerin nunmehr als Inhaberin des Klagepatents im Register genannt ist, als ein Indiz dafür herangezogen werden, dass der Wille der Vertragsparteien dahin ging, das Klagepatent mit dem ÜV III von der UPG auf die Klägerin zu übertragen.
240cc)
241Hinsichtlich des ÜV III findet Art. 72 EPÜ keine Anwendung. Denn das Klagepatent wurde am 13.11.2013 erteilt. Übertragen wurde damit im Rahmen des ÜV III nicht eine europäische Patentanmeldung, sondern ein europäisches Patent.
242Ungeachtet dessen genügt aber auch der ÜV III den Anforderungen an die Schriftform im Sinne des Art. 72 EPÜ. Durch die durchgeführte Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Unterschriften unter dem Vertrag sich auf den darüber stehenden Vertragstext bezogen. Die Vereinbarung gibt den Willen der UPG wieder, die im Anhang aufgelisteten Patente an die Klägerin zu übertragen, die wiederum diese Abtretung angenommen hat. Zugleich ist die Kammer aufgrund der Aussagen der Zeugen X und CC davon überzeugt, dass der Vereinbarung eine Liste mit Patenten beigefügt war, die jedenfalls das Klagepatent umfasste. Sofern nicht sicher festgestellt werden konnte, ob diese Liste den Unterzeichnenden vor oder bei der Unterzeichnung des Vertrages vorlag, ist dies im Rahmen des Art. 72 EPÜ unschädlich. Denn angesichts des Zwecks dieser Vorschrift, gegenüber dem EPA Rechtsklarheit zu schaffen, ist es ausreichend, dass die Liste jedenfalls im Rahmen des Closings dem Vertrag hinzugefügt wurde und dies von dem Willen der unterzeichnenden Personen gedeckt war. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest.
243dd)
244Die UPG wurde bei der Unterzeichnung des ÜV III wirksam von dem Zeugen X vertreten. Der Zeuge hat im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt, zum damaligen Zeitpunkt Chief Financial Officer der UP Inc. und der UPG gewesen zu sein. Dies wird bestätigt durch das von der Klägerin vorgelegte Protokoll eines Board Meetings der UP Inc. vom 10.01.2013, in dem der Zeuge X als CFO der UP Inc. benannt ist. Darüber hinaus hat auch der Zeuge U angegeben, dass der Zeuge X in den Jahren 2013 und 2014 CFO der UP Inc. und der UPG gewesen sei. Entsprechend findet sich in dem Amended And Restated Operating Agreement der UPG vom 13.02.2013 im Anhang 1 der Name des Zeugen X . Gemäß Ziffer 6.(b) des Agreements in Verbindung mit dem Anhang 1 wurde er zum „Initial Officer“ der UPG ernannt, wobei ihm ausweislich des Anhangs 1 die Funktion des CFO zukam. Gemäß Ziffer 6. (b) des Agreements verfügte der Zeuge X damit über die entsprechende Befugnis, die UPG im Rahmen des ÜV III zu vertreten.
245ee)
246Die Klägerin wurde beim Abschluss des ÜV III wirksam durch Herrn M vertreten. Die Klägerin ist im irischen Handelsregister als Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach irischem Recht eingetragen. Der Vorstand der Klägerin bestand im Jahr 2014 aus den beiden Vorstandsmitgliedern Herrn X und Herrn M . Dass Herr M bereits am 27.02.2014 – dem Tag des Inkrafttretens des ÜV III „Managing Director“ der Klägerin und damit für diese vertretungsberechtigt war, ergibt sich aus dem Protokoll des Board Meetings der Klägerin vom 27.02.2014. Ausweislich dieses Protokolls wurde Herrn Sami M die Vollmacht erteilt, alle notwendigen Dokumente zur Umsetzung der Patentübertragungen im Rahmen des MSA zu unterzeichnen. Die Zeugen X und CC haben bestätigt, dass ein entsprechendes Board Meeting der Klägerin stattgefunden hat und dort die vorgenannte Entscheidung getroffen wurde. Dass es zwei unterschiedliche Versionen des Protokolls gibt, erklärte der Zeuge X nachvollziehbar damit, dass das Protokoll von seiner Assistentin während der Telefonkonferenz angefertigt worden sei. Die hinzugezogenen irischen Anwälte hätten dann darum gebeten, das Protokoll mehr aus der Sicht der in Irland ansässigen Klägerin zu fertigen. Dies sei so umgesetzt worden und er habe das Protokoll dann nochmals unterzeichnet. Diese Aussage passt zu den in den beiden Protokollversionen angegebenen Daten und der Änderung der im Kopf angegebenen Anschrift in Reno in die Anschrift der Klägerin in Irland. Vor diesem Hintergrund ist die Kammer davon überzeugt, dass das Board Meeting der Klägerin tatsächlich am 27.02.2014 stattgefunden hat und darin Herr M die erforderliche Vertretungsmacht erhielt, den ÜV III zu unterzeichnen.
247ff)
248Die Aussage des Zeugen X ist glaubhaft. Sie weist keine erkennbaren Widersprüche auf und der Zeuge hat sich darum bemüht, deutlich zu machen, an welche Details er keine konkrete Erinnerung mehr hat. Auf der anderen Seite hatte er ein sehr genaues Bild von den Gesamtumständen der Transaktion, das mit den Aussagen der anderen Zeugen übereinstimmt. Soweit die Kammer im Rahmen der Beweiswürdigung Aussagen des Zeugen CC herangezogen hat, gilt das zum ÜV II Gesagte entsprechend.
2494.
250Die von der Klägerin im Wege der Abtretung geltend gemachten Ansprüche auf Rechnungslegung und Schadensersatz für die Zeit vor dem 27.02.2014 unterliegen nicht der Indizwirkung des Patentregisters. Denn über etwaige Abtretungen solcher Ansprüche sagt das Patentregister grundsätzlich nichts aus. Eine Indizwirkung könnte allenfalls insofern bestehen, als dass derjenige, der berechtigt das Patent übertragen durfte, auch berechtigt war, die in der Vergangenheit liegenden Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüche abzutreten. Ob eine solche Indizwirkung angenommen werden kann, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, da nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer feststeht, dass das Klagepatent wie von der Klägerin vorgetragen am 27.04.2014 von der UPG auf die Klägerin übertragen wurde und dabei die in der Vergangenheit entstandenen Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüche der UPG mit abgetreten wurden. Hinsichtlich der Wirksamkeit des Übertragungsvertrages wird auf die Ausführungen unter Ziffer 3 verwiesen.
251Der ÜV III umfasste neben der Abtretung des Patents auch die Abtretung von in der Vergangenheit entstandenen Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüchen der UPG . So heißt es in Ziffer 1 des ÜV III, dass die Übertragung das Recht umfasst, hinsichtlich vergangener, gegenwärtiger oder zukünftiger Verletzungen der Patente Schadensersatz oder andere Formen der Entschädigung einzuklagen und zu erhalten. Die Klägerin soll in allen Angelegenheiten, die die übertragenen Patente betreffen, vollständig und uneingeschränkt an die Stelle der UPG treten. Dies ist dahingehend auszulegen, dass der ÜV III neben der Abtretung des Klagepatents selbst auch eine Abtretung der in diesem Rechtsstreit streitgegenständlichen Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche der UPG an die Klägerin enthält.
252Die Anwendung des Rechts des Staates Nevada führt zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Die Abtretung europäischer Patente und der aus ihrer Verletzung resultierenden Schadensersatzansprüche ist ausweislich der Stellungnahme der Kanzlei Y (Gutachten vom 28.07.2015, S. 6) nach dem Recht des Staates Nevada möglich. Ist dies der Fall, müssen auch die korrespondierenden Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche abtretbar sein, da andernfalls der Schadensersatz nicht beziffert werden könnte.
253Die Beklagten haben gegen das dargelegte Verständnis des ausländischen Rechts keine substantiierten Einwände erhoben.
2545.
255Soweit nach dem Vorstehenden festgestellt werden kann, dass die von der Klägerin vorgetragenen Abtretungen des Klagepatents und der dieses betreffenden Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche rechtswirksam erfolgt sind, stehen dem kartellrechtliche Gesichtspunkte nicht entgegen.
256Das MSA bzw. die nachfolgenden Patentübertragungen verstoßen weder gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften (§§ 35-43 GWB) noch kann eine Unwirksamkeit der Patentübertragungen infolge eines kartellrechtlich verbotenen Eingriffs in den Wettbewerb im Sinne der Art. 101, 102 AEUV angenommen werden.
257Das europäische Kartellrecht findet in den Mitgliedstaaten unmittelbar Anwendung und ist Bestandteil der in den Mitgliedstaaten – und damit auch in Deutschland – geltenden Rechtsordnungen. Das nationale Recht und das Gemeinschaftsrecht finden nebeneinander Anwendung, wobei in Kollisionsfällen dem Gemeinschaftsrecht der Anwendungsvorrang zukommt (Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, Einführung Rn 102 ff.).
258a) Verstoß gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften, §§ 35-43 GWB
259Zusammenschlüsse, die entgegen einer nach § 39 GWB bestehenden Verpflichtung nicht beim Bundeskartellamt angemeldet werden, sind gemäß § 41 Abs. 1 S. 2 GWB (schwebend) unwirksam. Dies setzt voraus, dass die Transaktion erstens einen Zusammenschluss nach § 37 GWB beinhaltet, zweitens die beteiligten Unternehmen die Umsatzschwellen des § 35 GWB überschreiten und drittens der Zusammenschluss Inlandswirkung hat, § 130 Abs. 2 GWB. Dass diese Voraussetzungen vorliegen, kann nicht festgestellt werden.
260Es kann dahinstehen, ob die Übertragung des Patentportfolios der Streithelferin an den UP Unternehmenskonzern nach Maßgabe des MSA einen Vermögenserwerb im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB darstellt oder ob die insbesondere in Artikel 6 des MSA enthaltenen Regelungen einen Kontrollerwerb im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB begründen. Denn ungeachtet dessen haben die Beklagten jedenfalls nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass die in § 35 GWB genannten Umsatzschwellen überschritten werden.
261§ 35 Abs. 1 GWB verlangt für das Bestehen einer fusionskontrollrechtlichen Anmeldepflicht im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss (kumulativ) die folgenden Umsatzerlöse:
262- Weltweite Umsatzerlöse aller beteiligten Unternehmen von insgesamt mehr als 500 Mio. EUR
263- Umsatzerlöse mindestens eines beteiligten Unternehmens in Deutschland von mehr als 25 Mio. EUR (erste Inlandsumsatzschwelle)
264- Umsatzerlöse mindestens eines anderen beteiligten Unternehmens in Deutschland von mehr als 5 Mio. EUR (zweite Inlandsumsatzschwelle)
265Als Beteiligte im Sinne des § 35 Abs. 1 GWB sind diejenigen Unternehmen zu identifizieren, zwischen denen der Zusammenschluss nach § 37 Abs. 1 GWB erfolgt. Dies sind diejenigen Unternehmen, zwischen denen nach dem Vollzug eine relevante Unternehmensverbindung im Sinne des § 37 Abs. 1 GWB besteht, welche vorher noch nicht bestanden hat. Konkret lässt sich diese Frage nur nach Klärung der jeweils verwirklichten Zusammenschlusstatbestände im Sinne des § 37 Abs. 1 GWB beantworten (Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 35 GWB Rn 50). Nach § 36 Abs. 2 GWB gilt hierbei eine Verbundbetrachtung. Materiell zusammenschlussbeteiligt ist immer die gesamte Unternehmensgruppe,welcher der unmittelbar zusammenschlussbeteiligte Rechtsträger angehört (Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 35 GWB Rn 51).
266aa)
267Zusammenschlussbeteiligt sind beim Vermögenserwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB neben dem Erwerber (hier: UPG ) der Veräußerer (hier die Streithelferin) bzw. das übertragene Vermögen. Der Streit, ob auf Seiten des Veräußerers der Veräußerer selbst oder das übertragene Vermögen als Beteiligter anzusehen ist, hat aufgrund der Regelung des § 38 Abs. 5 S. 1 GWB keine praktischen Auswirkungen. Im Fall des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB ist auf der Seite des Veräußerers stets nur der Umsatz zu berücksichtigen, der auf den veräußerten Vermögensteil entfällt (vgl. zum Streitstand: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 37 GWB Rn 68).
268Dass der Umsatz von UPG bzw. der UP Unternehmensgruppe im Geschäftsjahr 2012 in Deutschland über 25 Mio. EUR betrug, behaupten die Beklagten selbst nicht. Aber auch hinsichtlich der übertragenen Patente behaupten die Beklagten lediglich Umsätze von über 5 Mio. EUR im Geschäftsjahr 2012. Damit fehlt es im Rahmen des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB jedenfalls an Sachvortrag zu der Überschreitung der ersten Inlandsumsatzschwelle.
269bb)
270Beteiligt an einem Zusammenschluss im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB durch den Erwerb von (Mit-)Kontrolle sind immer alle Unternehmen, die nach Durchführung des Vorhabens durch Kontrolle im Sinne von §37 Abs. 1 Nr. 2 GWB miteinander in Verbindung stehen. Das sind das gemeinsam kontrollierte Gemeinschaftsunternehmen und alle künftig mitkontrollierenden Unternehmen (Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 37 GWB Rn 235), im vorliegenden Fall also UPG , UP Inc. und die Streithelferin. Die Beklagten haben nicht vorgetragen, dass UPG , UP Inc. oder auch die gesamte UP Unternehmensgruppe im Geschäftsjahr 2012 Umsätze in Höhe von mehr als 5 Mio. EUR erzielt hätten. Damit fehlt es im Rahmen des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB jedenfalls an der Überschreitung der zweiten Inlandsumsatzschwelle.
271cc)
272Aber auch wenn man davon ausgehen wollte, dass die beiden vorgenannten Zusammenschlusstatbestände nebeneinander erfüllt wären, und damit im Rahmen eines einheitlichen Zusammenschlusses den Kreis der beteiligten Personen auf die Streithelferin, den UP Unternehmensverbund (einschließlich UPG ) sowie die übertragenen Patente erweitern wollte, reicht der Vortrag der Beklagten nicht aus, um das Überschreiten der zweiten Inlandsumsatzschwelle von 5 Mio. EUR zu begründen. Soweit die Beklagten versuchen, aus einem im MSA angenommenen Wert der übertragenen Patente von mindestens 1,05 Milliarden USD auf angebliche Umsätze mit den übertragenen Patenten in Deutschland rückzurechnen, geht dies schon vom Ansatz her fehl, weil Anlass für den Abschluss des MSA nach Auskunft der Streithelferin gerade der Umstand war, dass die Streithelferin mit den übertragenen Patenten zuvor keine dem Wert der übertragenen Patente entsprechenden Lizenzeinnahmen erzielen konnte. Jedenfalls ihre Einschätzung des Werts der übertragenen Patente – die im MSA zum Ausdruck kommt – dürfte daher nicht mit den im Jahr 2012 mit diesen Patenten erzielten Lizenzeinnahmen korrespondieren. Es steht nicht einmal fest, dass die Streithelferin mit den übertragenen Patenten im Geschäftsjahr 2012 überhaupt irgendwelche Lizenzeinnahmen in Deutschland erzielt hat. Diese sollten vielmehr nach dem Willen der Vertragsparteien des MSA gerade durch UP generiert werden. Insofern sind auch etwaige Anhaltspunkte im MSA, mit welchen Lizenzeinnahmen die Vertragsparteien ggf. in der Zukunft rechneten, nicht aussagekräftig im Hinblick auf die tatsächlich im Geschäftsjahr 2012 von der Streithelferin erzielten Umsätze mit den übertragenen Patenten in Deutschland. Soweit die Beklagten diesbezüglich auf eine Stellungnahme der Streithelferin gegenüber der United States Securities and Exchange Commission abstellt, betrifft diese das gesamte Patentportfolio der Streithelferin weltweit. Eine Aussage gerade im Hinblick auf die übertragenen Patente und die mit diesen in Deutschland erzielten Umsätze kann ihr nicht entnommen werden.
273dd)
274Soweit die Beklagten meinen, die Klägerin bzw. die Streithelferin treffe im Rahmen des § 35 GWB eine sekundäre Darlegungslast, folgt die Kammer dem nicht. Das Behaupten des Überschreitens der Umsatzschwellen durch die Beklagten erfolgt ins Blaue hinein; konkrete Anhaltspunkte hierfür bestehen nicht. Vor diesem Hintergrund ist kein Anlass ersichtlich, der Klägerin, noch weniger der Streithelferin, eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen, die letztlich der Ausforschung des Sachverhalts durch die Beklagten dienen würde.
275Dies gilt umso mehr, als die Vorschriften der Fusionskontrolle grundsätzlich nicht den Interessen Dritter dienen. § 41 Abs. 1 GWB soll vielmehr ein geordnetes Fusionskontrollverfahren sicherstellen. Er gilt für alle tatbestandsmäßigen Zusammenschlüsse, die die Umsatzschwellen des § 35 erfüllen, unabhängig von deren materiellrechtlicher Bewertung. Auch freizugebende Zusammenschlüsse unterliegen (zunächst) dem Vollzugsverbot. Daher kann sich kein Wettbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter darauf berufen, dass § 41 GWB ihn vor den wirtschaftlichen Folgen eines Zusammenschlusses schützen soll (vgl. Immenga/Mestmäcker/Thomas, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 41 Rn 74 m.w.N.). Soweit in dem Verfahren vor dem Bundeskartellamt andere Grundsätze hinsichtlich der Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten gelten sollten – die Beklagten verweisen in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des BGH vom 14.10.2008 in der Streitsache „Faber/Basalt“ (NJW 2009, 1611) – hat dies jedenfalls für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung. Die erkennende Kammer ist nicht dazu berufen, das Fusionskontrollverfahren durchzuführen, sondern hat nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen über das Bestehen oder die Nichtigkeit eines schuldrechtlichen Vertrages bzw. einer Übertragung von Patenten zu entscheiden. Diesbezüglich trifft die Beklagten die volle Darlegungs- und Beweislast für die von ihnen behauptete Unwirksamkeit des MSA und der nachfolgenden Patentübertragungsverträge. Dem haben sie nicht genügt.
276b) Art. 101 AEUV (§ 1 GWB)
277Ohne Erfolg wenden die Beklagten ein, das MSA und die diese Vereinbarung vollziehenden Abtretungsvereinbarungen verstießen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV (§ 1 GWB) mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit gemäß Art. 101 Abs. 2 AEUV.
278Art. 101 Abs. 1 AEUV verlangt – ebenso wie § 1 GWB – eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist bei der Prüfung des wettbewerbswidrigen Zwecks einer Vereinbarung insbesondere auf deren Inhalt und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang, in dem sie steht, abzustellen. Ferner kann die Kommission die Absicht der Parteien in ihrer Prüfung berücksichtigen, selbst wenn dieser Aspekt für die Entscheidung, ob eine Vereinbarung einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, nicht ausschlaggebend ist. (Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, 2011/C 11/01, Rn 25)
279Wenn eine Vereinbarung keine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, ist zu prüfen, ob sie spürbare wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen hat. Dabei sind die tatsächlichen wie auch die potenziellen Auswirkungen zu berücksichtigen. Es muss also zumindest wahrscheinlich sein, dass eine Vereinbarung wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen hat (Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, 2011/C 11/01, Rn 26).
280Eine Vereinbarung hat dann wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV, wenn sie eine tatsächliche oder wahrscheinliche spürbare negative Auswirkung auf mindestens einen Wettbewerbsparameter des Marktes (zum Beispiel Preis, Produktionsmenge, Produktqualität, Produktvielfalt, Innovation) hat. Vereinbarungen können solche Auswirkungen haben, wenn sie den Wettbewerb zwischen den Parteien der Vereinbarung oder zwischen einer der Parteien und Dritten spürbar verringern. Die Vereinbarung muss die Parteien – entweder durch in der Vereinbarung festgelegte Pflichten, die das Marktverhalten von mindestens einer Partei regeln, oder durch Einflussnahme auf das Marktverhalten mindestens einer Partei durch Veränderung ihrer Anreize – in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränken (Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, 2011/C 11/01, Rn 27).
281Das MSA (und seine Umsetzung durch die nachfolgenden Übertragungen der „I Assigned Patents“) verfolgt weder einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck, noch kommen ihm wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen in dem vorbeschriebenen Sinne zu.
282aa)
283Dies gilt zunächst einmal im Hinblick darauf, dass die Streithelferin ihr Portfolio standardessentieller Patente aufgeteilt und einen Teil dieses Portfolios an die Klägerin veräußert hat.
284Die Streithelferin hält nach ihrem eigenen (unbestrittenen) Vortrag eines der stärksten Portfolios essentieller Patente in der Telekommunikationsindustrie, das über 37.000 Patente umfasst. Mit der Veräußerung eines Teils ihres Patentportfolios verfolgte sie den Zweck, einen faireren Ausgleich für die veräußerten Patente zu erlangen, um die vorangegangenen Kosten für Forschung und Entwicklung zu kompensieren. Diese Kosten sind immens; die I -Gruppe beschäftigt mehr als 25.000 Mitarbeiter im Bereich der Forschung und Entwicklung und investiert jährlich etwa 5 Milliarden USD in diesen Bereich. In der Folge werden jährlich etwa 2.000 neue Patente erteilt. Ein Großteil der von der Streithelferin gehaltenen Patente ist essentiell für die bedeutenden Standards, die von Mobilkommunikationsgeräten und deren Infrastruktur genutzt werden. Sie hat daher in der Vergangenheit bereits eine große Anzahl von Lizenzverträgen abgeschlossen. Das Patentrecht dient insbesondere der Förderung solcher Forschungs- und Entwicklungsarbeit, indem die daraus resultierenden Erfindungen unter entsprechenden rechtlichen Schutz gestellt werden. Vor diesem Hintergrund ist die erklärte Absicht der Streithelferin, für ihre Patente einen angemessenen Ausgleich zu erlangen, wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.
285Grundsätzlich ist der Patentinhaber frei, seine – auch standardessentiellen – Patente zu verwerten, ggf. also auch an Dritte zu veräußern und zu übertragen (so auch schon: OLG Karlsruhe, MMR 2011, 469, 471). Ein generelles Veräußerungsverbot für standardessentielle Patente lässt sich über kartellrechtliche Vorschriften nicht rechtfertigen. Es besteht auch grundsätzlich keine Verpflichtung des Patentinhabers, eine bestehende Lizensierungspraxis aufrecht zu erhalten. Beschränkt wird der Inhaber eines Patents, das Gegenstand eines von einer Standardisierungsorganisation vereinbarten Standards ist, in seiner Lizensierungspraxis unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten durch die von ihm abgegebene Selbstverpflichtungserklärung, Dritten Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu gewähren.
286Die Kammer vermag – entgegen dem anderslautenden Vortrag der Beklagten – im vorliegenden Fall nicht festzustellen, dass es bezweckt war, durch die Aufteilung des Patentportfolios der Streithelferin am Markt überhöhte, insbesondere über einen FRAND-Maßstab hinausgehende Lizenzgebühren durchzusetzen oder die Beklagten gegenüber anderen Marktteilnehmern zu diskriminieren.
287Die den Patentübertragungen zugrundeliegenden Verträge, das Master Sale Agreement vom 10.01.2013 („MSA“) und das Patent Sale and Grant-Back License Agreement vom 13.02.2013 („PSA“), enthalten eine Vielzahl von Regelungen, die die Überleitung der FRAND-Verpflichtung von der Streithelferin auf die UPG bzw. von der UPG auf die Klägerin sicherstellen sollen. Gemäß Ziffer 6.7 des MSA sollten die Patente der Streithelferin einschließlich der bestehenden Lizensierungsverpflichtungen, unter anderem der Verpflichtungen, die bei der ETSI eingereicht wurden, übertragen werden. In Ziffer 6.14 des MSA heißt es entsprechend, dass die UPG die FRAND-Verpflichtung der Streithelferin übernimmt und innerhalb einer angemessenen Frist nach Abschluss des Vertrages gegenüber der ETSI eine eigene FRAND-Erklärung abgeben wird. Gemäß Ziffer 6.1 (x) des MSA ist UPG die Geltendmachung von Ansprüchen aus den zu übertragenden Patenten, die über FRAND-Bedingungen hinausgehen, untersagt. In Klausel 6.1 (b) des MSA wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die bestehenden Belastungen die Möglichkeiten des Erwerbers einschränken können, die zu übertragenden Patente zu verwerten. Im PSA findet sich in Klausel 5.4 die Verpflichtung der UPG , bei einer Übertragung von Patenten auf Dritte sicherzustellen, dass die FRAND-Verpflichtung übernommen wird. Um sicherzustellen, dass die Klägerin in gleicher Weise verpflichtet ist wie UPG , ist die Klägerin dem MSA beigetreten.
288Entsprechend ihrer vertraglichen Verpflichtungen gaben sowohl die UPG unter dem 14.06.2013 als auch die Klägerin unter dem 6.3.2014 eigene FRAND-Erklärungen gegenüber der ETSI ab. Hiernach sind sowohl die UPG als auch die Klägerin (jeweils einschließlich der mit diesen verbundenen Unternehmen) unwiderruflich dazu verpflichtet, Lizenzen an ihren essentiellen Patenten zu Bedingungen einzuräumen, die mit Art. 6.1 der ETSI IPR Richtlinien in Einklang stehen, d.h. „fair, reasonable and non-discriminatory“ sind.
289Dass die FRAND-Erklärung der Klägerin dabei nicht die Verpflichtung umfasst, die bisherige, von der Streithelferin konkret umgesetzte Lizensierungspraxis weiterzuführen, ist unschädlich. Art. 101 AEUV schützt nicht etwa eine bestimmte Lizensierungspraxis, sondern den Zugang zu dem durch den Standard geregelten Produktmarkt zu FRAND-Bedingungen. Der Grundsatz der „Nicht-Diskriminierung“ verlangt dabei von dem Patentinhaber nur, die in einer vergleichbaren Position befindlichen Lizenznehmer gleich zu behandeln, nicht aber, auf die Dauer allen Lizenznehmern exakt dieselben Lizenzbedingungen anzubieten (vgl. hierzu auch schon: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff. – Standard-Spundfass). Befinden sich die Lizenznehmer in einer unterschiedlichen Ausgangsposition, etwa aufgrund einer zwischenzeitlich erfolgten Veräußerung und Übertragung der lizensierten Patente, können durchaus unterschiedliche Lizenzbedingungen zur Anwendung kommen, ohne dass dies zwingend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Lizensierung zu FRAND-Bedingungen bedeuten würde. Dies ergibt sich praktisch schon daraus, dass ggf. ein anderes Portfolio lizensiert wird. Kartellrechtlich bedenklich ist eine solche Lizensierung zu unterschiedlichen Bedingungen erst dann, wenn die Bedingungen sich nicht mehr im fairen und angemessenen Bereich bewegen und die zwischen den einzelnen Lizenznehmern vorgenommenen Unterschiede zu einer wesentlichen Störung des Wettbewerbs führen.
290Was im einzelnen FRAND ist, ist objektiv zu bewerten. Dabei ist unter anderem auch der Umstand zu berücksichtigen, dass für die Herstellung und Vermarktung eines standardkonformen Produkts ggf. Lizenzen bei mehreren Patentinhabern eingeholt werden müssen. FRAND ist dabei die einzelne Lizenzgebühr nur dann, wenn sie insgesamt – d.h. mit den ggf. zusätzlich erforderlichen Lizenzen zusammen – nicht zu einer unangemessen hohen Belastung des Lizenznehmers führt (vgl. hierzu auch Müller, GRUR 2012, 686, 689).
291Soweit die Streithelferin mit dem MSA und den diesen vollziehenden Patentübertragungen die Hoffnung verbindet, durch eine Aufgliederung ihres umfangreichen Patentportfolios in Teil-Portfolios mit unterschiedlichen Patentinhabern höhere, nach ihrem Empfinden angemessene Lizenzgebühren erzielen zu können, wird dies nur dann der Fall sein, wenn die bislang für ihre Patente gezahlten Lizenzgebühren sich unterhalb oder am unteren Rand einer FRAND-Lizenzgebühr bewegten. Die Anhebung der Gebühren auf ein Niveau, das (zumindest mittleren) FRAND-Kriterien entspricht, ist aber nicht als Wettbewerbsbeschränkung anzusehen, zumal die Parteien des MSA nicht die Möglichkeit haben, die Lizenzgebühren einseitig festzusetzen. Diese müssen vielmehr mit den potentiellen Lizenznehmern ausgehandelt werden. Soweit die Streithelferin bzw. die Klägerin sich durch die Umsetzung des MSA in diesem Zusammenhang eine bessere Verhandlungsposition versprechen, ist dies durchaus legitim. Die Kammer vermag hierin weder einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck zu erkennen, noch hält sie es für wahrscheinlich, dass die Vereinbarung spürbar negative Auswirkungen auf den Mobilfunkmarkt hat. Im Hinblick auf die Auswirkungen am Markt hat die Kammer dabei in ihre Überlegungen auch den Umstand eingestellt, dass ausweislich des „license proposal“ der Klägerin Lizenzgebühren von um die 0,75 USD pro Mobilfunkgerät im Raum stehen. In Anbetracht der handelsüblichen Preise für Mobilfunkgeräte ist dies, selbst im niedrigpreisigen Segment, lediglich ein geringer Anteil an den Gesamtkosten. Dass potentielle Lizenznehmer, die den GSM-Standard nutzen möchten, die Lizenzgebühren nunmehr mit (mindestens) zwei Inhabern standardessentieller Patente aushandeln müssen und jedenfalls einer der Patentinhaber – nämlich die Klägerin – eine reine Patentverwertungsgesellschaft darstellt, mag zwar die Lizenzverhandlungen am Markt für die Lizenznehmer etwas erschweren, zumal es jedenfalls in Bezug auf die Klägerin nicht möglich sein dürfte, N lizenzen zu vereinbaren, dies führt aber so lange nicht zu einem kartellrechtlich bedeutsamen Verhandlungsungleichgewicht, wie die insgesamt für die Nutzung des GSM-Standards geforderten Lizenzgebühren FRAND bleiben. Hierzu haben sich sowohl die Streithelferin als auch die Klägerin gegenüber der ETSI verpflichtet. Darüber hinaus steht den Beklagten weder das Recht auf einen bestimmten Patentinhaber und damit Verhandlungspartner, noch das Recht auf die Zusammenfassung für den GSM-Standard essentieller Patente in einem Portfolio oder die Beibehaltung einer bestimmten Lizensierungspraxis zu.
292bb)
293Das MSA enthält – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch keine unzulässige Preisbindung. Insbesondere verstößt Ziffer 3.4 des MSA nicht gegen Art. 101 AEUV.
294Ziffer 3.4 des MSA lautet:
295„Calculation Adjustment; Royalty Rate
296(a) If UPG enters into any license, release, covenant not to sue or assert or other agreement with a third party between Closing and … thereafter that gives or purports to give such third party and/or its Affiliates rights to I Assigned Patents (or any other Patents assigned to UPG by E Sub or any of its Affiliates) owned or controlled by UPG that, at the time that UPG enters into such agreement, is known by UPG to include at least one Defined Patent to design, manufacture, have made, sell, import or otherwise use Specified Products and if and only if such license, release, covenant or agreement provides for a Royalty Rate for the sales of such Specified Products that is less than the Applicable Royalty Rate for such sales (each such license, release, covenant or agreement, a „Specified Mobile License“), the amounts to be included in Gross Revenues for any fiscal quarter from any Specified Mobile Licenses for purposes of calculating Quarterly Payment under this Agreement for such fiscal quarter shall be the amounts UPG would have received had the Royalty Rate in such Specified Mobile Licenses been the Applicable Royalty Rate.”
297Die vorgenannte Regelung des MSA enthält zwar die Vereinbarung einer sog. „Applicable Royalty Rate“, hierin liegt aber keine unzulässige Preisbindung. UPG wird durch das MSA nicht verpflichtet, die „Applicable Royalty Rate“ von ihren Lizenznehmern zu verlangen. Vielmehr ist UPG in ihrer Preisgestaltung im Verhältnis zu ihren Lizenznehmern frei. Ziffer 3.4 stellt lediglich eine Kaufpreisregelung im Verhältnis zur Streithelferin bzw. deren Tochtergesellschaft, der Cluster G , dar.
298Die Parteien des MSA haben für den Verkauf der „I Assigned Patents“ keinen festen Kaufpreis vereinbart. Vielmehr wird der Kaufpreis gemäß Ziffer 3.1 des MSA von UPG in vierteljährlichen Zahlungen an die C geleistet. Die Höhe der Zahlungen bemisst sich ausweislich Ziffer 3.2 des MSA anhand eines festgelegten Prozentsatzes der von UPG im vorhergehenden Quartal erzielten Einkünfte („Gross Revenue“). Mit anderen Worten erhält die C als Gegenwert für die Übertragung der Patente einen Anteil an den von UPG erzielten Lizenzeinnahmen. In diesem Zusammenhang ist auch Ziffer 6.1 (aa) des MSA zu sehen, wonach UPG mit ihren Lizenznehmern ohne die Zustimmung der Streithelferin keine Gebührenstruktur vereinbaren darf, die nicht an einen Prozentsatz der Gesamteinnahmen des Lizenznehmers aus Verkäufen der „Specified Products“ anknüpft. So soll sichergestellt werden, dass I bzw. die C ihren Anteil an den Lizenzeinnahmen erhält. Die Regelungen in den Ziffern 3.3 und 8.13 des MSA dienen dazu, den Kaufpreis für den Fall abzusichern, dass UPG ihre vertraglichen Pflichten aus dem MSA verletzt (sog. „trigger events“) oder ein Kontrollwechsel („change of control“) stattfindet.
299Um sicherzustellen, dass die „Kaufpreiszahlung“ an die C einen bestimmten Wert erreicht, sieht Ziffer 3.4 des MSA die Festlegung einer „Applicable Royalty Rate“ vor. Wird diese beim Abschluss eines Lizenzvertrages von UPG unterschritten, ist der an die C abzuführende Anteil an den Lizenzeinnahmen (hypothetisch) auf der Grundlage der Applicable Royalty Rate zu berechnen. Dabei stellt der abgeschlossene Lizenzvertrag – auch bei Unterschreiten der Applicable Royalty Rate für die UPG nicht notwendigerweise ein Verlustgeschäft dar. Denn an die C abzuführen ist nicht die gesamte Applicable Royalty Rate, sondern nur der jeweils nach Ziffer 3.2 des MSA geschuldete Prozentsatz. Liegt dieser bei 20 %, tritt ein rechnerischer Verlust bei der UPG erst dann ein, wenn der tatsächlich vereinbarte Lizenzsatz weniger als 1/5 der Applicable Royalty Rate beträgt. Insofern ist die Situation vergleichbar mit der eines Zwischenhändlers, der selbstverständlich bestrebt sein wird, seine Waren über dem Einkaufspreis weiter zu verkaufen und hierbei den höchstmöglichen Gewinn zu erwirtschaften. Das Ziel der Gewinnmaximierung ist dabei dem Wirtschafsleben immanent. Die Regelungen des MSA gehen über diese Zielsetzung nicht hinaus.
300Dabei sind sowohl UPG als auch die Klägerin gebunden durch ihre FRAND-Erklärungen gegenüber der ETSI. Die UPG bzw. die Klägerin kann weder die Lizensierung standardessentieller Patente als solches verweigern, noch steht ihr die Option offen, von ihren Lizenznehmern überhöhte, nämlich über FRAND-Lizenzsätze hinausgehende Lizenzgebühren zu verlangen. Auch dies hat sie im Rahmen ihrer kaufmännischen Überlegungen zu berücksichtigen, wenn es darum geht zu entscheiden, ob ein Lizenzvertrag auf der Basis eines bestimmten Lizenzsatzes abgeschlossen werden soll. Insofern liegt das Risiko, dass der im Einzelfall als FRAND zu bewertende Lizenzsatz unter der Applicable Royalty Rate liegt, allein bei der UPG bzw. der Klägerin. Wenn dies nämlich der Fall sein sollte, ist UPG bzw. die Klägerin aufgrund des MSA (vgl. etwa Ziffer 6.14) und der von ihr abgegebenen FRAND-Erklärung dennoch verpflichtet, zu FRAND-Bedingungen zu lizensieren und die damit verbundenen Gewinneinbußen hinzunehmen. Eine Verpflichtung, zu den Bedingungen der Applicable Royalty Rate abzuschließen, besteht demgegenüber gerade nicht.
301Selbst wenn man aber – entgegen den vorstehenden Ausführungen – eine unzulässige Preisbindung annehmen wollte, hätte diese jedenfalls nicht die Unwirksamkeit des gesamten MSA, schon gar nicht der hier allein in Rede stehenden Verträge über die Übertragung des Klagepatents zur Folge. Gemäß Art. 101 Abs. 2 AEUV sind nur die nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verbotenen Vereinbarungen, nicht also ohne weiteres das komplette Vertragswerk, nichtig. Der Umfang der unmittelbar aus Art. 101 Abs. 2 AEUV folgenden Nichtigkeit ergibt sich aus dem Verbotszweck des Art. 101 Abs. 1 AEUV: Nichtig sind diejenigen Vertragsabreden, die entweder unmittelbar gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen oder von der verbotswidrigen Vereinbarung nicht zu trennen sind oder dem verbotswidrigen Vertragsinhalt dienen (Immenga/Mestmäcker/Schmidt, EU-Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2012, Art. 101 AEUV Rn 21). Über die Frage, inwiefern sich einzelne, kartellrechtswidrige Klauseln vom übrigen Vertrag trennen lassen, entscheidet nicht die zivilrechtliche Ausgewogenheit des Vertrags in seiner Gesamtheit, sondern allein der Zweck des Kartellverbots (Immenga/Mestmäcker/Schmidt, EU-Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2012, Art. 101 AEUV Rn 22). Soweit also infolge einer unzulässigen Preisfestsetzung Ziffer 3.4 (a) des MSA, ggf. zusammen mit Ziffer 6.1, nichtig sein sollte, hätte dies – jedenfalls im Hinblick auf Art. 101 Abs. 2 AEUV – auf den übrigen Vertrag keine Auswirkungen, da sich die vorgenannten Regelungen ohne weiteres von dem Vertragsinhalt im Übrigen trennen lassen.
302Inwieweit die Teilnichtigkeit ggf. doch den gesamten Vertrag erfasst, ist in einem zweiten Schritt nach nationalem Recht zu prüfen, in diesem Fall nach dem Recht des Staates Delaware (vgl. Ziffer 8.4 des MSA). Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass nach dem Recht des Staates Delaware die Nichtigkeit einer oder mehrerer Vertragsklauseln nicht automatisch zu einer Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt (vgl. hierzu auch: Capital Bakers, Inc. / Leahy, 20. Del. Ch. 407, 411-12, 178 A. 648, 650 (1935)). Die Absicht der Parteien, eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages im Zweifel zu vermeiden, kann durch eine salvatorische Klausel ausgedrückt werden. Dies ist im MSA in Ziffer 8.9 geschehen. Hiernach soll die Nichtigkeit einer Bestimmung den Rest des Vertrages nicht berühren. Die Parteien verpflichten sich vielmehr, in einem solchen Fall eine Ersatzbestimmung zu suchen, die dem Zweck der unwirksamen Regelung entspricht. Die Kammer ist davon überzeugt, dass es dem Willen der Parteien des MSA entsprach, die hier in Rede stehenden Patentübertragungen wirksam vorzunehmen. Für den Fall, dass Ziffer 3.4 tatsächlich eine unzulässige Preisbindung darstellen sollte, hätten die Vertragsparteien eine andere Regelung gefunden, um den der Streithelferin zustehenden Kaufpreis abzusichern und das Risiko der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der übertragenen Patente angemessen zwischen ihnen zu verteilen. Es sind vielfältige Kaufpreisregelungen denkbar, die der UPG bzw. der Klägerin den erforderlichen Handlungsspielraum in den Lizenzvertragsverhandlungen mit Dritten lassen, zugleich aber sicherstellen, dass die Streithelferin für die Veräußerung und Übertragung ihrer Patente einen angemessenen Gegenwert erhält. Insofern mag die Sicherung des Kaufpreises zwar ein wesentliches Interesse der Streithelferin gewesen sein, dies konnte aber nicht allein durch die in Ziffer 3.4 des MSA getroffene Regelung erreicht werden, sondern es ist durchaus vorstellbar, dass die Vertragsparteien eine dem Zweck der Regelung ebenfalls entsprechende Ersatzbestimmung gefunden hätten.
303c) Art. 102 AEUV, § 19 GWB i.V.m. § 134 BGB
304Die Regelungen des MSA und deren Umsetzung durch die nachfolgenden Übertragungen des Klagepatents einschließlich damit verbundener Rechte stellen keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV dar.
305Zwar vermittelt das Klagepatent der Klägerin auf dem Markt für die Vergabe von Lizenzen am Klagepatent eine marktbeherrschende Stellung, die infolge der technischen Bedeutung des Klagepatents auch auf den nachgelagerten Produktmarkt durchschlägt (s. ausführlicher unten zum Lizenzeinwand), die im MSA festgehaltene Vereinbarung zwischen der Streithelferin, ihrer Tochtergesellschaft und dem E Konzern stellt sich aber nicht als missbräuchlich dar. Insbesondere liegt weder ein Ausbeutungs- noch ein Behinderungsmissbrauch vor. Wie bereits im Rahmen des Art. 101 AEUV erläutert, ist das Ziel, die Lizenzeinnahmen aus den übertragenen Patenten zu steigern, jedenfalls so lange nicht wettbewerbsbeschränkend und damit im Rahmen des Art. 102 AEUV auch nicht missbräuchlich, wie die Klägerin sich an ihre Verpflichtung hält, Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen. Auf die Argumentation im Rahmen des Art. 101 AEUV wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Weitere Aspekte, die einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere sieht die Kammer nicht, inwiefern durch den MSA die technische Entwicklung beschränkt werden sollte, nachdem die Möglichkeit der Lizenznahme zu FRAND-Bedingungen gewährleistet ist.
306II.
307Die Beklagten zu 1) und 2) sind passiv legitimiert, die Beklagte zu 3) hingegen nicht.
3081)
309Die Beklagte zu 2) ist passiv legitimiert. Sie bietet an und vertreibt die angegriffenen Mobiltelefone gemäß § 9 S. 2 Nr. 1 PatG in Deutschland. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig, so dass sich weitere Ausführungen der Kammer hierzu erübrigen.
3102)
311Die Beklagte zu 1) bietet gemäß § 9 S.2 Nr. 1 PatG jedenfalls die angegriffene Ausführungsform II im Internet an. Die angegriffene Ausführungsfom II bot sie auf einer Messe an.
312a)
313Anbieten ist jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert darauf gerichtet ist, das Erzeugnis der Nachfrage wahrnehmbar zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitzustellen (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel). Der Begriff ist rein wirtschaftlich zu verstehen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014, Az. I-2 U 42/13; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014, Az. I-15 U 19/14). Neben dem Angebot nach § 145 BGB sind insofern auch vorbereitende Handlungen umfasst, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patents stehenden Gegenstand ermöglichen oder befördern sollen. Dies kann in dessen Ausbieten dergestalt geschehen, dass Interessenten Gebote auf Überlassung abgeben können. Ein Mittel hierzu ist auch die bloße Bewerbung eines Produkts im Internet. Bereits diese Maßnahme ist bestimmt und geeignet, Interesse an dem beworbenen Gegenstand zu wecken und diesen betreffende Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen (vgl. BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259 – Thermocycler; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014, Az. I-15 U 19/14). Das Unterhalten einer solchen Internetseite mit der Ausstattung von Links, die im Hinblick auf die Produkte des Konzerns auf Seiten von Tochtergesellschaften verweisen, stellt eine unternehmensbezogene Information und zugleich Werbung dar. Diese muss einen Gegenstand betreffen, der von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259 – Thermocycler).
314Unter eine solche vorbereitende Handlung fällt ebenfalls das Ausstellen auf einer Fachmesse, auf der die Aussteller mit ihren Präsentationen den Zweck verfolgen, Geschäftsbeziehungen mit interessierten Messebesuchern zu knüpfen und ihre Produkte zu verkaufen. Sie präsentieren ihre Produkte in der Erwartung, dass sie von Messebesuchern nachgefragt werden. Das Ausstellen ist bestimmt und geeignet, Interesse an den Produkten zu wecken und auf diese bezogene Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 27.03.2014, Az. I-15 U 19/14).
315b)
316Nach diesen Grundsätzen liegt in dem Betreiben der Internetseite http://www.F .com/ ein Angebot im Sinne des § 9 PatG. Indem die Beklagte zu 1) über den Pfad „Products & Solutions“, „Consumers“, „Telefone, Datenprodukte, Tablets“ eine Verlinkung zu den von der Beklagten zu 2) betriebenen Seiten vornimmt, stellt sie dem Nachfrager die Endgeräte wahrnehmbar zum Erwerb zur Verfügung. Durch die Einteilung „Products & Solutions“, die quasi die Überschrift und damit den ersten Schritt der Verlinkung darstellt, lässt sie keinen Zweifel daran, dass es sich um ihre – der Beklagten zu 1) – Produkte und Lösungen handelt. Diese Seite wird zudem durch das Anwählen der Option „Worldwide“ auf der Unterseite http://www.F .com/de in den entscheidenden Schlagworten in die deutsche Sprache übersetzt. Damit wird der deutsche Markt angesprochen. Über diese Verlinkung gelangt der Nutzer zu den LTE-fähigen Mobiltelefonen.
317c)
318Die Beklagte zu 1) bot zudem die angegriffene Ausführungsform I auf der CEBIT 2014 an. Die LTE-fähige DBS3900 Distributed Base Station war auf der CEBIT 2014 ausgestellt. Die Beklagte zu 1) war auf der Internetseite www.cebit.de/aussteller/F -technologies/P185579?source=akl als Ausstellerin genannt, da sie unter den Kontaktdaten für den Messestand der F Technologies aufgeführt wird. So wird weder das Ausstellen der angegriffenen Ausführungsform I auf der Messe noch die Anwesenheit der Beklagten zu 1) bestritten. Die Beklagten führen lediglich an, dass die Beklagte zu 2) Inhaberin des Standes gewesen sei, da sie ihn allein gemietet und betrieben habe. Da die Beklagte zu 1) aber als offizielle Ausstellerin des Standes geführt wird und dort auch anwesend war, hat sie mindestens einen Tatbeitrag zur Angebotshandlung geleistet. In diesem Zusammenhang verfängt insbesondere der Einwand der Beklagten nicht, die Beklagte zu 1) besäße keine Exportlizenz. Indem die Beklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform I ausstellt und im Rahmen der Messe als Kontaktperson auftritt, stellt sie das Produkt den Nachfragern zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereit, auch wenn der Erwerb letztlich über die Beklagte zu 2) als Vertriebsgesellschaft erfolgt.
3193)
320Die Beklagte zu 3) ist jedoch nicht passiv legitimiert. Es ist nicht ersichtlich, worin die Benutzungshandlung der Beklagten zu 3) liegen soll.
321Eine Zurechnung von Angeboten der übrigen Beklagten kann insbesondere nicht über das Impressum erfolgen. Denn der Vortrag der Klägerin geht lediglich dahin, dass die Adresse der Beklagten zu 3) im Impressum genannt werde, nicht hingegen die Beklagte zu 3) selbst. Außer deren Adresse tritt die Beklagte zu 3) selbst nicht in Erscheinung. Sie wird weder als Kontakt in dem Screenshot der Internetseite http://www.F .com x.htm noch in den Screenshots der Internetseiten www.F .com/de genannt. Die im Impressum angegebene Adresse selbst verbindet der Internetnutzer indes mit der Beklagten zu 2). Abgesehen davon haben die Beklagten vorgetragen, dass es sich bei der Adressangabe um die Adresse der Beklagten zu 2) handele, die ebenfalls in der Hansaallee 205 Geschäftsräume nutze. Vor diesem Hintergrund ist keine Benutzungshandlung der Beklagten zu 3) in Deutschland ersichtlich.
322In der mündlichen Verhandlung haben die Beklagten zudem unwidersprochen vorgetragen, dass es sich bei der Beklagten zu 3) um das europäische Zentrum der Beklagten und gleichsam um das Verwaltungsvehikel der Beklagten zu 2) handelt. Sie nimmt interne Aufgaben, wie Service, Wartung, Human Resources, Gehaltsabrechnungen, Gebäudeverwaltung und –anmietung wahr. Sie entfaltet keine Produktaktivitäten nach außen.
323III.
324Das Klagepatent betrifft die Selbstkonfiguration und Optimierung von Zellennachbarn in drahtlosen Telekommunikationsnetzen.
325Die streitgegenständliche Technik gewährleistet eine automatisierte Verwaltung der Architektur eines drahtlosen Telekommunikationsnetzes. Dieses Netz besteht aus verschiedenen Kommunikationszellen, die von sog. Basisstationen bereit gestellt werden. Eine Mobilfunkverbindung wird durch die Übergabe der Verbindung (sog. Handover) von einer Kommunikationszelle zur nächsten aufrechterhalten. Anhand bestimmter Charakteristika ermittelt das Netz mit Hilfe des mobilen Endgeräts die optimale Zelle für ein Handover. Das Klagepatent stellt ein Verfahren und ein Netzwerk mit entsprechendem mobilem Endgerät zur Verfügung, bei denen die korrekte Identifizierung einer passenden Zelle automatisch erfolgen soll.
326Als Stand der Technik erläutert das Klagepatent eingangs ein drahtloses Telekommunikationsnetz, das mehrere Kommunikationszellen definiert, von denen jede von einer (Funk-)basisstation versorgt wird. Jede Kommunikationszelle deckt ein geografisches Gebiet ab, das durch die Kombination mehrerer Zellen groß sein kann. Eine Basisstation ist mit mehreren Empfängern und Sendern ausgestattet, welche die Funkversorgung einer oder mehrerer Zellen bereitstellt. Wichtige Elemente in diesem Netz sind die Zellen und ihre Nachbarn. Während eines Gesprächs bewegt sich ein mobiles Endgerät normalerweise zwischen den Zellen umher und geht wiederholt von einer Zelle zu einer Nachbarzelle. Eine Liste bekannter Nachbarn, die sog. Nachbarzellenmenge, ist für das Netz und das mobile Endgerät wichtig, um ein zuverlässiges Handover zwischen den Zellen zu gewährleisten. Das Netz speichert die die Nachbarzellenmenge betreffenden Informationen für jedes mobile Endgerät. Die Nachbarzellenmenge wird zur Evaluierung und für das Handover eines mobilen Endgeräts von einer Zelle zur anderen beim Überschreiten der Zellgrenze verwendet.
327In den vorbekannten Systemen erkennt und misst das mobile Endgerät Betriebsparameter für Nachbarzellen durch den Empfang von Signalen aus der Nachbarschaft. Die gemessenen Betriebsparameter sind normalerweise eine Bitübertragungsschicht-Kennung, wie z.B. ein Verwürfelungscode, die der Zelle, Signalstärke, Signalqualität und Zeitinformation nicht eindeutig zugeordnet ist. Das mobile Endgerät misst die Betriebsparameter jeder Nachbarzelle und meldet diese an das Netz. Wenn die Qualität einer Nachbarzelle als besser als diejenige der aktuellen Versorgungszelle eingestuft wird, führt das Netz ein Handover von der Versorgungszelle zur ausgewählten Nachbarzelle durch. Die Nachbarzelle wird dann die Versorgungszelle für das mobile Endgerät.
328Das Klagepatent erläutert weiter, dass in einem Breitband-Codevielfachzugriffssystem (WCDMA) das mobile Endgerät Übertragungen des gemeinsamen Pilotkanals (CPICH) von umgebenden Zellen erkennt, um die Kennung zu bestimmen. Bedeutsam sind diese jeweiligen Zellkennungen bei der Meldung der Signalqualitätsmessungen der Nachbarzelle vom mobilen Endgerät an das Netz. Im Stand der Technik werden mehrere Verwürfelungscodes für mehr als eine Zelle verwendet. Nach dem Klagepatent besteht daher die Gefahr von Verwechselungen, da die Versorgungszelle Nachbarzellen mit denselben Kennungsinformationen haben kann.
329Die Schrift WO 96/38014 zeigt nicht eindeutige in den Zellen übertragene Zellenkennungscodes. Diese Schrift dient dazu, die Zelle zu identifizieren, z.B. bei der Durchführung von Messungen der Nachbarzellen durch ein mobiles Endgerät. Das Klagepatent führt aus, dass man davon ausgehen könne, dass die Zellenkennung entgegen der Angabe, dass die Kennung pro Zelle eindeutig sei, nicht eindeutig ist. Das in der WO 96/38014 offenbarte Netz stellte – so das Klagepatent – offenbar ein GSM-Netz dar. Der verwendete Name für die Zellenkennung ist der Kennungscode der Basisstation (BSIC). Dies ist ein für das GSM-Netz standardisierter Begriff. Das Klagepatent erläutert weiter, dass nach dem GSM-Standard der BSIC aus insgesamt sechs binären Bits generiert wird. Damit stehen nur 64 unterschiedlich eindeutige Codes zur Verfügung. Das GSM-Netz umfasst jedoch weit mehr Zellen. Um die BSIC-Codes sinnvoll zu reduzieren, wird ein GSM-Endgerät angewiesen, auf bestimmten Kanälen der verschiedenen Frequenzkanalsätze dieses TDMA-Systems Messungen von Nachbarzellen durchzuführen. Damit wird das Risiko reduziert, dass eine mit ihrem BSIC gemeldete Messung irrtümlicherweise einer anderen Zelle zugeordnet wird und nicht der tatsächlichen Messung entspricht. Die korrekte Identifizierung der von dem mobilen Endgerät gemeldeten Zellen ist erforderlich, damit ein Handover zur bestgeeignetsten Zelle eingeleitet wird.
330Das Klagepatent kritisiert hieran, dass mangels eindeutiger Bitübertragungsschicht-Kennung der Zellen die Platzierung und Wartung/Pflege der Nachbarzellenmengen nie vollautomatisch ablaufen. Menschliche Bemühungen sind – so das Klagepatent – notwendig zur Lösung von Problemen in Situationen, in denen die Versorgungszelle mehrere Nachbarn mit derselben nichteindeutigen Kennung hat. Die Planung eines Netzes, in dem eine von einem mobilen Endgerät gemessene und gemeldete Zelle nicht irrtümlicherweise für eine andere Zelle gehalten werden kann, wäre zu aufwändig.
331Das Klagepatent stellt sich daher die Aufgabe, die Kosten für Planung und Wartung/Pflege zu senken, in dem es eine zusätzliche Maßnahme durchführt, wenn von mobilen Endgeräten zusätzlicher Aufwand zur eindeutigen Identifizierung von Nachbarzellen im Funknetz verlangt wird und die Kennungen von dem mobilen Endgerät an das Netz zu melden sind. Die Ausführungsformen der klagepatentgemäßen Erfindung sollen manuelle Eingriffe reduzieren.
332Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent im Anspruch 6 in Kombination mit Anspruch 1 ein mobiles Endgerät mit folgenden Merkmalen vor:
3331.
334Mobiles Endgerät zur Verwendung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem
3352.
336Das drahtlose Telekommunikationssystem definiert eine Mehrzahl von Kommunikationszellen.
3373.
338Das Endgerät umfasst Mittel zum Ausführen der Schritte des folgenden Verfahrens:
3393.1
340Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt
3413.2.
342Bestimmen mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle
3433.3
344Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle
3453.4
346Melden an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle
3473.4.1
348von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle und
3493.4.2
350der erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen
3513.5
352Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle
3533.6
354Erkennen eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung
3553.7
356Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle.
357Weiter schlägt das Klagepatent in Anspruch 16 ein drahtloses Telekommunikationsnetzwerk mit folgenden Merkmalen vor:
3581.
359Drahtloses Telekommunikationsnetz.
3602.
361Das drahtlose Kommunikationsnetz definiert eine Mehrzahl von Kommunikationszellen.
3623.
363Das Netz umfasst Netzressourcen.
3644.
365Die Netzressourcen sind betreibbar zum:
3664.1
367Kommunizieren mit einem in einer ersten Kommunikationszelle betriebenen mobilen Endgerät;
3684.2
369Empfangen nichteindeutiger Kennungsinformationen und Parameterinformationen bezüglich mindestens eines Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät;
3704.3
371Definieren einer Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät, wobei die Nachbarzellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält;
3724.4
373Bestimmen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen, ob eindeutige Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle erforderlich sind und wenn solche eindeutigen Kennungsinformationen erforderlich sind:
3744.4.1
375Übertragen einer Anweisung an das mobile Endgerät
3764.4.2
377Empfangen eindeutiger Zellenkennungsinformationen bezüglich der zweiten Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät
3784.4.3
379Definieren einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät, wobei die für das Handover infrage kommende Zellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält.
380IV.
381Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedarf es näherer Ausführungen insbesondere zur Auslegung der Merkmale 1 bis 3 des Anspruchs 6 in Kombination mit Anspruch 1 ebenso wie zur Reihenfolge der Verfahrensschritte 3.1 bis 3.8 (dazu 1). Ferner bedürfen die Merkmale 4.3 und 4.4.3 des Anspruchs 16 der Auslegung (dazu 2).
3821.
383Nach dem Wortlaut des Anspruchs 6 schützt das Klagepatent ein mobiles Endgerät zur Verwendung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem (Merkmal 1), wobei es Mittel zum Ausführen der Verfahrensschritte 3.1 bis 3.8 umfasst (Merkmal 3).
384Der Fachmann sieht, dass der Anspruch nicht bei jedem einzelnen Verfahrensschritt ausdrücklich festlegt, wer – das Endgerät oder die Funkbasisstation als Teil des drahtlosen Telekommunikationssystems – den jeweiligen Verfahrensschritt einleitet bzw. durchführt. Aufgrund der Funktion, die zweite Kommunikationszelle eindeutig für die erste Kommunikationszelle für ein mögliches Handover zu identifizieren, weiß der Fachmann jedoch, dass die Funkbasisstation als Teil des drahtlosen Telekommunikationssystems die Reihenfolge der Verfahrensschritte jedenfalls teilweise vorgibt. Denn das Handover wird am Ende durch das Netzwerk vorgenommen, wenn eine Evaluierung der Zellverbindung zu dem Ergebnis kommt, dass die Nachbarzelle eine bessere Verbindung gewährleisten kann als die dienende Zelle („serving cell“).
385Gemäß der Zweckangabe in Merkmal 1 muss das mobile Endgerät geeignet sein, in einem drahtlosen Telekommunikationssystem verwendet zu werden. Hierzu verfügt es über Mittel, die in der Lage sind, die Verfahrensschritte 3.1 bis 3.8 auszuführen.
386Nach dem Anspruchswortlaut weist das Endgerät Mittel auf, die unter anderem ein Melden von Betriebsparametern und eindeutigen sowie nichteindeutigen Kennungsinformationen ebenso wie die weitere Kommunikation mit einer Funkbasisstation gewährleisten können. Es wird deutlich, dass die Funkbasisstation – die entgegen der Ansicht der Beklagten explizit im Anspruch genannt wird – Einfluss auf die Durchführung der Verfahrensschritte hat. Zwar bleibt bei der Kommunikation mit der Funkbasisstation (Merkmal 3.1) noch offen, ob das Endgerät diese aufgrund von Instruktionen der Funkbasisstation (als Teil des Telekommunikationsnetzwerks) aufnimmt. Indem das Klagepatent indes den Empfang einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle (Merkmal 3.6) voraussetzt und das Erkennen eindeutiger Zellkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an den Empfang der Anweisung (Merkmal 3.7) anschließt, geht die Initiative für die Durchführung dieser Verfahrensschritte von der Funkbasisstation aus. Dass jedenfalls die Schritte „Empfangen der Anweisung“ und „Erkennen eindeutiger Zellkennungsinformation“ (Merkmale 3.5 und 3.6) in chronologischer Reihenfolge ablaufen müssen, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut „nach Empfang der Anweisung“. Damit lässt der Wortlaut zu, dass die Reihenfolge der Verfahrensschritte nicht ausschließlich vom Endgerät gesteuert wird. Das Endgerät muss lediglich Mittel vorhalten, um die Verfahrensschritte, die teilweise von der Funkbasisstation initiiert werden, auszuführen. Eine Steuerung des Ablaufs der Verfahrensschritte allein durch das Endgerät widerspräche daher dem Anspruchswortlaut, der in den Merkmalen 3.5 und 3.6 eindeutig Instruktionen der Funkbasisstation in Form einer Anweisung fordert. Der Lesart der Beklagten, nach der das Mobilendgerät die Reihenfolge der Verfahrensschritte allein bestimmt und autark von den netzseitigen Anweisungen ist, kann sich die Kammer daher nicht anschließen.
387Funktional dient die Übertragung der eindeutigen Kennungsinformation dazu, die Funkbasisstation in die Lage zu versetzen, die zweite Kommunikationszelle eindeutig zu identifizieren. Denn eine richtige Identifikation der von dem mobilen Endgerät gemeldeten Zellen ist erforderlich, damit ein Handover zur bestgeeignetsten Zelle eingeleitet wird (vgl. Absatz [0009] des Klagepatents). Ein eigeninitiatives Abrufen der eindeutigen Kennung durch das Endgerät ohne netzseitige Aufforderung erscheint vor dem Hintergrund, dass das Endgerät nicht allein an einer Identifikation einer geeigneten Zelle für das Herstellen einer Transportverbindung beteiligt ist, unzweckmäßig. Das Netzwerk evaluiert durch Auswertung von Messdaten die Zelle und Zellverbindung (vgl. Absatz [0026]). Hierzu gehört auch die Beurteilung, wann die Versorgungszelle die Verbindung an eine andere Nachbarzelle, die eine bessere Funkverbindung gewährleisten kann, abgibt. Das Netzwerk besteht aus den Basisstationen und den mobilen Geräten. Das Klagepatent erläutert beispielhaft den Vorteil, dass die verschiedenen Funktionseinheiten durch die Steuerung oder anderen spezifischen Einheiten in den Geräten oder durch das Netz bereitgestellt werden (Absatz [0020]). Die Organisation des Netzwerkes, welche die Evaluierung der Zellverbindungen mit umfasst, findet im Zusammenspiel der Mobilgeräte und der Basisstationen statt.
388Ferner greift das Klagepatent im allgemeinen Teil der Beschreibung die anspruchsgemäße Reihenfolge der Verfahrensschritte wieder auf. Der Fachmann wird darin bestätigt, dass das mobile Endgerät im Anschluss an das Melden der Betriebsparameter und der nichteindeutigen Kennungsinformation an die Funkbasisstation von dieser die Anweisung empfängt. Nach deren Empfang erkennt es eindeutige Zellenkennungsinformationen und meldet diese an die Funkbasisstation (vgl. Absatz [0012] des Klagepatents).
389Die Vorgabe der Reihenfolge ergibt sich gleichermaßen aus den Ausführungsbeispielen. Der Fachmann erfährt aus Absatz [0022] des Klagepatents, dass die Basisstation Messinformationen von dem mobilen Endgerät empfängt, wobei jede Messinformation mit den (nichteindeutigen) Zellkennungen, die das mobile Endgerät erkannt hat, verknüpft ist. Wenn die Information von dem mobilen Endgerät Messungen von einer Zellenkennung, die zuvor nicht zur benachbarten Zellenmenge gehört hat, beinhaltet, kann das mobile Endgerät angefordert werden, auch die eindeutige Zellenkennung abzurufen. Wenn diese abgerufen wurde, werden diese Informationen an die Versorgungszelle übertragen. Nachdem die Versorgungszelle die eindeutige Zellenkennung empfangen hat, kann sie die neu entdeckte Nachbarzelle zu ihrer Nachbarzellenmenge hinzufügen und eine Transportverbindung zu dieser herstellen. Der Fachmann erkennt, dass das Netz bzw. die Basisstation aufgrund der Auswertung der nichteindeutigen Zellenkennung entscheidet, ob die eindeutige Zellenkennung vom Endgerät angefordert wird. Dieser Vorgang dient jedenfalls auch dazu, die in Betracht kommende Nachbarzelle zu identifizieren und gegebenenfalls später ein Handover zu dieser Zelle zu starten. Ferner spiegeln auch die in Figur 4 dargestellten Verfahrensschritten 107, 109 und 111 Vorgänge wieder, die innerhalb der Basisstation stattfinden ebenso wie die Schritte 119 und 121 in der Figur 6 des Klagepatents. Schließlich ergibt sich aus Absatz [0025] des Klagepatents, dass das mobile Endgerät beispielsweise aufgefordert wird, die schwerfälligere eindeutigere Zellenkennung abzurufen, wenn ein neuer Nachbar erkannt wird oder eine Prüfung der Verbindung zwischen der nichteindeutigen und eindeutigen Zellenkennung angemessen erscheint.
3902.
391Das Klagepatent unterscheidet in Merkmal 4.3. und 4.4.3 des Anspruchs 16 zwischen einer Nachbarzellenliste und einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät.
392Die Netzressourcen werden betrieben zum Definieren einer Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät, wobei die Nachbarzellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält (Merkmal 4.3). Hierfür genügt der Empfang der nichteindeutigen Kennungsinformation der zweiten Kommunikationszelle. Die für das Handover in Frage kommende Zellenliste für das mobile Endgerät (nachfolgend: Handover-Liste; Merkmal 4.4.3) enthält darüber hinaus die eindeutigen Zellenkennungsinformationen der zweiten Kommunikationszelle. Diese Listen können sowohl zellspezifisch definiert sein – für alle Endgeräte, die sich in der Versorgungszelle befinden – als auch gerätespezifisch – für jedes in der Versorgungszelle befindliche Mobilgerät.
393Der Fachmann erkennt, dass die Netzressourcen, zu denen – unstreitig – Funkbasistationen gehören, geeignet sein müssen, eine Nachbarzellenliste und eine Handover-Kandidatenliste zu definieren. Das Klagepatent geht allgemein von dem Begriff der Nachbarzellenmenge aus. Dabei handelt es sich um eine Liste bekannter Nachbarn einer Funkzelle, die für das Netz und das mobile Endgerät insbesondere für die Durchführung eines Handovers wichtig ist (vgl. Absatz [0004]). Im Stand der Technik bestand das Problem, dass die Nachbarzellenmenge aufwändig manuell gepflegt und gewartet werden muss. Dies kann laut dem Klagepatent nie vollautomatisch ablaufen, weil die Nachbarn einer Zelle in den vorbekannten Netzwerken eine identische Kennung aufweisen können (vgl. Abs. [0009], [0010]). Die Klägerin hat im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.06.2015 unwidersprochen ausgeführt, dass es Bedarf für zusätzliche Basisstationen innerhalb des Netzes gibt, weil die Luftschnittstellen beschränkt sind und bei zunehmender Nutzeranzahl die Zelle kleiner wird. Die Erweiterung des Netzes geht mit dem angesprochenen Aufwand an Pflege und Wartung einher. Hier setzt die Lehre des Anspruchs 16 an, nach der die Netzressourcen aus den empfangenen nichteindeutigen Kennungsinformationen bestimmen, ob eine eindeutige Kennungsinformation erforderlich ist (Merkmal 4.4). Dies kann der Fall sein, wenn die Nachbarzelle völlig unbekannt ist oder eine Prüfung der nichteindeutigen und eindeutigen Zellenkennungen anderweitig angemessen erscheint (vgl. Absatz [0025]). Die Lösung des Klagepatents besteht darin, dass die (manuelle) Pflege der Nachbarzellenmenge durch ein eindeutiges Erkennen der Nachbarzelle mittels der Netzressourcen erleichtert wird.
394Ausweislich der Merkmale 4.2 und 4.3 des Klagepatentanspruchs wird nach dem Empfang nichteindeutiger Kennungsinformationen (der zweiten Kommunikationszelle) die Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät definiert. Hierin enthalten sind dem Netz gemeldete Nachbarn der Versorgungszelle. Sofern die Erforderlichkeitsprüfung des Merkmals 4.4 positiv verläuft, wird eine eindeutige Zellenkennung (für die zweite Kommunikationszelle) von dem mobilen Endgerät mitgeteilt (Merkmale 4.4.1, 4.4.2). Mit dieser Information wird eine Handover-Kandidatenliste definiert, welche die zweite Kommunikationszelle als Nachbarzelle enthält (Merkmal 4.4.3). Das Definieren einer Handover-Kandidatenliste kann erfolgen, wenn die eindeutige Identifizierung nach Erhalt der eindeutigen Kennungsinformationen der zweiten Kommunikationszelle abgeschlossen ist. Um die Frage zu beantworten, ob ein Handover möglich ist, muss die Nachbarzelle zunächst eindeutig identifiziert sein. Erst nach Erstellung einer unverwechselbaren Nachbarzellenliste kann das Netz verlässlich bestimmen, welche der Nachbarzellen für ein Handover in Betracht kommen. So führt das Klagepatent aus, dass die Nachbarzellenmenge eindeutige Kennungsinformationen für die als Nachbarzellen einzustufenden Zellen erfasst, die für ein Handover des mobilen Endgeräts infrage kommen (Absatz [0024] des Klagepatents). Die Basisstation empfängt die eindeutigen Kennungsinformationen und aktualisiert anschließend die Nachbarzellenmenge (Absatz [0024] des Klagepatents). In Absatz [0022] heißt es, nachdem die Versorgungszelle die eindeutige Zellenkennung empfangen hat, kann sie die neue entdeckte Nachbarzelle zu ihrer Nachbarzellenmenge hinzufügen.
395Die Unterscheidung der Nachbarzellenliste (Merkmal 4.3) und der Handover-Kandidatenliste (Merkmal 4.4.3) liegt demnach in dem Eintrag der eindeutigen Kennungsinformation. Der Klagepatentanspruch gibt nicht vor, dass die Handoverkandidatenliste darüber hinaus weitere Angaben enthält oder bestimmten Anforderungen entsprechen muss. Insofern kommt jede vom mobilen Endgerät mitgeteilte, eindeutig identifizierbare Nachbarzelle als mögliche Zelle für ein Handover in Betracht. Der Klagepatentanspruch beschäftigt sich nicht mit der im Ausführungsbeispiel genannten Filterung von Messdaten (Absatz [0022]) oder einer Gewichtung von Daten.
396Funktional erfasst das Klagepatent mit den Begriffen der Nachbarzellenliste und Handover-Kandidatenliste einerseits eine funkzellenspezifische Liste, die für alle Mobilgeräte erstellt wird, die sich in der Versorgungszelle befinden, und auf die die Basisstation auch für gerätespezifische Entscheidungen zurückgreifen kann. Andererseits umfassen sie gleichermaßen eine gerätespezifische Zellenliste, die das Netz für jedes einzelne mobile Endgerät gesondert zur Verfügung stellt. Die Pflege der Nachbarzellenmenge kann in beiden Varianten vorgenommen werden. Das Netz muss die Nachbarn der jeweiligen Versorgungzellen kennen. Für die Vorbereitung des Handovers bedarf es – neben zahlreicher anderer notwendiger Betriebsparameter – einer eindeutigen Identifikation der Nachbarzellen. Diese sonstigen Parameterinformationen können von den Netzressourcen empfangen werden und entweder Eingang in eine nur für ein bestimmtes Endgerät und eine bestimmte Handover-Entscheidung gültige Zellenliste finden oder in die zellenspezifische Liste – zugeordnet einem bestimmten mobilen Endgerät – eingetragen werden. Sofern die Nachbarzellenliste bzw. die Handover-Liste „für das mobile Endgerät“ erstellt wird, versteht der Fachmann darunter jedenfalls auch eine zellenspezifische Liste. Ein solches Verständnis schließt der Wortlaut des Anspruchs nicht aus, da die Formulierung „für das mobile Endgerät“ pars pro toto verwendet wird. Gleichwohl erfasst der Wortlaut „für das mobile Endgerät“ ebenso eine gerätespezifische Liste. Hiergegen spricht auch nicht das Erfordernis des Vorhaltens von enormem Speicherplatz insbesondere für die Handover-Kandidatenliste. Einzig die eindeutig gekennzeichnete Nachbarzellenmenge muss gespeichert werden (Absatz [0004]), nicht jedoch müssen alle anderen Betriebsparameter, die neben der eindeutigen Identifikation der zweiten Kommunikationszelle für eine Handover-Entscheidung notwendig sind, vorgehalten werden. Ihrer bedarf es nur solange, bis diese Messdaten erneuert werden (z.B. weil sich das mobile Endgerät fortbewegt hat und sich damit die Signalstärke ändert). Der Anspruch ist somit nicht notwendigerweise beschränkt auf eine physische Liste oder datenspeicherungstechnische Liste. Erfasst ist vielmehr auch eine wechselseitige Zuordnung von nichteindeutigen Zellkennungen, eindeutigen Zellkennungen und anderen Betriebsparametern. So können Nachbarzellenliste und Handover-Kandidatenliste über ihre Einträge miteinander verknüpft sein.
397Ferner versteht der Fachmann unter „Definieren“ sowohl die erstmalige Erstellung der Listen als auch deren Aktualisierung. So wird er schon aus der Funktion der Nachbarzellenliste, die Identifizierung aller Nachbarzellen inklusive der neuen Nachbarn zu dokumentieren, schließen, dass eine Aktualisierung davon erfasst ist. In einem Ausführungsbeispiel empfängt die Basisstation die Messinformationen, die mit den (nicht eindeutigen) Zellenkennungen, die das mobile Endgerät erkannt hat, verknüpft sind. Sofern die Informationen eine Zellenkennung beinhalten, die nicht zur benachbarten Zellenmenge gehört, kann das mobile Endgerät angefordert werden, auch die eindeutige Zellenkennung abzurufen (vgl. Absatz [0022] des Klagepatents). Der Einwand der Beklagten, die Figuren 4 und 6 unterschieden zwischen dem Erzeugen und dem Aktualisieren einer Nachbarzellenmenge, verfängt nicht. Denn die Figuren zeigen als klagepatentgemäßes Ausführungsbeispiel gerade, dass sowohl das Erzeugen als auch das Aktualisieren unter den anspruchsgemäßen Begriff des Definierens fällt.
398V.
399Zur Überzeugung der Kammer handelt es sich bei der ANR-Funktion um eine zwingende Vorgabe des LTE-Standards (dazu 1), so dass es für die Darlegung der Verletzung genügt, dass der Standard die klagepatentgemäße Lehre zeigt. Das ist hier der Fall. Die angegriffene Ausführungsform II macht von allen Merkmalen des Klagepatentanspruchs 6 in Kombination mit Klagepatentanspruch 1 (dazu 2), die angegriffene Ausführungsform I macht von allen Merkmalen des Anspruchs 16 wortsinngemäß Gebrauch (dazu 3).
4001.
401Die ANR-Funktion ist im LTE-Standard zwingend und nicht lediglich optional. Dies ergibt sich sowohl aus konkreten Aussagen als auch aus bestimmten gewählten Formulierungen im Standard.
402Der LTE-Standard führt allgemein zur ANR-Funktion aus, dass ihr Zweck darin besteht, den Bediener von der manuellen Verwaltung der Nachbarbeziehungen zu entlasten. Die ANR-Funktion befindet sich in der eNB und verwaltet die konzeptuelle Nachbarbeziehungstabelle (NRT) (LTE-Standard I, Ziffer 22.3.2a). Darüber hinaus formuliert der LTE-Standard am Anfang der detaillierteren Beschreibung der Abläufe der ANR-Funktion: Die eNB Versorgungszelle (eNB serving cell) hat (has) eine ANR-Funktion (LTE-Standard I, Ziffer 22.3.3). Bereits diese Formulierungen sind eindeutig und lassen keinen Interpretationsspielraum zu, dass es sich bei ihrer Implementierung nur um eine Möglichkeit handeln könnte.
403Sofern der LTE-Standard innerhalb der ANR-Funktion zwischen der Nachbarsuchfunktion und der Nachbarentfernungsfunktion unterscheidet und diese als implementierungsspezifisch bezeichnet (vgl. LTE-Standard I, Ziffer 22.3.2a), bedeutet dies nicht, dass die ANR-Funktion allgemein optional sei. Vielmehr kann lediglich seine konkrete Ausgestaltung (das „wie“) je nach Implementierung unterschiedlich sein.
404Gleiches gilt für die von den Beklagten herangezogene Aussage, dass verschiedene Verfahren benutzt werden könnten („may use“), um das Mobiltelefon zu Messberichten anzuhalten. Ausweislich der seitens ETSI ausgegebenen Erläuterungen „Verbal forms for the expression of provisions“ hat ETSI eine Sprachregelung getroffen, um für den Nutzer des Standards klarzustellen, welche seiner Anforderungen zwingend sind und bei welchen eine Wahlmöglichkeit besteht. Danach wird der Ausdruck „shall“ für zwingende Anforderungen benutzt und der Ausdruck „may“ für erlaubte Vorgaben, die der Standard bereithält. Demgegenüber wird „can“ verwendet, wenn es sich nur um eine Möglichkeit handelt, die dem Nutzer eröffnet wird. Aus der Erlaubnis, dass der Nutzer verschiedene Verfahren zum Durchführen und Melden von Messberichten des UE verwenden kann, folgt daher nicht, dass die Messungen als solche nicht zwingend seien. Hinzu kommt, dass an verschiedenen anderen Stellen des LTE-Standards deutlich wird, dass das Durchführen von Messungen seitens des UE erfolgt und keine Option darstellt. So wird beschrieben, dass das UE die entsprechenden Messungen von Nachbarzellen auf den Frequenzen und in den RATs durchführen soll (shall), die in dem betreffenden measObject angegeben sind (LTE-Standard II, Ziffer 5.5.3.1). Im Übrigen verwendet der LTE-Standard auch hinsichtlich der weiteren klagepatentgemäßen Schritte fast durchgängig die Formulierung „shall“.
405Abschließend hat die Klägerin außerdem über die sog. „feature group indicators“ substantiiert dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform II von der Lehre des Klagepatents in Form der ANR-Funktion Gebrauch macht. Diese Indikatoren listen für UEs zwingende LTE-Funktionen auf. Ausweislich der Anlagen Change Request 36.331 CR 0482 rev – current version 8.11.0, 3GPP TS36.331 V9.4.0 (2010-09) und Test Report no. 04032015_006 (UE Capability Information WCDMA and LTE) hat die Klägerin gezeigt, dass die angegriffene Ausführungsform II der Beklagten die ANR-Funktion und damit den Standard nutzen.
4062.
407Die angegriffene Ausführungsform II verwirklicht alle Merkmale des Anspruchs 6.
408a)
409Hinsichtlich der Merkmale 1 und 3 erübrigen sich vertiefte Ausführungen. Angesichts obiger Auslegung genügt es, wenn das UE als mobiles Endgerät über Mittel verfügt, welche die Messungen ausführt. Dies ist der Fall. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob oder dass die Messungen seitens des Netzes bzw. der eNB initiiert werden. Unstreitig kommuniziert das UE mit der eNB, die eine erste Kommunikationszelle versorgt (Merkmal 3.1).
410b)
411Ferner verwirklicht die angegriffene Ausführungsform II nach dem LTE-Standard auch Merkmal 3.2. und 3.4.1.
412Das UE sendet einen Messbericht an die eNB, der gemessene Signalstärke und Signalqualitätswerte von Nachbarzellen (für eine zweite Kommunikationszelle) enthält.
413Die eNB konfiguriert das UE per RRCConnectionReconfiguration Nachricht, damit Signalstärke und Signalqualitäts-Werte durch das UE gemessen (Merkmal 3.2) und an die eNB zurückberichtet werden können (Merkmal 3.4.1). Nach Ziffer 5.3.5.3 des LTE-Standards II soll das UE, wenn die RRCConnectionReconfiguration Nachricht die measConfig enthält, den Messkonfigurationsprozess wie in Ziffer 5.5.2 spezifiziert durchführen. Der Begriff „measConfig“ bedeutet, dass das UE eine oder mehrere Messungen seiner Funkumgebung durchführt. So handelt es sich bei den in Ziffer 5.5.5 des LTE-Standards II genannten Schicht 3 gefilterten Messergebnissen um RSRP- und RSRQ-Ergebnisse, die Aussagen über die Signalstärke und die Signalqualität treffen In diesen Messungen werden die Betriebsparameter einer Nachbarzelle und damit einer zweiten Kommunikationszelle bestimmt. Bei den Messobjekten handelt es sich um Zellen, die durch ihre Frequenz näher bestimmt werden (LTE Standard II, Ziffer 5.5.1). Darunter fallen auch Nachbarzellen, die zweite Kommunikationszellen im Sinne des Anspruchs sind.
414Ferner werden die Ergebnisse der Messungen in einem Measurement Report dem eNB gemeldet. Dies ergibt sich aus dem LTE-Standard, der sog. Protocol Konformitätstest für die dritte Generation der UEs im LTE-Netz spezifiziert. Hiernach wird mit der Übermittlung der RRCConnection Reconfiguration Nachricht eine Meldung für Event 3 eingeleitet (LTE Standard III, Ziffer 8.3.3.1.3.2). Bei Event 3 handelt es sich um einen Trigger, der das Melden der Messergebnisse auslöst, sobald die Signalstärke- und/oder Signalqualitätswerte von irgendeiner der Nachbarzellen zu einem bestimmten vorher definierten Grad besser werden.
415Unerheblich ist, dass das UE vor dem Bestimmen der Betriebsparameter zunächst eine measConfig Nachricht erhält. Der Klagepatentanspruch schließt eine vorherige Kommunikation des UE mit der eNB nicht aus, sondern fordert sie in Merkmal 3.1 sogar.
416c)
417Ferner verwirklicht die angegriffene Ausführungsform II auch die Merkmale 3.3 und 3.4.2.
418Neben den Messungen der verschiedenen Signalstärken sieht der LTE-Standard ebenso vor, dass die Messergebnisse, die das UE dem eNB meldet, auch den PCI enthalten. Dabei handelt es sich um nichteindeutige Kennungsinformationen der zweiten Kommunikationszelle im Sinne des Klagepatentanspruchs.
419PCI steht für Physical Cell Identifier und ist – unstreitig – ein Zellenidentifizierer, der global nicht eindeutig ist, weil er von weiteren Zellen in einem gegebenen Netzwerk verwendet werden kann. Der PCI einer Zelle wird von dem UE jedes Mal ermittelt (oder verwendet, wenn er bereits bekannt ist), wenn das UE die Signalstärke von naheliegenden LTE-Zellen für Handover-Zwecke misst (Anhang Measurement Reporting, S. 8). Indikator für die Messungen kann der Zweck „reportStrongestCells“ oder ReportStrongestCellsForSon“ sein (vgl. LTE-Standard II, Ziffer 5.5.3.1 und 5.5.5; Anhang Measurement Reporting, S. 8). In Ziffer 5.5.3.1 des LTE Standards II heißt es, dass für die measID, für die das Measurement Reporting Verfahren ausgelöst wurde, das UE die measResult innerhalb des Reports wie folgt setzen soll: Wenn zumindest eine zu meldende, anwendbare Nachbarzelle vorliegt, ist für jede Zelle, die in measResultsNeighCells enthalten ist, die physCellID aufzuführen. Eine measID ist eine Messeinheit, die z.B. ein Messobjekt mit einer Reporting Configuration (Konfiguration enthaltend a) einen Auslöser, der das UE veranlasst, einen Measurement Report zu senden, also die Meldung von Messergebnissen veranlasst, und b) ein Reporting Format, das die Anzahl der zu meldenden Elemente enthält) verbindet (vgl. LTE Standard II, Ziffer 5.5.1; Anhang Measurement Reporting, S. 4). Die physCellID ist die PCI. Die PCI ist daher vom UE erkannt worden und wird sodann im Messbericht an die eNB gemeldet.
420d)
421Schließlich verwirklicht die angegriffene Ausführungsform II auch die Merkmale 3.5 bis 3.7 des Klagepatentanspruchs.
422Das UE empfängt von der eNB der Versorgungszelle eine Anweisung (Merkmal 3.5), eindeutige Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle zu erkennen (Merkmal 3.6) und diese an die eNB zu melden (Merkmal 3.7).
423Eine zweite RRCConnectionReconfiguration Nachricht enthält mit der measConfig ebenfalls die Aufforderung „reportCGI“ (LTE-Standard III, Ziffer 8.3.3.1.3.2, Schritt 5). Nach Ziffer 5.5.3.1 des LTE-Standards II soll das UE, wenn eine measID vorliegt, für welche der Zweck in der zugehörigen reportConfig auf ´reportCGI` gesetzt ist, versuchen, die E-Utran Cell Global Identity (ECGI) zu beschaffen (LTE Standard II, Ziffer 5.5.3.1). Der Zweck „reportCGI“ bezieht sich auf die ECGI. Bei der ECGI handelt es sich um den globalen eindeutigen Zellidentifizierer und damit um eindeutige Kennungsinformationen der Nachbarzelle. Ausweislich der Tabelle 8.3.3.1.3.2 des LTE-Standards III beschafft sich das UE die ECGI (relevant system information) von der zweiten Kommunikationszelle (Schritt 5, 6). In Schritt 7 der Tabelle sollte das UE innerhalb einer Sekunde die ECGI (cellGlobalID) der zweiten Zelle, sprich Nachbarzelle, an die Funkbasisstation gemeldet haben.
424Gleiches folgt auch aus Ziffer 22.3.3 des LTE-Standards I: Danach weist die eNB das UE unter Verwendung der neu entdeckten PCI als Parameter an, unter anderem den ECGI der dazugehörigen Nachbarzelle zu lesen. Wenn das UE die ECGI der neuen Zelle herausgefunden hat, berichtet das UE die gefundene ECGI an die Serving Cell eNB. Nach dem zuvor Gesagten wird deutlich, dass das „Lesen“ der ECGI auch nicht unabhängig von einer Anweisung durch die eNB erfolgt, sondern in der vom Klagepatent beanspruchten Reihenfolge.
4253.
426Die angegriffene Ausführungsform I verletzt Anspruch 16 des Klagepatents. Im Hinblick auf die Merkmale 1 bis 2, 4.1., 4.2 sowie 4.1 bis 4.4.2 wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
427Die angegriffene Ausführungsform I stellt eine Netzwerkressource (Merkmal 4) dar, die betreibbar und damit geeignet ist, die Schritte gemäß der Merkmale 4.1 bis 4.4.3 auszuführen. Die eNB sind Teile des drahtlosen Telekommunikationsnetzes und geeignet mit den UEs zu kommunizieren. Über das Empfangen von (nicht-) eindeutigen Zellenkennungen und Parameterinformationen werden verschiedene Informationen über die Nachbarzellenmenge gesammelt, die für ein späteres Handover relevant werden können.
428Die angegriffene Ausführungsform I verwirklicht insbesondere die Merkmale 4.4.3 und 4.3. Nach obiger Auslegung umfasst das Definieren der Nachbarzellenliste/Handover-Kandidatenliste auch deren Aktualisierung. Ferner wird die Neighbour Relation Table (NRT) auch für ein mobiles Endgerät definiert. Indem sich das UE in einer Versorgungszelle befindet, die von der eNB bereitgestellt wird, ist deren NRT für das UE definiert. Laut Ziffer 22.3.3 des LTE-Standards I, Schritt 4 aktualisiert das eNB die Nachbarbeziehungsliste, die in der NRT enthalten ist, nachdem sie anhand ECGI und PCI eine neue Nachbarzelle erkannt hat (Merkmal 4.4.3). Bei der Nachbarzellenliste und der Handover-Kandidatenliste muss es sich nicht um physisch unterschiedliche Listen handeln, sondern es genügt eine veränderte wechselseitige Zuordnung von nichteindeutigen und eindeutigen Zellkennungen. Wie bereits ausgeführt berichtet die UE die empfangene ECGI der eNB der Versorgungszelle. Die eNB entscheidet, die Nachbarbeziehung hinzuzufügen, indem sie unter anderem die NRT aktualisiert (LTE Standard I, Ziffer 22.3.3, Ziffer 4b). Die Spalte TCI entspricht dem ECGI und PCI (LTE Standard I, Ziffer 22.3.2a). Durch die Eintragung der ECGI, die in der TCI enthalten ist, definiert die NRT eine Handover-Liste. Ein nur indirekter Handover-Bezug genügt bereits für die Verwirklichung des Merkmals 4.4.3. In der NRT ist die Nachbarzelle zunächst enthalten, wenn sie generell für ein Handover infrage kommt. Aufgrund weiterer O&M Methoden kann die NRT verwaltet werden und Eigenschaften der NRT verändern (LTE Standard I, Ziffer 22.3.2a a.E.). So kann beispielsweise eine Eintragung NoHo erfolgen, wenn die neue Nachbarzelle sich aus bestimmten anderen Gründen nicht für ein Handover eignet (z.B. Überlastung der Zelle). Die Möglichkeit dieses Eintrags führt auch nicht von dem Verständnis einer Handover-Liste weg. Der Eintrag zeigt vielmehr die erfolgte Bewertung eines zunächst vorhandenen Handover-Kandidaten. Anhaltspunkte für den Eintrag einer „dritten Art“ von Zellen, die nicht die Eigenschaft des Handovers betreffen, sind nicht ersichtlich. Gleichwohl wäre ihre Existenz unerheblich für die Verletzungsfrage, da die NRT jedenfalls im Allgemeinen geeignete Handover-Kandidaten eingetragen hat.
429Ausweislich der Ausführungen zu den Merkmalen 3.3 und 3.4.2 des Anspruchs 6 empfängt die eNB die PCI im measResultNeighCell-Element eines measurement reports der UE. Dies greift der LTE-Standard I in Ziffer 22.3.3 wieder auf, wenn dort die Rede davon ist, dass die eNB einen UE Measurement Report empfängt, der die PCI enthält und dann die nachfolgende Sequenz Anwendung finden kann: Die Sequenz beinhaltet unter anderem das Lesen der ECGI (Schritt 1) und das Aktualisieren der NRT (Schritt 4 b)). Auch wenn die Figur 22.3.2a-1 bereits die NRT in ihrer Funktion als Handover-Liste zeigt, muss die eNB die PCI vor der Abfrage der ECGI notwendig vorhalten (Merkmal 4.3). Denn erst nach der neu entdeckten nichteindeutigen Zellenkennung weist die eNB das UE an, die eindeutige Kennung abzufragen. So heißt es in Ziffer 22.3.3 des LTE-Standards I „The eNB instructs the UE, using the newly discovered PCI as parameter, to read the ECGI […]”. Die Prüfung, ob eine ECGI vorhanden ist, setzt einen Rückgriff auf die im eNB gespeicherte NRT voraus. Hierfür ist jedenfalls erforderlich, dass die Daten aus dem Messbericht gespeichert und mit der NRT verknüpft werden. Darin liegt das klagepatentgemäße Definieren einer Nachbarzellenliste im Sinne des Merkmals 4.3.
430Dem Bestimmen der eindeutigen Kennungsinformationen geht schließlich eine Erforderlichkeitsprüfung vorweg (Merkmal 4.4). So formuliert der LTE-Standard I (Ziffer 22.3.3) wie soeben ausgeführt, die ECGI der „neu entdeckten“ PCI zu lesen. Da es sich bei der PCI um eine neu entdeckte Kennungsinformation handelt, muss die eNB zuvor festgestellt haben, dass ihr die PCI bislang nicht bekannt war. Darin liegt jedoch ein Bestimmen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen (PCI), ob eindeutige Zellenkennungsinformationen erforderlich sind oder nicht.
431VI.
432Aufgrund der unberechtigten Benutzung der patentgemäßen Lehre durch die Beklagten zu 1.) und 2.) ergeben sich folgende Rechtsfolgen:
4331.
434Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen hat die Klägerin gegen die Beklagten zu 1.) und zu 2.) dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit § 139 Abs. 1 und 2 PatG.
435Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht (vgl. Schulte/Voß/Kühnen, Patentgesetz, 9. Aufl. 2014, § 139 Rn. 231).
436Die Beklagten haben die streitgegenständliche Patentverletzung schuldhaft begangen. Als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Der Umstand, dass die Klägerin für das Klagepatent gegenüber der ETSI eine FRAND-Erklärung abgegeben hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar mag die FRAND-Erklärung bei den betroffenen Marktteilnehmern die berechtigte Erwartung hervorrufen, dass ihnen eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen erteilt werde, dennoch ist es fahrlässig, ohne den erfolgreichen Abschluss eines Lizenzvertrages mit der Nutzung des Patents zu beginnen. Denn erst die Lizenz vermittelt das Recht zur Benutzung. Der FRAND-Erklärung selbst kommt diese Wirkung hingegen nicht zu; sie stellt lediglich die ernstgemeinte Erklärung des Patentinhabers dar, für den Fall der marktbeherrschenden Wirkung seines Patents potentiellen Benutzern Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen (s. hierzu ausführlicher unten im Rahmen des Zwangslizenzeinwandes).
437Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Dieser besteht bereits in der unberechtigten Benutzung des Schutzrechts durch die Beklagten.
4382.
439Der Klägerin steht gegen die Beklagten zu 1.) und zu 2.) auch ein Anspruch auf Auskunft aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit den §§ 140b PatG, 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, die Beklagten werden durch die von ihnen verlangte Auskunft nicht unzumutbar belastet. Eine Beschränkung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch aus kartellrechtlichen Gründen ist nicht gerechtfertigt (s. ausführlicher sogleich zum Zwangslizenzeinwand).
440VII.
441Die Beklagten halten dem Klagebegehren der Klägerin ohne Erfolg den Einwand ihrer (angeblichen) Lizenzwilligkeit entgegen. Weder die FRAND-Selbstverpflichtungserklärung der Klägerin noch die Art. 101, 102 AEUV hindern die Durchsetzung der mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz und Rechnungslegung ganz oder auch nur in Teilen. Hierzu im Einzelnen:
4421.
443Den Ansprüchen wegen unberechtigter Patentbenutzung kommt grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu; die Rechte des geistigen Eigentums werden in der Charta der Grundrechte der EU (Art. 17 Abs. 2) ausdrücklich unter Schutz gestellt. Um diesen Schutz in angemessener Weise zur Geltung zu bringen, müssen die gesetzlichen Ansprüche wegen widerrechtlicher Patentbenutzung in der Regel zur Anwendung gebracht werden. Dies gilt umso mehr, als auch der Zugang zu den Gerichten seinerseits Grundrechtsschutz genießt, Art. 47 der EU-Charta (so auch: EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 57). Beschränkt wird der Schutz des geistigen Eigentums durch den Vorbehalt der Allgemeinverträglichkeit, was insbesondere eine Ausübung der Patentrechte nach den Regeln des Kartellrechts verlangt. Insofern ist spätestens durch die Entscheidung „Orange-Book-Standard“ geklärt, dass einem Unterlassungsanspruch im Patentverletzungsprozess der Einwand eines kartellrechtlichen Lizenzvertragsanspruches entgegengehalten werden kann (BGH, GRUR 2009, 694 ff.; bestätigt zuletzt durch EuGH, GRUR 2015, 764 ff.).
4442.
445Die Klägerin ist Inhaberin eines standardessentiellen Patents, für das sie gegenüber der Standardisierungsorganisation ETSI eine FRAND-Selbstverpflichtungserklärung abgegeben hat. Bei einer solchen de iure-Standardisierung trifft ein Zusammenschluss von Marktteilnehmern – organisiert in einer Standardisierungsorganisation – unter den für die Lösung der Standardisierungsaufgabe infrage kommenden Technologien eine Auswahl und beschließt das Ergebnis dieser Auswahl als Standard. Die Vorteile der de iure-Standardisierung liegen in der Vermeidung eines Ressourcen zehrenden Verdrängungswettkampfes, der Durchsetzung von überlegenen Technologien trotz ggf. geringer Marktmacht des dahinter stehenden Unternehmens, der Erzielung einer weitgehenden Kompatibilität konkurrierender Produkte und der damit verbundenen erleichterten Vergleichbarkeit dieser Produkte für den Verbraucher. Auf der anderen Seite birgt die de iure-Standardisierung auch gewisse Gefahren. Wird etwa die Auswahl der in Frage kommenden Technologien unsachgemäß durchgeführt, so kann dies zu schlechten Ergebnissen führen, weil sich die gewählte Lösung nicht unter Wettbewerbsdruck am Markt durchsetzen muss. Zudem bewirkt die erfolgreiche Standardisierung einer bestimmten technischen Lehre häufig eine Abhängigkeit des betroffenen Produktmarktes. Vor diesem Hintergrund müssen die Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der standardbezogenen Patentnutzung kontrolliert werden, mit denen ein Marktteilnehmer die Machtstellung ausnutzt, die ihm aus dem Zusammenspiel eines erfolgreich implementierten Standards mit einem Patent erwächst (vgl. Picht, GRUR Int. 2014, 1 ff.). Zur Kontrolle dienen hier insbesondere die Regelungen in Art. 101 und 102 AEUV.
4463.
447Der de iure-Standardisierungsvorgang unterfällt dem Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV (Horizontale Leitlinien, 2011, Rn 263 ff.). Am Standardisierungsvorgang beteiligt sind „Unternehmen“ im Sinne dieser Norm, nämlich Einheiten, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Der Begriff der „Vereinbarung“ in Art. 101 AEUV ist grundsätzlich weit zu verstehen. Er erfasst die de-iure-Standardisierung schon deswegen, weil sie zu einem nach Ziel und Vorgehen bewusst gleichgerichteten Vorgehen der Standardisierungsteilnehmer führt. Auswirkungen auf den Wettbewerb entstehen dadurch, dass die Standardisierungsteilnehmer zu Gunsten des Standards auf die Entwicklung oder Nutzung alternativer Technologien verzichten und ein gewisser faktischer Zwang entsteht, nach dem Standard herzustellen oder zu arbeiten.
448Eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV liegt bei der de-iure-Standardisierung dann nicht vor, wenn die Möglichkeit der uneingeschränkten Mitwirkung am Normungsprozess für alle potenziellen Anwender gegeben ist, das Verfahren für die Annahme der betreffenden Norm transparent ist, keine Verpflichtung zur Einhaltung der Norm besteht und Dritten der Zugang zu der Norm zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen gewährt wird (Horizontale Leitlinien, 2011, Rn 280; vgl. auch: Grabitz/Hilf/Nettesheim/Schroeder, Das Recht der Europäischen Union, 54. Auflage 2014, Rn 639). Letzteres gewährleisten die Standardisierungsorganisationen in der Regel durch die Einholung sogenannter FRAND-Erklärungen, mit der die am Standardisierungsprozess beteiligten Inhaber standardessentieller Patente ihre ernstgemeinte Absicht erklären, für den im Voraus nicht sicher absehbaren Fall einer Wettbewerbsbeeinträchtigung allen Marktteilnehmern eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen („fair, reasonable and non-discriminatory“) zu erteilen.
449Die am LTE-Standard mitwirkenden Unternehmen haben für ihre standardessentiellen Patente gegenüber der ETSI FRAND-Selbstverpflichtungserklärungen abgegeben. Der Standardisierungsvorgang als solcher begegnet im vorliegenden Fall keinen Bedenken.
4504.
451Für die Frage, ob der Patentinhaber berechtigt ist, sein (standardessentielles) Patent gerichtlich durchzusetzen, ist Art. 101 AEUV ohne Belang. Denn insofern steht nicht der Vorgang der Standardisierung als solcher, sondern ein (späteres) einseitiges Verhalten des Patentinhabers – die Nichtaufnahme von Lizenzvertragsverhandlungen entsprechend seiner FRAND-Erklärung – im Streit. Soweit in Rechtsprechung und Literatur vereinzelt die Auffassung vertreten wird, auch ein solches Verhalten des Patentinhabers sei an Art. 101 AEUV zu messen (vgl. LG Mannheim, Beschluss vom 21.11.2014, Az.: 7 O 23/14; so wohl auch: LG Mannheim, Urteil vom 27.11.2015, Az.: 2 O 108/14; S. Barthelmeß/N. Gauß, WuV 2010, 626; wohl auch: Walz, GRUR Int. 2013, 718 ff.) überzeugt dies nicht. Art. 101 AEUV verfolgt den Zweck, kartellrechtswidrige Vereinbarungen, d.h. ein wechselseitiges Zusammenwirken von zumindest zwei Parteien, zu unterbinden. Als Rechtsfolge sieht die Norm die Nichtigkeit entsprechender kartellrechtswidriger Vereinbarungen vor. Art. 101 AEUV (i.V.m. § 33 Abs. 1 S. 1 GWB) regelt hingegen nicht, dass der Patentinhaber die Durchsetzung eines Patents zu unterlassen hat, solange er nicht entsprechend der FRAND-Erklärung verhandelt.
4525.
453Die FRAND-Erklärung selbst stellt die ernstgemeinte Erklärung dar, für den im Voraus nicht sicher absehbaren Fall einer Wettbewerbsbeeinträchtigung allen Marktteilnehmern eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen (fair, zumutbar und nicht diskriminierend) zu erteilen (invitatio ad offerendum). Sie ist deklaratorischer Natur und gibt Dritten damit keinen Anspruch auf Einräumung einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen (so auch schon: LG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2012, Az.: 4b O 273/10). Die am Standardisierungsvorgang beteiligten Unternehmen geben die FRAND-Selbstverpflichtungserklärung ab, um die kartellrechtliche Unbedenklichkeit der Standardabsprache sicherzustellen. Entsprechend ist ihre Erklärung dahingehend auszulegen, dass sie sich soweit verpflichten wollen, wie dies aus kartellrechtlichen Gründen zwingend erforderlich ist. Hierfür ist weder ein bindendes Lizenzvertragsangebot seitens des Patentinhabers noch ein Verzicht auf die Durchsetzung seiner Unterlassungsansprüche gegenüber jedem Lizenzinteressenten erforderlich. Ein solcher Bedeutungsgehalt kann den Erklärungen bei verständiger Würdigung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) nicht beigemessen werden. Es entspricht nicht dem Willen der Standardisierungsteilnehmer bzw. etwaiger Rechtsnachfolger, gegenüber jedem Dritten eine rechtliche Verpflichtung dergestalt einzugehen, mit ihm einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen, unabhängig davon, ob das jeweilige in Rede stehende Patent seinem Inhaber überhaupt eine marktbeherrschende Stellung vermittelt und damit in kartellrechtlicher Hinsicht Bedeutung auf dem Markt erlangt hat. Vielmehr gibt der Patentinhaber mit seiner FRAND-Erklärung lediglich seine grundsätzliche Bereitschaft zu erkennen, für den Fall der marktbeherrschenden Wirkung seines Patents Lizenzen zu gleichen und angemessenen Bedingungen einzuräumen. Diese Erklärung stellt damit die deklaratorische Konkretisierung des kraft Kartellrechts ohnehin bestehenden gesetzlichen Abschlusszwangs dar. Eigenständige rechtliche Bedeutung hat sie insoweit, als sie das Pflichtenprogramm des Patentinhabers im Rahmen der Prüfung des Art. 102 AEUV (§§ 19, 20 GWB) mit beeinflusst.
4546.
455Art. 102 AEUV verlangt neben der marktbeherrschenden Stellung des anspruchstellenden Unternehmens das Eingreifen außergewöhnlicher Umstände, die zu einer Beeinträchtigung des Handels führen.
456a)
457Die für die Anwendung des Art. 102 AEUV erforderliche marktbeherrschende Position der Klägerin ergibt sich nicht schon allein aufgrund ihrer Rechtsposition am Klagepatent. Nicht jedes standardessentielle Patent vermittelt eine kartellrechtlich bedeutsame Marktmacht (vgl. das Urteil der Kammer vom 26.03.2015, Az.: 4b O 140/13; so auch Müller, GRUR 2012, 686). Die Berufung auf eine etwaige fehlende Marktmacht ist auch nicht etwa vor dem Hintergrund der abgegebenen FRAND-Erklärung treuwidrig. Denn mit dieser gibt der Patentinhaber – wie vorstehend ausgeführt – lediglich seine grundsätzliche Bereitschaft zu erkennen, für den Fall der marktbeherrschenden Wirkung seines Patents Lizenzen zu gleichen und angemessenen Bedingungen einzuräumen. Im Rahmen des Art. 102 AEUV ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob der unter Schutz gestellten technischen Lehre tatsächlich eine kartellrechtlich relevante, marktbeherrschende Bedeutung zukommt.
458Der Begriff der Marktbeherrschung ist weder eine feststehende Eigenschaft eines Unternehmens noch ein absoluter rechtlicher Begriff. Die Marktbeherrschung besteht immer nur im Hinblick auf gewisse Funktionen, Märkte, Vorschriften, usw. So kann ein Unternehmen insbesondere nur im Hinblick auf einen bestimmten Teil seiner Aktivitäten marktbeherrschend sein (Langen/Bunte/Nothdurft/Ruppelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 15).
459Speziell für den Bereich des geistigen Eigentums hat die Europäische Kommission in der Entscheidung „QQ “ (C-457/10P, EU:C:2012:770, Rn 175) festgestellt, dass eine beherrschende Stellung eine wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens sei, „die es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, seinen Kunden und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten“. Weiter heißt es in Rn 186, dass „zwar nicht angenommen werden könne, dass die bloße Inhaberschaft von Rechten des geistigen Eigentums eine beherrschende Stellung begründe, sie aber geeignet sei, unter bestimmten Umständen eine solche Stellung zu schaffen, insbesondere dadurch, dass das Unternehmen die Möglichkeit erhalte, einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt zu verhindern“.
460Dabei muss sich die Marktmacht nicht zwingend auf den beherrschten Markt selbst beschränken, sondern kann sich auch auf vor- oder nachgelagerte Märkte erstrecken (Langen/Bunte/Nothdurft/Ruppelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 15). Im Hinblick auf Rechte am geistigen Eigentum ist kartellrechtlich relevant insofern nicht der Markt der Lizenzvergabe, sondern der nachgelagerte Produktmarkt (vgl.: EuGH, GRUR Int. 1995, 490, Rn 47 – Magill TVG Guide; BGH, NJW-RR 2010, 392 ff. – Reisestellenkarte).
461Dieser nachgelagerte Produktmarkt als sachlich relevanter Markt ist im Hinblick auf die vom Patent geschützte technische Lehre genauer zu qualifizieren. Bezogen auf ein standardessentielles Patent ist der relevante Markt im Grundsatz der Markt, auf dem diejenigen Produkte angeboten werden, die den Standard mit der SEP-geschützten Technik verwirklichen. Dabei erfolgt die Marktabgrenzung in ständiger Rechtsprechung nach dem sog. Bedarfsmarktkonzept. Hiernach werden alle Leistungen einem Markt zugeordnet, die aus Sicht der Marktgegenseite funktionell austauschbar sind (BGHZ 160, 321-332 – Staubsaugerbeutelmarkt m.w.N.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.03.2008, Az.: VI-U (Kart) 29/06, zitiert nach juris). Ziel der Marktabgrenzung ist es stets, die den Wahlmöglichkeiten der Marktgegenseite entsprechende Realität des Wettbewerbs zu erfassen (Langen/Bunte/Nothdurft/Ruppelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 20 m.w.N.).
462Bei dem in Rede stehenden Betrieb der automatischen Nachbarbeziehungen (sog. ANR-Funktion), handelt es sich um eine Technologie, die eine der Grundfunktionen eines Mobilfunkgerätes betrifft und die den LTE-Standards I bis III (3GPP TS 36.300 Version 8.9.0, 3GPP TS 36.331 Version 8.7.0 und 3GPP TS 36.523-1 Version 12.3.0) unterfällt. Nach den LTE-Standards kommunizieren die eNBs mit den LTE-Mobilgeräten über Funksignale. Die streitgegenständliche Technik gewährleistet eine automatisierte Verwaltung der Architektur eines drahtlosen Telekommunikationsnetzes. Dieses Netz besteht aus verschiedenen Kommunikationszellen, die von sog. Basisstationen bereit gestellt werden. Eine Mobilfunkverbindung wird durch die Übergabe der Verbindung (sog. Handover) von einer Kommunikationszelle zur nächsten aufrechterhalten. Anhand bestimmter Charakteristika ermittelt das Netz mit Hilfe des mobilen Endgeräts die optimale Zelle für ein Handover. Das Klagepatent stellt ein Verfahren und ein Netzwerk mit entsprechendem mobilem Endgerät zur Verfügung, bei denen die korrekte Identifizierung einer neuen Zelle automatisch erfolgen soll.
463Es kann dahinstehen, ob tatsächlich jedes mobile Endgerät am Markt mit der streitgegenständlichen Technologie ausgestattet ist und es keine konkurrenzfähige Alternative am Markt gibt. In seinen Entscheidungen „Standard-Spundfaß“ (BGH, GRUR 2004, 967) und „Orange-Book-Standard“ (BGH, GRUR 2009, 694) ist der BGH zwar davon ausgegangen, dass es für die kartellrechtlich relevante Marktmacht darauf ankommt, ob ein konkretes, dem Standard bzw. der Norm entsprechendes Produkt substituierbar ist, d.h. ein nicht norm- bzw- standardgerechtes Produkt auf dem nachgelagerten Nachfragemarkt überhaupt absetzbar und damit wettbewerbsfähig wäre, auf solche Fälle der Marktzutrittsvoraussetzung eines SEP ist die Annahme einer marktbeherrschenden Bedeutung hingegen nicht beschränkt. Vielmehr kann eine marktbeherrschende Stellung auch dann angenommen werden, wenn auf dem relevanten Markt auch Produkte angeboten werden, die die Produktkonfiguration des standardessentiellen Patents nicht aufweisen. Voraussetzung für die Annahme einer marktbeherrschenden Position ist in diesem Fall, dass ohne den Zugang zur Nutzung des streitgegenständlichen Patents ein wettbewerbsfähiges Angebot nicht möglich ist, d.h. allein mit Produkten ohne die patentierte Funktion kein wirksamer Wettbewerb zu den übrigen Anbietern stattfindet. Demgegenüber wäre eine marktbeherrschende Stellung jedenfalls dann zu verneinen, wenn die durch das SEP geschützte technische Funktion für den Nachfrager von SEP-Produkten gar keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt. Letzteres kommt im Streitfall nicht in Betracht. Die streitgegenständliche Technik ist sowohl für die Netzbetreiber als auch für die Endkunden so wesentlich, dass ohne ihre Nutzung ein wirksamer Wettbewerb auf dem Markt für mobile Endgeräte nicht möglich ist. Dies wird auch von der Klägerin nicht ernsthaft bestritten.
464b)
465Bei der Frage, wann außergewöhnliche Umstände vorliegen, die einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV begründen können, muss die Standardessentialität des geltend gemachten Patents Ausgangspunkt sämtlicher Überlegungen sein, weil eben jene das Patent für jeden Wettbewerber, der Produkte herzustellen beabsichtigt, die dem Standard entsprechen, unerlässlich macht. Der Inhaber eines standardessentiellen Patents ist damit in der Lage zu verhindern, dass standardkonforme Produkte seiner Wettbewerber auf den Markt gelangen oder auf dem Markt bleiben. Hinzu kommt, dass der Patentinhaber – wie vorstehend ausgeführt – sich durch seine FRAND-Erklärung bereit erklärt hat, Lizenzen zu gleichen und angemessenen Bedingungen zu erteilen. Hierin liegt der grundlegende Unterschied des Streitfalls zu dem Sachverhalt, über den der BGH in seiner Entscheidung „Orange-Book-Standard“ zu befinden hatte (NJW-RR 2009, 1047 ff.). Die dort aufgestellten hohen Anforderungen an das Verhalten des Patentverletzers lassen sich auf Konstellationen, in denen der Patentinhaber gegenüber der Standardisierungsorganisation eine FRAND-Erklärung abgegeben hat, nicht ohne weiteres übertragen. Vielmehr hat der EuGH für einen solchen Fall in seinem Urteil vom 16.07.2015 folgende Grundsätze aufgestellt (GRUR 2015, 764 ff.):
466aa)
467Der Inhaber eines standardessentiellen Patents, für das er gegenüber der Standardisierungsorganisation eine FRAND-Erklärung abgegeben hat, muss, damit eine Klage auf Unterlassung, Rückruf oder Vernichtung nicht als missbräuchlich angesehen werden kann, Bedingungen erfüllen, durch die ein gerechter Ausgleich der betroffenen Interessen gewährleistet wird. Vor der gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche muss er den angeblichen Verletzer zunächst einmal auf die Patentverletzung hinweisen (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 61) und ihm, soweit der Verletzer zur Lizenznahme grundsätzlich bereit ist, ein konkretes schriftliches Angebot auf Lizenzierung des Patents zu FRAND-Bedingungen unterbreiten (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 63). Hierauf muss der Verletzer nach Treu und Glauben und insbesondere ohne Verzögerungstaktik reagieren (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 65). Nimmt der Verletzer das Angebot des Patentinhabers nicht an, muss er innerhalb kurzer Frist ein Gegenangebot machen (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 66). Lehnt der SEP-Inhaber dieses Gegenangebot ab, muss der Patentverletzer ab diesem Zeitpunkt über die Benutzung des SEPs abrechnen und für die Zahlung der Lizenzgebühren Sicherheit leisten (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 67).
468Diese kartellrechtlichen Beschränkungen gelten nicht nur für den Unterlassungsanspruch, sondern auch für den Rückrufanspruch und den Anspruch auf Vernichtung patentverletzender Gegenstände. Denn diese Ansprüche beinhalten im Allgemeinen ein Verkaufsverbot des Produktes, mit dem das Patent verletzt wird, und können deshalb einen Marktausschluss bedeuten (vgl. hierzu etwa: Pressemitteilung der Kommission in Sachen Motorola vom 29.04.2014). Dies kann zu einer Verzerrung von Lizenzverhandlungen und zu wettbewerbswidrigen Lizenzbedingungen führen, die der Lizenznehmer ohne die drohende Unterlassungsverfügung nicht akzeptiert hätte.
469bb)
470Entgegen der Auffassung der Beklagten sind diese Überlegungen nicht ohne weiteres auf den Schadensersatzanspruch zu übertragen. Ein Marktausschluss droht durch die Zuerkennung dieses Anspruchs nicht und auch sonst wird ein wirksamer Wettbewerb durch sie nicht verhindert. Eine Klage auf Schadensersatz für vergangene Benutzungshandlungen, die das standardessentielle Patent verletzen, ist lediglich darauf gerichtet, den SEP-Inhaber für bereits erfolgte Verletzungen seines Patents zu entschädigen. Sie führt weder zum Ausschluss standardkonformer Produkte vom Markt noch dazu, dass ein potentieller Lizenznehmer sich gezwungen sieht, ungünstigen Lizensierungsbedingungen für zukünftige Benutzungen eines SEP zuzustimmen.
471Entsprechend hält auch der EuGH die Geltendmachung eines Anspruches auf Schadensersatz grundsätzlich für nicht missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 73-76). Der Verletzer eines standardessentiellen Patents ist – wie jeder andere Patentverletzer auch – verpflichtet, sich vor jeder Benutzung über die bestehende Patentsituation zu informieren und ggf. eine Lizenz einzuholen (vgl.: EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 58). Tut er dies nicht, muss er damit rechnen, auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.
472cc)
473Im Rahmen der Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach ist eine irgendwie geartete Beschränkung aus Gründen des Kartellrechts nicht geboten. Grundsätzlich stehen dem Patentinhaber für die konkrete Angabe der Höhe des Schadensersatzes gemäß § 139 Abs. 2 PatG drei Berechnungsarten zur Verfügung (vgl. hierzu auch: Kraßer, Patentrecht, 6. Auflage 2009, 5. Abschnitt § 35 IV. a); Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, 11. Auflage 2015, § 139 Rn 61). Gemäß § 139 Abs. 2 S. 1 PatG i.V.m. § 249 BGB i.V.m. § 252 BGB ist die Berechnung des konkreten Schadens einschließlich des entgangenen Gewinns nach der Differenzlehre vorgesehen. Seit der Neufassung von § 139 Abs. 2 PatG durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7.7.2008 (Durchsetzungsgesetz), das am 1.9.2008 in Kraft getreten ist und mit dem die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums umgesetzt worden ist, werden der Verletzergewinn (§ 139 Abs. 2 S. 2 PatG) und die angemessene Lizenzgebühr (§ 139 Abs. 2 S. 3 PatG) als Berechnungsgrundlage ausdrücklich im Patentgesetz erwähnt. Die drei Berechnungsarten – entgangener Gewinn, Lizenzanalogie oder Verletzergewinn – stehen nebeneinander. Der Verletzte hat ein Wahlrecht und muss sich für eine der drei Berechnungsarten entscheiden (Kraßer, Patentrecht, 6. Auflage 2009, 5. Abschnitt § 35 IV. a); Pitz, Patentverletzungsverfahren, 2. Auflage 2010, Teil 4 I. 4. a)). Alle drei Berechnungsmethoden dienen der Berechnung desselben Schadens und stellen damit lediglich Rechenoptionen, nicht aber unterschiedliche Ansprüche dar (Melullis, GRUR Int. 2008, 679 ff.). Die Feststellung, dass ein bestimmter Verletzer dem Patentinhaber nach § 139 PatG Schadensersatz schuldet, die Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruches also grundsätzlich gegeben sind, geht der Bestimmung der Höhe dieses Schadens vor. Die Zuerkennung nur einer bestimmten Berechnungsmethode – insbesondere der Lizenzanalogie – kommt nicht in Betracht. Soweit – wie im vorliegenden Fall – lediglich die Feststellung der Schadensersatzpflicht beantragt ist, entscheidet das Gericht ausschließlich über den Grund des Anspruchs.
474Die Höhe des konkreten Schadens hat auf die Frage der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach lediglich dann Einfluss, wenn die Möglichkeit besteht, dass der dem Patentinhaber entstandene Schaden mit Null zu bemessen ist (vgl.: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff – Standard-Spundfass). Eine solche Freilizenz kommt vorliegend ersichtlich nicht in Betracht. Dass eine solche von der Klägerin geschuldet würde, wird auch von den Beklagten nicht geltend gemacht.
475dd)
476Andernfalls kommt lediglich eine Begrenzung der Schadensersatzverpflichtung auf einen bestimmten Höchstbetrag in Betracht, die allerdings erst im Rahmen des ggf. sich anschließenden Höheverfahrens zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu auch: Obergericht für Geistiges Eigentum, Japan, GRUR Int. 2015, 144 ff. – Apple v. Samsung II, mit etwas anderem Ansatz).
477Insofern ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von §§ 19, 20 GWB bzw. Art. 102 AEUV einen Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrages begründen kann (vgl. hierzu: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff. – Standard-Spundfass; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2007, 181 – Orange Book). Dieser kartellrechtliche Anspruch auf Lizenzierung dient der Durchsetzung des gegenüber jedem Marktteilnehmer geltenden Verbots, eine marktbeherrschende Stellung nicht zu missbrauchen. Die Weigerung des Patentinhabers, dem berechtigten Verlangen des Patentverletzers auf Abschluss eines Lizenzvertrages nachzukommen, kann kartellrechtswidrig sein und einen eigenen Schadensersatzanspruch des Patentverletzers gegen den Patentinhaber begründen (§ 33 GWB i.V.m. Art. 102 AEUV bzw. §§ 19, 20 GWB). Der Patentinhaber kann in einem solchen Fall für die Zeit nach seiner rechtswidrigen Weigerung keinen vollen Schadensersatz verlangen, sondern ist der Höhe nach beschränkt auf den Betrag einer angemessenen Lizenzgebühr (vgl.: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff. – Standard-Spundfass).
478Nichts anderes gilt auch dann, wenn der Patentinhaber für das in Rede stehende standardessentielle Patent eine FRAND-Erklärung abgegeben hat. Insbesondere hat die FRAND-Erklärung nicht die Wirkung, dass der Schadensersatzanspruch von vornherein auf die Höhe der FRAND-Lizenzgebühr beschränkt ist. Dies könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn man der FRAND-Erklärung konstitutive Wirkung in dem Sinne beimessen wollte, dass sie jedem Marktteilnehmer einen eigenen Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrages zu FRAND-Bedingungen vermittelt. Dieser Auffassung folgt die Kammer hingegen nicht (s.o.). Vielmehr kann der dem Grunde nach zunächst in voller Höhe bestehende Schadensersatzanspruch des Patentinhabers wegen Patentverletzung nur durch einen Gegenanspruch des Verletzers eingeschränkt werden, § 33 GWB i.V.m. Art. 102 AEUV bzw. §§ 19, 20 GWB. Die Voraussetzungen eines solchen Gegenanspruchs sind vom Verletzer darzulegen und zu beweisen.
479Nachdem Art. 102 AEUV ein missbräuchliches Verhalten des Patentinhabers voraussetzt, ist vorrangig auf dessen Verhalten abzustellen, wobei dieses üblicherweise im Wechselspiel mit dem Verhalten des Patentbenutzers zu bewerten ist. Unter welchen Voraussetzungen dem Patentinhaber im Einzelnen bei der Geltendmachung eines Schadensersatz-, Auskunfts- und/oder Rechnungslegungsanspruch ein Missbrauchsvorwurf zu machen ist, ist vom EuGH in seinem Urteil vom 16.07.2015 (GRUR 2015, 764 ff.) nicht entschieden worden. Die Ausführungen des EuGH beziehen sich ausdrücklich nur auf die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs sowie der in ihren Wirkungen auf den betroffenen Markt vergleichbaren Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung (vgl. EuGH, GRUR 2015, 764 ff.). Im Gegensatz hierzu sind die Auswirkungen der Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung auf den Markt weitaus geringer. Allein der Umstand, dass die zu leistende Auskunft und Rechnungslegung für den Verletzer ggf. mit hohem Aufwand verbunden ist und/oder seine Geheimhaltungsinteressen berührt, rechtfertigt es nicht, für die Geltendmachung dieser Ansprüche die Anforderungen an die Pflichten des Patentinhabers im Rahmen des Art. 102 AEUV genauso hoch anzusetzen wie bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs.
480Vielmehr ist mit dem EuGH im Grundsatz davon auszugehen, dass der Verletzer eines standardessentiellen Patents – wie jeder andere Patentverletzer auch – verpflichtet ist, sich vor jeder Benutzung über die bestehende Patentsituation zu informieren und ggf. eine Lizenz einzuholen (vgl.: EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 58). Tut er dies nicht, muss er damit rechnen, auf (vollen) Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Erst wenn der Patentinhaber sich weigert, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, verhält er sich missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 53) und der Verletzer schuldet in der Folge nur noch Schadensersatz in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr.
481Soweit der EuGH vom Patentinhaber für den Fall einer Klage auf Unterlassung, Rückruf und/oder Vernichtung verlangt, dass er den Verletzer vor der Klageerhebung auf die Verletzung hinweist und ihm, nachdem der Verletzer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, ein Angebot zu FRAND-Bedingungen unterbreitet (vgl. EuGH, GRUR 2015, S. 764 ff. Rn 61-63), beruht dies unter unterem auf der Erwägung, dass mit der Zuerkennung der vorgenannten Ansprüche des Patentinhabers der Marktausschluss des Verletzers mit seinem standardkonformen Produkt mit den damit verbundenen einschneidenden Folgen für den Produktmarkt droht (vgl. EuGH, GRUR 2015, S. 764 ff. Rn 52). Diese Erwägung ist auf die Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung nicht übertragbar. Erhebt der Patentinhaber eine Klage zur Geltendmachung dieser Ansprüche, ohne den Verletzer zuvor auf die Verletzung hingewiesen und, nachdem der Verletzer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, ein Angebot zu FRAND-Bedingungen unterbreitet zu haben, begründet allein dies noch keinen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV. Hinzukommen muss vielmehr ein erkennbar nach außen zutage getretener Wille des Verletzers auf Abschluss eines Lizenzvertrages, dem der Patentinhaber sich treuwidrig verweigert.
482ee)
483Liegen nach den vorstehenden Ausführungen die Voraussetzungen für eine Beschränkung des Schadensersatzanspruches auf die Höhe einer FRAND-Gebühr vor, führt dies in der Folge zu einer inhaltlichen Beschränkung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruches. Denn letzterer hat seinem Zweck nach dem Umfang des Schadensersatzanspruches zu folgen (vgl. hierzu: Schulte/Voß/Kühnen, PatG, 9. Auflage, § 139 Rn 148).
484Die der Vorbereitung des Schadensersatzanspruches dienende Auskunft und Rechnungslegung muss zwar grundsätzlich alle Angaben enthalten, die der Verletzte benötigt, um eine der ihm offen stehenden drei Berechnungsmethoden (Lizenzanalogie, Verletzergewinn oder entgangener Gewinn) auszuwählen und auf dieser Grundlage die Schadenshöhe zu beziffern (BGH, GRUR 1962, 354, 356 - Furniergitter; BGH, GRUR 1974, 53 – Nebelscheinwerfer; Fitzner/Lutz/Bodewig/Pitz, Patentrechtskommentar, 4. Auflage 2012, § 139 Rn 236), jedoch unterstehen Inhalt und Umfang der Verpflichtung zur Auskunft und Rechnungslegung dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dies erfordert eine Abwägung der Interessen beider Parteien unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls (BGH, GRUR 1974, 53, 54 – Nebelscheinwerfer). In diesem Sinne mag auch die Äußerung des Generalanwalts Wathelet zu verstehen sein, der in seinen Schlussanträgen darauf hingewiesen hat, dass das Gericht über die Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zu wachen habe (Schlussanträge des Generalanwaltes Melchior Wathelet vom 20.11.2014 in der Rechtssache C-170/13, dort Ziffer 101).
485Dabei ist auf Seiten des Patentinhabers die Bedeutung der verlangten Auskunft für die Darlegung der für Grund und Höhe des Schadensersatzanspruchs wesentlichen Umstände in die Abwägung einzustellen; auf Seiten des Verletzers kann insbesondere ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse Bedeutung erlangen (BGH, GRUR 2007, 532 ff. – Meistbegünstigungsvereinbarung). Demgegenüber rechtfertigen Unterschiede bezüglich des Arbeitsaufwandes bei verschiedenen Schadensberechnungsarten es in aller Regel nicht, den Patentinhaber auf eine für den Verletzer weniger aufwändige Berechnungsart zu verweisen (BGH, GRUR 1982, 723 ff. – Dampffrisierstab).
486Liegen die Umstände des Einzelfalls so, dass der Patentinhaber für die Nutzung der patentgemäßen Lehre lediglich eine angemessene, FRAND-Bedingungen entsprechende Lizenzgebühr verlangen kann, gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben, auch die Verpflichtung zur Auskunft und Rechnungslegung auf die zur Berechnung dieser FRAND-Lizenzgebühr erforderlichen Angaben zu beschränken. Insbesondere ist in diesem Fall kein schutzwürdiges Interesse des Patentinhabers an Angaben zum Verletzergewinn (Kosten- und Gewinnangaben) ersichtlich, das die berechtigten Geheimhaltungsinteressen des Patentverletzers überwiegen könnte.
487Allerdings ist von den Beklagten nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass die Voraussetzungen für einen kartellrechtlichen Anspruch auf Lizensierung zu FRAND-Bedingungen gegeben sind und der Schadensersatzanspruch der Klägerin damit von vornherein auf die Höhe einer FRAND-Lizenzgebühr beschränkt wäre. Die Klägerin bemüht sich bereits seit Juli 2013 um den Abschluss eines Lizenzvertrages mit den Beklagten. Nachdem diese zunächst gar kein Interesse an dem Abschluss eines Lizenzvertrages gezeigt hatten, deutet ihr späteres Verhalten jedenfalls auf eine Verzögerungstaktik hin. Es ist nicht dargelegt, aus welchen konkreten Gründen die Beklagten sich geweigert haben, die Geheimhaltungsvereinbarung der Klägerin zu unterzeichnen. Auch nach der Klageerhebung durch die Klägerin und die Unterbreitung eines konkreten Lizenzvertragsangebotes ist eine Mitwirkung der Beklagten an dem Zustandekommen eines Lizenzvertrages nicht ersichtlich. Sie berufen sich ausschließlich auf die angebliche Unangemessenheit des klägerischen Angebotes, ohne aber ihrerseits ein Gegenangebot zu unterbreiten. Die Klägerin hat sich demgegenüber bemüht, auf die Einwände der Beklagten einzugehen, und diesen ein geändertes, auf die standardessentiellen Schutzrechte beschränktes Lizenzvertragsangebot unterbreitet. Auch dieses wurde von den Beklagten ohne nähere Begründung nicht akzeptiert. Ungeachtet dessen, ob die Angebote der Klägerin tatsächlich FRAND-Kriterien entsprechen oder nicht, kann vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht festgestellt werden, dass die Klägerin den Abschluss eines Lizenzvertrages zu FRAND-Bedingungen treuwidrig verweigert und damit ihre marktbeherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV missbraucht.
488VIII.
489Es besteht keine Veranlassung, den Rechtsstreit im Hinblick auf das Nichtigkeitsverfahren gem. § 148 ZPO auszusetzen. Für die Kammer lässt sich auf der Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstands die für eine Aussetzung erforderliche hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit der Nichtigkeitsklage nicht feststellen (BGH, GRUR 2014, 1237 – Kurznachrichten).
4901.
491Das Klagepatent ist gegenüber dem Stand der Technik neu.
492a)
493Der Standard 3GPP TS 23.331 V3.4.0 (nachfolgend: V3.4.0) steht dem Klagepatent nicht neuheitsschädlich entgegen.
494Angesichts des genannten Aussetzungsmaßstabs vermag die Kammer in der hiesigen Situation keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Widerruf des Klagepatents zu erkennen. So präsentieren die Parteien in sich schlüssige Argumentationen und vermögen andererseits nicht, ein stichhaltiges Gegenargument anzuführen, das dem Vortrag der Gegenseite die Grundlage entziehen bzw. einen grundlegenden Widerspruch aufzeigen könnte. Die Klägerin hat ein mögliches fachmännisches Verständnis der Entgegenhaltung dargelegt, das von den Beklagten nicht eine Aussetzungsentscheidung tragend in Zweifel gezogen werden konnte. Da es den Beklagten obliegt, die erforderlichen Erfolgsaussichten des anhängigen Einspruchsverfahrens darzulegen und glaubhaft zu machen, geht dies zu ihren Lasten. Hinzu tritt, dass die Annahme einer (hinreichend) sicheren Vernichtungswahrscheinlichkeit sich verbietet, wenn der im Rechtsbestandsverfahren zur Diskussion stehende technische Sachverhalt derart kompliziert und/oder komplex ist, dass sich das Verletzungsgericht keinen wirklichen Einblick in die Gegebenheiten verschaffen kann (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 8. Aufl., Rn. 531). Das ist hier der Fall.
495Nach Ansicht der Kammer werden die Anweisung, die Mitteilung und das Erkennen der eindeutigen Zellkennung (Merkmale 3.5 bis 3.7 des Anspruchs 6) nicht unmittelbar und eindeutig gezeigt. Aus Ziffer 8.6.7.5 erkennt der Fachmann, dass das UE in dem Zustand CELL_FACH die Cell Identity melden soll, wenn das Information Element „cell identity“ auf „TRUE“ gesetzt ist. Der Zustand CELL_DCH spielt keine Rolle, weil hier die Cell Identity nicht gemeldet werden soll. Die Cell Identity wird von der Nachbarzelle im System Information Block Typ 3 oder 4 ausgegeben. Aus Ziffer 10.3.2.2 folgt, dass die Cell Identity eindeutig eine Zelle innerhalb eines PLMN (Public Land Mobile Network) identifiziert. Insofern handelt es sich um eine eindeutige Zellenkennung.
496Die Klägerin wendet ein, dass im UMTS-System das UE nicht in der Lage sei, die Cell Identity nach Empfang der Measurement-Control Nachricht im CELL_FACH Zustand zu erkennen und zu melden.
497Die RRC-Schicht (Radio-Resource-Control-Schicht) sei für den Empfang und die Verarbeitung von Signalisierungsnachrichten verantwortlich, die zwischen einem RNC (radio network controller) und einem Endgerät übertragen werden. Das RRC bediene sich einer Zustandsmaschine, um den Verbindungstyp zwischen dem mobilen Endgerät und dem RNC zu definieren.
498Es gebe 5 RRC-Zustände, unter anderem die Zustände CELL_FACH und CELL_DCH. Von Interesse seien nur drei Messungen, mit denen die Cell Identity übertragen werden könne: Messungen an im selben Frequenzbereich wie die serving cell übertragenden UMTS-Nachbarzellen (intra-frequency measurements); Messungen an in einem anderen Frequenzbereich als die serving cell übertragenden UMTS-Nachbarzellen (inter-frequency measurements) und Messungen an Nicht-UMTS Nachbarzellen (inter-system measurements).
499Mittels der „measurement control message“ könne eine Messung im UE initiiert werden (V3.4.0; Ziffer 8.4). Die entsprechenden Messergebnisse würden mittels des Informationselements „measured results“ übertragen, das Bestandteil der „measurement report message“ sei. Mit der measurement report message werde berichtet (V3.4.0, Ziffer 10.3.7.69, 10.2.17). Wenn hingegen die Nachbarzellmessung mittels der Systeminformationsblöcke 11 und 12 konfiguriert wurde (V3.4.0, Ziffer 8.4), würden in dem RCC-Zustand CELL_FACH die Messergebnisse der Nachbarzelle nicht in den measured results in einem Messbericht, sondern über den Transportkanal RACH übertragen (V3.4.0, Ziffer 8.4 – measurement report message sent to report uplink traffic volume; nur Informationen von netzgerichteten Datenverkehraufkommen). Nur die ersten vier Nachrichten (RRC Connection Request bis Cell Update) enthielten Informationen über die Nachbarzellen und zwar ausschließlich mittels des Informationselements Measured Results on RACH (V3.4.0; Ziffer 10.3.7.70). Hierbei handele es sich um ein inhaltlich verkürztes Informationselement angehängt an einer ohnehin an das Netz gesendeten Nachricht.
500Es würden daher zwei Arten von Messinformationen im CELL_FACH Zustand gesendet. Nach dem Übergang vom Zustand CELL_DCH in den Zustand CELL_FACH könnten Datenverkehrsvolumenmessungen fortgesetzt und initiiert werden. Bei diesen Messungen werde die Cell Identity weder verlangt noch gesendet. Diese Datenverkehrsvolumenmessungen würden in einem Measurement Report gesendet. Ferner würden Intrafrequenzmessungen vorgenommen, die angehängt an andere Nachrichten mittels des IE measured results on RACH gesendet würden. Die gemeldeten Messinformationen enthielten in keinem der beiden Fälle eine Cell Identity (vgl. V3.4.0, Privatgutachten Martin, S. 4 und 5 mit den dortigen Hinweisen auf V 3.4.0).
501An dieser Argumentation bestehen keine derart durchgreifenden Zweifel, die die Kammer zu dem Ergebnis kommen ließen, der Standard zeige ein Endgerät, dass eine eindeutige Zellenkennung erkenne, melde und anweise.
502Dies folgt zunächst nicht aus der Übertragung der „Reporting information for state CELL_DCH“ mittels der Systeminformationsblöcke 11 und 12, die nach dem Übergang zurück von CELL_FACH in den Zustand CELL_DCH übertragen wird (vgl. Abschnitte 10.3.7.41, 10.3.7.5; Privatgutachten Martin, S.6). Denn die hierin enthaltene Cell Identity wird nicht ohne weiteres als Inhalt der Cell reporting quantities übertragen. Um in dem Bericht enthalten zu sein, muss der Boolean Type auf TRUE gesetzt sein (vgl. Abschnitt 10.3.7.5). Der Fachmann erkennt anhand des Abschnitts 8.6.7.5 indes, dass ein TRUE im CELL_DCH Zustand wie ein FALSE behandelt wird („[…] - in CELL_DCH state:- treat the IE as if the IE „Cell Identity“ is set to FALSE.“). Daher wird die Cell Identity nicht gemeldet. Auch das Informationselement Measurement Validity (Abschnitt 10.3.7.36), das dem Mobilgerät anzeigt, für welche RRC-Zustände die Messkonfiguration maßgeblich sein soll, hat hier keine Auswirkung, weil die Messkonfiguration „alle Zustände“, „alle Zustände außer CELL_DCH“ nur einen Geltungsbereich für Verkehrsdatenaufkommensmessungen hat (Abschnitt 8.6.7.1). Somit enthält sie ebenfalls nicht die Cell Identity.
503Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus Abschnitt 9.3.2.7 des V3.4.0. Die Vorrangsaussage bezieht sich nur auf die Measurement Control message, die vor dem Wechsel in den Zustand CELL_FACH bereits im Zustand CELL_DCH empfangen wurde, bei der das Informationselement Measurement Validity auf all states oder all states except CELL_DCH gesetzt ist und die Konfiguration der Datenverkehrsvolumenmessung betrifft. Ihr gebührt danach Vorrang vor den Messungen in CELL_FACH, die durch die Systeminformationsblöcke 11 und 12 initiiert werden. Der Abschnitt regelt den für diesen Fall auftretenden Konflikt (Privatgutachten Martin, S. 4).
504Für die andere Lesart, nach der Abschnitt 9.3.2.7 zwingend zeige, dass die Ausführungen unter Abschnitt 8.4.1.7 nicht abschließend seien, lässt sich insbesondere dem Privatgutachten Carle (vgl. S. 6) kein konkretes Argument entnehmen. Sofern dort ausgeführt wird, die Abschnitte 8.4.1.7 bis 8.4.1.10 beschrieben nicht das Verhalten des Mobilgeräts für den Fall, dass im CELL_FACH Zustand Messaufträge mittels Nachrichten vom Typ „Measurement Control“ übertragen würden, sondern das Verhalten des Mobilgeräts, wenn nach Eingang eines Messauftrages ein Zustandsübergang stattfindet (Privatgutachten Carle, S. 6), wird ein entsprechendes Zitat für die erste Aussage (Übertragung von Messaufträgen vom Typ „Measurement Control“ im CELL_FACH Zustand) gerade nicht genannt. Dem steht indes der Vortrag gegenüber, dass im Sparzustand CELL_FACH weniger Messparameter und inhaltlich gekürzte Messberichte verwendet werden und die Nachbarzellmessungen so effizient wie möglich durchgeführt werden.
505Dass der Fachmann den Abschnitt 8.6.7.5 als eine Offenbarungsstelle für den Bericht einer eindeutigen Zellkennung versteht, vermag die Kammer nicht mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Es kann insoweit dahinstehen, ob die nachträgliche Änderung dieses Abschnitts durch den Change Request CR-702 Tdoc R2-101593 von Motorola gerade zeigt, dass der Fachmann diesen Passus von vorneherein für missverständlich gehalten hat. Die klagepatentgemäße Lehre muss unmittelbar und eindeutig offenbart sein. Daran bestehen hingegen durchgreifende Zweifel, wenn der Fachmann die Funktion eines Merkmals im Gesamtkontext der Offenbarung für nachteilig erachtet und deswegen ein solches Verständnis von vorneherein nicht zugrundelegt. Denn erkennbare Fehler wird der Fachmann in der Regel korrigieren (vgl. Benkard/Mellulis, 11. Aufl., § 3 PatG Rn. 182). Die Beklagten vermochten die Argumentation der Klägerin nicht derart zu erschüttern, dass die Kammer von einer Offenbarung des Merkmals 3.7 ausgeht.
506b)
507Die vorherigen Ausführungen gelten auch für die Version 3GPP TS 23.331 V3.4.1 (nachfolgend: V3.4.1).
508c)
509Auch die Version 3GPP TS 23.331 V3.3.0 (nachfolgend: V3.3.0.) offenbart die Merkmale 3.3 bis 3.7 des Anspruchs 6 nicht.
510aa)
511So ist nicht unmittelbar und eindeutig gezeigt, dass in CELL_DCH die Cell Identity von der UE erkannt wird. Zwar lassen sich die Verweisungen der Abschnitte 10.2.17, 10.3.7.69, 10.3.7.35 und 10.3.7.3 zunächst so verstehen, dass die Cell Identity als Bestandteil der Cell measured results Bestandteil des measurement reports ist (Merkmal 3.7). Indes hat die Klägerin vorgetragen, dass im CELL_DCH Zustand die UE nicht in der Lage ist, die Cell Identity zu erkennen. Diese werden nur in den Systeminformationsblöcken SIB 3 und SIB 4 übertragen (V3.3.0, S. 198/199), die jedoch im CELL_DCH Zustand nicht ausgelesen werden können (V3.3.0, Tabelle 8.1.1, S. 29-30).
512V3.3.0 zeigt also nicht, dass die eindeutige Zellkennungsinformation im CELL_DCH Zustand erkannt werden kann (Merkmal 3.6). Vor diesem Hintergrund erscheint die Meldung der Cell Identity als Bestandteil des Measurement Reports jedenfalls widersprüchlich. Auch wenn das Klagepatent sich nicht zu den einzelnen Zuständen verhält, soll die Zellenkennung, die erkannt wurde, im (direkten) Anschluss gemeldet werden.
513Dieses Verständnis wird durch den Änderungsvorschlag von NTT DoCoMo R2-001416 bestätigt, aus dem sich ebenfalls ergibt, dass die Zellidentität nur im Systeminformationsblock Typ 3 und 4 vorhanden ist, welche nicht gelesen werden können, falls das UE sich im CELL_DCH Zustand befindet und das UE eine potentiell ungültige Zellidentität nach dem Wechsel in den CELL_DCH Zustand meldet. Selbst wenn man den Änderungsvorschlag zusammen mit der V 3.3.0 als ein Dokument ansähe – was zweifelhaft ist –, geht hieraus nur hervor, dass es gerade eines zusätzlichen Informationselementes mit der Cell Identity vor dem Hintergrund des V 3.3.0 bedurft hätte. Eine unmittelbare und offenkundige Gesamtoffenbarung der klagepatentgemäßen Lehre erkennt der Fachmann hierin nicht, sondern wiederum nur das Aufzeigen eines Fehlers, der gegebenenfalls zu einer Anpassung führen kann.
514Schließlich folgt auch nichts anderes aus der Spezifikation TS 134 123-1 V3.3.0 für die UMTS-Konformitätstests für mobile Endgeräte. Zum einen spricht bereits der Umstand, dass es sich um ein anderes Dokument handelt, gegen eine unmittelbare und eindeutige Gesamtoffenbarung. Zum anderen ergibt sich aus der Spezifikation ebenfalls nicht, dass die Cell Identity – auch wenn sie Bestandteil des Measurement Reports ist – im CELL_DCH Zustand vom UE erkannt werden kann, obwohl sie sich in den Systeminformationsblöcken SIB 3 und 4 befindet, die in diesem Zustand nicht gelesen werden können.
515bb)
516Ferner offenbart die Version V3.3.0 auch nicht, dass die Cell Indentity nach dem Übergang vom Zustand vom CELL_FACH in den Zustand CELL_DCH übertragen wird. Im Unterschied zur Version V3.4.0 findet sich hier der Abschnitt 8.6.7.5 nicht. Gleichwohl offenbart Abschnitt 10.3.7.5 dem Fachmann nicht eindeutig und unmittelbar, dass nach dem Zustandswechsel in CELL_DCH die Anweisung besteht, die Cell Identity zu berichten. Dem Hinweis, dass der Boolean Typ auf TRUE gesetzt werden muss, um in dem Messbericht enthalten zu sein, mag der Fachmann allenfalls diese Möglichkeit entnehmen. Diese wird der Fachmann indes nicht wählen, weil er weiß, dass die Cell Identity im CELL_FACH nicht benötigt wird. Permanent antizipierte Messungen in einem Zustand, der energiesparend sein soll, sind nicht notwendig. Es bedarf dort ihrer nicht im gleichen Umfang für ein Handover wie im CELL_DCH Zustand, in dem wie ausgeführt die Cell Identity auch nicht der Basisstation gemeldet wird. Daher würde der Bericht veraltete und gegebenenfalls ungültige Messergebnisse beinhalten. Insofern sieht der Fachmann keine Notwendigkeit für die Anweisung und wird den Boolean Type auf FALSE setzen.
517d)
518Die Ausführungen zu den Versionen V3.3.0, V3.4.0 und V3.4.1 gelten ebenfalls für Anspruch 16, so dass die Merkmale 4.4.1 und 4.4.2 nicht offenbart sind.
519e)
520Das Klagepatent ist gegenüber der Entgegenhaltung „Wang“ (Masterarbeit vom 16.06.2003, neu.
521Wang befasst sich mit einem Handover Mechanismus in einem heterogenen Netz, das z.B. aus einer Kombination von Weitverkehrsfunknetzen (GPRS oder 3G) und lokalen Drahtlosnetzwerken (WLAN) besteht. Der Entgegenhaltung mangelt es an der Offenbarung einer nichteindeutigen Zellenkennung. Im Rahmen der Erstellung einer externen Ressourcenkarte wird ein Präfixcode/BS-ID Nummer einer benachbarten BS übertragen und analysiert, ob es sich um ein bekanntes IP-Präfix handelt (Anlage ROKH-ES 16a, S. 18, Schritte 2 und 3). In der mündlichen Verhandlung haben die Beklagten insoweit ausgeführt, dass es sich bei dem Präfixcode, den ersten beiden gelben Spalten der Tabelle 1 in der Anlage ROKH-ES 16a, um die nichteindeutige Zellenkennung handele, das Netzwerk IP-Präfix in der orangen Spalte demgegenüber die eindeutige Zellenkennung darstelle. Ferner sei in der Tabelle 12 auf S. 58 ein geschlossenes System definiert, das nur 28 Zellen zeige, die wiederum alle ein anderes Network-IP-Präfix aufwiesen. Dem kann die Kammer nicht beitreten, denn neben dem eindeutigen Network-IP-Präfix zeigt diese Tabelle auch jeweils einen eindeutigen Präfixcode/BS-ID-Nummer: Diese die Network ID und Cell serial number enthaltenen Präfixcodes/BS-ID Nummern haben die Aufteilung WWAN BS 1-8 und WLAN 1 AP 1-20. Keine der Präfixcodes/ID-Nummern wiederholt sich. Dieser gezeigte Beacon-Code offenbart daher keine nichteindeutige Zellenkennung.
522f)
523Die Entgegenhaltung WO 02/43430 (nachfolgend: Jansson) nimmt die klagepatentgemäße Lehre der Ansprüche 6 und 16 ebenfalls nicht neuheitsschädlich vorweg.
524Eine eindeutige Zellenkennung ist in Form der zweiten BSIC Zellenkennung nicht offenbart. Die zweite BSIC stellt keine eindeutige Kennung im Sinne des Klagepatents dar. Sie erscheint in Anbetracht der überschaubaren Auswahl an möglichen BSIC (Basisstationsidentifikationscodes) – 64 an der Zahl – nur lokal als eindeutig, wobei die Lehre des Klagepatents eine im gesamten Netz eindeutige Kennung fordert. Sofern die Beklagte hier auf den zweiten Broadcast-Kontrollkanal und der dort gesendeten zweiten BSIC verweist, bleibt diese Art der Eindeutigkeit hinter der Lehre des Klagepatents zurück. Wird im Messbericht lediglich die zweite BSIC übertragen, ist diese Kennung als 6-Bit-Wert nach dem Klagepatent gerade nicht eindeutig. Nach Jansson ist es nicht ausgeschlossen, dass die zweite BSIC in anderen lokalen Bereichen des Netzes wiederverwendet wird. Verwirrende Messberichte durch eine Doppelnutzung scheinen nur deswegen ausgeschlossen zu sein, weil durch den BSC und MSC vor der Vergabe der BSIC geklärt wurde, dass er in keiner weiteren Nachbarzelle bereits Verwendung findet. Nach der Lehre des Klagepatents ist die eindeutige Zellenkennung aber so ausgestaltet, dass Verwechselungen mit jeglichen Zellen im Netz vermieden werden. Die globale Eindeutigkeit bezieht sich auf das Netz. Unerheblich ist, aus wie vielen Werten die eindeutige Zellenkennung besteht, solange diese Werte im Netz eine unverwechselbare Zuordnung ermöglichen.
525g)
526Das Klagepatent ist auch gegenüber der Entgegenhaltung WO 99/17571 (nachfolgend Olofsson) neu.
527Es fehlt an einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung, dass sowohl die eindeutige als auch nicht die nichteindeutige Zellenkennung erkannt werden (Merkmale 3.3 und 3.6 des Anspruchs 6, Merkmale 4.2, 4.4 und 4.4.2 des Anspruchs 16). Olofsson präsentiert in Abgrenzung zum Stand der Technik, bei dem eine nichteindeutige Kennung eingesetzt wird, den Einsatz einer eindeutigen Kennung. Die Darstellung der nichteindeutigen Kennung wie des aus BCC und NCC zusammensetzten BSIC bezieht sich auf den Stand der Technik („conventional measurements“ (Z.5); „The principal way in which base station identification has been attempted in the past is […]“; „Thus, for system wide algorithm development, neither of these techniques for identifying a base station are sufficiently reliable to ensure unique identifications […]“. Demgegenüber zeigt Figur 4 in Olofsson eine Lösung, in der nur eine eindeutige Kennung offenbart ist. Hier ist ein kombiniertes Erkennen von eindeutiger und nichteindeutiger Zellkennung nicht gezeigt. Die Kombination wird vom Fachmann auch nicht mitgelesen. Weitere Überlegungen, wie z.B. ein erhöhter Ressourcenverbrauch, der eine kombinierte Erkennung fordern könnte, die der Fachmann zusätzlich anstellen müsste, sprechen dagegen.
5282.
529Die klagepatentgemäße Lehre ist zudem im Stand der Technik nicht nahe gelegt.
530Der Standard 3 GPP TS 36.300 V0.5.0 (2007-02) zeigt bereits nicht das Empfangen einer Anweisung und das Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennung (Merkmale 3.5, 3.7 des Anspruchs 6, Merkmal 4.4.1 des Anspruchs 16).
531Eine Kombination mit der Entgegenhaltung X zeigt mangels Offenbarung der Anweisung die klagepatentgemäße Erfindung nicht. Es erscheint der Kammer zweifelhaft, ob das Erkennen einer etwaig gezeigten Cell Identity nach einer Anweisung erfolgt und nicht bereits davor bzw. beide (eindeutig und nichteindeutigen) Kennungen gemeldet werden.
532In der Entgegenhaltung Meeting Report RigaTSGR#54(11) R3-070322 ist nicht ersichtlich, dass die Cell/Identities zwingend in den DSR-Meldungen enthalten sind, so dass eine vorherige Anweisung und Meldung ebenfalls nicht gezeigt sind. Eine Kombination zeigt daher nicht alle klagepatentgemäßen Merkmale.
533Mangels näherer Ausführungen ist die klagepatentgemäße Lehre auch nicht durch die Kombination mit den Entgegenhaltungen X, X, X und X nahe gelegt.
5343.
535Das Klagepatent ist nicht unzulässig erweitert.
536a)
537Indem das mobile Endgerät als Ganzes in der Figur 2 und deren Beschreibung in den Anmeldeunterlagen offenbart ist, erkennt der Fachmann auch, dass die Mittel zum Kommunizieren, Erkennen und Bestimmen etc. gezeigt sind.
538b)
539Es ist nicht ersichtlich, dass der Zusatz des Erkennens und Meldens der nichteindeutigen Zellenkennung den Gegenstand des Klagepatents gegenüber der Patentanmeldung unzulässig erweitert. Bei der streitgegenständlichen Erfindung geht es in erster Linie um die Identifizierung der Nachbarzelle über die eindeutige Zellenkennung. Aus den Anmeldeunterlagen ergibt sich, dass die nichteindeutige Zellenkennung mit den Messinformationen der Betriebsparameter verknüpft ist (WO 2008/104196, nachfolgend: WO 196). Es ergibt sich aber ebenfalls, dass ein gemessener Betriebsparameter typischerweise ein physikalischer Übertragungscodes wie beispielsweise ein Verwürfelungscode, der einer Zelle nicht eindeutig zugeordnet ist, sein kann (WO 196, S 2, 2. Abs.). Damit zeigen die Anmeldeunterlagen, dass es sich bei der nichteindeutigen Zellenkennung um einen Betriebsparameter handelt, der erkannt und gemeldet wird. Indem der Anspruch die nichteindeutige Kennung als einen spezifischen Betriebsparameter herausgreift, wird der Anspruch nicht erweitert. Das Klagepatent hat den eben aufgeführten Passus ebenso wie das Ausführungsbeispiel in Absatz [0023] in seine Beschreibung übernommen. Der erteilte Anspruch geht insofern nicht über die Anmeldeunterlagen hinaus, weil das Erkennen und Melden der nichteindeutigen Kennung das Erkennen und Melden einer Parameterinformation darstellt.
540Aus diesem Grund ist auch das Bestimmen der Notwendigkeit eindeutiger Zellenkennungsinformationen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen in den Anmeldeunterlagen offenbart.
541c)
542Es ist nicht nachvollziehbar, wieso durch die Änderung der Reihenfolge die Bedeutung des beanspruchten Gegenstandes geändert werden soll. Es erscheint vielmehr so, dass die Reihenfolge aus den Figuren in den Anmeldeunterlagen gerade in der erteilten Fassung eingehalten wird.
5434)
544Die Kammer hält es nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass das Klagepatent mangels Ausführbarkeit widerrufen wird. Die Einwände werfen Auslegungsfragen bezüglicher einzelner Merkmale bzw. des Begriffs der eindeutigen Zellkennung, des Bestimmens aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen und der Definition von Nachbarzellenliste und Handover-Kandidatenliste auf. Der Fachmann wird die Begriffe jedoch mit Hilfe seiner Fachkenntnis auslegen und ihren technischen Sinngehalt umsetzen können.
5455)
546Die weiteren Angriffe sind mangels schriftsätzlicher Behandlung im Verletzungsverfahren von den Parteien selbst zu Recht nicht als eine Aussetzungsentscheidung tragend angesehen worden.
547IX.
548Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 Nr. 2, 101 Abs. 1 ZPO.
549Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit basiert auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO. Unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erachtet es die Kammer als ausreichend, die Sicherheitsleistung in tenorierter Höhe festzusetzen. Grundsätzlich gilt, dass die Vollstreckungsschäden – und damit die Sicherheitsleistung – dem Streitwert entsprechen. Eine höhere Sicherheitsleistung kann allenfalls dann seitens der Kammer angeordnet werden, wenn die Beklagte konkrete Anhaltspunkte dafür präsentiert, dass eine in Höhe des Streitwerts festgesetzte Sicherheit den drohenden Vollstreckungsschaden nicht vollständig abdecken wird (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2012, 304 ff – Höhe des Vollstreckungsschadens). Der pauschale Vortrag, die Auskunft offenbare Betriebsgeheimnisse der Beklagten, die einen präzisen Einblick in die Kostenstruktur zuließe, bietet keine Grundlage für die Festsetzung einer höheren Sicherheitsleistung. Vielmehr stellt sie die typische Folge des Auskunftsanspruchs dar. Auch ein etwaiges mangelndes wirtschaftliches Interesse ist in diesem Zusammenhang nicht von Belang.
550Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
551ursprünglich: 2.000.000,00 EUR
552ab dem 23.05.2014 (Teilklagerücknahme): 1.600.000,00 EUR
553Die Streitwertfestsetzung auf 2.000.000,00 EUR beruht darauf, dass mit der Klage neben den mobilen Endgeräten auch Basisstationen angegriffen werden.
Tenor
I.
Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 13. Dezember 2013,
1. (nur die Beklagte zu 2.) mobile Endgeräte zur Verwendung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
wobei das Endgerät Mittel zum Ausführen der Schritte des folgenden Verfahrens umfasst:
Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt; Bestimmen mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle; Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle; Melden von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle und Melden der erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Erkennen eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung; und Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
2. drahtlose Telekommunikationsnetze in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
die eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definieren, wobei das Netz Netzressourcen umfasst, die betreibbar sind zum Kommunizieren mit einem in einer ersten Kommunikationszelle betriebenen mobilen Endgerät; Empfangen nichteindeutiger Kennungsinformationen und Parameterinformationen bezüglich mindestens eines Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät; Definieren einer Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät, wobei die Nachbarzellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält; Bestimmen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen, ob eindeutige Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle erforderlich sind, und wenn solche eindeutigen Kennungsinformationen erforderlich sind, Übertragen einer Anweisung an das mobile Endgerät; Empfangen eindeutiger Zellenkennungsinformationen bezüglich der zweiten Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät; und Definieren einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät, wobei die für das Handover infrage kommende Zellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält;
wobei die Auskunft in Form einer geordneten Aufstellung gegenüber der Klägerin zu erfolgen hat, und zwar, soweit zutreffend, unter Angabe
a)
der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, aufgeschlüsselt nach der jeweiligen Menge, Zeiten, Preisen, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer;
c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Suchmaschinen und anderer Marketingwerkzeuge, mit Hilfe derer die betroffenen Webseiten einzeln oder gemeinsam registriert wurden, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;
e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Beklagten die Richtigkeit ihrer Angaben nach a) und b) belegen müssen, indem sie Belegkopien wie Rechnungen hilfsweise Lieferscheine vorlegen;
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer, der in der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist, mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die der A durch die vom 13.12.2013 bis zum 26.02.2014 und der Klägerin durch die seit dem 27.02.2014 begangenen, unter Ziffer I. (Beklagte zu 1) nur Ziffer I.2) bezeichneten Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden.
III.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin zu 40%, die Beklagte zu 1) zu 20% und die Beklagte zu 2) zu 40% zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Klägerin zu 60%, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt die Klägerin zu 20%. Die Kosten der Streithilfe haben die Beklagte zu 1) zu 25% und die Beklagte zu 2) zu 50% zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
V.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 1.200.000,00 vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagten und die Streithelferin ist das Urteil vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP B (Anlagen C ES1, C ES1a; im Folgenden: Klagepatent) auf Auskunft, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
3Das Klagepatent wurde von der Streithelferin am 28.02.2007 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 18.11.2009 veröffentlicht. Am 13.11.2013 erfolgte die Veröffentlichung und Bekanntmachung seiner Erteilung. Am 13.08.2014 legten unter anderem die Beklagten Einspruch gegen die Erteilung des Klagepatents beim Europäischen Patentamt ein, über den bislang noch nicht entschieden ist. Das Klagepatent steht in Kraft.
4Das in englischer Sprache erteilte Klagepatent betrifft die Selbstkonfiguration und Optimierung von Zellennachbarn in drahtlosen Telekommunikationsnetzen. Die geschützte Technik dient zur Vereinfachung der Architekturverwaltung und beschäftigt sich mit der Identifizierung von Funkzellen, die für einen reibungslosen Weiterleitungsvorgang (sog. handover) der Mobilfunkverbindung zwischen Nachbarzellen des Telekommunikationsnetzes notwendig ist.
5Die Klägerin stützt den Verletzungsvorwurf auf eine Kombination der Klagepatentansprüche 1 und 6 und den Anspruch 16.
6Anspruch 1 des Klagepatents lautet:
7„A method for operating a mobile terminal in a wireless telecommunication system which defines a plurality of communications cells, the method comprising:
8Communication with a radio base station which serves a first communication cell;
9determining (101) at least one operating parameter for a second communications cell;
10detecting non-unique identifier information for the second communications cell;
11reporting (103) parameter information relating to the or each operating parameter for the second communications cell and reporting the detected non-unique identifier information to the radio base station of the first communications cell,
12wherein the method further comprises:
13receiving (113) an instruction from the radio base station of the first communications cell;
14detecting (115) unique cell identifier information for the second communications cell Z on recC t of the instruction; and
15reporting (117) the detected unique cell identifier information for the second communications cell to the radio base station of the first communications cell.”
16Anspruch 1 des Klagepatents lautet in deutscher Übersetzung:
17„Verfahren zum Betreiben eines mobilen Endgeräts in einem drahtlosen Telekommunikationssystem, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, wobei das Verfahren Folgendes umfasst:
18Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt;
19Bestimmen (101) mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle;
20Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle;
21Melden (103) von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle und Melden der erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle,
22wobei das Verfahren weiterhin Folgendes umfasst:
23Empfangen (113) einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
24Erkennen (115) eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung; und
25Melden (117) der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle.“
26Anspruch 6 des Klagepatents lautet:
27„ A mobile terminal (4) for use in a wireless telecommunications system which defines a plurality of communications cells, the terminal comprising means for carrying out the steps of a method as claimed in any one of the preceding claims.”
28Anspruch 6 des Klagepatents lautet in deutscher Übersetzung:
29„Mobiles Endgerät (4) zur Verwendung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, wobei das Endgerät Mittel zum Ausführen der Schritte eines Verfahrens nach einem beliebigen der vorhergehenden Ansprüche umfasst.“
30Anspruch 16 des Klagepatents lautet:
31„A wireless telecommunications network defines a plurality of communications cells, the network comprising network resources operable to:
32communicate with a mobile terminal operating in a first communications cell;
33receive (107) non-unique identifier information and parameter information relating to at least one operating parameter for the second communications cell from the mobile terminal;
34define (109) a neighbor cell list for the mobile terminal, the neighbor celllist including the second communications cell;
35determine (111) from the non-unique identifier information, whether unique cell identity information, whether unique cell indentity information is required for the second communications; and, if such unique identity information is required:
36transmit (111) an instruction to the mobile terminal;
37receive (119) unique cell identifier information relation to the second communications cell from the mobile terminal; and
38define (121) a handover candidate cell list for the mobile terminal, the handover candidate cell list including the second communications cell.”
39Anspruch 16 des Klagepatents lautet in deutscher Übersetzung:
40„Drahtloses Telekommunikationsnetz, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, wobei das Netz Netzressourcen umfasst, die betreibbar sind zum:
41Kommunizieren mit einem in einer ersten Kommunikationszelle betriebenen mobilen Endgerät;
42Empfangen (107) nichteindeutiger Kennungsinformationen und Parameterinformationen bezüglich mindestens eines Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät;
43Definieren (109) einer Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät, wobei die Nachbarzellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält;
44Bestimmen (111) aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen, ob eindeutige Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle erforderlich sind, und wenn solche eindeutigen Kennungsinformationen erforderlich sind:
45Übertragen (111) einer Anweisung an das mobile Endgerät;
46Empfangen (119) eindeutiger Zellenkennungsinformationen bezüglich der zweiten Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät; und
47Definieren (121) einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät, wobei die für das Handover infrage kommende Zellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält.“
48Die Streithelferin besitzt eines der stärksten Portfolios essentieller Patente in der Telekommunikationsindustrie. Am 10.01.2013 schloss sie mit der D („E Sub“), der E („Z “), deren Tochtergesellschaften F („Z Sub1“) und G Manager LLC („Z Sub 2“) sowie der A („R “) das sogenannte Master Sales Agreement („MSA“), das die weitere Verwertung eines Teils ihrer Patente zum Gegenstand hat. Betroffen war ein Patentportfolio, das über 2000 Patente umfasste. Hinsichtlich der Regelungen des MSA im Einzelnen wird auf den in Auszügen von den Parteien zur Akte gereichten Vertragstext Bezug genommen.
49Bei der Streithelferin handelt es sich um eine Gesellschaft, die nach schwedischem Recht gegründet wurde. Die E Sub, Z , Z Sub 1 und Z Sub 2 sind sämtlich Gesellschaften, die nach dem Recht des Staates Delaware gegründet wurden. Die R wurde nach dem Recht des Staates Nevada gegründet. Die Klägerin wurde nach irischem Recht gegründet. Sie gehört zur H GrZ pe und ist mit der Verwaltung und Lizensierung von Patenten befasst. Sie ist dem MSA nachträglich beigetreten.
50Im MSA findet sich in Ziffer 6.14 unter anderem die Regelung, dass die R die FRAND-Verpflichtung der Streithelferin übernimmt und innerhalb einer angemessenen Frist nach Abschluss des Vertrages gegenüber der ETSI eine eigene FRAND-Erklärung abgeben wird. Dieser Verpflichtung ist die R durch Erklärung vom 14.06.2013 nachgekommen. In einer weiteren Vereinbarung vom 13.02.2013 (Patent Sale and Grant-Back Licence Agreement – „PSA“) findet sich in Klausel 5.4 die Verpflichtung der R , bei einer Übertragung von Patenten auf Dritte sicherzustellen, dass die FRAND-Verpflichtung übernommen wird. Dies wurde bei der Übertragung des Klagepatents auf die Klägerin umgesetzt und die Klägerin gab am 6.3.2014 gegenüber der ETSI eine eigene FRAND-Verpflichtungserklärung ab.
51In Umsetzung des MSA schlossen dessen Vertragsparteien in der Folgezeit drei Übertragungsverträge, deren Wirksamkeit zwischen den Parteien im Streit steht. Die Klägerin bietet öffentlich die Lizensierung der übertragenen Patente zu einheitlichen Konditionen an („License Proposal“). Hierin ist unter anderem eine Lizenzgebühr von 0,75 USD pro Mobilfunkendgerät vorgesehen. Die Beklagten unterbreiteten der Klägerin ein Gegenangebot. Zu dem Abschluss eines Lizenzvertrages mit der Klägerin kam es nicht.
52Die Beklagten gehören zur I -GrZ pe, die sowohl im Bereich der Infrastruktur als auch im Bereich der Mobilfunkendgeräte im Markt für Telekommunikationsnetzwerke tätig ist. Zu ihrem Produktsortiment gehören unter anderem Basisstationen (sog. eNodeBs oder eNB) für den Aus- und Aufbau von Long Term Evolution (LTE)-Netzwerken bzw. sog. 4G-Netzwerken (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform I) und LTE-fähige Mobilgeräte (sog. UEs; nachfolgend: angegriffene Ausführungsform II).
53Die Architektur der LTE-Netzwerke ebenso wie die LTE-Fähigkeit der Mobilgeräte ist standardisiert. Daher kommunizieren die eNBs mit den LTE-Mobilgeräten über Funksignale nach den LTE-Standards. Die streitgegenständliche Technik wird in dem Telekommunikationsstandard 3GPP TS 36.300 Version 8.9.0 (nachfolgend LTE-Standard I), dem Telekommunikationsstandard 3GPP TS 36.331 Version 8.7.0 (nachfolgend LTE-Standard II) und dem Dokument 3GPP TS 36.523-1 Version 12.3.0 (nachfolgend LTE Standard III) behandelt. Die früheste Version des LTE-Standard I, welche sich mit der streitgegenständlichen Technik befasst, ist die Version 8.5.0, die im Juni 2008 veröffentlicht wurde. Bei der frühesten Version des LTE-Standards II, welche die streitgegenständliche Technik betrifft, handelt es sich um die Version 8.3.0, deren Veröffentlichung im September 2008 erfolgte. Die definierten und standardisierten Konformitätstests im LTE-Standard III sind gültig für alle Endgeräte, die 3GPP Releases ab Release 8 umsetzen.
54Der LTE-Standard beschreibt unter anderem den hier streitgegenständlichen Betrieb der automatischen Nachbarbeziehungen (Automatic Neighbour Relation Function = sog. ANR-Funktion). Hierbei handelt es sich um eine einseitige Beziehung zwischen der Ausgangs- bzw. Versorgungszelle (serving cell) und einem oder mehreren Zielzellen. Diese Zielzellen stellen Nachbarzellen dar, die Signale übermitteln, die vom LTE-Mobilgerät empfangen werden können.
55Die Beklagte zu 2) bietet die angegriffene Ausführungsform II in Deutschland an und bringt sie in Verkehr. Die Beklagte zu 1) stellt die angegriffene Ausführungsform I her.
56Geschwärzt und gelöscht
57Die Klägerin behauptet, die Streithelferin habe durch Übertragungsvertrag vom 11.02.2013 (nachfolgend ÜV I) einen Teil ihres Patentportfolios – darunter das Klagepatent bzw. die diesem vorausgegangene Patentanmeldung – auf die D übertragen. Der Vertrag sei auf Seiten der Streithelferin von den Damen J und K , auf Seiten der D von Herrn X für die AB II unterschrieben worden. Sämtliche Personen seien vertretungsbefugt gewesen. Für die Damen J und K ergebe sich dies aus der Registrierungsurkunde der Streithelferin. Die AB II sei ausweislich des L of D die Geschäftsführerin der D gewesen. Diese wiederum habe Herrn X zur Vertretung bevollmächtigt. Die Vollmacht sei von Frau J und Herrn M unterzeichnet worden. Beide seien ausweislich der Registrierungsurkunde der AB II Mitglieder des Vorstandes und gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt. Die Vertretungsregelungen seien nach schwedischem Recht wirksam. Hierzu verweist die Klägerin auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten der Rechtsanwälte N . Einer besonderen Form habe der Vertrag nicht bedurft. Im Übrigen sei die Schriftform aber auch gewahrt.
58Am 13.02.2013 habe die D die von der Streithelferin erlangten Patente – darunter das Klagepatent bzw. die diesem vorausgegangene Patentanmeldung – auf die R weiter übertragen (nachfolgend ÜV II). Der Vertrag sei auf Seiten der D von Herrn X unterzeichnet worden, der aus den vorgenannten Gründen Vertretungsmacht für die AB II , diese wiederum für die D gehabt habe. Für die R habe den Übertragungsvertrag Herr O unterzeichnet. Dieser sei CEO der Z . Das ergebe sich aus Pressemitteilungen und Proxy Statements. Die Z wiederum sei Geschäftsführerin der Q . Diese sei gemeinsam mit der P Gesellschafterin der R , nachdem die Q durch das Interest Assignment Agreement vom 10.01.2013 die Anteile der Z an der R übernommen habe. Das Interest Assignment Agreement habe auf beiden Seiten Herr O unterzeichnet. Seine Vertretungsbefugnis ergebe sich aus seiner Position als CEO der Z . Die Geschäftsführung der R sei durch das UU vom 13.02.2013 auf die Q übertragen worden. Auch diese Vereinbarung habe Herr O auf beiden Seiten unterzeichnet, wobei er als CEO der Z über die erforderliche Vertretungsmacht verfügt habe. Die dargestellten Vertretungsregelungen seien nach dem Recht des Staates Delaware sämtlich zulässig. Die Klägerin verweist insofern auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten des Herrn Professor S . Auch im Übrigen begegne der Übertragungsvertrag nach dem Recht des Staates Delaware keinen Bedenken. Infolge dieses Vertrages habe die R am 03.09.2013 die Änderung des Patentregisters beantragt, die – insoweit unstreitig – am 24.10.2013 antragsgemäß erfolgt sei.
59Am 27.02.2014 habe die R die Patente – darunter das Klagepatent – auf die Klägerin weiter übertragen (nachfolgend: ÜV III). Die Vereinbarung sei auf Seiten der R von Herrn T , auf Seiten der Klägerin von Herrn U unterzeichnet worden. Herr T sei CFO der Z und durch das UU vom 13.02.2013 bevollmächtigt worden, die R bei der Ausführung des MSA zu vertreten. Im Übrigen ergebe sich die Vertretungsbefugnis des Herrn T für die R auch aus einem Board Meeting der Z vom 10.01.2013. Herr U sei im Rahmen des Board Meetings der Klägerin am 27.02.2014 zum Managing Director ernannt worden und als solcher zur Vertretung der Klägerin befugt. Die dargestellten Vertretungsregelungen seien nach dem Recht des Staates Nevada zulässig. Dies werde durch das von ihr eingeholte Privatgutachten der Kanzlei V bestätigt. Auch im Übrigen begegne der ÜV III nach dem Recht des Staates Nevada keinen Bedenken. Die Klägerin habe am 07.03.2014 die Änderung des Patentregisters beantragt, die – insoweit unstreitig – am 03.07.2014 erfolgt sei.
60Die Klägerin ist weiter der Ansicht, die Beklagten seien passiv legitimiert. Von der Internetseite der Beklagten zu 2) X gelange man über die Reiter „Geschäftskunden“ und „Telekommunikationssysteme“ auf die englisch-sprachige Internetseite der Beklagten zu 1) W , wo man wiederum über den Reiter „Product“ durch Klick auf den Standard „LTE“ zu den Angeboten der eNBs gelange (Anlage C ES9). So würden ausdrücklich die eNodeBs als Produkte aufgezählt. Die Beklagten sprächen auf ihren Internetseiten stets in der „Wir“-Form. Es handele sich daher um ein einheitliches Angebot der angegriffenen Ausführungsform I. Auch nach der Umgestaltung der Internetseite der Beklagten zu 2) könne der Nutzer nach „eNodeB“ suchen, wobei er über den Hauptbegriff „Other“ die Suchergebnisse „eNodeB“, „Stackable eNodeB“ und „LTE eNodeB“ erhalte. Nach Anklicken des Ergebnisses „eNodeB“ gelange man auf eine Seite der Beklagten zu 1), auf welcher die eNodeBs umfangreich und auch mit ausdrücklichem bildlichen Hinweis auf die Verwendbarkeit für den LTE-Standard beworben würden.
61Die Klägerin sieht im Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents. Hierzu behauptet sie, dass die angegriffenen Ausführungsformen den Vorgaben des LTE-Standards entsprechen würden.
62Das Klagepatent erfasse mit der Übertragung einer nichteindeutigen Zellenkennungsinformation auch ein Versenden von einzelnen Signalen, die erst zusammengesetzt einen „Sinn“ ergeben würden. So weise das Klagepatent bereits in der Beschreibung für die eindeutige Zellenkennung – wobei hieraus eine Auslegung für beide Verfahrensschritte entnommen werden könne – darauf hin, dass das mobile Endgerät diese Information empfange und dekodiere. Vorher werde die eindeutige Zellenkennung übertragen. Für den Fachmann sei der Dekodierungsvorgang eine Selbstverständlichkeit mit der Folge, dass sodann auch das an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle übertragen werde, was das mobile Endgerät erkannt/entdeckt habe. Gleiches gelte auch für die nichteindeutigen Zelleninformationen.
63Der Klagepatentanspruch biete keinen Anhalt dafür, dass das mobile Endgerät alle Betriebsparameter, die bestimmt werden, auch an das Netz zu melden habe. Sofern bestimmte Betriebsparameter primär zur Nutzung für das mobile Endgerät bestimmt seien, seien diese daher nicht zwangsläufig zu melden.
64Die ANR-Funktion als solche sei im LTE-Standard zwingend vorgesehen. Dies ergebe sich abgesehen von der eindeutig definierten Wortwahl im Standard zusätzlich durch „Feature Group Indicators“, die zwingende LTE-Funktionen listeten und die ANR-Funktion enthielten. Insbesondere der relevante FGI 17 sei bei einer angegriffenen Ausführungsform – dem I Galaxy S5 – positiv getestet und nachgewiesen worden.
65Ein drahtloses Telekommunikationsnetz werde bereits durch den Zusammenschluss von mindestens zwei eNBs bereitgestellt, der Mobilgeräte bedürfe es nicht. Dies folge insbesondere aus dem Umstand, dass eine Basisstation mit einer anderen über eine Transportverbindung kommunizieren könne. Ein E-Utran umfasse ausschließlich den Zusammenschluss von Funkbasisstationen unter Ausschluss der mobilen Endgeräte.
66Dem Klagepatent lasse sich nicht entnehmen, dass es sich bei der Nachbarzellenliste und der Handover-Zellenliste zwingend um zwei verschiedene Listen handeln müsse, jedenfalls sei kein zeitlicher Zusammenhang zwischen ihrem Definieren ersichtlich.
67Der LTE-Standard zeige zwei Listen. Die linken zwei Spalten der Neighbour Relation Table (NRT) zeige die Nachbarzellenliste, die rechten drei Spalten zeigten die Handover-Zellenliste. Daneben zeige auch die Abspeicherung der besten Zellnachbarn das Definieren einer Nachbarzellenliste. Sobald das mobile Endgerät die ECGI an die eNB berichtet habe, werde diese Zelle von der Serving Cell eNB ihrer NRT hinzugefügt. Sodann stehe die Zelle als Handover-Kandidat zur Verfügung. Es handele sich schon aufgrund dessen um eine für das Handover infrage kommende Liste.
68Die Nachbarzellenliste wie auch die Handover-Zellenliste seien relevant für die zuverlässige Gewährleistung eines Handovers. Dieser Zweck sei für jedes einzelne mobile Endgerät relevant, das von der Zelle bedient werde. Der Formulierung „für das mobile Endgerät“ sei keine negative Beschränkung zu entnehmen. Die NRT sei zwar netzseitig vorgehalten, jedoch für jedes mobile Endgerät, das von dieser eNB versorgt werde, relevant.
69Die Klägerin hat ursprünglich die Urteilsveröffentlichung verlangt und ihren Auskunftsanspruch auch auf die Verletzung des in den Ansprüchen 1 und 12 geschützten Verfahrens gestützt. Nach Rücknahme dieser Anträge beantragt sie nunmehr,
70I.
71die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 13. Dezember 2013
721.
73mobile Endgeräte zur Verwendung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem, das eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definiert, in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
74wobei das Endgerät Mittel zum Ausführen der Schritte des folgenden Verfahrens umfasst:
75Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt; Bestimmen mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle; Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle; Melden von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle und Melden der erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Erkennen eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung; und Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
76insbesondere wenn der mindestens eine Betriebsparameter einen Codierungscode, eine Signalstärkemessung, eine Signalgütemessung und/oder Taktinformationen umfasst;
77und/oder wenn das Verfahren ferner das Empfangen einer Liste von Kommunikationszellen von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle, wobei die Liste die zweite Kommunikationszelle und eine Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen enthält, umfasst;
78und/oder wenn die zweite Kommunikationszelle der ersten Kommunikationszelle benachbart ist;
79insbesondere wenn das mobile Endgerät eine Steuerung zum Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt, umfasst, wobei die Steuerung betreibbar ist zum Bestimmen mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle; Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle; Melden von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle und Melden der nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle, wenn die erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen nicht in einer Nachbarzellenmenge der ersten Kommunikationszelle enthalten sind; Erkennen von eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung, und Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
80und/oder wenn der mindestens eine Betriebsparameter einen Verwürfelungscode, eine Signalstärkemessung, eine Signalgütemessung und/oder Taktinformationen umfasst;
81und/oder wenn die Steuerung zum Empfangen einer Liste von Kommunikationszellen von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle betreibbar ist, wobei die Liste die zweite Kommunikationszelle und eine Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen enthält;
82und/oder wenn die zweite Kommunikationszelle der ersten Kommunikationszelle benachbart ist;
83und/oder wenn, die Steuerung betreibbar ist zum Erkennen nichteindeutiger Zellenkennungsinformationen für eine Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen; Melden von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen und Melden der nichteindeutigen Kennungsinformationen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle; Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle, wenn die erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen nicht in einer Nachbarzellenmenge der ersten Kommunikationszelle enthalten sind; Erkennen eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen nach Empfang der Anweisung; und Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle;
842.
85drahtlose Telekommunikationsnetze in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben, die eine Mehrzahl von Kommunikationszellen definieren, wobei die Netze Netzressourcen umfassen,
86die betreibbar sind zum Kommunizieren mit einem in einer ersten Kommunikationszelle betriebenen mobilen Endgerät; Empfangen nichteindeutiger Kennungsinformationen und Parameterinformationen bezüglich mindestens eines Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät; Definieren einer Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät, wobei die Nachbarzellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält; Bestimmen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen, ob eindeutige Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle erforderlich sind, und wenn solche eindeutigen Kennungsinformationen erforderlich sind, Übertragen einer Anweisung an das mobile Endgerät; Empfangen eindeutiger Zellenkennungsinformationen bezüglich der zweiten Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät; und Definieren einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät, wobei die für das Handover infrage kommende Zellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält;
87insbesondere wenn der mindestens eine Betriebsparameter einen Verwürfelungscode, eine Signalstärkemessung, eine Signalgütemessung und/oder Taktinformationen umfasst;
88und/oder wenn die zweite Kommunikationszelle der ersten Kommunikationszelle benachbart ist;
89und/oder wenn die Netzressourcen betreibbar sind zum Empfangen nichteindeutiger Zellenkennungsinformationen für eine Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen von dem mobilen Endgerät; Bestimmen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen, ob eindeutige Zellenkennungsinformationen für die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen erforderlich sind, und wenn solche eindeutigen Kennungsinformationen erforderlich sind, Übertragen einer Anweisung an das mobile Endgerät; Empfangen eindeutiger Zellenkennungsinformationen bezüglich der Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen von dem mobilen Endgerät; und Definieren einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät, wobei die für das Handover infrage kommende Zellenliste die Mehrzahl weiterer Kommunikationszellen enthält;
90und/oder wenn die Netzressourcen durch eine Funkbasisstation bereitgestellt werden,
91wobei die Auskunft in Form einer geordneten Aufstellung gegenüber der Klägerin zu erfolgen hat, und zwar, soweit zutreffend, unter Angabe
92a)
93der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, aufgeschlüsselt nach der jeweiligen Menge, Zeiten, Preise, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
94b)
95der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer;
96c)
97der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
98d)
99der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Suchmaschinen und anderer Marketingwerkzeuge, mit Hilfe derer die betroffenen Webseiten einzeln oder gemeinsam registriert wurden, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume jeder Kampagne;
100e)
101der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
102wobei die Beklagten die Richtigkeit ihrer Angaben nach a) und b) belegen müssen, indem sie Belegkopien wie Rechnungen hilfsweise Lieferscheine vorlegen;
103wobei den jeweiligen Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer, der in der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist, mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
104II.
105festzustellen, dass die Beklagten jeweils verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die der A durch die vom 13.12.2013 bis zum 26.02.2014 begangenen und der Klägerin durch die seit dem 27.02.2014 begangenen, unter Ziffer I bezeichneten Handlungen entstanden sind und noch entstehen werden.
106Die Beklagten beantragen,
107die Klage abzuweisen,
108hilfsweise
109den Rechtsstreit bis zur Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes über die Einsprüche gegen das Klagepatent EP B auszusetzen.
110Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.
111Die mit Schriftsatz vom 16.03.2015 dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetretene Streithelferin beantragt,
112den Beklagten die durch die Nebenintervention verursachten Kosten aufzuerlegen.
113Die Beklagten bestreiten die Aktivlegitimation der Klägerin mit Nichtwissen. Die zum ausländischen Recht vorgelegten Privatgutachten seien schon deshalb unbrauchbar, weil der Verweis auf Normen teilweise gänzlich fehle, die zitierten Normen und Entscheidungen nicht beigefügt seien und unklar sei, welche Unterlagen den Gutachtern vorgelegen hätten.
114Die Registereintragung der Klägerin begründe keine Indizwirkung für die materiell-rechtliche Inhaberschaft der Klägerin am Klagepatent. Denn ausweislich des klägerischen Vortrags sei die D zwischenzeitlich Inhaberin des Klagepatents gewesen; diese sei hingegen nicht im Patentregister eingetragen gewesen. Auch im Übrigen weise der Vortrag der Klägerin zu den behaupteten Patentübertragungen Unschlüssigkeiten auf. Insofern sei der Erfahrungssatz, das die Registerlage regelmäßig die materielle Rechtslage widergebe, erschüttert. Die Eintragung des Klagepatents im Patentregister habe keine konstitutive Wirkung. Die Wirksamkeit der Abtretungen der Patentanmeldung sei vielmehr Voraussetzung für die materiell rechtliche Inhaberschaft der Klägerin am Klagepatent.
115Im Übrigen sind die Beklagten der Auffassung, die Streithelferin habe bei der Umsetzung des MSA sowohl gegen die Vorschriften der Fusionskontrolle (§§ 35-42 GWB) als auch gegen das Verbot der Wettbewerbsbeschränkung (Art. 101, 102 AEUV) verstoßen.
116Bei der mit dem MSA vereinbarten Transaktion handele es sich um einen Zusammenschluss im Sinne von § 37 GWB, der beim Bundeskartellamt hätte angemeldet werden müssen. Dies ist – insoweit unstreitig – nicht geschehen.
117Die Übertragung des Patentportfolios von der Y Unternehmensgruppe an die Z Unternehmensgruppe stelle einen Vermögenserwerb im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB dar. Denn bei den übertragenen Patenten handele es sich um einen wesentlichen Teil des Vermögens von Y . Sie seien die wesentliche Grundlage für die Stellung von Y auf dem relevanten Markt. Ihre Übertragung sei geeignet, die Marktstellung von Y auf Z zu übertragen. Insofern stelle jedes SEP einen selbständigen, relevanten Produktmarkt dar, auf dem der Patentinhaber Lizenzen zur Nutzung seiner geschützten Technologie durch Lizenznehmer vergebe. Jedes der nach dem MSA zu übertragenden Patente habe Y eine marktbeherrschende Stellung und einen Marktanteil von 100% auf jedem der relevanten Märkte für die Lizensierung der einzelnen SEPs verschafft. Durch die Übertragung der Patente habe Z in die Monopolstellung von Y eintreten sollen.
118Zudem hätten Y und Z durch den MSA die gemeinsame Kontrolle im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 2 b) GWB über R erlangt. Denn Y und Z hätten bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung der Organe von R gehabt. Dies ergebe sich aus Ziffer 6.1 (y) des MSA, wonach R nicht ohne die Zustimmung von Y jemand anderen als die Q zum Geschäftsführer bestimmen dürfe. Weitere Vetorechte in den Ziffern 6.1 (a) bis (z) würden den bestimmenden Einfluss von Y auf R verstärken.
119Die Umsatzschwellen des § 35 GWB seien überschritten. Der weltweite Umsatz allein von Y habe im Jahr 2012 etwa 26,17 Mrd. EUR betragen (vgl. Anlage FFF -NT-C4). Davon entfalle ein Betrag von mehr als 25 Mio. EUR auf Deutschland (vgl. Anlage FFF -NT-C5-C7). Mit den übertragenen Patenten seien im Jahr 2012 Umsatzerlöse in Deutschland in Höhe von mehr als 5 Mio. EUR erzielt worden. Hierbei seien auch die Patente zu berücksichtigen, die noch nicht abgetreten worden seien, nach dem MSA aber in den nächsten Jahren abgetreten werden sollen (vgl. Ziffer 6.3 des MSA). Das MSA belege, dass die Vertragsparteien selbst den Wert der von der Vereinbarung umfassten Patente auf mindestens 1,05 Milliarden USD geschätzt hätten (vgl. Ziffern 3.3 und 8.13 des MSA). Der tatsächliche Wert sei sogar höher. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die übertragenen Patente in bis zu acht Jahren ab Übertragung auslaufen würden und dass der deutsche Mobilfunkmarkt etwa fünf Prozent des weltweiten Marktes ausmache, werde deutlich, dass mit der Lizensierung des übertragenden Patentportfolios im Jahr 2012 in Deutschland ein Umsatz von mindestens 6,56 Mio. USD erzielt worden sei (5 % von 1,05 Milliarden USD geteilt durch 8 Jahre). Dies entspreche einem Betrag von 5,1 Mio. EUR. Ähnliches ergebe sich auch unter Berücksichtigung des „License Proposal“ der Klägerin. Hiernach sei pro Mobilfunkendgerät ein Betrag von 0,75 USD zu zahlen. Im Jahr 2012 seien nach den von der Streithelferin vorgelegten Marktstudien in Deutschland 30,4 Mio. Endgeräte abgesetzt worden. Hieraus würden sich Lizenzeinnahmen im Jahr 2012 von 22,8 Mio. USD errechnen. Der Klägerin obliege insofern eine sekundäre Beweislast, da den Beklagten mangels Kenntnis der konkreten Umsatzzahlen der Streithelferin näherer Vortrag nicht möglich sei.
120Im Übrigen stelle das MSA eine wettbewerbswidrige Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV dar.
121Y und Z hätten bezweckt, durch die Aufspaltung des Patentportfolios die ETSI-Regeln zu umgehen und die Lizenzeinnahmen auf ein oberhalb von FRAND liegendes („Supra-FRAND“) Niveau anzuheben. Dies werde durch die künstliche Schaffung eines zusätzlichen Handelspartners erreicht, der zudem als reine Patentverwertungsgesellschaft nicht durch die Notwendigkeit, Kreuzlizenzen an standardessentiellen Patenten anderer Wettbewerber zu nehmen, eingeschränkt sei. Hierdurch entstehe ein Verhandlungsungleichgewicht zu Gunsten von Y und Z , das zu höheren Lizenzgebühren am Markt führen werde.
122Zudem sehe das MSA in Ziffer 3.4 wettbewerbswidrige Mindestlizenzgebühren vor und enthalte daher eine unzulässige Preisbindung. Für die Übertragung der Patente sei – insoweit unstreitig – nicht etwa ein fester Kaufpreis vereinbart worden, sondern der „Kaufpreis“ sei gemäß Ziffer 3.2 des MSA als Anteil an den Bruttolizenzeinnahmen von R zu zahlen. Dabei werde durch die einzelnen Regelungen des MSA erheblicher Druck auf R ausgeübt, die zu vereinbarenden Lizenzen möglichst zu maximieren. Dies ergebe sich zum einen aus Ziffer 3.4., wonach R verpflichtet sei, von seinen Lizenznehmern bestimmte Mindestlizenzgebühren (sog. Applicable Royalty Rate) zu verlangen. Andernfalls werde eine Strafzahlung fällig. Eine solche werde nach den Ziffern 3.3 und 8.13 (c) des MSA auch fällig, wenn R ohne Zustimmung von Y seine Kontrollstrukturen ändere. Die Drohung mit einer erheblichen Zahlungsverpflichtung begründe für R einen Anreiz, bei potenziellen Lizenznehmern die höchstmöglichen Lizenzgebühren zu erzielen. R sei dadurch massiv in seiner Preissetzungsfreiheit beschränkt. Hierin liege eine „Kernbeschränkung“, die ungeachtet der Tatsache, ob sie in horizontalen oder vertikalen Vereinbarungen enthalten sei, eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstelle.
123Desweiteren bewirke das MSA einen unzulässigen Informationsaustausch, zwischen der Klägerin und der Nebenintervenientin. Diese seien Wettbewerber in der Vergabe von Lizenzen. Das MSA gewähre der Nebenintervenientin Einblicke in wesentliche, auch wettbewerblich sensible Geschäftsvorfälle der Klägerin, die die Nebenintervenientin dazu ausnutzen könne, ihr eigenes Marktverhalten entsprechend anzZ assen.
124Aufgrund des Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV sei das MSA gemäß Art. 102 Abs. 2 AEUV insgesamt nichtig. Die Unwirksamkeit des MSA erstrecke sich auch auf die nachfolgenden Vollzughandlungen – d.h. die Übertragungsverträge – da diese unmittelbar mit der Beschränkung des Wettbewerbs verbunden seien. Die in Ziffer 8.9 des MSA enthaltene salvatorische Klausel stehe diesem Ergebnis nicht entgegen. Die Beschränkung der Preisgestaltung könne vernünftigerweise nicht vom MSA im Übrigen getrennt werden; das MSA wäre ohne die Art. 101 AEUV verletzenden Bestimmungen nicht geschlossen und vollzogen worden.
125Das MSA und sein Vollzug würden zudem gegen Art. 102 AEUV verstoßen. Die Streithelferin habe ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem sie ihr Patentportfolio künstlich aufgespalten habe. Dies habe der Umgehung der FRAND-Verpflichtung gedient mit dem Ziel, die Lizenzeinnahmen auf ein über FRAND liegendes Niveau anzuheben. Rechtsfolge sei die Nichtigkeit des MSA und der Übertragungsverträge gemäß § 134 BGB i.V.m. Art. 102 AEUV.
126Die Beklagten behaupten ferner, die Beklagte zu 2) habe die angegriffene Ausführungsform I auf dem deutschen Markt weder vertrieben, angeboten noch in Verkehr gebracht. Sie habe keinen Besitz an eNB und liefere diese nicht. Die seitens der Klägerin vorgelegten Ausdrucke der Webseite belegten kein Anbieten drahtloser Telekommunikationsnetze. Die Verlinkung „Geschäftskunden“ und „Telekommunikationssysteme“ führe – unstreitig – auf die Webseite der Beklagten zu 1). Dabei handele es sich nur um das Aufzeigen bloßer Bezugsmöglichkeiten. Durch das „Durchklicken“ durch diverse Untermenüs und spätestens, wenn sich das neue Fenster mit geänderter Sprache öffne, sei für den Nutzer offensichtlich, dass er das Internetangebot der Beklagten zu 2) verlassen habe. Bei der neugestalten Internetseite sei das Ergebnis der Suche nach „eNodeB“ allenfalls ein Hinweis auf die Leistungen des ausländischen Mutterkonzerns. Zudem biete die Beklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform II nicht an.
127Die Beklagten sind weiter der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen würden von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch machen. In diesem Zusammenhang bestreiten sie die mit dem I Galaxy S5 durchgeführten Tests mit Nichtwissen.
128Anspruch 6 des Klagepatents erfordere lediglich die Eignung der Mittel zur Ausführung der Verfahrensschritte. Bereits im Stand der Technik sei es bekannt gewesen, einen Cell Global Identifier (CGI; zusammengesetzt aus der Cell Identity (Cl) und der Location Area Identity (LAI)) zu übertragen. Allein die Cl hätte eine sehr hohe Anzahl möglicher Werte (65.535), was bedeute, dass für viele Netzwerkbetreiber jeder Wert nur einmal innerhalb ihres eigenen Netzes auftauchen werde. Unter Einbeziehung des Location Area Code (LAC), des Mobile Country Code (MCC) und Mobile Network Code (MNC) ergebe sich eine Gesamtbitzahl für die CGI in GSM von 38, was zu 238 verschiedenen Werten führe. Ähnliches gelte für UMTS, bei dem man letztlich auf 252 Werte gekommen sei. Das seitens des Klagepatents geschilderte Problem sei daher nicht aufgetreten. Das zu lösende Problem bestehe nur noch in der vollständig automatischen Erstellung und Aktualisierung einer Nachbarzellenliste, weil es dafür menschlicher Eingriffe bedurfte.
129Ferner sehe der Klagepatentanspruch – abgesehen von den das Melden betreffenden Verfahrensschritten – keine Zweiteilung zwischen üblichen Messberichten der Mobilstation und nur auf gesonderte Anforderung hin erfolgendes Ermitteln und Berichten auch einer eindeutigen Zellenkennung vor. Das insoweit engere Ausführungsbeispiel könne den weiter gefassten Anspruchswortlaut nicht beschränken. Die zweite Kommunikationszelle könne weiter entfernt liegen und müsse nicht unmittelbar benachbart zur Versorgungszelle sein. Der Fachmann verstehe auch unter einem Dekodieren kein Berechnen. Anders als bei GSM und UMTS würden die empfangenen und dekodierten Synchronisationssignale im LTE-Standard nicht dekodiert und zweitverwendet, sondern die PCI werde gesondert neu berechnet.
130Unter einer eindeutigen Zellenkennung verstehe der Fachmann immer einen relativen, zweckbezogenen Zusammenhang: Sie sei dann eindeutig, wenn sie die in dem fraglichen Kontext erforderliche zweifelsfreie Erkennung der Zelle ermögliche. Dieses allgemeine Verständnis sei aus dem Stand der Technik geprägt. Dass das Klagepatent sich hiervon habe entfernen wollen hin zu einer absolut verstandenen Eindeutigkeit, sei nicht ersichtlich.
131Bei der Bestimmung der Betriebsparameter seien alle erfasst, unabhängig von deren sachlichem Zusammenhang. Nur dieses Verständnis ließe sich mit dem Anspruchswortlaut vereinbaren. Das Klagepatent kenne keine Unterscheidung zwischen Betriebsparametern, die primär für die weitere Nutzung ermittelt würden, und anderen Betriebsparametern. Dies sei auch technisch unsinnig, da das Signal, das die Zellkennung trage, durch die Mobilstationen primär verwendet werde, sich mit der betreffenden Zelle zu synchronisieren, sekundär die empfangenen Informationen zu entschlüsseln und tertiär, ob diese Information auch an das Netzwerk berichtet werden müsse.
132Anspruch 6 unterscheide die Begriffe „Erkennen“ und „Bestimmen“. Sowohl die Betriebsparameter als auch die Zellenkennungen werden gemeldet, wobei der Klagepatentanspruch voraussetze, dass die eindeutige Kennungsinformation, so wie sie erkannt wurde, vom mobilen Endgerät gemeldet werde. Ferner lasse der Klagepatentanspruch 6 offen, welche Anweisung das mobile Endgerät von der Funkbasisstation empfangen solle, so das prinzipiell jede Anweisung – nicht nur die Anweisung, die eindeutige Zellenkennung der Nachbarzelle zu bestimmen – erfasst sei. Der Anspruch gebe auch keinen Zeitpunkt vor oder in welchem Zusammenhang die Anweisung geschickt werden müsse. Ein Erkennen iSd Klagepatents sei keine Berechnung einer Kennung.
133Anspruch 16 des Klagepatents gebe netzseitig eine bestimmte Reihenfolge für die Abfolge der Verfahrensschritte vor. Der Anspruch verstehe unter dem drahtlosen Telekommunikationsnetz nur die Mobilstationen und Funkbasisstationen, jedenfalls aber die Vernetzung von zwei Basisstationen.
134Der Anspruch unterscheide zwei verschiedene Listen, die Nachbarzellenliste und die Handover-Kandidaten-Liste. Das System solle die Nachbarzellenliste automatisch definieren, ohne dass ein bestimmter zeitlicher Kontext vorgegeben werde. Der Klagepatentanspruch erfasse auch Fälle, in denen die Nachbarzellenliste bereits bestehe und nicht erstmals definiert werde. Die Nachbarzellenliste werde für das Mobilfunkgerät definiert. Es handele sich um eine mobilstationsspezifische Liste. Gleiches gelte für die Handover-Kandidaten-Liste, wobei diese die eindeutige Zellenkennung enthalte. Eine Anweisung werde nur nach Prüfung ihrer Notwendigkeit versendet.
135Vor diesem Hintergrund würden die beiden angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent nicht verletzen. Nach dem LTE-Standard gebe es keine nichteindeutige Kennung einer Zelle, die direkt als solche vom Netzwerk übertragen werde. Die PCI sei vielmehr das Ergebnis einer Rechenoperation jedoch nicht in den Signalen, die die Mobilstation auswerte, existent. Nach dem LTE-Standard komme den Signalen PSS und SSS die primäre Bedeutung zu, dass die Mobilstation auf das Signal der Basisstation synchronisiere. Beide Signale müssten zuvor demoduliert und decodiert werden. Anders als im GSM und UMTS-Standard, wo die Zellenkennung die BSIC sei bzw. aus dem CPICH empfangenen Signal erkannt werde, werde die PCI im LTE-Standard errechnet.
136Ferner meldeten standardgemäße Mobilstationen nicht alle Betriebsparameter. Die System Frame Number (SFN) werde nicht übertragen. Die angegriffene Ausführungsform II verletze daher nicht Anspruch 6 des Klagepatents.
137Aber auch die angegriffene Ausführungsform I mache nicht von der technischen Lehre des Anspruchs 16 Gebrauch. Zunächst scheide eine Verletzung bereits aus Rechtsgründen aus, weil die Beklagten kein komplettes Telekommunikationsnetzwerk als solches, also das E-Utran, anböten. Abgesehen davon fielen unter den Anspruchswortlaut keine anderen Teile der Netzwerkausrüstung, wie das EPC und MME. Außerdem werde keine nichteindeutige Kennung übertragen. Ferner stelle die im Standard genannte NRT keine Nachbarzellenliste dar, weil es keine NRT ohne eindeutige Zellenkennung gebe. Ferner werde die NRT – unstreitig – ausschließlich auf Zellebene verwaltet und sei gerade nicht mobilstationsbezogen. Aus LTE Standard I, Kap. 22.3.3, Ziffer 4 folge ausdrücklich, dass eine Nachbarbeziehung erst dann der NRT hinzugefügt werde, wenn bereits die ECGI der betreffenden Zelle vorliege. Gleiches ergebe sich auch noch aus anderen Textstellen des LTE-Standards. Es sei nur eine einzige Liste vorgesehen. Insbesondere die in den letzten 3 Spalten gezeigte Art der Nachfilterung stelle nicht die Handover-Kandidaten-Liste im Sinne des Klagepatentanspruchs 16 dar. Auch die Menge der besten Nachbarzellen sei keine Nachbarzellenliste im Sinne des Klagepatents. Beim Empfangen der Measurement-Report Nachricht werde netzseitig nichts mehr festgelegt. Der Parameter „maxReportCells“ betreffe lediglich die Anzahl der zu berichtenden Zellen, nicht die Zellen selbst. Das mobile Endgerät treffe demgegenüber die Auswahl, ob eine Zelle zu den besten Nachbarzellen gehört und in den Bericht aufgenommen wird. Zudem handele es sich auch bei der Handover-Kandidaten-Liste um eine zellbezogene und nicht mobilstationsspezifische Liste.
138Geschwärzt und gelöscht
139Im Übrigen stehe der Durchsetzung der mit der Klage verfolgten Ansprüche der Lizenzeinwand aus Art. 102 AEUV entgegen. Die Beklagten würden sich in ernsthaften Verhandlungen mit der Klägerin über eine Lizenz am Klagepatent befinden. Zu diesem Zweck hätten mehrfach Treffen stattgefunden und es sei detailliert die mögliche Gestaltung eines solchen Lizenzvertrags diskutiert worden. Soweit die Klägerin öffentlich die Lizensierung der übertragenen Patente zu einheitlichen Konditionen anbiete („License Proposal“), enthalte das Angebot nicht die erforderlichen Grundlagen zur Berechnung der Lizenzgebühr und stelle zudem eine Diskriminierung der Beklagten dar, weil nicht berücksichtigt werde, dass diese bereits in der Vergangenheit über eine Lizenz verfügt hätten. Sie – die Beklagten – hätten der Klägerin ein Gegenangebot unterbreitet, das FRAND-Bedingungen entspreche. Aufgrund vertraglicher Geheimhaltungsverpflichtungen könnten hierzu allerdings keine näheren Angaben gemacht werden.
140Jedenfalls aber sei das Verfahren auszusetzen. Das Klagepatent werde sich als nicht rechtsbeständig erweisen. Sowohl die hiesigen Beklagten als auch die Beklagten aus den Parallelverfahren 4b O 51/14 und 4b O 156/14 sind der Ansicht, der Gegenstand des Klagepatents sei unzulässig erweitert bzw. die geschützte technische Lehre nicht ausführbar und werde überdies neuheitsschädlich von diversen Entgegenhaltungen offenbart. Jedenfalls fehle es ihm an der nötigen Erfindungshöhe.
141Die Klägerin und die Streithelferin treten den kartellrechtlichen Einwänden der Beklagten entgegen.
142Die Nebenintervenientin behauptet, für ihr umfangreiches Patentportfolio auf dem Markt keine angemessenen Lizenzgebühren mehr habe erzielen können. Dies sei der Grund für den Abschluss des MSA gewesen. Es sei ihr legitimes Ziel gewesen, durch die Aufspaltung des Portfolios einen faireren Ausgleich für die von ihr geleistete Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu erlangen. Diese sei immens. Sie investiere jährlich etwa 4 Milliarden USD in diesen Bereich und beschäftige dort mehr als 25.000 Mitarbeiter. Ein großer Teil der Aktivitäten sei dabei der Entwicklung von offenen Mobilfunkstandards gewidmet. Etwa 40 % des weltweiten mobilen Datenverkehrs verlaufe durch Netzwerke, die von ihr bereitgestellt würden. Als Ergebnis ihrer umfangreichen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit halte sie mittlerweile ein Portfolio von über 37.000 erteilten Patenten. Hinzu komme die jährliche Erteilung von weiteren etwa 2.000 Patenten. Eine Vielzahl dieser Patente sei wesentlich für die bedeutenden Standards, die von modernen Mobilkommunikationsgeräten und deren Infrastruktur genutzt würden. Sie habe in der Vergangenheit eine Vielzahl von Lizenzverträgen abgeschlossen. Die Einnahmen aus diesen Verträgen seien ein notwendiger Anreiz, um weiterhin in Forschung und Entwicklung zu investieren.
143Dabei setze sie – die Streithelferin – sich vehement für die Implementierung der FRAND-Prinzipien ein. Ihr uneingeschränktes Bekenntnis zu der Einhaltung und Umsetzung der FRAND-Prinzipien habe auch beim Abschluss des MSA eine wesentliche Rolle gespielt. Dies zeige sich an verschiedenen Stellen des Vertrages, etwa in den Ziffern 6.1 (x), 6.7 (a), 6.7 (b), 6.12, 6.14 (a), 6.14 (b). Auch im PSA sei in Ziffer 5.4 eine entsprechende Regelung getroffen worden.
144Immer mehr potenzielle Lizenznehmer würden demgegenüber die Möglichkeit des „Hold-out“ nutzen, d.h. die geschützte Technologie ohne bestehenden Lizenzvertrag nutzen und darauf warten, vom Patentinhaber verklagt zu werden. Dies geschehe in dem Wissen, dass solche Verfahren nur Patent für Patent und Land für Land durchgeführt werden könnten und entsprechend lange Zeit benötigten. An ernsthaften Lizenzvertragsverhandlungen seien diese Marktteilnehmer nicht interessiert.
145Das MSA verstoße nicht gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften. Es sei schon kein Zusammenschlusstatbestand erfüllt.
146Die übertragenen Patente würden keinen wesentlichen Vermögensteil darstellen. Denn der Erwerb des Patentportfolios sei nicht geeignet gewesen, eine vorhandene Marktstellung auf R zu übertragen. Vielmehr müsse R bzw. die Klägerin sich ihre Marktstellung von Grund auf selbst erarbeiten. Die Übernahme bestehender Lizenzverträge an den übertragenen Patenten sei – insoweit unstreitig - gerade nicht Gegenstand des MSA gewesen. R habe vielmehr „nackte“ Vermögenswerte und gerade keinen Geschäftsbereich erworben.
147Auch ein Kontrollerwerb über R sei nicht gegeben. Hintergrund der beanstandeten Regelungen sei es gewesen, den Kaufpreis zu sichern und zugleich sicherzustellen, dass sich R bzw. deren Rechtsnachfolger an die FRAND-Verpflichtung halte. Ein Einfluss auf das Wettbewerbspotential von R sei weder bezweckt gewesen noch durch das MSA erreicht worden.
148Im Übrigen seien die Umsatzschwellen des § 35 GWB nicht überschritten. Für die Annahme, die Umsätze von R in Deutschland im Jahr 2012 hätten 5 Millionen Euro überschritten, gebe es keinerlei Anhaltspunkte.
149Nur hilfsweise weist die Streithelferin außerdem darauf hin, dass ein Verstoß gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften jedenfalls nicht die Unwirksamkeit der Patentübertragungen zur Folge hätte. § 41 Abs. 1 S. 2 GWB beschränke die Nichtigkeitsfolge vielmehr auf dasjenige Rechtsgeschäft, das gegen das Vollzugsverbot verstoße. Im Übrigen bleibe das MSA und erst Recht die nachfolgenden Patentübertragungen wirksam.
150Das MSA enthalte auch keine unzulässige Preisbindung. Die Vereinbarung einer „Applicable Royalty Rate“ stelle nicht die Festlegung einer Mindestlizenzgebühr dar, sondern sei lediglich Hilfsmittel, um die Zahlung eines angemessenen Kaufpreises für die übertragenen Patente sicherzustellen. Die Klägerin sei frei, mit ihren potentiellen Lizenznehmern jedwede Lizenzgebühr auszuhandeln. Dabei sei sie allein kaufmännischen Erwägungen unterworfen. Der Anreiz für die Klägerin, die „Applicable Royalty Rate“ nicht zu unterschreiten, sei vergleichbar mit dem Anreiz für jeden Großhändler, bei einem Weiterverkauf der Waren nicht deren Einkaufspreis zu unterschreiten. Hierin liege keine kartellrechtswidrige Preisfestsetzung.
151Schließlich verstoße das MSA nicht gegen Art. 101 AEUV oder Art. 102 AEUV. Es sei – entgegen dem Vorbringen der Beklagten – keineswegs Sinn und Zweck des MSA gewesen, die Lizenzgebühren auf ein über FRAND liegendes Niveau zu erhöhen. Vielmehr hätten sowohl R als auch die Klägerin – insoweit unstreitig – entsprechend den Regelungen im MSA und PSA eigene FRAND-Erklärungen abgegeben, um sicherzustellen, dass die FRAND-Prinzipien eingehalten würden. Der Umstand, dass es sich bei der Klägerin um eine Patentverwertungsgesellschaft handele, könne keinen Unterschied machen. Ein Recht auf einen bestimmten Lizenzgeber gewähre das Kartellrecht nicht.
152Der Kartellrechtseinwand der Beklagten könne schon deshalb keinen Erfolg haben, weil mit der Klage keine Unterlassung, sondern ausschließlich Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht geltend gemacht werde. Auf diese Ansprüche finde Art. 102 AEUV keine Anwendung. Insofern sei auch keine Beschränkung der Schadensersatzpflicht auf eine angemessene Lizenzgebühr gerechtfertigt. Die Beklagten hätten nämlich gerade kein annahmefähiges Angebot abgegeben, geschweige denn Sicherheit geleistet.
153Mit Zwischenurteil vom 29.07.2014 hat die Kammer den Antrag der Beklagten zu 2) auf Leistung der Prozesskostensicherheit durch die Klägerin zurückgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
154Das Gericht hat aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 27.11.2015 und 01.12.2015 Beweis erhoben unter anderem durch die Vernehmung der Zeugen J , M , AA , K , O , T , BB und X. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2015, 03.12.2015 und 10.12.2015 Bezug genommen. Die Akten 4b O 49/14, 4b O 51/14, 4b O 52/14, 4b O 120/14, 4b O 123/14, 4b O 154/14, 4b O 156/14 und 4b O 157/14 wurden beigezogen und waren ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
155Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2015, 01.12.2015, 03.12.2015 und 10.12.2015 Bezug genommen.
156Entscheidungsgründe
157Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
158Die Klägerin hat gegen die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit §§ 139 Abs. 2, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB. Die Ansprüche bestehen im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform II allerdings nur gegenüber der Beklagten zu 2). Die Beklagte zu 1) ist in dieser Hinsicht nicht passivlegitimiert.
159I.
160Die Klägerin ist zur Geltendmachung der mit der vorliegenden Klage verfolgten Ansprüche auf Schadensersatz und Rechnungslegung aktiv legitimiert.
161Für die Sachlegitimation im Verletzungsrechtsstreit maßgeblich ist nicht der Eintrag im Patentregister, sondern die materielle Rechtslage (BGH, GRUR 2013, 713 ff. – Fräsverfahren; OLG Düsseldorf, BeckRS 2013, 1781; OLG Düsseldorf BeckRS 2013, 18737). Soweit Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden, ist die vorgenannte Differenzierung ohne Belang, weil die Beklagte nicht zur Unterlassung gegenüber einem bestimmten Berechtigten, sondern zur Unterlassung schlechthin verurteilt wird (BGH, GRUR 2013, 713 ff. – Fräsverfahren; vgl. auch Pitz, GRUR 2010, 688, 689). Soweit allerdings – wie im Streitfall - Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, stehen diese nur dem jeweils materiell berechtigten Patentrechtsinhaber zu.
1621.
163Die Erteilung des Patents und dessen Eintragung im Register zugunsten eines bestimmten Inhabers lässt das Recht aus dem Patent originär in der Person des eingetragenen Inhabers entstehen.
164Das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) unterscheidet in einer dem nationalen Recht (vgl. die Aufzählung in § 15 Abs. 1 Satz 1 PatG) grundsätzlich vergleichbaren Weise zwischen drei Kategorien von Rechten, die aus einer Erfindung resultieren können. Das im deutschen Recht in der Vorschrift des § 6 PatG geregelte „Recht auf das Patent” beschreibt in materieller Hinsicht die Gesamtheit der aus der Erfindung herrührenden Rechte. Diese erste Kategorie erfindungsbezogener Rechte kennt auch das EPÜ, indem es in seinem Art.60 Abs. 1 Satz 1 das „Recht auf das europäische Patent” dem Erfinder (bzw. seinem Rechtsnachfolger) zuweist. Die zweite Kategorie beschreibt das „Recht aus der Patentanmeldung” (den „Anspruch auf Erteilung des Patents”, wie § 15 Abs. 1 Satz 1 PatG es nennt), mithin die durch die Anmeldung begründete und damit formale Rechtsposition des Anmelders eines Patents. In Bezug auf dieses Recht aus der Patentanmeldung fingiert Art. 60 Abs. 3 EPÜ im Verfahren vor dem EPA, dass der Anmelder berechtigt ist, das Recht auf das europäische Patent geltend zu machen. Die dritte Kategorie schließlich betrifft das Recht aus dem Patent, das in seinen Rechtswirkungen im nationalen Recht in den §§ 9 und 10 PatG geregelt und im EPÜ in Art. 64 genannt ist (vgl. hierzu: LG Düsseldorf, GRUR Int. 2007, 347 ff.).
165Die in Art. 60 Abs. 3 EPÜ normierte Fiktion hinsichtlich des Rechts aus der Patentanmeldung, die im nationalen Recht in § 7 Abs. 1 PatG geregelt ist, bewirkt in der dritten Kategorie das Entstehen des Rechts aus dem Patent in der Person des Anmeldenden (vgl. hierzu auch: Benkard/Mellulis, Europäisches Patentübereinkommen, 2. Auflage 2012, Art. 60 Rn 28; eindeutiger: Benkard/Mellulis, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 7 Rn 2). Dieser wird originärer Inhaber des Rechts aus dem Patent und insofern nicht nur formell, sondern auch materiell Berechtigter hinsichtlich sämtlicher Rechte aus dem Patent (OLG Düsseldorf, BB 1970, 1110; kürzlich bestätigt durch: OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2015, Az.: I-2 U 25/10; Benkard/Mellulis, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 7 Rn 2). Ist der Anmeldende weder der Erfinder noch dessen (unmittelbarer oder mittelbarer) Rechtsnachfolger, ist er gemäß Art. II § 5 Abs. 2 IntPatÜ bzw. § 8 S. 2 PatG dem sachlich Berechtigten gegenüber zur Übertragung des Patents verpflichtet. Bis dahin jedoch hat er gegenüber Dritten die Stellung des materiell berechtigten Inhabers am Patent und kann sämtliche Ansprüche aus dem Patent geltend machen.
166Durch die Erteilung des Klagepatents am 13.11.2013 ist das Recht aus dem Patent formell und materiell in der Person der R entstanden.
167Aus der Entscheidung „Magazinbildwerfer“ des Bundesgerichtshofs vom 23.06.1992 (GRUR 1993, 69) ergibt sich nichts anderes. In dieser Entscheidung hat sich der BGH nicht mit der Frage befasst, welche Rechtswirkungen die Erteilung eines Patents durch das Europäische Patentamt hat. Ebenso wenig kann aus dem Umstand, dass der BGH trotz der zwischenzeitlichen Erteilung des Patents die Wirksamkeit der Übertragung der vorausgehenden Patentanmeldung geprüft hat, hergeleitet werden, dass der Anmelder mit der Erteilung des Patents nicht originär Inhaber des Schutzrechts wird. Denn der vom BGH zu entscheidende Sachverhalt unterscheidet sich vom Streitfall dadurch, dass die vom Patentinhaber beklagte Partei – die dortige Beklagte zu 1) – eingewandt hat, selbst Inhaberin der Patentanmeldung gewesen zu sein, so dass sie den vom eingetragenen Inhaber geltend gemachten Ansprüchen unter Umständen entsprechende Gegenrechte entgegenhalten konnte (dolo-agit-Einwand). Dies steht im Streitfall hingegen nicht in Rede.
1682.
169Hinsichtlich der (wirksamen) Übertragung des Klagepatents von der R an die Klägerin mit Übertragungsvertrag vom 27.04.2014 begründet die Eintragung der Klägerin im Register eine tatsächliche Vermutung.
170Insofern ist anerkannt, dass für die Beurteilung der Frage, wer materiell-rechtlich Inhaber des Patents ist, dem Patentregister in aller Regel eine erhebliche Indizwirkung zukommt (BGH, GRUR 2013, 713 ff. – Fräsverfahren). Nach § 30 Abs. 3 S. 1 PatG darf das Patentamt eine Änderung in der Person des Patentinhabers nur dann im Register vermerken, wenn sie ihm nachgewiesen wird, wobei jeder Nachweis erkennen lassen muss, dass der bisherige Schutzrechtsinhaber mit dem Übergang der daraus folgenden Rechte auf den neuen Inhaber einverstanden ist. Gemäß § 28 Abs. 2 DPMAV muss der bisherige Inhaber den Antrag auf Umschreibung zusammen mit dem Rechtsnachfolger unterschreiben oder der Rechtsnachfolger muss eine Zustimmungserklärung des zuvor eingetragenen Inhabers vorlegen. Dies begründet eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Eintragung im Patentregister die materielle Rechtslage zuverlässig wiedergibt (BGH, GRUR 2013, 713, 717 – Fräsverfahren). Angesichts dessen bedarf es in einem Verletzungsrechtsstreit regelmäßig keines weiteren Vortrags oder Beweisantritts, wenn sich eine Partei auf den aus dem Patentregister ersichtlichen Rechtsstand beruft, solange nicht konkrete Anhaltspunkte ersichtlich sind oder vom Gegner aufgezeigt werden, aus denen sich die Unrichtigkeit ergibt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
171Selbst wenn man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – annehmen wollte, dass die Erteilung des Patents in der Person der R keine konstitutive Wirkung hatte, würde die Indizwirkung des Registers für die Klägerin streiten. Insbesondere steht der Indizwirkung nicht entgegen, dass im Rahmen der Übertragung der dem Klagepatent vorausgegangenen Patentanmeldung ein Zwischenerwerber in der von der Klägerin vorgetragenen Übertragungskette, nämlich die CC , nicht im Patentregister eingetragen war. Die Kammer folgt zwar nicht der Auffassung des LG Mannheim, wonach die Nichteintragung eines Zwischenerwerbers im Patentregister generell unbeachtlich sein soll (vgl.: LG Mannheim, Urteil vom 10.03.2015 - Aktenzeichen 2 O 103/14, BeckRS 2015, 15918 für den Zwischenerwerb an einem Patent), im vorliegenden Fall reichen die von der Klägerin zur Übertragungskette vorgetragenen Details – im Hinblick auf den nichteingetragenen Zwischenerwerb der D – aber jedenfalls nicht aus, die Vermutungswirkung des Patentregisters zu erschüttern. Denn die Übertragungskette war nach dem Vortrag der Klägerin zwischen sämtlichen Parteien von vornherein abgestimmt und die D gerade einmal für einen Zeitraum von zwei Tagen Inhaberin der dem Klagepatent vorausgegangenen Patentanmeldung. Die Eintragung der CC , die von vornherein nur als Zwischenerwerberin fungieren sollte, wäre reine Förmelei gewesen. Insofern genügt die Eintragung der R im Patentregister, um dessen Indizwirkung zu erhalten.
1723.
173Die insoweit bestehende Vermutung hinsichtlich der Inhaberschaft der Klägerin am Klagepatent wird bestätigt durch die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und die aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 27.11.2015 und 01.12.2015 durchgeführte Zeugenvernehmung. Hiernach steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die R das Klagepatent durch Patentübertragungsvertrag vom 27.02.2014 an die Klägerin übertragen hat (nachfolgend: ÜV III).
174Nur äußerst hilfsweise für den Fall, dass man der Erteilung des Patents im Hinblick auf die materielle Berechtigung keine rechtsbegründende Wirkung beimessen wollte, stellt die Kammer fest, dass aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme auch zu ihrer Überzeugung feststeht, dass die Streithelferin die das Klagepatent betreffende Anmeldung durch Übertragungsvertrag vom 11.02.2013 an die D übertragen hat (nachfolgend: ÜV I), die diese sodann durch Übertragungsvertrag vom 13.02.2013 an die R weiter übertragen hat (nachfolgend: ÜV II).
175a) Grundsätze
176Für die Entstehung, die Rechteinhaberschaft, den Bestand und die Übertragung des Patents gilt das Schutzlandprinzip (lex loci protectionis). Dieses ist zwingend und einer abweichenden Rechtswahl der Parteien nicht zugänglich. Die Anknüpfung an das Schutzlandprinzip bedeutet, dass für die Anforderungen an die Übertragung eines Patents das Recht desjenigen Staates heranzuziehen ist, in dem das Patent seinen territorialen Schutz entfaltet (vgl.: Kühnen, GRUR 2014, 137, 142 f.). Entsprechend ist vorliegend, da der deutsche Teil eines europäischen Patents im Streit steht, die Wirksamkeit der vorgetragenen Patentübertragungen nach deutschem Recht zu beurteilen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass von den Übertragungsverträgen zugleich weitere ausländische Schutzrechte umfasst waren (vgl.: OLG München, GRUR-RR 2006, 130).
177aa)
178Mangels besonderer gesetzlicher Vorgaben kann die Übertragung eines Patents im deutschen Recht durch schlichte Übereinkunft zwischen dem bisherigen Inhaber und dem in Aussicht genommenen Patenterwerber erfolgen. Der Einhaltung einer besonderen Form bedarf es gemäß Art. 72 EPÜ nur für europäische Patentanmeldungen (LG Düsseldorf, GRUR Int. 2007, 347, 350 – Medizinisches Instrument). Für die Übertragung dieser Patentanmeldungen erfordert Art. 72 EPÜ aus Gründen der Rechtsklarheit die Schriftform. Für das EPA soll aus lediglich einer einheitlichen Urkunde nachvollziehbar sein, dass und an wen eine Übertragung der europäischen Patentanmeldung stattgefunden hat und ob diese Übertragung - etwa im Hinblick auf die Vertretungsbefugnis der tatsächlich handelnden Personen - wirksam zustande gekommen ist. Durch die Schriftform soll ermöglicht werden, die materielle Berechtigung an der Patentanmeldung vertragsweit auf einfache und zugleich sichere Weise feststellen zu können (vgl. BGH, GRUR 1992, 692, 693 - Magazinbildwerfer). Die Schriftform steht im Zusammenhang mit der auch im Übrigen vorgesehenen Schriftlichkeit im Verfahren gegenüber dem EPA (vgl. etwa Art. 99 Abs. 1 Satz 2, Art. 108 Satz 1, Art. 121 Abs. 2 EPÜ).
179Das Erfordernis der Schriftform nach Art. 72 EPÜ geht Formerfordernissen des nationalen Rechtsvor, da Art. 72 EPÜ die Frage der Form der Übertragung der europäischen Patentanmeldung abschließend regelt. Die schriftliche Vereinbarung im Sinne des Art. 72 EPÜ muss das Schutzrecht bezeichnen, den Willen zu dessen Übertragung wiedergeben und jedenfalls auch insoweit die Unterschrift der beiden Vertragsparteien tragen (BGH, GRUR Int. 1993, 548 ff. – Magazinbildwerfer). Für die Einhaltung der Schriftform des Art. 72 EPÜ ist es nicht unbedingt erforderlich, dass die Unterschrift auf jeder Seite eines mehrseitigen Dokuments steht. Erforderlich ist nur, dass der auf mehreren Seiten stehende Text den Willen der unterzeichnenden Personen darstellt und entsprechend von der Unterschrift gedeckt ist (Fitzner/Lutz/Bodewig/Heinrich, Patentrechtskommentar, 4. Auflage 2012, Art. 72 EPÜ Rn 6). Dies kann nicht nur durch eine Unterschrift/Paraphierung auf jeder Seite des Vertrages oder eine Heftung oder ähnlich feste Verbindung der einzelnen Vertragsseiten deutlich gemacht werden, sondern auch mittels einer Beweiserhebung – etwa durch die Vernehmung von Zeugen – geklärt werden.
180bb)
181Ob ein bestimmter über das Klagepatent abgeschlossener Vertrag dessen materielle Übertragung zum Gegenstand hat, ist im Streitfall durch Auslegung zu ermitteln. Die Auslegung ist nach denjenigen gesetzlichen Regeln vorzunehmen, die das Vertragsstatut vorgibt. Haben für die Parteien des Übertragungsvertrages Bevollmächtigte gehandelt, entscheidet das Vertragsstatut auch darüber, ob die Voraussetzungen einer wirksamen Stellvertretung gegeben sind. Wird nach erfolgter, ggf. ausländischem Vertragsrecht folgender Auslegung und Beurteilung der Vertretungsverhältnisse eine den Geschäftsherrn bindende Übertragungsabsprache bejaht, entscheidet deutsches Recht darüber, ob die verabredete Patentübertragung den Anforderungen an ein solches Verfügungsgeschäft genügt (vgl.: Kühnen, GRUR 2014, 137, 142 f.).
182b) Übertragungsvertrag Streithelferin – CC
183Die Klägerin hat schlüssig dargetan und bewiesen, dass die Streithelferin die dem Klagepatent vorausgehende Patentanmeldung als Teil eines Portfolios mit Vertrag vom 11.02.2013 an die D (E-Sub) übertragen hat.
184aa)
185Die Klägerin hat die Übertragungsvereinbarung zwischen der Streithelferin und der D vom 11.02.2013 mit Schriftsatz vom 17.11.2015 im Original vorgelegt. Dass dieses Original nicht vollständig mit dem zuvor von der Klägerin als Kopie eingereichten Exemplar des ÜV I übereinstimmt, heißt nicht, dass die darin enthaltene Vereinbarung zwischen den Parteien nicht wirksam zustande gekommen ist. Die Zeugen J , K und X haben übereinstimmend ausgesagt, dass sowohl das Original als auch die Kopie ihre Unterschriften aufweisen und die Unterschiede auf den Unterschriftsseiten daher rühren können, dass sie den Vertrag mehrfach unterzeichnet haben. Die Zeugen haben zudem gegenseitig ihre Unterschriften verifiziert.
186Die Unterzeichnung des Vertrages kam nach übereinstimmender Aussage der drei Zeugen in Schweden zu Stande und zwar im Rahmen eines Leadership-Meetings, das am 7. Februar 2013 am Hauptsitz von Y in der Nähe von Stockholm stattfand. Aus Anlass dieses Leadership-Meetings befand sich auch der Zeuge X zu diesem Zeitpunkt in Schweden. Die Zeugen stimmten darin überein, dass die Unterschriften von dem In-House Anwalt der Streithelferin, Herrn DD , gesammelt wurden, da es sich bei dem ÜV I um einen internen Vorgang innerhalb der Y UnternehmensgrZ pe gehandelt habe.
187Zugleich wiesen alle drei Zeugen darauf hin, dass der ÜV I nur ein Teil einer größeren Transaktion gewesen sei und die spätere Übertragung der Patente an die H Unternehmensgruppe vorbereitet habe. Die Zeugin K schilderte detailliert, wie üblicherweise die Unterzeichnung von Verträgen bei transkontinentalen Vereinbarungen ablaufe. Die Dokumente würden per e-mail ausgetauscht, wobei im Regelfall der Vertragstext und die Unterschriftsseite als separate pdf-Dokumente verschickt würden. Die Unterschriftsseite werde ausgedruckt, unterzeichnet, eingescannt und zurückgesandt. Die beauftragte Anwaltskanzlei sammele die Unterschriftsseiten, füge diese mit dem Vertragstext zusammen und stelle sicher, dass die korrekten Anlagen beiliegen. Mittlerweile werde häufig vereinbart, dass die pdf-Dokumente als Originale gelten sollen, weshalb auf die Originale nicht mehr so viel Wert gelegt werde. Die Üblichkeit dieses Vorgehens wurde von den Zeugen J und M dem Grunde nach bestätigt. Der Zeuge BB ergänzte dies im Rahmen seiner Vernehmung dahingehend, dass die beteiligten Kanzleien die Unterschriftsseiten austauschen und deren Erhalt bestätigen würden.
188Die Zeugen J , K und X haben weiter übereinstimmend ausgesagt, dass vorliegend die Gesamttransaktion von der amerikanischen Rechtsanwaltskanzlei EE begleitet worden sei, die die Verträge ausgearbeitet, bei sich gesammelt und sichergestellt habe, dass alles ordnungsgemäß unterzeichnet gewesen sei. Für den ÜV I habe, da sämtliche der unterzeichnenden Personen in Schweden gewesen seien, Herr FF die Unterschriften gesammelt. Der Umstand, dass die Verträge durch die amerikanische Kanzlei EE vorbereitet wurden, erklärt, warum der ÜV I verschiedene Papierformate aufweist. Denn europäische und amerikanische Formate unterscheiden sich geringfügig und es erscheint vor dem Hintergrund der Zeugenaussagen durchaus möglich, dass einzelne Seiten in den USA und andere in Schweden ausgedruckt wurden.
189Soweit es im Rahmen der Unterzeichnung des ÜV I eine Änderung im Vertragsinhalt gegeben hat, an die sich die Zeugen im einzelnen nicht mehr erinnern konnten, stimmten sie sämtlich darin überein, dass es sich allenfalls um ein Detail gehandelt habe, um dass sich die Rechts- bzw. Patentabteilung gekümmert habe. Die drei vorgenannten Zeugen waren sich bei der Unterzeichnung des Vertrages darüber im Klaren, dass mit dem ihnen zur Unterschrift vorgelegten Vertrag eine Reihe von Patenten und Patentanmeldungen der Streithelferin auf deren hundertprozentige Tochtergesellschaft, die CC , übertragen werden sollten. Dass die Zeugen hierbei nicht im Einzelnen wussten, welche Patente und Patentanmeldungen - insbesondere mit welchen Patentnummern - übertragen werden sollten, hindert die Wirksamkeit des Vertrages nicht. Insofern haben sich alle drei Zeugen in der konkreten Ausgestaltung des Vertrages auf ihre Anwälte verlassen; ihr Vertragsbindungswille bezog sich auf die grundsätzliche Übertragung von Patenten von der Streithelferin auf die CC , wobei die Details durch die hierfür bevollmächtigten Anwälte geregelt werden sollten. Dass sich die Kenntnis und damit der Wille der Zeugen nicht auf jedes Detail des Vertrages bezog, steht der Annahme eines wirksamen Vertragsschlusses nicht entgegen. Dies entspricht vielmehr der üblichen Arbeitsteilung innerhalb größerer Unternehmen. Die eingeschalteten Anwälte handelten als Vertreter der Unterzeichnenden. Dies gilt auch für den gegenseitigen Empfang der Willenserklärungen.
190bb)
191Die Kammer ist davon überzeugt, dass der ÜV I die Übertragung der dem Klagepatent vorausgehenden Patentanmeldung von der Streithelferin an die D umfasste. Die gemäß Ziffer 1 des ÜV I übertragenen Patente und Patentanmeldungen sind in Anhang A aufgelistet. Zu den dort genannten Patenten gehört u.a. das Klagepatent bzw. die diesem vorausgehende Anmeldung. Insofern ist der Vertrag hinreichend bestimmt. Es ist zwar richtig, dass die fehlende feste Verbindung der Seiten und die fehlende Paraphierung die Feststellung erschwert, mit welchem Inhalt der Vertrag geschlossen wurde, es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Klagepatent nicht Gegenstand des Vertrages sein sollte. Im Gegenteil, das Klagepatent taucht in beiden der in diesem Rechtsstreit vorgelegten Listen von Patenten auf. Soweit es hier also verschiedene Versionen von Patentlisten gegeben hat, ist dies jedenfalls im Hinblick auf das Klagepatent unschädlich. Des Weiteren kann der Umstand, dass die Rechteinhaberschaft an dem Patent im Register geändert wurde, zumindest als ein Indiz dafür gelten, dass das Klagepatent von den Übertragungen umfasst sein sollte. Schließlich zeigt auch die Stellung von Y als Streithelferin der Klägerin in diesem Rechtsstreit, dass der Wille des Vorstandes von Y dahin ging, das Klagepatent an die D und von dieser an den H Unternehmenskonzern zu übertragen. Dieser Wille des Vorstandes wurde durch die den ÜV I unterzeichnenden Personen ausgeführt. Insofern konnte die Zeugin K bestätigen, dass Patente aus dem Bereich des Mobilfunks betreffend 2G, 3G und 4G ausgewählt wurden.
192cc)
193Vor diesem Hintergrund genügt der ÜV I auch den Anforderungen an die Schriftform im Sinne des Art. 72 EPÜ. Durch die durchgeführte Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Unterschriften unter dem Vertrag sich auf den darüber stehenden Vertragstext bezogen. Die Vereinbarung gibt den Willen der Streithelferin wieder, die im Anhang aufgelisteten Patente an die D zu übertragen, die wiederum diese Abtretung angenommen hat. Zugleich ist die Kammer aufgrund der Aussagen der Zeugen J , K , X, M und BB davon überzeugt, dass der Vereinbarung eine Liste mit Patenten beigefügt war, die jedenfalls das Klagepatent bzw. die diesem vorausgehende Anmeldung umfasste. Sofern nicht sicher festgestellt werden konnte, ob diese Liste jedem der Unterzeichnenden vor oder bei der Unterzeichnung des Vertrages vorlag, ist dies im Rahmen des Art. 72 EPÜ unschädlich. Denn angesichts des Zwecks dieser Vorschrift, gegenüber dem EPA Rechtsklarheit zu schaffen, ist es ausreichend, dass die Liste jedenfalls im Rahmen des Closings dem Vertrag hinzugefügt wurde und dies von dem Willen der unterzeichnenden Personen gedeckt war. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest.
194dd)
195Soweit die Beklagten die Existenz der D bestreiten, sieht die Kammer hierfür keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.11.2015 in Kopie das L of D vom 11.12.2012 vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass die D durch ihre Gesellschafter, die GG und die HH , gegründet wurde. Dass zu diesem Dokument kein Original vorgelegt werden konnte, bedeutet nicht, dass die D in Wirklichkeit nicht existiert.
196Vielmehr haben die Zeugen J und M bestätigt, das L of D vom 11.12.2012 für die AB II unterzeichnet zu haben. Dass sie an den Vertragsinhalt im Einzelnen keine Erinnerung mehr hatten, ist unschädlich. Die Zeugin J konnte sich jedenfalls daran erinnern, dass die D eigens zur Durchführung der Patentübertragung von der Streithelferin auf die H Unternehmensgruppe gegründet wurde. Auch der Zeuge M konnte dies bestätigen, wobei er sich zu erinnern meinte, dass die D gegründet worden sei, weil die Streithelferin keine eigenständige Niederlassung in den USA haben wollte. Beide Zeugen konnten mit Sicherheit bestätigen, dass das vorgelegte Agreement of D ihre Unterschrift trägt. Der Zeuge M hatte sogar noch eine konkrete Erinnerung an die Unterzeichnung des Dokuments, da er zu dem Zeitpunkt, als seine Unterschrift angefordert wurde, krank war, und erst zwei Tage später wieder im Büro war, um das Dokument zu unterzeichnen. Seine zeitliche Angabe „vor Weihnachten 2012“ stimmt überein mit dem in dem Agreement angegebenen Datum, dem 11.12.2012. Soweit er das Dokument erst einige Tage nach dem 11.12.2012 unterzeichnet haben sollte, ist dies für die rechtswirksame Gründung der D unerheblich. Die Zeichnungsbefugnis der Zeugen J und M ergibt sich aus der Gründungsurkunde der AB II . Beide Zeugen konnten bestätigen, im Dezember 2012 für die AB II zeichnungsbefugt gewesen zu sein. Der Zeuge M hat dies dahingehend konkretisiert, dass zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam zeichnungsbefugt gewesen seien. Desweiteren konnte er bestätigen, dass die Vertretungsverhältnisse bei der AB II über längere Zeit gleich geblieben sind. Die Zeugen J und M , beides Vorstandsmitglieder der AB II , waren daher für die Unterzeichnung des L of D im Dezember 2012 gemeinsam zeichnungsbefugt.
197Für die AB Parentesen hat die Zeugin AA den Gesellschaftsvertrag unterzeichnet. Auch sie hat ihre Unterschrift – und die Unterschriften der Zeugen J und M – eindeutig erkannt. Ihre Vertretungsbefugnis für die AB Parentesen ergibt sich aus deren Registrierungszertifikat. Insofern hat die Zeugin AA bestätigt, im Dezember 2012 Vorstandsmitglied der AB Parentesen und für diese allein zeichnungsberechtigt gewesen zu sein
198Die Kammer sieht - auch wenn die Zeugen nicht mit den Details des L of D vertraut waren – vor diesem Hintergrund keinerlei Anlass, die Existenz der D ernsthaft in Zweifel zu ziehen.
199Dies gilt auch in Ansehung des Umstandes, dass die Dokumentennummern nicht auf allen Seiten des vorgelegten Agreements übereinstimmen. Dies lässt sich ohne weiteres damit erklären, dass die Verträge durch die amerikanische Kanzlei EE vorbereitet wurden und einen Abstimmungsprozess zwischen den beteiligten Unternehmen durchlaufen haben. Die Unterschriftenseite weist einen eindeutigen Bezug zu dem übrigen Teil des Agreements auf, da sie einen Verweis auf das JJ enthält und die Gesellschaften aufführt, die auch auf der ersten Seite des Vertrages genannt werden.
200ee)
201Die Zeuginnen J und K verfügten bei der Unterzeichnung des ÜV I für die Streithelferin über die hierzu erforderliche Vertretungsmacht. Bei der Streithelferin handelt es sich um eine Aktiengesellschaft, die nach schwedischem Recht gegründet wurde. Die Vertretungsbefugnis der Zeuginnen J und K ergibt sich aus der Registrierungsurkunde der Streithelferin. Darin sind die Zeuginnen J und K als besonders autorisierte Personen („specially authorized signatories“) aufgeführt. Unter dem Punkt „signatory power“ ist die Vertretungsmacht für die Streithelferin dergestalt geregelt, dass Frau J die Streithelferin gemeinsam mit Frau K vertreten kann. Dies haben die Zeuginnen so auch im Rahmen ihrer Vernehmung bestätigt. Die Zeugin J hat ergänzend ausgeführt, bereits seit etwa zehn Jahren für die Streithelferin zeichnungsbefugt zu sein.
202Ausweislich der Stellungnahme der schwedischen Rechtsanwälte KK und LL aus der Kanzlei MM vom 28.07.2015 ist eine solche Regelung nach schwedischem Recht möglich (s. S. 14-16 des Gutachtens). Hiernach wird eine schwedische Gesellschaft nach dem Aktiengesetz grundsätzlich durch ihren Vorstand vertreten. Es ist allerdings möglich, die Vertretungsmacht auf einzelne „Sonderunterzeichner der Gesellschaft“ zu übertragen. Die Befugnisse eines solchen Sonderunterzeichners entsprechen denjenigen des Vorstands. Diese Grundsätze belegen die Rechtsanwälte N durch den Verweis auf die entsprechenden Vorschriften des schwedischen Aktiengesetzes. Konkrete Einwände gegen die Ausführungen der beiden Anwälte tragen die Beklagten nicht vor und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Kammer hat keinerlei Zweifel daran, dass die Zeuginnen J und K nach schwedischem Recht über die erforderliche Vertretungsbefugnis verfügten, um den ÜV I zu unterzeichnen.
203ff)
204Die D wurde beim Abschluss des ÜV I wirksam durch die AB II , diese wiederum durch Herrn X, vertreten.
205Bei der D handelt es sich um eine nach dem Recht des US-Staates Delaware gegründete Gesellschaft. Auf eine solche Gesellschaft findet der NN (DLLCA) Anwendung. Gemäß § 18-402 DLLCA sind bei einer LLC nach dem Recht des Staates Delaware grundsätzlich alle Gesellschafter geschäftsführungs- und vertretungsbefugt. Die Geschäftsführung kann jedoch durch ein sog. Operating Agreement auf einen oder mehrere Geschäftsführer übertragen werden. In einem solchen Fall bezeichnet man die Gesellschaft auch als eine „OO “. Dies wird beschrieben in dem Handbuch „Drafting Delaware Limited Liability Company Agreements: Forms and Practise Manual“ des US-Rechtsanwaltes PP , 3. Auflage 2014. Aus § 18-101 (10) und § 18-101 (12) DLLCA ergibt sich zudem, dass Geschäftsführer nicht nur eine natürliche, sondern auch eine juristische Person sein kann. Bestätigt wird dies durch die Stellungnahme des Herrn Professor QQ (s. das Gutachten vom 23.07.2015, S. 2, vorletzter Absatz).
206Gemäß Ziffer 5 des „L of CC “ handelt es sich bei der D um eine OO , deren Geschäftsführer die AB II ist. In dieser Zifffer findet sich weiter die Regelung, dass der Geschäftsführer berechtigt ist, alle Handlungen vorzunehmen, die für Vertragsschlüsse und deren Durchführung notwendig sind. Außerdem sollte die AB II berechtigt sein, jegliche Verantwortung oder Berechtigung an einen leitenden Mitarbeiter, Angestellten oder Beauftragten zu delegieren. Hierin liegt die Gestattung zur Erteilung von Untervollmachten. Dies ist nach schwedischem Recht möglich. Ausweislich der Stellungnahme der Rechtsanwälte N (Gutachten vom 28.07.2015, S. 14) können Aktiengesellschaften nach schwedischem Recht neben dem Vorstand und dem Geschäftsführer durch „Sonderunterzeichner der Gesellschaft“ oder besonders bevollmächtigte Personen vertreten werden.
207Von dieser Möglichkeit hat die AB II durch Erteilung der Vollmacht vom 11.02.2013 Gebrauch gemacht. Die Vollmachtsurkunde hat die Klägerin im Original zur Akte gereicht. Die zuvor eingereichte Kopie stimmt mit dem Original überein. Unterschrieben ist die Vollmacht von den Zeugen J und M . Diese gehören ausweislich der Registrierungsurkunde der AB II dem Vorstand der Gesellschaft an und verfügen gemeinsam über die erforderliche Vertretungsmacht für die AB II (s.o.). In ihrer Vernehmung haben sie bestätigt, die entsprechende Vollmacht für Herrn X und Herrn RR ausgestellt zu haben. Dabei hatte der Zeuge M aufgrund eines Scherzes zwischen ihm und Herrn FF sogar noch eine konkrete Erinnerung an die Unterzeichnung des Dokumentes. Er wusste außerdem noch, dass Herr RR und Herr X aus bestimmten Gründen bevollmächtigt wurden. Insbesondere an Herrn RR konnte er sich als besonders zuverlässigen Mitarbeiter erinnern.
208Die Vollmacht gewährt den Herren SS X und SS RR jeweils Einzelvertretungsmacht für sämtliche Vereinbarungen und Erklärungen, die die D in Bezug auf die Durchführung des Master Sales Agreement zu schließen bzw. abzugeben hat. Entsprechend hatte Herr X die erforderliche Vertretungsmacht, um die D bei der Übertragung des Klagepatents wirksam vertreten zu können.
209Sofern Herr X den ÜV I bereits vor dem „effektive date“ am 11.02.2013 unterzeichnet hat, wofür seine Aussage spricht, den Vertrag am 07.02.2013 im Rahmen des Leadership-Meetings in Schweden unterschrieben zu haben, deutet die Aussage der Zeugin J darauf hin, dass auch die Vollmacht einige Tage vor dem 11.02.2013 unterzeichnet und dann vorgehalten wurde. Denn die Zeugin J hat ausgesagt, dass alle Dokumente zur selben Zeit vorbereitet worden seien. Selbst wenn aber die Vollmacht tatsächlich erst nach dem 11.02.2013 unterzeichnet worden wäre, wäre dies unschädlich, da jedenfalls zum „effective date“ und damit zum Inkrafttreten des ÜV I die erforderliche Vollmacht vorlag. Dies ist ausreichend, um eine wirksame Stellvertretung anzunehmen.
210gg)
211Die Kammer sieht keine Veranlassung, die Glaubwürdigkeit der Zeugen J , K , X und M anzuzweifeln. Ihre Aussagen erscheinen der Kammer glaubhaft, da sie frei von Widersprüchen sind und die Zeugen sich erkennbar bemüht haben, kenntlich zu machen, an welchen Punkten sie über eine konkrete Erinnerung verfügen und hinsichtlich welcher Umstände sie sich unsicher sind. Der Vergleich der Aussagen der Zeuginnen J und K ließ dabei erkennen, dass die Detailkenntnis bei der Zeugin K , die als Leiterin der Rechtsabteilung mit den Vorgängen im Einzelnen näher befasst war als die Zeugin J , ausgeprägter war, was der Lebenswirklichkeit entsprechen dürfte und darauf hindeutet, dass die Zeugen sich im Vorfeld der Beweisaufnahme nicht detailliert abgesprochen haben. Die Zeugin J hat im Rahmen ihrer Vernehmung wiederholt darauf hingewiesen, mit den Details der Transaktion nicht vertraut gewesen zu sein, hatte aber durchaus Kenntnis von der Gesamtkonzeption der Transaktion. Der Zeuge M hat der Kammer den Eindruck vermittelt, sehr genau zu arbeiten und seine Unterschrift keinesfalls unbedacht zu leisten. Entsprechend hatte er teilweise eine sehr genaue Erinnerung an die Umstände der Unterzeichnung. Dies gilt auch für den Zeugen X, der sich noch daran erinnern konnte, seine Unterschriften in einer Pause eines am 7.2.2013 im Hauptquartier von Y abgehaltenen Leadership-Meetings geleistet zu haben. Insofern stimmt seine Aussage mit der der Zeugin K überein.
212Soweit die Zeugen im Vorfeld ihrer Vernehmung mit den Anwälten der Streithelferin Kontakt hatten, hielt sich dieser Kontakt nach der Überzeugung der Kammer im üblichen Rahmen einer Information ausländischer Zeugen über den Ablauf, den Inhalt und den Grund ihrer Vernehmung. Eine Beeinflussung der Zeugen vermochte die Kammer nicht zu erkennen.
213c) Übertragungsvertrag D - H LLC
214Die Klägerin hat schlüssig dargelegt und bewiesen, dass die D die dem Klagepatent vorausgehende Patentanmeldung mit Vertrag vom 13.02.2013 an die R abgetreten hat.
215aa)
216Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.11.2015 das Original des ÜV II vorgelegt. Dass dieses Original nicht vollständig mit dem zuvor von der Klägerin als Kopie eingereichten Exemplar des ÜV II übereinstimmt, ist insofern unschädlich, als die Unterzeichner des Vertrages im Rahmen ihrer Vernehmung bestätigt haben, eine Vereinbarung mit dem wiedergegebenen Inhalt abgeschlossen zu haben. Beide Zeugen haben ihre Unterschrift verifiziert.
217Soweit sich die Unterschrift des Herrn X auf dem als Original zur Akte gereichten ÜV II von der Unterschrift auf der Kopie unterscheidet, kann dies seine Ursache darin haben, dass die Verträge ggf. zweifach unterzeichnet wurden. Dies ist nach den Aussagen der Zeugen durchaus nicht unüblich. Auch der Zeuge O hielt dies für denkbar und hat bestätigt, üblicherweise bei derartigen Verträgen zwei Exemplare zu unterzeichnen. Der Zeuge X hatte hieran zwar keine konkrete Erinnerung mehr, wusste aber noch, „viele“ Unterschriften geleistet zu haben. Soweit der Vertrag unterschiedliche Papierformate aufweist, lässt sich dies damit erklären, dass ggf. einzelne Seiten in den USA auf dem dort gängigen Papierformat und einzelne Seiten in Schweden auf dem dort üblichen Papierformat ausgedruckt wurden.
218Der Zeuge O hat im Rahmen seiner Vernehmung ausgeführt, dass die Verträge von der amerikanischen Kanzlei TT ausgehandelt worden seien. Diese Kanzlei sei im Rahmen der Transaktion vorbereitend rechtsberatend tätig geworden und habe dann ganz konkret die Transaktion begleitet, indem sie die Verträge ausgearbeitet und die Unterzeichnung koordiniert habe. Er selbst habe die Verträge zur Unterschrift von TT vorgelegt bekommen. Dabei habe ein enger Austausch mit dem Zeugen BB stattgefunden, der die Transaktion als In-House Anwalt begleitet habe und insofern über Detailkenntnisse verfügte. Dies wurde von dem Zeugen BB so bestätigt. Der Zeuge O erklärte weiter, er sei nicht für die rechtlichen Details zuständig gewesen. Er habe vielmehr das Unternehmensziel festgelegt, das dann von den Anwälten konkret umgesetzt worden sei. Die Gegenseite, d.h. Y , sei bei der Transaktion von der Kanzlei EE vertreten worden. Über diese beiden Kanzleien seien die Verträge ausgetauscht worden.
219Dies hat der Zeuge X im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt. Auch er hat ausgesagt, über die wesentlichen Grundzüge der Transaktion informiert gewesen zu sein, die Details aber seinen Anwälten überlassen zu haben. Dies sei zum einen Herr DD als In-House Anwalt, zum anderen die Kanzlei EE als externer Berater gewesen.
220Beide Zeugen konnten sich zwar an die Details des ÜV II nicht erinnern, wussten aber, dass es um eine strukturierte Übertragung von Y -Patenten aus dem Bereich Mobilfunk auf die R ging. Dass sie hierbei keine Kenntnis von den konkreten Patenten, insbesondere den einzelnen Patentnummern, hatten, hindert die Wirksamkeit des Vertrages nicht. Denn die Details haben beide Zeugen ihren Anwälten überlassen, die als ihre Vertreter gehandelt haben und in dieser Eigenschaft auch die Willenserklärung der Gegenseite entgegennehmen konnten.
221bb)
222Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass der ÜV II die Übertragung der dem Klagepatent vorausgehenden Patentanmeldung von der D auf die R umfasste. Die gemäß Ziffer 1 des ÜV II übertragenen Patente und Patentanmeldungen sind in Anhang A aufgelistet. Zu den dort genannten Patenten gehört u.a. das Klagepatent bzw. die diesem zugrunde liegende Patentanmeldung. Insofern ist der Vertrag hinreichend bestimmt. Es ist zwar richtig, dass die fehlende feste Verbindung der Seiten und die fehlende Paraphierung die Feststellung erschwert, mit welchem Inhalt der Vertrag geschlossen wurde, es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die dem Klagepatent vorausgehende Patentanmeldung nicht Gegenstand des Vertrages sein sollte. Im Gegenteil, die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung ist in beiden der in diesem Rechtsstreit vorgelegten Listen von Patenten und Patentanmeldungen enthalten. Soweit es hier also verschiedene Versionen von Patentlisten gegeben hat, ist dies jedenfalls im Hinblick auf das Klagepatent und die diesem vorausgehende Anmeldung unschädlich. Des Weiteren kann der Umstand, dass die R als Inhaberin im Patentregister eingetragen wurde, zumindest als ein Indiz dafür gelten, dass die dem Klagepatent zugrunde liegende Patentanmeldung von den Übertragungen umfasst sein sollte.
223cc)
224Vor diesem Hintergrund genügt der ÜV II den Anforderungen an die Schriftform im Sinne des Art. 72 EPÜ. Durch die durchgeführte Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Unterschriften unter dem Vertrag sich auf den darüber stehenden Vertragstext bezogen. Die Vereinbarung gibt den Willen der D wieder, die im Anhang aufgelisteten Patente an die R zu übertragen, die wiederum diese Abtretung angenommen hat. Zugleich ist die Kammer davon überzeugt, dass der Vereinbarung eine Liste mit Patenten beigefügt war, die jedenfalls das Klagepatent bzw. die diesem vorausgehende Anmeldung umfasste. Sofern nicht sicher festgestellt werden konnte, ob diese Liste den Unterzeichnenden vor oder bei der Unterzeichnung des Vertrages vorlag, ist dies im Rahmen des Art. 72 EPÜ unschädlich. Denn angesichts des Zwecks dieser Vorschrift, gegenüber dem EPA Rechtsklarheit zu schaffen, ist es ausreichend, dass die Liste jedenfalls im Rahmen des Closings dem Vertrag hinzugefügt wurde und dies von dem Willen der unterzeichnenden Personen gedeckt war. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest.
225dd)
226Hinsichtlich der wirksamen Vertretung der D durch Herrn X wird auf die Ausführungen zum ÜV I verwiesen, die im Rahmen des ÜV II entsprechend gelten.
227ee)
228Die R ist im Rahmen des ÜV II wirksam von dem Zeugen O vertreten worden. Der Zeuge O hat ausgesagt, im Februar 2013 President und Chief Executive Officer der R und Chief Executive Officer der Z Inc. gewesen zu sein. Diese Aussage haben die Zeugen T und BB im Rahmen ihrer Vernehmung gestützt.
229Die Position des Zeugen O als CEO der Z Inc. wird außerdem durch die von der Klägerin vorgelegten Proxy Statements der E vom 27.09.2012 und 01.10.2013 und eine Pressemitteilung der E vom 19.02.2013 bestätigt. Das Protokoll des Board Meetings der Z Inc. vom 10.01.2013 enthält den Beschluss des Vorstandes der Z Inc. zur Umsetzung des MSA und der nachfolgenden Patentübertragungsverträge. In diesem Zusammenhang wurde der Zeuge O als CEO der Z Inc. autorisiert, für die Z Inc. und deren Tochtergesellschaften die „transaction documents“ zu unterzeichnen. Die Zeugen O , T und BB haben im Rahmen ihrer Vernehmung übereinstimmend ausgesagt, dass das Board Meeting der Z Inc. am 10.01.2013 stattgefunden hat und dort die vorstehend bezeichneten Entscheidungen getroffen wurden. Ausweislich Seite 1 des Protokolls waren die Zeugen O und T bei dem „Meeting of the board of directors of H Inc.“ anwesend.
230In Umsetzung der im Rahmen des Board Meetings getroffenen Vorstandsbeschlüsse wurde der Zeuge O durch das UU der R vom 13.02.2013 zum „Initial Officer“ der R ernannt (Ziffer 6.(b)) und im Anhang 1 als „President and Chief Executive Officer“ der R bezeichnet. Unterzeichnet ist dieses Agreement von dem Zeugen O sowohl für die Q als auch für die Z VV ., jeweils in seiner Funktion als CEO für beide Gesellschaften. Die Q und die P waren die Gesellschafter der R , wobei es sich in beiden Fällen um hundertprozentige Tochtergesellschaften der Z Inc. handelt. Die Z WW verfügte ausweislich des „XX “ vom 07.10.2011 über nur einen Director, nämlich Herrn YY O , der daher für die Gesellschaft allein vertretungsbefugt war. Die Geschäftsführung der R wurde der Q übertragen (vgl. Ziffern 1.(k) und 6.(a) des Amended And Restated Operating Agreement). Dies ist nach dem Recht des US-Staates Nevada möglich. Maßgeblich ist insofern der ZZ In Ziffer 86 der AAA (NRS) ist die Vertretung einer nach dem Recht des US-Staates Nevada gegründeten LLC im Einzelnen geregelt. NRS 86.291 bestimmt, dass die LLC durch ihre Gesellschafter oder ihre Manager vertreten werden kann. Die R wurde ursprünglich als BBB gegründet. Am 12.02.2013 wurden die „Articles of Organisation“ allerdings dahingehend geändert, dass die R manager managed wurde. Als Manager kann auch eine juristische Person eingesetzt werden, wie im vorliegenden Fall die Q (vgl. hierzu das Gutachten des US-Anwalts YY Rounds vom 09.11.2015, S. 2).
231Die Q hat die Gesellschaftsanteile an der R durch das Interest Assignment Agreement vom 10.01.2013 von der Z Inc. erworben. Eine solche Anteilsübertragung ist nach NRS 86.351 möglich. Manager der Q war wiederum die Z Inc. (vgl. § 7 des Company Agreement der G Manager LLC vom 09.01.2013). Unterzeichnet wurde das Interest Assignment Agreement auf beiden Seiten von dem Zeugen O , jeweils in seiner Funktion als Chief Executive Officer. Dies ist nach dem maßgeblichen Recht des US-Staates Delaware zulässig (vgl. das Gutachten des Herrn Prof. QQ vom 13.11.2015, S. 3-4). Gleiches gilt im Übrigen auch für das Recht des US-Staates Nevada (vgl. das Gutachten des US-Rechtsanwaltes YY Rounds vom 09.11.2015, S. 2-3).
232Die Echtheit sämtlicher vorgenannten Unterschriften hat der Zeuge O im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt. Die Existenz des Amended And Restated Operating Agreements der R konnte im Übrigen auch der Zeuge T bestätigen, da er dieses Dokument nach seiner Aussage im Rahmen der Verträge, die Gegenstand der gesamten Transaktion waren, gesehen hat. Er hat hierzu weiter ausgesagt, dass diese Vereinbarung für Y von besonderer Bedeutung gewesen sei, da sie die rechtliche Struktur wiedergebe, die Y als Insolvenzsicherheit dienen sollte. Der Zeuge BB hat dies ergänzend dahingehend erläutert, dass es Y gerade darauf angekommen sei, die Q als Geschäftsführer der R einzusetzen. Die Q habe 5 % der Anteile an R gehalten, die P 95 % der Anteile.
233Vor diesem Hintergrund steht die Vertretungsbefugnis des Zeugen O im Rahmen des ÜV II zur Überzeugung der Kammer fest.
234ff)
235Die Kammer sieht keine Veranlassung, an der Glaubwürdigkeit der Zeugen O , T und X zu zweifeln. Soweit Herr O noch als Chairman bei der Z Inc. tätig ist, handelt es sich lediglich um eine beratende Tätigkeit für die Erfinder, die in der Vorgängergesellschaft der Z Inc. gearbeitet und dort Erfindungen getätigt haben. Der Zeuge T steht in keinem Arbeitsverhältnis mehr zur Z . Dass er noch Anteile an dieser hält, reicht für sich genommen nicht aus, seine Glaubwürdigkeit anzuzweifeln.
236Die Aussagen der Zeugen O , T und X sind glaubhaft. Sie stimmen in ihrem grundsätzlichen Gehalt überein. Wesentliche Widersprüche konnte die Kammer nicht feststellen. Der Zeuge O hat an diversen Stellen in seiner Vernehmung zu verstehen gegeben, dass er in die Details der Transaktion nicht involviert war. Er hat aber überzeugend ein Bild von dem Gesamtkonzept der Transaktion gezeichnet, das mit der Aussage des Zeugen X übereinstimmt.
237Soweit die Zeugen O , T und X im Vorfeld ihrer Vernehmung mit den Anwälten der Klägerin Kontakt hatten, hielt sich dieser Kontakt nach der Überzeugung der Kammer im üblichen Rahmen einer Information ausländischer Zeugen über den Ablauf, den Inhalt und den Grund ihrer Vernehmung. Eine Beeinflussung der Zeugen vermochte die Kammer auch hier nicht zu erkennen.
238Soweit die Kammer in den vorstehenden Ausführungen Bezug genommen hat auf Aussagen des Zeugen BB , hat sie hierbei berücksichtigt, dass dieser offenbar in einer sehr engen Beziehung zu den anwaltlichen Vertretern der Klägerin steht und sich mit diesen schon im Vorfeld dieses Rechtsstreits detailliert über die streitgegenständlichen Vorgänge ausgetauscht bzw. ihnen Informationen und Unterlagen verschafft hat. Vor diesem Hintergrund hat die Kammer zwar keine grundsätzlichen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen, hat aber im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit seiner Aussage berücksichtigt, dass bei ihm ein gewisses Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits vorhanden sein mag bzw. gewisse Bestandteile seiner Aussage von den Interessen der Klägerin beeinflusst gewesen sein mögen. Die Kammer hat die Aussage des Zeugen BB daher lediglich insoweit herangezogen, wie sie geeignet war, die Aussagen anderer Zeugen zu bestätigen.
239d) Übertragungsvertrag A - Klägerin
240Schließlich hat die Klägerin substantiiert vorgetragen und bewiesen, dass die R das Klagepatent mit Vertrag vom 27.02.2014 an die Klägerin abgetreten hat.
241aa)
242Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.11.2015 das Original des ÜV III vorgelegt. Dass dieses Original nicht vollständig mit dem zuvor von der Klägerin eingereichten Exemplar des ÜV III übereinstimmt, beeinträchtigt zwar den Beweiswert der als Original vorgelegten Urkunde, das Zustandekommen einer Vereinbarung mit dem im ÜV III festgehaltenen Inhalt steht aber zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest. Der Zeuge T hat, nachdem ihm im Rahmen seiner Zeugenvernehmung das von der Klägerin als Original eingereichte Exemplar des ÜV III vorgehalten worden ist, nicht nur die Echtheit seiner eigenen Unterschrift, sondern auch die des Herrn CCC U bestätigt. Hierzu hat er ausgesagt, mit der Unterschrift des Herrn U vertraut zu sein und diese zu erkennen. Dass der Zeuge T sich an Ort und Zeit seiner Unterschriftsleistung nicht mehr genau erinnern konnte, unterstreicht nur die Glaubhaftigkeit seiner Aussage, hindert aber nicht die Annahme eines wirksamen Vertragsschlusses. Der Zeuge konnte sich nämlich noch genau daran erinnern, den gesamten Vertrag gelesen zu haben, wobei ihm auch eine Liste mit Patenten vorgelegt wurde. Hierzu wusste er noch, dass er Herrn BB gefragt hat, ob er diese Liste durcharbeiten müsse. Dass er sich an die Details dieser Liste – etwa ob sie in schwarz-weiß oder Farbe gedruckt war – nicht mehr erinnern konnte, ist unschädlich. Der Zeuge hatte jedenfalls eine klare Vorstellung davon, dass mit dem zu unterzeichnenden Vertrag ein Patentportfolio von der R auf die Klägerin übertragen werden sollte. Der Zeuge wusste auch, dass aufgrund steuerlicher Gesichtspunkte gerade die europäischen und koreanischen Patente auf die Klägerin übertragen werden sollten. Dies hat auch der Zeuge BB so bestätigt. Soweit in diesem Rechtsstreit zwei Versionen des ÜV III vorgelegt wurden, hielt der Zeuge T es nicht für ausgeschlossen, den Vertrag zweimal unterzeichnet zu haben. Hierdurch lassen sich Unterschiede in den vorgelegten Unterschriftsseiten erklären. Der Zeuge T hat weiter ausgesagt, dass die Unterzeichnung des Vertrages von dem Zeugen BB koordiniert wurde, zugleich aber für die Transaktion auch die Rechtsanwaltskanzlei TT beauftragt war. Dies deckt sich mit der Aussage des Zeugen O . Insofern ist den Zeugenaussagen auch zu entnehmen, dass die hinzugezogenen Anwälte bevollmächtigt waren, die Willenserklärungen der Vertragsparteien weiterzuleiten und entgegenzunehmen. Der Zeuge BB hat zudem ausgesagt, dass beide Vertragsparteien eine elektronische Version der Unterschriftenseite der jeweils anderen Partei erhalten hätten. Insofern ist von einem wirksamen Zugang der Willenserklärungen bei der jeweils anderen Vertragspartei auszugehen.
243bb)
244Die Kammer ist außerdem davon überzeugt, dass der ÜV III die Abtretung des Klagepatents von der R an die Klägerin umfasste. Die gemäß Ziffer 1 des ÜV III übertragenen Patente sind in Anhang A aufgelistet. Zu den dort genannten Patenten gehört unter anderem das Klagepatent. Der Vertrag ist damit hinreichend bestimmt. Die fehlende feste Verbindung der einzelnen Seiten des Vertrages und die fehlende Paraphierung der Seiten erschweren zwar die Feststellung, mit welchem Inhalt der Vertrag im Einzelnen geschlossen wurde, es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Klagepatent nicht von dem ÜV III umfasst sein sollte. Im Gegenteil, das Klagepatent ist in der vorgelegten Liste von Patenten enthalten und es handelt sich um ein europäisches Patent. Eben die europäischen Patente sollten nach der Aussage des Zeugen T Gegenstand der Übertragung sein. Zudem kann der Umstand, dass die Rechteinhaberschaft an dem Klagepatent – mit Zustimmung der R – im Patentregister geändert wurde und die Klägerin nunmehr als Inhaberin des Klagepatents im Register genannt ist, als ein Indiz dafür herangezogen werden, dass der Wille der Vertragsparteien dahin ging, das Klagepatent mit dem ÜV III von der R auf die Klägerin zu übertragen.
245cc)
246Hinsichtlich des ÜV III findet Art. 72 EPÜ keine Anwendung. Denn das Klagepatent wurde am 13.11.2013 erteilt. Übertragen wurde damit im Rahmen des ÜV III nicht eine europäische Patentanmeldung, sondern ein europäisches Patent.
247Ungeachtet dessen genügt aber auch der ÜV III den Anforderungen an die Schriftform im Sinne des Art. 72 EPÜ. Durch die durchgeführte Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Unterschriften unter dem Vertrag sich auf den darüber stehenden Vertragstext bezogen. Die Vereinbarung gibt den Willen der R wieder, die im Anhang aufgelisteten Patente an die Klägerin zu übertragen, die wiederum diese Abtretung angenommen hat. Zugleich ist die Kammer aufgrund der Aussagen der Zeugen T und BB davon überzeugt, dass der Vereinbarung eine Liste mit Patenten beigefügt war, die jedenfalls das Klagepatent umfasste. Sofern nicht sicher festgestellt werden konnte, ob diese Liste den Unterzeichnenden vor oder bei der Unterzeichnung des Vertrages vorlag, ist dies im Rahmen des Art. 72 EPÜ unschädlich. Denn angesichts des Zwecks dieser Vorschrift, gegenüber dem EPA Rechtsklarheit zu schaffen, ist es ausreichend, dass die Liste jedenfalls im Rahmen des Closings dem Vertrag hinzugefügt wurde und dies von dem Willen der unterzeichnenden Personen gedeckt war. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Zeugenvernehmung fest.
248dd)
249Die R wurde bei der Unterzeichnung des ÜV III wirksam von dem Zeugen T vertreten. Der Zeuge hat im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt, zum damaligen Zeitpunkt Chief Financial Officer der Z Inc. und der R gewesen zu sein. Dies wird bestätigt durch das von der Klägerin vorgelegte Protokoll eines Board Meetings der Z Inc. vom 10.01.2013, in dem der Zeuge T als CFO der Z Inc. benannt ist. Darüber hinaus hat auch der Zeuge O angegeben, dass der Zeuge T in den Jahren 2013 und 2014 CFO der Z Inc. und der R gewesen sei. Entsprechend findet sich in dem UU der R vom 13.02.2013 im Anhang 1 der Name des Zeugen T . Gemäß Ziffer 6.(b) des Agreements in Verbindung mit dem Anhang 1 wurde er zum „Initial Officer“ der R ernannt, wobei ihm ausweislich des Anhangs 1 die Funktion des CFO zukam. Gemäß Ziffer 6. (b) des Agreements verfügte der Zeuge T damit über die entsprechende Befugnis, die R im Rahmen des ÜV III zu vertreten.
250ee)
251Die Klägerin wurde beim Abschluss des ÜV III wirksam durch Herrn CCC U vertreten. Die Klägerin ist im irischen Handelsregister als Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach irischem Recht eingetragen. Der Vorstand der Klägerin bestand im Jahr 2014 aus den beiden Vorstandsmitgliedern Herrn T und Herrn CCC U . Dass Herr U bereits am 27.02.2014 – dem Tag des Inkrafttretens des ÜV III „Managing Director“ der Klägerin und damit für diese vertretungsberechtigt war, ergibt sich aus dem Protokoll des Board Meetings der Klägerin vom 27.02.2014. Ausweislich dieses Protokolls wurde Herrn CCC U die Vollmacht erteilt, alle notwendigen Dokumente zur Umsetzung der Patentübertragungen im Rahmen des MSA zu unterzeichnen. Die Zeugen T und BB haben bestätigt, dass ein entsprechendes Board Meeting der Klägerin stattgefunden hat und dort die vorgenannte Entscheidung getroffen wurde. Dass es zwei unterschiedliche Versionen des Protokolls gibt, erklärte der Zeuge T nachvollziehbar damit, dass das Protokoll von seiner Assistentin während der Telefonkonferenz angefertigt worden sei. Die hinzugezogenen irischen Anwälte hätten dann darum gebeten, das Protokoll mehr aus der Sicht der in Irland ansässigen Klägerin zu fertigen. Dies sei so umgesetzt worden und er habe das Protokoll dann nochmals unterzeichnet. Diese Aussage passt zu den in den beiden Protokollversionen angegebenen Daten und der Änderung der im Kopf angegebenen Anschrift in Reno in die Anschrift der Klägerin in Irland. Vor diesem Hintergrund ist die Kammer davon überzeugt, dass das Board Meeting der Klägerin tatsächlich am 27.02.2014 stattgefunden hat und darin Herr CCC U die erforderliche Vertretungsmacht erhielt, den ÜV III zu unterzeichnen.
252ff)
253Die Aussage des Zeugen T ist glaubhaft. Sie weist keine erkennbaren Widersprüche auf und der Zeuge hat sich darum bemüht, deutlich zu machen, an welche Details er keine konkrete Erinnerung mehr hat. Auf der anderen Seite hatte er ein sehr genaues Bild von den Gesamtumständen der Transaktion, das mit den Aussagen der anderen Zeugen übereinstimmt. Soweit die Kammer im Rahmen der Beweiswürdigung Aussagen des Zeugen BB herangezogen hat, gilt das zum ÜV II Gesagte entsprechend.
2544.
255Die von der Klägerin im Wege der Abtretung geltend gemachten Ansprüche auf Rechnungslegung und Schadensersatz für die Zeit vor dem 27.02.2014 unterliegen nicht der Indizwirkung des Patentregisters. Denn über etwaige Abtretungen solcher Ansprüche sagt das Patentregister grundsätzlich nichts aus. Eine Indizwirkung könnte allenfalls insofern bestehen, als dass derjenige, der berechtigt das Patent übertragen durfte, auch berechtigt war, die in der Vergangenheit liegenden Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüche abzutreten. Ob eine solche Indizwirkung angenommen werden kann, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, da nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer feststeht, dass das Klagepatent wie von der Klägerin vorgetragen am 27.04.2014 von der R auf die Klägerin übertragen wurde und dabei die in der Vergangenheit entstandenen Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüche der R mit abgetreten wurden. Hinsichtlich der Wirksamkeit des Übertragungsvertrages wird auf die Ausführungen unter Ziffer 3. verwiesen.
256Der ÜV III umfasste neben der Abtretung des Patents auch die Abtretung von in der Vergangenheit entstandenen Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüchen der R . So heißt es in Ziffer 1 des ÜV III, dass die Übertragung das Recht umfasst, hinsichtlich vergangener, gegenwärtiger oder zukünftiger Verletzungen der Patente Schadensersatz oder andere Formen der Entschädigung einzuklagen und zu erhalten. Die Klägerin soll in allen Angelegenheiten, die die übertragenen Patente betreffen, vollständig und uneingeschränkt an die Stelle der R treten. Dies ist dahingehend auszulegen, dass der ÜV III neben der Abtretung des Klagepatents selbst auch eine Abtretung der in diesem Rechtsstreit streitgegenständlichen Auskunfts-, Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche der R an die Klägerin enthält.
257Die Anwendung des Rechts des Staates Nevada führt zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Die Abtretung europäischer Patente und der aus ihrer Verletzung resultierenden Schadensersatzansprüche ist ausweislich der Stellungnahme der Kanzlei V (Gutachten vom 28.07.2015, S. 6) nach dem Recht des Staates Nevada möglich. Ist dies der Fall, müssen auch die korrespondierenden Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche abtretbar sein, da andernfalls der Schadensersatz nicht beziffert werden könnte.
258Die Beklagten haben gegen das dargelegte Verständnis des ausländischen Rechts keine substantiierten Einwände erhoben.
2595.
260Soweit nach dem Vorstehenden festgestellt werden kann, dass die von der Klägerin vorgetragenen Abtretungen des Klagepatents und der dieses betreffenden Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche rechtswirksam erfolgt sind, stehen dem kartellrechtliche Gesichtspunkte nicht entgegen.
261Das MSA bzw. die nachfolgenden Patentübertragungen verstoßen weder gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften (§§ 35-43 GWB) noch kann eine Unwirksamkeit der Patentübertragungen infolge eines kartellrechtlich verbotenen Eingriffs in den Wettbewerb im Sinne der Art. 101, 102 AEUV angenommen werden.
262Das europäische Kartellrecht findet in den Mitgliedstaaten unmittelbar Anwendung und ist Bestandteil der in den Mitgliedstaaten – und damit auch in Deutschland – geltenden Rechtsordnungen. Das nationale Recht und das Gemeinschaftsrecht finden nebeneinander Anwendung, wobei in Kollisionsfällen dem Gemeinschaftsrecht der Anwendungsvorrang zukommt (Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, Einführung Rn 102 ff.).
263a) Verstoß gegen fusionskontrollrechtliche Vorschriften, §§ 35-43 GWB
264Zusammenschlüsse, die entgegen einer nach § 39 GWB bestehenden Verpflichtung nicht beim Bundeskartellamt angemeldet werden, sind gemäß § 41 Abs. 1 S. 2 GWB (schwebend) unwirksam. Dies setzt voraus, dass die Transaktion erstens einen Zusammenschluss nach § 37 GWB beinhaltet, zweitens die beteiligten Unternehmen die Umsatzschwellen des § 35 GWB überschreiten und drittens der Zusammenschluss Inlandswirkung hat, § 130 Abs. 2 GWB. Dass diese Voraussetzungen vorliegen, kann nicht festgestellt werden.
265Es kann dahinstehen, ob die Übertragung des Patentportfolios der Streithelferin an den Z Unternehmenskonzern nach Maßgabe des MSA einen Vermögenserwerb im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB darstellt oder ob die insbesondere in Artikel 6 des MSA enthaltenen Regelungen einen Kontrollerwerb im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB begründen. Denn ungeachtet dessen haben die Beklagten jedenfalls nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass die in § 35 GWB genannten Umsatzschwellen überschritten werden.
266§ 35 Abs. 1 GWB verlangt für das Bestehen einer fusionskontrollrechtlichen Anmeldepflicht im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss (kumulativ) die folgenden Umsatzerlöse:
267- Weltweite Umsatzerlöse aller beteiligten Unternehmen von insgesamt mehr als 500 Mio. EUR
268- Umsatzerlöse mindestens eines beteiligten Unternehmens in Deutschland von mehr als 25 Mio. EUR (erste Inlandsumsatzschwelle)
269- Umsatzerlöse mindestens eines anderen beteiligten Unternehmens in Deutschland von mehr als 5 Mio. EUR (zweite Inlandsumsatzschwelle)
270Als Beteiligte im Sinne des § 35 Abs. 1 GWB sind diejenigen Unternehmen zu identifizieren, zwischen denen der Zusammenschluss nach § 37 Abs. 1 GWB erfolgt. Dies sind diejenigen Unternehmen, zwischen denen nach dem Vollzug eine relevante Unternehmensverbindung im Sinne des § 37 Abs. 1 GWB besteht, welche vorher noch nicht bestanden hat. Konkret lässt sich diese Frage nur nach Klärung der jeweils verwirklichten Zusammenschlusstatbestände im Sinne des § 37 Abs. 1 GWB beantworten (Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 35 GWB Rn 50). Nach § 36 Abs. 2 GWB gilt hierbei eine Verbundbetrachtung. Materiell zusammenschlussbeteiligt ist immer die gesamte UnternehmensgrZ pe,welcher der unmittelbar zusammenschlussbeteiligte Rechtsträger angehört (Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 35 GWB Rn 51).
271aa)
272Zusammenschlussbeteiligt sind beim Vermögenserwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB neben dem Erwerber (hier: R ) der Veräußerer (hier die Streithelferin) bzw. das übertragene Vermögen. Der Streit, ob auf Seiten des Veräußerers der Veräußerer selbst oder das übertragene Vermögen als Beteiligter anzusehen ist, hat aufgrund der Regelung des § 38 Abs. 5 S. 1 GWB keine praktischen Auswirkungen. Im Fall des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB ist auf der Seite des Veräußerers stets nur der Umsatz zu berücksichtigen, der auf den veräußerten Vermögensteil entfällt (vgl. zum Streitstand: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 37 GWB Rn 68).
273Dass der Umsatz von R bzw. der Z UnternehmensgrZ pe im Geschäftsjahr 2012 in Deutschland über 25 Mio. EUR betrug, behaZ ten die Beklagten selbst nicht. Aber auch hinsichtlich der übertragenen Patente behaZ ten die Beklagten lediglich Umsätze von über 5 Mio. EUR im Geschäftsjahr 2012. Damit fehlt es im Rahmen des § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB jedenfalls an Sachvortrag zu der Überschreitung der ersten Inlandsumsatzschwelle.
274bb)
275Beteiligt an einem Zusammenschluss im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB durch den Erwerb von (Mit-)Kontrolle sind immer alle Unternehmen, die nach Durchführung des Vorhabens durch Kontrolle im Sinne von §37 Abs. 1 Nr. 2 GWB miteinander in Verbindung stehen. Das sind das gemeinsam kontrollierte Gemeinschaftsunternehmen und alle künftig mitkontrollierenden Unternehmen (Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 37 GWB Rn 235), im vorliegenden Fall also R , Z Inc. und die Streithelferin. Die Beklagten haben nicht vorgetragen, dass R , Z Inc. oder auch die gesamte Z Unternehmensgruppe im Geschäftsjahr 2012 Umsätze in Höhe von mehr als 5 Mio. EUR erzielt hätten. Damit fehlt es im Rahmen des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB jedenfalls an der Überschreitung der zweiten Inlandsumsatzschwelle.
276cc)
277Aber auch wenn man davon ausgehen wollte, dass die beiden vorgenannten Zusammenschlusstatbestände nebeneinander erfüllt wären, und damit im Rahmen eines einheitlichen Zusammenschlusses den Kreis der beteiligten Personen auf die Streithelferin, den Z Unternehmensverbund (einschließlich R ) sowie die übertragenen Patente erweitern wollte, reicht der Vortrag der Beklagten nicht aus, um das Überschreiten der zweiten Inlandsumsatzschwelle von 5 Mio. EUR zu begründen. Soweit die Beklagten versuchen, aus einem im MSA angenommenen Wert der übertragenen Patente von mindestens 1,05 Milliarden USD auf angebliche Umsätze mit den übertragenen Patenten in Deutschland rückzurechnen, geht dies schon vom Ansatz her fehl, weil Anlass für den Abschluss des MSA nach Auskunft der Streithelferin gerade der Umstand war, dass die Streithelferin mit den übertragenen Patenten zuvor keine dem Wert der übertragenen Patente entsprechenden Lizenzeinnahmen erzielen konnte. Jedenfalls ihre Einschätzung des Werts der übertragenen Patente – die im MSA zum Ausdruck kommt – dürfte daher nicht mit den im Jahr 2012 mit diesen Patenten erzielten Lizenzeinnahmen korrespondieren. Es steht nicht einmal fest, dass die Streithelferin mit den übertragenen Patenten im Geschäftsjahr 2012 überhaZ t irgendwelche Lizenzeinnahmen in Deutschland erzielt hat. Diese sollten vielmehr nach dem Willen der Vertragsparteien des MSA gerade durch Z generiert werden. Insofern sind auch etwaige Anhaltspunkte im MSA, mit welchen Lizenzeinnahmen die Vertragsparteien ggf. in der Zukunft rechneten, nicht aussagekräftig im Hinblick auf die tatsächlich im Geschäftsjahr 2012 von der Streithelferin erzielten Umsätze mit den übertragenen Patenten in Deutschland. Soweit die Beklagten diesbezüglich auf eine Stellungnahme der Streithelferin gegenüber der United States Securities and Exchange Commission abstellt, betrifft diese das gesamte Patentportfolio der Streithelferin weltweit. Eine Aussage gerade im Hinblick auf die übertragenen Patente und die mit diesen in Deutschland erzielten Umsätze kann ihr nicht entnommen werden.
278dd)
279Soweit die Beklagten meinen, die Klägerin bzw. die Streithelferin treffe im Rahmen des § 35 GWB eine sekundäre Darlegungslast, folgt die Kammer dem nicht. Das Behaupten des Überschreitens der Umsatzschwellen durch die Beklagten erfolgt ins Blaue hinein; konkrete Anhaltspunkte hierfür bestehen nicht. Vor diesem Hintergrund ist kein Anlass ersichtlich, der Klägerin, noch weniger der Streithelferin, eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen, die letztlich der Ausforschung des Sachverhalts durch die Beklagten dienen würde.
280Dies gilt umso mehr, als die Vorschriften der Fusionskontrolle grundsätzlich nicht den Interessen Dritter dienen. §41 Abs. 1 GWB soll vielmehr ein geordnetes Fusionskontrollverfahren sicherstellen. Er gilt für alle tatbestandsmäßigen Zusammenschlüsse, die die Umsatzschwellen des §35 erfüllen, unabhängig von deren materiellrechtlicher Bewertung. Auch freizugebende Zusammenschlüsse unterliegen (zunächst) dem Vollzugsverbot. Daher kann sich kein Wettbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter darauf berufen, dass §41 GWB ihn vor den wirtschaftlichen Folgen eines Zusammenschlusses schützen soll (vgl. Immenga/Mestmäcker/Thomas, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2014, § 41 Rn 74 m.w.N.). Soweit in dem Verfahren vor dem Bundeskartellamt andere Grundsätze hinsichtlich der Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten gelten sollten – die Beklagten verweisen in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des BGH vom 14.10.2008 in der Streitsache „Faber/Basalt“ (NJW 2009, 1611) – hat dies jedenfalls für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung. Die erkennende Kammer ist nicht dazu berufen, das Fusionskontrollverfahren durchzuführen, sondern hat nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen über das Bestehen oder die Nichtigkeit eines schuldrechtlichen Vertrages bzw. einer Übertragung von Patenten zu entscheiden. Diesbezüglich trifft die Beklagten die volle Darlegungs- und Beweislast für die von ihnen behaZ tete Unwirksamkeit des MSA und der nachfolgenden Patentübertragungsverträge. Dem haben sie nicht genügt.
281b) Art. 101 AEUV (§ 1 GWB)
282Ohne Erfolg wenden die Beklagten ein, das MSA und die diese Vereinbarung vollziehenden Abtretungsvereinbarungen verstießen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV (§ 1 GWB) mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit gemäß Art. 101 Abs. 2 AEUV.
283Art. 101 Abs. 1 AEUV verlangt – ebenso wie § 1 GWB – eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist bei der Prüfung des wettbewerbswidrigen Zwecks einer Vereinbarung insbesondere auf deren Inhalt und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang, in dem sie steht, abzustellen. Ferner kann die Kommission die Absicht der Parteien in ihrer Prüfung berücksichtigen, selbst wenn dieser Aspekt für die Entscheidung, ob eine Vereinbarung einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, nicht ausschlaggebend ist. (Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, 2011/C 11/01, Rn 25)
284Wenn eine Vereinbarung keine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, ist zu prüfen, ob sie spürbare wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen hat. Dabei sind die tatsächlichen wie auch die potenziellen Auswirkungen zu berücksichtigen. Es muss also zumindest wahrscheinlich sein, dass eine Vereinbarung wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen hat. (Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, 2011/C 11/01, Rn 26)
285Eine Vereinbarung hat dann wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV, wenn sie eine tatsächliche oder wahrscheinliche spürbare negative Auswirkung auf mindestens einen Wettbewerbsparameter des Marktes (zum Beispiel Preis, Produktionsmenge, Produktqualität, Produktvielfalt, Innovation) hat. Vereinbarungen können solche Auswirkungen haben, wenn sie den Wettbewerb zwischen den Parteien der Vereinbarung oder zwischen einer der Parteien und Dritten spürbar verringern. Die Vereinbarung muss die Parteien – entweder durch in der Vereinbarung festgelegte Pflichten, die das Marktverhalten von mindestens einer Partei regeln, oder durch Einflussnahme auf das Marktverhalten mindestens einer Partei durch Veränderung ihrer Anreize – in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränken (Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, 2011/C 11/01, Rn 27).
286Das MSA (und seine Umsetzung durch die nachfolgenden Übertragungen der „Y Assigned Patents“) verfolgt weder einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck, noch kommen ihm wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen in dem vorbeschriebenen Sinne zu.
287aa)
288Dies gilt zunächst einmal im Hinblick darauf, dass die Streithelferin ihr Portfolio standardessentieller Patente aufgeteilt und einen Teil dieses Portfolios an die Klägerin veräußert hat.
289Die Streithelferin hält nach ihrem eigenen (unbestrittenen) Vortrag eines der stärksten Portfolios essentieller Patente in der Telekommunikationsindustrie, das über 37.000 Patente umfasst. Mit der Veräußerung eines Teils ihres Patentportfolios verfolgte sie den Zweck, einen faireren Ausgleich für die veräußerten Patente zu erlangen, um die vorangegangenen Kosten für Forschung und Entwicklung zu kompensieren. Diese Kosten sind immens; die Y -GrZ pe beschäftigt mehr als 25.000 Mitarbeiter im Bereich der Forschung und Entwicklung und investiert jährlich etwa 5 Milliarden USD in diesen Bereich. In der Folge werden jährlich etwa 2.000 neue Patente erteilt. Ein Großteil der von der Streithelferin gehaltenen Patente ist essentiell für die bedeutenden Standards, die von Mobilkommunikationsgeräten und deren Infrastruktur genutzt werden. Sie hat daher in der Vergangenheit bereits eine große Anzahl von Lizenzverträgen abgeschlossen. Das Patentrecht dient insbesondere der Förderung solcher Forschungs- und Entwicklungsarbeit, indem die daraus resultierenden Erfindungen unter entsprechenden rechtlichen Schutz gestellt werden. Vor diesem Hintergrund ist die erklärte Absicht der Streithelferin, für ihre Patente einen angemessenen Ausgleich zu erlangen, wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.
290Grundsätzlich ist der Patentinhaber frei, seine – auch standardessentiellen – Patente zu verwerten, ggf. also auch an Dritte zu veräußern und zu übertragen (so auch schon: OLG Karlsruhe, MMR 2011, 469, 471). Ein generelles Veräußerungsverbot für standardessentielle Patente lässt sich über kartellrechtliche Vorschriften nicht rechtfertigen. Es besteht auch grundsätzlich keine Verpflichtung des Patentinhabers, eine bestehende Lizensierungspraxis aufrecht zu erhalten. Beschränkt wird der Inhaber eines Patents, das Gegenstand eines von einer Standardisierungsorganisation vereinbarten Standards ist, in seiner Lizensierungspraxis unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten durch die von ihm abgegebene Selbstverpflichtungserklärung, Dritten Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu gewähren.
291Die Kammer vermag – entgegen dem anderslautenden Vortrag der Beklagten – im vorliegenden Fall nicht festzustellen, dass es bezweckt war, durch die Aufteilung des Patentportfolios der Streithelferin am Markt überhöhte, insbesondere über einen FRAND-Maßstab hinausgehende Lizenzgebühren durchzusetzen oder die Beklagten gegenüber anderen Marktteilnehmern zu diskriminieren.
292Die den Patentübertragungen zugrundeliegenden Verträge, das Master Sale Agreement vom 10.01.2013 („MSA“) und das Patent Sale and Grant-Back License Agreement vom 13.02.2013 („PSA“), enthalten eine Vielzahl von Regelungen, die die Überleitung der FRAND-Verpflichtung von der Streithelferin auf die R bzw. von der R auf die Klägerin sicherstellen sollen. Gemäß Ziffer 6.7 des MSA sollten die Patente der Streithelferin einschließlich der bestehenden Lizensierungsverpflichtungen, unter anderem der Verpflichtungen, die bei der ETSI eingereicht wurden, übertragen werden. In Ziffer 6.14 des MSA heißt es entsprechend, dass die R die FRAND-Verpflichtung der Streithelferin übernimmt und innerhalb einer angemessenen Frist nach Abschluss des Vertrages gegenüber der ETSI eine eigene FRAND-Erklärung abgeben wird. Gemäß Ziffer 6.1 (x) des MSA ist R die Geltendmachung von Ansprüchen aus den zu übertragenden Patenten, die über FRAND-Bedingungen hinausgehen, untersagt. In Klausel 6.1 (b) des MSA wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die bestehenden Belastungen die Möglichkeiten des Erwerbers einschränken können, die zu übertragenden Patente zu verwerten. Im PSA findet sich in Klausel 5.4 die Verpflichtung der R , bei einer Übertragung von Patenten auf Dritte sicherzustellen, dass die FRAND-Verpflichtung übernommen wird. Um sicherzustellen, dass die Klägerin in gleicher Weise verpflichtet ist wie R , ist die Klägerin dem MSA beigetreten.
293Entsprechend ihrer vertraglichen Verpflichtungen gaben sowohl die R unter dem 14.06.2013 als auch die Klägerin unter dem 6.3.2014 eigene FRAND-Erklärungen gegenüber der ETSI ab. Hiernach sind sowohl die R als auch die Klägerin (jeweils einschließlich der mit diesen verbundenen Unternehmen) unwiderruflich dazu verpflichtet, Lizenzen an ihren essentiellen Patenten zu Bedingungen einzuräumen, die mit Art. 6.1 der ETSI IPR Richtlinien in Einklang stehen, d.h. „fair, reasonable and non-discriminatory“ sind.
294Dass die FRAND-Erklärung der Klägerin dabei nicht die Verpflichtung umfasst, die bisherige, von der Streithelferin konkret umgesetzte Lizensierungspraxis weiterzuführen, ist unschädlich. Art. 101 AEUV schützt nicht etwa eine bestimmte Lizensierungspraxis, sondern den Zugang zu dem durch den Standard geregelten Produktmarkt zu FRAND-Bedingungen. Der Grundsatz der „Nicht-Diskriminierung“ verlangt dabei von dem Patentinhaber nur, die in einer vergleichbaren Position befindlichen Lizenznehmer gleich zu behandeln, nicht aber, auf die Dauer allen Lizenznehmern exakt dieselben Lizenzbedingungen anzubieten (vgl. hierzu auch schon: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff. – Standard-Spundfass). Befinden sich die Lizenznehmer in einer unterschiedlichen Ausgangsposition, etwa aufgrund einer zwischenzeitlich erfolgten Veräußerung und Übertragung der lizensierten Patente, können durchaus unterschiedliche Lizenzbedingungen zur Anwendung kommen, ohne dass dies zwingend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Lizensierung zu FRAND-Bedingungen bedeuten würde. Dies ergibt sich praktisch schon daraus, dass ggf. ein anderes Portfolio lizensiert wird. Kartellrechtlich bedenklich ist eine solche Lizensierung zu unterschiedlichen Bedingungen erst dann, wenn die Bedingungen sich nicht mehr im fairen und angemessenen Bereich bewegen und die zwischen den einzelnen Lizenznehmern vorgenommenen Unterschiede zu einer wesentlichen Störung des Wettbewerbs führen.
295Was im einzelnen FRAND ist, ist objektiv zu bewerten. Dabei ist unter anderem auch der Umstand zu berücksichtigen, dass für die Herstellung und Vermarktung eines standardkonformen Produkts ggf. Lizenzen bei mehreren Patentinhabern eingeholt werden müssen. FRAND ist dabei die einzelne Lizenzgebühr nur dann, wenn sie insgesamt – d.h. mit den ggf. zusätzlich erforderlichen Lizenzen zusammen – nicht zu einer unangemessen hohen Belastung des Lizenznehmers führt (vgl. hierzu auch Müller, GRUR 2012, 686, 689).
296Soweit die Streithelferin mit dem MSA und den diesen vollziehenden Patentübertragungen die Hoffnung verbindet, durch eine Aufgliederung ihres umfangreichen Patentportfolios in Teil-Portfolios mit unterschiedlichen Patentinhabern höhere, nach ihrem Empfinden angemessene Lizenzgebühren erzielen zu können, wird dies nur dann der Fall sein, wenn die bislang für ihre Patente gezahlten Lizenzgebühren sich unterhalb oder am unteren Rand einer FRAND-Lizenzgebühr bewegten. Die Anhebung der Gebühren auf ein Niveau, das (zumindest mittleren) FRAND-Kriterien entspricht, ist aber nicht als Wettbewerbsbeschränkung anzusehen, zumal die Parteien des MSA nicht die Möglichkeit haben, die Lizenzgebühren einseitig festzusetzen. Diese müssen vielmehr mit den potentiellen Lizenznehmern ausgehandelt werden. Soweit die Streithelferin bzw. die Klägerin sich durch die Umsetzung des MSA in diesem Zusammenhang eine bessere Verhandlungsposition versprechen, ist dies durchaus legitim. Die Kammer vermag hierin weder einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck zu erkennen, noch hält sie es für wahrscheinlich, dass die Vereinbarung spürbar negative Auswirkungen auf den Mobilfunkmarkt hat. Im Hinblick auf die Auswirkungen am Markt hat die Kammer dabei in ihre Überlegungen auch den Umstand eingestellt, dass ausweislich des „license proposal“ der Klägerin Lizenzgebühren von um die 0,75 USD pro Mobilfunkgerät im Raum stehen. In Anbetracht der handelsüblichen Preise für Mobilfunkgeräte ist dies, selbst im niedrigpreisigen Segment, lediglich ein geringer Anteil an den Gesamtkosten. Dass potentielle Lizenznehmer, die den GSM-Standard nutzen möchten, die Lizenzgebühren nunmehr mit (mindestens) zwei Inhabern standardessentieller Patente aushandeln müssen und jedenfalls einer der Patentinhaber – nämlich die Klägerin – eine reine Patentverwertungsgesellschaft darstellt, mag zwar die Lizenzverhandlungen am Markt für die Lizenznehmer etwas erschweren, zumal es jedenfalls in Bezug auf die Klägerin nicht möglich sein dürfte, Kreuzlizenzen zu vereinbaren, dies führt aber so lange nicht zu einem kartellrechtlich bedeutsamen Verhandlungsungleichgewicht, wie die insgesamt für die Nutzung des GSM-Standards geforderten Lizenzgebühren FRAND bleiben. Hierzu haben sich sowohl die Streithelferin als auch die Klägerin gegenüber der ETSI verpflichtet. Darüber hinaus steht den Beklagten weder das Recht auf einen bestimmten Patentinhaber und damit Verhandlungspartner, noch das Recht auf die Zusammenfassung für den GSM-Standard essentieller Patente in einem Portfolio oder die Beibehaltung einer bestimmten Lizensierungspraxis zu.
297bb)
298Das MSA enthält – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch keine unzulässige Preisbindung. Insbesondere verstößt Ziffer 3.4 des MSA nicht gegen Art. 101 AEUV.
299Ziffer 3.4 des MSA lautet:
300„Calculation Adjustment; Royalty Rate
301(a) If R enters into any license, release, covenant not to sue or assert or other agreement with a third party between Closing and … thereafter that gives or purports to give such third party and/or its Affiliates rights to Y Assigned Patents (or any other Patents assigned to R by E Sub or any of its Affiliates) owned or controlled by R that, at the time that R enters into such agreement, is known by R to include at least one Defined Patent to design, manufacture, have made, sell, import or otherwise use Specified Products and if and only if such license, release, covenant or agreement provides for a Royalty Rate for the sales of such Specified Products that is less than the Applicable Royalty Rate for such sales (each such license, release, covenant or agreement, a „Specified Mobile License“), the amounts to be included in Gross Revenues for any fiscal quarter from any Specified Mobile Licenses for purposes of calculating Quarterly Payment under this Agreement for such fiscal quarter shall be the amounts R would have received had the Royalty Rate in such Specified Mobile Licenses been the Applicable Royalty Rate.”
302Die vorgenannte Regelung des MSA enthält zwar die Vereinbarung einer sog. „Applicable Royalty Rate“, hierin liegt aber keine unzulässige Preisbindung. R wird durch das MSA nicht verpflichtet, die „Applicable Royalty Rate“ von ihren Lizenznehmern zu verlangen. Vielmehr ist R in ihrer Preisgestaltung im Verhältnis zu ihren Lizenznehmern frei. Ziffer 3.4 stellt lediglich eine Kaufpreisregelung im Verhältnis zur Streithelferin bzw. deren Tochtergesellschaft, der CC , dar.
303Die Parteien des MSA haben für den Verkauf der „Y Assigned Patents“ keinen festen Kaufpreis vereinbart. Vielmehr wird der Kaufpreis gemäß Ziffer 3.1 des MSA von R in vierteljährlichen Zahlungen an die D geleistet. Die Höhe der Zahlungen bemisst sich ausweislich Ziffer 3.2 des MSA anhand eines festgelegten Prozentsatzes der von R im vorhergehenden Quartal erzielten Einkünfte („Gross Revenue“). Mit anderen Worten erhält die D als Gegenwert für die Übertragung der Patente einen Anteil an den von R erzielten Lizenzeinnahmen. In diesem Zusammenhang ist auch Ziffer 6.1 (aa) des MSA zu sehen, wonach R mit ihren Lizenznehmern ohne die Zustimmung der Streithelferin keine Gebührenstruktur vereinbaren darf, die nicht an einen Prozentsatz der Gesamteinnahmen des Lizenznehmers aus Verkäufen der „Specified Products“ anknüpft. So soll sichergestellt werden, dass Y bzw. die D ihren Anteil an den Lizenzeinnahmen erhält. Die Regelungen in den Ziffern 3.3 und 8.13 des MSA dienen dazu, den Kaufpreis für den Fall abzusichern, dass R ihre vertraglichen Pflichten aus dem MSA verletzt (sog. „trigger events“) oder ein Kontrollwechsel („change of control“) stattfindet.
304Um sicherzustellen, dass die „Kaufpreiszahlung“ an die D einen bestimmten Wert erreicht, sieht Ziffer 3.4 des MSA die Festlegung einer „Applicable Royalty Rate“ vor. Wird diese beim Abschluss eines Lizenzvertrages von R unterschritten, ist der an die D abzuführende Anteil an den Lizenzeinnahmen (hypothetisch) auf der Grundlage der Applicable Royalty Rate zu berechnen. Dabei stellt der abgeschlossene Lizenzvertrag – auch bei Unterschreiten der Applicable Royalty Rate für die R nicht notwendigerweise ein Verlustgeschäft dar. Denn an die D abzuführen ist nicht die gesamte Applicable Royalty Rate, sondern nur der jeweils nach Ziffer 3.2 des MSA geschuldete Prozentsatz. Liegt dieser bei 20 %, tritt ein rechnerischer Verlust bei der R erst dann ein, wenn der tatsächlich vereinbarte Lizenzsatz weniger als 1/5 der Applicable Royalty Rate beträgt. Insofern ist die Situation vergleichbar mit der eines Zwischenhändlers, der selbstverständlich bestrebt sein wird, seine Waren über dem Einkaufspreis weiter zu verkaufen und hierbei den höchstmöglichen Gewinn zu erwirtschaften. Das Ziel der Gewinnmaximierung ist dabei dem Wirtschafsleben immanent. Die Regelungen des MSA gehen über diese Zielsetzung nicht hinaus.
305Dabei sind sowohl R als auch die Klägerin gebunden durch ihre FRAND-Erklärungen gegenüber der ETSI. Die R bzw. die Klägerin kann weder die Lizensierung standardessentieller Patente als solches verweigern, noch steht ihr die Option offen, von ihren Lizenznehmern überhöhte, nämlich über FRAND-Lizenzsätze hinausgehende Lizenzgebühren zu verlangen. Auch dies hat sie im Rahmen ihrer kaufmännischen Überlegungen zu berücksichtigen, wenn es darum geht zu entscheiden, ob ein Lizenzvertrag auf der Basis eines bestimmten Lizenzsatzes abgeschlossen werden soll. Insofern liegt das Risiko, dass der im Einzelfall als FRAND zu bewertende Lizenzsatz unter der Applicable Royalty Rate liegt, allein bei der R bzw. der Klägerin. Wenn dies nämlich der Fall sein sollte, ist R bzw. die Klägerin aufgrund des MSA (vgl. etwa Ziffer 6.14) und der von ihr abgegebenen FRAND-Erklärung dennoch verpflichtet, zu FRAND-Bedingungen zu lizensieren und die damit verbundenen Gewinneinbußen hinzunehmen. Eine Verpflichtung, zu den Bedingungen der Applicable Royalty Rate abzuschließen, besteht demgegenüber gerade nicht.
306Selbst wenn man aber – entgegen den vorstehenden Ausführungen – eine unzulässige Preisbindung annehmen wollte, hätte diese jedenfalls nicht die Unwirksamkeit des gesamten MSA, schon gar nicht der hier allein in Rede stehenden Verträge über die Übertragung des Klagepatents zur Folge. Gemäß Art. 101 Abs. 2 AEUV sind nur die nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verbotenen Vereinbarungen, nicht also ohne weiteres das komplette Vertragswerk, nichtig. Der Umfang der unmittelbar aus Art. 101 Abs. 2 AEUV folgenden Nichtigkeit ergibt sich aus dem Verbotszweck des Art. 101 Abs. 1 AEUV: Nichtig sind diejenigen Vertragsabreden, die entweder unmittelbar gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen oder von der verbotswidrigen Vereinbarung nicht zu trennen sind oder dem verbotswidrigen Vertragsinhalt dienen (Immenga/Mestmäcker/Schmidt, EU-Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2012, Art. 101 AEUV Rn 21). Über die Frage, inwiefern sich einzelne, kartellrechtswidrige Klauseln vom übrigen Vertrag trennen lassen, entscheidet nicht die zivilrechtliche Ausgewogenheit des Vertrags in seiner Gesamtheit, sondern allein der Zweck des Kartellverbots (Immenga/Mestmäcker/Schmidt, EU-Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2012, Art. 101 AEUV Rn 22). Soweit also infolge einer unzulässigen Preisfestsetzung Ziffer 3.4 (a) des MSA, ggf. zusammen mit Ziffer 6.1, nichtig sein sollte, hätte dies – jedenfalls im Hinblick auf Art. 101 Abs. 2 AEUV – auf den übrigen Vertrag keine Auswirkungen, da sich die vorgenannten Regelungen ohne weiteres von dem Vertragsinhalt im Übrigen trennen lassen.
307Inwieweit die Teilnichtigkeit ggf. doch den gesamten Vertrag erfasst, ist in einem zweiten Schritt nach nationalem Recht zu prüfen, in diesem Fall nach dem Recht des Staates Delaware (vgl. Ziffer 8.4 des MSA). Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass nach dem Recht des Staates Delaware die Nichtigkeit einer oder mehrerer Vertragsklauseln nicht automatisch zu einer Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt (vgl. hierzu auch: Capital Bakers, Inc. / Leahy, 20. Del. Ch. 407, 411-12, 178 A. 648, 650 (1935)). Die Absicht der Parteien, eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages im Zweifel zu vermeiden, kann durch eine salvatorische Klausel ausgedrückt werden. Dies ist im MSA in Ziffer 8.9 geschehen. Hiernach soll die Nichtigkeit einer Bestimmung den Rest des Vertrages nicht berühren. Die Parteien verpflichten sich vielmehr, in einem solchen Fall eine Ersatzbestimmung zu suchen, die dem Zweck der unwirksamen Regelung entspricht. Die Kammer ist davon überzeugt, dass es dem Willen der Parteien des MSA entsprach, die hier in Rede stehenden Patentübertragungen wirksam vorzunehmen. Für den Fall, dass Ziffer 3.4 tatsächlich eine unzulässige Preisbindung darstellen sollte, hätten die Vertragsparteien eine andere Regelung gefunden, um den der Streithelferin zustehenden Kaufpreis abzusichern und das Risiko der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der übertragenen Patente angemessen zwischen ihnen zu verteilen. Es sind vielfältige Kaufpreisregelungen denkbar, die der R bzw. der Klägerin den erforderlichen Handlungsspielraum in den Lizenzvertragsverhandlungen mit Dritten lassen, zugleich aber sicherstellen, dass die Streithelferin für die Veräußerung und Übertragung ihrer Patente einen angemessenen Gegenwert erhält. Insofern mag die Sicherung des Kaufpreises zwar ein wesentliches Interesse der Streithelferin gewesen sein, dies konnte aber nicht allein durch die in Ziffer 3.4 des MSA getroffene Regelung erreicht werden, sondern es ist durchaus vorstellbar, dass die Vertragsparteien eine dem Zweck der Regelung ebenfalls entsprechende Ersatzbestimmung gefunden hätten.
308c) Art. 102 AEUV, § 19 GWB i.V.m. § 134 BGB
309Die Regelungen des MSA und deren Umsetzung durch die nachfolgenden Übertragungen des Klagepatents einschließlich damit verbundener Rechte stellen keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV dar.
310Zwar vermittelt das Klagepatent der Klägerin auf dem Markt für die Vergabe von Lizenzen am Klagepatent eine marktbeherrschende Stellung, die infolge der technischen Bedeutung des Klagepatents auch auf den nachgelagerten Produktmarkt durchschlägt (s. ausführlicher unten zum Lizenzeinwand), die im MSA festgehaltene Vereinbarung zwischen der Streithelferin, ihrer Tochtergesellschaft und dem H Konzern stellt sich aber nicht als missbräuchlich dar. Insbesondere liegt weder ein Ausbeutungs- noch ein Behinderungsmissbrauch vor. Wie bereits im Rahmen des Art. 101 AEUV erläutert, ist das Ziel, die Lizenzeinnahmen aus den übertragenen Patenten zu steigern, jedenfalls so lange nicht wettbewerbsbeschränkend und damit im Rahmen des Art. 102 AEUV auch nicht missbräuchlich, wie die Klägerin sich an ihre Verpflichtung hält, Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen. Auf die Argumentation im Rahmen des Art. 101 AEUV wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Weitere Aspekte, die einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere sieht die Kammer nicht, inwiefern durch den MSA die technische Entwicklung beschränkt werden sollte, nachdem die Möglichkeit der Lizenznahme zu FRAND-Bedingungen gewährleistet ist.
311II.
312Die Beklagten sind hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform I passiv legitimiert, hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform II ist lediglich die Beklagte zu 2) passiv legitimiert.
3131.
314Unstreitig bietet die Beklagte zu 2) die angegriffene Ausführungsform II auf ihren Internetseiten an. Ein Angebot der angegriffenen Ausführungsform II seitens der Beklagten zu 1) kann die Kammer hingegen nicht feststellen. Ein solches hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, sondern lediglich pauschal behaZ tet. Nachdem die Beklagten in der mündlichen Verhandlung ein Anbieten bestritten haben, wäre es an der Klägerin gewesen, substantiiert zu konkreten Angebotshandlungen der Beklagten zu 1) in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform II vorzutragen. Dem ist sie nicht nachgekommen.
3152.
316Die Beklagte zu 1) bietet die angegriffene Ausführungsform I – deren Herstellerin sie unstreitig ist – auf ihrer Seite W an. Die Beklagte zu 2) wirkt durch ihre Förderungshandlung jedenfalls an dem Anbieten der Beklagten 1) durch die Verlinkung der Webseite W mit der Webseite W mit.
317a)
318Anbieten ist jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert darauf gerichtet ist, das Erzeugnis der Nachfrage wahrnehmbar zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitzustellen (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel). Der Begriff ist rein wirtschaftlich zu verstehen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014, Az. I-2 U 42/13; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014, Az. I-15 U 19/14). Neben dem Angebot nach § 145 BGB sind insofern auch vorbereitende Handlungen umfasst, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts über einen unter dem Schutz des Patents stehenden Gegenstand ermöglichen oder befördern sollen. Dies kann in dessen Ausbieten dergestalt geschehen, dass Interessenten Gebote auf Überlassung abgeben können. Ein Mittel hierzu ist auch die bloße Bewerbung eines Produkts im Internet. Bereits diese Maßnahme ist bestimmt und geeignet, Interesse an dem beworbenen Gegenstand zu wecken und diesen betreffende Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen (vgl. BGH, GRUR 2003, 1031 – KZ plung für optische Geräte; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259 – Thermocycler; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014, Az. I-15 U 19/14). Das Unterhalten einer solchen Internetseite mit der Ausstattung von Links, die im Hinblick auf die Produkte des Konzerns auf Seiten von Tochtergesellschaften verweisen, stellt eine unternehmensbezogene Information und zugleich Werbung dar. Diese muss einen Gegenstand betreffen, der von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259 – Thermocycler). Das Internetangebot muss einen wirtschaftlich relevanten Bezug zum Inland haben, wobei dieser auch dann gegeben sein kann, wenn das Angebot in einer fremden Sprache abgefasst ist, sofern diese Sprache von den in Betracht kommenden inländischen Interessenten verstanden wird (vgl. LG Düsseldorf, InstGE 10, 193 – Geogitter; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Aufl., Rn. 218). Es kommt auch nicht darauf an, ob der Anbietende mit seiner Offerte eigene Geschäftsabschlüsse forcieren will oder ob das Angebot einem Dritten zugutekommen soll, für dessen Produkt mit dem Angebot eine zu befriedigende Nachfrage geschaffen wird (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014, Az. I-2 U 42/13). In dem einen wie in dem anderen Fall ist die Rechtsposition des Schutzrechtsinhabers in gleichem Maße beeinträchtigt, weil eine Nachfrage nach schutzrechtsverletzenden Gegenständen geweckt wird, die das Ausschließlichkeitsrecht aus dem Patent schmälert. Insofern entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass zur Gewährleistung eines wirksamen Patentschutzes nur von Belang ist, ob mit der fraglichen Handlung für einen schutzrechtsverletzenden Gegenstand tatsächlich eine Nachfrage geschaffen wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird. (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014, Az. I-2 U 42/13; Urteil vom 11.06.2015, Az. I-2 U 64/14). Darüber hinaus ist auch derjenige Verletzer, wer die Verwirklichung des Benutzungstatbestandes objektiv ermöglicht und fördert, wobei er sich mit zumutbarem Aufwand die Kenntnis verschaffen kann, dass die von ihm unterstützte Handlung das absolute Recht des Patentinhabers verletzt. Das Bestehen und der Umfang einer Rechtspflicht zur Vermeidung eines schutzrechtsverletzenden Erfolges richtet sich im Einzelfall nach der Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen, es kommt entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch genommenen nach den Umständen des Einzelfalles ein Tätigwerden zumutbar ist (vgl. BGH, GRUR 2009, 1142 – MP3-Player-Import; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Aufl., Rn. 1012).
319b)
320Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform mit ihrem ursprünglichen Internetauftritt angeboten. Auf ihrer Internetseite führt die Beklagte zu 1) unter „Products“ und „eNodeB“ eine LTE-fähige Basisstation auf. Der Internetauftritt ist zwar auf Englisch verfasst. Englisch stellt aber auf dem weltweiten Markt der Netzausrüster die Handelssprache dar und wird daher von den angesprochenen – auch in Deutschland ansässigen – Interessenten verstanden. Anders als die Beklagten meinen, erscheint es nicht von vorneherein fernliegend, dass ein Netzwerkbetreiber sich nicht auch Informationen über die auf dem Markt erhältliche Hardware für den Ausbau seines Netzes aus dem Internet beschafft. Somit richtet sich die Internetseite zu 1) nicht in erster Linie nur an private Nutzer. Die Beklagte stellt die I eNodeB als eine Schlüsselkomponente, die zukunftsweisende Lösung und den nächsten Schritt in der Long Term Evolution (LTE)-Technologie dar. Ferner führt die Beklagte auf der Internetseite aus, dass sie in verschiedenster Ausführung erhältlich sind – dezentralisierte, zentralisierte und Mischform-Base Stations, für beides, Frequency Division DZ lex und Time Division DZ lex Netzwerke. Verringerte Störungsanfälligkeit gewährleiste ein signifikant nahtloseres Handover zwischen den Zellen. Die Beklagte zu 1) spricht in diesem Zusammenhang zwar nicht in der „wir“-Form, bezeichnet aber die Produkte allgemein als „I “-Produkte. Es wird daher gerade nicht zwischen den konzerninternen Gesellschaften differenziert, sondern das Produktangebot des Konzerns als solches dargestellt. Hiermit wird ein Erzeugnis wahrnehmbar der Nachfrage zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereit gestellt und nicht nur allgemein das Betätigungsfeld der Beklagten zu 1) beschrieben.
321c)
322In der Verlinkung über die Stichworte „Geschäftskunden“ und „Telekommunikationssysteme“ ist darüber hinaus ein Mitwirken durch eine Förderungshandlung der Beklagten zu 2) sehen. Sinn und Zweck der Verlinkung ist, dass Interessenten der Beklagten zu 2) auch das weltweite – und damit auch an das Inland gerichtete – Angebot der Beklagten zu 1) zur Kenntnis nehmen können. Insofern ist der Beklagten zu 2) auch eine Verletzung einer Prüfpflicht nach den Umständen des hiesigen Falles vorzuwerfen. Gerade im Bereich des Mobilfunks ist der Stand der Technik weltweit durch Patentportfolios von Wettbewerbern geschützt. Das ist der Beklagten zu 2), die seit Jahren zu den führenden Marktteilnehmern in der Branche gehören, bekannt. Sie hätte sich daher mit zumutbarem Aufwand Kenntnis über die Schutzrechtslage in Deutschland verschaffen können. Insofern handelte sie wenigstens pflichtwidrig. Schließlich handelt es sich auch nicht um eine lediglich reflexartig inländische Benutzungshandlung, die patentrechtlich unbedenklich wäre (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, Rn. 1015). Die Unterstützungshandlung der Beklagten zu 1) richtet sich auf den weltweitend und damit auch den inländischen Markt und stellt ein inländisches Angebot dar.
323III.
324Das Klagepatent betrifft die Selbstkonfiguration und Optimierung von Zellennachbarn in drahtlosen Telekommunikationsnetzen.
325Die streitgegenständliche Technik gewährleistet eine automatisierte Verwaltung der Architektur eines drahtlosen Telekommunikationsnetzes. Dieses Netz besteht aus verschiedenen Kommunikationszellen, die von sog. Basisstationen bereit gestellt werden. Eine Mobilfunkverbindung wird durch die Übergabe der Verbindung (sog. Handover) von einer Kommunikationszelle zur nächsten aufrechterhalten. Anhand bestimmter Charakteristika ermittelt das Netz mit Hilfe des mobilen Endgeräts die optimale Zelle für ein Handover. Das Klagepatent stellt ein Verfahren und ein Netzwerk mit entsprechendem mobilem Endgerät zur Verfügung, bei denen die korrekte Identifizierung einer passenden Zelle automatisch erfolgen soll.
326Als Stand der Technik erläutert das Klagepatent eingangs ein drahtloses Telekommunikationsnetz, das mehrere Kommunikationszellen definiert, von denen jede von einer (Funk-)basisstation versorgt wird. Jede Kommunikationszelle deckt ein geografisches Gebiet ab, das durch die Kombination mehrerer Zellen groß sein kann. Eine Basisstation ist mit mehreren Empfängern und Sendern ausgestattet, welche die Funkversorgung einer oder mehrerer Zellen bereitstellt. Wichtige Elemente in diesem Netz sind die Zellen und ihre Nachbarn. Während eines Gesprächs bewegt sich ein mobiles Endgerät normalerweise zwischen den Zellen umher und geht wiederholt von einer Zelle zu einer Nachbarzelle. Eine Liste bekannter Nachbarn, die sog. Nachbarzellenmenge, ist für das Netz und das mobile Endgerät wichtig, um ein zuverlässiges Handover zwischen den Zellen zu gewährleisten. Das Netz speichert die die Nachbarzellenmenge betreffenden Informationen für jedes mobile Endgerät. Die Nachbarzellenmenge wird zur Evaluierung und für das Handover eines mobilen Endgeräts von einer Zelle zur anderen beim Überschreiten der Zellgrenze verwendet.
327In den vorbekannten Systemen erkennt und misst das mobile Endgerät Betriebsparameter für Nachbarzellen durch den Empfang von Signalen aus der Nachbarschaft. Die gemessenen Betriebsparameter sind normalerweise eine Bitübertragungsschicht-Kennung, wie z.B. ein Verwürfelungscode, die der Zelle, Signalstärke, Signalqualität und Zeitinformation nicht eindeutig zugeordnet ist. Das mobile Endgerät misst die Betriebsparameter jeder Nachbarzelle und meldet diese an das Netz. Wenn die Qualität einer Nachbarzelle als besser als diejenige der aktuellen Versorgungszelle eingestuft wird, führt das Netz ein Handover von der Versorgungszelle zur ausgewählten Nachbarzelle durch. Die Nachbarzelle wird dann die Versorgungszelle für das mobile Endgerät.
328Das Klagepatent erläutert weiter, dass in einem Breitband-Codevielfachzugriffssystem (WCDMA) das mobile Endgerät Übertragungen des gemeinsamen Pilotkanals (CPICH) von umgebenden Zellen erkennt, um die Kennung zu bestimmen. Bedeutsam sind diese jeweiligen Zellkennungen bei der Meldung der Signalqualitätsmessungen der Nachbarzelle vom mobilen Endgerät an das Netz. Im Stand der Technik werden mehrere Verwürfelungscodes für mehr als eine Zelle verwendet. Nach dem Klagepatent besteht daher die Gefahr von Verwechselungen, da die Versorgungszelle Nachbarzellen mit denselben Kennungsinformationen haben kann.
329Die Schrift WO X zeigt nicht eindeutige in den Zellen übertragene Zellenkennungscodes. Diese Schrift dient dazu, die Zelle zu identifizieren, z.B. bei der Durchführung von Messungen der Nachbarzellen durch ein mobiles Endgerät. Das Klagepatent führt aus, dass man davon ausgehen könne, dass die Zellenkennung entgegen der Angabe, dass die Kennung pro Zelle eindeutig sei, nicht eindeutig ist. Das in der WO X offenbarte Netz stellte – so das Klagepatent – offenbar ein GSM-Netz dar. Der verwendete Name für die Zellenkennung ist der Kennungscode der Basisstation (BSIC). Dies ist ein für das GSM-Netz standardisierter Begriff. Das Klagepatent erläutert weiter, dass nach dem GSM-Standard der BSIC aus insgesamt sechs binären Bits generiert wird. Damit stehen nur 64 unterschiedliche eindeutige Codes zur Verfügung. Das GSM-Netz umfasst jedoch weit mehr Zellen. Um die BSIC-Codes sinnvoll zu reduzieren, wird ein GSM-Endgerät angewiesen, auf bestimmten Kanälen der verschiedenen Frequenzkanalsätze dieses TDMA-Systems Messungen von Nachbarzellen durchzuführen. Damit wird das Risiko reduziert, dass eine mit ihrem BSIC gemeldete Messung irrtümlicherweise einer anderen Zelle zugeordnet wird und nicht der tatsächlichen Messung entspricht. Die korrekte Identifizierung der von dem mobilen Endgerät gemeldeten Zellen ist erforderlich, damit ein Handover zur bestgeeignetsten Zelle eingeleitet wird.
330Das Klagepatent kritisiert hieran, dass mangels eindeutiger Bitübertragungsschicht-Kennung der Zellen die Platzierung und Wartung/Pflege der Nachbarzellenmengen nie vollautomatisch ablaufen. Menschliche Bemühungen sind – so das Klagepatent – notwendig zur Lösung von Problemen in Situationen, in denen die Versorgungszelle mehrere Nachbarn mit derselben nichteindeutigen Kennung hat. Die Planung eines Netzes, in dem eine von einem mobilen Endgerät gemessene und gemeldete Zelle nicht irrtümlicherweise für eine andere Zelle gehalten werden kann, wäre zu aufwändig.
331Das Klagepatent stellt sich daher die Aufgabe, die Kosten für Planung und Wartung/Pflege zu senken, in dem es eine zusätzliche Maßnahme durchführt, wenn von mobilen Endgeräten zusätzlicher Aufwand zur eindeutigen Identifizierung von Nachbarzellen im Funknetz verlangt wird und die Kennungen von dem mobilen Endgerät an das Netz zu melden sind. Die Ausführungsformen der klagepatentgemäßen Erfindung sollen manuelle Eingriffe reduzieren.
332Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent im Anspruch 6 in Kombination mit Anspruch 1 ein mobiles Endgerät mit folgenden Merkmalen vor:
3331.
334Mobiles Endgerät zur Verwendung in einem drahtlosen Telekommunikationssystem
3352.
336Das drahtlose Telekommunikationssystem definiert eine Mehrzahl von Kommunikationszellen.
3373.
338Das Endgerät umfasst Mittel zum Ausführen der Schritte des folgenden Verfahrens:
3393.1
340Kommunizieren mit einer Funkbasisstation, die eine erste Kommunikationszelle versorgt
3413.2.
342Bestimmen mindestens eines Betriebsparameters für eine zweite Kommunikationszelle
3433.3
344Erkennen nichteindeutiger Kennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle
3453.4.
346Melden an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle
3473.4.1
348von Parameterinformationen bezüglich des oder jedes Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle und
3493.4.2
350der erkannten nichteindeutigen Kennungsinformationen
3513.5
352Empfangen einer Anweisung von der Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle
3533.6
354Erkennen eindeutiger Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle nach Empfang der Anweisung
3553.7
356Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle an die Funkbasisstation der ersten Kommunikationszelle.
357Weiter schlägt das Klagepatent in Anspruch 16 ein drahtloses Telekommunikationsnetzwerk mit folgenden Merkmalen vor:
3581.
359Drahtloses Telekommunikationsnetz
3602.
361Das drahtlose Kommunikationsnetz definiert eine Mehrzahl von Kommunikationszellen.
3623.
363Das Netz umfasst Netzressourcen.
3644.
365Die Netzressourcen sind betreibbar zum:
3664.1
367Kommunizieren mit einem in einer ersten Kommunikationszelle betriebenen mobilen Endgerät;
3684.2
369Empfangen nichteindeutiger Kennungsinformationen und Parameterinformationen bezüglich mindestens eines Betriebsparameters für die zweite Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät;
3704.3
371Definieren einer Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät, wobei die Nachbarzellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält;
3724.4
373Bestimmen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen, ob eindeutige Zellenkennungsinformationen für die zweite Kommunikationszelle erforderlich sind und wenn solche eindeutigen Kennungsinformationen erforderlich sind:
3744.4.1
375Übertragen einer Anweisung an das mobile Endgerät
3764.4.2
377Empfangen eindeutiger Zellenkennungsinformationen bezüglich der zweiten Kommunikationszelle von dem mobilen Endgerät
3784.4.3
379Definieren einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät, wobei die für das Handover infrage kommende Zellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält.
380IV.
381Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedarf es näherer Ausführungen insbesondere zur Auslegung der Merkmale 3.2, 3.3, 3.7, 3.8 und der MerkmalsgrZ pe 3.4. des Anspruchs 6. Ferner bedürfen die Merkmale 4.3 und 4.4.3 des Anspruchs 16 der Auslegung (dazu 2).
3821.
383Der Fachmann versteht unter „Mittel zum Erkennen“ von eindeutigen sowie nichteindeutigen Kennungsinformationen (Merkmale 3.3, 3.4.2 und 3.7), dass das Endgerät über Mittel verfügt, die die nicht- und eindeutigen Kennungsinformationen der zweiten Kommunikationszelle identifizieren können. Spezifische Anforderungen, wie diese Identifikation konkret von statten zu gehen habe, enthält das Klagepatent nicht.
384Der Anspruchswortlaut fordert nur ein Erkennen von eindeutigen und nicht-eindeutigen Kennungsinformationen. Funktional muss eine Identifikation der Information möglich sein. Mehr verlangt der Anspruch nicht. Auf welche Art und Weise, in welcher Zeit und woran das Mobilgerät die Zellenkennungsinformationen erkennen kann, gibt der Anspruch nicht vor. Die Zellenkennung gehört zu den Informationen der Nachbarzellen, die für die Identifikation der Zelle notwendig ist und dazu dient, sie in die Nachbarzellenmenge des Telekommunikationsnetzes aufzunehmen. Diese Liste enthält bekannte Nachbarn (vgl. Absatz [0004]). Den Ablauf des Erkennens lässt das Klagepatent völlig offen. Ebenso verhält es sich mit der Ausgestaltung der Kennungsinformation als eine absolute Zahl, eine Zahlenreihe, eine Kombination, einen Code etc. Für die erfindungsgemäße Lehre ist es daher unerheblich, ob für den Vorgang des Erkennens der Kennungsinformation – sei es der eindeutigen und/oder der nichteindeutigen – ein oder mehrere Rechenschritte oder Dekodierungsmaßnahmen vorgenommen werden müssen oder nicht.
385So führt das Klagepatent bei der Erläuterung des Standes der Technik aus, dass die Kennung in Form eines Verwürfelungscodes ausgestaltet sein kann (vgl. Absätze [0006], [0007]). Diese Art der Kennung ist auch weiterhin vom Klagepatent erfasst. In einem Ausführungsbeispiel erläutert das Klagepatent im Zusammenhang mit der eindeutigen Zellenkennung, dass das mobile Endgerät gegebenenfalls seine Kommunikation mit der Versorgungszelle vorübergehend unterbrechen muss, um diese Information zu empfangen und zu dekodieren (Absatz [0022]). Das Klagepatent nennt damit ein Beispiel, in dem die Kennungsinformation mittels eines Codes dargestellt und beim Erkennen dekodiert werden muss. Das Ausführungsbeispiel zeigt somit ein Erkennen, bei dem weitere Folgeschritte durchgeführt werden müssen, um an die gewünschte Kennungsinformation zu gelangen.
386Der Einwand der Beklagten, dekodieren sei ein Vorgang des Entschlüsselns sowohl des Scrambling Codes (UMTS-Netz) als auch das über den BCCH empfangenen Signals (GSM-Netz) und insoweit eine Zweitverwendung des Ursprungssignals, verfängt nicht. Die Beklagten möchten mit Blick auf die angegriffene Ausführungsform darauf hinaus, dass die Berechnung der Kennungsinformation aus zwei unterschiedlichen Signalen etwas qualitativ anderes sei als die Entschlüsselung aus einem Signal. Nur letzteres sei ein Erkennen im Sinne des Klagepatents. Dieser Schluss kann aber gerade aus einem bloßen Ausführungsbeispiel nicht gezogen werden. Die Möglichkeit der Dekodierung ist nur ein Beispiel für ein Erkennen, das mehrere Zwischenschritte bis zum Ergebnis zeigt. Insbesondere weil das Klagepatent seinen Anwendungsbereich auf LTE als Telekommunikationstechnik erstreckt (vgl. Absatz [0011]), kann ein Erkennen auch ein Berechnen einer Kennungsinformation aus zwei verschiedenen Signalen sein. Der Fachmann wird den weiten Anspruchswortlaut dahin verstehen, dass neben der Entschlüsselung auch andere Methoden der Erkennung erfasst sind, die in dem Netzwerk LTE möglich sind wie z.B. die Berechnung aus zwei Synchronisationssignalen.
387Etwas anderes folgt auch nicht aus der Abgrenzung des Erkennens vom Bestimmen. Die Kammer vermag sich dem Verständnis der Beklagten, dass nur das Bestimmen eine Berechnung oder Recherchieren zulasse und beim Erkennen ein solcher Zwischenschritt zwingend abgeschlossen sei, nicht anzuschließen. Denn der Fachmann hat keine Veranlassung, das Erkennen der Zellkennungsinformationen aufgrund dieses Begriffspaares enger auszulegen. Der Anspruch unterscheidet zwischen Bestimmen der Betriebsparameter und Erkennen der Zellkennungsinformationen. Letzteres führt das mobile Endgerät zur Identifikation der Nachbarzelle durch. In dem Zeitpunkt, in dem die Identifikation abgeschlossen ist, ist die Erkennung beendet.
388Zuletzt erschließt sich nicht, welche Konsequenz die Beklagten im Rahmen der Auslegung aus ihrem (etwas isolierten) Vortrag zum Erfindungsgegenstand des Klagepatents ziehen möchten. Aus dem von den Beklagten herangezogenen Absatz [0010] ergibt sich gerade, dass die Platzierung und Wartung des Netzes nie vollautomatisch ablaufen wird. Sofern die Beklagten in der DZ lik darlegen, dass bereits im Stand der Technik eine eindeutige Identifizierung mittels einer eindeutigen Zellenkennung möglich gewesen sein soll, überzeugt dies nicht. Es mag sein, dass im GSM-Netz die Cell Identity (CL) als Bestandteil des CGI (Cell Global Identifier) dafür Sorge getragen hat, dass aufgrund seiner 65.535 möglichen Werte eine strukturelle Identifizierung jedenfalls eindeutig innerhalb desselben Location Area Codes (LAC) möglich gewesen ist und unter Hinzunahme des jeweils 3 Bits umfassenden Mobile Country Code (MCC) und Mobile Network Code (MNC) eine Gesamtzahl von CGI von 238 zur Verfügung stand. Dies sei in ähnlicher Weise auch für UMTS möglich gewesen (252). So würdigt das Klagepatent im Hinblick auf das Verhältnis von Gleichkanalabstand, Frequenz und BSIC bereits den GSM-Standard als Stand der Technik, bei dem das Risiko eines falschen Handovers reduziert ist (vgl. Absatz 0008). Dennoch stellt sich das Klagepatent vor diesem Hintergrund nicht die Aufgabe einer Vollautomatisierung, sondern möchte lediglich den Planungsaufwand und Aufwand für Wartung und Pflege durch eine zusätzliche Maßnahme senken. Das technische Problem besteht in dem automatischen Erkennen einer neuen Nachbarbasisstation. Weiter sollen manuelle Eingriffe reduziert werden. Auch wenn eine eindeutige Identifizierung nach dem Vortrag der Beklagten möglich gewesen sein sollte, stellt das Klagepatent eine zusätzliche Maßnahme bereit, nämlich die Abfrage einer eindeutigen Zellenkennung nach Empfang der Anweisung durch die Funkbasisstation, mit der es die genannte Aufgabe lösen möchte.
3892.
390Nach der Lehre des Klagepatents genügt es, wenn mindestens ein Betriebsparameter für eine zweite Kommunikationszelle bestimmt wird (Merkmal 3.3). Gemeldet werden kann entweder mindestens der eine bestimmte Betriebsparameter oder jeder bestimmte (Merkmal 3.4.1). Merkmal 3.4.1 knüpft an die Anzahl der bestimmten Betriebsparameter an, die nicht eingegrenzt ist, sondern nur mindestens einen Parameter erfordert. Dabei verlangt der Klagepatentanspruch aber nicht, dass zwingend immer jeder Parameter gemeldet werden muss, der bestimmt wurde. Der Wortlaut lässt auch das Verständnis zu, dass jeder Parameter, der bestimmt wurde, gemeldet werden kann. Funktional sollen die Parameter gemeldet werden, deren Kenntnis für bestimmte Vorgänge wie zum Beispiel ein Handover für das Netz erforderlich sind. Es ist nicht ersichtlich, warum das Endgerät immer alle Parameter melden sollte, die bestimmt wurden, auch wenn sie in der konkreten aktuellen Situation nicht von Interesse sind. Ein anderes Verständnis ergibt sich auch nicht aus der allgemeinen Beschreibung oder den genannten Ausführungsbeispielen. Somit können von mehreren gemessenen Betriebsparameterinformationen auch nur einige gemeldet werden, andere nicht. Zutreffend bemerken die Beklagten, dass das Klagepatent in den Absätzen [0005] und [0021] nicht zwischen Betriebsparametern, die primär für die weitere Nutzung ermittelt werden, und anderen Betriebsparametern unterscheidet. Gleichwohl unterscheidet das Klagepatent im Anspruch zwischen der nichteindeutigen und eindeutigen Kennungsinformation und den „sonstigen“ Betriebsparametern. An keiner Stelle des Klagepatents lässt sich eindeutig belegen, dass sämtliche Betriebsparameter zwingend gemeldet werden müssen.
3913.
392Das Klagepatent unterscheidet in Merkmal 4.3. und 4.4.3 des Anspruchs 16 zwischen einer Nachbarzellenliste und einer für das Handover infrage kommenden Zellenliste für das mobile Endgerät. Die Netzressourcen werden betrieben zum Definieren einer Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät, wobei die Nachbarzellenliste die zweite Kommunikationszelle enthält (Merkmal 4.3). Hierfür genügt der Empfang der nichteindeutigen Kennungsinformation der zweiten Kommunikationszelle. Die für das Handover in Frage kommende Zellenliste für das mobile Endgerät (nachfolgend: Handover-Liste; Merkmal 4.4.3) enthält darüber hinaus die eindeutigen Zellenkennungsinformationen der zweiten Kommunikationszelle. Diese Listen können sowohl zellspezifisch definiert sein – für alle Endgeräte, die sich in der Versorgungszelle befinden – als auch gerätespezifisch – für jedes in der Versorgungszelle befindliche Mobilgerät.
393Der Fachmann erkennt, dass die Netzressourcen, zu denen – unstreitig – Funkbasistationen gehören, geeignet sein müssen, eine Nachbarzellenliste und eine Handover-Kandidatenliste zu definieren. Das Klagepatent geht allgemein von dem Begriff der Nachbarzellenmenge aus. Dabei handelt es sich um eine Liste bekannter Nachbarn einer Funkzelle, die für das Netz und das mobile Endgerät insbesondere für die Durchführung eines Handovers wichtig ist (vgl. Absatz [0004]). Im Stand der Technik bestand das Problem, dass die Nachbarzellenmenge aufwändig manuell gepflegt und gewartet werden muss. Dies kann laut dem Klagepatent nie vollautomatisch ablaufen, weil die Nachbarn einer Zelle in den vorbekannten Netzwerken eine identische Kennung aufweisen können (vgl. Abs. [0009], [0010]). Die Erweiterung des Netzes geht mit dem angesprochenen Aufwand an Pflege und Wartung einher. Hier setzt die Lehre des Anspruchs 16 an, nach der die Netzressourcen aus den empfangenen nichteindeutigen Kennungsinformationen bestimmen, ob eine eindeutige Kennungsinformation erforderlich ist (Merkmal 4.4). Dies kann der Fall sein, wenn die Nachbarzelle völlig unbekannt ist oder eine Prüfung der nichteindeutigen und eindeutigen Zellenkennungen anderweitig angemessen erscheint (vgl. Absatz [0025]). Die Lösung des Klagepatents besteht darin, dass die (manuelle) Pflege der Nachbarzellenmenge durch ein eindeutiges Erkennen der Nachbarzelle mittels der Netzressourcen erleichtert wird.
394Ausweislich der Merkmale 4.2 und 4.3 des Klagepatentanspruchs wird nach dem Empfang nichteindeutiger Kennungsinformationen (der zweiten Kommunikationszelle) die Nachbarzellenliste für das mobile Endgerät definiert. Hierin enthalten sind dem Netz gemeldete Nachbarn der Versorgungszelle. Sofern die Erforderlichkeitsprüfung des Merkmals 4.4 positiv verläuft, wird eine eindeutige Zellenkennung (für die zweite Kommunikationszelle) von dem mobilen Endgerät mitgeteilt (Merkmale 4.4.1, 4.4.2). Mit dieser Information wird eine Handover-Kandidatenliste definiert, welche die zweite Kommunikationszelle als Nachbarzelle enthält (Merkmal 4.4.3). Das Definieren einer Handover-Kandidatenliste kann erfolgen, wenn die eindeutige Identifizierung nach Erhalt der eindeutigen Kennungsinformationen der zweiten Kommunikationszelle abgeschlossen ist. Um die Frage zu beantworten, ob ein Handover möglich ist, muss die Nachbarzelle zunächst eindeutig identifiziert sein. Erst nach Erstellung einer unverwechselbaren Nachbarzellenliste kann das Netz verlässlich bestimmen, welche der Nachbarzellen für ein Handover in Betracht kommen. So führt das Klagepatent aus, dass die Nachbarzellenmenge eindeutige Kennungsinformationen für die als Nachbarzellen einzustufenden Zellen erfasst, die für ein Handover des mobilen Endgeräts infrage kommen (Absatz [0024] des Klagepatents). Die Basisstation empfängt die eindeutigen Kennungsinformationen und aktualisiert anschließend die Nachbarzellenmenge (Absatz [0024] des Klagepatents). In Absatz [0022] heißt es, nachdem die Versorgungszelle die eindeutige Zellenkennung empfangen hat, kann sie die neue entdeckte Nachbarzelle zu ihrer Nachbarzellenmenge hinzufügen.
395Die Unterscheidung der Nachbarzellenliste (Merkmal 4.3) und der Handover-Kandidatenliste (Merkmal 4.4.3) liegt demnach in dem Eintrag der eindeutigen Kennungsinformation. Der Klagepatentanspruch gibt nicht vor, dass die Handoverkandidatenliste darüber hinaus weitere Angaben enthält oder bestimmten Anforderungen entsprechen muss. Insofern kommt jede vom mobilen Endgerät mitgeteilte, eindeutig identifizierbare Nachbarzelle als mögliche Zelle für ein Handover in Betracht. Der Klagepatentanspruch beschäftigt sich nicht mit der im Ausführungsbeispiel genannten Filterung von Messdaten (Absatz [0022]) oder einer Gewichtung von Daten.
396Funktional erfasst das Klagepatent mit den Begriffen der Nachbarzellenliste und Handover-Kandidatenliste einerseits eine funkzellenspezifische Liste, die für alle Mobilgeräte erstellt wird, die sich in der Versorgungszelle befinden, und auf die die Basisstation auch für gerätespezifische Entscheidungen zurückgreifen kann. Andererseits umfassen sie gleichermaßen eine gerätespezifische Zellenliste, die das Netz für jedes einzelne mobile Endgerät gesondert zur Verfügung stellt. Die Pflege der Nachbarzellenmenge kann in beiden Varianten vorgenommen werden. Das Netz muss die Nachbarn der jeweiligen Versorgungzellen kennen. Für die Vorbereitung des Handovers bedarf es – neben zahlreicher anderer notwendiger Betriebsparameter – einer eindeutigen Identifikation der Nachbarzellen. Diese sonstigen Parameterinformationen können von den Netzressourcen empfangen werden und entweder Eingang in eine nur für ein bestimmtes Endgerät und eine bestimmte Handover-Entscheidung gültige Zellenliste finden oder in die zellenspezifische Liste – zugeordnet einem bestimmten mobilen Endgerät – eingetragen werden. Sofern die Nachbarzellenliste bzw. die Handover-Liste „für das mobile Endgerät“ erstellt wird, versteht der Fachmann darunter jedenfalls auch eine zellenspezifische Liste. Ein solches Verständnis schließt der Wortlaut des Anspruchs nicht aus, da die Formulierung „für das mobile Endgerät“ pars pro toto verwendet wird. Gleichwohl erfasst der Wortlaut „für das mobile Endgerät“ ebenso eine gerätespezifische Liste. Hiergegen spricht auch nicht das Erfordernis des Vorhaltens von enormem Speicherplatz insbesondere für die Handover-Kandidatenliste. Einzig die eindeutig gekennzeichnete Nachbarzellenmenge muss gespeichert werden (Absatz [0004]), nicht jedoch müssen alle anderen Betriebsparameter, die neben der eindeutigen Identifikation der zweiten Kommunikationszelle für eine Handover-Entscheidung notwendig sind, vorgehalten werden. Ihrer bedarf es nur solange, bis diese Messdaten erneuert werden (z.B. weil sich das mobile Endgerät fortbewegt hat und sich damit die Signalstärke ändert). Der Anspruch ist somit nicht notwendigerweise beschränkt auf eine physische Liste oder datenspeicherungstechnische Liste. Erfasst ist vielmehr auch eine wechselseitige Zuordnung von nichteindeutigen Zellkennungen, eindeutigen Zellkennungen und anderen Betriebsparametern. So können Nachbarzellenliste und Handover-Kandidatenliste über ihre Einträge miteinander verknüpft sein.
397Ferner versteht der Fachmann unter „Definieren“ sowohl die erstmalige Erstellung der Listen als auch deren Aktualisierung. So wird er schon aus der Funktion der Nachbarzellenliste, die Identifizierung aller Nachbarzellen inklusive der neuen Nachbarn zu dokumentieren, schließen, dass eine Aktualisierung davon erfasst ist. In einem Ausführungsbeispiel empfängt die Basisstation die Messinformationen, die mit den (nicht eindeutigen) Zellenkennungen, die das mobile Endgerät erkannt hat, verknüpft sind. Sofern die Informationen eine Zellenkennung beinhalten, die nicht zur benachbarten Zellenmenge gehört, kann das mobile Endgerät angefordert werden, auch die eindeutige Zellenkennung abzurufen (vgl. Absatz [0022] des Klagepatents). Der Einwand der Beklagten, die Figuren 4 und 6 unterschieden zwischen dem Erzeugen und dem Aktualisieren einer Nachbarzellenmenge, verfängt nicht. Denn die Figuren zeigen als klagepatentgemäßes Ausführungsbeispiel gerade, dass sowohl das Erzeugen als auch das Aktualisieren unter den anspruchsgemäßen Begriff des Definierens fällt.
398V.
399Zur Überzeugung der Kammer handelt es sich bei der ANR-Funktion um eine zwingende Vorgabe des LTE-Standards (dazu 1), so dass es für die Darlegung der Verletzung genügt, dass der Standard die klagepatentgemäße Lehre zeigt. Das ist hier der Fall. Die angegriffene Ausführungsform II macht daher von allen Merkmalen des Klagepatentanspruchs 6 in Kombination mit Klagepatentanspruch 1 (dazu 2), die angegriffene Ausführungsform I macht von allen Merkmalen des Anspruchs 16 wortsinngemäß Gebrauch (dazu 3).
4001.
401Die ANR-Funktion ist im LTE-Standard zwingend und nicht lediglich optional. Die Klägerin hat insbesondere über die sog. „feature groZ indicators“ substantiiert dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatents in Form der ANR-Funktion Gebrauch macht. Diese Indikatoren listen für UEs zwingende LTE-Funktionen auf. Annex B, Ziffer B.1, Table B.1-1 des Standarddokuments 3GPP TS 36.331 Version 9.4.0 zeigt, dass die FGI 5 und 17, die sich mit der ANR-Funktion befassen, zwingend getestet und implementiert werden müssen. Die Klägerin hat die Tests der angegriffenen Ausführungsform (UE Capability Information WCDMA and LTE; Test Report no.:04032015_006) vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass die Funktion positiv getestet wurde. Sofern die Beklagten die Durchführung der Tests und ihre Ergebnisse mit Nichtwissen bestreiten, dringen sie damit nicht durch. Die angegriffene Ausführungsform wird von den Beklagten angeboten und vertrieben. Sie sind gehalten, substantiiert zu den Funktionen ihrer eigenen Telefone vorzutragen, und können sich mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 138 Abs. 4 ZPO nicht auf ein Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen. Ebenfalls überzeugt der Vortrag der Beklagten nicht, dass sich aus dem vorgelegten Testbericht nicht ergebe, dass das I X getestet worden sei. Die hier maßgebliche Seiten 2 und 6 des Berichts zeigen eindeutig, dass die angegriffene Ausführungsform II getestet wurde.
4022.
403Die angegriffene Ausführungsform II verwirklicht alle Merkmale des Anspruchs 6.
404a)
405Angesichts obiger Ausführungen zur Auslegung ist es unerheblich, dass der PCI aus den Synchronisationssignalen PSS und SSS zusammengesetzt und anhand der Formel errechnet wird (vgl. LTE-Standard IV, Ziffer 6.11). Gleiches gilt auch für die ECGI, die sich aus der plmn-Identity und der cellIdentity zusammensetzt (vgl. LTE-Standard II, Ziffer 6.3.4, CellGloballdEUTRA). Sofern die Beklagten vortragen, dass die ECGI nicht zum eindeutigen Unterscheiden von benachbarten Zellen verwendet werde, sondern um die IP-Adresse einer benachbarten Zelle für die serving eNB leichter herleitbar zu machen, damit ein handover schneller erfolgen kann, führt dies nicht aus der Verletzung heraus. Bei der ECGI handelt es sich um eine eindeutige Kennung. Dies genügt, mag der LTE-Standard auch einen anderen Zweck damit verfolgen. Abgesehen davon ist jedoch die eindeutige Unterscheidung der Nachbarzellen eine unmittelbare Vorfrage, damit ein handover schneller erfolgen kann. Letzteres ist nicht möglich, wenn die Versorgungszelle die zweite Zelle nicht eindeutig identifizieren kann. Dieses Verständnis greift das Klagepatent auch in einem Ausführungsbeispiel auf, wonach im LTE-Netz die eindeutige Zellenkennung auf der IP-Adresse abgebildet wird, die wiederum auf die Funkbasisstation verweist, die die Zelle erkennt (vgl. Absatz [0028]). Schließlich ist die pauschale BehaZ tung, das LTE-Netzwerk sei bereits entsprechend geplant, dass es zu einer Verwechselung nicht komme, bereits aus den oben genannten Gründen unerheblich.
406b)
407Ferner genügt es für die Verwirklichung des Merkmals 3.4.1, dass von mehreren gemessenen Betriebsparametern nicht sämtliche auch der eNB gemeldet werden. Es schadet daher nicht, dass die SFN seitens des UE nicht an die eNB gemeldet wird, wenn eine zeitliche Synchronisation des UE ohne Beteiligung der versorgenden eNB möglich ist.
4083.
409Die angegriffene Ausführungsform I verletzt Anspruch 16 des Klagepatents.
410a)
411Auch wenn der Anspruch ein gesamtes drahtloses Telekommunikationsnetz schützt (Merkmal 1), wird dieses nach dem Klagepatent mindestens aus den Funkbasisstationen gebildet. Die Beklagten verwirklichen daher den Anspruch durch das Angebot nur der eNBs unmittelbar. Denn es genügt, wenn die Möglichkeit besteht, dass zwei oder mehrere eNBs gekauft werden, die dann bereits die Schaffung eines drahtlosen Telekommunikationsnetzes ermöglichen. Die Annahme erscheint auch lebensnah, dass Netzbetreiber nicht isoliert eine Funkbasisstation erwerben, sondern mehrere. Selbst beim Erwerb nur einer einzigen eNB kann diese ein bestehendes Telekommunikationsnetz ergänzen.
412b)
413Die angegriffene Ausführungsform I verwirklicht insbesondere auch die Merkmale 4.3 und 4.4.3.
414Die angegriffene Ausführungsform I stellt eine Netzwerkressource (Merkmal 4) dar, die betreibbar und damit geeignet ist, die Schritte gemäß der Merkmale 4.1 bis 4.4.3 auszuführen. Die eNB sind Teile des drahtlosen Telekommunikationsnetzes und geeignet mit den UEs zu kommunizieren. Über das Empfangen von (nicht-) eindeutigen Zellenkennungen und Parameterinformationen werden verschiedene Informationen über die Nachbarzellenmenge gesammelt, die für ein späteres Handover relevant werden können.
415Die angegriffene Ausführungsform I verwirklicht insbesondere die Merkmale 4.4.3 und 4.3. Nach obiger Auslegung umfasst das Definieren der Nachbarzellenliste/Handover-Kandidatenliste auch deren Aktualisierung. Ferner wird die Neighbour Relation Table (NRT) auch für ein mobiles Endgerät definiert. Indem sich das UE in einer Versorgungszelle befindet, die von der eNB bereitgestellt wird, ist deren NRT für das UE definiert. Laut Ziffer 22.3.3 des LTE-Standards I, Schritt 4 aktualisiert das eNB die Nachbarbeziehungsliste, die in der NRT enthalten ist, nachdem sie anhand ECGI und PCI eine neue Nachbarzelle erkannt hat (Merkmal 4.4.3). Bei der Nachbarzellenliste und der Handover-Kandidatenliste muss es sich nicht um physisch unterschiedliche Listen handeln, sondern es genügt eine veränderte wechselseitige Zuordnung von nichteindeutigen und eindeutigen Zellkennungen. Wie bereits ausgeführt berichtet die UE die empfangene ECGI der eNB der Versorgungszelle. Die eNB entscheidet, die Nachbarbeziehung hinzuzufügen, indem sie unter anderem die NRT aktualisiert (LTE Standard I, Ziffer 22.3.3, Ziffer 4b). Die Spalte TCI entspricht dem ECGI und PCI (LTE Standard I, Ziffer 22.3.2a). Durch die Eintragung der ECGI, die in der TCI enthalten ist, definiert die NRT eine Handover-Liste. Ein nur indirekter Handover-Bezug genügt bereits für die Verwirklichung des Merkmals 4.4.3. In der NRT ist die Nachbarzelle zunächst enthalten, wenn sie generell für ein Handover infrage kommt. Aufgrund weiterer O&M Methoden kann die NRT verwaltet werden und Eigenschaften der NRT verändern (LTE Standard I, Ziffer 22.3.2a a.E.). So kann beispielsweise eine Eintragung NoHo erfolgen, wenn die neue Nachbarzelle sich aus bestimmten anderen Gründen nicht für ein Handover eignet (z.B. Überlastung der Zelle). Die Möglichkeit dieses Eintrags führt auch nicht von dem Verständnis einer Handover-Liste weg. Der Eintrag zeigt vielmehr die erfolgte Bewertung eines zunächst vorhandenen Handover-Kandidaten. Anhaltspunkte für den Eintrag einer „dritten Art“ von Zellen, die nicht die Eigenschaft des Handovers betreffen, sind nicht ersichtlich. Gleichwohl wäre ihre Existenz unerheblich für die Verletzungsfrage, da die NRT jedenfalls im Allgemeinen geeignete Handover-Kandidaten eingetragen hat.
416Ausweislich der Ausführungen zu den Merkmalen 3.3 und 3.4.2 des Anspruchs 6 empfängt die eNB die PCI im measResultNeighCell-Element eines measurement reports der UE. Dies greift der LTE-Standard I in Ziffer 22.3.3 wieder auf, wenn dort die Rede davon ist, dass die eNB einen UE Measurement Report empfängt, der die PCI enthält und dann die nachfolgende Sequenz Anwendung finden kann: Die Sequenz beinhaltet unter anderem das Lesen der ECGI (Schritt 1) und das Aktualisieren der NRT (Schritt 4 b)). Auch wenn die Figur 22.3.2a-1 bereits die NRT in ihrer Funktion als Handover-Liste zeigt, muss die eNB die PCI vor der Abfrage der ECGI notwendig vorhalten (Merkmal 4.3). Denn erst nach der neu entdeckten nichteindeutigen Zellenkennung weist die eNB das UE an, die eindeutige Kennung abzufragen. So heißt es in Ziffer 22.3.3 des LTE-Standards I „The eNB instructs the UE, using the newly discovered PCI as parameter, to read the ECGI […]”. Die Prüfung, ob eine ECGI vorhanden ist, setzt einen Rückgriff auf die im eNB gespeicherte NRT voraus. Hierfür ist jedenfalls erforderlich, dass die Daten aus dem Messbericht gespeichert und mit der NRT verknüpft werden. Darin liegt das klagepatentgemäße Definieren einer Nachbarzellenliste im Sinne des Merkmals 4.3.
417Dem Bestimmen der eindeutigen Kennungsinformationen geht schließlich eine Erforderlichkeitsprüfung vorweg (Merkmal 4.4). So formuliert der LTE-Standard I (Ziffer 22.3.3) wie soeben ausgeführt, die ECGI der „neu entdeckten“ PCI zu lesen. Da es sich bei der PCI um eine neu entdeckte Kennungsinformation handelt, muss die eNB zuvor festgestellt haben, dass ihr die PCI bislang nicht bekannt war. Darin liegt jedoch ein Bestimmen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen (PCI), ob eindeutige Zellenkennungsinformationen erforderlich sind oder nicht.
418VI.
419Geschwärzt und gelöscht
420VII.
421Aufgrund der unberechtigten Benutzung der patentgemäßen Lehre durch die Beklagten ergeben sich folgende Rechtsfolgen:
4221.
423Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen hat die Klägerin gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit § 139 Abs. 1 und 2 PatG.
424Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht (vgl. Schulte/Voß/Kühnen, Patentgesetz, 9. Aufl. 2014, § 139 Rn. 231).
425Die Beklagten haben die streitgegenständliche Patentverletzung schuldhaft begangen. Als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Der Umstand, dass die Klägerin für das Klagepatent gegenüber der ETSI eine FRAND-Erklärung abgegeben hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar mag die FRAND-Erklärung bei den betroffenen Marktteilnehmern die berechtigte Erwartung hervorrufen, dass ihnen eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen erteilt werde, dennoch ist es fahrlässig, ohne den erfolgreichen Abschluss eines Lizenzvertrages mit der Nutzung des Patents zu beginnen. Denn erst die Lizenz vermittelt das Recht zur Benutzung. Der FRAND-Erklärung selbst kommt diese Wirkung hingegen nicht zu; sie stellt lediglich die ernstgemeinte Erklärung des Patentinhabers dar, für den Fall der marktbeherrschenden Wirkung seines Patents potentiellen Benutzern Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen (s. hierzu ausführlicher unten im Rahmen des Zwangslizenzeinwandes).
426Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Dieser besteht bereits in der unberechtigten Benutzung des Schutzrechts durch die Beklagten.
4272.
428Der Klägerin steht gegen die Beklagten auch ein Anspruch auf Auskunft aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ in Verbindung mit den §§ 140b PatG, 242, 259 BGB zu, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagten werden durch die von ihnen verlangte Auskunft nicht unzumutbar belastet. Eine Beschränkung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch aus kartellrechtlichen Gründen ist nicht gerechtfertigt (s. ausführlicher sogleich zum Zwangslizenzeinwand).
429VIII.
430Die Beklagten halten dem Klagebegehren der Klägerin ohne Erfolg den Einwand ihrer (angeblichen) Lizenzwilligkeit entgegen. Weder die FRAND-Selbstverpflichtungserklärung der Klägerin noch die Art. 101, 102 AEUV hindern die Durchsetzung der mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz und Rechnungslegung ganz oder auch nur in Teilen. Hierzu im Einzelnen:
4311.
432Den Ansprüchen wegen unberechtigter Patentbenutzung kommt grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu; die Rechte des geistigen Eigentums werden in der Charta der Grundrechte der EU (Art. 17 Abs. 2) ausdrücklich unter Schutz gestellt. Um diesen Schutz in angemessener Weise zur Geltung zu bringen, müssen die gesetzlichen Ansprüche wegen widerrechtlicher Patentbenutzung in der Regel zur Anwendung gebracht werden. Dies gilt umso mehr, als auch der Zugang zu den Gerichten seinerseits Grundrechtsschutz genießt, Art. 47 der EU-Charta (so auch: EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 57). Beschränkt wird der Schutz des geistigen Eigentums durch den Vorbehalt der Allgemeinverträglichkeit, was insbesondere eine Ausübung der Patentrechte nach den Regeln des Kartellrechts verlangt. Insofern ist spätestens durch die Entscheidung „Orange-Book-Standard“ geklärt, dass einem Unterlassungsanspruch im Patentverletzungsprozess der Einwand eines kartellrechtlichen Lizenzvertragsanspruches entgegengehalten werden kann (BGH, GRUR 2009, 694 ff.; bestätigt zuletzt durch EuGH, GRUR 2015, 764 ff.).
4332.
434Die Klägerin ist Inhaberin eines standardessentiellen Patents, für das sie gegenüber der Standardisierungsorganisation ETSI eine FRAND-Selbstverpflichtungserklärung abgegeben hat. Bei einer solchen de iure-Standardisierung trifft ein Zusammenschluss von Marktteilnehmern – organisiert in einer Standardisierungsorganisation – unter den für die Lösung der Standardisierungsaufgabe infrage kommenden Technologien eine Auswahl und beschließt das Ergebnis dieser Auswahl als Standard. Die Vorteile der de iure-Standardisierung liegen in der Vermeidung eines Ressourcen zehrenden Verdrängungswettkampfes, der Durchsetzung von überlegenen Technologien trotz ggf. geringer Marktmacht des dahinter stehenden Unternehmens, der Erzielung einer weitgehenden Kompatibilität konkurrierender Produkte und der damit verbundenen erleichterten Vergleichbarkeit dieser Produkte für den Verbraucher. Auf der anderen Seite birgt die de iure-Standardisierung auch gewisse Gefahren. Wird etwa die Auswahl der in Frage kommenden Technologien unsachgemäß durchgeführt, so kann dies zu schlechten Ergebnissen führen, weil sich die gewählte Lösung nicht unter Wettbewerbsdruck am Markt durchsetzen muss. Zudem bewirkt die erfolgreiche Standardisierung einer bestimmten technischen Lehre häufig eine Abhängigkeit des betroffenen Produktmarktes. Vor diesem Hintergrund müssen die Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der standardbezogenen Patentnutzung kontrolliert werden, mit denen ein Marktteilnehmer die Machtstellung ausnutzt, die ihm aus dem Zusammenspiel eines erfolgreich implementierten Standards mit einem Patent erwächst (vgl. Picht, GRUR Int. 2014, 1 ff.). Zur Kontrolle dienen hier insbesondere die Regelungen in Art. 101 und 102 AEUV.
4353.
436Der de iure-Standardisierungsvorgang unterfällt dem Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV (Horizontale Leitlinien, 2011, Rn 263 ff.). Am Standardisierungsvorgang beteiligt sind „Unternehmen“ im Sinne dieser Norm, nämlich Einheiten, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Der Begriff der „Vereinbarung“ in Art. 101 AEUV ist grundsätzlich weit zu verstehen. Er erfasst die de-iure-Standardisierung schon deswegen, weil sie zu einem nach Ziel und Vorgehen bewusst gleichgerichteten Vorgehen der Standardisierungsteilnehmer führt. Auswirkungen auf den Wettbewerb entstehen dadurch, dass die Standardisierungsteilnehmer zu Gunsten des Standards auf die Entwicklung oder Nutzung alternativer Technologien verzichten und ein gewisser faktischer Zwang entsteht, nach dem Standard herzustellen oder zu arbeiten.
437Eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV liegt bei der de-iure-Standardisierung dann nicht vor, wenn die Möglichkeit der uneingeschränkten Mitwirkung am Normungsprozess für alle potenziellen Anwender gegeben ist, das Verfahren für die Annahme der betreffenden Norm transparent ist, keine Verpflichtung zur Einhaltung der Norm besteht und Dritten der Zugang zu der Norm zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen gewährt wird (Horizontale Leitlinien, 2011, Rn 280; vgl. auch: Grabitz/Hilf/Nettesheim/Schroeder, Das Recht der Europäischen Union, 54. Auflage 2014, Rn 639). Letzteres gewährleisten die Standardisierungsorganisationen in der Regel durch die Einholung sogenannter FRAND-Erklärungen, mit der die am Standardisierungsprozess beteiligten Inhaber standardessentieller Patente ihre ernstgemeinte Absicht erklären, für den im Voraus nicht sicher absehbaren Fall einer Wettbewerbsbeeinträchtigung allen Marktteilnehmern eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen („fair, reasonable and non-discriminatory“) zu erteilen.
438Die am LTE-Standard mitwirkenden Unternehmen haben für ihre standardessentiellen Patente gegenüber der ETSI FRAND-Selbstverpflichtungserklärungen abgegeben. Der Standardisierungsvorgang als solcher begegnet im vorliegenden Fall keinen Bedenken.
4394.
440Für die Frage, ob der Patentinhaber berechtigt ist, sein (standardessentielles) Patent gerichtlich durchzusetzen, ist Art. 101 AEUV ohne Belang. Denn insofern steht nicht der Vorgang der Standardisierung als solcher, sondern ein (späteres) einseitiges Verhalten des Patentinhabers – die Nichtaufnahme von Lizenzvertragsverhandlungen entsprechend seiner FRAND-Erklärung – im Streit. Soweit in Rechtsprechung und Literatur vereinzelt die Auffassung vertreten wird, auch ein solches Verhalten des Patentinhabers sei an Art. 101 AEUV zu messen (vgl. LG Mannheim, Beschluss vom 21.11.2014, Az.: 7 O 23/14; so wohl auch: LG Mannheim, Urteil vom 27.11.2015, Az.: 2 O 108/14; S. Barthelmeß/N. Gauß, WuV 2010, 626; wohl auch: Walz, GRUR Int. 2013, 718 ff.) überzeugt dies nicht. Art. 101 AEUV verfolgt den Zweck, kartellrechtswidrige Vereinbarungen, d.h. ein wechselseitiges Zusammenwirken von zumindest zwei Parteien, zu unterbinden. Als Rechtsfolge sieht die Norm die Nichtigkeit entsprechender kartellrechtswidriger Vereinbarungen vor. Art. 101 AEUV (i.V.m. § 33 Abs. 1 S. 1 GWB) regelt hingegen nicht, dass der Patentinhaber die Durchsetzung eines Patents zu unterlassen hat, solange er nicht entsprechend der FRAND-Erklärung verhandelt.
4415.
442Die FRAND-Erklärung selbst stellt die ernstgemeinte Erklärung dar, für den im Voraus nicht sicher absehbaren Fall einer Wettbewerbsbeeinträchtigung allen Marktteilnehmern eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen (fair, zumutbar und nicht diskriminierend) zu erteilen (invitatio ad offerendum). Sie ist deklaratorischer Natur und gibt Dritten damit keinen Anspruch auf Einräumung einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen (so auch schon: LG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2012, Az.: 4b O 273/10). Die am Standardisierungsvorgang beteiligten Unternehmen geben die FRAND-Selbstverpflichtungserklärung ab, um die kartellrechtliche Unbedenklichkeit der Standardabsprache sicherzustellen. Entsprechend ist ihre Erklärung dahingehend auszulegen, dass sie sich soweit verpflichten wollen, wie dies aus kartellrechtlichen Gründen zwingend erforderlich ist. Hierfür ist weder ein bindendes Lizenzvertragsangebot seitens des Patentinhabers noch ein Verzicht auf die Durchsetzung seiner Unterlassungsansprüche gegenüber jedem Lizenzinteressenten erforderlich. Ein solcher Bedeutungsgehalt kann den Erklärungen bei verständiger Würdigung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) nicht beigemessen werden. Es entspricht nicht dem Willen der Standardisierungsteilnehmer bzw. etwaiger Rechtsnachfolger, gegenüber jedem Dritten eine rechtliche Verpflichtung dergestalt einzugehen, mit ihm einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen, unabhängig davon, ob das jeweilige in Rede stehende Patent seinem Inhaber überhaZ t eine marktbeherrschende Stellung vermittelt und damit in kartellrechtlicher Hinsicht Bedeutung auf dem Markt erlangt hat. Vielmehr gibt der Patentinhaber mit seiner FRAND-Erklärung lediglich seine grundsätzliche Bereitschaft zu erkennen, für den Fall der marktbeherrschenden Wirkung seines Patents Lizenzen zu gleichen und angemessenen Bedingungen einzuräumen. Diese Erklärung stellt damit die deklaratorische Konkretisierung des kraft Kartellrechts ohnehin bestehenden gesetzlichen Abschlusszwangs dar. Eigenständige rechtliche Bedeutung hat sie insoweit, als sie das Pflichtenprogramm des Patentinhabers im Rahmen der Prüfung des Art. 102 AEUV (§§ 19, 20 GWB) mit beeinflusst.
4436.
444Art. 102 AEUV verlangt neben der marktbeherrschenden Stellung des anspruchstellenden Unternehmens das Eingreifen außergewöhnlicher Umstände, die zu einer Beeinträchtigung des Handels führen.
445a)
446Die für die Anwendung des Art. 102 AEUV erforderliche marktbeherrschende Position der Klägerin ergibt sich nicht schon allein aufgrund ihrer Rechtsposition am Klagepatent. Nicht jedes standardessentielle Patent vermittelt eine kartellrechtlich bedeutsame Marktmacht (vgl. das Urteil der Kammer vom 26.03.2015, Az.: 4b O 140/13; so auch Müller, GRUR 2012, 686). Die Berufung auf eine etwaige fehlende Marktmacht ist auch nicht etwa vor dem Hintergrund der abgegebenen FRAND-Erklärung treuwidrig. Denn mit dieser gibt der Patentinhaber – wie vorstehend ausgeführt – lediglich seine grundsätzliche Bereitschaft zu erkennen, für den Fall der marktbeherrschenden Wirkung seines Patents Lizenzen zu gleichen und angemessenen Bedingungen einzuräumen. Im Rahmen des Art. 102 AEUV ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob der unter Schutz gestellten technischen Lehre tatsächlich eine kartellrechtlich relevante, marktbeherrschende Bedeutung zukommt.
447Der Begriff der Marktbeherrschung ist weder eine feststehende Eigenschaft eines Unternehmens noch ein absoluter rechtlicher Begriff. Die Marktbeherrschung besteht immer nur im Hinblick auf gewisse Funktionen, Märkte, Vorschriften, usw. So kann ein Unternehmen insbesondere nur im Hinblick auf einen bestimmten Teil seiner Aktivitäten marktbeherrschend sein (Langen/Bunte/Nothdurft/RZ pelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 15).
448Speziell für den Bereich des geistigen Eigentums hat die Europäische Kommission in der Entscheidung „DDD “ (C-457/10P, EU:C:2012:770, Rn 175) festgestellt, dass eine beherrschende Stellung eine wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens sei, „die es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, seinen Kunden und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten“. Weiter heißt es in Rn 186, dass „zwar nicht angenommen werden könne, dass die bloße Inhaberschaft von Rechten des geistigen Eigentums eine beherrschende Stellung begründe, sie aber geeignet sei, unter bestimmten Umständen eine solche Stellung zu schaffen, insbesondere dadurch, dass das Unternehmen die Möglichkeit erhalte, einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt zu verhindern“.
449Dabei muss sich die Marktmacht nicht zwingend auf den beherrschten Markt selbst beschränken, sondern kann sich auch auf vor- oder nachgelagerte Märkte erstrecken (Langen/Bunte/Nothdurft/RZ pelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 15). Im Hinblick auf Rechte am geistigen Eigentum ist kartellrechtlich relevant insofern nicht der Markt der Lizenzvergabe, sondern der nachgelagerte Produktmarkt (vgl.: EuGH, GRUR Int. 1995, 490, Rn 47 – Magill TVG Guide; BGH, NJW-RR 2010, 392 ff. – Reisestellenkarte).
450Dieser nachgelagerte Produktmarkt als sachlich relevanter Markt ist im Hinblick auf die vom Patent geschützte technische Lehre genauer zu qualifizieren. Bezogen auf ein standardessentielles Patent ist der relevante Markt im Grundsatz der Markt, auf dem diejenigen Produkte angeboten werden, die den Standard mit der SEP-geschützten Technik verwirklichen. Dabei erfolgt die Marktabgrenzung in ständiger Rechtsprechung nach dem sog. Bedarfsmarktkonzept. Hiernach werden alle Leistungen einem Markt zugeordnet, die aus Sicht der Marktgegenseite funktionell austauschbar sind (BGHZ 160, 321-332 – Staubsaugerbeutelmarkt m.w.N.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.03.2008, Az.: VI-U (Kart) 29/06, zitiert nach juris). Ziel der Marktabgrenzung ist es stets, die den Wahlmöglichkeiten der Marktgegenseite entsprechende Realität des Wettbewerbs zu erfassen (Langen/Bunte/Nothdurft/RZ pelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 20 m.w.N.).
451Bei dem in Rede stehenden Betrieb der automatischen Nachbarbeziehungen (sog. ANR-Funktion), handelt es sich um eine Technologie, die eine der Grundfunktionen eines Mobilfunkgerätes betrifft und die den LTE-Standards I bis III (3GPP TS 36.300 Version 8.9.0, 3GPP TS 36.331 Version 8.7.0 und 3GPP TS 36.523-1 Version 12.3.0) unterfällt. Nach den LTE-Standards kommunizieren die eNBs mit den LTE-Mobilgeräten über Funksignale. Die streitgegenständliche Technik gewährleistet eine automatisierte Verwaltung der Architektur eines drahtlosen Telekommunikationsnetzes. Dieses Netz besteht aus verschiedenen Kommunikationszellen, die von sog. Basisstationen bereitgestellt werden. Eine Mobilfunkverbindung wird durch die Übergabe der Verbindung (sog. Handover) von einer Kommunikationszelle zur nächsten aufrechterhalten. Anhand bestimmter Charakteristika ermittelt das Netz mit Hilfe des mobilen Endgeräts die optimale Zelle für ein Handover. Das Klagepatent stellt ein Verfahren und ein Netzwerk mit entsprechendem mobilem Endgerät zur Verfügung, bei denen die korrekte Identifizierung einer neuen Zelle automatisch erfolgen soll.
452Es kann dahinstehen, ob tatsächlich jedes mobile Endgerät am Markt mit der streitgegenständlichen Technologie ausgestattet ist und es keine konkurrenzfähige Alternative am Markt gibt. In seinen Entscheidungen „Standard-Spundfaß“ (BGH, GRUR 2004, 967) und „Orange-Book-Standard“ (BGH, GRUR 2009, 694) ist der BGH zwar davon ausgegangen, dass es für die kartellrechtlich relevante Marktmacht darauf ankommt, ob ein konkretes, dem Standard bzw. der Norm entsprechendes Produkt substituierbar ist, d.h. ein nicht norm- bzw- standardgerechtes Produkt auf dem nachgelagerten Nachfragemarkt überhaZ t absetzbar und damit wettbewerbsfähig wäre, auf solche Fälle der Marktzutrittsvoraussetzung eines SEP ist die Annahme einer marktbeherrschenden Bedeutung hingegen nicht beschränkt. Vielmehr kann eine marktbeherrschende Stellung auch dann angenommen werden, wenn auf dem relevanten Markt auch Produkte angeboten werden, die die Produktkonfiguration des standardessentiellen Patents nicht aufweisen. Voraussetzung für die Annahme einer marktbeherrschenden Position ist in diesem Fall, dass ohne den Zugang zur Nutzung des streitgegenständlichen Patents ein wettbewerbsfähiges Angebot nicht möglich ist, d.h. allein mit Produkten ohne die patentierte Funktion kein wirksamer Wettbewerb zu den übrigen Anbietern stattfindet. Demgegenüber wäre eine marktbeherrschende Stellung jedenfalls dann zu verneinen, wenn die durch das SEP geschützte technische Funktion für den Nachfrager von SEP-Produkten gar keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt. Letzteres kommt im Streitfall nicht in Betracht. Die streitgegenständliche Technik ist sowohl für die Netzbetreiber als auch für die Endkunden so wesentlich, dass ohne ihre Nutzung ein wirksamer Wettbewerb auf dem Markt für mobile Endgeräte nicht möglich ist. Dies wird auch von der Klägerin nicht ernsthaft bestritten.
453b)
454Bei der Frage, wann außergewöhnliche Umstände vorliegen, die einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV begründen können, muss die Standardessentialität des geltend gemachten Patents Ausgangspunkt sämtlicher Überlegungen sein, weil eben jene das Patent für jeden Wettbewerber, der Produkte herzustellen beabsichtigt, die dem Standard entsprechen, unerlässlich macht. Der Inhaber eines standardessentiellen Patents ist damit in der Lage zu verhindern, dass standardkonforme Produkte seiner Wettbewerber auf den Markt gelangen oder auf dem Markt bleiben. Hinzu kommt, dass der Patentinhaber – wie vorstehend ausgeführt – sich durch seine FRAND-Erklärung bereit erklärt hat, Lizenzen zu gleichen und angemessenen Bedingungen zu erteilen. Hierin liegt der grundlegende Unterschied des Streitfalls zu dem Sachverhalt, über den der BGH in seiner Entscheidung „Orange-Book-Standard“ zu befinden hatte (NJW-RR 2009, 1047 ff.). Die dort aufgestellten hohen Anforderungen an das Verhalten des Patentverletzers lassen sich auf Konstellationen, in denen der Patentinhaber gegenüber der Standardisierungsorganisation eine FRAND-Erklärung abgegeben hat, nicht ohne weiteres übertragen. Vielmehr hat der EuGH für einen solchen Fall in seinem Urteil vom 16.07.2015 folgende Grundsätze aufgestellt (GRUR 2015, 764 ff.):
455aa)
456Der Inhaber eines standardessentiellen Patents, für das er gegenüber der Standardisierungsorganisation eine FRAND-Erklärung abgegeben hat, muss, damit eine Klage auf Unterlassung, Rückruf oder Vernichtung nicht als missbräuchlich angesehen werden kann, Bedingungen erfüllen, durch die ein gerechter Ausgleich der betroffenen Interessen gewährleistet wird. Vor der gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche muss er den angeblichen Verletzer zunächst einmal auf die Patentverletzung hinweisen (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 61) und ihm, soweit der Verletzer zur Lizenznahme grundsätzlich bereit ist, ein konkretes schriftliches Angebot auf Lizenzierung des Patents zu FRAND-Bedingungen unterbreiten (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 63). Hierauf muss der Verletzer nach Treu und Glauben und insbesondere ohne Verzögerungstaktik reagieren (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 65). Nimmt der Verletzer das Angebot des Patentinhabers nicht an, muss er innerhalb kurzer Frist ein Gegenangebot machen (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 66). Lehnt der SEP-Inhaber dieses Gegenangebot ab, muss der Patentverletzer ab diesem Zeitpunkt über die Benutzung des SEPs abrechnen und für die Zahlung der Lizenzgebühren Sicherheit leisten (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 67).
457Diese kartellrechtlichen Beschränkungen gelten nicht nur für den Unterlassungsanspruch, sondern auch für den Rückrufanspruch und den Anspruch auf Vernichtung patentverletzender Gegenstände. Denn diese Ansprüche beinhalten im Allgemeinen ein Verkaufsverbot des Produktes, mit dem das Patent verletzt wird, und können deshalb einen Marktausschluss bedeuten (vgl. hierzu etwa: Pressemitteilung der Kommission in Sachen EEE vom 29.04.2014). Dies kann zu einer Verzerrung von Lizenzverhandlungen und zu wettbewerbswidrigen Lizenzbedingungen führen, die der Lizenznehmer ohne die drohende Unterlassungsverfügung nicht akzeptiert hätte.
458bb)
459Entgegen der Auffassung der Beklagten sind diese Überlegungen nicht ohne weiteres auf den Schadensersatzanspruch zu übertragen. Ein Marktausschluss droht durch die Zuerkennung dieses Anspruchs nicht und auch sonst wird ein wirksamer Wettbewerb durch sie nicht verhindert. Eine Klage auf Schadensersatz für vergangene Benutzungshandlungen, die das standardessentielle Patent verletzen, ist lediglich darauf gerichtet, den SEP-Inhaber für bereits erfolgte Verletzungen seines Patents zu entschädigen. Sie führt weder zum Ausschluss standardkonformer Produkte vom Markt noch dazu, dass ein potentieller Lizenznehmer sich gezwungen sieht, ungünstigen Lizensierungsbedingungen für zukünftige Benutzungen eines SEP zuzustimmen.
460Entsprechend hält auch der EuGH die Geltendmachung eines Anspruches auf Schadensersatz grundsätzlich für nicht missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 73-76). Der Verletzer eines standardessentiellen Patents ist – wie jeder andere Patentverletzer auch – verpflichtet, sich vor jeder Benutzung über die bestehende Patentsituation zu informieren und ggf. eine Lizenz einzuholen (vgl.: EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 58). Tut er dies nicht, muss er damit rechnen, auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.
461cc)
462Im Rahmen der Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach ist eine irgendwie geartete Beschränkung aus Gründen des Kartellrechts nicht geboten. Grundsätzlich stehen dem Patentinhaber für die konkrete Angabe der Höhe des Schadensersatzes gemäß § 139 Abs. 2 PatG drei Berechnungsarten zur Verfügung (vgl. hierzu auch: Kraßer, Patentrecht, 6. Auflage 2009, 5. Abschnitt § 35 IV. a); Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, 11. Auflage 2015, § 139 Rn 61). Gemäß § 139 Abs. 2 S. 1 PatG i.V.m. § 249 BGB i.V.m. § 252 BGB ist die Berechnung des konkreten Schadens einschließlich des entgangenen Gewinns nach der Differenzlehre vorgesehen. Seit der Neufassung von § 139 Abs. 2 PatG durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7.7.2008 (Durchsetzungsgesetz), das am 1.9.2008 in Kraft getreten ist und mit dem die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums umgesetzt worden ist, werden der Verletzergewinn (§ 139 Abs. 2 S. 2 PatG) und die angemessene Lizenzgebühr (§ 139 Abs. 2 S. 3 PatG) als Berechnungsgrundlage ausdrücklich im Patentgesetz erwähnt. Die drei Berechnungsarten – entgangener Gewinn, Lizenzanalogie oder Verletzergewinn – stehen nebeneinander. Der Verletzte hat ein Wahlrecht und muss sich für eine der drei Berechnungsarten entscheiden (Kraßer, Patentrecht, 6. Auflage 2009, 5. Abschnitt § 35 IV. a); Pitz, Patentverletzungsverfahren, 2. Auflage 2010, Teil 4 I. 4. a)). Alle drei Berechnungsmethoden dienen der Berechnung desselben Schadens und stellen damit lediglich Rechenoptionen, nicht aber unterschiedliche Ansprüche dar (Melullis, GRUR Int. 2008, 679 ff.). Die Feststellung, dass ein bestimmter Verletzer dem Patentinhaber nach § 139 PatG Schadensersatz schuldet, die Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruches also grundsätzlich gegeben sind, geht der Bestimmung der Höhe dieses Schadens vor. Die Zuerkennung nur einer bestimmten Berechnungsmethode – insbesondere der Lizenzanalogie – kommt nicht in Betracht. Soweit – wie im vorliegenden Fall – lediglich die Feststellung der Schadensersatzpflicht beantragt ist, entscheidet das Gericht ausschließlich über den Grund des Anspruchs.
463Die Höhe des konkreten Schadens hat auf die Frage der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach lediglich dann Einfluss, wenn die Möglichkeit besteht, dass der dem Patentinhaber entstandene Schaden mit Null zu bemessen ist (vgl.: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff – Standard-Spundfass). Eine solche Freilizenz kommt vorliegend ersichtlich nicht in Betracht. Dass eine solche von der Klägerin geschuldet würde, wird auch von den Beklagten nicht geltend gemacht.
464dd)
465Andernfalls kommt lediglich eine Begrenzung der Schadensersatzverpflichtung auf einen bestimmten Höchstbetrag in Betracht, die allerdings erst im Rahmen des ggf. sich anschließenden Höheverfahrens zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu auch: Obergericht für Geistiges Eigentum, Japan, GRUR Int. 2015, 144 ff. – Apple v. I II, mit etwas anderem Ansatz).
466Insofern ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von §§ 19, 20 GWB bzw. Art. 102 AEUV einen Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrages begründen kann (vgl. hierzu: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff. – Standard-Spundfass; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2007, 181 – Orange Book). Dieser kartellrechtliche Anspruch auf Lizenzierung dient der Durchsetzung des gegenüber jedem Marktteilnehmer geltenden Verbots, eine marktbeherrschende Stellung nicht zu missbrauchen. Die Weigerung des Patentinhabers, dem berechtigten Verlangen des Patentverletzers auf Abschluss eines Lizenzvertrages nachzukommen, kann kartellrechtswidrig sein und einen eigenen Schadensersatzanspruch des Patentverletzers gegen den Patentinhaber begründen (§ 33 GWB i.V.m. Art. 102 AEUV bzw. §§ 19, 20 GWB). Der Patentinhaber kann in einem solchen Fall für die Zeit nach seiner rechtswidrigen Weigerung keinen vollen Schadensersatz verlangen, sondern ist der Höhe nach beschränkt auf den Betrag einer angemessenen Lizenzgebühr (vgl.: BGH, NJW-RR 2005, 269 ff. – Standard-Spundfass).
467Nichts anderes gilt auch dann, wenn der Patentinhaber für das in Rede stehende standardessentielle Patent eine FRAND-Erklärung abgegeben hat. Insbesondere hat die FRAND-Erklärung nicht die Wirkung, dass der Schadensersatzanspruch von vornherein auf die Höhe der FRAND-Lizenzgebühr beschränkt ist. Dies könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn man der FRAND-Erklärung konstitutive Wirkung in dem Sinne beimessen wollte, dass sie jedem Marktteilnehmer einen eigenen Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrages zu FRAND-Bedingungen vermittelt. Dieser Auffassung folgt die Kammer hingegen nicht (s.o.). Vielmehr kann der dem Grunde nach zunächst in voller Höhe bestehende Schadensersatzanspruch des Patentinhabers wegen Patentverletzung nur durch einen Gegenanspruch des Verletzers eingeschränkt werden, § 33 GWB i.V.m. Art. 102 AEUV bzw. §§ 19, 20 GWB. Die Voraussetzungen eines solchen Gegenanspruchs sind vom Verletzer darzulegen und zu beweisen.
468Nachdem Art. 102 AEUV ein missbräuchliches Verhalten des Patentinhabers voraussetzt, ist vorrangig auf dessen Verhalten abzustellen, wobei dieses üblicherweise im Wechselspiel mit dem Verhalten des Patentbenutzers zu bewerten ist. Unter welchen Voraussetzungen dem Patentinhaber im Einzelnen bei der Geltendmachung eines Schadensersatz-, Auskunfts- und/oder Rechnungslegungsanspruchs ein Missbrauchsvorwurf zu machen ist, ist vom EuGH in seinem Urteil vom 16.07.2015 (GRUR 2015, 764 ff.) nicht entschieden worden. Die Ausführungen des EuGH beziehen sich ausdrücklich nur auf die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs sowie der in ihren Wirkungen auf den betroffenen Markt vergleichbaren Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung (vgl. EuGH, GRUR 2015, 764 ff.). Im Gegensatz hierzu sind die Auswirkungen der Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung auf den Markt weitaus geringer. Allein der Umstand, dass die zu leistende Auskunft und Rechnungslegung für den Verletzer ggf. mit hohem Aufwand verbunden ist und/oder seine Geheimhaltungsinteressen berührt, rechtfertigt es nicht, für die Geltendmachung dieser Ansprüche die Anforderungen an die Pflichten des Patentinhabers im Rahmen des Art. 102 AEUV genauso hoch anzusetzen wie bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs.
469Vielmehr ist mit dem EuGH im Grundsatz davon auszugehen, dass der Verletzer eines standardessentiellen Patents – wie jeder andere Patentverletzer auch – verpflichtet ist, sich vor jeder Benutzung über die bestehende Patentsituation zu informieren und ggf. eine Lizenz einzuholen (vgl.: EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 58). Tut er dies nicht, muss er damit rechnen, auf (vollen) Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Erst wenn der Patentinhaber sich weigert, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, verhält er sich missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV (EuGH, GRUR 2015, 764 ff. Rn 53) und der Verletzer schuldet in der Folge nur noch Schadensersatz in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr.
470Soweit der EuGH vom Patentinhaber für den Fall einer Klage auf Unterlassung, Rückruf und/oder Vernichtung verlangt, dass er den Verletzer vor der Klageerhebung auf die Verletzung hinweist und ihm, nachdem der Verletzer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, ein Angebot zu FRAND-Bedingungen unterbreitet (vgl. EuGH, GRUR 2015, S. 764 ff. Rn 61-63), beruht dies unter unterem auf der Erwägung, dass mit der Zuerkennung der vorgenannten Ansprüche des Patentinhabers der Marktausschluss des Verletzers mit seinem standardkonformen Produkt mit den damit verbundenen einschneidenden Folgen für den Produktmarkt droht (vgl. EuGH, GRUR 2015, S. 764 ff. Rn 52). Diese Erwägung ist auf die Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung nicht übertragbar. Erhebt der Patentinhaber eine Klage zur Geltendmachung dieser Ansprüche, ohne den Verletzer zuvor auf die Verletzung hingewiesen und, nachdem der Verletzer seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, ein Angebot zu FRAND-Bedingungen unterbreitet zu haben, begründet allein dies noch keinen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV. Hinzukommen muss vielmehr ein erkennbar nach außen zutage getretener Wille des Verletzers auf Abschluss eines Lizenzvertrages, dem der Patentinhaber sich treuwidrig verweigert.
471ee)
472Liegen nach den vorstehenden Ausführungen die Voraussetzungen für eine Beschränkung des Schadensersatzanspruches auf die Höhe einer FRAND-Gebühr vor, führt dies in der Folge zu einer inhaltlichen Beschränkung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruches. Denn letzterer hat seinem Zweck nach dem Umfang des Schadensersatzanspruches zu folgen (vgl. hierzu: Schulte/Voß/Kühnen, PatG, 9. Auflage, § 139 Rn 148).
473Die der Vorbereitung des Schadensersatzanspruches dienende Auskunft und Rechnungslegung muss zwar grundsätzlich alle Angaben enthalten, die der Verletzte benötigt, um eine der ihm offen stehenden drei Berechnungsmethoden (Lizenzanalogie, Verletzergewinn oder entgangener Gewinn) auszuwählen und auf dieser Grundlage die Schadenshöhe zu beziffern (BGH, GRUR 1962, 354, 356 - Furniergitter; BGH, GRUR 1974, 53 – Nebelscheinwerfer; Fitzner/Lutz/Bodewig/Pitz, Patentrechtskommentar, 4. Auflage 2012, § 139 Rn 236), jedoch unterstehen Inhalt und Umfang der Verpflichtung zur Auskunft und Rechnungslegung dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dies erfordert eine Abwägung der Interessen beider Parteien unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls (BGH, GRUR 1974, 53, 54 – Nebelscheinwerfer). In diesem Sinne mag auch die Äußerung des Generalanwalts Wathelet zu verstehen sein, der in seinen Schlussanträgen darauf hingewiesen hat, dass das Gericht über die Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zu wachen habe (Schlussanträge des Generalanwaltes Melchior Wathelet vom 20.11.2014 in der Rechtssache C-170/13, dort Ziffer 101).
474Dabei ist auf Seiten des Patentinhabers die Bedeutung der verlangten Auskunft für die Darlegung der für Grund und Höhe des Schadensersatzanspruchs wesentlichen Umstände in die Abwägung einzustellen; auf Seiten des Verletzers kann insbesondere ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse Bedeutung erlangen (BGH, GRUR 2007, 532 ff. – Meistbegünstigungsvereinbarung). Demgegenüber rechtfertigen Unterschiede bezüglich des Arbeitsaufwandes bei verschiedenen Schadensberechnungsarten es in aller Regel nicht, den Patentinhaber auf eine für den Verletzer weniger aufwändige Berechnungsart zu verweisen (BGH, GRUR 1982, 723 ff. – Dampffrisierstab).
475Liegen die Umstände des Einzelfalls so, dass der Patentinhaber für die Nutzung der patentgemäßen Lehre lediglich eine angemessene, FRAND-Bedingungen entsprechende Lizenzgebühr verlangen kann, gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben, auch die Verpflichtung zur Auskunft und Rechnungslegung auf die zur Berechnung dieser FRAND-Lizenzgebühr erforderlichen Angaben zu beschränken. Insbesondere ist in diesem Fall kein schutzwürdiges Interesse des Patentinhabers an Angaben zum Verletzergewinn (Kosten- und Gewinnangaben) ersichtlich, das die berechtigten Geheimhaltungsinteressen des Patentverletzers überwiegen könnte.
476Allerdings ist von den Beklagten nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass die Voraussetzungen für einen kartellrechtlichen Anspruch auf Lizensierung zu FRAND-Bedingungen gegeben sind und der Schadensersatzanspruch der Klägerin damit von vornherein auf die Höhe einer FRAND-Lizenzgebühr beschränkt wäre. Soweit die Beklagten vortragen, es habe mehrfach Treffen mit der Klägerin gegeben, im Rahmen derer ernsthafte Lizenzvertragsverhandlungen geführt worden seien, bleiben Zeitpunkte, Orte und Inhalte entsprechender Gespräche im Dunkeln. Die Klägerin bietet öffentlich die Lizensierung der übertragenen Patente zu einheitlichen Bedingungen an. Soweit die Beklagten diesbezüglich bemängeln, dass ihre Sonderposition als frühere Lizenznehmerin an den Y -Patenten nicht hinreichend berücksichtigt werde, ist dieser Einwand ohne Belang. Denn aus dem Umstand, dass die Beklagten in der Vergangenheit eine Lizenz am Klagepatent (als Teil eines Portfolios) hatten, ergibt sich keine Sonderposition, die es rechtfertigen würde, die Beklagten gegenüber anderen Lizenznehmern besser zu stellen. Ebenso wenig ist die Klägerin verpflichtet, die bisherige Lizensierungspraxis von Y fortzuführen (s.o.). Warum das Angebot der Klägerin im Übrigen nicht FRAND sein sollte, erläutern die Beklagten nicht. Ebenso fehlt es an Ausführungen zum Inhalt und Zeitpunkt des von ihnen angeblich abgegebenen Gegenangebotes. Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin den Abschluss eines Lizenzvertrages zu FRAND-Bedingungen treuwidrig verweigert und damit ihre marktbeherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV missbraucht hat.
477IX.
478Es besteht keine Veranlassung, den Rechtsstreit im Hinblick auf das Nichtigkeitsverfahren gem. § 148 ZPO auszusetzen. Für die Kammer lässt sich auf der Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstands die für eine Aussetzung erforderliche hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit der Nichtigkeitsklage nicht feststellen (BGH, GRUR 2014, 1237 – Kurznachrichten).
4791.
480Das Klagepatent ist gegenüber dem Stand der Technik neu.
481a)
482Der Standard 3GPP TS 23.331 V3.4.0 (nachfolgend: V3.4.0) steht dem Klagepatent nicht neuheitsschädlich entgegen.
483Angesichts des genannten Aussetzungsmaßstabs vermag die Kammer in der hiesigen Situation keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Widerruf des Klagepatents zu erkennen. So präsentieren die Parteien in sich schlüssige Argumentationen und vermögen andererseits nicht, ein stichhaltiges Gegenargument anzuführen, das dem Vortrag der Gegenseite die Grundlage entziehen bzw. einen grundlegenden Widerspruch aufzeigen könnte. Die Klägerin hat ein mögliches fachmännisches Verständnis der Entgegenhaltung dargelegt, das von den Beklagten nicht eine Aussetzungsentscheidung tragend in Zweifel gezogen werden konnte. Da es den Beklagten obliegt, die erforderlichen Erfolgsaussichten des anhängigen Einspruchsverfahrens darzulegen und glaubhaft zu machen, geht dies zu ihren Lasten. Hinzu tritt, dass die Annahme einer (hinreichend) sicheren Vernichtungswahrscheinlichkeit sich verbietet, wenn der im Rechtsbestandsverfahren zur Diskussion stehende technische Sachverhalt derart kompliziert und/oder komplex ist, dass sich das Verletzungsgericht keinen wirklichen Einblick in die Gegebenheiten verschaffen kann (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 8. Aufl., Rn. 531). Das ist hier der Fall.
484Nach Ansicht der Kammer werden die Anweisung, die Mitteilung und das Erkennen der eindeutigen Zellkennung (Merkmale 3.5 bis 3.7 des Anspruchs 6) nicht unmittelbar und eindeutig gezeigt.
485Aus Ziffer 8.6.7.5 erkennt der Fachmann, dass das UE in dem Zustand CELL_FACH die Cell Identity melden soll, wenn das Information Element „cell identity“ auf „TRUE“ gesetzt ist. Der Zustand CELL_DCH spielt keine Rolle, weil hier die Cell Identity nicht gemeldet werden soll. Die Cell Identity wird von der Nachbarzelle im System Information Block Typ 3 oder 4 ausgegeben. Aus Ziffer 10.3.2.2 folgt, dass die Cell Identity eindeutig eine Zelle innerhalb eines PLMN (Public Land Mobile Network) identifiziert. Insofern handelt es sich um eine eindeutige Zellenkennung.
486Die Klägerin wendet ein, dass im UMTS-System das UE nicht in der Lage sei, die Cell Identity nach Empfang der Measurement-Control Nachricht im CELL_FACH Zustand zu erkennen und zu melden.
487Die RRC-Schicht (Radio-Resource-Control-Schicht) sei für den Empfang und die Verarbeitung von Signalisierungsnachrichten verantwortlich, die zwischen einem RNC (radio network controller) und einem Endgerät übertragen werden. Das RRC bediene sich einer Zustandsmaschine, um den Verbindungstyp zwischen dem mobilen Endgerät und dem RNC zu definieren.
488Es gebe 5 RRC-Zustände, unter anderem die Zustände CELL_FACH und CELL_DCH. Von Interesse seien nur drei Messungen, mit denen die Cell Identity übertragen werden könne: Messungen an im selben Frequenzbereich wie die serving cell übertragenden UMTS-Nachbarzellen (intra-frequency measurements); Messungen an in einem anderen Frequenzbereich als die serving cell übertragenden UMTS-Nachbarzellen (inter-frequency measurements) und Messungen an Nicht-UMTS Nachbarzellen (inter-system measurements).
489Mittels der „measurement control message“ könne eine Messung im UE initiiert werden (V3.4.0; Ziffer 8.4). Die entsprechenden Messergebnisse würden mittels des Informationselements „measured results“ übertragen, das Bestandteil der „measurement report message“ sei. Mit der measurement report message werde berichtet (V3.4.0, Ziffer 10.3.7.69, 10.2.17). Wenn hingegen die Nachbarzellmessung mittels der Systeminformationsblöcke 11 und 12 konfiguriert wurde (V3.4.0, Ziffer 8.4), würden in dem RCC-Zustand CELL_FACH die Messergebnisse der Nachbarzelle nicht in den measured results in einem Messbericht, sondern über den Transportkanal RACH übertragen (V3.4.0, Ziffer 8.4 – measurement report message sent to report Z link traffic volume; nur Informationen von netzgerichteten Datenverkehraufkommen). Nur die ersten vier Nachrichten (RRC Connection Request bis Cell Z date) enthielten Informationen über die Nachbarzellen und zwar ausschließlich mittels des Informationselements Measured Results on RACH (V3.4.0; Ziffer 10.3.7.70). Hierbei handele es sich um ein inhaltlich verkürztes Informationselement angehängt an einer ohnehin an das Netz gesendeten Nachricht.
490Es würden daher zwei Arten von Messinformationen im CELL_FACH Zustand gesendet. Nach dem Übergang vom Zustand CELL_DCH in den Zustand CELL_FACH könnten Datenverkehrsvolumenmessungen fortgesetzt und initiiert werden. Bei diesen Messungen wird die Cell Identity weder verlangt noch gesendet. Diese Datenverkehrsvolumenmessungen werden in einem Measurement Report gesendet. Ferner würden Intrafrequenzmessungen vorgenommen, die angehängt an andere Nachrichten mittels des IE measured results on RACH gesendet werden. Die gemeldeten Messinformationen enthielten in keinem der beiden Fälle eine Cell Identity (vgl. V3.4.0, Privatgutachten Martin, S. 4 und 5 mit den dortigen Hinweisen auf V 3.4.0).
491An dieser Argumentation bestehen keine derart durchgreifenden Zweifel, die die Kammer zu dem Ergebnis kommen ließen, der Standard zeige ein Endgerät, dass eine eindeutige Zellenkennung erkenne, melde und anweise.
492Dies folgt zunächst nicht aus der Übertragung der „Reporting information for state CELL_DCH“ mittels der Systeminformationsblöcke 11 und 12, die nach dem Übergang zurück von CELL_FACH in den Zustand CELL_DCH übertragen wird (vgl. Abschnitte 10.3.7.41, 10.3.7.5; Privatgutachten Martin, S.6). Denn die hierin enthaltene Cell Identity wird nicht ohne weiteres als Inhalt der Cell reporting quantities übertragen. Um in dem Bericht enthalten zu sein, muss der Boolean Type auf TRUE gesetzt sein (vgl. Abschnitt 10.3.7.5). Der Fachmann erkennt anhand des Abschnitts 8.6.7.5 indes, dass ein TRUE im CELL_DCH Zustand wie ein FALSE behandelt wird („[…] - in CELL_DCH state:- treat the IE as if the IE „Cell Identity“ is set to FALSE.“). Daher wird die Cell Identity nicht gemeldet.
493Auch das Informationselement Measurement Validity (Abschnitt 10.3.7.36), das dem Mobilgerät anzeigt, für welche RRC-Zustände die Messkonfiguration maßgeblich sein soll, hat hier keine Auswirkung, weil die Messkonfiguration „alle Zustände“, „alle Zustände außer CELL_DCH“ nur einen Geltungsbereich für Verkehrsdatenaufkommensmessungen hat (Abschnitt 8.6.7.1). Somit enthält sie ebenfalls nicht die Cell Identity.
494Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus Abschnitt 9.3.2.7 des V3.4.0. Die Vorrangsaussage bezieht sich nur auf die Measurement Control message, die vor dem Wechsel in den Zustand CELL_FACH bereits im Zustand CELL_DCH empfangen wurde, bei der das Informationselement Measurement Validity auf all states oder all states except CELL_DCH gesetzt ist und die Konfiguration der Datenverkehrsvolumenmessung betrifft. Ihr gebührt danach Vorrang vor den Messungen in CELL_FACH, die durch die Systeminformationsblöcke 11 und 12 initiiert werden. Der Abschnitt regelt den für diesen Fall auftretenden Konflikt (Privatgutachten Martin, S. 4).
495Für die andere Lesart, nach der Abschnitt 9.3.2.7 zwingend zeige, dass die Ausführungen unter Abschnitt 8.4.1.7 nicht abschließend seien, lässt sich insbesondere dem Privatgutachten Carle (vgl. S. 6) kein konkretes Argument entnehmen. Sofern dort ausgeführt wird, die Abschnitte 8.4.1.7 bis 8.4.1.10 beschrieben nicht das Verhalten des Mobilgeräts für den Fall, dass im CELL_FACH Zustand Messaufträge mittels Nachrichten vom Typ „Measurement Control“ übertragen würden, sondern das Verhalten des Mobilgeräts, wenn nach Eingang eines Messauftrages ein Zustandsübergang stattfindet (Privatgutachten Carle, S. 6), wird ein entsprechendes Zitat für die erste Aussage (Übertragung von Messaufträgen vom Typ „Measurement Control“ im CELL_FACH Zustand) gerade nicht genannt. Dem steht indes der Vortrag gegenüber, dass im Sparzustand CELL_FACH weniger Messparameter und inhaltlich gekürzte Messberichte verwendet werden und die Nachbarzellmessungen so effizient wie möglich durchgeführt werden.
496Dass der Fachmann den Abschnitt 8.6.7.5 als eine Offenbarungsstelle für den Bericht einer eindeutigen Zellkennung versteht, vermag die Kammer nicht mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Es kann insoweit dahinstehen, ob die nachträgliche Änderung dieses Abschnitts durch den Change Request CR-702 Tdoc R2-101593 von EEE gerade zeigt, dass der Fachmann diesen Passus von vorneherein für missverständlich gehalten hat. Die klagepatentgemäße Lehre muss unmittelbar und eindeutig offenbart sein. Daran bestehen hingegen durchgreifende Zweifel, wenn der Fachmann die Funktion eines Merkmals im Gesamtkontext der Offenbarung für nachteilig erachtet und deswegen ein solches Verständnis von vorneherein nicht zugrundelegt. Denn erkennbare Fehler wird der Fachmann in der Regel korrigieren (vgl. Benkard/Mellulis, 11. Aufl., § 3 PatG Rn. 182). Die Beklagten vermochten die Argumentation der Klägerin nicht derart zu erschüttern, dass die Kammer von einer Offenbarung des Merkmals 3.7 ausgeht.
497b)
498Die vorherigen Ausführungen gelten auch für die Version 3GPP TS 23.331 V3.4.1 (nachfolgend: V3.4.1).
499c)
500Auch die Version 3GPP TS 23.331 V3.3.0 (nachfolgend: V3.3.0.) offenbart die Merkmale 3.3 bis 3.7 des Anspruchs 6 nicht.
501aa)
502So ist nicht unmittelbar und eindeutig gezeigt, dass in CELL_DCH die Cell Identity von der UE erkannt wird. Zwar lassen sich die Verweisungen der Abschnitte 10.2.17, 10.3.7.69, 10.3.7.35 und 10.3.7.3 zunächst so verstehen, dass die Cell Identity als Bestandteil der Cell measured results Bestandteil des measurement reports ist (Merkmal 3.7). Indes hat die Klägerin vorgetragen, dass im CELL_DCH Zustand die UE nicht in der Lage ist, die Cell Identity zu erkennen. Diese werden nur in den Systeminformationsblöcken SIB 3 und SIB 4 übertragen (V3.3.0, S. 198/199), die jedoch im CELL_DCH Zustand nicht ausgelesen werden können (V3.3.0, Tabelle 8.1.1, S. 29-30).
503V3.3.0 zeigt also nicht, dass die eindeutige Zellkennungsinformation im CELL_DCH Zustand erkannt werden kann (Merkmal 3.6). Vor diesem Hintergrund erscheint die Meldung der Cell Identity als Bestandteil des Measurement Reports jedenfalls widersprüchlich. Auch wenn das Klagepatent sich nicht zu den einzelnen Zuständen verhält, soll die Zellenkennung, die erkannt wurde, im (direkten) Anschluss gemeldet werden.
504Dieses Verständnis wird durch den Änderungsvorschlag von NTT DoCoMo R2-001416 bestätigt, aus dem sich ebenfalls ergibt, dass die Zellidentität nur im Systeminformationsblock Typ 3 und 4 vorhanden ist, welche nicht gelesen werden können, falls das UE sich im CELL_DCH Zustand befindet und das UE eine potentiell ungültige Zellidentität nach dem Wechsel in den CELL_DCH Zustand meldet. Selbst wenn man den Änderungsvorschlag zusammen mit der V 3.3.0 als ein Dokument ansähe – was zweifelhaft ist –, geht hieraus nur hervor, dass es gerade eines zusätzlichen Informationselementes mit der Cell Identity vor dem Hintergrund des V 3.3.0 bedurft hätte. Eine unmittelbare und offenkundige Gesamtoffenbarung der klagepatentgemäßen Lehre erkennt der Fachmann hierin nicht, sondern wiederum nur das Aufzeigen eines Fehlers, der gegebenenfalls zu einer Anpassung führen kann.
505Schließlich folgt auch nichts anderes aus der Spezifikation TS 134 123-1 V3.3.0 für die UMTS-Konformitätstests für mobile Endgeräte. Zum einen spricht bereits der Umstand, dass es sich um ein anderes Dokument handelt, gegen eine unmittelbare und eindeutige Gesamtoffenbarung. Zum anderen ergibt sich aus der Spezifikation ebenfalls nicht, dass die Cell Identity – auch wenn sie Bestandteil des Measurements Reports ist – im CELL_DCH Zustand vom UE erkannt werden kann, obwohl sie sich in den Systeminformationsblöcken SIB 3 und 4 befindet, die in diesem Zustand nicht gelesen werden können.
506bb)
507Ferner offenbart die Version V3.3.0 auch nicht, dass die Cell Indentity nach dem Übergang vom Zustand vom CELL_FACH in den Zustand CELL_DCH übertragen wird. Im Unterschied zur Version V3.4.0 findet sich hier der Abschnitt 8.6.7.5 nicht. Gleichwohl offenbart Abschnitt 10.3.7.5 dem Fachmann nicht eindeutig und unmittelbar, dass nach dem Zustandswechsel in CELL_DCH die Anweisung besteht, die Cell Identity zu berichten. Dem Hinweis, dass der Boolean Typ auf TRUE gesetzt werden muss, um in dem Messbericht enthalten zu sein, mag der Fachmann allenfalls diese Möglichkeit entnehmen. Diese wird der Fachmann indes nicht wählen, weil er weiß, dass die Cell Identity im CELL_FACH nicht benötigt wird. Permanent antizipierte Messungen, in einem Zustand, der energiesparend sein soll, sind nicht notwendig. Es bedarf dort ihrer nicht im gleichen Umfang für ein Handover wie im CELL_DCH Zustand, in dem wie ausgeführt die Cell Identity auch nicht der Basisstation gemeldet wird. Daher würde der Bericht veraltete und gegebenenfalls ungültige Messergebnisse beinhalten. Insofern sieht der Fachmann keine Notwendigkeit für die Anweisung und wird den Boolean Type auf FALSE setzen.
508d)
509Die Ausführungen zu den Versionen V3.3.0, V3.4.0 und V3.4.1 gelten ebenfalls für Anspruch 16, so dass die Merkmale 4.4.1 und 4.4.2 nicht offenbart sind.
510e)
511Das Klagepatent ist gegenüber der Entgegenhaltung „Wang“ (Masterarbeit vom 16.06.2003, neu.
512Wang befasst sich mit einem Handover Mechanismus in einem heterogenen Netz, das z.B. aus einer Kombination von Weitverkehrsfunknetzen (GPRS oder 3G) und lokalen Drahtlosnetzwerken (WLAN) besteht. Der Entgegenhaltung mangelt es an der Offenbarung einer nichteindeutigen Zellenkennung. Im Rahmen der Erstellung einer externen Ressourcenkarte wird ein Präfixcode/BS-ID Nummer einer benachbarten BS übertragen und analysiert, ob es sich um ein bekanntes IP-Präfix handelt (Anlage FFF -ES 16a, S. 18, Schritte 2 und 3). In der mündlichen Verhandlung haben die Beklagten insoweit ausgeführt, dass es sich bei dem Präfixcode, den ersten beiden gelben Spalten der Tabelle 1 in der Anlage FFF -ES 16a, um die nichteindeutige Zellenkennung handele, das Netzwerk IP-Präfix in der orangen Spalte demgegenüber die eindeutige Zellenkennung darstelle. Ferner sei in der Tabelle 12 auf S. 58 ein geschlossenes System definiert, das nur 28 Zellen zeige, die wiederum alle ein anderes Network-IP-Präfix aufwiesen. Dem kann die Kammer nicht beitreten, denn neben dem eindeutigen Network-IP-Präfix zeigt diese Tabelle auch jeweils einen eindeutigen Präfixcode/BS-ID-Nummer: Diese die Network ID und Cell serial number enthaltenen Präfixcodes/BS-ID Nummern haben die Aufteilung WWAN BS 1-8 und WLAN 1 AP 1-20. Keine der Präfixcodes/ID-Nummern wiederholt sich. Dieser gezeigte Beacon-Code offenbart daher keine nichteindeutige Zellenkennung.
513f)
514Die Entgegenhaltung WO 02/43430 (nachfolgend: GGG ) nimmt die klagepatentgemäße Lehre der Ansprüche 6 und 16 ebenfalls nicht neuheitsschädlich vorweg.
515Eine eindeutige Zellenkennung ist in Form der zweiten BSIC Zellenkennung nicht offenbart. Die zweite BSIC stellt keine eindeutige Kennung im Sinne des Klagepatents dar. Sie erscheint in Anbetracht der überschaubaren Auswahl an möglichen BSIC (Basisstationsidentifikationscodes) – 64 an der Zahl – nur lokal als eindeutig, wobei die Lehre des Klagepatents eine im gesamten Netz eindeutige Kennung fordert. Sofern die Beklagte hier auf den zweiten Broadcast-Kontrollkanal und der dort gesendeten zweiten BSIC verweist, bleibt diese Art der Eindeutigkeit hinter der Lehre des Klagepatents zurück. Wird im Messbericht lediglich die zweite BSIC übertragen, ist diese Kennung als 6-Bit-Wert nach dem Klagepatent gerade nicht eindeutig. Nach GGG ist es nicht ausgeschlossen, dass die zweite BSIC in anderen lokalen Bereichen des Netzes wiederverwendet wird. Verwirrende Messberichte durch eine Doppelnutzung scheinen nur deswegen ausgeschlossen zu sein, weil durch den BSC und MSC vor der Vergabe der BSIC geklärt wurde, dass er in keiner weiteren Nachbarzelle bereits Verwendung findet. Nach der Lehre des Klagepatents ist die eindeutige Zellenkennung aber so ausgestaltet, dass Verwechselungen mit jeglichen Zellen im Netz vermieden werden. Die globale Eindeutigkeit bezieht sich auf das Netz. Unerheblich ist, aus wie vielen Werten die eindeutige Zellenkennung besteht, solange diese Werte im Netz eine unverwechselbare Zuordnung ermöglichen.
516g)
517Das Klagepatent ist auch gegenüber der Entgegenhaltung WO X (nachfolgend HHH ) neu.
518Es fehlt an einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung, dass sowohl die eindeutige als auch nicht die nichteindeutige Zellenkennung erkannt werden (Merkmale 3.3 und 3.6 des Anspruchs 6, Merkmale 4.2, 4.4 und 4.4.2 des Anspruchs 16). HHH präsentiert in Abgrenzung zum Stand der Technik, bei dem eine nichteindeutige Kennung eingesetzt wird, den Einsatz einer eindeutigen Kennung. Die Darstellung der nichteindeutigen Kennung wie des aus BCC und NCC zusammensetzten BSIC bezieht sich auf den Stand der Technik („conventional measurements“ (Z.5); „The principal way in which base station identification has been attempted in the past is […]“; „Thus, for system wide algorithm development, neither of these techniques for identifying a base station are sufficiently reliable to ensure unique identifications […]“. Demgegenüber zeigt Figur 4 in HHH eine Lösung, in der nur eine eindeutige Kennung offenbart ist. Hier ist ein kombiniertes Erkennen von eindeutiger und nichteindeutiger Zellkennung nicht gezeigt. Die Kombination wird vom Fachmann auch nicht mitgelesen. Weitere Überlegungen, wie z.B. ein erhöhter Ressourcenverbrauch, der eine kombinierte Erkennung fordern könnte, die der Fachmann zusätzlich anstellen müsste, sprechen dagegen.
5192.
520Die klagepatentgemäße Lehre ist zudem im Stand der Technik nicht nahe gelegt.
521Der Standard 3 GPP TS 36.300 V0.5.0 (2007-02) zeigt bereits nicht das Empfangen einer Anweisung und das Melden der erkannten eindeutigen Zellenkennung (Merkmale 3.5, 3.7 des Anspruchs 6, Merkmal 4.4.1 des Anspruchs 16).
522Eine Kombination mit der Entgegenhaltung X zeigt mangels Offenbarung der Anweisung die klagepatentgemäße Erfindung nicht. Es erscheint der Kammer zweifelhaft, ob das Erkennen einer etwaig gezeigten Cell Identity nach einer Anweisung erfolgt und nicht bereits davor bzw. beide (eindeutig und nichteindeutigen) Kennungen gemeldet werden.
523In der Entgegenhaltung Meeting Report RigaTSGR#54(11) R3-070322 ist nicht ersichtlich, dass die Cell Identities zwingend in den DSR-Meldungen enthalten sind, so dass eine vorherige Anweisung und Meldung ebenfalls nicht gezeigt sind. Eine Kombination zeigt daher nicht alle klagepatentgemäßen Merkmale.
524Mangels näherer Ausführungen ist die klagepatentgemäße Lehre auch nicht durch die Kombination mit den Entgegenhaltungen X, X, X und X nahe gelegt.
5253.
526Das Klagepatent ist nicht unzulässig erweitert.
527a)
528Indem das mobile Endgerät als Ganzes in der Figur 2 und deren Beschreibung in den Anmeldeunterlagen offenbart ist, erkennt der Fachmann auch, dass die Mittel zum Kommunizieren, Erkennen und Bestimmen etc. gezeigt sind.
529b)
530Es ist nicht ersichtlich, dass der Zusatz des Erkennens und Meldens der nichteindeutigen Zellenkennung den Gegenstand des Klagepatents gegenüber der Patentanmeldung unzulässig erweitert. Bei der streitgegenständlichen Erfindung geht es in erster Linie um die Identifizierung der Nachbarzelle über die eindeutige Zellenkennung. Aus den Anmeldeunterlagen ergibt sich, dass die nichteindeutige Zellenkennung mit den Messinformationen der Betriebsparameter verknüpft ist (WO X, nachfolgend: WO X). Es ergibt sich aber ebenfalls, dass ein gemessener Betriebsparameter typischerweise ein physikalischer Übertragungscodes wie beispielsweise ein Verwürfelungscode, der einer Zelle nicht eindeutig zugeordnet ist, sein kann (WO X, S 2, 2. Abs.). Damit zeigen die Anmeldeunterlagen, dass es sich bei der nichteindeutigen Zellenkennung um einen Betriebsparameter handelt, der erkannt und gemeldet wird. Indem der Anspruch die nichteindeutige Kennung als einen spezifischen Betriebsparameter herausgreift, wird der Anspruch nicht erweitert. Das Klagepatent hat den eben aufgeführten Passus ebenso wie das Ausführungsbeispiel in Absatz [0023] in seine Beschreibung übernommen. Der erteilte Anspruch geht insofern nicht über die Anmeldeunterlagen hinaus, weil das Erkennen und Melden der nichteindeutigen Kennung das Erkennen und Melden einer Parameterinformation darstellt.
531Aus diesem Grund ist auch das Bestimmen der Notwendigkeit eindeutiger Zellenkennungsinformationen aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen in den Anmeldeunterlagen offenbart.
532c)
533Es ist nicht nachvollziehbar, wieso durch die Änderung der Reihenfolge die Bedeutung des beanspruchten Gegenstandes geändert werden soll. Es erscheint vielmehr so, dass die Reihenfolge aus den Figuren in den Anmeldeunterlagen gerade in der erteilten Fassung eingehalten wird.
5344.
535Die Kammer hält es nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass das Klagepatent mangels Ausführbarkeit widerrufen wird. Die Einwände werfen Auslegungsfragen bezüglicher einzelner Merkmale bzw. des Begriffs der eindeutigen Zellkennung, des Bestimmens aus den nichteindeutigen Kennungsinformationen und der Definition von Nachbarzellenliste und Handover-Kandidatenliste auf. Der Fachmann wird die Begriffe jedoch mit Hilfe seiner Fachkenntnis auslegen und ihren technischen Sinngehalt umsetzen können.
5365.
537Die weiteren Angriffe sind mangels schriftsätzlicher Behandlung im Verletzungsverfahren von den Parteien selbst zu Recht nicht als eine Aussetzungsentscheidung tragend angesehen worden.
538X.
539Dem Antrag der Beklagten auf Vorlage des MSA war nicht zu entsprechen.
5401.
541Soweit die Beklagten die Vorlage des MSA gemäß § 142 ZPO beantragen, haben sie hiermit keinen Erfolg.
542Nach § 142 Absatz 1 ZPO kann das Gericht anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Dabei muss sich die Bedeutung einer konkret zu bezeichnenden Urkunde für die begehrte Entscheidung aus schlüssigem Parteivortrag ergeben. Die Anordnung ist nur zulässig, wenn sie dazu dient, für die vom Gericht begehrte Entscheidung relevante Umstände zu erhellen (vgl. Zöller/Greger, 31. Aufl. 2016, § 142 Rn. 7; BGH, NJW 2014, 3312). Dabei sind im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung insbesondere auch berechtigte Belange des Geheimnis- oder Persönlichkeitsschutzes zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Greger, 31. Aufl. 2016, § 142 Rn. 8; BGH, NJW 2007, 2989).
543Vor diesem Hintergrund kommt die Anordnung der Vorlage des gesamten MSA nicht in Betracht. Die Kammer vermag anhand des Vortrags der Beklagten nicht zu erkennen, dass die Vorlage des gesamten MSA – über die bereits zur Akte gereichten Auszüge hinaus – für die Entscheidung von Relevanz ist. Demgegenüber würde die Anordnung der Vorlage des gesamten MSA dazu führen, dass Inhalte, die bisher nicht über einen eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und die auch nicht öffentlich verbreitet werden sollen, Dritten bekannt werden würden. Die Vorlage des gesamten MSA würde damit schutzwürdige Interessen der Klägerin und/oder der Streithelferin verletzen. Unter Abwägung der berechtigten Interessen der Parteien hat die Kammer von einer Anordnung der Vorlage des gesamten MSA abgesehen.
544Sofern der Antrag der Beklagten dahingehend zu verstehen sein sollte, dass er sich auf die Vorlage des gesamten Closing binders bezieht, gilt das zuvor Gesagte erst recht.
5452.
546Auch eine Vorlagepflicht nach § 423 ZPO besteht nicht.
547Nach § 423 ZPO ist der Gegner zur Vorlage der in seinen Händen befindlichen Unterlagen verpflichtet, auf die er im Prozess zur Beweisführung Bezug genommen hat. Ausreichend ist jede Bezugnahme zu Aufklärungszwecken (vgl. Zöller, a.a.O., § 423 Rn. 1). Es genügt aber nicht, wenn der Gegner auf den Urkundeninhalt lediglich zur Ergänzung oder Erläuterung seines Tatsachenvortrags hingewiesen hat (vgl. Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 423 Rn. 1).
548Im vorliegenden Fall hat die Klägerin auf den Closing Binder lediglich Bezug genommen, um die Glaubwürdigkeit der vernommenen Zeugen darzulegen. Eine inhaltliche Bezugnahme dergestalt, dass der Closing Binder zur Aufklärung strittiger Punkte beitragen würde, erfolgte nicht.
549XI.
550Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 Nr. 2, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit basiert auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
551Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
552ursprünglich: 2.000.000,00 EUR
553ab dem 23.05.2014 (Teilklagerücknahme): 1.600.000,00 EUR
554Die Streitwertfestsetzung auf 2.000.000,00 EUR beruht darauf, dass mit der Klage neben den mobilen Endgeräten auch Basisstationen angegriffen werden.
(1) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden Anwendung, wenn im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss
- 1.
die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Millionen Euro und - 2.
im Inland mindestens ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro und ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 17,5 Millionen Euro
(1a) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden auch Anwendung, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 erfüllt sind, - 2.
im Inland im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss - a)
ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro erzielt hat und - b)
weder das zu erwerbende Unternehmen noch ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von jeweils mehr als 17,5 Millionen Euro erzielt haben,
- 3.
der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 400 Millionen Euro beträgt und - 4.
das zu erwerbende Unternehmen nach Nummer 2 in erheblichem Umfang im Inland tätig ist.
(2) Absatz 1 gilt nicht für Zusammenschlüsse durch die Zusammenlegung öffentlicher Einrichtungen und Betriebe, die mit einer kommunalen Gebietsreform einhergehen. Die Absätze 1 und 1a gelten nicht, wenn alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen
- 1.
Mitglied einer kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe im Sinne des § 8b Absatz 4 Satz 8 des Körperschaftsteuergesetzes sind, - 2.
im Wesentlichen für die Unternehmen der kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe, deren Mitglied sie sind, Dienstleistungen erbringen und - 3.
bei der Tätigkeit nach Nummer 2 keine eigenen vertraglichen Endkundenbeziehungen unterhalten.
(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung, soweit die Europäische Kommission nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in ihrer jeweils geltenden Fassung ausschließlich zuständig ist.
(1) Die Unternehmen dürfen einen Zusammenschluss, der vom Bundeskartellamt nicht freigegeben ist, nicht vor Ablauf der Fristen nach § 40 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 vollziehen oder am Vollzug dieses Zusammenschlusses mitwirken. Rechtsgeschäfte, die gegen dieses Verbot verstoßen, sind unwirksam. Dies gilt nicht
- 1.
für Verträge über Grundstücksgeschäfte, sobald sie durch Eintragung in das Grundbuch rechtswirksam geworden sind, - 2.
für Verträge über die Umwandlung, Eingliederung oder Gründung eines Unternehmens und für Unternehmensverträge im Sinne der §§ 291 und 292 des Aktiengesetzes, sobald sie durch Eintragung in das zuständige Register rechtswirksam geworden sind, sowie - 3.
für andere Rechtsgeschäfte, wenn der nicht angemeldete Zusammenschluss nach Vollzug angezeigt und das Entflechtungsverfahren nach Absatz 3 eingestellt wurde, weil die Untersagungsvoraussetzungen nicht vorlagen, oder die Wettbewerbsbeschränkung infolge einer Auflösungsanordnung nach Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit Satz 3 beseitigt wurde oder eine Ministererlaubnis nach § 42 erteilt worden ist.
(1a) Absatz 1 steht der Verwirklichung von Erwerbsvorgängen nicht entgegen, bei denen die Kontrolle, Anteile oder wettbewerblich erheblicher Einfluss im Sinne von § 37 Absatz 1 oder 2 von mehreren Veräußerern entweder im Wege eines öffentlichen Übernahmeangebots oder im Wege einer Reihe von Rechtsgeschäften mit Wertpapieren, einschließlich solchen, die in andere zum Handel an einer Börse oder an einem ähnlichen Markt zugelassene Wertpapiere konvertierbar sind, über eine Börse erworben werden, sofern der Zusammenschluss gemäß § 39 unverzüglich beim Bundeskartellamt angemeldet wird und der Erwerber die mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte nicht oder nur zur Erhaltung des vollen Wertes seiner Investition auf Grund einer vom Bundeskartellamt nach Absatz 2 erteilten Befreiung ausübt.
(2) Das Bundeskartellamt kann auf Antrag Befreiungen vom Vollzugsverbot erteilen, wenn die beteiligten Unternehmen hierfür wichtige Gründe geltend machen, insbesondere um schweren Schaden von einem beteiligten Unternehmen oder von Dritten abzuwenden. Die Befreiung kann jederzeit, auch vor der Anmeldung, erteilt und mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden. § 40 Absatz 3a gilt entsprechend.
(3) Ein vollzogener Zusammenschluss, der die Untersagungsvoraussetzungen nach § 36 Absatz 1 erfüllt, ist aufzulösen, wenn nicht die Bundesministerin oder der Bundesminister für Wirtschaft und Energie nach § 42 die Erlaubnis zu dem Zusammenschluss erteilt. Das Bundeskartellamt ordnet die zur Auflösung des Zusammenschlusses erforderlichen Maßnahmen an. Die Wettbewerbsbeschränkung kann auch auf andere Weise als durch Wiederherstellung des früheren Zustands beseitigt werden.
(4) Zur Durchsetzung seiner Anordnung kann das Bundeskartellamt insbesondere
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.
(1) Das Recht auf das Patent, der Anspruch auf Erteilung des Patents und das Recht aus dem Patent gehen auf die Erben über. Sie können beschränkt oder unbeschränkt auf andere übertragen werden.
(2) Die Rechte nach Absatz 1 können ganz oder teilweise Gegenstand von ausschließlichen oder nicht ausschließlichen Lizenzen für den Geltungsbereich dieses Gesetzes oder einen Teil desselben sein. Soweit ein Lizenznehmer gegen eine Beschränkung seiner Lizenz nach Satz 1 verstößt, kann das Recht aus dem Patent gegen ihn geltend gemacht werden.
(3) Ein Rechtsübergang oder die Erteilung einer Lizenz berührt nicht Lizenzen, die Dritten vorher erteilt worden sind.
Das Recht auf das Patent hat der Erfinder oder sein Rechtsnachfolger. Haben mehrere gemeinsam eine Erfindung gemacht, so steht ihnen das Recht auf das Patent gemeinschaftlich zu. Haben mehrere die Erfindung unabhängig voneinander gemacht, so steht das Recht dem zu, der die Erfindung zuerst beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet hat.
(1) Das Recht auf das Patent, der Anspruch auf Erteilung des Patents und das Recht aus dem Patent gehen auf die Erben über. Sie können beschränkt oder unbeschränkt auf andere übertragen werden.
(2) Die Rechte nach Absatz 1 können ganz oder teilweise Gegenstand von ausschließlichen oder nicht ausschließlichen Lizenzen für den Geltungsbereich dieses Gesetzes oder einen Teil desselben sein. Soweit ein Lizenznehmer gegen eine Beschränkung seiner Lizenz nach Satz 1 verstößt, kann das Recht aus dem Patent gegen ihn geltend gemacht werden.
(3) Ein Rechtsübergang oder die Erteilung einer Lizenz berührt nicht Lizenzen, die Dritten vorher erteilt worden sind.
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung
- 1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - 2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten; - 3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.
(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.
(1) Damit die sachliche Prüfung der Patentanmeldung durch die Feststellung des Erfinders nicht verzögert wird, gilt im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt der Anmelder als berechtigt, die Erteilung des Patents zu verlangen.
(2) Wird ein Patent auf Grund eines auf widerrechtliche Entnahme (§ 21 Abs. 1 Nr. 3) gestützten Einspruchs widerrufen oder führt der Einspruch zum Verzicht auf das Patent, so kann der Einsprechende innerhalb eines Monats nach der amtlichen Mitteilung hierüber die Erfindung selbst anmelden und die Priorität des früheren Patents in Anspruch nehmen.
Der Berechtigte, dessen Erfindung von einem Nichtberechtigten angemeldet ist, oder der durch widerrechtliche Entnahme Verletzte kann vom Patentsucher verlangen, daß ihm der Anspruch auf Erteilung des Patents abgetreten wird. Hat die Anmeldung bereits zum Patent geführt, so kann er vom Patentinhaber die Übertragung des Patents verlangen. Der Anspruch kann vorbehaltlich der Sätze 4 und 5 nur innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach der Veröffentlichung der Erteilung des Patents (§ 58 Abs. 1) durch Klage geltend gemacht werden. Hat der Verletzte Einspruch wegen widerrechtlicher Entnahme (§ 21 Abs. 1 Nr. 3) erhoben, so kann er die Klage noch innerhalb eines Jahres nach rechtskräftigem Abschluß des Einspruchsverfahrens erheben. Die Sätze 3 und 4 sind nicht anzuwenden, wenn der Patentinhaber beim Erwerb des Patents nicht in gutem Glauben war.
(1) Das Deutsche Patent- und Markenamt führt ein Register, das die Bezeichnung der Patentanmeldungen, in deren Akten jedermann Einsicht gewährt wird, und der erteilten Patente und ergänzender Schutzzertifikate (§ 16a) sowie Namen und Wohnort der Anmelder oder Patentinhaber und ihrer etwa nach § 25 bestellten Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten angibt, wobei die Eintragung eines Vertreters oder Zustellungsbevollmächtigten genügt. Auch sind darin Anfang, Ablauf, Erlöschen, Anordnung der Beschränkung, Widerruf, Erklärung der Nichtigkeit der Patente und ergänzender Schutzzertifikate (§ 16a) sowie die Erhebung eines Einspruchs und einer Nichtigkeitsklage zu vermerken. In dem Register sind ferner der vom Europäischen Patentamt mitgeteilte Tag der Eintragung der einheitlichen Wirkung des europäischen Patents sowie der mitgeteilte Tag des Eintritts der Wirkung des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung nach Maßgabe des Artikels 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (ABl. L 361 vom 31.12.2012, S. 1; L 307 vom 28.10.2014, S. 83) zu vermerken.
(2) Der Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts kann bestimmen, daß weitere Angaben in das Register eingetragen werden.
(3) Das Deutsche Patent- und Markenamt vermerkt im Register eine Änderung in der Person, im Namen oder im Wohnort des Anmelders oder Patentinhabers und seines Vertreters sowie Zustellungsbevollmächtigten, wenn sie ihm nachgewiesen wird. Solange die Änderung nicht eingetragen ist, bleibt der frühere Anmelder, Patentinhaber, Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigte nach Maßgabe dieses Gesetzes berechtigt und verpflichtet. Übernimmt der neu im Register als Anmelder oder als Patentinhaber Eingetragene ein Einspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt, ein Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht oder ein Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof, so ist dafür die Zustimmung der übrigen Verfahrensbeteiligten nicht erforderlich.
(4) Das Deutsche Patent- und Markenamt trägt auf Antrag des Patentinhabers oder des Lizenznehmers die Erteilung einer ausschließlichen Lizenz in das Register ein, wenn ihm die Zustimmung des anderen Teils nachgewiesen wird. Der Antrag nach Satz 1 ist unzulässig, solange eine Lizenzbereitschaft (§ 23 Abs. 1) erklärt ist. Die Eintragung wird auf Antrag des Patentinhabers oder des Lizenznehmers gelöscht. Der Löschungsantrag des Patentinhabers bedarf des Nachweises der Zustimmung des bei der Eintragung benannten Lizenznehmers oder seines Rechtsnachfolgers.
(5) (weggefallen)
(1) Der Antrag auf Eintragung eines Rechtsübergangs nach § 30 Abs. 3 des Patentgesetzes, § 8 Abs. 4 des Gebrauchsmustergesetzes, § 4 Abs. 2 des Halbleiterschutzgesetzes in Verbindung mit § 8 Abs. 4 des Gebrauchsmustergesetzes, § 27 Abs. 3 des Markengesetzes und § 29 Abs. 3 des Designgesetzes soll unter Verwendung des vom Deutschen Patent- und Markenamt herausgegebenen Formblatts gestellt werden.
(2) In dem Antrag sind anzugeben:
- 1.
das Aktenzeichen des Schutzrechts, - 2.
der Name, der Sitz und die Anschrift des Inhabers des Schutzrechts in der im Register eingetragenen Form, - 3.
Angaben über die Rechtsnachfolger entsprechend § 4 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 der Patentverordnung, § 3 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 der Gebrauchsmusterverordnung, § 5 Abs. 1 bis 4 der Markenverordnung, § 6 Absatz 1 bis 4 der Designverordnung und § 3 Absatz 1 Nummer 5, Absatz 2, 6 Nummer 1 und 2 der Halbleiterschutzverordnung, - 4.
falls die Rechtsnachfolger einen Vertreter bestellt haben, der Name und die Anschrift des Vertreters nach Maßgabe des § 13.
(3) Für den Nachweis des Rechtsübergangs reicht es aus,
- 1.
dass der Antrag von den eingetragenen Inhabern oder ihren Vertretern und von den Rechtsnachfolgern oder ihren Vertretern unterschrieben ist oder - 2.
dass dem Antrag, wenn er von den Rechtsnachfolgern gestellt wird, - a)
eine von den eingetragenen Inhabern oder ihren Vertretern unterschriebene Erklärung beigefügt ist, dass sie der Eintragung der Rechtsnachfolge zustimmen, oder - b)
Unterlagen beigefügt sind, aus denen sich die Rechtsnachfolge ergibt, wie zum Beispiel ein Übertragungsvertrag oder eine Erklärung über die Übertragung, wenn die entsprechenden Unterlagen von den eingetragenen Inhabern oder ihren Vertretern und von den Rechtsnachfolgern oder ihren Vertretern unterschrieben sind.
(4) Für die in Absatz 3 genannten Anträge und Erklärungen sollen die vom Deutschen Patent- und Markenamt herausgegebenen Formulare verwendet werden. Wird ein Antrag auf Eintragung eines Rechtsübergangs allein von den Rechtsnachfolgern gestellt und liegt dem Deutschen Patent- und Markenamt keine Erklärung nach Absatz 3 Nummer 2 Buchstabe a vor, so räumt das Deutsche Patent- und Markenamt dem eingetragenen Inhaber vor der Eintragung des Rechtsübergangs eine angemessene Frist zur Stellungnahme ein.
(5) In den Fällen des Absatzes 3 ist eine Beglaubigung der Erklärung oder der Unterschriften nicht erforderlich.
(6) Das Deutsche Patent- und Markenamt kann in den Fällen des Absatzes 3 weitere Nachweise verlangen, wenn sich begründete Zweifel an dem Rechtsübergang ergeben.
(7) Der Nachweis des Rechtsübergangs auf andere Weise als nach Absatz 3 bleibt unberührt.
(8) Der Antrag auf Eintragung des Rechtsübergangs kann für mehrere Schutzrechte gemeinsam gestellt werden.
(1) Zusammenschlüsse sind vor dem Vollzug beim Bundeskartellamt gemäß den Absätzen 2 und 3 anzumelden. Elektronische Anmeldungen sind zulässig über:
- 1.
die vom Bundeskartellamt eingerichtete zentrale De-Mail-Adresse im Sinne des De-Mail-Gesetzes, - 2.
die vom Bundeskartellamt eingerichtete zentrale E-Mail-Adresse für Dokumente mit qualifizierter elektronischer Signatur, - 3.
das besondere elektronische Behördenpostfach sowie - 4.
eine hierfür bestimmte Internetplattform.
(2) Zur Anmeldung sind verpflichtet:
- 1.
die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen, - 2.
in den Fällen des § 37 Absatz 1 Nummer 1 und 3 auch der Veräußerer.
(3) In der Anmeldung ist die Form des Zusammenschlusses anzugeben. Die Anmeldung muss ferner über jedes beteiligte Unternehmen folgende Angaben enthalten:
- 1.
die Firma oder sonstige Bezeichnung und den Ort der Niederlassung oder den Sitz; - 2.
die Art des Geschäftsbetriebes; - 3.
die Umsatzerlöse im Inland, in der Europäischen Union und weltweit; anstelle der Umsatzerlöse sind bei Kreditinstituten, Finanzinstituten, Bausparkassen sowie bei externen Kapitalverwaltungsgesellschaften im Sinne des § 17 Absatz 2 Nummer 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs der Gesamtbetrag der Erträge gemäß § 38 Absatz 4, bei Versicherungsunternehmen die Prämieneinnahmen anzugeben; im Fall des § 35 Absatz 1a ist zusätzlich auch der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss nach § 38 Absatz 4a, einschließlich der Grundlagen für seine Berechnung, anzugeben; - 3a.
im Fall des § 35 Absatz 1a Angaben zu Art und Umfang der Tätigkeit im Inland; - 4.
die Marktanteile einschließlich der Grundlagen für ihre Berechnung oder Schätzung, wenn diese im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder in einem wesentlichen Teil desselben für die beteiligten Unternehmen zusammen mindestens 20 vom Hundert erreichen; - 5.
beim Erwerb von Anteilen an einem anderen Unternehmen die Höhe der erworbenen und der insgesamt gehaltenen Beteiligung; - 6.
eine zustellungsbevollmächtigte Person im Inland, sofern sich der Sitz des Unternehmens nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes befindet.
(4) Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, wenn die Europäische Kommission einen Zusammenschluss an das Bundeskartellamt verwiesen hat und dem Bundeskartellamt die nach Absatz 3 erforderlichen Angaben in deutscher Sprache vorliegen. Das Bundeskartellamt teilt den beteiligten Unternehmen unverzüglich den Zeitpunkt des Eingangs der Verweisungsentscheidung mit und unterrichtet sie zugleich darüber, inwieweit die nach Absatz 3 erforderlichen Angaben in deutscher Sprache vorliegen.
(5) Das Bundeskartellamt kann von jedem beteiligten Unternehmen Auskunft über Marktanteile einschließlich der Grundlagen für die Berechnung oder Schätzung sowie über den Umsatzerlös bei einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen, den das Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss erzielt hat, sowie über die Tätigkeit eines Unternehmens im Inland einschließlich von Angaben zu Zahlen und Standorten seiner Kunden sowie der Orte, an denen seine Angebote erbracht und bestimmungsgemäß genutzt werden, verlangen.
(6) Anmeldepflichtige Zusammenschlüsse, die entgegen Absatz 1 Satz 1 nicht vor dem Vollzug angemeldet wurden, sind von den beteiligten Unternehmen unverzüglich beim Bundeskartellamt anzuzeigen. § 41 bleibt unberührt.
(1) Die Unternehmen dürfen einen Zusammenschluss, der vom Bundeskartellamt nicht freigegeben ist, nicht vor Ablauf der Fristen nach § 40 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 vollziehen oder am Vollzug dieses Zusammenschlusses mitwirken. Rechtsgeschäfte, die gegen dieses Verbot verstoßen, sind unwirksam. Dies gilt nicht
- 1.
für Verträge über Grundstücksgeschäfte, sobald sie durch Eintragung in das Grundbuch rechtswirksam geworden sind, - 2.
für Verträge über die Umwandlung, Eingliederung oder Gründung eines Unternehmens und für Unternehmensverträge im Sinne der §§ 291 und 292 des Aktiengesetzes, sobald sie durch Eintragung in das zuständige Register rechtswirksam geworden sind, sowie - 3.
für andere Rechtsgeschäfte, wenn der nicht angemeldete Zusammenschluss nach Vollzug angezeigt und das Entflechtungsverfahren nach Absatz 3 eingestellt wurde, weil die Untersagungsvoraussetzungen nicht vorlagen, oder die Wettbewerbsbeschränkung infolge einer Auflösungsanordnung nach Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit Satz 3 beseitigt wurde oder eine Ministererlaubnis nach § 42 erteilt worden ist.
(1a) Absatz 1 steht der Verwirklichung von Erwerbsvorgängen nicht entgegen, bei denen die Kontrolle, Anteile oder wettbewerblich erheblicher Einfluss im Sinne von § 37 Absatz 1 oder 2 von mehreren Veräußerern entweder im Wege eines öffentlichen Übernahmeangebots oder im Wege einer Reihe von Rechtsgeschäften mit Wertpapieren, einschließlich solchen, die in andere zum Handel an einer Börse oder an einem ähnlichen Markt zugelassene Wertpapiere konvertierbar sind, über eine Börse erworben werden, sofern der Zusammenschluss gemäß § 39 unverzüglich beim Bundeskartellamt angemeldet wird und der Erwerber die mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte nicht oder nur zur Erhaltung des vollen Wertes seiner Investition auf Grund einer vom Bundeskartellamt nach Absatz 2 erteilten Befreiung ausübt.
(2) Das Bundeskartellamt kann auf Antrag Befreiungen vom Vollzugsverbot erteilen, wenn die beteiligten Unternehmen hierfür wichtige Gründe geltend machen, insbesondere um schweren Schaden von einem beteiligten Unternehmen oder von Dritten abzuwenden. Die Befreiung kann jederzeit, auch vor der Anmeldung, erteilt und mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden. § 40 Absatz 3a gilt entsprechend.
(3) Ein vollzogener Zusammenschluss, der die Untersagungsvoraussetzungen nach § 36 Absatz 1 erfüllt, ist aufzulösen, wenn nicht die Bundesministerin oder der Bundesminister für Wirtschaft und Energie nach § 42 die Erlaubnis zu dem Zusammenschluss erteilt. Das Bundeskartellamt ordnet die zur Auflösung des Zusammenschlusses erforderlichen Maßnahmen an. Die Wettbewerbsbeschränkung kann auch auf andere Weise als durch Wiederherstellung des früheren Zustands beseitigt werden.
(4) Zur Durchsetzung seiner Anordnung kann das Bundeskartellamt insbesondere
(1) Ein Zusammenschluss liegt in folgenden Fällen vor:
- 1.
Erwerb des Vermögens eines anderen Unternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil; das gilt auch, wenn ein im Inland tätiges Unternehmen, dessen Vermögen erworben wird, noch keine Umsatzerlöse erzielt hat; - 2.
Erwerb der unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle durch ein oder mehrere Unternehmen über die Gesamtheit oder Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen. Die Kontrolle wird durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet, die einzeln oder zusammen unter Berücksichtigung aller tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben, insbesondere durch - a)
Eigentums- oder Nutzungsrechte an einer Gesamtheit oder an Teilen des Vermögens des Unternehmens, - b)
Rechte oder Verträge, die einen bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung, die Beratungen oder Beschlüsse der Organe des Unternehmens gewähren;
- 3.
Erwerb von Anteilen an einem anderen Unternehmen, wenn die Anteile allein oder zusammen mit sonstigen, dem Unternehmen bereits gehörenden Anteilen - a)
50 vom Hundert oder - b)
25 vom Hundert
- 4.
jede sonstige Verbindung von Unternehmen, auf Grund deren ein oder mehrere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen wettbewerblich erheblichen Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können.
(2) Ein Zusammenschluss liegt auch dann vor, wenn die beteiligten Unternehmen bereits vorher zusammengeschlossen waren, es sei denn, der Zusammenschluss führt nicht zu einer wesentlichen Verstärkung der bestehenden Unternehmensverbindung.
(3) Erwerben Kreditinstitute, Finanzinstitute oder Versicherungsunternehmen Anteile an einem anderen Unternehmen zum Zwecke der Veräußerung, gilt dies nicht als Zusammenschluss, solange sie das Stimmrecht aus den Anteilen nicht ausüben und sofern die Veräußerung innerhalb eines Jahres erfolgt. Diese Frist kann vom Bundeskartellamt auf Antrag verlängert werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Veräußerung innerhalb der Frist unzumutbar war.
(1) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden Anwendung, wenn im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss
- 1.
die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Millionen Euro und - 2.
im Inland mindestens ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro und ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 17,5 Millionen Euro
(1a) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden auch Anwendung, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 erfüllt sind, - 2.
im Inland im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss - a)
ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro erzielt hat und - b)
weder das zu erwerbende Unternehmen noch ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von jeweils mehr als 17,5 Millionen Euro erzielt haben,
- 3.
der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 400 Millionen Euro beträgt und - 4.
das zu erwerbende Unternehmen nach Nummer 2 in erheblichem Umfang im Inland tätig ist.
(2) Absatz 1 gilt nicht für Zusammenschlüsse durch die Zusammenlegung öffentlicher Einrichtungen und Betriebe, die mit einer kommunalen Gebietsreform einhergehen. Die Absätze 1 und 1a gelten nicht, wenn alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen
- 1.
Mitglied einer kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe im Sinne des § 8b Absatz 4 Satz 8 des Körperschaftsteuergesetzes sind, - 2.
im Wesentlichen für die Unternehmen der kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe, deren Mitglied sie sind, Dienstleistungen erbringen und - 3.
bei der Tätigkeit nach Nummer 2 keine eigenen vertraglichen Endkundenbeziehungen unterhalten.
(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung, soweit die Europäische Kommission nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in ihrer jeweils geltenden Fassung ausschließlich zuständig ist.
(1) Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU stehen öffentlichen Auftraggebern das offene Verfahren, das nicht offene Verfahren, das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, der wettbewerbliche Dialog und die Innovationspartnerschaft nach ihrer Wahl zur Verfügung. Ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb steht nur zur Verfügung, soweit dies aufgrund dieses Gesetzes gestattet ist.
(2) Abweichend von § 132 Absatz 3 ist die Änderung eines öffentlichen Auftrags über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig, wenn der Wert der Änderung nicht mehr als 20 Prozent des ursprünglichen Auftragswertes beträgt.
(1) Ein Zusammenschluss liegt in folgenden Fällen vor:
- 1.
Erwerb des Vermögens eines anderen Unternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil; das gilt auch, wenn ein im Inland tätiges Unternehmen, dessen Vermögen erworben wird, noch keine Umsatzerlöse erzielt hat; - 2.
Erwerb der unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle durch ein oder mehrere Unternehmen über die Gesamtheit oder Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen. Die Kontrolle wird durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet, die einzeln oder zusammen unter Berücksichtigung aller tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben, insbesondere durch - a)
Eigentums- oder Nutzungsrechte an einer Gesamtheit oder an Teilen des Vermögens des Unternehmens, - b)
Rechte oder Verträge, die einen bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung, die Beratungen oder Beschlüsse der Organe des Unternehmens gewähren;
- 3.
Erwerb von Anteilen an einem anderen Unternehmen, wenn die Anteile allein oder zusammen mit sonstigen, dem Unternehmen bereits gehörenden Anteilen - a)
50 vom Hundert oder - b)
25 vom Hundert
- 4.
jede sonstige Verbindung von Unternehmen, auf Grund deren ein oder mehrere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen wettbewerblich erheblichen Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können.
(2) Ein Zusammenschluss liegt auch dann vor, wenn die beteiligten Unternehmen bereits vorher zusammengeschlossen waren, es sei denn, der Zusammenschluss führt nicht zu einer wesentlichen Verstärkung der bestehenden Unternehmensverbindung.
(3) Erwerben Kreditinstitute, Finanzinstitute oder Versicherungsunternehmen Anteile an einem anderen Unternehmen zum Zwecke der Veräußerung, gilt dies nicht als Zusammenschluss, solange sie das Stimmrecht aus den Anteilen nicht ausüben und sofern die Veräußerung innerhalb eines Jahres erfolgt. Diese Frist kann vom Bundeskartellamt auf Antrag verlängert werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Veräußerung innerhalb der Frist unzumutbar war.
(1) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden Anwendung, wenn im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss
- 1.
die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Millionen Euro und - 2.
im Inland mindestens ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro und ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 17,5 Millionen Euro
(1a) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden auch Anwendung, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 erfüllt sind, - 2.
im Inland im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss - a)
ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro erzielt hat und - b)
weder das zu erwerbende Unternehmen noch ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von jeweils mehr als 17,5 Millionen Euro erzielt haben,
- 3.
der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 400 Millionen Euro beträgt und - 4.
das zu erwerbende Unternehmen nach Nummer 2 in erheblichem Umfang im Inland tätig ist.
(2) Absatz 1 gilt nicht für Zusammenschlüsse durch die Zusammenlegung öffentlicher Einrichtungen und Betriebe, die mit einer kommunalen Gebietsreform einhergehen. Die Absätze 1 und 1a gelten nicht, wenn alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen
- 1.
Mitglied einer kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe im Sinne des § 8b Absatz 4 Satz 8 des Körperschaftsteuergesetzes sind, - 2.
im Wesentlichen für die Unternehmen der kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe, deren Mitglied sie sind, Dienstleistungen erbringen und - 3.
bei der Tätigkeit nach Nummer 2 keine eigenen vertraglichen Endkundenbeziehungen unterhalten.
(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung, soweit die Europäische Kommission nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in ihrer jeweils geltenden Fassung ausschließlich zuständig ist.
(1) Ein Zusammenschluss liegt in folgenden Fällen vor:
- 1.
Erwerb des Vermögens eines anderen Unternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil; das gilt auch, wenn ein im Inland tätiges Unternehmen, dessen Vermögen erworben wird, noch keine Umsatzerlöse erzielt hat; - 2.
Erwerb der unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle durch ein oder mehrere Unternehmen über die Gesamtheit oder Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen. Die Kontrolle wird durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet, die einzeln oder zusammen unter Berücksichtigung aller tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben, insbesondere durch - a)
Eigentums- oder Nutzungsrechte an einer Gesamtheit oder an Teilen des Vermögens des Unternehmens, - b)
Rechte oder Verträge, die einen bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung, die Beratungen oder Beschlüsse der Organe des Unternehmens gewähren;
- 3.
Erwerb von Anteilen an einem anderen Unternehmen, wenn die Anteile allein oder zusammen mit sonstigen, dem Unternehmen bereits gehörenden Anteilen - a)
50 vom Hundert oder - b)
25 vom Hundert
- 4.
jede sonstige Verbindung von Unternehmen, auf Grund deren ein oder mehrere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen wettbewerblich erheblichen Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können.
(2) Ein Zusammenschluss liegt auch dann vor, wenn die beteiligten Unternehmen bereits vorher zusammengeschlossen waren, es sei denn, der Zusammenschluss führt nicht zu einer wesentlichen Verstärkung der bestehenden Unternehmensverbindung.
(3) Erwerben Kreditinstitute, Finanzinstitute oder Versicherungsunternehmen Anteile an einem anderen Unternehmen zum Zwecke der Veräußerung, gilt dies nicht als Zusammenschluss, solange sie das Stimmrecht aus den Anteilen nicht ausüben und sofern die Veräußerung innerhalb eines Jahres erfolgt. Diese Frist kann vom Bundeskartellamt auf Antrag verlängert werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Veräußerung innerhalb der Frist unzumutbar war.
(1) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden Anwendung, wenn im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss
- 1.
die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Millionen Euro und - 2.
im Inland mindestens ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro und ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 17,5 Millionen Euro
(1a) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden auch Anwendung, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 erfüllt sind, - 2.
im Inland im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss - a)
ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro erzielt hat und - b)
weder das zu erwerbende Unternehmen noch ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von jeweils mehr als 17,5 Millionen Euro erzielt haben,
- 3.
der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 400 Millionen Euro beträgt und - 4.
das zu erwerbende Unternehmen nach Nummer 2 in erheblichem Umfang im Inland tätig ist.
(2) Absatz 1 gilt nicht für Zusammenschlüsse durch die Zusammenlegung öffentlicher Einrichtungen und Betriebe, die mit einer kommunalen Gebietsreform einhergehen. Die Absätze 1 und 1a gelten nicht, wenn alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen
- 1.
Mitglied einer kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe im Sinne des § 8b Absatz 4 Satz 8 des Körperschaftsteuergesetzes sind, - 2.
im Wesentlichen für die Unternehmen der kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe, deren Mitglied sie sind, Dienstleistungen erbringen und - 3.
bei der Tätigkeit nach Nummer 2 keine eigenen vertraglichen Endkundenbeziehungen unterhalten.
(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung, soweit die Europäische Kommission nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in ihrer jeweils geltenden Fassung ausschließlich zuständig ist.
(1) Ein Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, ist vom Bundeskartellamt zu untersagen. Dies gilt nicht, wenn
- 1.
die beteiligten Unternehmen nachweisen, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und diese Verbesserungen die Behinderung des Wettbewerbs überwiegen, oder - 2.
die Untersagungsvoraussetzungen ausschließlich auf Märkten vorliegen, auf denen seit mindestens fünf Jahren Waren oder gewerbliche Leistungen angeboten werden und auf denen im letzten Kalenderjahr im Inland insgesamt weniger als 20 Millionen Euro umgesetzt wurden, es sei denn, es handelt sich um Märkte im Sinne des § 18 Absatz 2a oder einen Fall des § 35 Absatz 1a, oder - 3.
die marktbeherrschende Stellung eines Zeitungs- oder Zeitschriftenverlags verstärkt wird, der einen kleinen oder mittleren Zeitungs- oder Zeitschriftenverlag übernimmt, falls nachgewiesen wird, dass der übernommene Verlag in den letzten drei Jahren jeweils in der Gewinn- und Verlustrechnung nach § 275 des Handelsgesetzbuchs einen erheblichen Jahresfehlbetrag auszuweisen hatte und er ohne den Zusammenschluss in seiner Existenz gefährdet wäre. Ferner muss nachgewiesen werden, dass vor dem Zusammenschluss kein anderer Erwerber gefunden wurde, der eine wettbewerbskonformere Lösung sichergestellt hätte.
(2) Ist ein beteiligtes Unternehmen ein abhängiges oder herrschendes Unternehmen im Sinne des § 17 des Aktiengesetzes oder ein Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes, sind die so verbundenen Unternehmen als einheitliches Unternehmen anzusehen. Wirken mehrere Unternehmen derart zusammen, dass sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können, gilt jedes von ihnen als herrschendes.
(3) Steht einer Person oder Personenvereinigung, die nicht Unternehmen ist, die Mehrheitsbeteiligung an einem Unternehmen zu, gilt sie als Unternehmen.
(1) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden Anwendung, wenn im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss
- 1.
die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Millionen Euro und - 2.
im Inland mindestens ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro und ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 17,5 Millionen Euro
(1a) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden auch Anwendung, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 erfüllt sind, - 2.
im Inland im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss - a)
ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro erzielt hat und - b)
weder das zu erwerbende Unternehmen noch ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von jeweils mehr als 17,5 Millionen Euro erzielt haben,
- 3.
der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 400 Millionen Euro beträgt und - 4.
das zu erwerbende Unternehmen nach Nummer 2 in erheblichem Umfang im Inland tätig ist.
(2) Absatz 1 gilt nicht für Zusammenschlüsse durch die Zusammenlegung öffentlicher Einrichtungen und Betriebe, die mit einer kommunalen Gebietsreform einhergehen. Die Absätze 1 und 1a gelten nicht, wenn alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen
- 1.
Mitglied einer kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe im Sinne des § 8b Absatz 4 Satz 8 des Körperschaftsteuergesetzes sind, - 2.
im Wesentlichen für die Unternehmen der kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe, deren Mitglied sie sind, Dienstleistungen erbringen und - 3.
bei der Tätigkeit nach Nummer 2 keine eigenen vertraglichen Endkundenbeziehungen unterhalten.
(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung, soweit die Europäische Kommission nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in ihrer jeweils geltenden Fassung ausschließlich zuständig ist.
(1) Ein Zusammenschluss liegt in folgenden Fällen vor:
- 1.
Erwerb des Vermögens eines anderen Unternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil; das gilt auch, wenn ein im Inland tätiges Unternehmen, dessen Vermögen erworben wird, noch keine Umsatzerlöse erzielt hat; - 2.
Erwerb der unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle durch ein oder mehrere Unternehmen über die Gesamtheit oder Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen. Die Kontrolle wird durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet, die einzeln oder zusammen unter Berücksichtigung aller tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben, insbesondere durch - a)
Eigentums- oder Nutzungsrechte an einer Gesamtheit oder an Teilen des Vermögens des Unternehmens, - b)
Rechte oder Verträge, die einen bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung, die Beratungen oder Beschlüsse der Organe des Unternehmens gewähren;
- 3.
Erwerb von Anteilen an einem anderen Unternehmen, wenn die Anteile allein oder zusammen mit sonstigen, dem Unternehmen bereits gehörenden Anteilen - a)
50 vom Hundert oder - b)
25 vom Hundert
- 4.
jede sonstige Verbindung von Unternehmen, auf Grund deren ein oder mehrere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen wettbewerblich erheblichen Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können.
(2) Ein Zusammenschluss liegt auch dann vor, wenn die beteiligten Unternehmen bereits vorher zusammengeschlossen waren, es sei denn, der Zusammenschluss führt nicht zu einer wesentlichen Verstärkung der bestehenden Unternehmensverbindung.
(3) Erwerben Kreditinstitute, Finanzinstitute oder Versicherungsunternehmen Anteile an einem anderen Unternehmen zum Zwecke der Veräußerung, gilt dies nicht als Zusammenschluss, solange sie das Stimmrecht aus den Anteilen nicht ausüben und sofern die Veräußerung innerhalb eines Jahres erfolgt. Diese Frist kann vom Bundeskartellamt auf Antrag verlängert werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Veräußerung innerhalb der Frist unzumutbar war.
(1) Für die Ermittlung der Umsatzerlöse gilt § 277 Absatz 1 des Handelsgesetzbuchs. Verwendet ein Unternehmen für seine regelmäßige Rechnungslegung ausschließlich einen anderen international anerkannten Rechnungslegungsstandard, so ist für die Ermittlung der Umsatzerlöse dieser Standard maßgeblich. Umsatzerlöse aus Lieferungen und Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen (Innenumsatzerlöse) sowie Verbrauchsteuern bleiben außer Betracht.
(2) Für den Handel mit Waren sind nur drei Viertel der Umsatzerlöse in Ansatz zu bringen.
(3) Für den Verlag, die Herstellung und den Vertrieb von Zeitungen, Zeitschriften und deren Bestandteilen ist das Vierfache der Umsatzerlöse und für die Herstellung, den Vertrieb und die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen und den Absatz von Rundfunkwerbezeiten ist das Achtfache der Umsatzerlöse in Ansatz zu bringen.
(4) An die Stelle der Umsatzerlöse tritt bei Kreditinstituten, Finanzinstituten, Bausparkassen sowie bei externen Kapitalverwaltungsgesellschaften im Sinne des § 17 Absatz 2 Nummer 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs der Gesamtbetrag der in § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a bis e der Kreditinstituts-Rechnungslegungsverordnung in der jeweils geltenden Fassung genannten Erträge abzüglich der Umsatzsteuer und sonstiger direkt auf diese Erträge erhobener Steuern. Bei Versicherungsunternehmen sind die Prämieneinnahmen des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres maßgebend. Prämieneinnahmen sind die Einnahmen aus dem Erst- und Rückversicherungsgeschäft einschließlich der in Rückdeckung gegebenen Anteile.
(4a) Die Gegenleistung nach § 35 Absatz 1a umfasst
- 1.
alle Vermögensgegenstände und sonstigen geldwerten Leistungen, die der Veräußerer vom Erwerber im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss nach § 37 Absatz 1 erhält, (Kaufpreis) und - 2.
den Wert etwaiger vom Erwerber übernommener Verbindlichkeiten.
(5) Wird ein Zusammenschluss durch den Erwerb von Teilen eines oder mehrerer Unternehmen bewirkt, so ist unabhängig davon, ob diese Teile eigene Rechtspersönlichkeit besitzen, auf Seiten des Veräußerers nur der Umsatz oder der Marktanteil zu berücksichtigen, der auf die veräußerten Teile entfällt. Dies gilt nicht, sofern beim Veräußerer die Kontrolle im Sinne des § 37 Absatz 1 Nummer 2 oder 25 Prozent oder mehr der Anteile verbleiben. Zwei oder mehr Erwerbsvorgänge im Sinne von Satz 1, die innerhalb von zwei Jahren zwischen denselben Personen oder Unternehmen getätigt werden, werden als ein einziger Zusammenschluss behandelt, wenn dadurch die Umsatzschwellen des § 35 Absatz 1 erreicht oder die Voraussetzungen des § 35 Absatz 1a erfüllt werden; als Zeitpunkt des Zusammenschlusses gilt der letzte Erwerbsvorgang.
(1) Ein Zusammenschluss liegt in folgenden Fällen vor:
- 1.
Erwerb des Vermögens eines anderen Unternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil; das gilt auch, wenn ein im Inland tätiges Unternehmen, dessen Vermögen erworben wird, noch keine Umsatzerlöse erzielt hat; - 2.
Erwerb der unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle durch ein oder mehrere Unternehmen über die Gesamtheit oder Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen. Die Kontrolle wird durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet, die einzeln oder zusammen unter Berücksichtigung aller tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben, insbesondere durch - a)
Eigentums- oder Nutzungsrechte an einer Gesamtheit oder an Teilen des Vermögens des Unternehmens, - b)
Rechte oder Verträge, die einen bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung, die Beratungen oder Beschlüsse der Organe des Unternehmens gewähren;
- 3.
Erwerb von Anteilen an einem anderen Unternehmen, wenn die Anteile allein oder zusammen mit sonstigen, dem Unternehmen bereits gehörenden Anteilen - a)
50 vom Hundert oder - b)
25 vom Hundert
- 4.
jede sonstige Verbindung von Unternehmen, auf Grund deren ein oder mehrere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen wettbewerblich erheblichen Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können.
(2) Ein Zusammenschluss liegt auch dann vor, wenn die beteiligten Unternehmen bereits vorher zusammengeschlossen waren, es sei denn, der Zusammenschluss führt nicht zu einer wesentlichen Verstärkung der bestehenden Unternehmensverbindung.
(3) Erwerben Kreditinstitute, Finanzinstitute oder Versicherungsunternehmen Anteile an einem anderen Unternehmen zum Zwecke der Veräußerung, gilt dies nicht als Zusammenschluss, solange sie das Stimmrecht aus den Anteilen nicht ausüben und sofern die Veräußerung innerhalb eines Jahres erfolgt. Diese Frist kann vom Bundeskartellamt auf Antrag verlängert werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Veräußerung innerhalb der Frist unzumutbar war.
(1) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden Anwendung, wenn im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss
- 1.
die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Millionen Euro und - 2.
im Inland mindestens ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro und ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 17,5 Millionen Euro
(1a) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden auch Anwendung, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 erfüllt sind, - 2.
im Inland im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss - a)
ein beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von mehr als 50 Millionen Euro erzielt hat und - b)
weder das zu erwerbende Unternehmen noch ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse von jeweils mehr als 17,5 Millionen Euro erzielt haben,
- 3.
der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 400 Millionen Euro beträgt und - 4.
das zu erwerbende Unternehmen nach Nummer 2 in erheblichem Umfang im Inland tätig ist.
(2) Absatz 1 gilt nicht für Zusammenschlüsse durch die Zusammenlegung öffentlicher Einrichtungen und Betriebe, die mit einer kommunalen Gebietsreform einhergehen. Die Absätze 1 und 1a gelten nicht, wenn alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen
- 1.
Mitglied einer kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe im Sinne des § 8b Absatz 4 Satz 8 des Körperschaftsteuergesetzes sind, - 2.
im Wesentlichen für die Unternehmen der kreditwirtschaftlichen Verbundgruppe, deren Mitglied sie sind, Dienstleistungen erbringen und - 3.
bei der Tätigkeit nach Nummer 2 keine eigenen vertraglichen Endkundenbeziehungen unterhalten.
(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung, soweit die Europäische Kommission nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in ihrer jeweils geltenden Fassung ausschließlich zuständig ist.
(1) Die Unternehmen dürfen einen Zusammenschluss, der vom Bundeskartellamt nicht freigegeben ist, nicht vor Ablauf der Fristen nach § 40 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 vollziehen oder am Vollzug dieses Zusammenschlusses mitwirken. Rechtsgeschäfte, die gegen dieses Verbot verstoßen, sind unwirksam. Dies gilt nicht
- 1.
für Verträge über Grundstücksgeschäfte, sobald sie durch Eintragung in das Grundbuch rechtswirksam geworden sind, - 2.
für Verträge über die Umwandlung, Eingliederung oder Gründung eines Unternehmens und für Unternehmensverträge im Sinne der §§ 291 und 292 des Aktiengesetzes, sobald sie durch Eintragung in das zuständige Register rechtswirksam geworden sind, sowie - 3.
für andere Rechtsgeschäfte, wenn der nicht angemeldete Zusammenschluss nach Vollzug angezeigt und das Entflechtungsverfahren nach Absatz 3 eingestellt wurde, weil die Untersagungsvoraussetzungen nicht vorlagen, oder die Wettbewerbsbeschränkung infolge einer Auflösungsanordnung nach Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit Satz 3 beseitigt wurde oder eine Ministererlaubnis nach § 42 erteilt worden ist.
(1a) Absatz 1 steht der Verwirklichung von Erwerbsvorgängen nicht entgegen, bei denen die Kontrolle, Anteile oder wettbewerblich erheblicher Einfluss im Sinne von § 37 Absatz 1 oder 2 von mehreren Veräußerern entweder im Wege eines öffentlichen Übernahmeangebots oder im Wege einer Reihe von Rechtsgeschäften mit Wertpapieren, einschließlich solchen, die in andere zum Handel an einer Börse oder an einem ähnlichen Markt zugelassene Wertpapiere konvertierbar sind, über eine Börse erworben werden, sofern der Zusammenschluss gemäß § 39 unverzüglich beim Bundeskartellamt angemeldet wird und der Erwerber die mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte nicht oder nur zur Erhaltung des vollen Wertes seiner Investition auf Grund einer vom Bundeskartellamt nach Absatz 2 erteilten Befreiung ausübt.
(2) Das Bundeskartellamt kann auf Antrag Befreiungen vom Vollzugsverbot erteilen, wenn die beteiligten Unternehmen hierfür wichtige Gründe geltend machen, insbesondere um schweren Schaden von einem beteiligten Unternehmen oder von Dritten abzuwenden. Die Befreiung kann jederzeit, auch vor der Anmeldung, erteilt und mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden. § 40 Absatz 3a gilt entsprechend.
(3) Ein vollzogener Zusammenschluss, der die Untersagungsvoraussetzungen nach § 36 Absatz 1 erfüllt, ist aufzulösen, wenn nicht die Bundesministerin oder der Bundesminister für Wirtschaft und Energie nach § 42 die Erlaubnis zu dem Zusammenschluss erteilt. Das Bundeskartellamt ordnet die zur Auflösung des Zusammenschlusses erforderlichen Maßnahmen an. Die Wettbewerbsbeschränkung kann auch auf andere Weise als durch Wiederherstellung des früheren Zustands beseitigt werden.
(4) Zur Durchsetzung seiner Anordnung kann das Bundeskartellamt insbesondere
Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.
(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.
(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen
- 1.
ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen; - 2.
Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen; - 3.
ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist; - 4.
sich weigert, ein anderes Unternehmen gegen angemessenes Entgelt mit einer solchen Ware oder gewerblichen Leistung zu beliefern, insbesondere ihm Zugang zu Daten, zu Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, und die Belieferung oder die Gewährung des Zugangs objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein und die Weigerung den wirksamen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten droht, es sei denn, die Weigerung ist sachlich gerechtfertigt; - 5.
andere Unternehmen dazu auffordert, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren; hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Aufforderung für das andere Unternehmen nachvollziehbar begründet ist und ob der geforderte Vorteil in einem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung steht.
(3) Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 5 gilt auch für Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Absatz 1, § 30 Absatz 2a, 2b und § 31 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen, die Preise nach § 28 Absatz 2 oder § 30 Absatz 1 Satz 1 oder § 31 Absatz 1 Nummer 3 binden.
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung
- 1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - 2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten; - 3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung
- 1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - 2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten; - 3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der benutzten Erzeugnisse in Anspruch genommen werden.
(2) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß
- 1.
rechtsverletzende Erzeugnisse in ihrem Besitz hatte, - 2.
rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm, - 3.
für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder - 4.
nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Erzeugnisse oder an der Erbringung solcher Dienstleistungen beteiligt war,
(3) Der zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über
- 1.
Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse oder der Nutzer der Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und - 2.
die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse oder Dienstleistungen bezahlt wurden.
(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 und 2 sind ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist.
(5) Erteilt der zur Auskunft Verpflichtete die Auskunft vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch oder unvollständig, so ist er dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(6) Wer eine wahre Auskunft erteilt hat, ohne dazu nach Absatz 1 oder Absatz 2 verpflichtet gewesen zu sein, haftet Dritten gegenüber nur, wenn er wusste, dass er zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet war.
(7) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung kann die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft im Wege der einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 bis 945 der Zivilprozessordnung angeordnet werden.
(8) Die Erkenntnisse dürfen in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten wegen einer vor der Erteilung der Auskunft begangenen Tat gegen den Verpflichteten oder gegen einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen nur mit Zustimmung des Verpflichteten verwertet werden.
(9) Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nummer 70 des Telekommunikationsgesetzes) erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist. Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht, in dessen Bezirk der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat, ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig. Die Entscheidung trifft die Zivilkammer. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die Beschwerde statthaft. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten bleiben im Übrigen unberührt.
(10) Durch Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 9 wird das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.
(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.
(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.
(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.
(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von
- 1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn - a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und - b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
- 2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in - a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder - b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.
(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen
- 1.
ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen; - 2.
Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen; - 3.
ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist; - 4.
sich weigert, ein anderes Unternehmen gegen angemessenes Entgelt mit einer solchen Ware oder gewerblichen Leistung zu beliefern, insbesondere ihm Zugang zu Daten, zu Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, und die Belieferung oder die Gewährung des Zugangs objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein und die Weigerung den wirksamen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten droht, es sei denn, die Weigerung ist sachlich gerechtfertigt; - 5.
andere Unternehmen dazu auffordert, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren; hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Aufforderung für das andere Unternehmen nachvollziehbar begründet ist und ob der geforderte Vorteil in einem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung steht.
(3) Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 5 gilt auch für Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Absatz 1, § 30 Absatz 2a, 2b und § 31 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen, die Preise nach § 28 Absatz 2 oder § 30 Absatz 1 Satz 1 oder § 31 Absatz 1 Nummer 3 binden.
(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.
(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.
(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.
(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen
- 1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder - 2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder - 3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.
(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.
(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
a) Mobiltelefone anzubieten und/oder zu liefern, die zur Ausübung eines Datenroutingverfahrens in einem Chipsatz geeignet sind, umfassend wenigstens einen Hostprozessor, eine Steuereinheit und eine kontaktlose Datensende-/ Empfangsschnittstelle vom RFID-Typ, wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst, die darin bestehen:
- einen Datenwegeröffnungsbefehl (CMD), der einen in der kontaktlosen Datensende-/ Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt, mittels eines im Hostprozessor lokalisierten Ausgangspunktes (P1, P2) an die Steuereinheit zu senden,
- als Antwort auf den Dateneröffnungsbefehl (CMD) mittels der Steuereinheit (NFCC) einen Datenweg zu eröffnen, der den Ausgangspunkt mit dem Bestimmungspunkt verbindet, wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen wird und wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden,
- für den Bestimmungspunkt bestimmte, in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselte Daten mittels des Ausgangspunktes an die Steuereinheit (NFCC) zu senden und
- beim Empfang der in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselten Daten mittels der Steuereinheit (NFCC), unter Verwendung der Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes, einen Bestimmungspunkt der Daten in der Routing-Tabelle zu suchen und die Daten dann an den Bestimmungspunkt zu senden,
und/oder
b) Datensende-/ Empfangsvorrichtungen (NFCR2) umfassend eine kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) vom RFID-Typ, eine Steuereinheit (NFCC) und wenigstens einen Eingangs/Ausgangsport (INT1, INT2), um die kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) mit einem Hostprozessor (HP1, HP2) zu verbinden,
anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, wobei die Steuereinheit (NFCC) konfiguriert ist, um
- als Antwort auf einen Dateneröffnungsbefehl (CMD), der von einem in einem Hostprozessor (HP1, HP2) lokalisierten Ausgangspunkt gesandt wurde und der einen in der kontaklosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt, einen Datenweg zwischen dem Ausgangspunkt und einem Bestimmungspunkt zu eröffnen, wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen wird und wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden, und
- beim Empfang von in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselten Daten, unter Verwendung der Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes einen Bestimmungspunkt der Daten in der Routing-Tabelle zu suchen;
2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 11. September 2010 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. a) Rechnungen vorzulegen hat,
und wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen,
- der der T . durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen in dem Zeitraum vom 11. September 2010 bis zum 18.12.2014 entstanden ist und
- der der Klägerin in ihrer Eigenschaft als ausschließliche Lizenznehmerin durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 19.12.2014 entstanden ist.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10 Mio EUR vorläufig vollstreckbar, wobei die einzelnen titulierten Ansprüche gegen Teilsicherheiten wie folgt vollstreckt werden können:
Unterlassung (I.1.): 8 Mio €
Rechnungslegung (I.2.): 1,5 Mio €
Kosten: 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
1
Tatbestand
3Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents A (Klagepatent, Anlage K4, in deutscher Übersetzung Anlage K4a) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Das Klagepatent wurde am 23.03.2007 von der T ., damals firmierend unter Inside Technologies S.A., später unter Contactless S.A., unter Inanspruchnahme zweier französischer Prioritäten jeweils vom 10.05.2006 angemeldet. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 14.11.2007. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 11.08.2010 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft.
4Die B hat unter dem 02.06.2014 Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht eingereicht mit dem Antrag, das Klagepatent im Umfang der Ansprüche 1 und 12 für nichtig zu erklären. Wegen des Inhalts der Nichtigkeitsklage wird auf die Anlage HL2 nebst Anlagen Bezug genommen. Über die Nichtigkeitsklage wurde bislang noch nicht entschieden.
5Das Klagepatent bezieht sich auf ein Verfahren zur Weiterleitung von aus- und eingehenden Daten in ein NFC-Chipset. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche 1 und 12 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache französisch ist, lauten in ihrer eingetragenen deutschen Übersetzung wie folgt:
61.
7Datenrouting-Verfahren in einem Chipsatz, umfassend wenigstens einen Hostprozessor (HP1, HP2), eine Steuereinheit (NFCC) und eine kontaktlose Datensende-/ Empfangsschnittstelle (CLINT) vom RFID-Typ,
8dadurch gekennzeichnet, dass es die folgenden Schritte umfasst, die darin bestehen:
9- einen Datenwegeröffnungsbefehl (CMD), der einen in der kontaktlosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt, mittels eines im Hostprozessor lokalisierten Ausgangspunktes (P1, P2) an die Steuereinheit zu senden,
10- als Antwort auf den Dateneröffnungsbefehl (CMD) mittels der Steuereinheit (NFCC) einen Datenweg zu eröffnen, der den Ausgangspunkt mit dem Bestimmungspunkt verbindet, wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen wird und wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden,
11- für den Bestimmungspunkt bestimmte, in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselte Daten mittels des Ausgangspunktes an die Steuereinheit (NFCC) zu senden und
12- beim Empfang der in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselten Daten mittels der Steuereinheit (NFCC), unter Verwendung der Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes, einen Bestimmungspunkt der Daten in der Routing-Tabelle zu suchen und die Daten dann an den Bestimmungspunkt zu senden.
1312.
14Datensende-/Empfangsvorrichtung (NFCR2), umfassend eine kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) vom RFID-Typ, eine Steuereinheit (NFCC) und wenigstens einen Eingangs/Ausgangsport (INT1, INT2), um die kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) mit einem Hostprozessor (HP1, HP2) zu verbinden,
15dadurch gekennzeichnet, dass die Steuereinheit (NFCC) konfiguriert ist, um:
16- als Antwort auf einen Dateneröffnungsbefehl (CMD), der von einem in einem Hostprozessor (HP1, HP2) lokalisierten Ausgangspunkt gesandt wurde und der einen in der kontaklosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt, einen Datenweg zwischen dem Ausgangspunkt und einem Bestimmungspunkt zu eröffnen, wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen wird und wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden, und
17- beim Empfang von in einem Datenübertragungsblock (DF), der ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist, verkapselten Daten, unter Verwendung der Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes einen Bestimmungspunkt der Daten in der Routing-Tabelle zu suchen.
18Bei der Klägerin handelt es sich um eine Patentverwertungsgesellschaft, die 2011 auf Betreiben des französischen Staates zur Förderung des Patentwesens und der Verwertung insbesondere französischer Patente gegründet wurde.
19Am 20.06.2012 unterzeichneten die Herren C als Directeur général der Klägerin einen Patentlizenzvertrag (Lizenzvertrag I) betreffend D (NFC). Gemäß Art. 2 Ziff. 2.1.1 räumte die T . der Klägerin eine Lizenz an verschiedenen Schutzrechten, darunter auch dem Klagepatent, ein. Wegen der Einzelheiten der Vereinbarung wird auf die Anlage K 5c Bezug genommen.
20Am 19.12.2014 unterzeichneten die Herren E als Directeur général der Klägerin einen weiteren Patentlizenzvertrag (Lizenzvertrag II) für die NFC-Technologie, mit dem sie in der Zwischenzeit vereinbarte Vertragsergänzungen und -änderungen in einer konsolidierten Vertragsfassung zusammenfassten. Wiederum räumte die T . mit Art. 2 Ziff. 2.1.1 der Klägerin eine Lizenz an verschiedenen Schutzrechten, darunter auch dem Klagepatent, ein. Gemäß Ziffer 10 des Vertrages wurde der ursprüngliche Lizenzvertrag beendet und durch den neuen Vertrag ersetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Lizenzvertrages II wird auf die Anlage K 5d Bezug genommen.
21Am 27. und 28.01.2015 unterzeichneten die Herren F weiterhin eine Erklärung, mit der die Patentinhaberin gegenüber der Klägerin die Abtretung aller Schadensersatzansprüche erklärte, die der Patentinhaberin in Verbindung mit dem Klagepatent entstanden sind. Wegen der Einzelheiten dieser Vereinbarung wird auf die Anlage K 22 verwiesen.
22Die Beklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft des G . Dieser hat in seiner Produktpalette unter anderem Smartphones, die mit dem NFC-Controller „PN544“ ausgestattet sind (angegriffene Ausführungsform), wie etwa das „H “. Eine Produktbeschreibung des NFC-Controllers „PNC544“ findet sich in Anlage K8. Der angegriffene NFC-Controller befolgt den Standard LL V11.0.0 (2011-09) (Anlage K9, in deutscher Übersetzung als Anlage K9a). Die Patentinhaberin, die T ., hat gegenüber der ETSI eine FRAND-Erklärung abgegeben.
23Mobilfunkgeräte, die mit dem NFC-Controller „PNC544“ ausgestattet sind, werden etwa auf den als Anlagen K3 und K7 auszugsweise wiedergegebenen Internetseiten präsentiert und dort zum Verkauf, auch in der Bundesrepublik Deutschland, angeboten. Urheberrechtlich gestaltet sind diese Seiten von der I . Auch die Domain-Adresse gehört der J . Im Impressum der Seiten wird die Beklagte, allerdings unter fehlerhafter Nennung des Geschäftsführers, aufgeführt (vgl. Anlage K7a). Dieses Impressum wird dem deutschen Nutzer bei einer Suche nach „K “ von der Suchmaschine „Google“ unmittelbar angezeigt. Wenn er auf den Internetseiten der J „Deutschland“ anklickt und sodann „Kontaktaufnahme“ oder „Support Center“ aufruft, erfolgt die Kontaktaufnahme unter der Frankfurter Telefonnummer der Beklagten (vgl. Anlage K25). Ausweislich des als Anlage K11 vorgelegten Handelsregisterauszugs HRB 88937 ist Gegenstand des Unternehmens der Beklagten der Vertrieb, Verkaufs- und Marketingunterstützung sowie der Kundendienst. Sie beschäftigt Mitarbeiter für die Bereiche „Sales“ und „Distribution“ sowie „Regional Key Account Manager“ für deutsche Mobilfunknetzanbieter.
24Im Hinblick auf ihre Aktivlegitimation behauptet die Klägerin, ihr sei durch den Lizenzvertrag I vom 20.12.2012 (Anlage K5c, dort Art. 2.1.1.) eine ausschließliche Lizenz am Klagepatent erteilt worden. Diese Lizenz sei durch den Abschluss des zweiten Lizenzvertrages vom 19.12.2014 (Anlage K5d) bestätigt und erneuert worden.
25Im Rahmen der Passivlegitimation behauptet die Klägerin, die Beklagte selbst biete die angegriffene Ausführungsform in Deutschland an und vertreibe sie. Jedenfalls aber fördere sie durch ihr Handeln die Vertriebstätigkeit der J in Deutschland. Für die als Anlagen K3 und K8 vorgelegten Internetseiten L werde als Verantwortliche ausweislich der Anlage K3 die Beklagte genannt. Dies stimme überein mit den Angaben im Handelsregister, wonach die Beklagte verantwortlich sei für den Vertrieb, den Kundendienst sowie die Verkaufs- und Marketingunterstützung. Die Beklagte zeige auf ihrer Internetseite Smartphones, die über die streitgegenständliche NFC-Technologie verfügten. Dies sei ausreichend, um die Beklagte in der geltend gemachten Weise in Anspruch nehmen zu können.
26Im Angebot und Vertrieb der mit dem NFC-Controller PN544 ausgestatteten Mobilfunkgeräte sieht die Klägerin eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents, wobei sie im Hinblick auf Patentanspruch 1 eine mittelbare und im Hinblick auf Patentanspruch 12 eine unmittelbare Patentverletzung geltend macht. Insofern behauptet sie, eine Verwirklichung des LL V11.0.0 (2011-09) Standards begründe zwingend die Verletzung des Klagepatents, da dieses standardessentiell sei.
27Die „Eröffnung“ eines Datenweges nach der erfindungsgemäßen Lehre bedeute nichts anderes als die Erzeugung eines solchen. Das Öffnen und Schließen des Datenweges sei demgegenüber nicht Gegenstand der Erfindung. Dass nach dem Standard nach der Erzeugung des Datenweges dieser erst noch durch einen gesonderten Befehl geöffnet werden müsse, stehe der Verwirklichung der klagepatentgemäßen Lehre daher nicht entgegen.
28Weiterhin sei unerheblich, dass das Gate, von dem der Datenwegeröffnungsbefehl abgesandt werde, nach dem Standard nicht zugleich das Gate sei, das für den noch zu erzeugenden Datenweg genutzt werde. Dies erfordere die erfindungsgemäße Lehre nämlich nicht. Entscheidend sei vielmehr, dass der Ausgangspunkt des zu erzeugenden Datenweges in dem Hostprozessor lokalisiert sei, der den Datenwegeröffnungsbefehl absende.
29Schließlich sei offensichtlich, dass der Standard eine Routing-Tabelle entsprechend der erfindungsgemäßen Lehre verwende. Der Host-Controller quittiere dem anfragenden Host-Prozessor die Schaffung des Datenweges unter Mitteilung der in Tabelle 10 der Anlage K9 dargestellten Parameter. Dies könne nur geschehen, weil der Host-Controller diese Parameter zuvor abgespeichert habe. Der Host-Controller behalte auch den Zugriff auf diese Parameter, die er dazu benötige, eingehende Daten an den richtigen Bestimmungspunkt weiterzuleiten (Anlage 9 Kapitel 4.4 und 5.1).
30Nachdem die Klägerin ursprünglich noch die Feststellung beantragt hat, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr seit dem 11.09.2010 entstanden ist, beantragt sie nunmehr,
31zu erkennen wie geschehen,
32hilfsweise
33- im Falle des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Mobiltelefone nicht ohne Zustimmung der Klägerin als ausschließlicher Lizenznehmerin des EP M für den NFC-Modus verwendet werden dürfen;
34- im Falle der Lieferung den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Klägerin als ausschließliche Lizenznehmerin zu zahlenden Vertragsstrafe von 10.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die Mobiltelefone nicht ohne Zustimmung der Klägerin als ausschließlicher Lizenznehmerin des EP M für den NFC-Modus zu verwenden.
35Die Beklagte beantragt,
36die Klage abzuweisen,
37hilfsweise den Rechtsstreit bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung des Bundespatentgerichts in dem Nichtigkeitsverfahren über den Rechtsbestand des deutschen Teils DE N des europäischen Patents EP A auszusetzen,
38weiter hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des EuGH in Sachen C-170/13 (Vorabentscheidungsverfahren LG Düsseldorf, 4b O 104/12 – O ) auszusetzen,
39weiter hilfsweise für den Fall einer Verurteilung eine Vollstreckungssicherheitsleistung in Höhe von mindestens 400 Mio EUR anzuordnen.
40Hinsichtlich der Aktivlegitimation der Klägerin bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen, dass die Klägerin und die T . beim Abschluss der Lizenzverträge wirksam vertreten gewesen seien. Zudem ist sie der Auffassung, beide Verträge würden der Klägerin keine ausschließliche, sondern lediglich eine einfache Lizenz einräumen. Dies ergebe sich aus dem Verbot der Unterlizenzerteilung. Zudem sei das klägerische Vorgehen nicht von dem in der Lizenzvereinbarung genannten NFC Licensing Program gedeckt. Außerdem sei nicht ersichtlich, dass der Klägerin vor der Lizenzerteilung entstandene Ansprüche auf Schadensersatz wirksam abgetreten worden seien.
41Im Hinblick auf ihre Passivlegitimation behauptet die Beklagte, sie sei für die angegriffene Ausführungsform nicht in die Vertriebstätigkeit ihres Mutterkonzerns eingebunden. Allein aus ihrer Nennung im Impressum der Webseite L ergebe sich nicht, dass sie die angegriffene Ausführungsform in äußerlich wahrnehmbarer Weise zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitgestellt habe. Dies sei aber zur Verwirklichung eines patentrechtlich relevanten Anbietens erforderlich. Im Übrigen sei das Impressum auch nicht zutreffend, da die genannte Webseite nicht von ihr, sondern von der J betrieben werde. Die tatsächliche und rechtliche Herrschaftsmacht über die Gestaltung der Webseite – einschließlich der deutschsprachigen Fassung – liege allein bei der J . Die Unrichtigkeit des auf der Webseite aufgeführten Impressums ergebe sich schon daraus, dass dort als Geschäftsführer Herr P genannt werde. Dieser sei hingegen nicht der Geschäftsführer der Beklagten, sondern der CEO der J . Sie – die Beklagte – nehme in Deutschland lediglich Repräsentationspflichten für die J wahr. Eine konkrete Unterstützung im Rahmen der Vertriebstätigkeit erfolge nicht.
42Weiter ist die Beklagte der Auffassung, Anspruch 1 und 12 des Klagepatents würden schon deshalb nicht verletzt, weil die angegriffene Ausführungsform zwar den in Rede stehenden Standard verwirkliche, das Klagepatent aber nicht standardessentiell sei und daher die Verwirklichung des Standards noch nicht die Verletzung des Klagepatents begründe.
43So meine das Klagepatent mit der „Eröffnung“ des Datenweges dessen Erzeugung und Öffnung, so dass hiernach unmittelbar Daten gesendet werden könnten. Demgegenüber müsse im Standard – insoweit unstreitig – nach der Erzeugung des Datenweges dieser erst noch mittels eines gesonderten Befehls geöffnet werden, um Daten übermitteln zu können. Insofern stelle die Erzeugung des Datenweges nach dem Standard eben keine erfindungsgemäße „Eröffnung“ des Datenweges dar.
44Zudem werde – insoweit unstreitig - im Standard der Datenwegeröffnungsbefehl nicht von dem Gate aus abgesandt, das später Ausgangspunkt für den zu erzeugenden Datenweg sei. Gerade dies sei aber zwingende Voraussetzung für die Verwirklichung der erfindungsgemäßen Lehre. Diese gehe von einem einheitlichen Ausgangspunkt für die Absendung des Datenwegeröffnungsbefehls und den zu erzeugenden Datenweg aus.
45Schließlich werde im Standard keine erfindungsgemäße Routing-Tabelle verwendet. Ein konkreter Hinweis hierauf finde sich an keiner Stelle. Aus dem Umstand, dass einem Datenweg zwischen zwei Punkten innerhalb eines Chipsatzes eine Routingkanalnummer zugewiesen werde und nachfolgend Daten unter Angabe dieser Routingkanalnummer in einem Header eines Datenpakets versandt würden, könne noch nicht der Rückschluss auf das Vorliegen einer erfindungsgemäßen Routingtabelle gezogen werden. Insbesondere sei hierdurch nicht gezeigt, dass die Routingkanalnummer und die Identifizierer des Ausgangs- und Bestimmungspunktes des Datenweges zusammen in einer Tabelle gespeichert würden.
46Hilfsweise erhebt die Beklagte gegen die Klageansprüche den kartellrechtlichen Lizenzeinwand. Die Klägerin missbrauche durch die unbeschränkte Geltendmachung des Klagepatents ihre marktbeherrschende Stellung. Sie sei verpflichtet, der Beklagten eine Lizenz am Klagepatent zu FRAND-Bedingungen einzuräumen. Aus der Inhaberschaft an einem SEP resultiere stets die Vermutung für eine marktbeherrschende Stellung. Diese Vermutung könne die Klägerin nicht widerlegen. Die NFC-Technologie sei zwar keine Marktzutrittsvoraussetzung, habe sich am Markt aber so weit durchgesetzt, dass ein nicht NFC-fähiges Smartphone nicht markt- bzw. wettbewerbsfähig wäre. Dies werde durch Marktanalysen und -studien (Anlagen HL19-27) belegt. Im Januar 2015 seien hiernach bereits 74 % der am Markt angebotenen Smartphones NFC-fähig gewesen. Den Käufer eines Smartphones interessiere dabei vor allem der Anwendungsbereich des mobilen Bezahlens. Die stetig sinkende Lebensdauer eines Mobilfunkgerätes, die derzeit bei 18 bis 24 Monaten liege, belege, dass der Käufer eines Smartphones ein Gerät erwerben wolle, das sich technisch auf dem neuesten Stand befinde. Ein Ausweichen auf andere technische Möglichkeiten, die nicht vom Z -Standard Gebrauch machen, sei zwar technisch möglich, aus wirtschaftlichen Gründen aber ausgeschlossen. Die deutschen Netzbetreiber würden in ihren Konformitätsanforderungen zwingend die Verwirklichung des Z -Standards verlangen. Smartphones, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, würden von den Netzbetreibern nicht in den Vertrieb genommen.
47Weiter hilfsweise beruft sich die Beklagte auf eine angeblich fehlende Schutzfähigkeit der in diesem Rechtsstreit geltend gemachten Ansprüche 1 und 12 des Klagepatents. Der Gegenstand der Patentansprüche sei nicht patentfähig, da er durch die D1 (Q ) und die D2 (R ) neuheitsschädlich vorweggenommen werde. Zudem mangele es der mit den Ansprüchen 1 und 12 beanspruchten technischen Lösung angesichts der D3 (Auszüge aus „Specification of the Bluetooth System“) an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.
48Die Klägerin tritt den Aussetzungsanträgen entgegen.
49Im Hinblick auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand ist sie der Auffassung, dass es bereits an einer marktbeherrschenden Stellung fehle. Die NFC-Technologie sei eine „Nischentechnologie“, die für den relevanten Markt lediglich von untergeordneter Bedeutung sei. Allein der Umstand, dass die erfindungsgemäße Lehre Eingang in einen von den Standardisierungsorganisationen festgelegten Standard gefunden habe, treffe noch keine Aussage über ihre Bedeutung für den relevanten Markt. Es sei vielmehr im Einzelfall zu prüfen, ob ein SEP für den relevanten Markt von solcher Bedeutung sei, dass es dem Inhaber eine marktbeherrschende Position vermitteln könne. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Kaum ein Verbraucher kenne überhaupt die NFC-Technologie, geschweige denn nutze sie und richte nach deren Vorhandensein seine Kaufentscheidung aus. Im Übrigen sei nicht die Verwendung der NFC-Technologie als solche Gegenstand des Klagepatents, sondern nur der Teilbereich der S , wie er im geltend gemachten Standard beschrieben werde. Dies setze die Implementierung der NFC-Technologie in einer SIM-Karte (auch UICC-Karte genannt) voraus. Alternativ könne die NFC-Technologie aber auch in andere Bauteile, etwa sog. „embedded security elements“ oder Smartcards, eingebettet werden. Lediglich 27 % der am Markt erhältlichen, NFC-fähigen Smartphones würden den Z -Standard befolgen. Bei 43 % werde die NFC-Fähigkeit über ein sog. „embedded Secure Element“ erreicht.
50Die Nichtigkeitsklage der Beklagten gegen die Klagepatentansprüche 1 und 12 werde keinen Erfolg haben. Die Schutzfähigkeit sei gegeben, die erfindungsgemäße Lehre sei sowohl neu als auch erfinderisch. Sowohl die D1 als auch die D2 würden jedenfalls keine Routingtabelle im Sinne der klagepatentgemäßen Lehre offenbaren. Die D3 werde vom Fachmann schon deshalb nicht herangezogen, weil das darin beschriebene Bluetooth-Verfahren die Datenübertragung innerhalb eines Netzwerks betreffe. Hier sei ein Datenrouting schon dem Grunde nach nicht erforderlich, weil keine Daten von einem Netzwerk in das andere übersetzt werden müssten.
51Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2015 verwiesen. Die Akten der Parallelverfahren 4b O 10/14 und 4b O 09/14 waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
52Entscheidungsgründe
53Die Klage ist zulässig und begründet.
54A.
55Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin prozessführungsbefugt. Sie macht zum einen aufgrund der von ihr behaupteten Eigenschaft als ausschließliche Lizenznehmerin im eigenen Namen eigene Ansprüche wegen Patentverletzung geltend. Zum anderen macht sie aufgrund der von ihr behaupteten Abtretung im eigenen Namen Ansprüche aus übergegangenem Recht geltend. Dies genügt zur Begründung der Prozessführungsbefugnis.
56B.
57Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht gemäß Art. 64 EPÜ i.V.m. den §§ 9 S. 2 Nr. 1, 10, 139 Abs. 1 und 2, 140 b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB zu.
58I.
59Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
601.
61Soweit die Klägerin Unterlassungs-, Schadensersatz- und Auskunftsansprüche aus eigenem Recht geltend macht, ist sie dazu als ausschließliche Lizenznehmerin am Klagepatent sachlich berechtigt. Der ausschließliche Lizenznehmer hat eigene Unterlassungs-, Schadensersatz- und Auskunftsansprüche aus dem Klagepatent ab dem Zeitpunkt der Einräumung der ausschließlichen Lizenz, im vorliegenden Fall seit dem 19.12.2014.
62a)
63Zwischen der T . als Inhaberin am Klagepatent und der Klägerin ist ein Lizenzvertrag wirksam zustande gekommen. Die T . ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents. Nach Vorlage des entsprechenden Handelsregisterauszuges (Anlage K 5d, dort S. 3 f.) steht fest und wird auch von der Beklagten zu Recht nicht mehr bestritten, dass es sich bei der Inside Technologies S.A. beziehungsweise der Contactless S.A. lediglich um frühere Firmenbezeichnungen der T . handelte. Bei dem Vertrag, mit dem die T . der Klägerin wirksam eine Lizenz erteilte, handelt es sich um den am 19.12.2014 abgeschlossenen Lizenzvertrag II.
64aa)
65Auf den Vertrag vom 20.06.2012 (Lizenzvertrag I) kann für die wirksame Einräumung einer Lizenz nicht abgestellt werden, weil die Beklagte die Vertretungsbefugnis jedenfalls des Herrn U für die T . erheblich bestritten hat. Nach französischem Recht ist grundsätzlich nur der Directeur général zur Vertretung der S.A. nach außen berechtigt, sofern sich aus den Statuten der Gesellschaft oder Einzelvereinbarungen mit der Gesellschaft nichts anderes ergibt. Herr V war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 19.06.2014 nicht Directeur général der T . Dass er als Vorstandsvorsitzender aufgrund anderer Vereinbarungen zum Abschluss des Lizenzvertrages im Namen der T . berechtigt war, hat die Klägerin nicht dargelegt.
66bb)
67Anders verhält es sich hingegen mit dem Lizenzvertrag II vom 19.12.2014. Zwar ist auch Herr W nicht Directeur général der T . Aber die Klägerin hat mit der Anlage K20 die Kopie einer Vollmacht („Power of attorney“) vorgelegt, mit der der Directeur général der T ., Herr X , Herrn W Vollmacht zur Unterzeichnung des Lizenzvertrages II („Restated Patent License Agreement“) erteilt. Da für die Klägerin Herr Y in seiner Funktion als Directeur général handelte, ist ein Lizenzvertrag wirksam zustande gekommen.
68b)
69Mit dem Lizenzvertrag II hat die Patentinhaberin der Klägerin eine ausschließliche Lizenz am Klagepatent erteilt. Dass es sich bei der erteilten Lizenz um eine ausschließliche handeln soll, wird bereits in der Präambel des Lizenzvertrages klargestellt. Auch der die Gewährung der Rechte regelnde Art. 2 des Lizenzvertrages spricht in Abschnitt 2.1.1 ausdrücklich von der Gewährung einer ausschließlichen Lizenz. Dem steht das in Art. 2 Ziffer 2.1.1 enthaltene Verbot der „Sublizenzierung“ nicht entgegen. Der Vertrag ist an dieser Stelle dahingehend auszulegen, dass nur die Lizenznehmerin selbst und die mit ihr verbundenen Unternehmen („affiliates“) berechtigt sein sollen, einfache Lizenzen am Klagepatent zu erteilen. Es soll hingegen ausgeschlossen werden, dass die Klägerin dieses Recht zur Unterlizenzierung auf Dritte überträgt. In Abgrenzung zu dem ebenfalls in Art. 2 Ziff. 2.1.1 genannten Recht zur Einräumung einfacher Lizenzen („limited right to grant non-exclusive licenses“) ist mit der „Sublizenzierung“ die Weitergabe der exklusiven Lizenz und damit des Rechts zur Vergabe einfacher Lizenzen gemeint. Nach dem Wortlaut der Klausel ist die Klägerin lediglich berechtigt, ihr verbundenen Unternehmen eine solche „Sublizenz“ zu erteilen („except to its Affiliates“). Der weitere Halbsatz („limited right to grant non-exclusive licenses […]“) beschreibt dann im Einzelnen die ausschließliche Lizenz, die der Klägerin mit dem Vertrag gewährt wird („Licensor hereby grants to Licensing Entity and its Affiliates the […] limitited right […]“). Dieser Wille der Vertragsparteien ergibt sich im Übrigen aus einem Vergleich mit dem Art. 2 Ziff. 2.1.1 des Lizenzvertrages I, aus dem aufgrund seines etwas anderen Wortlauts unmittelbar ersichtlich ist, dass die Klägerin das Recht erhalten sollte, einfache Lizenzen an den „Licensed Patents“ für die jeweilige Jurisdiktion im Rahmen des NFC Patent Licensing Program zu gewähren. Der Ausschluss der „Sublizenzierung“ kann daher nur bedeuten, dass damit ausgeschlossen werden sollte, das Recht zur Einräumung einfacher Lizenzen an Dritte weiterzugeben. Mit dem Lizenzvertrag II wollten die Vertragsparteien nichts substanziell anderes regeln. Er enthält keinerlei Anhaltspunkte für die von der Beklagten vertretene Vertragsauslegung, nach der die Klägerin lediglich berechtigt sein sollte, im Namen der Patentinhaberin für diese Lizenzverträge zu schließen, ohne selbst eine Lizenz am Patent innezuhaben.
70c)
71Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche gehen in räumlicher, zeitlicher und sachlicher Hinsicht nicht über die mit der ausschließlichen Lizenz der Klägerin eingeräumten Befugnisse hinaus. Die Patentverletzung, die die Klägerin der Beklagten vorwirft, stellt in jeder Hinsicht eine Verletzung der Rechte der Klägerin aus der ausschließlichen Lizenz dar. Nach der Vorlage des ungekürzten Lizenzvertrages (Anlage K 5d) behauptet auch die Beklagte nicht mehr, dass die mit dem Lizenzvertrag II eingeräumte ausschließliche Lizenz Beschränkungen unterliege, aufgrund derer die Handlungen der Beklagten keine Beeinträchtigung der ausschließlichen Lizenz der Klägerin darstellen würden. Insbesondere umfasst das in Art. 2 Ziffer 2.1.1 erwähnte und in Exhibit 2 des Lizenzvertrages erläuterte NFC Patent Licensing Program, auf das die ausschließliche Lizenz beschränkt ist, den Vertrieb NFC-fähiger Smartphones, den die Klägerin in diesem Verfahren der Beklagten vorwirft.
722.
73Soweit die Klägerin Auskunfts- und Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht geltend macht, hat die T . der Klägerin die entsprechenden Ansprüche wirksam abgetreten.
74Mit Erklärung vom 27./28.01.2014 trat die T . alle ihr entstandenen Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit den lizensierten Patenten, darunter dem Klagepatent, an die Klägerin ab. Dass dabei die Auskunftsansprüche nicht ausdrücklich benannt sind, begegnet keinen Bedenken. Die Erklärung ist dahingehend auszulegen, dass neben den Schadensersatzansprüchen auch solche Ansprüche übertragen werden sollten, die der Durchsetzung der Schadensersatzansprüche dienen, insbesondere also so genannte Annexansprüche.
75Die vorgenannte Abtretungserklärung wurde für die T von Herrn W in deren Namen abgegeben. Für die Klägerin erklärte Herr Y die Annahme der Abtretung. Beide hatten auch die für das Rechtsgeschäft erforderliche Vertretungsmacht. Für Herrn Y ergibt sie sich aus seiner Eigenschaft als Directeur général der Klägerin. Herrn W wurde ausweislich Anlage K 20a mit Erklärung von Herrn X , als Directeur général vertretungsbefugt für die Klägerin, am 27.01.2015 Vollmacht zum Abschluss des „Amendment no 1“ zum Lizenzvertrag II erteilt. Bei dem „Amendment no 1“ handelt es sich um die als Anlage K 22 vorgelegte Abtretungserklärung vom 27.01.2015.
76II.
77Die dem Klagepatent zugrunde liegende Erfindung betrifft ein Datenrouting-Verfahren in einem Chipsatz (Anlage K4a Abs. [0001]) sowie einen Datensende-/ Empfangsschaltkreis (Anlage K4a Abs. [0002]), jeweils umfassend eine kontaktlose Sende-/Empfangsschnittstelle vom RFID Typ (Radio Frequency Identification). Das Klagepatent betrifft dabei insbesondere die Umsetzung eines NFC (Near Field Communication) -Chipsatzes (Anlage K4a Abs. [0003]).
78Bei RFID-Systemen („radio-frequency identification“) werden Daten auf einem elektronischen Datenträger – einem Transponder – gespeichert. Diese Daten können dann von einem Lesegerät unter Verwendung magnetischer oder elektromagnetischer Felder ausgelesen werden. Der Transponder besitzt dabei in der Regel keine eigene Spannungsversorgung. Er wird vielmehr erst aktiviert, wenn er sich in einem Lesebereich des Lesegeräts befindet. Die zum Betrieb des Transponders benötigte Energie wird über das magnetische oder elektromagnetische Feld des Lesegeräts an den Transponder übertragen. RFID-Systeme gestatten somit das automatisierte und berührungslose Identifizieren und Lokalisieren von mit einem Transponder versehenen Objekten bzw. das Erfassen von in einem Transponder enthaltenen Daten.
79NFC betrifft eine drahtlose Datenschnittstelle zwischen elektronischen Geräten. Die Besonderheit der NFC-Technologie besteht darin, dass der Datenaustausch nur über kurze Strecken von einigen Zentimetern funktioniert, die am Datenaustausch beteiligten Geräte dementsprechend nah aneinander gehalten werden müssen. Die über ihre jeweilige NFC-Schnittstelle miteinander verbundenen Geräte verhalten sich dabei entsprechend einem RFID-Leser bzw. -Transponder, wobei im Unterschied zu der RFID-Technologie, bei der die passive Einheit (der Transponder) stets passiv ist, bei der NFC-Technologie Einheiten eingesetzt werden können, die sowohl aktiv als auch passiv, auch in wechselnden Rollen, operieren. Die NFC-Technologie ist durch verschiedene technische Standards der ISO, ECMA und ETSI spezifiziert.
80Die Klagepatentschrift beschreibt NFC-Leser mit mehreren Betriebsmodi, nämlich einem „Leser“-Modus, einem „Kartenemulations“-Modus und einem „Device“-Modus. Im Leser-Modus funktioniert der NFC-Leser in aktiver Form durch Aussendung eines Magnetfeldes wie ein herkömmlicher RFID-Leser, um Lese- und Schreibzugriff auf einen RFID-Chip zu erhalten. Im Emulations-Modus funktioniert der NFC-Leser in passiver Form in der Art eines Transponders, um mit einem anderen, ein Magnetfeld aussendenden Leser zu kommunizieren und durch den anderen Leser wie ein RFID-Chip wahrgenommen zu werden. Im Device-Modus – der die NFC-Technologie auszeichnet – bringt sich der Leser alternierend in einen aktiven und in einen passiven Zustand der vorbeschriebenen Art (Leser- bzw. Kartenemulationsmodus), um mit einem anderen Leser Daten auszutauschen. (Anlage K4a Abs. [0004])
81Aufgrund seiner weitreichenden Kommunikationskapazitäten wird der NFC-Leser in tragbare Vorrichtungen wie Mobiltelefone oder PDAs integriert. Hierzu wird ein NFC-Chipsatz benötigt, der einen NFC-Leser und mindestens einen Hostprozessor umfasst. (Anlage K4a Abs. [0006])
82Die nachfolgend abgebildete Figur 1 der Klagepatentschrift zeigt den typischen Aufbau eines solchen NFC-Chipsatzes in Blockform und kontaktlose Schaltkreise, mit denen der Chipsatz kommunizieren kann:
83 84Der NFC-Chipsatz ist durch das gestrichelte Rechteck auf der linken Seite der Abbildung umgrenzt. Er umfasst einen NFC-Leser (NFCR1), dem eine kontaktlose Schnittstelle zugeordnet ist (angedeutet durch die zu erkennende Spule), sowie zwei Hostprozessoren (HP1 und HP2). Den Begriff des Hostprozessors definiert die Klagepatentschrift dahingehend, dass hierunter ein integrierter Schaltkreis zu verstehen ist, der einen Mikroprozessor oder eine Mikrosteuereinheit umfasst und der mit dem Port eines NFC-Lesers verbunden ist (Anlage K4a Abs. 0006]). In Figur 1 teilen sich die beiden Hostprozessoren (HP1 und HP2) die Ressourcen des NFC-Lesers (NFCR1). Sie sind mit ihm über Ports verbunden und können mit ihm jeweils bidirektional kommunizieren (angedeutet durch die Pfeile).
85Die Hostprozessoren verwalten über den NFC-Leser ihre jeweiligen kontaktlosen Anwendungen bzw. Dienste (sog. Apps). Über den NFC-Leser müssen deshalb ein- und ausgehende Datenflüsse von den in den Hostprozessoren ausgeführten Anwendungen oder Diensten abgewickelt werden. Das heißt, der NFC-Leser muss mit unterschiedlichen externen Schaltkreisen kommunizieren können. (Anlage K4a Abs. [0006]). Die Umsetzung eines geeigneten NFC-Chipsatzes erfordert daher jedenfalls das Vorsehen eines Routings von Datenflüssen, die über einen bidirektionalen, kontaktlosen Datenübertragungskanal übertragen werden, zwischen den jeweiligen Hostprozessoren (HP1, HP2) und dem NFC-Leser (NFCR1) innerhalb des Chipsatzes (Anlage K4a Abs. [0007]).
86Dieses Routing von Datenflüssen zwischen den jeweiligen Hostprozessoren und dem NFC-Leser beschreibt die Klagepatentschrift exemplarisch anhand der nachfolgend abgebildeten Figuren 3a und 3b:
87 88Der NFC-Chipsatz der Figur 3a besteht aus zwei Hostprozessoren (HP1, HP2) sowie dem NFC-Leser (NFCR1; kleineres gestricheltes Rechteck). Letzterer wiederum umfasst eine kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT), ausgestattet mit einem Antennenschaltkreis (ACT), zwei drahtgebundenen Kommunikationsschnittstellen (INT1, INT2) und einer Steuereinheit (NFCC). Die Kommunikationsschnittstellen sind einerseits mit der Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT), andererseits mit den zwei außerhalb des NFC-Lesers befindlichen Hostprozessoren (HP1, HP2) verbunden.
89Figur 3b stellt die den NFC-Chipsatz passierenden Datenflüsse von und zu von einem Hostprozessor (HP1, HP2) ausgeführten Anwendungen oder Diensten exemplarisch dar. Auf diese Weise können die Ressourcen der kontaktlosen Datensende-/ Empfangsschnittstelle (CLINT) durch die einzelnen Hostprozessoren verwendet werden. Dabei weisen die Datenflüsse jeweils einen Ausgangs- und einen Bestimmungspunkt auf. Je nachdem, in welche Richtung der Datenfluss erfolgt, ist der Ausgangs- oder Bestimmungspunkt entweder in einem Hostprozessor (HP1, HP2) oder in der kontaktlosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisiert (Anlage K4a Abs. [0009]).
90Um das Routing der ausgehenden Daten und die Konfiguration der Schnittstelle CLINT zu ermöglichen, werden Datenübertragungsblöcke gebildet, die jeweils Header-Felder und Datenfelder umfassen. Die Header-Felder enthalten die zur Steuerung der Schnittstelle CLINT erforderlichen Informationen, insbesondere Felder mit Angaben über Datenausgangs- und Bestimmungspunkte. (Anlage K4a Abs. [0011])
91Das aus dem Stand der Technik bekannte Z -Protokoll sah ausweislich der Klagepatentschrift (Anlage K4a Abs. [0012]) Datenübertragungsblöcke mit langen und komplexen Header-Feldern vor. Dies hatte den Nachteil, dass ein erheblicher Verarbeitungsaufwand erforderlich war, bevor die eigentliche Datenverarbeitung stattfinden konnte. Dieses Problem wird auch als „overheading“ bezeichnet. Ein weiteres Problem im Stand der Technik bestand darin, dass die kontaktlose Datensende-/ Empfangsschnittstelle CLINT und die Steuereinheit NFCC nicht unbedingt wussten, an welchen Hostprozessor die Daten gesendet werden sollen. Infolgedessen wurden die Daten an zwei Prozessoren übermittelt, wobei der Prozessor, den diese Daten nicht betrafen, nicht darauf antwortete (Anlage K4a Abs. [0014]).
92Vor diesem Hintergrund formuliert die Klagepatentschrift die Aufgabe (das technische Problem), zum einen ein Datenrouting-Verfahren in einem NFC-Chipsatz bereitzustellen, das einfach umzusetzen ist und keine überlangen Header-Felder erfordert (Anlage K4a Abs. [0013]), und zum anderen ein Verfahren bereitzustellen, mit dem in einem NFC-Chipsatz der Hostprozessor festgestellt werden kann, der der Empfänger der über einen kontaktlosen Datenübertragungskanal empfangenen Daten ist, ohne dabei notwendigerweise den Inhalt dieser Daten analysieren zu müssen (Anlage K4a Abs. [0017]).
93Dies sucht die Erfindung mit einem Datenroutingverfahren und einer Datensende-/ Empfangsvorrichtung nach den Ansprüchen 1 und 12 zu erreichen, die die folgenden Merkmale aufweisen:
94Anspruch 1:
95- 96
1. Datenrouting-Verfahren in einem Chipsatz
- 97
2. Der Chipsatz umfasst
a) eine Steuereinheit (NFCC),
99b) eine kontaktlose Datensende-/ Empfangsschnittstelle (CLINT) vom RFID-Typ und
100c) wenigstens einen Hostprozessor (HP1, HP2).
101- 102
3. Das Verfahren umfasst die folgenden Schritte:
a) Senden eines Datenwegeröffnungsbefehls (CMD) mittels eines im Hostprozessor lokalisierten Ausgangspunktes (P1, P2) an die Steuereinheit,
104a1) wobei der Datenwegeröffnungsbefehl einen in der kontaktlosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt,
105b) Eröffnen eines Datenweges mittels der Steuereinheit (NFCC) als Antwort auf den Datenwegeröffnungsbefehl (CMD),
106b1) wobei der Datenweg den Ausgangspunkt mit dem Bestimmungspunkt verbindet,
107b2) wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen wird und
108b3) wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden,
109c) Senden von in einem Datenübertragungsblock (DF) verkapselten und für den Bestimmungspunkt bestimmten Daten an die Steuereinheit (NFCC) mittels des Ausgangspunktes,
110c1) wobei der Datenübertragungsblock ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist,
111d) Suchen eines Bestimmungspunktes der Daten in der Routing-Tabelle beim Empfang der in dem Datenübertragungsblock (DF) verkapselten Daten mittels der Steuereinheit (NFCC),
112d1) wobei der Datenübertragungsblock ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist und
113d2) wobei bei der Suche die Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes verwendet wird,
114e) Senden der Daten an den Bestimmungspunkt.
115Anspruch 12
116- 117
1. Datensende-/Empfangsvorrichtung (NFCR2)
- 118
2. Die Datensende-/Empfangsvorrichtung (NFCR2) umfasst:
a) eine Steuereinheit (NFCC),
120b) eine kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) vom RFID-Typ und
121c) wenigstens einen Eingangs/Ausgangsport (INT1, INT2), um die kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) mit einem Hostprozessor (HP1, HP2) zu verbinden.
122- 123
3. Die Steuereinheit (NFCC) ist konfiguriert, um
a) als Antwort auf einen Datenwegeröffnungsbefehl (CMD) einen Datenweg zwischen dem Ausgangspunkt und einem Bestimmungspunkt zu eröffnen,
125a1) wobei der Datenwegeröffnungsbefehl von einem in einem Hostprozessor (HP1, HP2) lokalisierten Ausgangspunkt gesandt wurde,
126a2) wobei der Datenwegeröffnungsbefehl einen in der kontaklosen Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) lokalisierten Bestimmungspunkt (P3) benennt,
127a3) wobei dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen ist und
128a4) wobei die Routingkanalnummer sowie wenigstens einen Identifizierer (iDsp) des Ausgangspunktes und einen Identifizierer (iDsp) des Bestimmungspunktes umfassende Routingparameter in eine Routing-Tabelle (RT) eingetragen werden,
129b) beim Empfang von in einem Datenübertragungsblock (DF) verkapselten Daten einen Bestimmungspunkt der Daten in der Routing-Tabelle zu suchen,
130b1) wobei der Datenübertragungsblock ein die Routingkanalnummer umfassendes Header-Feld aufweist und
131b2) wobei bei der Suche die Routingkanalnummer als Index für die Auswahl des Bestimmungspunktes verwendet wird.
132III.
133Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedarf die Merkmalsgruppe 3 der Ansprüche 1 und 12 näherer Erläuterung. Aus Gründen der Vereinfachung wird dabei auf die Merkmale des Anspruchs 1 abgestellt, die sich in Anspruch 12 in (weitgehend) gleicher Weise – jedoch teilweise mit etwas unterschiedlicher Bezifferung – wiederfinden.
134Die Merkmalsgruppe 3 beschreibt die Umsetzung des Routing-Verfahrens gemäß der Erfindung. Anschaulich wird dies anhand der nachstehend eingeblendeten Figur 4 der Klagepatentschrift:
135 136Gezeigt ist ein erfindungsgemäßer NFC-Chipsatz mit zwei Hostprozessoren (HP1, HP2) und einem NFC-Leser (NFCR2). Der NFC-Leser umfasst die Steuereinheit NFCC und eine kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle CLINT. Die Ausgangs- oder Bestimmungspunkte eines Datenflusses im Chipsatz werden als P1 (im Hostprozessor 1 lokalisierter Punkt), P2 (im Hostprozessor 2 lokalisierter Punkt) und P3 (in der Schnittstelle CLINT lokalisierter Punkt) bezeichnet.
137Gemäß Merkmal 3.a) wird zunächst mittels eines im Hostprozessor lokalisierten Ausgangspunktes (P1, P2) ein Datenwegeröffnungsbefehl an die Steuereinheit gesandt. Merkmal 3.a) führt dabei den Begriff des „Ausgangspunktes“ ein, der sodann in den Merkmalen 3.b1), 3.b3) und 3.c) wieder aufgegriffen wird. In der Klagepatentschrift findet sich keine allgemeine Definition des „Ausgangspunktes“. Allerdings ist in Unteranspruch 9 eine Ausführungsform der Erfindung geschützt, bei der die in der Routing-Tabelle eingetragenen Ausgangspunkte oder Bestimmungspunkte Dienste sind, die die Form von Programmen annehmen, die von einem Hostprozessor ausgeführt werden und denen die Steuereinheit Datenwege zuweist. Entsprechende Ausführungsformen der Erfindung sind auch in den Absätzen [0026], [0037] und [0065] der Klagepatentschrift beschrieben. Hieraus kann der Rückschluss gezogen werden, dass es sich bei den in Anspruch 1 und Anspruch 12 genannten Ausgangspunkten um Dienste handelt, die in dem jeweiligen Hostprozessor ausgeführt werden. Dies lässt auch Figur 1 erahnen, die aufzeigt, dass in den Hostprozessoren HP1 und HP2 verschiedene Anwendungen AP1, AP2 und AP3 lokalisiert sind. Der Datenaustausch erfolgt funktional zur Ausführung dieser Anwendungen, also zwischen den beteiligten Diensten. Der Datenwegeröffnungsbefehl erfolgt nach Merkmal 3.a) mittels des für den späteren Datenaustausch vorgesehenen Ausgangspunktes, d.h. bezogen auf einen speziellen, in dem jeweiligen Hostprozessor lokalisierten Dienst.
138Der Datenwegeröffnungsbefehl soll sodann nach Merkmal 3.a1) den Bestimmungspunkt des Datenweges benennen, der in der kontaktlosen Datensende-/Empfangsschnittstelle lokalisiert ist. Auf diese Weise erhält die Steuereinheit die für die Identifizierung des Datenweges erforderlichen Routingparameter.
139Als Antwort auf den Datenwegeröffnungsbefehl wird mittels der Steuereinheit der angefragte Datenweg eröffnet (Merkmal 3.b). Dabei meint der Begriff des „Eröffnens“ nicht etwas grundsätzlich anderes als die Erzeugung des Datenweges. Diese beiden Begriffe verwendet die Klagepatentschrift vielmehr nebeneinander, ohne sie explizit voneinander abzugrenzen. Soweit in den Absätzen [0047] und [0048] der Klagepatentschrift die Rede davon ist, dass der Befehl zur Eröffnung des Datenweges von einem der Hostprozessoren oder der Schnittstelle CLINT ausgesendet wird, während die eigentliche Erzeugung des Datenweges durch die Steuereinheit NFCC gewährleistet wird, liegt hierin schon deshalb keine klare Abgrenzung der Begrifflichkeiten, weil nach Merkmal 3.b) das Eröffnen des Datenweges mittels der Steuereinheit erfolgen soll. Das „Eröffnen“ und das „Erzeugen“ des Datenweges können sich daher jedenfalls überschneiden.
140Entsprechend stellt der in Unteranspruch 4 genannte Datenwegerzeugungsbefehl nicht etwa einen weiteren Befehl neben dem in den Patentansprüchen 1 und 2 genannten Datenwegeröffnungsbefehl dar. Dies wäre mit der Systematik der Ansprüche 1 bis 6 und 12 bis 17 nicht vereinbar. Vielmehr geht der Datenwegerzeugungsbefehl über den Datenwegeröffnungsbefehl hinaus, indem er neben dem Routingparameter „Bestimmungspunkt“ weitere Konfigurationsparameter wie Betriebsmodus oder Protokollparameter enthält. Bei diesem Verständnis umfasst der in Unteranspruch 4 genannte „Datenwegerzeugungsbefehl“ stets auch den in den Patentansprüchen 1 und 2 genannten „Datenwegeröffnungsbefehl“.
141Die Klagepatentansprüche 1 und 12 enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, dass über die von der Steuereinheit vorzunehmenden Maßnahmen hinaus weitere Anforderungen an das erfindungsgemäße Eröffnen eines Datenweges gestellt werden. Die Steuereinheit muss dem Datenweg eine Routingkanalnummer zuweisen und diese zusammen mit verschiedenen Identifizierern des Datenweges in eine Routingtabelle eintragen. Sodann muss die Steuereinheit eingehende Datenübertragungsblöcke mit Hilfe der Routingkanalnummer und der in der Routingtabelle enthaltenen Parameter an den richtigen Bestimmungspunkt weiterleiten. Dies schließt weder aus, dass mit dem Datenwegeröffnungsbefehl weitere Konfigurationsparameter übersandt werden, noch dass weitere Befehle erforderlich sind, um Daten über den eröffneten Datenweg zu senden.
142Der solchermaßen „eröffnete“ Datenweg verbindet den Ausgangspunkt mit dem Bestimmungspunkt (Merkmal 3.b1). Wesentlich ist sodann, dass dem Datenweg eine Routingkanalnummer (CHANi) zugewiesen wird (Merkmal 3.b2), die in eine Routing-Tabelle eingetragen wird (Merkmal 3.b3). Der Routingkanalnummer werden in der Routing-Tabelle Routingparameter zugewiesen, die wenigstens den Ausgangspunkt und den Bestimmungspunkt des jeweiligen Datenweges (IDsp, IDdp) identifizieren (Merkmal 3.b3). Auf diese Weise kann allein mit Hilfe der Routingkanalnummer durch einen Rückgriff auf die Routing-Tabelle der jeweilige Datenweg identifiziert werden.
143Dies ermöglicht es, bei der Übermittlung von in einem Datenübertragungsblock verkapselten Daten ein Header-Feld zu verwenden, das lediglich die Routingkanalnummer ausweist und dementsprechend einfach und schnell verarbeitet werden kann (Merkmal 3.c). Die Steuereinheit muss zu diesem Zweck lediglich die zu der entsprechenden Routingkanalnummer in der Routing-Tabelle abgespeicherten Routingparameter abrufen und auswerten (Merkmal 3.d). Auf diese Weise kann der Bestimmungspunkt der Daten festgestellt werden (vgl. Merkmal 3.d2), an den die Steuereinheit die Daten sodann weiterleitet (Merkmal 3.e).
144In funktionaler Hinsicht muss die Routing-Tabelle solchermaßen ausgestaltet sein, dass die Steuereinheit auf sie zugreifen und durch Angabe der Routingkanalnummer die Parameter des zugehörigen Datenweges abfragen kann. Dabei lässt das Klagepatent offen, auf welche Weise dies gewährleistet wird, insbesondere, wie die Routing-Tabelle aufgebaut ist und wo sie gespeichert wird. Es genügt vielmehr jede Zuordnung von Identifizierern zu einer Routingkanalnummer, die so gespeichert ist, dass der Host-Controller für die Suche nach dem Bestimmungspunkt auf sie zugreifen kann.
145Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung muss die Routingtabelle über die im Klagepatentanspruch genannten Eigenschaften hinaus keine weiteren Anforderungen erfüllen. Insbesondere muss die Routingtabelle nicht sämtliche Parametrisierungsdaten zur Konfiguration der kontaktlosen Datensende- und Empfangsschnittstelle (CLINT) enthalten. Ebenso wenig muss sie von vornherein so formatiert sein, dass sie zumindest zur Aufnahme solcher Daten geeignet ist. Durch die Lehre des Klagepatentanspruchs wird das technische Problem des Overheading gelöst, indem zuvor im Header enthaltenen Routingdaten in einer Routingtabelle gespeichert werden und mittels einer Routingkanalnummer aufgefunden werden können. Wie im Einzelnen die Schnittstelle CLINT konfiguriert wird und woher die dafür erforderlichen Parametrisierungsdaten stammen, lassen die Klagepatentansprüche 1 und 12 offen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Unteranspruch 2 des Klagepatents, der nicht lediglich Daten für die gemäß Klagepatentanspruch 1 einzurichtende Routingtabelle spezifiziert, sondern weitere, über den Klagepatentanspruch 1 hinausgehende Anforderungen an die Routingtabelle aufstellt. Die weiteren Verweise auf Absatz [0053] und Figur 4 der Klagepatentschrift beziehen sich lediglich auf Ausführungsbeispiele, die eine einschränkende Auslegung des Klagepatentanspruchs nicht zu begründen vermögen.
146IV.
147Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform begründen eine mittelbare Verletzung von Anspruch 1 des Klagepatents im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG.
1481.
149Für die Passivlegitimation im Falle einer mittelbaren Patentverletzung im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG gelten die gleichen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze wie im Fall von § 9 PatG. Demnach ist nicht nur derjenige passivlegitimiert, der die patentierte Erfindung in eigener Person i.S.d. § 9 PatG unmittelbar benutzt, sondern auch derjenige, der als Teilnehmer i.S.d. § 830 Abs.2 BGB eine fremde unmittelbare Benutzung i.S.d. § 9 PatG ermöglicht oder fördert, obwohl er sich mit zumutbarem Aufwand die Kenntnis verschaffen kann, dass die von ihm unterstützte Handlung das absolute Recht des Patentinhabers verletzt. Schuldner der Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz und Auskunft kann schließlich auch sein, wer lediglich eine weitere Ursache für die Rechtsverletzung setzt, indem er eine von ihm ermöglichte Rechtsverletzung durch einen Dritten nicht unterbindet, obwohl dies von ihm zu erwarten wäre. Zu diesem objektiven Verursachungsbeitrag muss allerdings hinzukommen, dass eine Rechtspflicht verletzt wird, die zumindest auch dem Schutz des verletzten absoluten Rechts dient und deren Beachtung den Verursachungsbeitrag entfallen ließe. Das Bestehen und der Umfang einer Rechtspflicht richten sich im Einzelfall nach der Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Entscheidend ist, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls ein Tätigwerden zuzumuten ist (vgl. zum Ganzen: BGH, GRUR 2009, 1142 – MP3-Player-Import).
150Legt man diese Grundsätze zu Grunde, ist die Beklagte Verletzer i.S.d. §§ 9 und 10 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ und damit hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche passiv legitimiert.
151Die Beklagte fördert das Anbieten der streitgegenständlichen Mobiltelefone im Internet. Sie wird als Verantwortliche im Impressum der Internetseite L genannt, auf die unter der Eingabe der ULR AA automatisch weitergeleitet wird. Selbst unterstellt, der Vortrag der Beklagten träfe zu, es handele sich hierbei um ein – bislang immer noch nicht behobenes – Versehen, würde dies den Verantwortlichkeitsbeitrag nicht beseitigen. Unerheblich, da nicht entscheidungsrelevant, sind in diesem Zusammenhang etwaige Überlegungen zu § 5 TMG. Denn neben der Nennung im Impressum führen auch alle anderen Wege zur Beklagten, wenn der Nutzer mit „BB “ über die Internetseite in Kontakt treten möchte. Über die Rubriken „Anrufen“ und „Support Center“ wird der Nutzer der Internetseite zur Telefonnummer der Beklagten in Frankfurt geführt. Auch wenn das Internetangebot als solches von der J herrührt, liegt in der Tätigkeit der Beklagten, als Ansprechpartnerin zur Verfügung zu stehen, jedenfalls ein Fördern dieser Angebotshandlung. Denn ein am Erwerb eines Smartphones interessierter Anrufer wendet sich mit seinem Anruf automatisch an die Beklagte. Darin liegt eine Organisations- und Unterstützungsleistung. Lediglich indizielle Bedeutung kommt daneben dem Umstand zu, dass in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Verwendung der Internetseite die Tochtergesellschaften (und damit auch die Beklagte) neben der Muttergesellschaft J als Vertragspartner genannt werden.
152Darüber hinaus fördert die Beklagte auch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen. Nach dem bislang unwidersprochenen Vortrag der Klägerin sind bei der Beklagten mehrere Arbeitnehmer angestellt, deren Tätigkeitsbereich auch oder ausschließlich den Vertrieb und Verkauf in Deutschland betreffen (CC , DD Deutschland/Österreich/Schweiz; EE , Germany). Ferner sind Mitarbeiter als Regional Key Account Manager für in Deutschland ansässige Mobilfunkanbieter eingestellt (z.B. FF , Regional Key Account Manager GG ; HH , Key Account Manager Telefónica Germany (II )). Auch wenn dem Unternehmensgegenstand der Beklagten im Handelsregisterauszug für sich alleine keine Bedeutung zukommt, bestätigt der Einsatz der vorgenannten Mitarbeiter der Beklagten, dass die Beklagte im Bereich des Vertriebs und der Verkaufs-und Marketingunterstützung tätig ist. Hinzu tritt, dass der Geschäftsführer der Beklagten JJ im Konzern unter anderem für Europa zuständig ist. Letzteres ist ebenfalls ein – wenn auch schwächeres – Indiz, dass die Handlungen der Beklagten sich in Deutschland nicht nur in Repräsentation und Zubehörverkäufen für Smartphones erschöpfen.
153Vor diesem Hintergrund trifft die Beklagte eine Rechtspflicht zur Überprüfung von Patentverletzungen durch das Angebot und den Vertrieb der streitgegenständlichen Smartphones. Denn indem sie die Angebots- und Vertriebshandlungen der J in Deutschland aktiv unterstützt, trägt sie zu einer Gefährdungssituation bei, mit der eine Rechtspflicht zur Vermeidung etwaiger Rechtsverstöße, insbesondere der Verletzung fremder Patente, korrespondiert (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 27.03.2014, Az. I-15 U 19/14; Leitsätze in GRUR 2015, 61).
154Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Beklagten eine Überprüfung der Patentsituation nicht möglich oder unzumutbar war. Im Rahmen ihrer Stellung als Tochtergesellschaft hätte sie ihre Muttergesellschaft kontaktieren und sicherstellen müssen, dass die angegriffenen Smartphones Rechte Dritter, insbesondere das Klagepatent, nicht verletzen. Durch die Konzernverflechtung fällt dies der Beklagten leichter als beispielsweise einem außenstehenden Dritten.
1552.
156Bei den Angebotsempfängern handelt es sich um Personen, die zur Benutzung der Erfindung nicht berechtigt sind. Das ist gemäß § 10 Abs. 3 PatG auch dann der Fall, wenn es sich bei den Angebotsempfängern um Verbraucher handelt, die die angegriffene Ausführungsform gemäß § 11 Nr. 1 PatG lediglich im privaten Bereich zu nicht-gewerblichen Zwecken verwenden.
1573.
158Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Denn die angegriffene Ausführungsform enthält einen NFC-Chip des Typs „PN544“, der unstreitig einen Hostprozessor (HP1, HP2), eine Steuereinheit (NFCC) und eine Datensende-/Empfangsschnittstelle (CLINT) vom RFID-Typ umfasst (Merkmalsgruppe 2). Da insofern jedenfalls Teile des Mittels im Klagepatentanspruch 1 selbst genannt sind, bezieht es sich auch auf eine wesentliches Element der Erfindung.
1594.
160Die angegriffene Ausführungsform ist objektiv geeignet, für die Durchführung des mit dem Klagepatentanspruch 1 geschützten Verfahrens verwendet zu werden.
161Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der angegriffene NFC-Controller des Typs „PN544“ nach den Vorgaben des Standards LL V11.0.0 (2011-09) arbeitet. Der vorgenannte Standard betrifft eine logische Schnittstelle, die kontaktlose Anwendungen, gehostet auf der Universal Integrated Circuit Card (UICC), ermöglicht. Im speziellen wird eine Konfiguration beschrieben, bei der ein Host in der UICC eingebettet ist, wobei die UICC mit dem Host-Controller verbunden ist, der wiederum im kontaktlosen Frontend (CLF) eingebettet ist. Unter Host wird dabei eine logische Entität verstanden, die mindestens einen Dienst betreibt. Der Host-Controller ist ein Host, der auch für die Verwaltung des Hostnetzwerks zuständig ist. Jeder in einem Host betriebene Dienst verfügt über einen Eingangspunkt, der als Gate bezeichnet wird. Zwischen den Gates unterschiedlicher Hosts werden Kommunikationskanäle gebildet, die als Pipe bezeichnet werden.
162Das im Standard beschriebene Datenrouting-Verfahren ist in Abbildung 2 der Anlage K9 schematisch dargestellt:
163164
Gezeigt ist das Datenrouting zwischen Host A und Host B mittels des als Steuereinheit fungierenden Host-Controllers. Sowohl der Host-Controller als auch die einzelnen Hosts weisen Administrations-Gates und Verwaltungsverknüpfungs-Gates auf. Bei beiden Gates handelt es sich um sogenannte statische Gates, die immer verfügbar sind und nicht gelöscht werden können. Sie stellen die Verbindung zwischen dem Host-Controller und dem einzelnen Host her. Daneben sieht der Standard dynamische Gates vor, die erstellt und gelöscht werden können. Durch sie kann eine Verbindung zwischen den einzelnen Hosts hergestellt werden. Hierzu verfügen die Hosts neben den Administrations-Gates und den Verwaltungsverknüpfungs-Gates über weitere Gates (vgl. hierzu Anlage K9 Kapitel 4.4). Soll nun ein Datenaustausch zwischen Host A und Host B erfolgen, muss eine dynamische Pipe zwischen den Gates dieser Hosts erstellt werden. Zu diesem Zweck sendet das Administrations-Gate von Host A über die bestehende statische Pipe einen Datenwegeröffnungsbefehl (ADM_CREATE_PIPE) an das Administrations-Gate des Host-Controllers. Dieser Datenwegeröffnungsbefehl identifiziert das Gate von Host B, an das die Daten gesendet werden sollen. Der Host-Controller verwendet die vom Zielhost definierte „Weisse Liste“, um zu überprüfen, ob der Quellhost zum Erstellen einer Pipe autorisiert ist. Ist dies der Fall, wird eine dynamische Pipe zwischen dem Quellhost (Host A) und dem Zielhost (Host B) erstellt (vgl. hierzu Anlage K9 Kapitel 6.1.3.1). Der Host-Controller meldet dem Zielhost anschließend die Erzeugung der Pipe, wobei er Identifizierer des Quellhosts, des Quellgates, des Zielhosts und des Zielgates übermittelt und der Pipe eine PID zuweist (vgl. Anlage K9 Kapitel 6.1.3.2). Unter Verwendung der PID im Header-Feld eines Datenpaketes können in diesem Datenpaket enthaltene Daten vom Quellhost an das Ziel-Gate des Ziel-Hosts übermittelt werden (Anlage K9 Kapitel 5.1).
165Die Umsetzung des vorbeschriebenen Standards durch die angegriffene Ausführungsform begründet – entgegen der Auffassung der Beklagten – zugleich die Verwirklichung der Merkmalsgruppe 3. Im Einzelnen:
166Der Befehl „ADM_CREATE_PIPE“ wird gemäß Merkmal 3.a) mittels eines im Hostprozessor (Host A) lokalisierten Ausgangspunktes an die Steuereinheit gesendet. Der im Host A lokalisierte Ausgangspunkt ist dabei durch die Anwendung charakterisiert, für deren Ausführung eine neue dynamische Pipe erzeugt werden soll. Dass diese Anwendung nach dem Standard ein Administrations-Gate nutzt, um den Datenwegeröffnungsbefehl an die Steuereinheit abzusenden, während die Daten später von einem Gate A einer dynamischen Pipe versendet werden, ist nach der klagepatentgemäßen Lehre unerheblich. Denn diese unterscheidet gerade nicht nach verschiedenen Gates, sondern stellt den funktionalen Aspekt einer bestimmten Anwendung in den Vordergrund. Der hierfür verantwortliche Dienst soll zugleich den Datenwegeröffnungsbefehl absenden und Ausgangspunkt für den späteren Datenweg sein. Dies ist nach dem Standard der Fall. Er spezifiziert eine logische Schnittstelle, die kontaktlose Anwendungen gehostet auf der UICC ermöglicht (Anlage K9 Abschnitt 1). Nach dem Standard ist ein Gate dementsprechend der Eingangspunkt zu einem Dienst, der in einem Host betrieben wird (vgl. Anlage K9 Abschnitt 3.1). Die Nutzung verschiedener Gates als Eingangspunkte zu einem Dienst stellt dabei lediglich eine besondere technische Umsetzung der im Klagepatentanspruch 1 unter Schutz gestellten Lehre dar.
167Die Ausführung des Befehls „ADM_CREATE_PIPE“ durch den Host-Controller ist als Eröffnen eines Datenweges im Sinne von Merkmal 3.b) zu qualifizieren. Der Host-Controller identifiziert einen Datenweg zwischen einem Ausgangspunkt und einem Bestimmungspunkt, indem er dem Datenweg eine Routingkanalnummer (PID) zuweist und unter anderem diese Pipe-ID und Gate-IDs von Quell- und Zielhost in eine Tabelle einträgt (Tabelle 10 des Z -Standards). Mehr verlangt das Klagepatent für das erfindungsgemäße Eröffnen des Datenweges nicht.
168Soweit nach dem Standard dynamische Pipes grundsätzlich zunächst geschlossen sind und erst durch einen weiteren Befehl geöffnet werden, führt dies nicht aus der Lehre des Klagepatents heraus. Diese schließt nicht aus, dass ein weiterer Steuerbefehl erfolgen muss, bevor die zu übertragenden Daten im Sinne von Merkmal 3.c) gesendet werden können. Der im Standard verwendete Begriff der „geöffneten pipe“ ist nicht gleichzusetzen mit dem „Eröffnen eines Datenweges“ nach dem Klagepatent.
169Die in Tabelle 10 des Z -Standards wiedergegebenen Daten bilden eine Routingtabelle im Sinne von Merkmal 3.b3). Die Tabelle weist die Routingkanalnummer, einen Identifizierer des Ausgangspunktes sowie einen Identifizierer des Bestimmungspunktes aus:
170 171Die vorgenannten Daten werden vom Host-Controller der angegriffenen Ausführungsform solchermaßen gespeichert, dass er sie bei Bedarf zur Weiterleitung eines Datenpaketes an den Ziel-Host verwenden kann (Abschnitt 5.1 des Standards). Ob eine Speicherung Voraussetzung dafür ist, dass der Host-Controller mit der im ersten Schritt erfolgenden Antwort „ANY-OK“ den Tabelleninhalt dem anfragenden Host mitteilen kann, kann dahinstehen. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, wie der Host-Controller ohne Speicherung dieser Daten in einem weiteren Schritt die Pipe-ID zur Weiterleitung des Datenpakets an den Ziel-Host verwenden kann. Ebenso wenig lässt sich erklären, wie der Host-Controller allein mit Hilfe der Pipe-ID einen Datenübertragungsblock an den Bestimmungspunkt senden kann, wenn er nicht über die Pipe-ID die für den Datenweg maßgeblichen Routinginformationen – nämlich Host- und Gate-ID suchen und zuordnen kann.
172Dass – wie die Beklagte vorgetragen hat – für jedes Card-RF-Gate genau ein Datenweg erzeugt und geöffnet sei, so dass es einer Suche nach dem Bestimmungspunkt in einer Routingtabelle mit Hilfe einer Routingkanalnummer nicht mehr bedürfe, hat die Klägerin dadurch widerlegt, dass in der angegriffenen Ausführungsform den dynamischen Pipes keine festen Pipe-IDs zugewiesen werden (vgl. Z -Standard Abschnitt 9.1 und 4.4), umgekehrt die Pipe-ID einzigartig („unique“) sein muss. Kann sich aber die Zuordnung zwischen Pipe-ID und spezifischer Pipe ändern und wird laut Z -Standard die Pipe-ID verwendet, um die Datenpakete an den richtigen Bestimmungspunkt (Destination Gate) zu senden, müssen die jeweiligen Gate-IDs für die Pipe unter einer bestimmten Pipe-ID gespeichert sein, die sich auch ändern kann. Die Pipe-ID kann daher nur als Index im Sinne des Klagepatents dienen, um den entsprechenden Bestimmungspunkt identifizieren zu können.
173Aus Abschnitt 5 des Z -Standards ergibt sich zugleich die Verwirklichung der Merkmalsgruppe 3.c). Nach dem Standard werden die zu übermittelnden Daten in einem Datenübertragungsblock verkapselt und mit einem Header Feld versehen. Dieses Header-Feld enthält die Routingkanalnummer, mittels der die Steuereinheit unter Rückgriff auf die Routing-Tabelle den Bestimmungspunkt ermitteln kann (Merkmalsgruppe 3.d).
174Die Verwirklichung von Merkmal 3.e) wird von der Beklagten zu Recht nicht bestritten. Selbstverständlich gelangen die Daten nach dem Standard an ihren Bestimmungspunkt.
1755.
176Für die Beklagte ist es jedenfalls offensichtlich, dass die angegriffene Ausführungsform dazu geeignet und seitens der Abnehmer dazu bestimmt ist, für die Durchführung des patentgemäßen Verfahrens verwendet zu werden.
177Für die Offensichtlichkeit ist maßgeblich, ob im Zeitpunkt des Angebots oder der Lieferung nach den gesamten Umständen des Falls die drohende Patentverletzung aus der Sicht des Anbieters oder Lieferanten so deutlich erkennbar war, dass ein Angebot oder eine Lieferung der wissentlichen Patentgefährdung gleichzustellen ist (BGH GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Es genügt, wenn aus der Sicht des Dritten mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass der Abnehmer die gelieferten Mittel in patentgemäßer Weise verwenden wird (BGH GRUR 2006, 839 – Deckenheizung). Regelmäßig liegt der notwendig hohe Grad der Erwartung einer Patentverletzung dann vor, wenn der Anbieter oder Lieferant selbst eine solche Benutzung vorgeschlagen hat (BGH GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Das ist hier der Fall.
178In den Produktbeschreibungen der angegriffenen Ausführungsform wird ausdrücklich auf die NFC-Fähigkeit hingewiesen. Beim Start eines angegriffenen Smartphones erscheint im Menu-Programm der NFC-Modus. Die Benutzung der angegriffenen Ausführungsform ist damit darauf angelegt, die NFC-Funktion zu verwenden. Es mag zwar sein, dass einzelne Nutzer NFC nicht anwenden. Ist aber eine solche Anwendung auf einem Smartphone vorhanden, ist sicher zu erwarten, dass jedenfalls ein Teil der Nutzer die NFC-Anwendung auch benutzen wird. Da in einem solchen Fall das patentgemäße Verfahren zwangsläufig angewendet wird, nämlich ein Datenrouting im Sinne der Lehre des Klagepatents erfolgt, ist die Anwendung des patentgemäßen Verfahrens auch aus Sicht der Beklagten offensichtlich.
179V.
180Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht weiterhin sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs 12. Zur näheren Begründung wird auf die Ausführungen zur objektiven Eignung der angegriffenen Ausführungsform zur Anwendung des mit dem Klagepatentanspruch 1 geschützten Verfahrens verwiesen (s. Abschnitt III.3.). Die Merkmale der Klagepatentansprüche sind weitgehend deckungsgleich. Zwischen den Parteien ist zu Recht unstreitig, dass der NFC-Controller „PN544“ eine Datensende-/Empfangsvorrichtung aufweist, die neben der Steuereinheit und einer kontaktlosen Datensende-/Empfangsschnittstelle vom RFID-Typ auch wenigstens einen Eingangs/Ausgangsport umfasst, um die kontaktlose Datensende-/Empfangsschnittstelle mit einem Hostprozessor zu verbinden (Merkmalsgruppe 2).
181VI.
182Da die Beklagte die durch die Klagepatentansprüche 1 und 12 geschützte Erfindung im Sinne von § 9 S. 1 und 2 Nr. 1 PatG und § 10 Abs. 1 PatG benutzt, ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen.
1831.
184Die Beklagte ist der Klägerin gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung der patentgemäßen Erfindung ohne Berechtigung erfolgt.
185Die Verhängung eines Schlechthinverbots ist dabei auch gerechtfertigt, soweit der Unterlassungsanspruch auf Benutzungshandlungen im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG gestützt ist. Zwar kommt ein Schlechthinverbot im Rahmen einer nur mittelbaren Patentverletzung regelmäßig dann nicht in Betracht, wenn die angegriffene Ausführungsform auch patentfrei benutzt werden kann (vgl. Schulte/Rinken/Kühnen, PatG 9. Aufl.: § 10 Rn 34 ff). Etwas anderes gilt aber dann, wenn weder ein Warnhinweis, noch eine Vertragsstrafenvereinbarung Gewähr dafür bieten können, dass es unter Verwendung des Mittels nicht zu einer Patentverletzung kommt, eine etwaige Patentverletzung für den Schutzrechtsinhaber praktisch nicht feststellbar ist und dem Lieferant ohne weiteres zumutbar ist, das Mittel so umzugestalten, dass es nicht mehr patentgemäß verwendet werden kann (Schulte/Rinken/Kühnen, PatG 9. Aufl.: § 10 Rn 39). Das ist hier der Fall. Denn die Nutzung der patentverletzenden NFC-Anwendung erfolgt erst beim Endabnehmer der angegriffenen Smartphones, regelmäßig einem privaten Endverbraucher. Diesem gegenüber verbieten sich Vertragsstrafenvereinbarungen. Aber auch ein Warnhinweis kommt nicht in Betracht, weil dieser regelmäßig ins Leere liefe: Ein Hinweis, die NFC-Anwendung nicht nutzen zu dürfen, ist gegenüber einem Endverbraucher nicht nur unzutreffend, sondern dürfte auch ein ernsthaftes Kaufhindernis darstellen. Gleiches gilt für den Hinweis, dass die angegriffene Ausführungsform nicht NFC-fähig sei, zumal der NFC-Modus im Menu-Programm selbst angeboten wird. Darüber hinaus lässt sich seitens der Klägerin nicht feststellen, ob die Abnehmer der angegriffenen Ausführungsform entgegen einem Warnhinweis nicht doch die NFC-Anwendung benutzen. Der Beklagten ist es hingegen ohne weiteres zumutbar, die angegriffene Ausführungsform dergestalt abzuwandeln, dass der Z -Standard nicht benutzt wird. Die NFC-Funktionalität basiert in der angegriffenen Ausführungsform im Wesentlichen auf dem NFC-Chip „PN544“. Insofern kann es der Beklagten zugemutet werden, unmittelbar die Hardware der angegriffenen Ausführungsform dergestalt zu ändern, dass die NFC-Funktionalität tatsächlich nicht mehr ausgeübt werden kann, oder jedenfalls durch entsprechende Software-Änderungen dafür zu sorgen, dass dem Nutzer die NFC-Funktionalität nicht mehr zur Verfügung steht (auch wenn die Hardware-technischen Voraussetzungen noch gegeben sind). Alternativ könnte die NFC-Funktionalität außerhalb der UICC untergebracht werden; auch dies würde aus der Verletzung des Klagepatents herausführen.
186Vor diesem Hintergrund ist seitens der Klägerin der weitere Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform jedenfalls nicht hinzunehmen, da er regelmäßig dazu führen wird, dass die Abnehmer der angegriffenen Smartphones von der Lehre des Klagepatents Gebrauch machen. Auch wenn die angegriffene Ausführungsform patentfrei genutzt werden kann und eine Änderung der angegriffenen Ausführungsform mit einem gewissen Aufwand verbunden ist, ist dies der Beklagten im Hinblick darauf zumutbar, dass andernfalls der Patentschutz der Klägerin ins Leere liefe.
1872.
188Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG.
189Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
190Die Beklagte ist zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie die Patentverletzung schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als ausschließlicher Lizenznehmerin beziehungsweise der Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist.
191Das gilt auch, soweit der Schadensersatzanspruch auf Verletzungshandlungen im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG gestützt wird. Zwar kann das bloße Anbieten von Mitteln, wie es der Beklagten vorliegend vorgeworfen wird, regelmäßig nicht zu einer unmittelbaren Patentverletzung unter Einsatz dieser Mittel führen, sofern dem Angebot keine Lieferung nachfolgt. Schon das Anbieten begründet jedoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass es auch zur Lieferung gekommen ist. Diese Wahrscheinlichkeit reicht zwar zum Nachweis einer solchen Lieferung und damit für die Begründetheit einer bezifferten Schadensersatzklage in aller Regel nicht aus. Sie lässt aber nach der Erfahrung des täglichen Lebens mit einiger Sicherheit erwarten, dass ein Schaden entstanden ist, und führt deshalb zur Begründetheit eines unbezifferten Antrags auf Feststellung der Schadensersatzpflicht (BGH GRUR 2013, 713, 715 – Fräsverfahren).
192Für die Zeit seit dem 19.12.2014 stehen der Klägerin Schadensersatzansprüche aus eigenem Recht zu, weil zu diesem Zeitpunkt der Lizenzvertrag zwischen ihr und der T . als Inhaberin des Klagepatents in Kraft trat und sie seit diesem Zeitpunkt ausschließliche Lizenznehmerin am Klagepatent ist. Für den Zeitraum vor dem 19.12.2014 kann die Klägerin Ersatz für den der T . entstandenen Schaden verlangen.
1933.
194Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
195VII.
196Art. 102 AEUV steht den vorgenannten Ansprüchen der Klägerin nicht entgegen. Es ist nicht hinreichend dargetan, dass das Klagepatent der Klägerin eine marktbeherrschende Stellung vermittelt.
197Dabei ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass den Ansprüchen wegen unberechtigter Patentbenutzung ein hoher Stellenwert zukommt. Die Rechte des geistigen Eigentums werden in der Charta der Grundrechte der EU (Art. 17 Abs. 2) ausdrücklich unter Schutz gestellt. Um diesen Schutz in angemessener Weise zur Geltung zu bringen, müssen die gesetzlichen Ansprüche wegen widerrechtlicher Patentbenutzung in der Regel zur Anwendung gebracht werden. Dies gilt umso mehr, als auch der Zugang zu den Gerichten seinerseits Grundrechtsschutz genießt (Art. 47 der EU-Charta). Beschränkt wird der Schutz des geistigen Eigentums allerdings durch den Vorbehalt der Allgemeinverträglichkeit, was insbesondere eine Ausübung der Patentrechte nach den Regeln des Kartellrechts verlangt.
198Insoweit bestimmt Art. 102 AEUV: „Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt … durch ein … Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.“ Voraussetzung für das Eingreifen von Art. 102 AEUV ist folglich zum einen eine marktbeherrschende Stellung des anspruchstellenden Unternehmens und zum anderen das Eingreifen außergewöhnlicher Umstände, die zu einer Beeinträchtigung des Handels führen.
199Die Klägerin ist Normadressatin von Art. 102 AEUV, weil sie durch ihre ausschließliche Rechtsposition am Klagepatent den Zugang zu der standardgerechten Anwendung der NFC-Technologie kontrollieren kann (s.o. die Ausführungen zur Standardessentialität des Klagepatents). Die für die Anwendung des Art. 102 AEUV erforderliche marktbeherrschende Position der Klägerin ergibt sich hingegen nicht schon allein aufgrund dieser Rechtsposition am Klagepatent. Denn nicht jedes standardessentielle Patent (SEP) vermittelt eine kartellrechtlich bedeutsame Marktmacht. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob der unter Schutz gestellten technischen Lehre tatsächlich eine solche kartellrechtlich relevante, marktbeherrschende Bedeutung zukommt.
200Insoweit folgt die Kammer der Rechtsauffassung des Generalanwalts KK , der in seinen Schlussanträgen in dem EUGH-Vorlageverfahren C-170/13 (Anlage HL9 Ziffer 57) wie folgt ausführt: „Ebenso wie die niederländische Regierung bin ich der Ansicht, dass der Umstand, dass ein Unternehmen ein SEP besitzt, nicht zwingend bedeutet, dass eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV vorliegt und dass vom nationalen Gericht im Einzelfall geprüft werden muss, ob dies tatsächlich der Fall ist.“
201Im weiteren (Ziffer 58) heißt es: „Der Umstand, dass jeder, der einen von einer Standardisierungsorganisation normierten Standard benutzt, zwangsläufig die Lehre eines SEP verwirklicht und damit eine Lizenz des Inhabers dieses Patents benötigt, kann zwar die einfache Vermutung begründen, dass der Inhaber dieses Patents über eine beherrschende Stellung verfügt. Meines Erachtens muss es jedoch möglich sein, diese Vermutung durch konkrete und substantiierte Angaben zu widerlegen.“ Die Kammer hat bereits Zweifel, ob diese Passage dahingehend zu verstehen ist, dass die Inhaberschaft an einem SEP zwingend die Vermutung für eine marktbeherrschende Stellung begründet. Die Ausführungen des Generalanwalts könnten ebenso dahingehend verstanden werden, dass in dieser Frage keine Festlegung erfolgen soll, zumal dieser Aspekt nicht Gegenstand des Vorlagebeschlusses an den EuGH ist. Ungeachtet dessen ist die Kammer aber auch der Auffassung, dass eine solche Vermutung für jedes standardessentielle Patent fehlgeht. Die von den Standardisierungsorganisationen normierten Standards betreffen – jedenfalls im Bereich der Telekommunikation – keineswegs ausschließlich technische Funktionen, die für den relevanten Markt von grundlegender Bedeutung sind. Vielmehr gibt es durchaus Funktionen, die zwar in einen Standard aufgenommen wurden, für den Markt aber von nur untergeordneter Bedeutung sind. In Bezug auf diese letztgenannten Funktionen ist kein Grund ersichtlich, warum eine Vermutung für die marktbeherrschende Stellung des Patentinhabers bestehen sollte. Da es somit entscheidend auf den Inhalt des jeweiligen Patents und dessen tatsächliche Bedeutung am Markt ankommt, hat nach den allgemeinen Grundsätzen der Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten zunächst einmal derjenige die die angebliche Marktbeherrschung begründenden Umstände vorzutragen, der sich auf den Umstand der Marktbeherrschung beruft.
202Der Begriff der Marktbeherrschung ist weder eine feststehende Eigenschaft eines Unternehmens noch ein absoluter rechtlicher Begriff. Die Marktbeherrschung besteht immer nur im Hinblick auf gewisse Funktionen, Märkte, Vorschriften, usw. So kann ein Unternehmen insbesondere nur im Hinblick auf einen bestimmten Teil seiner Aktivitäten marktbeherrschend sein (Langen/Bunte/Nothdurft/Ruppelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 15).
203Speziell für den Bereich des geistigen Eigentums hat die Europäische Kommission in der Entscheidung „AstraZeneca“ (C-457/10P, EU:C:2012:770, Rn 175) festgestellt, dass eine beherrschende Stellung eine wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens sei, „die es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, seinen Kunden und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten“. Weiter heißt es in Rn 186, dass „zwar nicht angenommen werden könne, dass die bloße Inhaberschaft von Rechten des geistigen Eigentums eine beherrschende Stellung begründe, sie aber geeignet sei, unter bestimmten Umständen eine solche Stellung zu schaffen, insbesondere dadurch, dass das Unternehmen die Möglichkeit erhalte, einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt zu verhindern“.
204Dabei muss sich die Marktmacht nicht zwingend auf den beherrschten Markt selbst beschränken, sondern kann sich auch auf vor- oder nachgelagerte Märkte erstrecken (Langen/Bunte/Nothdurft/Ruppelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 15). Im Hinblick auf Rechte am geistigen Eigentum ist kartellrechtlich relevant insofern nicht der Markt der Lizenzvergabe, sondern der nachgelagerte Produktmarkt (vgl.: EuGH, GRUR Int. 1995, 490, Rn 47 – Magill TVG Guide; BGH, NJW-RR 2010, 392 ff. – Reisestellenkarte).
205Dieser nachgelagerte Produktmarkt als sachlich relevanter Markt ist im Hinblick auf die vom Patent geschützte technische Lehre genauer zu qualifizieren. Bezogen auf ein standardessentielles Patent ist der relevante Markt im Grundsatz der Markt, auf dem diejenigen Produkte angeboten werden, die den Standard mit der SEP-geschützten Technik verwirklichen. Dabei erfolgt die Marktabgrenzung in ständiger Rechtsprechung nach dem sog. Bedarfsmarktkonzept. Hiernach werden alle Leistungen einem Markt zugeordnet, die aus Sicht der Marktgegenseite funktionell austauschbar sind (BGH, WuW/E DE-R 1355-1360 – Staubsaugerbeutelmarkt m.w.N.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.03.2008, Az.: VI-U (Kart) 29/06, zitiert nach juris). Ziel der Marktabgrenzung ist es stets, die den Wahlmöglichkeiten der Marktgegenseite entsprechende Realität des Wettbewerbs zu erfassen (Langen/Bunte/Nothdurft/Ruppelt, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 11. Auflage 2011, § 19 Rn 20 m.w.N.).
206Für den relevanten Markt im vorliegenden Fall den gesamten Handyvertriebsmarkt heranzuziehen, ist sicher zu weit gegriffen. Die Nahfeldkommunikation ist praktisch auf den Einsatz in Smartphones beschränkt. Nur deren Absatzmarkt ist daher zu berücksichtigen. Nachfrager auf diesem Absatzmarkt sind neben den Endkunden vor allem auch die Mobilfunknetzbetreiber, die die Mobilfunkgeräte in Verbindung mit entsprechenden Mobilfunknetzverträgen dem Endkunden anbieten.
207Bei der in Rede stehenden Nahfeldkommunikation (NFC) handelt es sich nicht um eine Technologie, die eine der Grundfunktionen eines Smartphones betrifft. Unstreitig werden auf dem Markt für Smartphones diverse Geräte angeboten, die nicht mit NFC ausgestattet sind. Die Nutzung des Klagepatents bzw. des hier relevanten Standards ist dementsprechend keine Marktzutrittsvoraussetzung. Dies ist aber auch nicht zwingend für die Annahme einer marktbeherrschenden Position.
208Vielmehr kann eine marktbeherrschende Stellung auch dann angenommen werden, wenn auf dem relevanten Markt, hier dem Vertrieb von Smartphones, auch Produkte angeboten werden, die die Produktkonfiguration des standardessentiellen Patents nicht aufweisen. Voraussetzung für die Annahme einer marktbeherrschenden Position ist in diesem Fall, dass ohne den Zugang zur Nutzung des streitgegenständlichen Patents ein wettbewerbsfähiges Angebot nicht möglich ist, d.h. allein mit Produkten ohne die patentierte Funktion kein wirksamer Wettbewerb zu den übrigen Anbietern stattfindet. Demgegenüber wäre eine marktbeherrschende Stellung jedenfalls dann zu verneinen, wenn die durch das SEP geschützte technische Funktion für den Nachfrager von SEP-Produkten – hier Smartphones – gar keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt.
209Ein Indiz kann in diesem Zusammenhang der Umstand sein, inwiefern sich die betreffende Technologie bereits am Markt durchgesetzt hat. Dabei verbietet sich allerdings ein Rückgriff auf starre Prozentgrenzen. Denn eine solche schematische Rechtsanwendung würde die Besonderheiten des jeweiligen Marktes außer Acht lassen. So ist der Smartphonemarkt in besonderem Maße durch einen rasanten technischen Fortschritt sowie eine ständig zunehmende Zahl neuer Anwendungen geprägt. Der Endkunde, der auf der Suche nach einem neuen Smartphone ist, hat dies vor Augen, wenn er sich für den Kauf eines neuen Gerätes entscheidet. Dies gilt neben dem Endverbraucher in noch stärkerem Maße für die Mobilfunknetzbetreiber. Geräte, die sich technisch nicht mehr auf dem neuesten Stand befinden, verlieren im Wettbewerb schnell ihre Bedeutung und ihren Marktwert. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Mobilfunkgerätes stetig abnimmt und derzeit nur noch bei 18 bis 24 Monaten liegt (vgl. Anlagenkonvolut HL 31). Der relevante Wettbewerb zwischen den einzelnen Anbietern von Smartphones findet vor allem zwischen den neuesten Produkten der Anbieter statt.
210Vor diesem Hintergrund ist der Kammer durchaus bewusst, dass die NFC-Technologie als solche geeignet ist, auf dem relevanten Markt eine marktbeherrschende Position zu vermitteln. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, der Anteil der NFC-fähigen Smartphones habe im Jahr 2014 bei 59,5 % und im Januar 2015 sogar bei 74 % gelegen (vgl. hierzu die Anlagen HL28 und HL29), wobei der Anteil unter den neuesten Modellen sogar noch höher sei (vgl. die Anlagen HL19-HL25).
211Der von der Klägerin angeführte Auszug aus dem Internetdienst „www.heise.de“ zu Bedeutung und Verbreitung der NFC-Technologie (vgl. Anlage K16) ergibt – entgegen der Auffassung der Klägerin – kein anderes Bild. Es wird zwar darauf hingewiesen, dass die Nahfunktechnik einen zunächst schwierigen Start hinter sich hat, weiter heißt es dann aber: „Mit der Entscheidung von Apple im vergangenen Jahr, NFC in seinem iPhone-Bezahlsystem einzusetzen, ist das Verfahren jedoch wieder auf der Gewinnerstraße, zeigte die CES. Nachdem Apple als Betreiber der zweiten großen Smartphone-Plattform in die Nahbereichsfunktechnik NFC bei seinen iPhones eingestiegen ist, breiten sich die Anwendungen mit dem Verfahren aus.“ Soweit sich dieser Passus – wie die Klägerin vorträgt – nur auf den us-amerikanischen Markt beziehen sollte, ist er auf den deutschen Markt übertragbar, nachdem das aktuell auf dem deutschen Markt angebotene iPhone 6 nunmehr ebenfalls NFC-fähig ist.
212Allerdings ist zu beachten, dass die NFC-Technologie als solche weder Gegenstand des Klagepatents noch des streitgegenständlichen Standards LL ist. Der vorgenannte Standard betrifft vielmehr ausschließlich die Fälle, in denen NFC-Anwendungen über eine Schnittstelle (Interface) zwischen dem NFC Host Controller und der SIM-Karte („UICC“) ausgeführt werden. Entsprechend steht die Verletzung des Klagepatents nur für Smartphones in Rede, die NFC-Implementierungen auf der SIM-Karte (UICC) zulassen.
213Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es daneben andere technische Alternativen zur Ausführung von NFC-Anwendungen gibt, beispielsweise die Implementierung entsprechender Anwendungen auf einer Smartcard (SD-Karte) oder einem sog. „embedded Secure Element (eSE)“.
214Insbesondere die Implementierung von NFC-Anwendungen auf einem eSE sieht die Kammer als eine gleichwertige technische Lösung neben der klagepatentgemäßen Lehre an. Insoweit hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2015 vorgetragen, dass nur 27 % der NFC-fähigen Smartphones den Z -Standard nutzen würden, während demgegenüber 43 % die NFC-Fähigkeit über eSE gewährleisten würden. Die Beklagte ist dem weder durch Nennung abweichender Prozentzahlen substantiiert entgegengetreten, noch konnte sie nachvollziehbar erläutern, warum vor diesem Hintergrund im Bereich der NFC-Technologie die eSE keine konkurrenzfähige Alternative zur UICC darstellen sollte.
215Soweit die Beklagte ihre Argumentation vor allem darauf gestützt hat, die deutschen Mobilfunknetzbetreiber würden in ihren Anforderungskatalogen für NFC-fähige Smartphones zwingend die Implementierung der NFC-Anwendungen auf der UICC verlangen, genügt ihr diesbezüglicher Vortrag nicht, um eine marktbeherrschende Position der Klägerin zu begründen. Es mag zutreffen, dass die deutschen Mobilfunknetzbetreiber daran interessiert sind, die Einbettung gesicherter kontaktloser Anwendungen auf der UICC sicherzustellen, um als Herausgeber der UICC an ihre Vertragskunden den Zugang zu gesicherten Diensten kontrollieren und mit Benutzungsentgelten belegen zu können. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber keineswegs, dass Smartphones, die solche gesicherten Anwendungen auf einem eSE einbetten, am Markt nicht wettbewerbsfähig wären. Um eine solche Feststellung treffen zu können, wären ergänzende Ausführungen der Beklagten zur Marktmacht der Mobilfunknetzbetreiber auf dem hier relevanten Vertriebsmarkt für Smartphones erforderlich gewesen. Der pauschale Verweis, die Mobilfunknetzbetreiber würden den Hauptvertriebskanal für Smartphones bilden, genügt insofern nicht. Vielmehr wären Ausführungen dazu erforderlich gewesen, wie viel Prozent der Smartphones über die Netzbetreiber veräußert werden und wie viel Prozent unmittelbar oder über den Einzelhandel (mit Ausnahme der Mobilfunkbetreiber) an den Endkunden. Hierzu hat sich die Beklagte trotz entsprechender Erörterung in der mündlichen Verhandlung nicht geäußert. Der Verweis der Beklagten auf die Anlagen HL30-30b genügt hingegen nicht. Zum einen treffen sie keine Aussage darüber, inwieweit die deutschen Mobilfunknetzbetreiber tatsächlich in der Lage sind, am Markt zwingende technische Vorgaben durchzusetzen, zum anderen sind die vorgelegten Anforderungskataloge der Netzbetreiber so weitgehend geschwärzt, das sie nicht geeignet sind, ein ganzheitliches Bild von den technischen Anforderungen der Netzbetreiber zu vermitteln. So ist weder der Verfasser noch der Adressat erkennbar. Die Kammer kann auch nicht beurteilen, ob in den Schwärzungen technische Alternativen zur Verwirklichung des Z -Standards zugelassen werden. Jedenfalls vermochte die Beklagte nicht nachvollziehbar zu erläutern, warum am Markt offenbar eine beträchtliche Anzahl von Smartphones vertrieben werden kann, die NFC-Anwendungen eben nicht auf der UICC, sondern auf einem eSE implementieren.
216Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 19.02.2015 erstmals behauptet, die Z -Protokollspezifikation habe sich nunmehr auch für die Nutzung solcher Secure Elements geöffnet, die nicht in der UICC eingebettet sind, vermag die Kammer dies der vorgelegten Anlage HL35 (Z -Standard 102 622 in der Version 12.1.0) nicht zu entnehmen. Vielmehr heißt es dort unter Ziffer 1 weiterhin, der Standard betreffe „a logical interface that enables contactless applications hosted on the UICC“ (vgl. auch Anlage K38). Damit befasst sich der Standard weiterhin nur mit der Schnittstelle zwischen dem NFC Host Controller und der UICC. Mit dem Interface zwischen dem Host Controller und sonstigen eSE befasst er sich nicht. Soweit die Beklagte auf die Tabelle 20 in Abschnitt 7.1.1.1 der Anlage HL35 verweist, ist dort lediglich vorgesehen, dass die verschiedenen „Host types“ mit einer eigenen Identität versehen werden, damit der Host Controller zwischen ihnen unterscheiden kann. Dies bedeutet hingegen nicht, dass das eSE an die Stelle der UICC tritt. Vielmehr greift der Standard (weiterhin) nur dann ein, wenn eine SIM-Karte mit NFC-Anwendung vorhanden ist.
217Die Kammer verkennt – wie bereits ausgeführt – nicht, dass der Smartphonemarkt in besonderem Maße durch einen rasanten technischen Fortschritt sowie eine ständig zunehmende Zahl neuer Anwendungen geprägt ist. Auf der Grundlage des Sach- und Streitstands am Schluss der mündlichen Verhandlung lässt sich jedoch nicht feststellen, dass die Verwendung des Z -Standards für auf der UICC implementierte Anwendungen zu diesem Zeitpunkt bereits eine Marktdurchdringung erlangt hat, die eine marktbeherrschende Stellung begründet. Aufgrund der vorgelegten Marktanalysen und Experteneinschätzungen zu den zukünftigen technischen Entwicklungen entsteht vielmehr der Eindruck, dass sich der Markt derzeit in Bewegung befindet und gerade noch nicht entschieden ist, welche Anwendungen sich letztlich am Markt durchsetzen werden und wie sie technisch umgesetzt werden. Dass der Endabnehmer an der neuesten technischen Entwicklung partizipieren möchte, ändert an diesem Befund und seiner rechtlichen Einordnung nichts. Denn für den potentiellen Käufer eines Smartphones mag sicherlich entscheidend sein, ob das Smartphone NFC-fähig ist. Dass die Kaufentscheidung darüber hinaus davon abhängig ist, dass es NFC-Anwendungen auf der UICC ermöglicht und insofern dem Z -Standard folgt, ist nicht ersichtlich und auch von den Parteien nicht vorgetragen.
218VIII.
219Vor diesem Hintergrund kommt eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Entscheidung des EuGH in Sachen C-170/13 (Vorabentscheidungsverfahren LG Düsseldorf, 4b O 104/12 – O ) nicht in Betracht. Die Frage der Marktbeherrschung ist gerade nicht Gegenstand des Vorlageverfahrens, sondern vorab zu entscheiden. Nur wenn diese bejaht wird, kommt es auf die rechtlichen Fragestellungen an, die Gegenstand des vorgenannten Vorlageverfahrens sind.
220XI.
221Für eine Aussetzung der Verhandlung gemäß § 148 ZPO besteht keine Veranlassung. Es kann nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen, dass die gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage erfolgreich sein wird.
222Der Gegenstand der Patentansprüche ist patentfähig, insbesondere nehmen weder die D1 (Q ) noch die D2 (R ) die erfindungsgemäße Lehre neuheitsschädlich vorweg. Auch mangelt es der mit den Ansprüchen 1 und 12 beanspruchten technischen Lösung angesichts der D3 (Auszüge aus „Specification of the Bluetooth System“) nicht an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.
2231.
224Die durch die Patentansprüche 1 und 12 geschützte technische Lehre wird in den Entgegenhaltungen D1 (Q ) und D2 (R ) nicht neuheitsschädlich offenbart.
225Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen (allgemeinen) Lehre entnimmt. Maßgeblich ist, was aus fachmännischer Sicht einer Schrift „unmittelbar und eindeutig” zu entnehmen ist (BGH GRUR 2009, 382, 384 – Olanzapin m.w.N.).
226a) D1 (Q )
227Bei der D1 handelt es sich um geprüften Stand der Technik. Sie wird in Absatz [0015] der Klagepatentschrift ausdrücklich genannt. Sie offenbart jedenfalls keine Routingtabelle wie in Merkmal 3.b3) des Klagepatentanspruchs 1 bzw. Merkmal 3.a4) des Klagepatentanspruchs 12 beschrieben. Die D1 sieht zwar die Verwendung einer Routingkanalnummer („logical channel identifier“) vor, verhält sich aber nicht zu der Speicherung eines Identifizierers des Ausgangspunktes und eines Identifizierers des Bestimmungspunktes. Vielmehr wird bei dem in der D1 beschriebenen Verfahren der Datenübertragungsblock seinem Bestimmungspunkt zugeführt, indem der APDU Header die Anwendung identifiziert. Damit ist das Datenrouting nach der D1 nicht anwendungsunabhängig wie das Datenrouting nach der klagepatentgemäßen Erfindung (und im Übrigen auch das Datenrouting nach dem streitgegenständlichen Standard).
228b) D2 (R )
229Auch die D2 offenbart keine erfindungsgemäße Routingtabelle. Das dort beschriebene Datenroutingverfahren basiert nicht auf der Identifikation eines Datenweges mit Hilfe einer Routingkanalnummer, sondern arbeitet vielmehr mit der Übermittlung von Knotenadressen, zwischen denen Daten übertragen werden sollen. Dass hierzu im Header-Feld eines Datenübertragungsblocks eine Routingkanalnummer verwendet wird, mit deren Hilfe man unter Rückgriff auf eine einen Identifizierer des Ausgangspunktes und einen Identifizierer des Bestimmungspunktes enthaltende Routingtabelle die Daten ihrem Bestimmungspunkt zuleiten kann, wird in der D2 in keiner Weise beschrieben.
2302.
231Weiter mangelt es der durch die Patentansprüche 1 und 12 geschützten technischen Lehre, insbesondere im Hinblick auf die D3 (Auszüge aus „Specification oft the Bluetooth System“), nicht an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.
232Die D3 ist weiter von der erfindungsgemäßen Lehre entfernt als die vorgenannten Druckschriften D1 und D2. Die Datenübertragung mittels Bluetooth setzt ein einheitliches Netzwerk voraus. Ein Datenrouting im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre ist hier nicht erforderlich. Dieses wird vielmehr erst dann benötigt, wenn – wie bei der NFC-Technologie – mehrere Netzwerke miteinander kommunizieren und mittels eines Routers die Informationen von dem einen in das andere Netzwerk übersetzt werden müssen. Es ist daher für den Fachmann kein Anlass ersichtlich, ausgehend von der D3 ein verbessertes Verfahren zum Datenrouting zu entwickeln. Ebenso besteht für den Fachmann kein Anlass, ausgehend von der Problemstellung des Klagepatents auf die D3 zurückzugreifen.
233V.
234Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
235Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO. Auf den entsprechenden Antrag der Klägerin waren Teilsicherheiten festzusetzen. Die Höhe der Sicherheitsleistung orientiert sich an der Streitwertangabe der Klägerin von 10.000.000,- EUR. Die Kammer ist der Auffassung, dass dieser Betrag angemessen ist, um etwaige Schäden der Beklagten, die durch eine Vollstreckung des Urteils eintreten, abzusichern. Hierbei ist die Kammer von einem Zeitraum von ca. einem Jahr ausgegangen, der bis zu einer Berufungsentscheidung durch das OLG Düsseldorf vergehen dürfte. Die Beklagte hat nicht substantiiert vorgetragen, dass ihr potentieller Schaden im Falle der Aufhebung des Urteils über den Betrag von 10.000.000,- EUR hinausgehen würde. Ein solcher Schaden könnte – neben Gerichts- und Anwaltskosten – in Gewinneinbußen oder erhöhten Herstellungskosten (etwa bei der Verwendung eines eSE) liegen, wobei zu berücksichtigen ist, dass es vorliegend allein um etwaige Schäden der Beklagten, nicht aber der J geht. Hierzu fehlt es an Vortrag der Beklagten. Der Verweis auf die Umsatzzahlen mit dem H führt an dieser Stelle nicht weiter. Diese betreffen allein die Umsätze der J . Inwieweit die Beklagte hieran partizipiert, trägt sie nicht vor. Darüber hinaus lassen die reinen Umsatzzahlen keinen Rückschluss auf die mit dem H erzielten Gewinne zu.
236Der Streitwert wird auf 10.000.000,- EUR festgesetzt.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.
(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen
- 1.
ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen; - 2.
Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen; - 3.
ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist; - 4.
sich weigert, ein anderes Unternehmen gegen angemessenes Entgelt mit einer solchen Ware oder gewerblichen Leistung zu beliefern, insbesondere ihm Zugang zu Daten, zu Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, und die Belieferung oder die Gewährung des Zugangs objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein und die Weigerung den wirksamen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten droht, es sei denn, die Weigerung ist sachlich gerechtfertigt; - 5.
andere Unternehmen dazu auffordert, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren; hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Aufforderung für das andere Unternehmen nachvollziehbar begründet ist und ob der geforderte Vorteil in einem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung steht.
(3) Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 5 gilt auch für Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Absatz 1, § 30 Absatz 2a, 2b und § 31 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen, die Preise nach § 28 Absatz 2 oder § 30 Absatz 1 Satz 1 oder § 31 Absatz 1 Nummer 3 binden.
(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.
(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.
(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.
(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen
- 1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder - 2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder - 3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.
(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.
(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.
(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.
(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.
(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.
(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von
- 1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn - a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und - b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
- 2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in - a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder - b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.
(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.
(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen
- 1.
ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen; - 2.
Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen; - 3.
ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist; - 4.
sich weigert, ein anderes Unternehmen gegen angemessenes Entgelt mit einer solchen Ware oder gewerblichen Leistung zu beliefern, insbesondere ihm Zugang zu Daten, zu Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, und die Belieferung oder die Gewährung des Zugangs objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein und die Weigerung den wirksamen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten droht, es sei denn, die Weigerung ist sachlich gerechtfertigt; - 5.
andere Unternehmen dazu auffordert, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren; hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Aufforderung für das andere Unternehmen nachvollziehbar begründet ist und ob der geforderte Vorteil in einem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung steht.
(3) Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 5 gilt auch für Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Absatz 1, § 30 Absatz 2a, 2b und § 31 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen, die Preise nach § 28 Absatz 2 oder § 30 Absatz 1 Satz 1 oder § 31 Absatz 1 Nummer 3 binden.
(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.
(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.
(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.
(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen
- 1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder - 2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder - 3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.
(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.
(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.
(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.
(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.
(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.
(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von
- 1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn - a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und - b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
- 2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in - a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder - b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.
(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.
(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen
- 1.
ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen; - 2.
Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen; - 3.
ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist; - 4.
sich weigert, ein anderes Unternehmen gegen angemessenes Entgelt mit einer solchen Ware oder gewerblichen Leistung zu beliefern, insbesondere ihm Zugang zu Daten, zu Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, und die Belieferung oder die Gewährung des Zugangs objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein und die Weigerung den wirksamen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten droht, es sei denn, die Weigerung ist sachlich gerechtfertigt; - 5.
andere Unternehmen dazu auffordert, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren; hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Aufforderung für das andere Unternehmen nachvollziehbar begründet ist und ob der geforderte Vorteil in einem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung steht.
(3) Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 5 gilt auch für Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Absatz 1, § 30 Absatz 2a, 2b und § 31 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen, die Preise nach § 28 Absatz 2 oder § 30 Absatz 1 Satz 1 oder § 31 Absatz 1 Nummer 3 binden.
(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.
(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.
(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.
(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen
- 1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder - 2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder - 3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.
(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.
(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
(1) Das Gericht kann anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Das Gericht kann hierfür eine Frist setzen sowie anordnen, dass die vorgelegten Unterlagen während einer von ihm zu bestimmenden Zeit auf der Geschäftsstelle verbleiben.
(2) Dritte sind zur Vorlegung nicht verpflichtet, soweit ihnen diese nicht zumutbar ist oder sie zur Zeugnisverweigerung gemäß den §§ 383 bis 385 berechtigt sind. Die §§ 386 bis 390 gelten entsprechend.
(3) Das Gericht kann anordnen, dass von in fremder Sprache abgefassten Urkunden eine Übersetzung beigebracht wird, die ein Übersetzer angefertigt hat, der für Sprachübertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften ermächtigt oder öffentlich bestellt wurde oder einem solchen Übersetzer jeweils gleichgestellt ist. Eine solche Übersetzung gilt als richtig und vollständig, wenn dies von dem Übersetzer bescheinigt wird. Die Bescheinigung soll auf die Übersetzung gesetzt werden, Ort und Tag der Übersetzung sowie die Stellung des Übersetzers angeben und von ihm unterschrieben werden. Der Beweis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Übersetzung ist zulässig. Die Anordnung nach Satz 1 kann nicht gegenüber dem Dritten ergehen.
Der Gegner ist auch zur Vorlegung der in seinen Händen befindlichen Urkunden verpflichtet, auf die er im Prozess zur Beweisführung Bezug genommen hat, selbst wenn es nur in einem vorbereitenden Schriftsatz geschehen ist.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.
(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.
(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.
(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.
(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.
(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.
Das Gericht hat dem Kläger bei Anordnung der Sicherheitsleistung eine Frist zu bestimmen, binnen der die Sicherheit zu leisten ist. Nach Ablauf der Frist ist auf Antrag des Beklagten, wenn die Sicherheit bis zur Entscheidung nicht geleistet ist, die Klage für zurückgenommen zu erklären oder, wenn über ein Rechtsmittel des Klägers zu verhandeln ist, dieses zu verwerfen.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.