Finanzgericht Hamburg Urteil, 01. Sept. 2015 - 3 K 167/15

bei uns veröffentlicht am01.09.2015

Tatbestand

1

B. Die Beteiligten streiten um besonderes Kirchgeld für 2012.

2

Streitig ist,
- ob die Klägerin rechtzeitig Einspruch eingelegt hat und
- inwieweit es nach § 5 und § 5a Hamburgisches Kirchensteuergesetz in der Fassung des Streitjahres (HmbKiStG) bei der Einordnung als "glaubensverschiedene" oder als "konfessionsverschiedene" Ehe darauf ankommt, dass eine Religionsgemeinschaft in Hamburg landesrechtlich steuerberechtigt ist oder eine Steuer auch erhebt.

I.

3

1. Die Klägerin war im Streitjahr 2012 Mitglied der evangelisch-lutherischen Kirche (ESt-A Bl. 28; Rb-A Bl. 12).

4

2. Die Klägerin ist seit ... 2012 verheiratet (ESt-A Bl. 80).

5

3. Ihr Ehemann ist laut - nicht unterschriebener - Bescheinigung vom 20. Mai 2014 der Freireligiösen Landesgemeinschaft Hessen, inzwischen umbenannt in Humanistische Gemeinschaft Hessen, Mitglied der Freireligiösen Gemeinde Wiesbaden. Die Landesgemeinschaft und die Gemeinde sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und - nach § 16 Abs. 1 HessKiStG - kirchensteuerberechtigt, machen von diesem Recht jedoch keinen Gebrauch (Rb-A Bl. 3; FG-A Bl. 15, 18).

II.

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1. Das beklagte Finanzamt (FA) verband die Festsetzung der Kirchensteuer bzw. des besonderen Kirchgelds gegenüber der Klägerin mit dem Einkommensteuerbescheid für beide zusammen veranlagten Eheleute in Form eines zusammengefassten Bescheids; darin heißt es ausdrücklich (FG-Anlbd. Bl. 1, 6):
"... Die Festsetzung der Kirchensteuer erfolgt nur gegen die Ehefrau. ..."

7

Nach dem gemeinsam zu versteuernden Einkommen ... Euro errechnete das FA für die Klägerin ein besonderes Kirchgeld anstelle einer sonst niedrigeren auf die Klägerin nach ihrem zu versteuernden Einkommen entfallenden Kirchensteuer.

8

Die gleichfalls niedrigere mit dem Lohnsteuerabzug bei der Klägerin einbehaltene Kirchensteuer rechnete das FA im Abrechnungsteil des Bescheids auf das Kirchgeld an.

9

Nicht streitig ist die neben dem besonderen Kirchgeld gemäß Abgeltungssteuer für Kapitalerträge erhobene Kirchensteuer in Höhe von ... Euro.

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2. Anstelle eines zunächst mit Bescheid vom 2. Mai 2014 festgesetzten besonderen Kirchgelds von 1.200 Euro für das Jahr 2012 reduzierte das FA mit Änderungsbescheid vom 22. Mai 2014 den Betrag im Hinblick auf die erst im zweiten Halbjahr bestehende Ehe um die Hälfte auf den jetzt noch streitigen Betrag 600 Euro (FG-A Bl. 2, AG-Anlbd. Bl. Bl. 1, 5).

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3. Unter dem 22. Mai 2014 ging am selben Tag bei dem FA ein Einspruch ein; darin heißt es wörtlich (Rb-A Bl. 2):
"... lege ich hiermit Widerspruch ein. ...
Ich bin Mitglied in der Freireligiöse Landesgemeinschaft Hessen K.d.ö.R., nach dortiger Auskunft ist die Festlegung von Kirchengeld durch die Religionsgemeinschaft meiner Frau nicht möglich. ...
Ich gehe davon aus, dass auch die Finanzbehörde ... meine Religionseinstellung ... nicht an die Religionsgemeinschaft meiner Frau weitergibt.
Ich stelle den Antrag die Belastungen durch Kirchengeld die mich betreffen entsprechend der gesetzlichen Regelung zu streichen. ...
Erläuterungen meiner Kirche habe ich angefordert ..."

12

Unterzeichnet ist der Einspruch vom Ehemann der Klägerin. Das Schreiben hat die folgende Fußzeile (Rb-A Bl. 2):
"A & B C, X-Straße, ... Hamburg
Tel.: ... oder Handy ...."

13

4. Am 6. Oktober 2014 antwortete das FA auf das Schreiben. Die Ehe der Klägerin werde als glaubensverschiedene Ehe eingeordnet, da der eine Ehegatte einer steuererhebenden Kirche angehöre, der andere dagegen keiner Religionsgemeinschaft oder einer Religionsgemeinschaft, die keine Steuern erhebe (Rb-A Bl. 6).

14

5. Unter dem 17. (eingeg. 20.) Oktober 2014 ging ein weiteres vom Ehemann der Klägerin unterzeichnetes Schreiben mit der vorbeschriebenen Fußzeile (oben 3) bei dem FA ein. Es liege keine Glaubensverschiedenheit vor. In dem Schreiben heißt es weiter auszugsweise (Rb-A Bl. 7 f):
"... Ich teile mit, dass ich den Einspruch aufrecht erhalte ...
Ich gehöre der Freireligiösen Landesgemeinschaft Hessen ... an ...
Meine Frau ist in einer K.d.ö.R die Kirchensteuer erhebt.... Ich selbst gehöre einer K.d.ö.R. die Kirchensteuerberechtigt ist. Also ist auch die Definition - Glaubensverschieden - nicht richtig".
"der Einspruch wird von mir aufrecht erhalten".

15

6. Unter dem 23. April 2015 wies das FA den Ehemann darauf hin, dass sich der Kirchensteuerbescheid nur gegen die Klägerin richte, sodass sein Einspruch als unzulässig verworfen werden müsse (Rb-A Bl. 11).

16

7. Unter dem 15. (eingeg. 19.) Mai 2015 erhielt das FA ein von beiden Eheleuten unterzeichnetes Schreiben. Der Einspruch sei im Namen beider Eheleute eingelegt worden. Das ergebe sich bereits aus dem "Absender auf dem Briefpapier". Eine Benachteiligung von nicht steuererhebenden Gemeinschaften sei verfassungswidrig. Der Einspruch werde daher aufrechterhalten (Rb-A Bl. 12).

17

8. Mit Einspruchsentscheidungen vom 29. Mai 2015 verwarf das FA zum einen den Einspruch des Ehemannes unter Bezugnahme auf das vorbezeichnete schreiben als unzulässig; zum anderen wies es den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück (Rb-A Bl. 18 f.; FG-A Bl. 13):

18

Es handele sich nicht um eine "konfessionsverschiedene" Ehe nach § 5a HmbKiStG, bei der die Ehegatten verschiedenen steuerberechtigten Körperschaften angehören, sondern um eine "glaubensverschiedene" Ehe gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 HmbKiStG, wo der Ehegatte keiner steuerberechtigten bzw. steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehöre.

19

In der glaubensverschiedenen Ehe bestimme sich das besondere, gestaffelte Kirchgeld nach § 3 Abs. 1 Bstb. b, § 4, § 5 HmbKiStG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 Bstb. c, § 9 Abs. 2, § 13 Kirchensteuerordnung (KiStO) und § 5 Kirchensteuerbeschluss (KiStB) der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche i. d. F. des Streitjahres, jetzt der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland (Nordkirche).

20

Diese Regelungen seien verfassungsgemäß (BVerfG-Beschluss vom 23.10.1986 2 BvL 7/84, 2 BvL 8/84).

III.

21

Zur Begründung der am 23. Juni 2015 erhobenen Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor (FG-A Bl. 1=9, 4=14, 25, 38=40, 43=48a, 49 ff.):

22

Der Bescheid sei bereits aus formellen Gründen aufzuheben, da er sich entgegen § 122 Abs. 1 AO gegen beide Eheleute richte und nicht nur gegen die Klägerin, wie es für das besondere Kirchgeld erforderlich gewesen wäre.

23

Im Übrigen sei die Festsetzung des Kirchgelds materiell rechtswidrig. Bei der vorliegenden Ehe handele sich nicht um eine "glaubensverschiedene" im Sinne von § 5 HmbKiStG, bei der nur ein Ehegatte einer "steuerberechtigten" Körperschaft angehöre, sondern um eine "konfessionsverschiedene" Ehe nach § 5a HmbKiStG, in der die Ehegatten verschiedenen "steuerberechtigten" Körperschaften angehörten. Nicht nur sie - die Klägerin - habe einer steuerberechtigten Körperschaft angehört, sondern auch ihr Ehemann gehöre einer steuerberechtigten Körperschaft an; und zwar einer Weltanschauungsgemeinschaft i. S. v. von Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV.

24

Im Unterschied zur Neufassung von § 5 HmbKiStG ab 2014 ("steuererhebende" Körperschaft) komme es für das Streitjahr 2012 nur darauf an, ob der Ehepartner einer steuerberechtigten Körperschaft angehöre, und nicht, ob diese die Steuer auch erhebe.

25

Die Steuerberechtigung einer Religionsgemeinschaft in irgendeinem Bundesland sei ausreichend. Andernfalls würde die Erhebung des Kirchgeldes gegen Art. 3 GG verstoßen. Das Recht zur Steuererhebung nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV begründe keine Pflicht zur Steuererhebung. Die im GG abschließend geregelte Berechtigung zum Kirchensteuereinzug könne durch Landesrecht nicht eingeschränkt werden. Danach habe § 1 HmbKiStG in verfassungskonformer Auslegung keinen eigenständigen Regelungsinhalt.

26

Die bisherige Interpretation des HmbKiStG stehe im Widerspruch zum "Zeugen Jehova Urteil" des Bundesverfassungsgerichts vom 20. September 2000, wo von "in allen alten Bundesländern anerkannten Religionsgemeinschaften" die Rede sei [Gemeint dürften sein die "Informationen zur mündlichen Verhandlung über die Verfassungsbeschwerde der Zeugen Jehovas am 20. September 2000" (vgl. FG-A Bl. 51, 54); vor dem Urteil vom 19.12.2000 2 BvR 1500/97].

27

Davon abgesehen verstoße der - konfliktauslösende - Rückgriff des Kirchgelds auf das Einkommen des Ehegatten gegen Art. 3 GG im Vergleich zur Besteuerung der konfessionsverschiedenen Ehen. Außerdem verstoße der Rückgriff gegen Art. 4 GG und gegen die guten Sitten.

28

Bei der Kirchensteuer handele es sich im Übrigen nicht um eine Steuer, sondern um einen Mitgliedsbeitrag einer nichtstaatlichen Organisation.

29

Die Weitergabe von Informationen von den Finanzämtern an die Kirchen betreffend die Kirchensteuer verstoße gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

30

Die Klägerin beantragt (FG-A Bl. 2=10, 47=48e)
die Aufhebung der Kirchgeldfestsetzung für das Jahr 2012 gegen die Klägerin aus dem verbundenen Einkommensteuer-, Solidaritätszuschlag- und Kirchensteuerbescheid vom 22. Mai 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2015 betreffend die Klägerin.

31

Das FA beantragt (FG-A Bl. 17, 47=48e),
die Klage abzuweisen.

32

Das FA trägt in Ergänzung der Einspruchsentscheidung im Wesentlichen vor (FG-A Bl. 17, 43=48a):

33

Zum einen komme es nach § 5 Abs. 1 HmbKiStG nicht allein auf die formale Steuerberechtigung an. Soweit in der Fassung vor 2014 für die Einordnung einer Ehe als glaubensverschieden auf die Steuerberechtigung und in der Fassung ab 2014 auf die Steuerhebung der Körperschaft abgestellt werde, seien beide Fassungen nach Sinn und Zweck gleich auszulegen. Die Regelung diene gerade dazu, einen Ausgleich zwischen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des kirchensteuerzahlenden und des anderen Ehegatten zu schaffen. Dies würde unterlaufen, wenn durch die Zugehörigkeit zu einer Körperschaft, die zwar steuerberechtigt sei, aber von diesem Recht keinen Gebrauch mache, das besondere Kirchgeld umgangen werden könnte. Auch laut Gesetzesbegründung handele es sich um eine Klarstellung und sei entscheidendes Kriterium, dass die Körperschaft nicht nur steuerberechtigt, sondern tatsächlich steuererhebend sei (Bürgerschafts-Drucksache 20/12057 S. 5).

34

Zum anderen fehle der Körperschaft bereits die Steuerberechtigung nach der Verordnung des Senats zu § 1 Abs. 2 HmbKiStG, nämlich im maßgeblichen landesrechtlichen erhebungsbezogenen Sinne (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 07.02.1996 II 44/93, EFG 1996, 492).

IV.

35

Die gemäß § 5a HmbFGOAG beitrittsberechtigte Ev.-Luth. Kirche ist dem Verfahren nicht beigetreten. Sie hat sich im Rahmen der Anhörung nach § 12 Abs. 2 HmbKiStG geäußert (FG-A Bl. 15=20, 43=48a):

36

Eine glaubensverschiedene Ehe liege gemäß § 5 Abs. 1 HmbKiStG vor, da nur die Klägerin einer kirchensteuerberechtigten Körperschaft angehöre. Die Freireligiöse Gemeinde Wiesbaden des Ehemannes sei in Hamburg nicht steuerberechtigt, da sie weder im HmbKiStG aufgeführt werde noch in der nach § 1 Abs. 2 HmbKiStG erlassenen Verordnung zur Erstreckung des Rechts zur Erhebung von Kirchensteuern auf Religionsgemeinschaften.

V.

37

1. Der Senat hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 7. August 2015 auf den Einzelrichter übertragen (FG-A Bl. 28).

38

2. Ergänzend wird Bezug genommen auf das Verhandlungsprotokoll vom 1. September 2015 sowie auf die oben angeführten Unterlagen und die damit zusammenhängenden Unterlagen aus der Gerichtsakte (FG-A) nebst Anlagenband (FG-Anlbd.) sowie aus folgenden Steuerakten:
Einkommensteuer-Akte (ESt-A),
Rechtsbehelfsakte (Rb-A).

Entscheidungsgründe

39

B. Die Klage ist mangels rechtzeitiger Einspruchseinlegung gemäß verfahrensrechtlicher Prüfung abzuweisen. (I). Dabei bleibt es auch nach materieller Sachprüfung in der Einspruchsentscheidung (II). Im Übrigen ist die Klage auch materiell unbegründet (III).

I.

40

Die Klage ist bereits aufgrund der Bestandskraft des - mit dem Einkommensteuerbescheid zusammengefassten - Kirchensteuerbescheids vom 2. Mai 2014 aufgrund formaler Sachprüfung, jedoch ohne materielle Sachprüfung als unbegründet abzuweisen, weil die Klägerin die Einspruchsfrist versäumt hat.

41

1. a) Zwar ist die Sachentscheidungsvoraussetzung des erfolglosen Vorverfahrens nach § 44 FGO auch erfüllt, wenn überhaupt eine Einspruchsentscheidung ergangen ist.

42

Das führt jedoch nicht dazu, dass das Klagebegehren trotz versäumter Einspruchsfrist in vollem Umfang sachlich-rechtlich nachgeprüft werden darf. Die fristgerechte Einlegung des Einspruchs stellt eine bei der Sachentscheidung zu beachtende materiell-rechtliche Vorfrage dar (vgl. Urteile FG Hamburg vom 18.02.2014 3 K 257/13, EFG 2014, 1563; vom 04.06.2002 III K 16/02, EFG 2002, 1394; BFH vom 24.07.1984 VII R 122/80, BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791, Juris Rz. 13).

43

b) Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 HmbKiStG findet die AO auf das Besteuerungsverfahren der Kirchensteuer entsprechende Anwendung, soweit sich aus den kirchlichen Steuervorschriften - wie hier - nichts anderes ergibt.

44

c) Der Einspruch als nach § 347 AO statthafter Rechtsbehelf gegen Steuerbescheide ist gemäß § 355 AO binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids einzulegen.

45

d) Im Sinne von §§ 355, 122 AO bekanntgegeben ist die als Verwaltungsakt angefochtene Kirchensteuer-Festsetzung ausdrücklich der Klägerin. Aus der in den - nach § 155 Abs. 2 AO - zusammengefassten Bescheid aufgenommenen Formulierung, dass die Festsetzung der Kirchensteuer nur gegen die Ehefrau erfolgt (oben A II 1), ergibt sich unmissverständlich, dass die Festsetzung sich an die Ehefrau als Inhaltsadressatin und damit als insoweit beschwerte Steuerpflichtige richtet (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 15.12.1995 II 81/94, EFG 1996, 498, Juris Rz. 48, nachgehend BFH, Beschluss vom 27.09.1996 I B 22/96, BFH/NV 1997, 311, KirchE 34, 367, nachgehend BVerfG, Beschluss vom 07.03.1997 2 BvR 163/97, Juris; vgl. i. Ü. BFH, Urteil vom 01.07.2009 I R 81/08, BFHE 226, 90, BStBl II 2011, 379, Juris Rz. 10).

46

e) Nach § 357 Abs. 1 Satz 1 AO ist der Einspruch schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären; aufgrund Satz 2 genügt es, wenn aus dem Schriftstück hervorgeht, wer den Einspruch eingelegt hat.

47

Gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung muss sich aus der Rechtsbehelfsschrift hinreichend klar ergeben, wer die Verwaltungsentscheidung angreift (BFH, Urteile vom 08.05.2008 VI R 12/05 BFHE 222, 196, BStBl II 2009, 116; vom 26.10.2004 IX R 23/04, BFH/NV 2005, 325; vom 31.10.2000 VIII R 47/98, HFR 2001, 562, BFH/NV 2001, 589; Beschluss vom 01.07.2003 IX B 208/02, BFH/NV 2003, 1534, DStRE 2003, 1417). So muss etwa bei Zusammenveranlagung feststehen, welcher Ehegatte sich beschwert fühlt und die Nachprüfung des Steuerbescheides begehrt. Dabei hat ein von dem einen Ehegatten eingelegter Rechtsbehelf nicht ohne Weiteres die Wirkung eines auch von dem anderen Ehegatten eingelegten Rechtsbehelfs. Selbst unter der Annahme, dass der den Rechtsbehelf einlegende Ehegatte bereits aufgrund der gemeinsamen, von beiden Eheleuten unterschriebenen Einkommensteuererklärung von dem anderen Ehegatten wirksam zur Vornahme aller im Besteuerungsverfahren erforderlichen Rechtshandlungen bevollmächtigt sein könnte, wäre für die wirksame Rechtsbehelfseinlegung des einen Ehegatten auch für den anderen erforderlich, dass der das Rechtsmittel führende Ehegatte unmissverständlich zum Ausdruck bringt, er lege den Rechtsbehelf auch für den anderen Ehegatten ein (BFH, Urteile vom 20.12.2012 III R 59/12, BFH/NV 2013, 709; vom 20.12.2006 X R 38/05, BFHE 216, 297, BStBl II 2007, 823; vom 27.11.1984 VIII R 73/82, BFHE 143, 32, BStBl II 1985, 296, Juris).

48

f) Letzteres gilt erst recht, wenn es um die Festsetzung des Kirchgeldes gegenüber einem Ehegatten geht und nur dieser aufgrund seiner Beschwer im Sinne von § 350 AO das Rechtsmittel einlegen kann (vgl. Thüringer FG, Freireligiösen Urteil vom 31.03.2009 2 K 648/08, EFG 2009, 1250, KirchE 53, 169, Juris Rz. 8, nachgehend BFH, Beschluss vom 16.11.2009 I B 58/09, BFH/NV 2010, 905, nachgehend BVerfG, Beschluss vom 28.10.2010 2 BvR 591/06, HFR 2011, 98, KirchE 56, 346; FG Hamburg, Urteil vom 15.12.1995 II 81/94, EFG 1996, 498, nachgehend BFH, Beschluss vom 27.09.1996 I B 22/96, BFH/NV 1997, 311, KirchE 34, 367, nachgehend BVerfG, Beschluss vom 07.03.1997 2 BvR 163/97, Juris).

49

2. Nach den vorstehenden Maßstäben hat die Klägerin innerhalb der Monatsfrist keinen Einspruch eingelegt.

50

a) Aus dem nach Kirchgeld-Festsetzung vom 2. Mai 2014 und Herabsetzung vom 22. Mai (oben A II 2) noch am 22. Mai 2014 eingelegten Einspruch geht nicht hervor, dass der Einspruch von der Klägerin oder für sie eingelegt wurde. Trotz des gemeinsamen Absenders auf dem Briefpapier (vgl. oben A II 3 i. V. m. 7) sprechen die Umstände erkennbar für eine Einspruchseinlegung allein durch den Ehemann der Klägerin. Das Schreiben ist lediglich vom Ehemann unterschrieben, ist in der Ich-Form geschrieben und nimmt eine eindeutige Unterscheidung zwischen dem Verfasser des Schreibens (dem Ehemann) und seiner Frau (der jetzigen Klägerin) vor (oben A II 3).

51

b) Entsprechendes gilt für das ohnehin erst nach Fristablauf eingegangene Schreiben vom 17. Oktober 2014 (oben A II 5).

52

c) Auch sonst wurde dem FA nicht innerhalb der Einspruchsfrist mitgeteilt, dass die Klägerin Einspruchsführerin sein solle. Das Schreiben vom 15. Mai 2015 ist demgegenüber nach Fristablauf als Einspruch verspätet (oben A II 7).

II.

53

Zu einer Sachprüfung im Klageverfahren kommt es auch nicht dadurch, dass das FA sich materiell mit dem Begehren befasst und eine Einspruchsentscheidung gemäß § 367 AO gegenüber der Klägerin erlassen und deren angeblichen Einspruch als unbegründet zurückgewiesen hat (oben A II 8).

54

Im Finanzprozess kommt es nicht darauf an, ob in der angefochtenen Einspruchsentscheidung unnötig nochmals in eine Sachprüfung eingetreten wurde; anders als u. U. Im Verwaltungsprozess gemäß VwGO oder nach § 51 VwVfG (FG Hamburg, Urteil vom 18.02.2014 3 K 257/13, EFG 2014, 1563, Juris Rz. 88; BFH, Beschluss vom 27.04.2011 III B 207/10, BFH/NV 2011, 1184, Juris Rz. 8; Urteil vom 24.07.1984 VII R 122/80, BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791).

III.

55

Die Klage ist im Übrigen auch materiell unbegründet. Zu Recht hat das FA gegen die Klägerin Kirchensteuer in Form des besonderen Kirchgelds in glaubensverschiedener Ehe festgesetzt.

56

1. Die kirchensteuerberechtigte evangelisch-lutherische Kirche (§ 1 HmbKiStG) kann nach ihren kirchlichen und staatlich genehmigten Steuervorschriften (§ 4 HmbKiStG) von den ihr angehörenden Personen (§ 2 HmbKiStG) Kirchensteuern erheben, und zwar als Kirchensteuer vom Einkommen (§ 3 Abs. 1 Bstb. a, Abs. 2 ff., §§ 5 ff. HmbKiStG) und als Kirchgeld in festen oder gestaffelten Beträgen (§ 3 Abs. 1 Bstb. b HmbKiStG). Die Kirchensteuer vom Einkommen wird auf das Kirchgeld angerechnet (§ 3 Abs. 8 HmbKiStG).

57

2. Die hiernach für die Klägerin im Streitjahr anwendbaren kirchlichen Vorschriften sind die Kirchensteuerordnung (KiStO) und nach § 13 KiStO der Kirchensteuerbeschluss (KiStB) des Verbandes der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche jeweils vom 8. Oktober 1978 in der Fassung vom 22. November 2008.

58

In Übereinstimmung mit §§ 2, 3 HmbKiStG sind die Kirchensteuerpflicht in §§ 3, 4 KiStO und die Arten der Kirchensteuer in § 5 Abs. 1 KiStO sowie die Anrechnung der Kirchensteuer vom Einkommen auf das besondere Kirchgeld in § 11 Abs. 3 KiStO geregelt.

59

3. In glaubensverschiedener Ehe kann die Kirchensteuer in der Form des besonderen Kirchgeldes gemäß § 3 Abs. 1 Bstb. b (n. F. c) HmbKiStG, § 5 Abs. 1 Nr. 1 Bstb. c, § 9 KiStO erhoben werden.

60

a) Eine Ehe wird als "glaubensverschieden" bezeichnet, wenn nur ein Ehegatte einer steuerberechtigten (n. F. steuererhebenden) Körperschaft angehört, § 5 Abs. 1 HmbKiStG, § 9 Abs. 1 KiStO, im Unterschied zu der "konfessionsverschiedenen" Ehe, bei der die Ehegatten verschiedenen steuerberechtigten (n. F. steuererhebenden) Körperschaften angehören, § 5a HmbKiStG, § 14 KiStO.

61

b) Das besondere Kirchgeld wird von Kirchenangehörigen erhoben, deren Ehegatte keiner steuerberechtigten Religionsgemeinschaft angehört (§ 9 Abs. 1 KiStO, § 5 Abs. 1 KiStB).

62

c) Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 KiStO wird das besondere Kirchgeld nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Anknüpfung an den Lebensführungsaufwand bemessen. Grundlage dafür ist nach § 9 Abs. 2 Satz 2 KiStO das zu versteuernde Einkommen beider Ehegatten nach den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes. Die Höhe des aufgrund § 9 Abs. 3 KiStO nach gestaffelten Sätzen erhobenen Kirchgelds ergibt sich aus § 5 KiStB; und zwar gemäß § 5 Abs. 2 KiStB nach Tabellenstufen des gemeinsam zu versteuernden Einkommens.

63

4. Im Streitfall handelt es sich um eine glaubensverschiedene Ehe; im Unterschied zur Klägerin gehört ihr Ehemann keiner aufgrund Gesetzes oder Rechtsverordnung in Hamburg steuerberechtigten Religionsgemeinschaft an.

64

a) Im Sinne des § 5 HmbKiStG in der Fassung des Streitjahrs "steuerberechtigt" (oben 3 a) sind zunächst die in § 1 Abs. 1 HmbKiStG genannten Kirchen (evangelisch-lutherische und römisch-katholische).

65

b) Darüber hinaus ist der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg gemäß § 1 Abs. 2 HmbKiStG ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Anwendung dieses Gesetzes oder von Teilen desselben auf Antrag auf andere Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, zu erstrecken.

66

Erst durch diese Verleihung des Rechts zur Kirchensteuer-Erhebung wird eine Religionsgemeinschaft hier "(kirchen-)steuerberechtigt" (FG Hamburg, Urteil vom 07.02.1996 II 44/93, EFG 1996, 492, KirchE 34, 35, FamRZ 1997, 1155, MDR 1996, 852, nachgehend BFH, Beschluss vom 16.12.1996 I B 43/96, BFH/NV 1997, 529, KirchE 34, 475; FG Hamburg, Urteil vom 08.03.1991 IV 160/88 H, EFG 1992, 30, KirchE 29, 55).

67

c) In dieser Verordnung über die Erstreckung des Rechts zur Erhebung von Kirchensteuern auf Religionsgesellschaften (HmbKiStErstreckungsVO) ist die Kirchensteuerberechtigung der Freireligiösen Gemeinde Wiesbaden bisher ebenso wenig verliehen wie der Freireligiösen Landesgemeinschaft bzw. Humanistischen Gemeinschaft Hessen (oben A I 3). Von dort liegt auch kein Antrag im Sinne des § 1 Abs. 2 HmbKiStG vor.

68

d) Im Übrigen fehlt es jeweils bereits an der vorauszusetzenden hiesigen Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß Verordnung über die Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen des öffentlichen Rechts in Hamburg (HmbRelGesVO).

69

5. Danach kommt es für die Rechtmäßigkeit des festgesetzten Kirchgelds nicht mehr darauf an, dass nach §§ 5 und 5a HmbKiStG in der Fassung ab 2014 die glaubensverschiedene von der konfessionsverschiedenen Ehe danach abgegrenzt wird, dass nur ein Ehegatte einer "steuererhebenden" Körperschaft angehört und es sich dabei nur um eine Klarstellung des vorherigen Kriteriums der "steuerberechtigten Körperschaft handelt (vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucks. 20/12057, 5), weil bereits zuvor die "Steuerberechtigung" auf landesrechtlicher Ebene in Hamburg im erhebungsbezogenem Sinne verstanden werden musste (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 07.02.1996 II 44/93, EFG 1996, 492, KirchE 34, 35, Juris Rn. 50, 52 m. w. N., nachgehend BFH, Beschluss vom 16.12.1996 I B 43/96, BFH/NV 1997, 529, KirchE 34, 475, Juris).

70

6. Im Übrigen verstoßen die vorgenannten Regelungen, insbesondere dass Religionsgemeinschaften nur auf Antrag in Hamburg steuerberechtigt werden können (oben 4 b), nicht gegen Art. 3 oder Art. 4 GG.

71

a) Dabei sind Kirchensteuer und Kirchgeld von Mitgliedsbeiträgen zu unterscheiden, die ohne staatliche Mitwirkung eingefordert werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.08.2002 2 BvR 443/01, HFR 2002, 1129, KirchE 41, 62, Juris Rz. 65 m. w. N.).

72

b) Über die landesrechtliche Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hinaus führt die Anerkennung einer Religionsgesellschaft in einem Bundesland als steuerberechtigt nicht ohne Antrag und ohne Anerkennung in einem anderen Bundesland zu einer entsprechenden dortigen Berechtigung.

73

aa) Nach Staatspraxis, Rechtsprechung und Literatur muss einer Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts werden will, dieser Status in jedem Land in einem gesonderten Verfahren verliehen werden. Auch nach der erstmaligen Verleihung des Körperschaftsstatus in einem Land kommt der Zweitverleihung konstitutive Wirkung zu; insoweit werden nicht bloß bestehende Rechte der Religionsgemeinschaft für das Staatsgebiet des zweitverleihenden Landes bestätigt (BVerfG, Beschluss vom 30.06.2015 2 BvR 1282/11, NVwZ 2015, 1434, EuGRZ 2015, 503, Juris Rz. 111 m. w. N.).

74

bb) Zwar entfaltet die Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts als überregionaler Akt nach allgemeiner Meinung Rechtswirkung über das Gebiet des verleihenden Landes hinaus, weil und soweit die im Körperschaftsstatus enthaltene Rechtsfähigkeit mit bundesweiter Verbindlichkeit begründet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.11.2012 6 C 8/12, NVwZ 2013, 943, 944, Juris Rz. 19). Die Religionsgemeinschaft hört mit Erlangung des Körperschaftsstatus auf, als juristische Person des Privatrechts zu existieren; sie tauscht das privatrechtliche vollständig gegen das öffentlich-rechtliche Gewand ein (vgl. Zacharias, NVwZ 2007, 1257, 1258). Soweit einfaches Bundesrecht - wie beispielsweise § 1 Abs. 6 Nr. 6 BauGB - Rechtsfolgen an den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts knüpft, können diese nach der erstmaligen Verleihung des Körperschaftsstatus - verfassungsrechtlich unbedenklich - ebenfalls bundesweite Wirkung entfalten (vgl. Ehlers in Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 140, Art. 137 WRV Rn. 29).

75

cc) Jedoch führt die Verleihung des Körperschaftsstatus gemäß Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV in einem Land nicht dazu, dass die Körperschaft hoheitliche Befugnisse und kraft einfachen Landesrechts zuerkannte Privilegien über die Grenzen des verleihenden Landes hinaus ausüben dürfte. Jedenfalls das Besteuerungsrecht aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 6 WRV, die Dienstherrenfähigkeit und die Widmungsbefugnis sind in diesem Sinne als hoheitliche Befugnisse einzuordnen (BVerfG, Beschluss vom 30.06.2015 2 BvR 1282/11, NVwZ 2015, 1434, EuGRZ 2015, 503, Juris Rz. 113; vgl. Urteil vom 19.12.2000 2 BvR 1500/97, BVerfGE 102, 370, 388, KirchE 38, 502, Juris).

76

dd) Dass die Rechtswirkungen der Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ihre Grenzen in der Hoheitsgewalt und Eigenstaatlichkeit der Länder finden, entspricht dem bundesstaatlichen Kompetenzgefüge. Weder die das gesamte Bundesgebiet in Blick nehmende Prüfung der Verleihens-Voraussetzungen noch die als Ausfluss der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten anzusehende Beteiligung der übrigen Länder im Erstverleihungsverfahren lassen die Erforderlichkeit einer konstitutiven Zweitverleihung entfallen (BVerfG, Beschluss vom 30.06.2015 2 BvR 1282/11, NVwZ 2015, 1434, EuGRZ 2015, 503, Juris Rz. 114).

77

7. Auch die Vorschriften über die Erhebung des besonderen Kirchgelds in glaubensverschiedener Ehe selbst verstoßen nicht gegen die Verfassung, insbesondere nicht gegen Art. 3, Art. 4 oder Art. 6 GG.

78

a) Nach ständiger Rechtsprechung wird die Verfassungsmäßigkeit des besonderen, gestaffelten Kirchgelds für zusammenveranlagte Kirchenangehörige in glaubensverschiedener Ehe ausdrücklich bejaht (BFH, Beschlüsse vom 12.10.2011 I B 64/11, BFH/NV 2012, 452; vom 29.01.2010 I B 98/09, BFH/NV 2010, 1123, KirchE 55, 40; vom 20.12.2006 I B 43/06, Juris; vom 21.12.2005 I R 44/05, Juris; vom 20.12.2005 I B 197/04, BFH/NV 2006, 822; ferner BVerfG, Beschluss vom 19.08.2002 2 BvR 443/01, NVwZ 2002, 1496, HFR 2002, 1129; jeweils m. w. N.).

79

b) Insbesondere kann im Rahmen des Kirchgelds an den Lebensführungsaufwand angeknüpft werden (BFH, Beschluss vom 08.10.2013 I B 109/12, BFH/NV 2014, 182, Juris Rz. 8; BVerfG, Urteil vom 14.12.1965 1 BvR 606/60, BVerfGE 19, 268, BStBl I 1966, 196, 200 a. E.; jeweils m. w. N.).

80

Dafür kann nach ständiger Rechtsprechung auf das - im Rahmen der gewählten Zusammenveranlagung - gemeinsam zu versteuernde Einkommen als Indikator oder Hilfsmaßstab zurückgegriffen werden (BVerfG, Beschluss vom 28.10.2010 2 BvR 591/06 u. a., NJW 2011, 365, HFR 2011, 98, KirchE 56, 346; BFH, Urteile vom 25.01.2006 I R 62/05, Juris; vom 21.12.2005 I R 64/05, Juris; vom 19.10.2005 I R 76/04, BFHE 211, 90, BStBl II 2006, 274, Juris Rz. 30; I R 91/04, Juris; Beschlüsse vom 19.10.2005 I R 57/05, BFH/NV 2006, 821; vom 22.01.2002 I B 18/01, BFH/NV 2002, 674, KirchE 40, 39; vom 27.04.2000 I B 92/99, KirchE 38, 184; jeweils m. w. N.).

81

c) Entsprechendes gilt für das in Hamburg geltende Kirchensteuerrecht (FG Hamburg, Urteil vom 07.02.1996 II 44/93, EFG 1996, 492, KirchE 34, 35, FamRZ 1997, 1155, MDR 1996, 852, nachgehend BFH, Beschluss vom 16.12.1996 I B 43/96, BFH/NV 1997, 529, KirchE 34, 475; FG Hamburg, Urteil vom 15.12.1995 II 116/94, EFG 1996, 496, KirchE 33, 578, nachgehend BFH, Beschluss vom 27.09.1996 I B 23/96, BFH/NV 1997, 299; FG Hamburg, Urteil vom 15.12.1995 II 15/93, EFG 1996, 498, KirchE 33, 569; jeweils m. w. N.).

82

8. Verfassungskonform ist auch die nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 Bstb. a, § 31 AO i. V. m. § 8 Abs. 2 Satz 1, § 13 HmbKiStG gebotene Weitergabe von Informationen durch Behörden oder Finanzämter an kirchensteuerberechtigte Religionsgemeinschaften. Die Regelungen zum kirchensteuerbezogenen Informationsaustausch verstoßen insbesondere nicht gegen das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung aus Art. 2 GG (vgl. Urteile BVerfG vom 27.06.1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, Juris Rz. 140; BFH vom 18.01.2012 II R 49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168; BFH, Beschluss vom 20.12.2011 II S 28/10 {PKH}, BFH/NV 2012, 381; FG München, Urteil vom 01.08.2013 5 K 758/13, Juris Rz. 14).

83

Entsprechendes gilt bei der Kirchgeld-Erhebung (vgl. Urteile EGMR vom 17.02.2011 12884/03, NVwZ 2011, 1503, KirchE 57, 118; FG Köln, vom 11.05.2005 11 K 385/03, Juris; FG Rheinland-Pfalz vom 11.03.1999 2 K 2339/98, KirchE 37, 56, Juris Rz. 5; FG München, vom 31.05.1988 XIII 277/87 EA, EFG 1988, 580, KirchE 26, 156, nachgehend BFH, Beschluss vom 27.09.1988 VII B 123/88, BFH/NV 1989, 313; ferner FG München, Urteil vom 31.10.2007 9 K 174/07, KirchE 50, 295, nachgehend BFH, Beschluss vom 15.07.2008 I B 217/07, Juris; FG Düsseldorf, Beschluss vom 08.11.2006 1 K 4358/06 Ki, EFG 2007, 656, Juris Rz. 3).

84

9. Die Höhe des gestaffelten Kirchgelds in glaubensverschiedener Ehe beträgt gemäß der Kirchgeldtabelle nach § 5 Abs. 2 KiStB in der Stufe 8 bei dem gemäß § 9 Abs. 2 KiStO bestimmten gemeinsam zu versteuernden Einkommen von 125.000 bis 149.999 Euro jährlich 1.200 Euro (vgl. oben III 1 bis 3, A II 1, 2).

85

Der Jahresbetrag ist gemäß § 5 Abs. 3 KiStB nur zeitanteilig für die Monate zugrunde gelegt worden, in denen die glaubensverschiedene Ehe bestand; hier in 2012 für 6 Monate zusammen 600 Euro (oben II 2, A I 2 - 3; vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 23.07.2004 1 K 5497/03 Ki, Juris).

86

Die nach § 15 Abs. 5 Satz 3 KiStO gegenüber dem höheren Kirchgeld zurücktretende niedrigere Kirchensteuer vom Einkommen der Klägerin wird im bereits geleisteten Umfang gemäß § 3 Abs. 8 HmbKiStG, § 11 Abs. 3 KiStO auf das festgesetzte Kirchgeld angerechnet (oben III 1, 2, A II 1).

IV.

87

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

88

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

89

Gemäß § 6 FGO entscheidet der Einzelrichter (oben A IV 1.).

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(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben

1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post,
2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.

(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.

(7) Betreffen Verwaltungsakte

1.
Ehegatten oder Lebenspartner oder
2.
Ehegatten mit ihren Kindern, Lebenspartner mit ihren Kindern oder Alleinstehende mit ihren Kindern,
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

(1) Es besteht keine Staatskirche.

(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.

(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.

(4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.

(5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.

(6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.

(7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.

(8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

(1) Es besteht keine Staatskirche.

(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.

(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.

(4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.

(5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.

(6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.

(7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.

(8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

(2) Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.

Tatbestand

1

A. Der Kläger begehrt erneut den Billigkeitserlass der Grundsteuer (GrSt) auf sein selbstgenutztes Hausgrundstück aus persönlichen bzw. wirtschaftlichen Billigkeitsgründen, nachdem ein vorheriger Antrag bereits bestandskräftig abgelehnt wurde.

2

I. Sachstand bis Antragstellung für den Streitzeitraum

3

1. Der in 19... geborene Kläger erwarb 19... das Hausgrundstück in A mit 1.590 qm für 510.000 DM (EW-A Bl. 1). Er bebaute es 19.../19... mit einem freistehenden eingeschossigen Einfamilienhaus mit über 200 qm Gebäudefläche, rund 180 qm Wohnfläche sowie einer Doppelgarage im Keller (Einheitswert- und Grundsteuer-Akte {EW-A} Bl. 3, 6, 11 ff.; Einheitswert-Feststellungserklärung, EW-A Bl. 14 ff.; Einheitswertbescheid vom 12.11.1998 auf den 01.01.1999, EW-A Bl. 21; Google Street View EW-A Bl. ...; Geo-Online X).

4

Für das Grundstück waren bereits im Jahr 2002 zeitweilig Zwangsversteigerungs-Anordnungen des Amtsgerichts eingetragen (vgl. weiter aktuell unten III 1 a; Grundbuch-Auszug Finanzgerichts-Akte {FG-A} Bl. ..., ...). Zwangsversteigerungs-Akten liegen dem Finanzgericht (FG) nicht vor.

5

2. Im Februar 2001 beantragte der Kläger wegen angespannter finanzieller Situation für die GrSt, Hundesteuer und andere Abgaben Stundung, die ihm für die GrSt des I. Quartals gewährt wurde (EW-A Bl. 26 ff.).

6

3. Nach einem ... beim Gericht B geführten Prozess beantragte der Kläger im März 2003 den dortigen Erlass von Gerichtskosten; dazu erklärte er sich im Februar 2004 für überschuldet und bezog er sich auf Angaben des für seinen Wohnsitz zuständigen Obergerichtsvollziehers. Daraufhin wurden ihm die Gerichtskosten am 18. März 2004 erlassen (EW-A Bl. 41).

7

4. Auf Säumniszuschläge für GrSt-Quartalsbeträge 2002 - 2004 beim beklagten FA wurden am ... 2004 Eigenheimzulage-Teilbeträge umgebucht. Gegen die Umbuchung wandte sich der Kläger mittels Einspruch, den er nicht begründete (EW-A Bl. 32 ff.).

8

Unter dem 24. März 2004 wies das beklagte FA auf die Aufrechnungsbefugnis nach § 240 AO hin, behandelte es den Einspruch als Antrag auf Billigkeitserlass der Säumniszuschläge und lehnte es diesen unter Hinweis auf § 240 AO ab (EW-A Bl. 38 ff.).

9

5. Am 29. März 2004 beantragte der Kläger unter Beifügung des Bescheids über den Gerichtskostenerlass in B nochmals beim FA Erlass und sofortige Auszahlung der verrechneten Säumniszuschläge. Die Familie mit zwei Kindern im Haushalt und einem weiteren minderjährigem unterhaltsberechtigten Kind sei auf die Zahlung dringend angewiesen, und zwar wegen der Zinsen und Abträge auf das Eigenheim und für neue Bekleidung der Kinder (EW-A Bl. 40 f.).

10

Im April 2004 wurden in Abstimmung mit dem Wohnsitz-FA Säumniszuschläge bis einschließlich 1. Quartal 2004 antragsgemäß erlassen und im Umfang der vorherigen Verrechnung erstattet (EW-A Bl. 42 ff.).

11

6. Am ... 2005 gab der Kläger bei dem für ihn zuständigen Obergerichtsvollzieher die eidesstattliche (Offenbarungs-)Versicherung gemäß § 807 ZPO ab (EW-A Bl. 52).

12

7. Im Dezember 2005 erhielt das FA durch die Bauprüfabteilung des Ortsamts Kenntnis von einer dem Kläger erteilten Baugenehmigung für eine zweite Wohneinheit im vorhandenen Einfamilienhaus (EW-A Bl. 48).

13

8. Im April 2006 teilte der Kläger dem FA auf Anfrage mit, dass der Abschluss der Baumaßnahme noch nicht absehbar sei (EW-A Bl. 46).

14

9. Für Dezember 2006 wurden der in 19... geborenen (damaligen) Ehefrau des Klägers 400 Euro rentenversicherungs-beitragspflichtige Einnahmen bescheinigt (EW-A Bl. 53).

15

10. Für die im Februar 2007 fällig gewordene GrSt mahnte das FA den Kläger am 24. April 2007 (EW-A Bl. 50).

16

11. Für Mai 2007 wurden dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II in Höhe von 1.845 Euro für ihn, seine (damalige) Ehefrau und die in 199... und 199... geborenen Kinder bewilligt; dabei wurden monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.048 Euro berücksichtigt (EW-A Bl. 54 ff.).

17

12. Am 8. Mai 2007 beantragte der Kläger den Billigkeitserlass von Hundesteuer und GrSt unter Hinweis auf den SGB-II-Bescheid. Die Unterbringung koste 1.558 Euro mit Bankzinsen, Heizung, Strom, Wasser, Müll, Straßenverrentungsgebühren. Hinzu komme der Bedarf für Lebensmittel der Familie sowie Lehrmittel und Kleidung der Kinder. Die Schuldnerberatung besuche er am 16. Mai 2007. Seine Frau schreibe jetzt ihr Abitur ...(EW-A Bl. 49).

18

Daraufhin erließ das FA dem Kläger zunächst die Hundesteuer 2006 (EW-A Bl. 51).

19

Wegen des GrSt-Erlasses erbat das FA Angaben gemäß Vordruck. Darin erklärten der Kläger und seine (damalige) Ehefrau Einnahmen allein aus der Sozialleistung und aus Kindergeld. Gegen ihn bestehe ein Unterhaltstitel in einer auf ca. 14.000 Euro aufgelaufenen Höhe. Nicht sie (Kläger und Frau), ... Verwandte der im Haushalt lebenden Kinder führten die Vorsorge-Sparverträge mit Guthaben im unteren vierstelligen Bereich fort (FG-A Bl. 58 ff.).

20

Daraufhin stundete das FA die GrSt 2007 widerruflich bis zur abschließenden Entscheidung über den Erlassantrag nach Jahresablauf (EW-A Bl. 65 f., 68). Zugleich fragte das FA bei der ... Arbeitsgemeinschaft SGB II (ARGE) an, ob die GrSt durch die Leistungen für die Unterkunft abgedeckt sei. Dies wurde von dort bejaht (EW-A Bl. 68 f.). Am 11. Juni 2007 teilte das FA die Antwort dem Kläger mit, widerrief es die Stundung für dass 3. und 4. Quartal und bat es um Rücknahme des Erlassantrags (EW-A Bl. 70 ff.). Am 3. Juli 2007 nahm der Kläger den Antrag auf Erlass der GrSt 2007 zurück (EW-A Bl. 73 ff.).

21

13. Im März 2009 beantragte der Kläger den Erlass in Höhe von 423 Euro aufgelaufener säumiger GrSt-Beträge nebst Säumniszuschlägen. Die wirtschaftliche Situation sei derartig angespannt, dass nicht einmal die Klassenfahrten der schulpflichtigen Kinder bezahlt werden könnten. Der Kläger reichte eine als Gewinn- und Verlust-Rechnung ("GuV") bezeichnete Überschussrechnung aus Versicherungsmakler-Tätigkeit im 1. Quartal 2009 ein; und zwar mit einem (nach Einnahmen 5.131 Euro und Ausgaben 3.163 Euro) verbleibenden Überschuss von 1.968 Euro im Quartal bzw. durchschnittlich 656 Euro pro Monat (EW-A Bl. 76 ff.).

22

Das FA lehnte den Erlass für 2008 wegen der in den Leistungen nach SGB II enthaltenen Kosten für Unterkunft einschließlich GrSt am 5. Mai 2009 ab und stundete zugleich die GrSt 2009 mit Raten bis zur Entscheidung über den Erlassantrag nach Jahresablauf (EW-A Bl. 80 ff.).

23

14. Für den Erlassantrag 2009 reichte der Kläger im Januar 2009 Bescheide nach SGB II aus dem 1. Halbjahr 2009 für sich und das neben ihm - nur noch - in seinem Haushalt lebende 199... geborene Kind 2 ein; zuletzt über monatlich 750,95 Euro, und zwar vorläufig im Hinblick auf die Angaben zu den voraussichtlichen Einnahmen aus "selbständiger Tätigkeit" (EW-A Bl. 88 ff.).

24

Im Vordruck des FA für 2009 zählte er in der Haushaltsgemeinschaft neben sich ebenfalls nur noch sein Kind 2 auf und bezifferte er für 2009 Einnahmen 4.908 Euro, empfangene Sozialleistungen ca. 7.000 Euro und Kindergeld für das Kind 2 1.848 Euro. Der Erwerb des Hausgrundstücks 19... sei mit 280.000 Euro und Eigenmitteln finanziert worden. Neben der "GuV" für das 1. Quartal reichte der Kläger als "Betriebsabrechnungen" Überschussrechnungen ein mit Überschüssen für das 2. Quartal über 830 Euro bzw. im Monatsdurchschnitt 226 Euro, für das 3. Quartal über 314 Euro und für das 4. Quartal über 3.107 Euro bzw. im Monatsdurchschnitt 1.035 Euro (EW-A Bl. 92 ff.).

25

Das FA lehnte am 29. Januar 2010 den GrSt-Erlass 2009 ab, und zwar für das 1. Halbjahr 2009 wegen der dafür gewährten Sozial- nebst Unterkunfts- einschließlich GrSt-Leistungen und für das 2. Halbjahr 2009 wegen des insoweit über dem "Hartz IV-Satz" liegenden Einkommens (EW-A Bl. 99 ff.).

26

Das beklagte FA erhielt inzwischen telefonisch am 26. Februar 2013 vom Wohnsitz-FA des Klägers die Auskunft über einen dort von ihm für 2009 erklärten Gewinn in Höhe von 17.000 Euro (EW-A Bl. 118).

27

II. Ursprüngliche Anträge für den Streitzeitraum 2012-2013

28

1. Am 8. Februar 2013 beantragte der Kläger beim FA GrSt-Erlass wegen niedriger Einkünfte von in den letzten 12 Monaten nicht über ca. 1.000 Euro.

29

Dazu bezog er sich auf eine ... 2013 durch seinen Prozessbevollmächtigten gegen das Jobcenter gefertigte Untätigkeitsklage zum Sozialgericht (SG), deren Einreichung hier nicht belegt ist (EW-A Bl. 105). Während der angekündigte SG-Klageantrag sich auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts "ab dem 01.05.2010" richtet, bezieht die SG-Klagebegründung sich auf einen "für die Zeit ab dem 01.05.2012" gestellten Leistungsantrag, auf dessen Ablehnung vom 24. Juli 2012 und den dagegen unter dem 30. Juli 2012 eingelegten Widerspruch. Er, der Kläger, habe als ... seit über einem Jahr aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können, inzwischen alle Reserven verbraucht und bislang erfolglos versucht, seine Immobilie zu verkaufen (EW-A Bl. 107 ff.).

30

Dem GrSt-Erlassantrag fügte der Kläger außerdem eine Bestätigung eines Steuerberaters vom 28. Januar 2013 bei, dass letzterer nach langjähriger Bekanntschaft ihm, dem Kläger, wegen dessen Krankheit und Mittellosigkeit im Juni und Oktober 2012 sowie Januar 2013 jeweils 5.000, insgesamt 15.000 Euro, geliehen habe (EW-A Bl. 105 f., vgl. Bl. 139).

31

2. Das FA sah den Antrag als auf persönlichen Billigkeitserlass für 2012 und Stundung für 2013 gemäß § 227 AO gerichtet an und erbat unter dem 15. und 26. Februar 2013 konkrete weitere Angaben (EW-A Bl. 114 ff., 121).

32

Das FA vermerkte am 15. Februar 2013 telefonische Auskünfte der ARGE- bzw. Jobcenter-Rechtsbehelfsstelle, dass nach Sozialleistungsbezug des Klägers bis einschließlich Mai 2009 weitere Anträge und sein letzter Eilantrag mangels ausreichender Unterlagen abgelehnt worden seien. Das Haus sei für 2 Personen zu groß und der Kläger verlange Phantasiepreise für einen Verkauf (EW-A Bl. 105, 113).

33

3. In einem Fragebogen des FA gab der Kläger am 25. Februar 2013 an, ohne Einnahmen in Haushaltsgemeinschaft mit seinem 199... geborenen studierenden Kind 1 und dem 199... geborenen schulpflichtigen Kind 2 zu leben (EW-A Bl. 117, vgl. Bl. 123, 128).

34

4. Nachdem das beklagte FA Melde- und Fahrzeugdaten sowie beim Wohnsitz-FA das Fehlen von Steuererklärungen seit 2010 ermittelt hatte (EW-A Bl. 118), räumte der Kläger mit Fax vom 4. März 2013 ein, in 2012 ohne Kinder in seinem Haushalt gelebt zu haben. Er sei seit Mitte 2012 aufgrund eines ... und weiter seit Oktober 2012 ... krank. Im April 2012 habe er sein zweites Auto (Auto-1, Bj. 1996) verkauft und den Erlös für die Haushaltsführung verbraucht. (EW-A Bl. 122).

35

Laut beigefügter Einnahme-Überschussrechnung hätten in 2012 seine gewerblichen Einkünfte 10.173,67 Euro minus Ausgaben 2.060,36 Euro betragen (das heißt 8.113,31 Euro im Jahr). Seiner inzwischen von ihm geschiedenen Frau habe er 334 Euro p. M. für das Kind 2 überwiesen, zuzüglich einer Klassenreise-Sonderzahlung von 300 Euro. Sein studierendes Kind 1 [in C, FG-A Bl. 29, 81] habe nur ausnahmsweise Zahlungen von ihm erhalten, insbesondere für eine Studiums-... 916,99 Euro (EW-A Bl. 124 f.).

36

Seit März 2013 erhalte er wieder Kindergeld in Höhe von 184 Euro monatlich. Er erziele als ... aus Selbständigkeit ca. 1.000 Euro p. M. und lebe im Übrigen - wie bescheinigt - von Freundesdarlehen. Neben GrSt und Kfz.-Steuer habe er monatliche Kosten für Krankenversicherung 152,27 Euro, Gebäudeversicherung 57,38 Euro, Haftpflicht 16,86 Euro, Telefon und Benzin 480 Euro, Heizung 98 Euro, Strom 150 Euro (EW-A Bl. 127). Bankdarlehen seien mit monatlich ca. 1.300 Euro zu bedienen, darunter bei der "Bank-1 ..." [gemeint Bank-2 ..., unten III 1 a] monatlich 800 Euro (EW-A Bl. 126).

37

Gegenüber dem Vermögen, bestehend aus dem Hausgrundstück im Wert von ca. 700.000 Euro, dem Auto (Auto-2, Bj. 1999) und dem Bank-3-Konto im Wert von je ca. 1.000 Euro seien Verbindlichkeiten abzutragen gegenüber Kreditinstituten und Versicherungen rd. 180.000 Euro (darunter "Bank-1 ...", vgl. oben, 168.184 Euro), gegenüber Privatgläubigern rd. 37.000 Euro sowie gegenüber Bundes- und Justizkasse rd. 5.000 Euro (EW-A Bl. 126).

38

5. Mit Bescheid vom 21. März 2013 lehnte das FA den persönlichen Billigkeitserlass der GrSt gemäß § 227 AO für 2012 und die Stundung für 2013 ab. Die Höhe der Einnahmen aus Gewerbebetrieb 8.113,31 Euro, aus Kredit 15.000 Euro und aus Fahrzeugverkauf in unbekannter Höhe liege über einem Bezug nach "Hartz IV". Zusätzlich sei das Hausgrundstück im Wert von 700.000 Euro mit einer Restbelastung von ca. 170.000 Euro durch Kreditaufnahme oder Veräußerung verwertbar (EW-A Bl. 135).

39

III. Erstmaliges außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren 2012-2013

40

1. a) Der Kläger legte am 26. März 2013 Einspruch ("Widerspruch") ein (EW-A Bl. 136 ff.).

41

Als Anlage übersandte er eine Kopie eines Amtsgerichtsbeschlusses vom 4. Dezember 2012 802 K 58/12 über die Anordnung der Zwangsversteigerung seines Hausgrundstücks auf Antrag der Bank-2 ... (EW-A Bl. 137). Der Zwangsversteigerungsvermerk wurde am ... 2012 im Grundbuch eingetragen (GB-Auszug FG-A Bl. ..., ...).

42

Der Kläger ergänzte mit seinem Rechtsbehelf vom 26. März 2013 weiter seine bisherigen Angaben und Unterlagen betreffend Beitragsmahnung der Kfz.-Versicherung - unter Hinweis auf die Gefährdung des Versicherungsschutzes - (EW-A Bl. 138), Zahnarztmahnung (EW-A Bl. 140), Versicherungs-Abrechnungsmahnung (EW-A Bl. 142), Justizkasse-Aufrechnung (EW-A Bl. 143), Kreditkarte- und Girokonten- Negativsalden (EW-A Bl. 144 ff.), BAföG-Darlehensraten nebst Rückstandszinsen beim Bundesverwaltungsamt (EW-A Bl. 149), Bestätigung eines Schuldenstands von rd. 22.000 Euro durch weiteren Privatgläubiger vom Dezember 2004 (EW-A Bl. 141).

43

b) Nach telefonischen Angaben des Klägers vom 11. April 2013 notierte das FA (EW-A Bl. 150 f.):

44

"Zusammenfassung

1)    

1-Pers.-Haushalt, Wohnfläche ... m2 (nur EG)

        
        

Neubau 1998 bezugsfertig,

        
        

Baukosten ca.

350.000 DM

        

Baugrund

510.000 DM

        

=       

860.000 DM

        

Wert laut Aufstellung heute

700.000 €

        

./. Belastung Bank-1 ca.

170.000 €

        

= "Mehr"-Wert ca.

530.000 €.

        

Bank-1 betreibt ZV seit 04.12.12!

        

2)    

Privatschulden

        
        

seit 2004 D

22.000

        

in 2012 zahlte E*

15.000

        

sonstige

  9.000

        

Versicherung etc.

10.000

Es wird bei Versteigerung des Hauses immer noch ca. 480.000 an "Gewinn" verbleiben.

3)    

Einnahmen

        
        

lt. Übersicht

8.000 Gewerbe

        

Verkauf Kfz

? €     

        

*Kredit

15.000"

45

c) Das FA wies den Kläger bei Abgabe des Einspruchs an die Rechtsbehelfsstelle unter dem 15. April 2013 darauf hin, dass bei der bereits von anderer Seite betriebenen Grundstücks-Zwangsversteigerung eine Existenzgefährdung nicht durch das FA verursacht worden sei oder beseitigt werden könne und dass auch die vorher bekanntgewordene wirtschaftliche Lage nicht für einen Erlass spreche (EW-A Bl. 153).

46

2. Während des Verfahrens über den Einspruch vom 26. März 2013 gegen die Ablehnung von GrSt-Billigkeitserlass 2012 und -Stundung 2013 pfändete das FA u. a. nach Mahnung und Vollstreckungsankündigung vom 4. April 2013 wegen der GrSt für das 1. Vj. 2013 am ... 2013 das Bank-3-Konto des Klägers (EW-A Bl. 154, 156 f., 170; Vollstreckungsakte liegt dem FG nicht vor).

47

3. Per Fax vom 25. April 2013 beantragte der Kläger auf der Kopie der vorbezeichneten GrSt-Mahnung und unter Hinweis auf seinen eingelegten Rechtsbehelf Aussetzung der Vollziehung. Sonst sei er absolut nicht mehr liquide (EW-A Bl. 154 ff.).

48

5. Nach Abholung einer ... im Schätzwert von 500 Euro beim Kläger räumte die Vollstreckungsstelle des FA dem Kläger die Verfügungsbefugnis über sein Konto wieder ein, ermittelte das FA gemäß Abfrage vom 6. Mai 2013 die Zulassung eines weiteren Autos (Auto-3 Bj. 1995) und plante es, dem Verfahren über die Zwangsversteigerung des Grundstücks beizutreten (EW-A Bl. 163 ff.).

49

6. Den AdV-Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 28. Mai 2013 ab (EW-A Bl. 168).

50

Eine Aussetzung der Vollziehung sei nicht möglich, da der AdV-Antrag sich auf den Einspruch gegen die Ablehnung eines Billigkeitserlasses und damit gegen einen nicht vollziehbaren Verwaltungsakt beziehe.

51

Im Übrigen habe der Einspruch gegen die Erlassablehnung keine Erfolgsaussicht. Die GrSt falle - mit den in §§ 32, 33 GrStG geregelten Ausnahmen - unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen an. Ein persönlicher Billigkeitserlass komme nicht in Betracht, weil unter den mehreren Gläubigern das FA die Existenzgefährdung nicht verschuldet habe und ein Billigkeitserlass dem Kläger keine Befriedigung seiner anderen Gläubiger ermögliche und die Existenzgefährdung nicht beseitigen könne. Hohe Restzahlungsverpflichtungen aus dem Grundstückskauf seien kein Erlassgrund. Die Verwertung des selbstgenutzten Wohngrundstücks von rund 1.600 qm mit einer Wohnfläche von rund 180 qm sei zumutbar; es handele sich nicht um Schonvermögen bzw. nicht nur um ein kleines angemessenes Hausgrundstück i. S. v. § 12 Abs. 3 SGB II. Dementsprechend fehle die Erlassbedürftigkeit.

52

Eine allenfalls zu prüfende Stundung der GrSt sei ebenfalls nicht zu gewähren. Nach den Angaben des Klägers sei nicht zu erwarten, dass ihm die Zahlung zu einem späteren Zeitpunkt leichter möglich sei.

53

7. Mit Fax vom 3. Juni 2013 legte der Kläger "Widerspruch" gegen die AdV-Ablehnung vom 28. Mai 2013 ein. Er sei erlasswürdig als Härtefall, habe ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten und befinde sich in einem schwebenden Verfahren gegen das Jobcenter. Dem Ausgang jenes Verfahrens dürfe nicht vorgegriffen werden; bis dahin beantrage er AdV (EW-A Bl. 172).

54

8. Während der außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren wegen GrSt Billigkeitserlass 2012, Stundung 2013 und AdV beantragte das FA unter dem 13. Juni 2013 wegen GrSt-Rückständen von 1.380,50 Euro und Vollstreckungskosten von 42,19 Euro beim Amtsgericht den Beitritt zur Zwangsversteigerung des Hausgrundstücks des Klägers; der Kläger erhielt eine Ausfertigung des Antrags (FG-A 3 V 212/13 Bl. 5).

55

9. a) Mit Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2013 wies das FA die Einsprüche gegen die Ablehnung von GrSt-Billigkeitserlass 2012, Stundung 2013 und AdV sämtlich zurück (EW-A Bl. 174).

56

Ein GrSt-Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen komme nach den abschließend geregelten und hier nicht vorliegenden Voraussetzungen der §§ 32 ff. GrStG nicht in Betracht.

57

Für einen Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen und die dafür vorausgesetzte Erlassbedürftigkeit reiche eine wirtschaftliche Notlage nur dann aus, wenn sie durch die Steuerfestsetzung selbst verursacht worden sei und wenn mit dem Erlass eine Normalisierung der Verhältnisse in absehbarer Zeit erreicht werden könnte. Zum einen sei damit nach den Angaben des Klägers nicht zu rechnen, sondern käme der Erlass nur anderen Gläubigern zugute. Zum anderen sei dem Kläger die Verwertung seines Grundvermögens zumutbar; es handele sich nicht um Schonvermögen i. S. d. § 12 Abs. 3 SGB II.

58

Die Voraussetzungen für eine Stundung seien ebenfalls nicht gegeben. Weder sei ein späterer Erlass zu erwarten noch sei eine Zahlung dem Kläger später leichter möglich. Zur Sicherung der rückständigen GrSt von inzwischen 1.209,00 Euro nebst Säumniszuschlägen 97,50 Euro reiche auch die dem Vollziehungsbeamten übergebene ... mit einem Schätzwert von 500 Euro nicht aus.

59

Für eine Aussetzung der Vollziehung fehle es an der Vollziehbarkeit der angegriffenen Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme.

60

Dagegen seien die Festsetzungen der Grundsteuer gemäß Bescheid vom 12. Januar 2005 und Bekanntmachungen im Amtlichen Anzeiger zuletzt vom ... 2012 nicht angefochten worden und daher bestandskräftig.

61

b) Die Einspruchsentscheidung wurde dem Kläger mit Post vom 31. Juli 2013 übersandt (EW-A Bl. 179; FG-A 3 V 212/13 Bl. 1, 6) und von ihm nicht angefochten, sondern bestandskräftig.

62

IV. Erneuter Billigkeitserlass-Antrag für den Streitzeitraum 2012-2013

63

1. Nachdem der Kläger am 13. August 2013 beim Versorgungsamt der Behörde für Arbeit, Soziales usw. einen Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung eingereicht hatte (EW-A Bl. 200; FG-A 3 V 212/13 Bl. 9) und nachdem das Amtsgericht dem Kläger unter dem 11. September 2013 mitgeteilt hatte, dass nunmehr noch das Zwangsversteigerungsverfahren vom FA wegen offener 1.326,99 Euro betrieben werde (FG-A 3 V 212/13 Bl. 5R), stellte der Kläger mit zwei Faxschreiben vom 25. September 2013 beim FA wegen GrSt-Schulden von 1.800 Euro neue Anträge (EW-A Bl. 187 f.).

64

Mit dem einen Fax vom 25. September 2013 an das FA beantragte der Kläger nochmals AdV der GrSt und dazu Rücknahme des vom FA beim Amtsgericht gestellten Antrags auf Beitritt zur Zwangsversteigerung des Grundstücks. Die Verhältnismäßigkeit sei nicht gewahrt. Allein schon eine Schätzung des Verkehrswerts würde Kosten von ca. 800 Euro verursachen. Weiterhin habe er dem FA am 24. September 2013 eine monatliche Ratenzahlung von 200 Euro telefonisch erfolglos angeboten (EW-A Bl. 187; FG-A 3 V 212/13 Bl. 4).

65

2. Mit dem anderen Fax vom 25. September 2013 beantragte der Kläger nochmals Erlass der GrSt und wiederum Rücknahme des Antrags auf Beitritt zur Zwangsversteigerung. Er bezog sich auf seinen Antrag auf Schwerbehindertenstatus. Wegen ... sei er krankgeschrieben und ohne feste Einkünfte (EW-A Bl. 188; FG-A 3 V 212/13 Bl. 4R).

66

3. Den erneuten AdV-Antrag vom 25. September 2013 lehnte das FA mit Schreiben vom 27. September 2013 ab. Das FA verwies auf die nach Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2013 nicht angefochtenen und bestandskräftig gewordenen Ablehnungen von Billigkeitserlass, Stundung und AdV. Mangels Änderung der Verhältnisse könne auch einem erneuten Antrag auf AdV oder auf Stundung und Ratenzahlung nicht stattgegeben werden (EW-A Bl. 189).

67

4. Am 2. Oktober 2013 legte der Kläger zur Niederschrift des FG Einspruch ein gegen die Ablehnung des FA vom 27. September 2013 betreffend seinen Antrag auf Ratenzahlung, den er jetzt als Antrag auf Vollstreckungsaufschub bezeichnete (FG-A 3 V 212/13 Bl. 2; EW-A Bl. 190 f.).

68

5. a) In derselben Niederschrift beantragte der Kläger am 2. Oktober 2013 beim FG eine einstweilige Anordnung gegen das FA auf Einstellung der Zwangsvollstreckung in Form des Beitritts zur Zwangsversteigerung des Grundstücks, und zwar auf Einstellung bis zur Entscheidung des FA über den gleichzeitigen Einspruch wegen Vollstreckungsaufschubs. Der Beitritt zur Zwangsversteigerung des Grundstücks verursache unbillig weitere Kosten in Höhe von ca. 800 Euro zur Ermittlung dessen Verkehrswerts (FG-A 3 V 212/13 Bl. 1; EW-A Bl. 192).

69

b) Das FG lehnte den Antrag mit Beschluss vom selben Tag ab, da die Antragsbegründung hinsichtlich der weiteren Kosten so nicht nachvollziehbar sei. Ohne Unterlagen sei davon auszugehen, dass diese Kosten bereits durch die anderweitig beantragte Zwangsversteigerung entstünden (FG-A 3 V 212/12 Bl. 11; EW-A Bl. 193).

70

6. Am 7. Oktober 2013 rief der Kläger beim FG an. Die anderweitig beantragte Zwangsversteigerung sei inzwischen aufgrund Umschuldung aufgehoben worden. Dies sei in der von ihm unterzeichneten Niederschrift des Anordnungsantrags nicht zum Ausdruck gekommen und in der gerichtlichen Entscheidung nicht berücksichtigt worden. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass gegen den Beschluss kein Rechtsmittel gegeben sei und eine Änderung des Beschlusses nur wegen veränderter Umstände beantragt werden könne, nicht aber wegen nicht vorgetragener Umstände (FG-A 3 V 212/13 Bl. 16).

71

7. Mit Bescheid vom 8. Oktober 2013 lehnte das FA den erneuten Antrag auf GrSt-Billigkeitserlass 2012-2013 unter Hinweis auf die bestandskräftige Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2013 und die danach unveränderten Verhältnisse ab (FG-Anl. K 1, FG-A Bl. 4=5=16=17; EW-A Bl. 196 f.).

72

V. Erneutes außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren 2012-2013

73

1. Dagegen wandte sich der Kläger mit Fax vom 14. Oktober 2013. Er beantrage "Befreiung" von der GrSt. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich seit seinem letzten Antrag noch verschlechtert, "so dass auf die" "vorliegenden Daten verwiesen" werde und das FA nach diesen entscheiden möge. Er beziehe sich auf seinen Antrag auf Schwerbehindertenstatus und sei fortlaufend wegen ... krankgeschrieben und aufgrund dessen ohne feste Einkünfte (EW-A Bl. 198 ff.). Beigefügt war ein Attest vom ... über Arbeitsunfähigkeit zunächst bis Ende 2013 wegen chronischer, ständig behandlungsbedürftiger Erkrankung (EW-A Bl. 199).

74

2. Mit Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2013 wies das FA den am 14. Oktober 2013 eingelegten Rechtsbehelf gegen die Ablehnung des erneuten Antrags auf Billigkeitserlass rückständiger GrSt 2012-2013 zurück. Ein persönlicher bzw. wirtschaftlicher Billigkeitsgrund sei weiterhin nicht gegeben. Einerseits sei nach den Ausführungen des Klägers mit einer Normalisierung seiner wirtschaftlichen Lage in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Ein Billigkeitserlass käme daher nicht ihm, sondern mittelbar anderen Gläubigern zugute. Andererseits sei dem Kläger zur Schuldenbegleichung die Verwertung seines mit rund 180 qm allein bewohnten Grundvermögens zuzumuten; dieses stelle kein Schonvermögen im Sinne des § 12 Abs. 3 SGB II dar (FG-Anl. K 2, FG-A Bl. 6=18; 27; EW-A Bl. 202).

75

3. Die vom Kläger zugleich beantragte "Befreiung" von der GrSt lehnte das FA ebenfalls am 18. Oktober 2013 durch Bescheid ab. Bei der GrSt als Objektsteuer sei eine "Befreiung" über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus nicht vorgesehen (EW-A Bl. 208).

76

3. Mit Einspruchsentscheidung vom 21. November 2013 wies das FA den am 2. Oktober 2013 zur gerichtlichen Niederschrift eingelegten Einspruch gegen die am 27. September 2013 beschiedene Ablehnung von Aussetzung der Vollziehung, Stundung oder Einstellung der Vollstreckung gegen Ratenzahlung zurück. Es fehle jeweils an den gesetzlichen Voraussetzungen. Insbesondere sei die Zwangsvollstreckung nicht wegen angebotener Raten einzustellen, die weder geleistet worden seien noch nach der vom Kläger vorgetragenen Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Lage geleistet werden könnten. Nach allem sei lediglich die Vollstreckung in das Grundstück angezeigt und angemessen, das kein Schonvermögen darstelle (EW-A Bl. 213).

77

VI. Streitstand

78

Der Kläger hat gegen die GrSt-Billigkeitserlass-Ablehnung vom 8. Oktober 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2013 am 15. November 2013 Klage erhoben mit gleichzeitigem Prozesskostenhilfe-Antrag. Zur Begründung bezieht der Kläger sich auf die im vorgerichtlichen Verfahren geführte Korrespondenz und trägt er ergänzend im Wesentlichen vor (FG-A Bl. 1=12, 33, 80):

79

Das FA sei unter Abwägung des ihm eingeräumten Ermessens verpflichtet, ihm - dem Kläger - die GrSt 2012-2013 zu erlassen. Da er an ... leide wie auch seit 2012 ununterbrochen krankgeschrieben sei, könne er seinen Beruf als ... nicht mehr ausüben, habe er keinerlei Einkünfte mehr und habe er nur durch Freundes-Darlehen überlebt.

80

Die Krankheit verschlimmere sich, so dass er keine Leistung mehr zeigen und nicht mehr in seinem bisherigen Berufsfeld arbeiten könne. Auch für die Zukunft werde sich sein Gesundheitszustand nicht bessern. Über eine Krankentagegeld- oder Berufsunfähigkeitsversicherung verfüge er nicht.

81

Nachdem das Jobcenter Leistungen wegen des Immobilienbesitzes versagt habe, führe er dort ebenfalls - bisher erfolglos - diverse Verfahren.

82

Während sein Kind 1 in C wohne und studiere, nutze er das Hausgrundstück ausschließlich selbst mit seinem in 199... geborenen Kind 2 (vgl. oben II 4).

83

Der Kläger beantragt (FG-A Bl. 1=12, 81),
den Bescheid über die Ablehnung des Grundsteuer-Billigkeitserlasses vom 8. Oktober 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2013 aufzuheben und das beklagte Finanzamt zu verpflichten, dem Kläger die Grundsteuer 2012 und 2013 zu erlassen, und zwar aus persönlichen bzw. wirtschaftlichen Billigkeitsgründen.

84

Das FA beantragt (FG-A Bl. 26, 81),
die Klage abzuweisen.

85

Das FA bezieht sich auf seine Bescheide und Einspruchsentscheidungen, insbesondere auf die bestandskräftige Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2013. Danach sei eine sachliche Überprüfung mangels neuer vorgetragener Billigkeitsgründe nicht mehr erforderlich (FG-A Bl. 26).

...

...

...

...

...

Entscheidungsgründe

B.

I.

86

1. Die Klage, das FA zum GrSt-Billigkeitserlass 2012-2013 (§ 227 AO) - oder möglicherweise zumindest zu einer erneuten Ermessensentscheidung (§ 5 AO) - zu verpflichten (§§ 101, 102 FGO), ist schon aufgrund der bestandskräftigen Ablehnung in der erstmaligen Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2013 (oben A III 9 a-b) ohne erneute Sachprüfung abzuweisen.

87

a) Nach bestandskräftiger oder unanfechtbarer Vorentscheidung ist die Klage ohne weitere Sachprüfung abzuweisen (BFH, Beschluss vom 25.09.2006 VI B 130/05, BFH/NV 2007, 85; Urteile vom 20.09.1989 X R 8/86, BFHE 158, 205, BStBl II 1990, 177; Urteile FG Baden-Württemberg vom 25.06.2012 8 K 3603/11, DStRE 2013, 441; FG Hamburg vom 04.06.2002 III 16/02 III 16/02, EFG 2002, 1469 m. w. N.).

88

Im Finanzprozess kommt es nicht darauf an, ob in der angefochtenen letzten Einspruchsentscheidung (§ 367 AO) unnötig nochmals in eine Sachprüfung eingetreten wurde (BFH-Urteil vom 24. Juli 1984 VII R 122/80, BFHE 141/470, BStBl II 1984, 791) anders als u. U. im Verwaltungsprozess gemäß VwGO oder nach § 51 VwVfG (vgl. Geis in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 68 Rz. 40 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 70 Rz. 9 m. w. N.).

89

b) Die vorbeschriebenen Grundsätze gelten auch bei erneut begehrtem Billigkeitserlass einer Steuer nach bestandskräftiger Steuerfestsetzung und nach bestandskräftiger Ablehnung des Billigkeitserlasses für denselben Streitzeitraum; zumindest dann wenn der neue Antrag nur bereits im vorangegangenen Billigkeitsverfahren geltend gemachte Gründe oder entschiedene Gesichtspunkte betrifft (BFH-Urteil vom 17.03.1987 VII R 26/84, BFH/NV 1987, 620).

90

c) Dementsprechend scheidet hier eine gerichtliche Sachprüfung bereits deswegen aus, weil das erneute Billigkeitsverfahren dieselben Gründe und Gesichtspunkte wie das vorherige bestandskräftig abgeschlossene Billigkeitsverfahren betrifft; und zwar die Antragsgründe andauernde Krankheit, Auseinandersetzung mit dem Jobcenter, aussichtslos schlechte Einkommens- und Liquiditätssituation sowie dazu insbesondere die Gesichtspunkte der unzureichenden Abhilfemöglichkeit durch GrSt-Billigkeitserlass und der Zumutbarkeit der Verwertung des großen Hausgrundstücks (zum einen oben A II, III; zum anderen oben A IV, V).

91

2. Im Übrigen bleibt die Zumutbarkeit der Verwertung des rund 1600 qm Hausgrundstücks mit rund 180 qm Wohnfläche unberührt durch die wechselnden Angaben des Klägers über die Haushaltszugehörigkeit seines 199... geborenen Kindes 2 (einerseits oben A II 4, andererseits oben A VI).

92

a) Die Grenzen der Zumutbarkeit der Verwertung eines Hausgrundstücks beurteilen sich im Abgaben- oder Steuerecht nach sozialrechtlichen Maßstäben (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.2005 XI R 5/02, DStRE 2006, 769); insbesondere bei der Entscheidung über einen Billigkeitserlass aus persönlichen oder wirtschaftlichen Billigkeitsgründen vgl. BFH-Beschluss vom 16.07.2008 X S 28/08, BFH/NV 2008, 1701 Rz. 21 i. V. m. Rz. 9, 12; FG Köln, Urteil vom 29.09.2003 5 K 4216/02, EFG 2004, 623, rechtskräftig durch BFH-Beschluss vom 19.05.2004 X B 149/03, BeckRS, Juris).

93

b) Soweit für die Zumutbarkeit des Einsatzes oder der Verwertung eines Hausgrundstücks auf das Sozialrecht zurückzugreifen ist, sind die Regelungen über das Schonvermögen in Gestalt des selbst genutzten angemessenen Hausgrundstücks wie bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende in § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II und wie bei der Sozialhilfe in § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII bzw. vorher § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG maßgeblich (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26.01.2001 VI B 277/99, BFH/NV 2001, 809; vom 20.01.2000 III B 68/99, BFH/NV 2000, 862; vom 17.03.1987 VII B 152/86, BFH/NV 19897, 733).

94

Nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ist als Vermögen nicht zu berücksichtigen ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung.

95

Gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII (vorher § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG) darf die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person allein oder zusammen mit Angehörigen bewohnt wird. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf, der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes. Nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 BSHG i. d. F. vor 2002 sind Familienheime und Eigentumswohnungen in der Regel nicht unangemessen groß, wenn ihre Wohnfläche die Grenzen des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 i. V. m. Abs. 2, § 82 II. WoBauG i. d. F. vor 2002 nicht überschreitet.

96

c) Übereinstimmend wird bei Anwendung dieser sozialrechtlichen Definitionen in erster Linie auf den Bedarf der Personenzahl im Verhältnis zur Wohnfläche abgestellt. Mangels einer bundesweiten Neuregelung werden nach ständiger Rechtsprechung weiter die Wohnflächengrenzen nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 und 3 i. V. m. Abs. 2, § 82 Abs. 3 II. WoBauG herangezogen, das heißt 130 qm Wohnfläche beim selbstgenutzten Haus - wie hier - oder 120 qm Wohnfläche in der eigengenutzten Eigentumswohnung; jeweils bei mehr als vier Personen zusätzlich pro Person 20 qm (BSG-Urteil vom 19.05.2009 B 8 SO 7/08 R, NVwZ-RR 2010, 152 Rz. 17 ff., 19).

97

Bei weniger als 4 Personen werden je Person 20 qm abgezogen (Schiedsgericht Hamburg vom 05.05.2009, SchiedsVZ 2010, 173); typisierend ist diese Reduzierung jedoch auf eine Belegung mit bis zu zwei Personen zu begrenzen, das heißt bei einem Einfamilienhaus auf [130 ./. (2 x 20) = ] 90 qm (BSG, Urteile vom 12.12.2013 B 14 AS 90/12 R, BeckRS, Juris Rz. 30-32; vom 07.11.2006 B 7b AS 2/05 R, BSGE 97, 203, NZS 2007, 428 Rz. 21 f.; Beschlüsse OLG Koblenz vom 06.09.2013 13 WF 745/13, FamFR 2013, 503; LAG Sachsen-Anhalt vom 18.04.2013 L 5 AS 76/08, Juris; LAG Rheinland-Pfalz vom 03.02.2012 6 Ta 9/12, Juris; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II § 12 Rz. 208 ff., 211, 211a; Radüge in JurisPK-SGB II, 3. Aufl., § 12 Rz. 129 ff.).

98

Die dementsprechend unabhängig von der Mitbenutzung und Bedürftigkeit des Kindes 2 bis zu 90 qm angemessene Wohnfläche wird weit überschritten durch die vorhandenen rund 180 qm (oben A I 1).

99

d) In Kombination mit dem - überschrittenen - Wohnflächenbedarf können entsprechend § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII die Grundstücksgröße und der Wert des bebauten Grundstücks als weitere Kriterien herangezogen werden (Kombinationstheorie; BFH-Beschluss vom 11.04.1990 I B 75/89, MDR 1990, 955).

100

Ob dies auch unter Wirtschaftlichkeits- und Härte-Gesichtspunkten i. S. v. § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II gilt (vgl. BSG-Urteil vom 12.12.2013 B 14 AS 90/12 R, BeckRS, Juris Rz. 30-32), kann in Anbetracht der hier auch in Kombination gegebenen Unangemessenheit offenbleiben (nachstehend e-h).

101

e) Für Grundstücksgröße und -Wert sind die Verhältnisse am Wohnort maßgeblich (Huffmann in BeckOK SGB XII § 90 Rz. 32). Dabei muss sich der Wert im unteren Bereich der dort zu vergleichenden Verkehrswerte halten und scheiden Objekte in bevorzugter Wohnlage oder mit herausgehobenen Grundstückspreisen als Vergleichsobjekte aus (BVerwG-Urteil vom 17.01.1991 5 C 53/86, BVerwGE 87, 278, NJW 1991, 1968, Juris Rz. 48).

102

f) Als Grenzwert-Anhaltspunkte für die angemessene Grundstücksgröße werden 250-350 qm genannt, teils auch 500 qm für ein freistehendes Haus oder im ländlichen Bereich (SG Aachen, Urteil vom 07.03.2012 S 20 SO 55/11, Juris Rz. 21; OVG Münster, Beschluss vom 12.09.2011 12 A 199/11, Juris Rz. 11; BSG-Urteil vom 19.05.2009 B 8 SO 7/08 R, NVwZ-RR 2010, 152 Rz. 17, 20; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl., § 90 Rz. 55; Mecke in JurisPK SGB XII, 2. Aufl., § 90 Rz. 80); teils im ländlichen Bereich auch 800 qm (Lücking in Hauck/Noftz, SGB XII § 90 Rz. 74; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II § 12 Rz. 212a; Radüge in JurisPK SGB II, 3. Aufl., § 12 Rz. 133); u. U. sogar 1.500 qm ausnahmsweise in einer 300 Einwohner zählenden Gemeinde (vgl. inzwischen LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18.04.2013 L 5 AS 76/08, Juris).

103

Die davon in Betracht kommenden Grenzwerte, speziell für ein freistehendes Haus im städtischen Bereich bis zu 500 qm, werden durch die vorliegende Grundstücksgröße von 1.590 qm (oben A I 1) weit überschritten.

104

g) Desgleichen überschreitet der vom Kläger für das bebaute Grundstück in 2013 genannte Wert von 700.000 Euro bei weitem den unteren Bereich und die Mittelwerte für sämtliche Ein- und Zweifamilienhausverkäufe sowohl in X als auch im Stadtteil des Klägers sowie die gleichfalls veröffentlichten Mittelwerte für freistehende Einfamilienhäuser in X (Immobilienmarktbericht X 2013, S. 13 f.).

105

h) So bleibt es auch bei kombinierter Würdigung von Wohnfläche, Grundstücksgröße und Wert des bebauten Grundstücks unabhängig von der Wohnsituation des Kindes 2 bei der Unangemessenheit des Hausgrundstücks des Klägers, das dementsprechend kein Schonvermögen ist und zumutbar verwertbar ist, sei es durch weitere Beleihung, durch Verkauf oder durch Zwangsversteigerung.

106

3. Abgesehen von der Bestandskraft der Ablehnung des Billigkeitserlasses wäre auch sonst die Klage unbegründet, kein Rechtsfehler gemäß § 227 AO bzw. Ermessensfehler i. S. v. § 5 AO, § 102 FGO zu erkennen und der Begründung der Einspruchsentscheidung zu folgen, so dass auf letztere gemäß § 105 Abs. 4 FGO Bezug genommen werden kann.

107

4. Danach erübrigt sich auch die - nicht beantragte - Beiziehung der die Besteuerung des Klägers durch sein (Wohn-)Sitzfinanzamt betreffenden Steuerakten gemäß § 86 FGO und der Gerichtsakten des für das (Wohn-)Sitzfinanzamt zuständigen 2. Senats des FG nach § 76 FGO. Ansonsten hätten jene Akten von Amts wegen beigezogen werden können im Hinblick auf eventuelle Erkenntnisse zum Fortgang oder Abschluss des Baus der zweiten Wohneinheit oder betreffend deren Verwendung (oben A I 7).

108

Anlass zu dieser Klarstellung besteht möglicherweise aufgrund aktueller parlamentarischer Kritik an der "Arbeit der Justiz" nach der Anhörung einer Richterin durch den Untersuchungsausschuss zum Tod eines Kindes. Unverständnis wird nämlich geäußert gegenüber unzureichendem justizinternen Informations- oder Aktenaustausch bei parallel betreffend dieselben Personen oder zum selben Sachverhalt geführten Verfahren (statt aller z. B. inzwischen Hamburger Abendblatt 08.05.2014: "Abgeordnete kritisieren Arbeit der Justiz - Untersuchungsausschuss ...").

109

a) Akten können zum Zweck der Aufklärung von Amts wegen (§ 76 FGO, vgl. u. a. § 86 VwGO, § 103 SGG, § 26 FamFG, §§ 202, 221, 244 StPO) - durch Verfügung zur Information oder durch Beweisbeschluss zur streitigen Verwertung - beigezogen werden (vgl. Amtshilfe Art. 35 GG), seien es
- Akten des eigenen Spruchkörpers (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.12.2000 1 S 1557/00, NVwZ-RR 2001, 415) oder
- Akten anderer Spruchkörper desselben Gerichts (vgl. Beschlüsse BFH vom 11.09.2003 IX S 4/03, BFH/NV 2004, 75; BVerwG vom 04.09.1981 4 B 124/81, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 15; BSG-Urteile vom 28.04.1965 9 RV 634/64, Juris; vom 15.05.1963 6 RKa 1/62, Juris; Beschlüsse Bay. VGH vom 15.10.2003 15 ZB 02.31793, Juris; OLG Karlsruhe vom 10.08.2005 14 Wx 2/05, FamRZ 2006, 102; vom 01.07.1994 18 WF 25/94, Juris; OLG Köln vom 11.11.2005 83 Ss 69/05, Strafverteidiger Forum 2006, 119; ferner OLG Stuttgart vom 03.06.1997 19 VA 6/97, Juris Rz. 14) oder
- Akten von anderen Gerichten (vgl. Beschlüsse BVerfG vom 25.05.2001 1 BvR 848/01, DStR 2001, 1857; BFH vom 05.12.2005 XI B 173/04, BFH/NV 2006, 599; vom 26.01.1989 IV R 71/87, BFH/NV 1990, 296; BSG vom 10.09.1987 9a BV 102/87, Juris; vom 05.09.1972 6 RKa 4/69, Juris; FG Baden-Württemberg vom 18.12.2001 3 KO 1/00, EFG 2002, 124, Juris; VGH Baden-Württemberg vom 20.04.1967 III 616/66, ESVGH 18, 126; KG Berlin vom 28.06.1991 5 Ws 165/91 REHA, JR 1992, 123);
- erst recht nach Antrag oder Bezugnahme eines Beteiligten wie im Zivilprozess (vgl. § 273 ZPO; Beschlüsse OLG München vom 21.10.1993 11 W 2403/93, Juris; OLG Bamberg vom 23.05.1985 3 W 70/85, JurBüro 1985, 1828, KG Berlin vom 29.06.1984 1 W 1710/84, JurBüro 1984, 1685; OLG Karlsruhe vom 20.10.1978 13 W 161/78, Juris; Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 273 Rz. 7; LG Dortmund, Urteil vom 28.04.1999 21 O 208/98, Juris).

110

b) Dabei sind Steuergeheimnis bzw. Datenschutz von dem anfordernden Richter bzw. Spruchkörper zu prüfen bzw. zu beachten und dürfen die Akten nicht von der Verwaltung zurückgehalten werden (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 71. Aufl., § 273 Rz. 14 "Aktenanforderung").

111

Bei der Entscheidungszuständigkeit des die Gerichtsakten anfordernden Spruchkörpers bleibt es auch nach Einführung des in-camera-Verfahrens für den speziellen Fall der Verweigerung der Herausgabe von "Behörden" angeforderter Akten durch die "zuständige oberste Aufsichtsbehörde" gemäß § 86 FGO seit 01.04.2005 bzw. gemäß § 99 Abs. 2 VwGO seit 2002. Dieses Verfahren ist bei anderen Fallgestaltungen unanwendbar bzw. unzulässig (vgl. inzwischen BFH-Beschluss vom 25.02.2014 V B 60/12, DStRE 2014, 745).

II.

112

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

113

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 ZPO sind nicht ersichtlich.

114

Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter nach Übertragungsbeschluss gemäß § 6 FGO (oben A VII 2).

115

C. BESCHLUSS - GRÜNDE

116

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war gemäß § 142 FGO i. V. m. § 114 ZPO mangels Erfolgsaussicht der Klage abzulehnen, und insbesondere schon wegen bestandskräftiger Ablehnung des begehrten Billigkeitserlasses (oben B I 1).

117

Die Entscheidung ist nach § 128 Abs. 2 FGO unanfechtbar und ergeht ebenfalls durch den Einzelrichter gemäß § 6 FGO (oben A VII 2, B II).

(1) Gegen Verwaltungsakte

1.
in Abgabenangelegenheiten, auf die dieses Gesetz Anwendung findet,
2.
in Verfahren zur Vollstreckung von Verwaltungsakten in anderen als den in Nummer 1 bezeichneten Angelegenheiten, soweit die Verwaltungsakte durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu vollstrecken sind,
3.
in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Angelegenheiten, auf die dieses Gesetz nach § 164a des Steuerberatungsgesetzes Anwendung findet,
4.
in anderen durch die Finanzbehörden verwalteten Angelegenheiten, soweit die Vorschriften über die außergerichtlichen Rechtsbehelfe durch Gesetz für anwendbar erklärt worden sind oder erklärt werden,
ist als Rechtsbehelf der Einspruch statthaft. Der Einspruch ist außerdem statthaft, wenn geltend gemacht wird, dass in den in Satz 1 bezeichneten Angelegenheiten über einen vom Einspruchsführer gestellten Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes binnen angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist.

(2) Abgabenangelegenheiten sind alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze; den Abgabenangelegenheiten stehen die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich.

(3) Die Vorschriften des Siebenten Teils finden auf das Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung.

(1) Der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Ein Einspruch gegen eine Steueranmeldung ist innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung bei der Finanzbehörde, in den Fällen des § 168 Satz 2 innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden der Zustimmung, einzulegen.

(2) Der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 2 ist unbefristet.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben

1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post,
2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.

(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.

(7) Betreffen Verwaltungsakte

1.
Ehegatten oder Lebenspartner oder
2.
Ehegatten mit ihren Kindern, Lebenspartner mit ihren Kindern oder Alleinstehende mit ihren Kindern,
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

(1) Die Steuern werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellung von einer Steuer und für die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung.

(2) Ein Steuerbescheid kann erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde.

(3) Schulden mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner, so können gegen sie zusammengefasste Steuerbescheide ergehen. Mit zusammengefassten Steuerbescheiden können Verwaltungsakte über steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche, auf die dieses Gesetz anzuwenden ist, gegen einen oder mehrere der Steuerpflichtigen verbunden werden. Das gilt auch dann, wenn festgesetzte Steuern, steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche nach dem zwischen den Steuerpflichtigen bestehenden Rechtsverhältnis nicht von allen Beteiligten zu tragen sind.

(4) Die Finanzbehörden können Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen und der Angaben des Steuerpflichtigen ausschließlich automationsgestützt vornehmen, berichtigen, zurücknehmen, widerrufen, aufheben oder ändern, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten. Das gilt auch

1.
für den Erlass, die Berichtigung, die Rücknahme, den Widerruf, die Aufhebung und die Änderung von mit den Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen verbundenen Verwaltungsakten sowie,
2.
wenn die Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen mit Nebenbestimmungen nach § 120 versehen oder verbunden werden, soweit dies durch eine Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen oder der obersten Landesfinanzbehörden allgemein angeordnet ist.
Ein Anlass zur Bearbeitung durch Amtsträger liegt insbesondere vor, soweit der Steuerpflichtige in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung Angaben im Sinne des § 150 Absatz 7 gemacht hat. Bei vollständig automationsgestütztem Erlass eines Verwaltungsakts gilt die Willensbildung über seinen Erlass und über seine Bekanntgabe im Zeitpunkt des Abschlusses der maschinellen Verarbeitung als abgeschlossen.

(5) Die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden.

(1) Der Einspruch ist schriftlich oder elektronisch einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Es genügt, wenn aus dem Einspruch hervorgeht, wer ihn eingelegt hat. Unrichtige Bezeichnung des Einspruchs schadet nicht.

(2) Der Einspruch ist bei der Behörde anzubringen, deren Verwaltungsakt angefochten wird oder bei der ein Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts gestellt worden ist. Ein Einspruch, der sich gegen die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder gegen die Festsetzung eines Steuermessbetrags richtet, kann auch bei der zur Erteilung des Steuerbescheids zuständigen Behörde angebracht werden. Ein Einspruch, der sich gegen einen Verwaltungsakt richtet, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, kann auch bei der zuständigen Finanzbehörde angebracht werden. Die schriftliche oder elektronische Anbringung bei einer anderen Behörde ist unschädlich, wenn der Einspruch vor Ablauf der Einspruchsfrist einer der Behörden übermittelt wird, bei der er nach den Sätzen 1 bis 3 angebracht werden kann.

(3) Bei der Einlegung soll der Verwaltungsakt bezeichnet werden, gegen den der Einspruch gerichtet ist. Es soll angegeben werden, inwieweit der Verwaltungsakt angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Ferner sollen die Tatsachen, die zur Begründung dienen, und die Beweismittel angeführt werden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und ihr Ehemann wurden in den Jahren 2000 bis 2004 (Streitjahre) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann erzielte in allen Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, im Jahr 2000 zusätzlich solche aus Kapitalvermögen. Die Klägerin erzielte keine Einkünfte. Die Eheleute haben vier in den Streitjahren volljährige Kinder.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer gegen die Eheleute für das Jahr 2000 mit Bescheid vom 28. Januar 2002 auf … DM, für das Jahr 2001 mit Bescheid vom 12. Februar 2003 auf … DM, für das Jahr 2002 mit Bescheid vom 28. April 2004 auf … €, für das Jahr 2003 mit Bescheid vom 8. November 2004 auf … € und für das Jahr 2004 mit Bescheid vom 17. August 2005 auf … € fest. Die angegriffenen Einkommensteuerbescheide waren hinsichtlich der beschränkten Abzugsfähigkeit der Vorsorgeaufwendungen vorläufig.

3

Die hiergegen allein vom Ehemann eingelegten Einsprüche und die von beiden Ehegatten gemeinsam erhobene Klage blieben erfolglos. Die Klägerin und ihr Ehemann rügten vor dem Finanzgericht (FG) eine verfassungswidrige Besteuerung, weil insbesondere Krankenversicherungsbeiträge, Ausbildungsaufwendungen für die Kinder und das gebotene Familienexistenzminimum nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.

4

Mit der Revision machen die Klägerin und ihr Ehemann weiterhin eine verfassungswidrige Besteuerung geltend. Der Senat hat das Revisionsverfahren des Ehemanns mit Beschluss vom 20. Dezember 2012 ausgesetzt und das der Klägerin mit Beschluss vom gleichen Tag abgetrennt.

5

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die angegriffenen Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2004 und die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuerfestsetzungen auf den Betrag herabgesetzt werden, der sich bei Berücksichtigung des jeweils verfassungsrechtlich gebotenen Existenzminimums ergibt, hilfsweise, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

6

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

7

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage der Klägerin insgesamt unzulässig ist (§ 126 Abs. 2 FGO). Zwar hätte das FG die Klage in vollem Umfang als unzulässig abweisen müssen. Das angefochtene Urteil ist aber trotz dieses Rechtsfehlers nicht aufzuheben, weil sein Tenor zutreffend ist (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. März 2011 XI R 12/08, BFHE 233, 304, BStBl II 2011, 819, m.w.N.).

9

Die Klage war unzulässig, weil es an dem erforderlichen Vorverfahren (§ 44 Abs. 1 FGO) fehlte.

10

Nach § 44 Abs. 1 FGO ist eine Klage in den Fällen, in denen --wie hier-- ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, vorbehaltlich der §§ 45 und 46 FGO nur zulässig, wenn das Vorverfahren ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Dies setzt voraus, dass ein außergerichtlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist (Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 44 FGO Rz 192). Hieran fehlt es im Streitfall.

11

a) Nach § 357 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ist der Einspruch schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären; es genügt, wenn aus dem Schriftstück hervorgeht, wer den Einspruch eingelegt hat (§ 357 Abs. 1 Satz 2 AO).

12

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss sich aus der Rechtsbehelfsschrift hinreichend klar ergeben, wer die Verwaltungsentscheidung angreift. Bei Zusammenveranlagung muss feststehen, welcher Ehegatte sich beschwert fühlt und die Nachprüfung des Steuerbescheides begehrt. Dabei hat ein von dem einen Ehegatten eingelegter Rechtsbehelf nicht ohne Weiteres die Wirkung eines auch von dem anderen Ehegatten eingelegten Rechtsbehelfs. Selbst wenn angenommen würde, dass der den Rechtsbehelf einlegende Ehegatte bereits aufgrund der gemeinsamen, von beiden Eheleuten unterschriebenen Einkommensteuererklärung von dem anderen Ehegatten wirksam zur Vornahme aller im Besteuerungsverfahren erforderlichen Rechtshandlungen bevollmächtigt worden wäre, so ist für die wirksame Rechtsbehelfseinlegung des einen Ehegatten auch für den anderen erforderlich, dass der das Rechtsmittel führende Ehegatte unmissverständlich zum Ausdruck bringt, er lege den Rechtsbehelf auch für den anderen Ehegatten ein (BFH-Urteil vom 20. Dezember 2006 X R 38/05, BFHE 216, 297, BStBl II 2007, 823).

13

b) Aus den gegen die Einkommensteuerbescheide für 2000 bis 2004 gerichteten Einspruchsschreiben vom 7. Februar 2002 (betreffend das Jahr 2000), vom 14. Februar 2003 (betreffend das Jahr 2001), vom 25. Mai 2004 (betreffend das Jahr 2002), vom 17. November 2004 (betreffend das Jahr 2003) und vom 24. August 2005 (betreffend das Jahr 2004) geht nicht hervor, dass diese Rechtsbehelfe auch für die Klägerin eingelegt werden sollten. Alle Einspruchsschreiben nennen im Briefkopf allein den Ehemann der Klägerin, sind in der Ich-Form geschrieben und ausschließlich vom Ehemann unterschrieben. Diese Umstände sprechen erkennbar für eine Einspruchseinlegung allein durch den Ehemann der Klägerin. Auch sonst wurde dem FA nicht innerhalb der jeweiligen Einspruchsfrist mitgeteilt, dass auch die Klägerin Einspruchsführerin sein solle. Danach sind die mit der Klage angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2004 mit Ablauf der einmonatigen Einspruchsfrist gegenüber der Klägerin bestandskräftig geworden.

14

c) Das FA hat für die Jahre 2000 bis 2004 nur über den Rechtsbehelf des Ehemannes der Klägerin entschieden, so dass die Klägerin durch die Einspruchsentscheidungen nicht beschwert war. Dies gilt auch für die Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2005 hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 2004. Im Rubrum dieser Einspruchsentscheidung heißt es zwar, dass "über den Einspruch des AC und BC, X-Straße, Z-Stadt vom 24.08.2005" entschieden werde. Im Briefkopf ist aber als Bekanntgabeadressat allein der Ehemann der Klägerin angeführt. Außerdem wird in den Gründen der Einspruchsentscheidung allein der Ehemann der Klägerin als Einspruchsführer bezeichnet. Danach ist auch diese Einspruchsentscheidung allein an den Ehemann der Klägerin gerichtet.

15

d) Es kann dahinstehen, ob die Vorentscheidung die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen enthält, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 FGO überprüfen zu können. Da das Revisionsgericht das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen des finanzgerichtlichen Verfahrens von Amts wegen zu prüfen hat, kann es dazu eigene Feststellungen treffen (BFH-Urteil vom 16. Februar 2005 VI R 66/00, BFH/NV 2005, 1120; Lange in HHSp, § 118 FGO Rz 267).

Befugt, Einspruch einzulegen, ist nur, wer geltend macht, durch einen Verwaltungsakt oder dessen Unterlassung beschwert zu sein.

(1) Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung. Ist für den Steuerfall nachträglich eine andere Finanzbehörde zuständig geworden, so entscheidet diese Finanzbehörde; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft.

(2a) Die Finanzbehörde kann vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Sie hat in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll.

(2b) Anhängige Einsprüche, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht abgeholfen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. Sachlich zuständig für den Erlass der Allgemeinverfügung ist die oberste Finanzbehörde. Die Allgemeinverfügung ist im Bundessteuerblatt und auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen zu veröffentlichen. Sie gilt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblattes, in dem sie veröffentlicht wird, als bekannt gegeben. Abweichend von § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung endet die Klagefrist mit Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Bekanntgabe. § 63 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung gilt auch, soweit ein Einspruch durch eine Allgemeinverfügung nach Satz 1 zurückgewiesen wurde.

(3) Richtet sich der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, so entscheidet die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch. Auch die für die zuständige Finanzbehörde handelnde Behörde ist berechtigt, dem Einspruch abzuhelfen.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Tatbestand

1

A. Der Kläger begehrt erneut den Billigkeitserlass der Grundsteuer (GrSt) auf sein selbstgenutztes Hausgrundstück aus persönlichen bzw. wirtschaftlichen Billigkeitsgründen, nachdem ein vorheriger Antrag bereits bestandskräftig abgelehnt wurde.

2

I. Sachstand bis Antragstellung für den Streitzeitraum

3

1. Der in 19... geborene Kläger erwarb 19... das Hausgrundstück in A mit 1.590 qm für 510.000 DM (EW-A Bl. 1). Er bebaute es 19.../19... mit einem freistehenden eingeschossigen Einfamilienhaus mit über 200 qm Gebäudefläche, rund 180 qm Wohnfläche sowie einer Doppelgarage im Keller (Einheitswert- und Grundsteuer-Akte {EW-A} Bl. 3, 6, 11 ff.; Einheitswert-Feststellungserklärung, EW-A Bl. 14 ff.; Einheitswertbescheid vom 12.11.1998 auf den 01.01.1999, EW-A Bl. 21; Google Street View EW-A Bl. ...; Geo-Online X).

4

Für das Grundstück waren bereits im Jahr 2002 zeitweilig Zwangsversteigerungs-Anordnungen des Amtsgerichts eingetragen (vgl. weiter aktuell unten III 1 a; Grundbuch-Auszug Finanzgerichts-Akte {FG-A} Bl. ..., ...). Zwangsversteigerungs-Akten liegen dem Finanzgericht (FG) nicht vor.

5

2. Im Februar 2001 beantragte der Kläger wegen angespannter finanzieller Situation für die GrSt, Hundesteuer und andere Abgaben Stundung, die ihm für die GrSt des I. Quartals gewährt wurde (EW-A Bl. 26 ff.).

6

3. Nach einem ... beim Gericht B geführten Prozess beantragte der Kläger im März 2003 den dortigen Erlass von Gerichtskosten; dazu erklärte er sich im Februar 2004 für überschuldet und bezog er sich auf Angaben des für seinen Wohnsitz zuständigen Obergerichtsvollziehers. Daraufhin wurden ihm die Gerichtskosten am 18. März 2004 erlassen (EW-A Bl. 41).

7

4. Auf Säumniszuschläge für GrSt-Quartalsbeträge 2002 - 2004 beim beklagten FA wurden am ... 2004 Eigenheimzulage-Teilbeträge umgebucht. Gegen die Umbuchung wandte sich der Kläger mittels Einspruch, den er nicht begründete (EW-A Bl. 32 ff.).

8

Unter dem 24. März 2004 wies das beklagte FA auf die Aufrechnungsbefugnis nach § 240 AO hin, behandelte es den Einspruch als Antrag auf Billigkeitserlass der Säumniszuschläge und lehnte es diesen unter Hinweis auf § 240 AO ab (EW-A Bl. 38 ff.).

9

5. Am 29. März 2004 beantragte der Kläger unter Beifügung des Bescheids über den Gerichtskostenerlass in B nochmals beim FA Erlass und sofortige Auszahlung der verrechneten Säumniszuschläge. Die Familie mit zwei Kindern im Haushalt und einem weiteren minderjährigem unterhaltsberechtigten Kind sei auf die Zahlung dringend angewiesen, und zwar wegen der Zinsen und Abträge auf das Eigenheim und für neue Bekleidung der Kinder (EW-A Bl. 40 f.).

10

Im April 2004 wurden in Abstimmung mit dem Wohnsitz-FA Säumniszuschläge bis einschließlich 1. Quartal 2004 antragsgemäß erlassen und im Umfang der vorherigen Verrechnung erstattet (EW-A Bl. 42 ff.).

11

6. Am ... 2005 gab der Kläger bei dem für ihn zuständigen Obergerichtsvollzieher die eidesstattliche (Offenbarungs-)Versicherung gemäß § 807 ZPO ab (EW-A Bl. 52).

12

7. Im Dezember 2005 erhielt das FA durch die Bauprüfabteilung des Ortsamts Kenntnis von einer dem Kläger erteilten Baugenehmigung für eine zweite Wohneinheit im vorhandenen Einfamilienhaus (EW-A Bl. 48).

13

8. Im April 2006 teilte der Kläger dem FA auf Anfrage mit, dass der Abschluss der Baumaßnahme noch nicht absehbar sei (EW-A Bl. 46).

14

9. Für Dezember 2006 wurden der in 19... geborenen (damaligen) Ehefrau des Klägers 400 Euro rentenversicherungs-beitragspflichtige Einnahmen bescheinigt (EW-A Bl. 53).

15

10. Für die im Februar 2007 fällig gewordene GrSt mahnte das FA den Kläger am 24. April 2007 (EW-A Bl. 50).

16

11. Für Mai 2007 wurden dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II in Höhe von 1.845 Euro für ihn, seine (damalige) Ehefrau und die in 199... und 199... geborenen Kinder bewilligt; dabei wurden monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.048 Euro berücksichtigt (EW-A Bl. 54 ff.).

17

12. Am 8. Mai 2007 beantragte der Kläger den Billigkeitserlass von Hundesteuer und GrSt unter Hinweis auf den SGB-II-Bescheid. Die Unterbringung koste 1.558 Euro mit Bankzinsen, Heizung, Strom, Wasser, Müll, Straßenverrentungsgebühren. Hinzu komme der Bedarf für Lebensmittel der Familie sowie Lehrmittel und Kleidung der Kinder. Die Schuldnerberatung besuche er am 16. Mai 2007. Seine Frau schreibe jetzt ihr Abitur ...(EW-A Bl. 49).

18

Daraufhin erließ das FA dem Kläger zunächst die Hundesteuer 2006 (EW-A Bl. 51).

19

Wegen des GrSt-Erlasses erbat das FA Angaben gemäß Vordruck. Darin erklärten der Kläger und seine (damalige) Ehefrau Einnahmen allein aus der Sozialleistung und aus Kindergeld. Gegen ihn bestehe ein Unterhaltstitel in einer auf ca. 14.000 Euro aufgelaufenen Höhe. Nicht sie (Kläger und Frau), ... Verwandte der im Haushalt lebenden Kinder führten die Vorsorge-Sparverträge mit Guthaben im unteren vierstelligen Bereich fort (FG-A Bl. 58 ff.).

20

Daraufhin stundete das FA die GrSt 2007 widerruflich bis zur abschließenden Entscheidung über den Erlassantrag nach Jahresablauf (EW-A Bl. 65 f., 68). Zugleich fragte das FA bei der ... Arbeitsgemeinschaft SGB II (ARGE) an, ob die GrSt durch die Leistungen für die Unterkunft abgedeckt sei. Dies wurde von dort bejaht (EW-A Bl. 68 f.). Am 11. Juni 2007 teilte das FA die Antwort dem Kläger mit, widerrief es die Stundung für dass 3. und 4. Quartal und bat es um Rücknahme des Erlassantrags (EW-A Bl. 70 ff.). Am 3. Juli 2007 nahm der Kläger den Antrag auf Erlass der GrSt 2007 zurück (EW-A Bl. 73 ff.).

21

13. Im März 2009 beantragte der Kläger den Erlass in Höhe von 423 Euro aufgelaufener säumiger GrSt-Beträge nebst Säumniszuschlägen. Die wirtschaftliche Situation sei derartig angespannt, dass nicht einmal die Klassenfahrten der schulpflichtigen Kinder bezahlt werden könnten. Der Kläger reichte eine als Gewinn- und Verlust-Rechnung ("GuV") bezeichnete Überschussrechnung aus Versicherungsmakler-Tätigkeit im 1. Quartal 2009 ein; und zwar mit einem (nach Einnahmen 5.131 Euro und Ausgaben 3.163 Euro) verbleibenden Überschuss von 1.968 Euro im Quartal bzw. durchschnittlich 656 Euro pro Monat (EW-A Bl. 76 ff.).

22

Das FA lehnte den Erlass für 2008 wegen der in den Leistungen nach SGB II enthaltenen Kosten für Unterkunft einschließlich GrSt am 5. Mai 2009 ab und stundete zugleich die GrSt 2009 mit Raten bis zur Entscheidung über den Erlassantrag nach Jahresablauf (EW-A Bl. 80 ff.).

23

14. Für den Erlassantrag 2009 reichte der Kläger im Januar 2009 Bescheide nach SGB II aus dem 1. Halbjahr 2009 für sich und das neben ihm - nur noch - in seinem Haushalt lebende 199... geborene Kind 2 ein; zuletzt über monatlich 750,95 Euro, und zwar vorläufig im Hinblick auf die Angaben zu den voraussichtlichen Einnahmen aus "selbständiger Tätigkeit" (EW-A Bl. 88 ff.).

24

Im Vordruck des FA für 2009 zählte er in der Haushaltsgemeinschaft neben sich ebenfalls nur noch sein Kind 2 auf und bezifferte er für 2009 Einnahmen 4.908 Euro, empfangene Sozialleistungen ca. 7.000 Euro und Kindergeld für das Kind 2 1.848 Euro. Der Erwerb des Hausgrundstücks 19... sei mit 280.000 Euro und Eigenmitteln finanziert worden. Neben der "GuV" für das 1. Quartal reichte der Kläger als "Betriebsabrechnungen" Überschussrechnungen ein mit Überschüssen für das 2. Quartal über 830 Euro bzw. im Monatsdurchschnitt 226 Euro, für das 3. Quartal über 314 Euro und für das 4. Quartal über 3.107 Euro bzw. im Monatsdurchschnitt 1.035 Euro (EW-A Bl. 92 ff.).

25

Das FA lehnte am 29. Januar 2010 den GrSt-Erlass 2009 ab, und zwar für das 1. Halbjahr 2009 wegen der dafür gewährten Sozial- nebst Unterkunfts- einschließlich GrSt-Leistungen und für das 2. Halbjahr 2009 wegen des insoweit über dem "Hartz IV-Satz" liegenden Einkommens (EW-A Bl. 99 ff.).

26

Das beklagte FA erhielt inzwischen telefonisch am 26. Februar 2013 vom Wohnsitz-FA des Klägers die Auskunft über einen dort von ihm für 2009 erklärten Gewinn in Höhe von 17.000 Euro (EW-A Bl. 118).

27

II. Ursprüngliche Anträge für den Streitzeitraum 2012-2013

28

1. Am 8. Februar 2013 beantragte der Kläger beim FA GrSt-Erlass wegen niedriger Einkünfte von in den letzten 12 Monaten nicht über ca. 1.000 Euro.

29

Dazu bezog er sich auf eine ... 2013 durch seinen Prozessbevollmächtigten gegen das Jobcenter gefertigte Untätigkeitsklage zum Sozialgericht (SG), deren Einreichung hier nicht belegt ist (EW-A Bl. 105). Während der angekündigte SG-Klageantrag sich auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts "ab dem 01.05.2010" richtet, bezieht die SG-Klagebegründung sich auf einen "für die Zeit ab dem 01.05.2012" gestellten Leistungsantrag, auf dessen Ablehnung vom 24. Juli 2012 und den dagegen unter dem 30. Juli 2012 eingelegten Widerspruch. Er, der Kläger, habe als ... seit über einem Jahr aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können, inzwischen alle Reserven verbraucht und bislang erfolglos versucht, seine Immobilie zu verkaufen (EW-A Bl. 107 ff.).

30

Dem GrSt-Erlassantrag fügte der Kläger außerdem eine Bestätigung eines Steuerberaters vom 28. Januar 2013 bei, dass letzterer nach langjähriger Bekanntschaft ihm, dem Kläger, wegen dessen Krankheit und Mittellosigkeit im Juni und Oktober 2012 sowie Januar 2013 jeweils 5.000, insgesamt 15.000 Euro, geliehen habe (EW-A Bl. 105 f., vgl. Bl. 139).

31

2. Das FA sah den Antrag als auf persönlichen Billigkeitserlass für 2012 und Stundung für 2013 gemäß § 227 AO gerichtet an und erbat unter dem 15. und 26. Februar 2013 konkrete weitere Angaben (EW-A Bl. 114 ff., 121).

32

Das FA vermerkte am 15. Februar 2013 telefonische Auskünfte der ARGE- bzw. Jobcenter-Rechtsbehelfsstelle, dass nach Sozialleistungsbezug des Klägers bis einschließlich Mai 2009 weitere Anträge und sein letzter Eilantrag mangels ausreichender Unterlagen abgelehnt worden seien. Das Haus sei für 2 Personen zu groß und der Kläger verlange Phantasiepreise für einen Verkauf (EW-A Bl. 105, 113).

33

3. In einem Fragebogen des FA gab der Kläger am 25. Februar 2013 an, ohne Einnahmen in Haushaltsgemeinschaft mit seinem 199... geborenen studierenden Kind 1 und dem 199... geborenen schulpflichtigen Kind 2 zu leben (EW-A Bl. 117, vgl. Bl. 123, 128).

34

4. Nachdem das beklagte FA Melde- und Fahrzeugdaten sowie beim Wohnsitz-FA das Fehlen von Steuererklärungen seit 2010 ermittelt hatte (EW-A Bl. 118), räumte der Kläger mit Fax vom 4. März 2013 ein, in 2012 ohne Kinder in seinem Haushalt gelebt zu haben. Er sei seit Mitte 2012 aufgrund eines ... und weiter seit Oktober 2012 ... krank. Im April 2012 habe er sein zweites Auto (Auto-1, Bj. 1996) verkauft und den Erlös für die Haushaltsführung verbraucht. (EW-A Bl. 122).

35

Laut beigefügter Einnahme-Überschussrechnung hätten in 2012 seine gewerblichen Einkünfte 10.173,67 Euro minus Ausgaben 2.060,36 Euro betragen (das heißt 8.113,31 Euro im Jahr). Seiner inzwischen von ihm geschiedenen Frau habe er 334 Euro p. M. für das Kind 2 überwiesen, zuzüglich einer Klassenreise-Sonderzahlung von 300 Euro. Sein studierendes Kind 1 [in C, FG-A Bl. 29, 81] habe nur ausnahmsweise Zahlungen von ihm erhalten, insbesondere für eine Studiums-... 916,99 Euro (EW-A Bl. 124 f.).

36

Seit März 2013 erhalte er wieder Kindergeld in Höhe von 184 Euro monatlich. Er erziele als ... aus Selbständigkeit ca. 1.000 Euro p. M. und lebe im Übrigen - wie bescheinigt - von Freundesdarlehen. Neben GrSt und Kfz.-Steuer habe er monatliche Kosten für Krankenversicherung 152,27 Euro, Gebäudeversicherung 57,38 Euro, Haftpflicht 16,86 Euro, Telefon und Benzin 480 Euro, Heizung 98 Euro, Strom 150 Euro (EW-A Bl. 127). Bankdarlehen seien mit monatlich ca. 1.300 Euro zu bedienen, darunter bei der "Bank-1 ..." [gemeint Bank-2 ..., unten III 1 a] monatlich 800 Euro (EW-A Bl. 126).

37

Gegenüber dem Vermögen, bestehend aus dem Hausgrundstück im Wert von ca. 700.000 Euro, dem Auto (Auto-2, Bj. 1999) und dem Bank-3-Konto im Wert von je ca. 1.000 Euro seien Verbindlichkeiten abzutragen gegenüber Kreditinstituten und Versicherungen rd. 180.000 Euro (darunter "Bank-1 ...", vgl. oben, 168.184 Euro), gegenüber Privatgläubigern rd. 37.000 Euro sowie gegenüber Bundes- und Justizkasse rd. 5.000 Euro (EW-A Bl. 126).

38

5. Mit Bescheid vom 21. März 2013 lehnte das FA den persönlichen Billigkeitserlass der GrSt gemäß § 227 AO für 2012 und die Stundung für 2013 ab. Die Höhe der Einnahmen aus Gewerbebetrieb 8.113,31 Euro, aus Kredit 15.000 Euro und aus Fahrzeugverkauf in unbekannter Höhe liege über einem Bezug nach "Hartz IV". Zusätzlich sei das Hausgrundstück im Wert von 700.000 Euro mit einer Restbelastung von ca. 170.000 Euro durch Kreditaufnahme oder Veräußerung verwertbar (EW-A Bl. 135).

39

III. Erstmaliges außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren 2012-2013

40

1. a) Der Kläger legte am 26. März 2013 Einspruch ("Widerspruch") ein (EW-A Bl. 136 ff.).

41

Als Anlage übersandte er eine Kopie eines Amtsgerichtsbeschlusses vom 4. Dezember 2012 802 K 58/12 über die Anordnung der Zwangsversteigerung seines Hausgrundstücks auf Antrag der Bank-2 ... (EW-A Bl. 137). Der Zwangsversteigerungsvermerk wurde am ... 2012 im Grundbuch eingetragen (GB-Auszug FG-A Bl. ..., ...).

42

Der Kläger ergänzte mit seinem Rechtsbehelf vom 26. März 2013 weiter seine bisherigen Angaben und Unterlagen betreffend Beitragsmahnung der Kfz.-Versicherung - unter Hinweis auf die Gefährdung des Versicherungsschutzes - (EW-A Bl. 138), Zahnarztmahnung (EW-A Bl. 140), Versicherungs-Abrechnungsmahnung (EW-A Bl. 142), Justizkasse-Aufrechnung (EW-A Bl. 143), Kreditkarte- und Girokonten- Negativsalden (EW-A Bl. 144 ff.), BAföG-Darlehensraten nebst Rückstandszinsen beim Bundesverwaltungsamt (EW-A Bl. 149), Bestätigung eines Schuldenstands von rd. 22.000 Euro durch weiteren Privatgläubiger vom Dezember 2004 (EW-A Bl. 141).

43

b) Nach telefonischen Angaben des Klägers vom 11. April 2013 notierte das FA (EW-A Bl. 150 f.):

44

"Zusammenfassung

1)    

1-Pers.-Haushalt, Wohnfläche ... m2 (nur EG)

        
        

Neubau 1998 bezugsfertig,

        
        

Baukosten ca.

350.000 DM

        

Baugrund

510.000 DM

        

=       

860.000 DM

        

Wert laut Aufstellung heute

700.000 €

        

./. Belastung Bank-1 ca.

170.000 €

        

= "Mehr"-Wert ca.

530.000 €.

        

Bank-1 betreibt ZV seit 04.12.12!

        

2)    

Privatschulden

        
        

seit 2004 D

22.000

        

in 2012 zahlte E*

15.000

        

sonstige

  9.000

        

Versicherung etc.

10.000

Es wird bei Versteigerung des Hauses immer noch ca. 480.000 an "Gewinn" verbleiben.

3)    

Einnahmen

        
        

lt. Übersicht

8.000 Gewerbe

        

Verkauf Kfz

? €     

        

*Kredit

15.000"

45

c) Das FA wies den Kläger bei Abgabe des Einspruchs an die Rechtsbehelfsstelle unter dem 15. April 2013 darauf hin, dass bei der bereits von anderer Seite betriebenen Grundstücks-Zwangsversteigerung eine Existenzgefährdung nicht durch das FA verursacht worden sei oder beseitigt werden könne und dass auch die vorher bekanntgewordene wirtschaftliche Lage nicht für einen Erlass spreche (EW-A Bl. 153).

46

2. Während des Verfahrens über den Einspruch vom 26. März 2013 gegen die Ablehnung von GrSt-Billigkeitserlass 2012 und -Stundung 2013 pfändete das FA u. a. nach Mahnung und Vollstreckungsankündigung vom 4. April 2013 wegen der GrSt für das 1. Vj. 2013 am ... 2013 das Bank-3-Konto des Klägers (EW-A Bl. 154, 156 f., 170; Vollstreckungsakte liegt dem FG nicht vor).

47

3. Per Fax vom 25. April 2013 beantragte der Kläger auf der Kopie der vorbezeichneten GrSt-Mahnung und unter Hinweis auf seinen eingelegten Rechtsbehelf Aussetzung der Vollziehung. Sonst sei er absolut nicht mehr liquide (EW-A Bl. 154 ff.).

48

5. Nach Abholung einer ... im Schätzwert von 500 Euro beim Kläger räumte die Vollstreckungsstelle des FA dem Kläger die Verfügungsbefugnis über sein Konto wieder ein, ermittelte das FA gemäß Abfrage vom 6. Mai 2013 die Zulassung eines weiteren Autos (Auto-3 Bj. 1995) und plante es, dem Verfahren über die Zwangsversteigerung des Grundstücks beizutreten (EW-A Bl. 163 ff.).

49

6. Den AdV-Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 28. Mai 2013 ab (EW-A Bl. 168).

50

Eine Aussetzung der Vollziehung sei nicht möglich, da der AdV-Antrag sich auf den Einspruch gegen die Ablehnung eines Billigkeitserlasses und damit gegen einen nicht vollziehbaren Verwaltungsakt beziehe.

51

Im Übrigen habe der Einspruch gegen die Erlassablehnung keine Erfolgsaussicht. Die GrSt falle - mit den in §§ 32, 33 GrStG geregelten Ausnahmen - unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen an. Ein persönlicher Billigkeitserlass komme nicht in Betracht, weil unter den mehreren Gläubigern das FA die Existenzgefährdung nicht verschuldet habe und ein Billigkeitserlass dem Kläger keine Befriedigung seiner anderen Gläubiger ermögliche und die Existenzgefährdung nicht beseitigen könne. Hohe Restzahlungsverpflichtungen aus dem Grundstückskauf seien kein Erlassgrund. Die Verwertung des selbstgenutzten Wohngrundstücks von rund 1.600 qm mit einer Wohnfläche von rund 180 qm sei zumutbar; es handele sich nicht um Schonvermögen bzw. nicht nur um ein kleines angemessenes Hausgrundstück i. S. v. § 12 Abs. 3 SGB II. Dementsprechend fehle die Erlassbedürftigkeit.

52

Eine allenfalls zu prüfende Stundung der GrSt sei ebenfalls nicht zu gewähren. Nach den Angaben des Klägers sei nicht zu erwarten, dass ihm die Zahlung zu einem späteren Zeitpunkt leichter möglich sei.

53

7. Mit Fax vom 3. Juni 2013 legte der Kläger "Widerspruch" gegen die AdV-Ablehnung vom 28. Mai 2013 ein. Er sei erlasswürdig als Härtefall, habe ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten und befinde sich in einem schwebenden Verfahren gegen das Jobcenter. Dem Ausgang jenes Verfahrens dürfe nicht vorgegriffen werden; bis dahin beantrage er AdV (EW-A Bl. 172).

54

8. Während der außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren wegen GrSt Billigkeitserlass 2012, Stundung 2013 und AdV beantragte das FA unter dem 13. Juni 2013 wegen GrSt-Rückständen von 1.380,50 Euro und Vollstreckungskosten von 42,19 Euro beim Amtsgericht den Beitritt zur Zwangsversteigerung des Hausgrundstücks des Klägers; der Kläger erhielt eine Ausfertigung des Antrags (FG-A 3 V 212/13 Bl. 5).

55

9. a) Mit Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2013 wies das FA die Einsprüche gegen die Ablehnung von GrSt-Billigkeitserlass 2012, Stundung 2013 und AdV sämtlich zurück (EW-A Bl. 174).

56

Ein GrSt-Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen komme nach den abschließend geregelten und hier nicht vorliegenden Voraussetzungen der §§ 32 ff. GrStG nicht in Betracht.

57

Für einen Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen und die dafür vorausgesetzte Erlassbedürftigkeit reiche eine wirtschaftliche Notlage nur dann aus, wenn sie durch die Steuerfestsetzung selbst verursacht worden sei und wenn mit dem Erlass eine Normalisierung der Verhältnisse in absehbarer Zeit erreicht werden könnte. Zum einen sei damit nach den Angaben des Klägers nicht zu rechnen, sondern käme der Erlass nur anderen Gläubigern zugute. Zum anderen sei dem Kläger die Verwertung seines Grundvermögens zumutbar; es handele sich nicht um Schonvermögen i. S. d. § 12 Abs. 3 SGB II.

58

Die Voraussetzungen für eine Stundung seien ebenfalls nicht gegeben. Weder sei ein späterer Erlass zu erwarten noch sei eine Zahlung dem Kläger später leichter möglich. Zur Sicherung der rückständigen GrSt von inzwischen 1.209,00 Euro nebst Säumniszuschlägen 97,50 Euro reiche auch die dem Vollziehungsbeamten übergebene ... mit einem Schätzwert von 500 Euro nicht aus.

59

Für eine Aussetzung der Vollziehung fehle es an der Vollziehbarkeit der angegriffenen Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme.

60

Dagegen seien die Festsetzungen der Grundsteuer gemäß Bescheid vom 12. Januar 2005 und Bekanntmachungen im Amtlichen Anzeiger zuletzt vom ... 2012 nicht angefochten worden und daher bestandskräftig.

61

b) Die Einspruchsentscheidung wurde dem Kläger mit Post vom 31. Juli 2013 übersandt (EW-A Bl. 179; FG-A 3 V 212/13 Bl. 1, 6) und von ihm nicht angefochten, sondern bestandskräftig.

62

IV. Erneuter Billigkeitserlass-Antrag für den Streitzeitraum 2012-2013

63

1. Nachdem der Kläger am 13. August 2013 beim Versorgungsamt der Behörde für Arbeit, Soziales usw. einen Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung eingereicht hatte (EW-A Bl. 200; FG-A 3 V 212/13 Bl. 9) und nachdem das Amtsgericht dem Kläger unter dem 11. September 2013 mitgeteilt hatte, dass nunmehr noch das Zwangsversteigerungsverfahren vom FA wegen offener 1.326,99 Euro betrieben werde (FG-A 3 V 212/13 Bl. 5R), stellte der Kläger mit zwei Faxschreiben vom 25. September 2013 beim FA wegen GrSt-Schulden von 1.800 Euro neue Anträge (EW-A Bl. 187 f.).

64

Mit dem einen Fax vom 25. September 2013 an das FA beantragte der Kläger nochmals AdV der GrSt und dazu Rücknahme des vom FA beim Amtsgericht gestellten Antrags auf Beitritt zur Zwangsversteigerung des Grundstücks. Die Verhältnismäßigkeit sei nicht gewahrt. Allein schon eine Schätzung des Verkehrswerts würde Kosten von ca. 800 Euro verursachen. Weiterhin habe er dem FA am 24. September 2013 eine monatliche Ratenzahlung von 200 Euro telefonisch erfolglos angeboten (EW-A Bl. 187; FG-A 3 V 212/13 Bl. 4).

65

2. Mit dem anderen Fax vom 25. September 2013 beantragte der Kläger nochmals Erlass der GrSt und wiederum Rücknahme des Antrags auf Beitritt zur Zwangsversteigerung. Er bezog sich auf seinen Antrag auf Schwerbehindertenstatus. Wegen ... sei er krankgeschrieben und ohne feste Einkünfte (EW-A Bl. 188; FG-A 3 V 212/13 Bl. 4R).

66

3. Den erneuten AdV-Antrag vom 25. September 2013 lehnte das FA mit Schreiben vom 27. September 2013 ab. Das FA verwies auf die nach Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2013 nicht angefochtenen und bestandskräftig gewordenen Ablehnungen von Billigkeitserlass, Stundung und AdV. Mangels Änderung der Verhältnisse könne auch einem erneuten Antrag auf AdV oder auf Stundung und Ratenzahlung nicht stattgegeben werden (EW-A Bl. 189).

67

4. Am 2. Oktober 2013 legte der Kläger zur Niederschrift des FG Einspruch ein gegen die Ablehnung des FA vom 27. September 2013 betreffend seinen Antrag auf Ratenzahlung, den er jetzt als Antrag auf Vollstreckungsaufschub bezeichnete (FG-A 3 V 212/13 Bl. 2; EW-A Bl. 190 f.).

68

5. a) In derselben Niederschrift beantragte der Kläger am 2. Oktober 2013 beim FG eine einstweilige Anordnung gegen das FA auf Einstellung der Zwangsvollstreckung in Form des Beitritts zur Zwangsversteigerung des Grundstücks, und zwar auf Einstellung bis zur Entscheidung des FA über den gleichzeitigen Einspruch wegen Vollstreckungsaufschubs. Der Beitritt zur Zwangsversteigerung des Grundstücks verursache unbillig weitere Kosten in Höhe von ca. 800 Euro zur Ermittlung dessen Verkehrswerts (FG-A 3 V 212/13 Bl. 1; EW-A Bl. 192).

69

b) Das FG lehnte den Antrag mit Beschluss vom selben Tag ab, da die Antragsbegründung hinsichtlich der weiteren Kosten so nicht nachvollziehbar sei. Ohne Unterlagen sei davon auszugehen, dass diese Kosten bereits durch die anderweitig beantragte Zwangsversteigerung entstünden (FG-A 3 V 212/12 Bl. 11; EW-A Bl. 193).

70

6. Am 7. Oktober 2013 rief der Kläger beim FG an. Die anderweitig beantragte Zwangsversteigerung sei inzwischen aufgrund Umschuldung aufgehoben worden. Dies sei in der von ihm unterzeichneten Niederschrift des Anordnungsantrags nicht zum Ausdruck gekommen und in der gerichtlichen Entscheidung nicht berücksichtigt worden. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass gegen den Beschluss kein Rechtsmittel gegeben sei und eine Änderung des Beschlusses nur wegen veränderter Umstände beantragt werden könne, nicht aber wegen nicht vorgetragener Umstände (FG-A 3 V 212/13 Bl. 16).

71

7. Mit Bescheid vom 8. Oktober 2013 lehnte das FA den erneuten Antrag auf GrSt-Billigkeitserlass 2012-2013 unter Hinweis auf die bestandskräftige Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2013 und die danach unveränderten Verhältnisse ab (FG-Anl. K 1, FG-A Bl. 4=5=16=17; EW-A Bl. 196 f.).

72

V. Erneutes außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren 2012-2013

73

1. Dagegen wandte sich der Kläger mit Fax vom 14. Oktober 2013. Er beantrage "Befreiung" von der GrSt. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich seit seinem letzten Antrag noch verschlechtert, "so dass auf die" "vorliegenden Daten verwiesen" werde und das FA nach diesen entscheiden möge. Er beziehe sich auf seinen Antrag auf Schwerbehindertenstatus und sei fortlaufend wegen ... krankgeschrieben und aufgrund dessen ohne feste Einkünfte (EW-A Bl. 198 ff.). Beigefügt war ein Attest vom ... über Arbeitsunfähigkeit zunächst bis Ende 2013 wegen chronischer, ständig behandlungsbedürftiger Erkrankung (EW-A Bl. 199).

74

2. Mit Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2013 wies das FA den am 14. Oktober 2013 eingelegten Rechtsbehelf gegen die Ablehnung des erneuten Antrags auf Billigkeitserlass rückständiger GrSt 2012-2013 zurück. Ein persönlicher bzw. wirtschaftlicher Billigkeitsgrund sei weiterhin nicht gegeben. Einerseits sei nach den Ausführungen des Klägers mit einer Normalisierung seiner wirtschaftlichen Lage in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Ein Billigkeitserlass käme daher nicht ihm, sondern mittelbar anderen Gläubigern zugute. Andererseits sei dem Kläger zur Schuldenbegleichung die Verwertung seines mit rund 180 qm allein bewohnten Grundvermögens zuzumuten; dieses stelle kein Schonvermögen im Sinne des § 12 Abs. 3 SGB II dar (FG-Anl. K 2, FG-A Bl. 6=18; 27; EW-A Bl. 202).

75

3. Die vom Kläger zugleich beantragte "Befreiung" von der GrSt lehnte das FA ebenfalls am 18. Oktober 2013 durch Bescheid ab. Bei der GrSt als Objektsteuer sei eine "Befreiung" über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus nicht vorgesehen (EW-A Bl. 208).

76

3. Mit Einspruchsentscheidung vom 21. November 2013 wies das FA den am 2. Oktober 2013 zur gerichtlichen Niederschrift eingelegten Einspruch gegen die am 27. September 2013 beschiedene Ablehnung von Aussetzung der Vollziehung, Stundung oder Einstellung der Vollstreckung gegen Ratenzahlung zurück. Es fehle jeweils an den gesetzlichen Voraussetzungen. Insbesondere sei die Zwangsvollstreckung nicht wegen angebotener Raten einzustellen, die weder geleistet worden seien noch nach der vom Kläger vorgetragenen Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Lage geleistet werden könnten. Nach allem sei lediglich die Vollstreckung in das Grundstück angezeigt und angemessen, das kein Schonvermögen darstelle (EW-A Bl. 213).

77

VI. Streitstand

78

Der Kläger hat gegen die GrSt-Billigkeitserlass-Ablehnung vom 8. Oktober 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2013 am 15. November 2013 Klage erhoben mit gleichzeitigem Prozesskostenhilfe-Antrag. Zur Begründung bezieht der Kläger sich auf die im vorgerichtlichen Verfahren geführte Korrespondenz und trägt er ergänzend im Wesentlichen vor (FG-A Bl. 1=12, 33, 80):

79

Das FA sei unter Abwägung des ihm eingeräumten Ermessens verpflichtet, ihm - dem Kläger - die GrSt 2012-2013 zu erlassen. Da er an ... leide wie auch seit 2012 ununterbrochen krankgeschrieben sei, könne er seinen Beruf als ... nicht mehr ausüben, habe er keinerlei Einkünfte mehr und habe er nur durch Freundes-Darlehen überlebt.

80

Die Krankheit verschlimmere sich, so dass er keine Leistung mehr zeigen und nicht mehr in seinem bisherigen Berufsfeld arbeiten könne. Auch für die Zukunft werde sich sein Gesundheitszustand nicht bessern. Über eine Krankentagegeld- oder Berufsunfähigkeitsversicherung verfüge er nicht.

81

Nachdem das Jobcenter Leistungen wegen des Immobilienbesitzes versagt habe, führe er dort ebenfalls - bisher erfolglos - diverse Verfahren.

82

Während sein Kind 1 in C wohne und studiere, nutze er das Hausgrundstück ausschließlich selbst mit seinem in 199... geborenen Kind 2 (vgl. oben II 4).

83

Der Kläger beantragt (FG-A Bl. 1=12, 81),
den Bescheid über die Ablehnung des Grundsteuer-Billigkeitserlasses vom 8. Oktober 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2013 aufzuheben und das beklagte Finanzamt zu verpflichten, dem Kläger die Grundsteuer 2012 und 2013 zu erlassen, und zwar aus persönlichen bzw. wirtschaftlichen Billigkeitsgründen.

84

Das FA beantragt (FG-A Bl. 26, 81),
die Klage abzuweisen.

85

Das FA bezieht sich auf seine Bescheide und Einspruchsentscheidungen, insbesondere auf die bestandskräftige Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2013. Danach sei eine sachliche Überprüfung mangels neuer vorgetragener Billigkeitsgründe nicht mehr erforderlich (FG-A Bl. 26).

...

...

...

...

...

Entscheidungsgründe

B.

I.

86

1. Die Klage, das FA zum GrSt-Billigkeitserlass 2012-2013 (§ 227 AO) - oder möglicherweise zumindest zu einer erneuten Ermessensentscheidung (§ 5 AO) - zu verpflichten (§§ 101, 102 FGO), ist schon aufgrund der bestandskräftigen Ablehnung in der erstmaligen Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2013 (oben A III 9 a-b) ohne erneute Sachprüfung abzuweisen.

87

a) Nach bestandskräftiger oder unanfechtbarer Vorentscheidung ist die Klage ohne weitere Sachprüfung abzuweisen (BFH, Beschluss vom 25.09.2006 VI B 130/05, BFH/NV 2007, 85; Urteile vom 20.09.1989 X R 8/86, BFHE 158, 205, BStBl II 1990, 177; Urteile FG Baden-Württemberg vom 25.06.2012 8 K 3603/11, DStRE 2013, 441; FG Hamburg vom 04.06.2002 III 16/02 III 16/02, EFG 2002, 1469 m. w. N.).

88

Im Finanzprozess kommt es nicht darauf an, ob in der angefochtenen letzten Einspruchsentscheidung (§ 367 AO) unnötig nochmals in eine Sachprüfung eingetreten wurde (BFH-Urteil vom 24. Juli 1984 VII R 122/80, BFHE 141/470, BStBl II 1984, 791) anders als u. U. im Verwaltungsprozess gemäß VwGO oder nach § 51 VwVfG (vgl. Geis in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 68 Rz. 40 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 70 Rz. 9 m. w. N.).

89

b) Die vorbeschriebenen Grundsätze gelten auch bei erneut begehrtem Billigkeitserlass einer Steuer nach bestandskräftiger Steuerfestsetzung und nach bestandskräftiger Ablehnung des Billigkeitserlasses für denselben Streitzeitraum; zumindest dann wenn der neue Antrag nur bereits im vorangegangenen Billigkeitsverfahren geltend gemachte Gründe oder entschiedene Gesichtspunkte betrifft (BFH-Urteil vom 17.03.1987 VII R 26/84, BFH/NV 1987, 620).

90

c) Dementsprechend scheidet hier eine gerichtliche Sachprüfung bereits deswegen aus, weil das erneute Billigkeitsverfahren dieselben Gründe und Gesichtspunkte wie das vorherige bestandskräftig abgeschlossene Billigkeitsverfahren betrifft; und zwar die Antragsgründe andauernde Krankheit, Auseinandersetzung mit dem Jobcenter, aussichtslos schlechte Einkommens- und Liquiditätssituation sowie dazu insbesondere die Gesichtspunkte der unzureichenden Abhilfemöglichkeit durch GrSt-Billigkeitserlass und der Zumutbarkeit der Verwertung des großen Hausgrundstücks (zum einen oben A II, III; zum anderen oben A IV, V).

91

2. Im Übrigen bleibt die Zumutbarkeit der Verwertung des rund 1600 qm Hausgrundstücks mit rund 180 qm Wohnfläche unberührt durch die wechselnden Angaben des Klägers über die Haushaltszugehörigkeit seines 199... geborenen Kindes 2 (einerseits oben A II 4, andererseits oben A VI).

92

a) Die Grenzen der Zumutbarkeit der Verwertung eines Hausgrundstücks beurteilen sich im Abgaben- oder Steuerecht nach sozialrechtlichen Maßstäben (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.2005 XI R 5/02, DStRE 2006, 769); insbesondere bei der Entscheidung über einen Billigkeitserlass aus persönlichen oder wirtschaftlichen Billigkeitsgründen vgl. BFH-Beschluss vom 16.07.2008 X S 28/08, BFH/NV 2008, 1701 Rz. 21 i. V. m. Rz. 9, 12; FG Köln, Urteil vom 29.09.2003 5 K 4216/02, EFG 2004, 623, rechtskräftig durch BFH-Beschluss vom 19.05.2004 X B 149/03, BeckRS, Juris).

93

b) Soweit für die Zumutbarkeit des Einsatzes oder der Verwertung eines Hausgrundstücks auf das Sozialrecht zurückzugreifen ist, sind die Regelungen über das Schonvermögen in Gestalt des selbst genutzten angemessenen Hausgrundstücks wie bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende in § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II und wie bei der Sozialhilfe in § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII bzw. vorher § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG maßgeblich (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26.01.2001 VI B 277/99, BFH/NV 2001, 809; vom 20.01.2000 III B 68/99, BFH/NV 2000, 862; vom 17.03.1987 VII B 152/86, BFH/NV 19897, 733).

94

Nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ist als Vermögen nicht zu berücksichtigen ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung.

95

Gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII (vorher § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG) darf die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person allein oder zusammen mit Angehörigen bewohnt wird. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf, der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes. Nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 BSHG i. d. F. vor 2002 sind Familienheime und Eigentumswohnungen in der Regel nicht unangemessen groß, wenn ihre Wohnfläche die Grenzen des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 i. V. m. Abs. 2, § 82 II. WoBauG i. d. F. vor 2002 nicht überschreitet.

96

c) Übereinstimmend wird bei Anwendung dieser sozialrechtlichen Definitionen in erster Linie auf den Bedarf der Personenzahl im Verhältnis zur Wohnfläche abgestellt. Mangels einer bundesweiten Neuregelung werden nach ständiger Rechtsprechung weiter die Wohnflächengrenzen nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 und 3 i. V. m. Abs. 2, § 82 Abs. 3 II. WoBauG herangezogen, das heißt 130 qm Wohnfläche beim selbstgenutzten Haus - wie hier - oder 120 qm Wohnfläche in der eigengenutzten Eigentumswohnung; jeweils bei mehr als vier Personen zusätzlich pro Person 20 qm (BSG-Urteil vom 19.05.2009 B 8 SO 7/08 R, NVwZ-RR 2010, 152 Rz. 17 ff., 19).

97

Bei weniger als 4 Personen werden je Person 20 qm abgezogen (Schiedsgericht Hamburg vom 05.05.2009, SchiedsVZ 2010, 173); typisierend ist diese Reduzierung jedoch auf eine Belegung mit bis zu zwei Personen zu begrenzen, das heißt bei einem Einfamilienhaus auf [130 ./. (2 x 20) = ] 90 qm (BSG, Urteile vom 12.12.2013 B 14 AS 90/12 R, BeckRS, Juris Rz. 30-32; vom 07.11.2006 B 7b AS 2/05 R, BSGE 97, 203, NZS 2007, 428 Rz. 21 f.; Beschlüsse OLG Koblenz vom 06.09.2013 13 WF 745/13, FamFR 2013, 503; LAG Sachsen-Anhalt vom 18.04.2013 L 5 AS 76/08, Juris; LAG Rheinland-Pfalz vom 03.02.2012 6 Ta 9/12, Juris; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II § 12 Rz. 208 ff., 211, 211a; Radüge in JurisPK-SGB II, 3. Aufl., § 12 Rz. 129 ff.).

98

Die dementsprechend unabhängig von der Mitbenutzung und Bedürftigkeit des Kindes 2 bis zu 90 qm angemessene Wohnfläche wird weit überschritten durch die vorhandenen rund 180 qm (oben A I 1).

99

d) In Kombination mit dem - überschrittenen - Wohnflächenbedarf können entsprechend § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII die Grundstücksgröße und der Wert des bebauten Grundstücks als weitere Kriterien herangezogen werden (Kombinationstheorie; BFH-Beschluss vom 11.04.1990 I B 75/89, MDR 1990, 955).

100

Ob dies auch unter Wirtschaftlichkeits- und Härte-Gesichtspunkten i. S. v. § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II gilt (vgl. BSG-Urteil vom 12.12.2013 B 14 AS 90/12 R, BeckRS, Juris Rz. 30-32), kann in Anbetracht der hier auch in Kombination gegebenen Unangemessenheit offenbleiben (nachstehend e-h).

101

e) Für Grundstücksgröße und -Wert sind die Verhältnisse am Wohnort maßgeblich (Huffmann in BeckOK SGB XII § 90 Rz. 32). Dabei muss sich der Wert im unteren Bereich der dort zu vergleichenden Verkehrswerte halten und scheiden Objekte in bevorzugter Wohnlage oder mit herausgehobenen Grundstückspreisen als Vergleichsobjekte aus (BVerwG-Urteil vom 17.01.1991 5 C 53/86, BVerwGE 87, 278, NJW 1991, 1968, Juris Rz. 48).

102

f) Als Grenzwert-Anhaltspunkte für die angemessene Grundstücksgröße werden 250-350 qm genannt, teils auch 500 qm für ein freistehendes Haus oder im ländlichen Bereich (SG Aachen, Urteil vom 07.03.2012 S 20 SO 55/11, Juris Rz. 21; OVG Münster, Beschluss vom 12.09.2011 12 A 199/11, Juris Rz. 11; BSG-Urteil vom 19.05.2009 B 8 SO 7/08 R, NVwZ-RR 2010, 152 Rz. 17, 20; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl., § 90 Rz. 55; Mecke in JurisPK SGB XII, 2. Aufl., § 90 Rz. 80); teils im ländlichen Bereich auch 800 qm (Lücking in Hauck/Noftz, SGB XII § 90 Rz. 74; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II § 12 Rz. 212a; Radüge in JurisPK SGB II, 3. Aufl., § 12 Rz. 133); u. U. sogar 1.500 qm ausnahmsweise in einer 300 Einwohner zählenden Gemeinde (vgl. inzwischen LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18.04.2013 L 5 AS 76/08, Juris).

103

Die davon in Betracht kommenden Grenzwerte, speziell für ein freistehendes Haus im städtischen Bereich bis zu 500 qm, werden durch die vorliegende Grundstücksgröße von 1.590 qm (oben A I 1) weit überschritten.

104

g) Desgleichen überschreitet der vom Kläger für das bebaute Grundstück in 2013 genannte Wert von 700.000 Euro bei weitem den unteren Bereich und die Mittelwerte für sämtliche Ein- und Zweifamilienhausverkäufe sowohl in X als auch im Stadtteil des Klägers sowie die gleichfalls veröffentlichten Mittelwerte für freistehende Einfamilienhäuser in X (Immobilienmarktbericht X 2013, S. 13 f.).

105

h) So bleibt es auch bei kombinierter Würdigung von Wohnfläche, Grundstücksgröße und Wert des bebauten Grundstücks unabhängig von der Wohnsituation des Kindes 2 bei der Unangemessenheit des Hausgrundstücks des Klägers, das dementsprechend kein Schonvermögen ist und zumutbar verwertbar ist, sei es durch weitere Beleihung, durch Verkauf oder durch Zwangsversteigerung.

106

3. Abgesehen von der Bestandskraft der Ablehnung des Billigkeitserlasses wäre auch sonst die Klage unbegründet, kein Rechtsfehler gemäß § 227 AO bzw. Ermessensfehler i. S. v. § 5 AO, § 102 FGO zu erkennen und der Begründung der Einspruchsentscheidung zu folgen, so dass auf letztere gemäß § 105 Abs. 4 FGO Bezug genommen werden kann.

107

4. Danach erübrigt sich auch die - nicht beantragte - Beiziehung der die Besteuerung des Klägers durch sein (Wohn-)Sitzfinanzamt betreffenden Steuerakten gemäß § 86 FGO und der Gerichtsakten des für das (Wohn-)Sitzfinanzamt zuständigen 2. Senats des FG nach § 76 FGO. Ansonsten hätten jene Akten von Amts wegen beigezogen werden können im Hinblick auf eventuelle Erkenntnisse zum Fortgang oder Abschluss des Baus der zweiten Wohneinheit oder betreffend deren Verwendung (oben A I 7).

108

Anlass zu dieser Klarstellung besteht möglicherweise aufgrund aktueller parlamentarischer Kritik an der "Arbeit der Justiz" nach der Anhörung einer Richterin durch den Untersuchungsausschuss zum Tod eines Kindes. Unverständnis wird nämlich geäußert gegenüber unzureichendem justizinternen Informations- oder Aktenaustausch bei parallel betreffend dieselben Personen oder zum selben Sachverhalt geführten Verfahren (statt aller z. B. inzwischen Hamburger Abendblatt 08.05.2014: "Abgeordnete kritisieren Arbeit der Justiz - Untersuchungsausschuss ...").

109

a) Akten können zum Zweck der Aufklärung von Amts wegen (§ 76 FGO, vgl. u. a. § 86 VwGO, § 103 SGG, § 26 FamFG, §§ 202, 221, 244 StPO) - durch Verfügung zur Information oder durch Beweisbeschluss zur streitigen Verwertung - beigezogen werden (vgl. Amtshilfe Art. 35 GG), seien es
- Akten des eigenen Spruchkörpers (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.12.2000 1 S 1557/00, NVwZ-RR 2001, 415) oder
- Akten anderer Spruchkörper desselben Gerichts (vgl. Beschlüsse BFH vom 11.09.2003 IX S 4/03, BFH/NV 2004, 75; BVerwG vom 04.09.1981 4 B 124/81, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 15; BSG-Urteile vom 28.04.1965 9 RV 634/64, Juris; vom 15.05.1963 6 RKa 1/62, Juris; Beschlüsse Bay. VGH vom 15.10.2003 15 ZB 02.31793, Juris; OLG Karlsruhe vom 10.08.2005 14 Wx 2/05, FamRZ 2006, 102; vom 01.07.1994 18 WF 25/94, Juris; OLG Köln vom 11.11.2005 83 Ss 69/05, Strafverteidiger Forum 2006, 119; ferner OLG Stuttgart vom 03.06.1997 19 VA 6/97, Juris Rz. 14) oder
- Akten von anderen Gerichten (vgl. Beschlüsse BVerfG vom 25.05.2001 1 BvR 848/01, DStR 2001, 1857; BFH vom 05.12.2005 XI B 173/04, BFH/NV 2006, 599; vom 26.01.1989 IV R 71/87, BFH/NV 1990, 296; BSG vom 10.09.1987 9a BV 102/87, Juris; vom 05.09.1972 6 RKa 4/69, Juris; FG Baden-Württemberg vom 18.12.2001 3 KO 1/00, EFG 2002, 124, Juris; VGH Baden-Württemberg vom 20.04.1967 III 616/66, ESVGH 18, 126; KG Berlin vom 28.06.1991 5 Ws 165/91 REHA, JR 1992, 123);
- erst recht nach Antrag oder Bezugnahme eines Beteiligten wie im Zivilprozess (vgl. § 273 ZPO; Beschlüsse OLG München vom 21.10.1993 11 W 2403/93, Juris; OLG Bamberg vom 23.05.1985 3 W 70/85, JurBüro 1985, 1828, KG Berlin vom 29.06.1984 1 W 1710/84, JurBüro 1984, 1685; OLG Karlsruhe vom 20.10.1978 13 W 161/78, Juris; Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 273 Rz. 7; LG Dortmund, Urteil vom 28.04.1999 21 O 208/98, Juris).

110

b) Dabei sind Steuergeheimnis bzw. Datenschutz von dem anfordernden Richter bzw. Spruchkörper zu prüfen bzw. zu beachten und dürfen die Akten nicht von der Verwaltung zurückgehalten werden (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 71. Aufl., § 273 Rz. 14 "Aktenanforderung").

111

Bei der Entscheidungszuständigkeit des die Gerichtsakten anfordernden Spruchkörpers bleibt es auch nach Einführung des in-camera-Verfahrens für den speziellen Fall der Verweigerung der Herausgabe von "Behörden" angeforderter Akten durch die "zuständige oberste Aufsichtsbehörde" gemäß § 86 FGO seit 01.04.2005 bzw. gemäß § 99 Abs. 2 VwGO seit 2002. Dieses Verfahren ist bei anderen Fallgestaltungen unanwendbar bzw. unzulässig (vgl. inzwischen BFH-Beschluss vom 25.02.2014 V B 60/12, DStRE 2014, 745).

II.

112

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

113

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 ZPO sind nicht ersichtlich.

114

Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter nach Übertragungsbeschluss gemäß § 6 FGO (oben A VII 2).

115

C. BESCHLUSS - GRÜNDE

116

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war gemäß § 142 FGO i. V. m. § 114 ZPO mangels Erfolgsaussicht der Klage abzulehnen, und insbesondere schon wegen bestandskräftiger Ablehnung des begehrten Billigkeitserlasses (oben B I 1).

117

Die Entscheidung ist nach § 128 Abs. 2 FGO unanfechtbar und ergeht ebenfalls durch den Einzelrichter gemäß § 6 FGO (oben A VII 2, B II).

Tatbestand

1

I. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) hob mit Bescheid vom 17. Oktober 2008 gegenüber der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) mit Wirkung ab Januar 2009 die Bewilligung von Kindergeld für deren Sohn auf, weil dieser das 25. Lebensjahr vollendete. Nachdem sich der Ehemann der Klägerin laut Aktenvermerk am 7. November 2008 fernmündlich an die Familienkasse gewandt hatte, legte die Klägerin mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 "zur Fristwahrung" Einspruch ein ohne Angaben, weshalb der Einspruch erst jetzt eingelegt werde. Die Familienkasse wies den Einspruch nach Sachprüfung mit Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2010 als unbegründet zurück. Die Klage blieb ohne Erfolg.

2

Das Finanzgericht (FG) entschied nach richterlichem Hinweis, der angefochtene Aufhebungsbescheid sei bei Einspruchseinlegung bereits bestandskräftig gewesen. Stelle sich im finanzgerichtlichen Verfahren die Unanfechtbarkeit des den Gegenstand des Verfahrens bildenden Bescheids heraus, so sei die Klage nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ohne weitere Sachprüfung als unbegründet abzuweisen. Die gesetzliche Einspruchsfrist sei anders als die in § 109 der Abgabenordnung (AO) genannten Fristen nicht verlängerungsfähig. Das vor Ablauf der Einspruchsfrist geführte Telefonat vom 7. November 2008 könne nicht als Wiedereinsetzungsantrag gewertet werden. Für das behauptete spätere Gespräch des Ehemannes mit dem Leiter der Familienkasse, das kurz vor dem 19. Dezember 2008 stattgefunden haben soll, ergäben sich aus den Akten keine Anhaltspunkte. Zum einen könne ein solches Gespräch nach Ablauf der Einspruchsfrist nicht ursächlich für die Fristversäumnis geworden sein, zum anderen seien Wiedereinsetzungsgründe weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

3

Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) geltend. Indem das FG das Gespräch ihres Ehemannes und Zeugen mit dem Leiter der Familienkasse als reine Schutzbehauptung gewertet habe, habe es in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung vorweggenommen. Es habe den diesbezüglichen Beweisantrag übergangen und auch seine Amtsermittlungspflicht dadurch verletzt, dass es ihrem Hinweis nicht von sich aus nachgegangen sei. Die Aussage des Zeugen sei entscheidungserheblich. Denn da der Leiter der Familienkasse in dem Gespräch erklärt habe, ein Einspruch sei bis zum 22. Dezember 2008 möglich, könne ihr, der Klägerin, nicht vorgehalten werden, sie habe eine Auflistung von Wiedereinsetzungsgründen nicht eingereicht. Danach habe das FG die Klage zu Unrecht ohne weitere Sachprüfung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

4

II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Der Senat kann offenlassen, ob die Klägerin die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt hat. Sie liegen jedenfalls nicht vor.

5

Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

6

a) Die Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO erfordert, dass das FG Tatsachen ermittelt und Beweise erhebt, wenn sich ihm diese Maßnahmen in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls hätten aufdrängen müssen. Es darf substantiierte Beweisanträge, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt betreffen, grundsätzlich weder ablehnen noch übergehen. Da die Sachaufklärungspflicht dazu dient, die Spruchreife der Klage herbeizuführen, hat das Gericht jedoch nur das aufzuklären, was aus seiner Sicht entscheidungserheblich ist (BFH-Beschluss vom 23. September 2009 IV B 133/08, BFH/NV 2010, 52, m.w.N.).

7

b) Nach der danach maßgeblichen materiell-rechtlichen Sicht des FG kam es im Streitfall nicht darauf an, welche Wahrnehmungen der Zeuge bekunden werde.

8

Die Vorentscheidung stützt sich auf die ständige Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 24. Juli 1984 VII R 122/80, BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791), wonach die FG bei ihrer Sachentscheidung die fristgemäße Einlegung des Einspruchs als materiell-rechtliche Vorfrage zu beachten haben. Dies schließt die volle Überprüfung einer etwaigen Verwaltungsentscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) ein (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 1989 III R 54/84, BFHE 158, 273, BStBl II 1989, 1024; BFH-Beschluss vom 27. Juli 2009 XI B 120/08, juris). Das FG erkannte, dass im Streitfall die nicht verlängerungsfähige Einspruchsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 1 AO versäumt ist und Wiedereinsetzungsgründe in die versäumte Einspruchsfrist weder geltend gemacht wurden noch sonst ersichtlich sind. Gleich wie sich der Leiter der Familienkasse gegenüber dem Zeugen geäußert haben mag, fehlte nach Auffassung des FG für eine Verlängerung der Einspruchsfrist ebenso die Rechtsgrundlage wie für eine ausdrückliche oder konkludente Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

9

c) Der Klägerin ist zwar darin beizupflichten, dass, sollte der Vertreter der Familienkasse den Eindruck erweckt haben, der Einspruch sei rechtzeitig oder es werde ihr jedenfalls Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist gewährt, sie es zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr für erforderlich halten musste, noch Wiedereinsetzungsgründe geltend zu machen. Verhielte es sich so, dann hätte die Klägerin diese Gründe jedoch nach erfolgtem richterlichen Hinweis vortragen müssen, um dem FG eine entsprechende Prüfung zu ermöglichen.

10

Letztlich kann es dahinstehen, ob die mit Schriftsatz vom 14. März 2011 --außerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO-- erstmals vorgetragenen Gründe, ein vermeintlich unverschuldeter Rechtsirrtum hinsichtlich der Form der Wahrung der Einspruchsfrist sowie das angebliche Warten auf ärztliche Atteste, das einem auch nur fristwahrenden Einspruch entgegengestanden haben soll, eine Wiedereinsetzung nach § 110 AO rechtfertigen können. Dem FG hat die Klägerin diese Gründe vorenthalten.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Tatbestand

1

Die Klägerin, die Bahá'í-Gemeinde in Deutschland, beantragte bei dem Hessischen Kultusministerium, ihr die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen. Das Kultusministerium lehnte den Antrag ab: Die Klägerin biete nicht durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer. Nach der Verwaltungspraxis müsse die Religionsgemeinschaft eine Mitgliederzahl von mindestens einem Promille der Bevölkerung des jeweiligen Landes aufweisen. Die Zahl der Mitglieder der Klägerin in Hessen (900 bis 950) unterschreite ein Promille der hessischen Bevölkerung (= 6089) bei weitem.

2

Die Klägerin hat mit dem Antrag Klage erhoben, den Bescheid des Hessischen Kultusministeriums aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, ihr die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen.

3

Das Verwaltungsgericht hat das beklagte Land verpflichtet, den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

4

Auf die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof durch das angefochtene Urteil das Hessische Kultusministerium unter Aufhebung seines ablehnenden Bescheides verpflichtet, der Klägerin die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen: Die Klägerin biete nach der Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer. Weder der Wortlaut des Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV noch seine Entstehungsgeschichte gäben etwas dafür her, die Verleihung der Körperschaftsrechte von einer bestimmten Relation der Mitgliederzahl zur Gesamtbevölkerung abhängig zu machen. Unter Heranziehung aller anderen Kriterien ergebe sich für die Klägerin eine günstige Prognose. Sie habe in Hessen zwar nur relativ wenige Mitglieder. Die Mitgliederzahl in Deutschland sei langsam, aber konstant angestiegen und betrage insgesamt ca. 5 000. Die Altersstruktur lasse erwarten, dass sich die Mitgliederzahl zumindest auf absehbare Zeit nicht wesentlich verringern, sondern eher weiterhin ansteigen werde. Hinzu komme eine solide Finanzausstattung. Die Klägerin bestehe in Deutschland seit über 100 Jahren. Dem komme umso größere Bedeutung zu, als sie ihr Verbot im Dritten Reich und in der DDR überstanden und in Westdeutschland sofort nach dem Krieg, in der DDR sofort nach der Beseitigung des SED-Regimes wieder strukturierte Aktivitäten aufgenommen und bis heute konsequent fortgesetzt habe. Für die Gewähr der Dauer gerade in Hessen sei von erheblicher Bedeutung, dass die Klägerin hier mittlerweile ihren Sitz und mit dem Europäischen Haus der Andacht und anderen Einrichtungen ein für ihre Mitglieder überregional bedeutsames Zentrum habe.

5

Gegen dieses Urteil hat das beklagte Land die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt, mit der es beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückzuweisen: Es gebe bisher keine hinreichend sichere Grundlage für die Annahme, dass die Klägerin durch ihre Verfassung die Gewähr der Dauer biete. Ihr fehle eine Satzung. Die mitgliedschaftlichen Strukturen seien nicht eindeutig geregelt. Ihre Finanzausstattung habe der Verwaltungsgerichtshof nicht ermittelt. Insbesondere sei unklar, ob sie über ausreichende Mittel für ihre Arbeit in Hessen verfüge. Die Klägerin biete ferner nicht durch die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer. Die Zahl der Mitglieder bilde ein eigenständiges verfassungsrechtliches Kriterium. Es stehe gleichrangig neben dem Erfordernis der Verfassung. Der Ablehnungsbescheid orientiere sich an der Richtgröße von einem Promille der Bevölkerung. Dieser Richtwert konkretisiere die Forderung, dass die Religionsgemeinschaft eine gewisse Bedeutung im öffentlichen Leben des Landes erlangt haben müsse. Erst diese Bedeutung rechtfertige es, eine Religionsgemeinschaft gegenüber anderen Akteuren des gesellschaftlichen Lebens durch die Verleihung der Körperschaftsrechte zu begünstigen. Im Vordergrund habe dabei die Zahl der Mitglieder in dem Bundesland zu stehen, in dem die Verleihung der Körperschaftsrechte begehrt werde, hier also in Hessen. Der Verwaltungsgerichtshof rücke zu Unrecht die Zahl der Mitglieder im Bundesgebiet und die Zahl der Bahá'í weltweit in den Vordergrund. Davon abgesehen sei ein erheblicher Teil der Mitglieder Iraner. Sie suchten in Deutschland Zuflucht vor dem Regime in ihrem Heimatland. Ihre Rückkehr dorthin sei nicht ausgeschlossen, wenn sich die politischen Verhältnisse im Iran änderten. Zudem lebten nach den eigenen Angaben der Klägerin ihre Mitglieder an 865 verschiedenen Orten, die 109 örtlichen Geistigen Räten zugeordnet seien. Bei rund 5 100 Bahá'í in Deutschland lebten nur durchschnittlich sechs Gläubige an einem Ort. Im Schnitt nur 47 Gläubige gehörten einer Gemeinde an, für die ein örtlicher Geistiger Rat bestehe. Wohnten die Mitglieder einer Religionsgemeinschaft derart verstreut in einem Land, biete ihre Gesamtzahl nicht die gleiche Gewähr der Dauer wie bei einer Gemeinschaft, deren Mitglieder in einzelnen geschlossenen Gemeinden lebten. Von allenfalls geringer Bedeutung sei die Zahl der Mitglieder im Ausland. Die Verbindungen zum Ausland unterlägen vielfältigen Unsicherheiten, zumal bei einer Religion, deren Anhänger zu einem erheblichen Teil - wie die Bahá'í im Iran - in einem feindlichen Umfeld lebten.

6

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und macht ergänzend geltend: Sie verfüge aufgrund der innergemeinschaftlichen Regelungen über eine hinreichende rechtliche Organisation und eindeutige mitgliedschaftliche Strukturen. Eine ausreichende Finanzausstattung habe der Verwaltungsgerichtshof festgestellt. Dagegen habe das beklagte Land keine zulässigen Revisionsrügen vorgebracht. Es beurteile in diesem wie auch in anderem Zusammenhang zu Unrecht isoliert die Verhältnisse in Hessen. Sie - die Klägerin - sei eine ganz Deutschland umfassende einheitliche Organisation mit einheitlicher Finanzausstattung und einheitlicher Bestandszeit. Die - im Übrigen oftmals durchbrochene - Verwaltungspraxis, für die Verleihung der Körperschaftsrechte einen Mitgliederbestand von einem Tausendstel der Bevölkerung des jeweiligen Landes zu verlangen, scheide mangels normativer Wirkung als Rechtsgrundlage für die Verweigerung der Körperschaftsrechte aus. Bei der stattdessen erforderlichen Gesamtbetrachtung spiele neben den Gesichtspunkten der Altersstruktur, der sozialen Schichtung und der örtlichen Verteilung der Mitglieder vor allem der Umstand eine Rolle, dass die Religionsgemeinschaft in anderen Bundesländern mehr Mitglieder habe, bereits weit über dreißig Jahre in Deutschland tätig sei oder Teil einer im Ausland seit langer Zeit festgefügten Religionsgemeinschaft sei. Der Anteil an Ausländern unter ihren Mitgliedern spreche nicht gegen die Gewähr der Dauer. Von den Mitgliedern iranischer Herkunft hätten mehr als die Hälfte die deutsche Staatsangehörigkeit. Eine breite Streuung ihrer Mitglieder in Deutschland habe es seit jeher gegeben, ohne sich auf ihre Existenz auszuwirken. Wegen der Mobilität heute habe eine geringe Dichte von Gläubigen an einem Ort nur eingeschränkte Bedeutung.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht den Bescheid des Hessischen Kultusministeriums aufgehoben und das beklagte Land verpflichtet, der Klägerin die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen.

8

Nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 Satz 2 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung - WRV) sind einer Religionsgemeinschaft die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bietet. Der Verwaltungsgerichtshof hat in zutreffender Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung angenommen, dass die Klägerin durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bietet.

9

1. Diese Voraussetzung ist auf die Zukunft bezogen und verlangt demnach eine Prognose, ob die Religionsgemeinschaft auf Dauer Bestand haben wird. Die Verfassung der Religionsgemeinschaft und die Zahl ihrer Mitglieder sind Grundlage dieser Prognose. Dabei bezeichnet der Begriff der Verfassung mehr als eine rechtliche Satzung, die den Erfordernissen des Rechtsverkehrs genügt. Im Zusammenhang mit Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV meint Verfassung auch den tatsächlichen Zustand einer Gemeinschaft, ihre Verfasstheit (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - BVerfGE 102, 370 <384 f.>).

10

a) Wird der Begriff der Verfassung in Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV im Sinne des tatsächlichen Gesamtzustands einer Religionsgemeinschaft verstanden, lässt sich die Zahl der Mitglieder als weiteres Tatbestandsmerkmal von der so verstandenen Verfassung nicht trennscharf abgrenzen. Zum tatsächlichen Gesamtzustand einer Religionsgemeinschaft gehört wesentlich ihr Bestand an Mitgliedern. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV ist dahin zu verstehen, dass mit dem Merkmal der Verfassung auf den tatsächlichen Gesamtzustand der Religionsgemeinschaft abgehoben wird und die Zahl der Mitglieder als wesentliches Element dieses Gesamtzustands eigens betont wird.

11

b) Zwar ist der gegenwärtige Mitgliederbestand der Religionsgemeinschaft Grundlage der Prognose, ob die Religionsgemeinschaft dauerhaft bestehen wird. Jedoch kann regelmäßig allein aus der Zahl der Mitglieder nicht unmittelbar auf den künftigen Fortbestand der Religionsgemeinschaft geschlossen werden. Wie jede statistische Zahl bedarf die Zahl der Mitglieder einer Bewertung, wenn aus ihr eine Aussage für die zukünftige Entwicklung abgeleitet werden soll. Dieselbe Zahl an Mitgliedern kann im Lichte notwendiger weiterer Bewertungsfaktoren die Prognose dauerhaften Bestandes stützen oder zu Fall bringen. Zur Bewertung ist insbesondere heranzuziehen, wie lange die Religionsgemeinschaft bereits besteht, wie sich ihr Mitgliederbestand in der Vergangenheit entwickelt hat, wie die Alterstruktur der Mitglieder, aber auch ihre soziale Zusammensetzung ist; daneben kann eine Rolle spielen, ob die in Deutschland ansässige Religionsgemeinschaft in eine größere, gar weltweit verbreitete Gemeinschaft eingebunden ist. Ist die Zahl der Mitglieder einer Religionsgemeinschaft in der Vergangenheit stetig, zuletzt gar beschleunigt gesunken und gehören die noch verbliebenen Mitglieder überwiegend den älteren Jahrgängen an, ist der gegenwärtige Mitgliederbestand Ausdruck eines Tiefpunktes, von dem aus eine Prognose dauerhaften Bestandes nur noch schwer oder gar nicht mehr möglich ist. Umgekehrt kann dieselbe Zahl an Mitgliedern die Prognose eines dauerhaften Bestandes ermöglichen, wenn sie über Generationen gleichgeblieben oder sogar stetig angewachsen ist und die Mitglieder eine ausgewogene, der Gesamtheit der Bevölkerung in etwa entsprechende Altersstruktur aufweisen. Wiederum dieselbe Zahl kann bei einer neu aufgetretenen Religionsgemeinschaft keine eindeutige Prognose zulassen, wenn etwa der Kreis der Mitglieder sich auf die Gründergeneration um den Stifter beschränkt und nicht absehbar ist, wie die Gemeinschaft sich nach dem Tod des Stifters entwickelt. Das Merkmal der Gewähr der Dauer hat gerade auch die Funktion, die Zuerkennung der Körperschaftsrechte an neu entstandene Bewegungen zu verhindern, deren weiterer Weg noch im Dunkeln liegt.

12

Diese Bewertungsfaktoren machen die Zahl der Mitglieder als Grundlage einer Prognose erst handhabbar. Sie sind notwendig schon in dem Merkmal der Zahl der Mitglieder, jedenfalls in dem Merkmal der Verfassung verstanden als tatsächlicher Gesamtzustand, mitgedacht und mitgemeint. Es handelt sich bei ihnen nicht um nachrangige Hilfskriterien, denen ein geringerer Stellenwert zukommt als der absoluten Zahl der Mitglieder, wie das beklagte Land meint. Verfehlt ist insbesondere dessen Ansatz, von dem Verhältnis der Mitgliederzahl zur Bevölkerungszahl als einem Richtwert auszugehen und anderen für die Bewertung des Mitgliederbestandes wesentlichen Faktoren nur die Funktion von Indizien zuzuweisen, die allenfalls geeignet sein können, eine geringe Unterschreitung des Richtwerts ausnahmsweise auszugleichen.

13

Die absolute Zahl der Mitglieder oder ihr Verhältnis zur Größe der Bevölkerung kann zwar unter Umständen schon für sich von Bedeutung für die Frage sein, ob die Religionsgemeinschaft die Gewähr der Dauer bietet. So mag, auch zur Erleichterung des Verwaltungsvollzugs, von einer bestimmten Richtzahl an ohne weitere Prüfung angenommen werden können, dass die Religionsgemeinschaft nach der Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bietet, weil schon die schiere Größe der Religionsgemeinschaft ihr Erlöschen nicht erwarten lässt. Jedoch taugt die Festlegung einer Richtzahl von einem Tausendstel der Bevölkerung des jeweiligen Bundeslandes nicht umgekehrt als Kriterium, um die Religionsgemeinschaft von der Verleihung der Körperschaftsrechte auszuschließen. Das könnte mangels normativer Festlegung dieses Kriteriums nur dann angenommen werden, wenn seiner Wahl verlässliche allgemeine Erfahrungswerte zugrunde lägen, dass bei einem Unterschreiten dieses Mitgliederbestands mit einem dauerhaften Bestand nicht mehr gerechnet werden kann. An einem solchen Erfahrungssatz fehlt es indes. Das beklagte Land hat selbst nur vorgetragen, die Erfahrung habe gezeigt, dass Religionsgemeinschaften, die das Kriterium einer Mitgliederzahl von einem Tausendstel der Bevölkerung des jeweiligen Landes erfüllten, tatsächlich auf Dauer Bestand gehabt hätten. Einen umgekehrten Erfahrungssatz, dass kleinere Religionsgemeinschaften auf Dauer keinen Bestand haben, hat es hingegen nicht behauptet. Unstreitig ist zahlreichen Religionsgemeinschaften der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden, obwohl sie nicht den Richtwert von einem Tausendstel der Bevölkerung erreicht hatten.

14

c) Die Zahl der Mitglieder hat nach der Regelung in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV keine eigenständige Bedeutung, die sich von der Funktion dieses Tatbestandsmerkmals löst, Grundlage für zu prognostizierende Gewähr der Dauer zu sein. Sie soll nicht selbständig die Bedeutung der Religionsgemeinschaft im öffentlichen Leben als einer (zusätzlichen) Voraussetzung für die Verleihung der Körperschaftsrechte anzeigen.

15

Die Gewährleistungen der Weimarer Kirchenartikel sind funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Religionsfreiheit angelegt. Der den Religionsgemeinschaften in Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV angebotene Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ein Mittel zur Entfaltung der Religionsfreiheit. Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts soll die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgemeinschaften unterstützen. Sie stehen dem Staat als Teile der Gesellschaft gegenüber. Dass sie ihre Tätigkeit frei von staatlicher Bevormundung und Einflussnahme entfalten können, schafft die Voraussetzung und den Rahmen, in dem die Religionsgemeinschaften das Ihre zu den Grundlagen von Staat und Gesellschaft beitragen können (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - BVerfGE 102, 370 <387 f.>).

16

Der Körperschaftsstatus wird jeder Religionsgemeinschaft, die die Gewähr der Dauer bietet, zur Entfaltung ihrer Religionsfreiheit angeboten, unabhängig von ihrer wie auch immer zu umschreibenden Bedeutung für das öffentliche Leben. Das Grundgesetz geht davon aus, dass Religionsgemeinschaften das Ihre zu den Grundlagen von Staat und Gesellschaft beitragen. Ihr Nutzen hierfür ist nicht im Einzelfall, etwa anhand der Größe und einer damit vielleicht einhergehenden Bedeutung für das öffentliche Leben, konkret festzustellen, wenn nur die Gewähr der Dauer gegeben ist.

17

2. Ausgehend von diesem Verständnis des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV kann nicht beanstandet werden, dass der Verwaltungsgerichtshof der Klägerin zugebilligt hat, sie biete die Gewähr der Dauer.

18

a) Der Verwaltungsgerichtshof hat hierfür den festgestellten gegenwärtigen Stand an Mitgliedern anhand zutreffender Kriterien bewertet, nämlich darauf abgestellt, dass die Klägerin in Deutschland seit über 100 Jahren besteht, ihre Mitgliederzahl in Deutschland langsam, aber konstant angestiegen ist, die Altersstruktur erwarten lässt, dass sich die Mitgliederzahl zumindest auf absehbare Zeit nicht wesentlich verringern, sondern eher weiterhin ansteigen wird. Ebenso durfte der Verwaltungsgerichtshof der Dauer des Bestands in Deutschland umso größere Bedeutung zumessen, als die Klägerin ihr Verbot im Dritten Reich, den nachfolgenden Zweiten Weltkrieg und ihr Verbot in der DDR überstanden und sich in Westdeutschland sofort nach dem Krieg, in der DDR sofort nach der Beseitigung des SED-Regimes wieder in Gemeinden organisiert und ihr Gemeindeleben bis heute fortgesetzt hat.

19

Rechtlich unerheblich ist der Einwand des beklagten Landes, der Verwaltungsgerichtshof hätte statt auf die Verhältnisse in Deutschland entscheidend auf die Dauer des Bestands der Klägerin in Hessen und ihre Mitgliederzahl dort abstellen müssen. Die Klägerin ist eine bundesweit tätige Organisation, der als solche die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen werden sollen. Ob die Voraussetzungen der Verleihung vorliegen, ist bezogen auf die bundesweit tätige Organisation als solche zu prüfen. Bezogen auf sie, nicht aber auf einen rechtlich und tatsächlich nicht ausscheidbaren Tätigkeitsbereich in einem Bundesland müssen die Voraussetzungen einer Gewähr auf Dauer vorliegen. Dass diese Voraussetzungen von einer Landesbehörde festzustellen sind, ist unerheblich. Eine Landesbehörde hat selbstverständlich in Anwendung einer Vorschrift des Bundesrechts einen Sachverhalt umfassend zu prüfen und zu berücksichtigen, auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der anzuwendenden Rechtsnorm einen Blick über die Landesgrenzen hinaus erfordern. Ebenso unerheblich ist, dass sich einzelne Wirkungen der Verleihung auf das Land beschränken mögen. Dadurch ändern sich nicht die Tatbestandsvoraussetzungen für die Verleihung und der für sie maßgebliche Sachverhalt. Davon abgesehen wirken die wesentliche Konstituierung der Religionsgemeinschaft als juristischer Person und der damit einhergehende Erwerb der Rechtsfähigkeit ohnehin bundesweit.

20

b) Die Klägerin bietet auch durch ihre Verfassung im Übrigen die Gewähr der Dauer. Die an dieser Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs erstmals im Revisionsverfahren geäußerten Zweifel des beklagten Landes sind unbegründet.

21

aa) Soweit Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV auf die Verfassung der Religionsgemeinschaft verweist, ist damit zwar auch die rechtliche Verfasstheit der Religionsgemeinschaft gemeint. Jedoch fordert Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV nicht, die Religionsgemeinschaft habe sich zunächst als eingetragener Verein zu bewähren (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - BVerfGE 102, 370 <385 f.>). Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass die Religionsgemeinschaft im Zeitpunkt der Anerkennung rechtlich hinreichend organisiert ist. Sie muss organisatorisch und institutionell in der Lage sein, die Rechte, die sich aus dem Körperschaftsstatus ergeben, auszuüben. Erforderlich ist insbesondere eine mitgliedschaftlich verfasste Organisation. Die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ein Personenverband. Dieser Status kommt mithin nur für Religionsgemeinschaften in Betracht, die mitgliedschaftlich verfasst sind. Das setzt voraus, dass nach bestimmten, innergemeinschaftlichen Regeln festgelegt ist, wer Mitglied der Religionsgemeinschaft ist. Das Gegenbild dazu wäre eine Einrichtung, die von beliebig wechselnden Personen genutzt werden kann, die sich als Anhänger einer bestimmten Glaubenslehre verstehen, ohne dass als Träger der Einrichtung ein abgrenzbarer, organisatorisch zusammengefasster Personenverband feststellbar ist.

22

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin auf der Grundlage ihres innergemeinschaftlichen Rechts, wie es sich aus der Satzung des Nationalen Geistigen Rates ergibt. Danach bestehen Regeln über den Erwerb der Mitgliedschaft, die daraus folgende Beteiligung an der Willensbildung in der Gemeinschaft und die Kreierung von Vertretungs- und Leitungsorganen der Gemeinschaft. Damit setzt sich das beklagte Land in seiner Revisionsbegründung nicht auseinander. Das Kultusministerium hat in seinem ablehnenden Bescheid insoweit keine Zweifel an dem dauerhaften Bestand der Klägerin geäußert.

23

bb) Für die Einschätzung dauerhaften Bestands aufgrund des tatsächlichen Gesamtzustandes der Gemeinschaft können weitere Indizien herangezogen werden, wie eine ausreichende Finanzausstattung, eine Mindestbestandszeit und die Intensität des religiösen Lebens (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - BVerfGE 102, 370 <385>).

24

Die Klägerin verfügt über eine ausreichende Finanzausstattung. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich festgestellt. Er konnte dafür auf einen internen Vermerk des Kultusministeriums zurückgreifen. In ihm wird der Klägerin eine die Gewähr der Dauer bietende ausreichende Finanzausstattung bestätigt, nachdem sie dem Kultusministerium Unterlagen hierzu vorgelegt hatte. Diese Bewertung hat das Kultusministerium im weiteren Verfahren nicht in Zweifel gezogen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen. Sollte die in diese Richtung zielende Rüge des beklagten Landes als Verfahrensrüge im Sinne des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO gemeint sein, genügt sie nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensmangels. Soweit das beklagte Land geltend macht, den vorgelegten Unterlagen lasse sich die Finanzausstattung der Klägerin für ihre Arbeit in Hessen nicht entnehmen, ist dieser Einwand - wie schon in anderem Zusammenhang ausgeführt - rechtlich unbegründet.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

(1) Es besteht keine Staatskirche.

(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.

(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.

(4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.

(5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.

(6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.

(7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.

(8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

(1) Es besteht keine Staatskirche.

(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.

(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.

(4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.

(5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.

(6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.

(7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.

(8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tatbestand

1

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Angehörige der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Sie lebte in den Streitjahren (2004 und 2005) in sog. glaubensverschiedener Ehe und wurde mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

2

Mit den Kirchgeldbescheiden für 2004 und 2005 wurde gegenüber der Klägerin ein besonderes Kirchgeld in Höhe von jeweils 1.200 € festgesetzt. Die Einsprüche blieben ebenso wie die Klage ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Revision nicht zugelassen.

3

Mit der hiergegen erhobenen Beschwerde macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass das besondere Kirchgeld Verheiratete (gleichheitswidrig) benachteilige und deshalb gegen das verfassungsrechtliche Gebot, Ehe und Familie zu schützen (Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--), verstoße.

Entscheidungsgründe

4

Die Beschwerde ist zu verwerfen, da sie nicht den Begründungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt.

5

Zwar kann einer Rechtssache aufgrund des Vortrags, dass eine vom FG angewandte Norm verfassungswidrig sei, grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommen. Auch eine solche Rüge bedarf jedoch der Substantiierung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Erforderlich ist deshalb u.a. eine eingehende Auseinandersetzung mit der für die aufgeworfene verfassungsrechtliche Frage einschlägigen Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) als auch des Bundesfinanzhofs --BFH-- (z.B. BFH-Beschluss vom 16. November 2009 I B 58/09, BFH/NV 2010, 905; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 34, m.w.N.). An Beidem fehlt es vorliegend. Die Beschwerdeschrift lässt nicht nur jegliche Auseinandersetzung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschluss vom 29. Januar 2010 I B 98/09, BFH/NV 2010, 1123) vermissen, nach der die Erhebung des besonderen Kirchgelds verfassungsgemäß ist und insbesondere die Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sowie aus Art. 6 GG nicht verletzt. Sie lässt darüber hinaus auch den --noch während des finanzgerichtlichen Verfahrens ergangenen-- Nichtannahmebeschluss des BVerfG (vom 28. Oktober 2010  2 BvR 591/06, 2 BvR 1689/09, 2 BvR 2698/09, 2 BvR 2715/09, 2 BvR 148/10, 2 BvR 816/10, Neue Juristische Wochenschrift 2011, 365) unberücksichtigt, nach dem es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, dass der Lebensführungsaufwand des kirchensteuerpflichtigen Ehepartners der Besteuerung zugrunde gelegt und dieser nach dem gemeinsamen Einkommen beider Eheleute bemessen werde.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war im Streitjahr (2006) Mitglied der Evangelischen Landeskirche in Baden (der Beigeladenen); seine Ehefrau, mit der er zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde, war konfessionslos. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte in Höhe von 53.529 €, seine Ehefrau in Höhe von ./. 1.543 €.

2

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) erließ gegenüber dem Kläger einen Bescheid über evangelische Kircheneinkommensteuer und setzte diese zunächst auf 444,08 € fest. Im weiteren Verlauf wurde die Kircheneinkommensteuer auf nunmehr 258,96 € herabgesetzt. Als Bemessungsgrundlage wurde hierbei ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen von 35.874 € unter Berücksichtigung eines Kinderfreibetrags von 5.808 €, der steuerfreien Halbeinkünfte des Klägers von 1.004 € und der Steuerermäßigung nach § 35a des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) von 117 € die Einkommensteuer unter Anwendung des Splittingtarifs mit 3.237 € errechnet. Der Anteil des Klägers an der gemeinschaftlichen Bemessungsgrundlage der Ehegatten wurde entsprechend § 19 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg (KiStG BW) vom 15. Juni 1978 (Gesetz- und Verordnungsblatt Baden-Württemberg 1978, 369, BStBl I 1978, 403) nach dem Verhältnis der Steuerbeträge, die sich bei Anwendung der Einkommensteuergrundtabelle auf die Summe der Einkünfte eines jeden Ehegatten ergaben, im Streitfall mit 100 v.H. bestimmt.

3

Mit seiner dagegen erhobenen Klage wandte sich der Kläger gegen die Nichtberücksichtigung des ihm entstehenden Lebensführungsaufwands für die nicht kirchenangehörige Ehefrau; er begehrt die Minderung der festgesetzten Kirchensteuer um 96 €, dieser Betrag entspreche dem besonderen Kirchgeld bei glaubensverschiedenen Ehen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KiStG BW, das festgesetzt würde, wenn seine Ehefrau Alleinverdienerin wäre. Die Klage blieb erfolglos (Urteil des Finanzgerichts --FG-- Baden-Württemberg vom 18. Juni 2012  10 K 3864/11). Die Revision hat das FG nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger und macht sinngemäß geltend, die Aufteilungsregelung des § 19 Abs. 4 Satz 2 KiStG BW verstoße --aufgrund der Nichtberücksichtigung eines "negativen" besonderen Kirchgelds-- gegen das Gebot der Folgerichtigkeit sowie das Prinzip der Leistungsfähigkeit und damit gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG).

Entscheidungsgründe

4

II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegen nicht vor. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

5

Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist (so z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. März 2009 VI B 105/08, BFH/NV 2009, 1140). Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, so ist zur substantiierten Darlegung eine an den Vorgaben des Grundgesetzes sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte Auseinandersetzung erforderlich (BFH-Beschluss vom 4. Februar 2003 VIII B 182/02, BFH/NV 2003, 1059, m.w.N.). In der Beschwerdebegründung ist zu erläutern, gegen welche Verfassungsnormen die angewandte Rechtsnorm verstoßen soll; der geltend gemachte Verfassungsverstoß ist näher zu begründen. Dazu gehört insbesondere eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BFH (BFH-Beschlüsse vom 19. Dezember 2003 II B 152/02, BFH/NV 2004, 533; vom 31. Januar 2005 III B 59/04, BFH/NV 2005, 1081, m.w.N.). Es fehlt jedoch an der Klärungsbedürftigkeit, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist und nicht (erst) in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss (ständige Rechtsprechung z.B. BFH-Beschluss vom 3. November 2010 X B 101/10, BFH/NV 2011, 285; vgl. hierzu auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28, m.w.N.).

6

a) Wenn der Kläger sinngemäß die Rechtsfrage formuliert, ob § 19 Abs. 4 KiStG BW insofern gegen das Gebot der Folgerichtigkeit und damit gegen das Gleichheitsgebot in Art. 3 GG verstößt, als in glaubensverschiedenen Ehen bei der Anteilsbemessung der Kircheneinkommensteuer der Lebensführungsaufwand des nicht-verdienenden Ehegatten (Nicht-Kirchenmitglied) beim alleinverdienenden Ehegatten (Kirchenmitglied) nicht berücksichtigt wird, im umgekehrten Fall aber (Alleinverdiener ist Nicht-Kirchenmitglied und nicht-verdienender Ehegatte ist Kirchenmitglied) das besondere Kirchgeld vom nicht-verdienenden Ehegatten als Kirchenmitglied erhoben wird und sich typisierend an dessen Lebensführungsaufwand bemisst, ist diese Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig. Die Rechtslage ist eindeutig.

7

b) Die für die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage im Wesentlichen maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind bereits durch die Rechtsprechung des BVerfG (vgl. insbesondere BVerfG-Beschluss vom 28. Oktober 2010  2 BvR 591/06, 2 BvR 1689/09, 2 BvR 2698/09, 2 BvR 2715/09, 2 BvR 148/10, 2 BvR 816/10, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2011, 98, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerfG) und des BFH (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2005 I R 76/04, BFHE 211, 90, BStBl II 2006, 274, m.w.N.) geklärt. So hat das BVerfG hervorgehoben, dass zwar nicht das einkommensteuerrechtlich ermittelte Einkommen des nicht einer Kirche angehörenden Ehegatten, wohl aber der Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten den Gegenstand der Besteuerung bilden kann (vgl. BVerfG-Urteil vom 14. Dezember 1965  1 BvR 606/60, BVerfGE 19, 268, BStBl I 1966, 196). Wenn angesichts der Schwierigkeiten der Bestimmung des Lebensführungsaufwandes als Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehepartners dieser Aufwand nach dem gemeinsamen Einkommen der Ehegatten bemessen wird, ist hiergegen verfassungsrechtlich nichts einzuwenden (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2011, 98, unter Hinweis auf Senatsurteil in BFHE 211, 90, BStBl II 2006, 274).

8

Diese Ausführungen des BVerfG beziehen sich allerdings auf das besondere Kirchgeld, das im Gegensatz zu Kirchensteuern, die als Zuschlagsteuer zur Einkommensteuer erhoben werden (Kircheneinkommensteuer), als eine eigenständige Steuer, die auf einem kircheneigenen Steuertarif beruht, erhoben wird (vgl. hierzu: Marré in Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 1135; v. Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl., Art. 137 WRV Rz 541; Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2002, S. 327 ff. und 473 ff., m.w.N.). Den Ausführungen des BVerfG liegt damit erkennbar die Grundannahme einer strikten Trennung zwischen der Kircheneinkommensteuer als Annexsteuer und dem besonderen Kirchgeld als eigenständige Steuer zugrunde. Ein "Korrespondenzprinzip", wie es der Kläger für die Kircheneinkommensteuer steuerlich berücksichtigen will, liegt ihnen erkennbar nicht zugrunde. Denn mit dem besonderen Kirchgeld sollen Kirchenangehörige, deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sich durch eine Eheschließung im Hinblick auf das Einkommen des --konfessionslosen-- Ehegatten erhöht hat, und die mangels eigenen Einkommens im Sinne des Einkommensteuergesetzes kirchensteuerfrei bleiben würden, einer angemessenen Besteuerung unterworfen werden. Nur für diese Fallkonstellation orientiert sich das besondere Kirchgeld als eigenständige Steuer der Höhe nach an dem tatsächlichen Lebenszuschnitt des kirchensteuerpflichtigen Ehegatten und nach der Rechtsprechung des BVerfG als unbedenkliches Besteuerungsmerkmal am "Lebensführungsaufwand" des kirchenangehörigen Ehegatten (BVerfG-Urteil in BVerfGE 19, 268, BStBl I 1966, 196; ebenso: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Februar 1977 VII C 48.73, BVerwGE 52, 104; Senatsbeschluss vom 22. Januar 2012 I B 18/01, BFH/NV 2002, 674, m.w.N.). Dies bedeutet, dass --entgegen den Ausführungen des Klägers in der Beschwerdeschrift-- es jedenfalls verfassungsrechtlich nicht geboten ist, den für das besondere Kirchgeld herangezogenen Besteuerungsmaßstab des Lebensführungsaufwandes "korrespondierend" auch auf die Kircheneinkommensteuer zu übertragen. Dies insbesondere auch deshalb nicht, weil sich im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten nach §§ 26, 26b EStG 2002 die Bemessungsgrundlage der Kircheneinkommensteuer bereits durch die Anwendung des Splitting-Verfahrens nach § 32a Abs. 5 EStG 2002 vermindert hat und hierdurch innerhalb der Erwerbs-, aber auch Verbrauchsgemeinschaft der Ehegatten im Ergebnis auch die gegenseitigen Unterhaltspflichten abgebildet werden. Die zusätzliche Berücksichtigung eines "Lebensführungsaufwandes" würde demgegenüber den "Sonderfall" der glaubensverschiedenen Ehe in der Konstellation des Streitfalls gegenüber konfessionsgleichen und konfessionsverschiedenen Ehen besser stellen. Dem kann nach Auffassung des Senats nicht mit der Beschwerde entgegengehalten werden, dass im Kirchensteuerrecht die glaubensverschiedene Ehe nicht als "Leistungsfähigkeitsgemeinschaft" zu verstehen sei. Diese Betrachtung mag --obwohl wie ausgeführt die Anwendung des Splitting-Verfahrens die Bemessungsgrundlage vermindert hat-- zutreffend sein, da sich der Gesetzgeber bei der Bemessungsgrundlage für glaubensverschiedene Ehen im Falle der Zusammenveranlagung für das Individualisierungsprinzip entschieden hat und gerade nicht jedem Ehegatten die Hälfte des gemeinsamen Einkommens bzw. der Einkommensteuer zurechnet, dies hat jedoch nicht die vom Kläger begehrte Rechtsfolge zur Konsequenz, dass eine Berücksichtigung des "Lebensführungsaufwandes" auch bei der Kircheneinkommensteuer verfassungsrechtlich geboten ist. Vergleicht man die Kirchensteuerbelastung konfessionsgleicher und konfessionsverschiedener Ehen einerseits und die glaubensverschiedener Ehen andererseits, so ist eine Ungleichbehandlung der Ehe als Leistungsfähigkeitsgemeinschaft nicht festzustellen. Sowohl die konfessionsgleiche oder konfessionsverschiedene Ehe als auch die glaubensverschiedene Ehe ist, sofern nur ein Ehegatte Einkünfte bezieht, mit Kirchensteuer in Höhe von 8 v.H. bzw. 9 v.H. der gemeinsamen Einkommensteuer belastet (vgl. insoweit auch Senatsurteil vom 8. April 1997 I R 68/96, BFHE 183, 107, BStBl II 1997, 545). Im Grunde möchte der Kläger als verheiratetes Kirchenmitglied besser als der Ehepartner einer konfessionsgleichen oder konfessionsverschiedenen Ehe gestellt werden. Verfassungsrechtlich besteht hierfür keine Handhabe.

(1) Die Finanzbehörden sind verpflichtet, Besteuerungsgrundlagen, Steuermessbeträge und Steuerbeträge an Körperschaften des öffentlichen Rechts einschließlich der Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, zur Festsetzung von solchen Abgaben mitzuteilen, die an diese Besteuerungsgrundlagen, Steuermessbeträge oder Steuerbeträge anknüpfen. Die Mitteilungspflicht besteht nicht, soweit deren Erfüllung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre. Die Finanzbehörden dürfen Körperschaften des öffentlichen Rechts auf Ersuchen Namen und Anschriften ihrer Mitglieder, die dem Grunde nach zur Entrichtung von Abgaben im Sinne des Satzes 1 verpflichtet sind, sowie die von der Finanzbehörde für die Körperschaft festgesetzten Abgaben übermitteln, soweit die Kenntnis dieser Daten zur Erfüllung von in der Zuständigkeit der Körperschaft liegenden öffentlichen Aufgaben erforderlich ist und überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person nicht entgegenstehen.

(2) Die Finanzbehörden sind verpflichtet, die nach § 30 Absatz 2 Nummer 1 geschützten personenbezogenen Daten der betroffenen Person den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung, der Bundesagentur für Arbeit und der Künstlersozialkasse mitzuteilen, soweit die Kenntnis dieser Daten für die Feststellung der Versicherungspflicht oder die Festsetzung von Beiträgen einschließlich der Künstlersozialabgabe erforderlich ist oder die betroffene Person einen Antrag auf Mitteilung stellt. Die Mitteilungspflicht besteht nicht, soweit deren Erfüllung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre.

(3) Die für die Verwaltung der Grundsteuer zuständigen Behörden sind berechtigt, die nach § 30 geschützten Namen und Anschriften von Grundstückseigentümern, die bei der Verwaltung der Grundsteuer bekannt geworden sind, zur Verwaltung anderer Abgaben sowie zur Erfüllung sonstiger öffentlicher Aufgaben zu verwenden oder den hierfür zuständigen Gerichten, Behörden oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf Ersuchen mitzuteilen, soweit nicht überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person entgegenstehen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Bundeszentralamt für Steuern --BZSt--) teilte der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Jahr 2008 nach § 139a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) eine Identifikationsnummer zu und unterrichtete sie hiervon.

2

Die Klage, mit der die Klägerin beantragte, das BZSt zu verpflichten, die Identifikationsnummer nach § 139a Abs. 1 AO sowie die dazu nach § 139b Abs. 3 AO und --soweit vorhanden- nach anderen Vorschriften bei ihm gespeicherten Daten zu löschen, hilfsweise, ihr eine Befreiung von der Identifikationsnummer zu erteilen, soweit dies gesetzlich oder verfassungsrechtlich möglich ist, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1860 veröffentlichten Urteil zur Begründung aus, die Klage sei als allgemeine Leistungsklage i.S. des § 40 Abs. 1 letzte Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig, weil die begehrte Löschung der Identifikationsnummer und der dazu gespeicherten Daten schlichtes Verwaltungshandeln und nicht die Aufhebung eines Verwaltungsakts darstelle. Die Klage sei aber unbegründet. Es bestünden zwar Zweifel, ob der in der Zuteilung der Identifikationsnummer und in der dazu erfolgten Datenspeicherung liegende Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung den verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge. Diese Zweifel führten aber nicht zu der für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) erforderlichen Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der maßgebenden Vorschriften. Eine Verletzung des Grundrechts auf Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) liege nicht vor. Der Klägerin werde ihr "christlicher Name" nicht abgesprochen. Er bleibe ihr vielmehr erhalten und werde auch wie bisher verwendet. So würden Steuerbescheide auch in Zukunft unter dem Namen des Steuerpflichtigen bekannt gegeben und nicht unter der Identifikationsnummer, die wie die bisherige Steuernummer lediglich ein behördeninternes Ordnungsmerkmal darstelle. Auch der Hilfsantrag sei unbegründet. Ein Anspruch auf eine Ausnahme von der Zuteilung der Identifikationsnummer sei nicht vorgesehen und brauche auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht eingeräumt zu werden.

3

Das Urteil des FG wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, einem Rechtsanwalt, am 7. September 2010 zugestellt. Dieser legte mit von ihm unterzeichneten Schriftsatz vom 4. Oktober 2010 Revision gegen das Urteil des FG ein. Mit einem weiteren Schreiben gleichen Datums beantragte er namens der Klägerin, ihr für das Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren. Sie sei wirtschaftlich bedürftig. Das PKH-Formular mit den Einkommensunterlagen werde nachgereicht. In dem Schreiben heißt es ferner wörtlich: "Die Revision ist unter der Bedingung der PKH." Mit dem vom Prozessbevollmächtigten unterzeichneten Schriftsatz vom 4. November 2010 wurde die Revision begründet.

4

Nachdem der Berichterstatter den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 25. November 2010 um Klarstellung gebeten hatte, wie der Satz "Die Revision ist unter der Bedingung der PKH." zu verstehen sein soll, führte der Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2010 aus, die "Bedingung der PKH" sei nicht im rechtstechnischen Sinne zu verstehen. Vielmehr habe nur mitgeteilt werden sollen, dass zunächst die Bescheidung des PKH-Antrags begehrt werde. Nach der Bewilligung der PKH werde dann Revision eingelegt werden. Dem Schriftsatz waren die Erklärung der Klägerin über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und entsprechende Belege beigefügt. Mit weiterem Schriftsatz vom 16. Februar 2011 teilte der Prozessbevollmächtigte mit, dass die Revision unbedingt eingelegt worden sei. Die Klägerin wolle zwar, dass zuerst über die PKH entschieden werde, um über das Kostenrisiko genaue Kenntnis zu haben; die Revision sei aber unbedingt.

5

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Die Zuteilung der Identifikationsnummer und die Speicherung der Daten nach § 139b Abs. 3 AO stellten unter Berücksichtigung der vorgesehenen Verwendungsmöglichkeiten einen Eingriff in dieses Recht dar, der weder erforderlich noch verhältnismäßig sei. Die mit diesen Maßnahmen angestrebten Ziele hätten durch eine verbesserte Zusammenarbeit der Behörden der Länder und die Schaffung eines gerechten Steuersystems und somit durch mildere Mittel erreicht werden können. Die Datensicherheit sei technisch nicht gewährleistet. Es bestehe die Gefahr des Datenmissbrauchs durch den Staat und Dritte. Zudem liege ein Eingriff in die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und das Grundrecht auf Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) vor, da die Identifikationsnummer in großem Umfang an die Stelle des auch religiös bedeutsamen Namens trete und die Menschen dadurch zum Objekt gemacht würden. Darüber hinaus werde die Identifikationsnummer zur Übermittlung durch Datenfernübertragung um die Zahl 666 ergänzt. Diese Zahl stehe für ein dem christlichen Glauben entgegengesetztes Werte-, Herrschafts- und Glaubenssystem und für die Verbindung mit diesem System.

6

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und festzustellen, dass die Zuteilung der Identifikationsnummer und die Speicherung von Daten unter dieser Nummer rechtswidrig waren und sind.

7

Das BZSt beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

8

Wenn überhaupt davon ausgegangen werden könnte, dass die Klägerin Revision eingelegt habe, wäre diese wegen der Bedingung, dass PKH bewilligt werde, unzulässig. Jedenfalls sei die Revision unbegründet. Das FG habe die Klage zu Recht abgewiesen. Die Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch §§ 139a und 139b AO sei durch das überwiegende Allgemeininteresse an einer gleichmäßigen Besteuerung und an Verwaltungsvereinfachung verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

9

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF), das dem Revisionsverfahren nach § 122 Abs. 2 Satz 1 FGO beigetreten ist, hält die in §§ 139a und 139b AO getroffenen Regelungen über die Zuteilung der Identifikationsnummer und die Speicherung von Daten sowie deren Verwendung ebenfalls für verfassungsgemäß. Sie seien zum gleichmäßigen Gesetzesvollzug und zur Verwaltungsvereinfachung in verschiedener Hinsicht erforderlich und stellten keine unzulässigen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Die Zuteilung der Identifikationsnummer an Minderjährige sei ebenfalls verfassungsgemäß, da sie im Rahmen des Familienleistungsausgleichs (§§ 31, 32, 62 bis 78 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) sowohl der Verwaltungsvereinfachung als auch der Vermeidung von Missbrauch durch Bezug von Kindergeld für ein Kind von mehreren Kindergeldkassen diene. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei auch die Speicherung der für den Lohnsteuerabzug erforderlichen Daten nach § 39e EStG.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist zwar zulässig, aber unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Klage ist mit dem im Revisionsverfahren zuletzt gestellten Antrag zulässig, jedoch unbegründet.

11

A. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2010 wirksam Revision gegen das Urteil des FG eingelegt. Die Revision ist trotz der Ausführungen im PKH-Antrag gleichen Datums zulässig. Diese Ausführungen können nicht so verstanden werden, dass die Revision unter einer --unzulässigen-- Bedingung erhoben worden sei.

12

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), der sich der Senat anschließt, kommt, wenn eine Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelbegründung die gesetzlichen Voraussetzungen an eine solche erfüllt, die Annahme, der entsprechende Schriftsatz sei nicht als unbedingte Rechtsmitteleinlegung oder Rechtsmittelbegründung bestimmt, allenfalls dann in Betracht, wenn dies den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit zu entnehmen ist. Da im Allgemeinen keine Partei die mit einer Fristversäumung verbundenen Nachteile in Kauf nehmen will, ist deshalb im Zweifel anzunehmen, dass ein den gesetzlichen Anforderungen genügender, von einem Rechtsanwalt unterzeichneter Schriftsatz als Rechtsmitteleinlegung oder Rechtsmittelbegründung dienen soll, sofern nicht ein entgegenstehender Wille des Rechtsmittelführers deutlich erkennbar wird. Mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Folgen einer bedingten und damit unzulässigen Rechtsmitteleinlegung oder Rechtsmittelbegründung ist für die Annahme einer derartigen Bedingung eine ausdrückliche und zweifelsfreie Erklärung erforderlich, die z.B. darin gesehen werden kann, dass der entsprechende Schriftsatz selbst ausdrücklich als "Entwurf" bezeichnet wird (BGH-Beschluss vom 27. Mai 2009 III ZB 30/09, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht --FamRZ-- 2009, 1408, m.w.N.).

13

2. Der Schriftsatz vom 4. Oktober 2010, mit dem ausdrücklich Revision gegen das Urteil des FG eingelegt wurde, ist somit als unbedingte Revisionseinlegung zu verstehen. Der Schriftsatz wurde durch den Prozessbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, unterzeichnet und nicht als bloßer Entwurf gekennzeichnet. Bei einem lediglich der Begründung eines PKH-Gesuchs dienenden Entwurf eines Rechtsmittels ist die Unterzeichnung nicht erforderlich und unterbleibt auch üblicherweise (BGH-Beschluss in FamRZ 2009, 1408). In dem Schriftsatz ist auch keine Rede von einer Abhängigkeit von dem PKH-Antrag.

14

Unter diesen Umständen reichen die Ausführungen im gleichzeitig eingereichten PKH-Antrag nicht für die Annahme aus, die Revision habe nur unter der Bedingung eingelegt werden sollen, dass PKH bewilligt werde. Dabei ist auch zu bedenken, dass die Revision durch einen ebenfalls vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterzeichneten Schriftsatz fristgerecht begründet wurde, ohne dass PKH bewilligt worden war.

15

B. Der im Revisionsverfahren erfolgte Übergang von der allgemeinen Leistungsklage zur Feststellungsklage und diese Klage selbst sind zulässig.

16

1. Der Übergang zur Feststellungsklage stellt eine Einschränkung gegenüber der allgemeinen Leistungsklage dar, über die das FG entschieden hat, und ist daher keine nach § 123 Abs. 1 Satz 1 FGO im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. September 1990 IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120, unter B.I.). Ein Erfolg des beim FG erhobenen Leistungsbegehrens setzte nämlich die Rechtswidrigkeit der Zuteilung der Identifikationsnummer an die Klägerin und der dazu erfolgten Datenspeicherung voraus und ging über ein bloßes Feststellungsbegehren hinaus.

17

2. Die Zulässigkeit der Feststellungsklage ergibt sich aus § 41 Abs. 1 FGO.

18

a) Durch Klage kann nach dieser Vorschrift die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Um die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses in diesem Sinn geht es auch, wenn die Feststellung der Rechtswidrigkeit von Verwaltungshandeln, das keinen Verwaltungsakt darstellt (§ 118 Satz 1 AO), gegenüber dem Betroffenen festgestellt werden soll (vgl. BFH-Urteil vom 29. April 2008 I R 79/07, BFH/NV 2008, 1807, unter II.1.).

19

b) Diese Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 FGO sind im Streitfall erfüllt. Durch die Zuteilung der Identifikationsnummer an die Klägerin und die Speicherung von Daten unter dieser Nummer ist ein abgabenrechtliches Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem BZSt entstanden. Sowohl die Zuteilung der Nummer als auch die Datenspeicherung stellen keinen Verwaltungsakt dar (Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 139a AO Rz 3; Pahlke/Koenig/Cöster, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 139a Rz 5; Schmitz in Schwarz, AO, § 139a Rz 3a; Klein/Rätke, AO, 10. Aufl., § 139a Rz 6; a.A. Wiese in Beermann/Gosch, AO § 139a Rz 14). Es fehlt nämlich an der Regelung eines Einzelfalls und an einer unmittelbaren Rechtswirkung nach außen. Dem entspricht es, dass der Steuerpflichtige nach § 139a Abs. 1 Satz 4 AO über die Zuteilung der Identifikationsnummer lediglich zu unterrichten ist. Verwaltungsakte sind demgegenüber dem Betroffenen nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO bekannt zu geben.

20

Das Feststellungsinteresse der Klägerin ergibt sich daraus, dass sie sich in ihren Grundrechten verletzt sieht.

21

c) Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht entgegen dem Wortlaut des § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO, nach dem die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, nicht entgegen, dass die Klägerin die Beseitigung der von ihr gerügten Verstöße gegen ihre Grundrechte durch eine auf Löschung der ihr erteilten Identifikationsnummer und der dazu gespeicherten Daten gerichtete allgemeine Leistungsklage --so die Ansicht des FG-- oder nach Durchführung eines Vorverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO) durch Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 Alternative 2 FGO) hätte beantragen können und die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zuteilung der Identifikationsnummer und der Datenspeicherung die geltend gemachten Verstöße gegen ihre Grundrechte nicht beseitigen würde.

22

aa) § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO ist ebenso wie die vergleichbare Regelung des § 43 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ihrem Zweck entsprechend einschränkend auszulegen und anzuwenden (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 1997  1 C 2/95, Neue Juristische Wochenschrift 1997, 2534, unter 4., m.w.N., zu § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Droht keine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren, steht § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO der Feststellungsklage ebenso wenig entgegen wie in Fällen, in denen diese den effektiveren Rechtsschutz bietet. Kann die zwischen den Beteiligten streitige Frage sachgerecht und ihrem Rechtsschutzinteresse voll Rechnung tragend durch das vom Kläger ausdrücklich begehrte Feststellungsurteil geklärt werden, verbietet es sich, ihn auf eine Gestaltungs-  oder Leistungsklage zu verweisen, in deren Rahmen das Rechtsverhältnis, an dessen selbständiger Feststellung er ein berechtigtes Interesse hat, einerseits nur Vorfrage wäre, andererseits die weiteren Elemente des geltend zu machenden Anspruchs nur untergeordnete Bedeutung hätten.

23

bb) So verhält es sich hier.

24

Zum einen droht auch dann, wenn man entgegen der Auffassung des FG annehmen würde, dass das Begehren, die Identifikationsnummer und die dazu gespeicherten Daten zu löschen, nicht mit der allgemeinen Leistungsklage, sondern nur mit der Verpflichtungsklage verfolgt werden kann, nicht die Umgehung der für eine Verpflichtungsklage geltenden Vorschriften über das Vorverfahren (§§ 44 bis 46 FGO); denn das BZSt hätte aufgrund seiner Bindung an die Gesetze (Art. 20 Abs. 3 GG) einem Löschungsantrag und einem gegen die Ablehnung der Löschung gerichteten Einspruch (§ 347 AO) nicht stattgeben dürfen.

25

Zum anderen würde das von der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren ausdrücklich und im Revisionsverfahren sinngemäß verfolgte Ziel, dass zur Beseitigung der von ihr gerügten Verstöße gegen ihre Grundrechte die ihr zugeteilte Identifikationsnummer und die dazu gespeicherten Daten gelöscht werden, durch ein Urteil, das die Rechtswidrigkeit der Zuteilung der Identifikationsnummer und der Datenspeicherung feststellt, in vollem Umfang erreicht. Eine solche Entscheidung könnte nämlich nur ergehen, nachdem das BVerfG auf eine entsprechende Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG die zugrunde liegenden Vorschriften für verfassungswidrig und nichtig erklärt hat. Eine solche Entscheidung des BVerfG hätte nach § 31 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 13 Nr. 11 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) Gesetzeskraft und würde gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden binden. Das BZSt wäre in diesem Fall zur Löschung der Identifikationsnummer und der dazu gespeicherten Daten verpflichtet, ohne dass diese Verpflichtung durch den BFH gesondert ausgesprochen werden müsste.

26

C. Das FG hat die Klage zu Recht als unbegründet angesehen. Die Zuteilung der Identifikationsnummer und die Datenspeicherung beruhen auf § 139a Abs. 1 und 2 sowie § 139b Abs. 3 AO. Diese Vorschriften sind verfassungsgemäß. Gleiches gilt für die Vorschriften, die im Hinblick auf den Lohnsteuerabzug und den Abzug von Kirchensteuer von den Kapitalerträgen zusätzliche Datenspeicherungen durch das BZSt vorsehen (§ 39e Abs. 2 Satz 1 EStG in der gemäß Art. 25 Abs. 1 des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes --BeitrRLUmsG-- vom 7. Dezember 2011, BGBl I 2011, 2592, am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Fassung des Art. 2 Nr. 19 BeitrRLUmsG; § 51a Abs. 2c und 2d EStG in der gemäß Art. 25 Abs. 4 BeitrRLUmsG am Tag nach dessen Verkündung, also am 14. Dezember 2011, in Kraft getretenen Fassung des Art. 2 Nr. 33 Buchst. b und c BeitrRLUmsG).

27

1. Das BZSt teilt im Rahmen der ihm gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 22 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) obliegenden Aufgabe, das Identifikationsmerkmal nach den §§ 139a bis 139d AO zu vergeben und zu verwalten, nach § 139a Abs. 1 AO jedem Steuerpflichtigen zum Zwecke der eindeutigen Identifizierung im Besteuerungsverfahren ein einheitliches und dauerhaftes Merkmal (Identifikationsmerkmal) zu, das bei Anträgen, Erklärungen oder Mitteilungen gegenüber Finanzbehörden anzugeben ist. Es besteht aus einer Ziffernfolge, die nicht aus anderen Daten über den Steuerpflichtigen gebildet oder abgeleitet werden darf; die letzte Stelle ist eine Prüfziffer. Natürliche Personen erhalten eine Identifikationsnummer, wirtschaftlich Tätige eine Wirtschafts-Identifikationsnummer. Der Steuerpflichtige ist über die Zuteilung eines Identifikationsmerkmals unverzüglich zu unterrichten.

28

Steuerpflichtiger in diesem Sinn ist nach § 139a Abs. 2 AO jeder, der nach einem Steuergesetz steuerpflichtig ist. Maßgebend ist dabei nicht der Begriff des Steuerpflichtigen i.S. des § 33 Abs. 1 AO. Entscheidend ist vielmehr, ob nach einem Einzelsteuergesetz eine Steuerpflicht dem Grunde nach besteht. Steuerpflichtige i.S. des § 139a Abs. 2 AO sind danach insbesondere alle natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und deshalb nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind oder die nach § 1 Abs. 2 oder 3 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind oder als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden, sowie die natürlichen Personen, die gemäß § 1 Abs. 4 EStG beschränkt einkommensteuerpflichtig sind. Ob im Einzelfall tatsächlich Steuer geschuldet wird, ist unerheblich (Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags zum Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 2003, Begründung zu Art. 7, BTDrucks 15/1945, S. 16; Wiese, a.a.O., § 139a Rz 16; Brandis, a.a.O., § 139a Rz 3; Cöster, a.a.O., § 139a Rz 9; Schmitz, a.a.O., § 139a Rz 4; Rätke, a.a.O., § 139a Rz 7).

29

Nach § 139b Abs. 1 AO darf eine natürliche Person nicht mehr als eine Identifikationsnummer erhalten. Jede Identifikationsnummer darf nur einmal vergeben werden.

30

Gemäß § 1 der Steueridentifikationsnummerverordnung (StIdV), die auf der Grundlage der Verordnungsermächtigungen in § 139d AO und Art. 97 § 5 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung erlassen wurde, wurde die Identifikationsnummer nach § 139b AO zum 1. Juli 2007 eingeführt; sie besteht aus zehn Ziffern und einer Prüfziffer als elfte Ziffer. Das BZSt unterrichtet den Steuerpflichtigen gemäß § 6 Abs. 1 StIdV unverzüglich über die ihm erteilte Identifikationsnummer und die übrigen beim BZSt zu seiner Person gespeicherten Daten.

31

2. Der Einführung der Identifikationsnummer liegen folgende Erwägungen des Gesetzgebers zugrunde (BTDrucks 15/1945, S. 15 f.):

32

Nach der Rechtsprechung des BVerfG zum Gleichheitssatz (Urteil vom 27. Juni 1991  2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654, "Zinsurteil") habe der Gesetzgeber sicherzustellen, dass alle Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Daraus ergebe sich, dass die Finanzbehörden aufgrund ihrer gesetzlichen Befugnisse in der Lage sein müssten, die Angaben des Steuerpflichtigen zu überprüfen. Die gesetzlichen Befugnisse reichten hierfür im Wesentlichen zwar aus, könnten aber derzeit nicht optimal ausgeschöpft werden. Die Finanzbehörden müssten auch organisatorisch und technisch fähig sein, die zulässigen Überprüfungen effizient vorzunehmen. Dazu sei eine enge Zusammenarbeit der Finanzbehörden erforderlich. Wesentliche Voraussetzung hierfür sei die eindeutige Identifizierung des Steuerpflichtigen. Die gegenwärtige Zuweisung einer Steuernummer, die nicht dauerhaft vergeben werde und daher auch nicht eindeutig sei, sei für behördenübergreifende Zwecke kaum geeignet. In den heutigen Verfahren könne z.B. eine minimale Abweichung bei der Schreibweise eines Namens ("Ullrich" statt "Ulrich") eine eindeutige Identifikation unmöglich machen. Steuerpflichtige könnten auf diese Weise bewusst eine falsche Identität vortäuschen und so steuerliche Leistungen oder Vergünstigungen zu Unrecht erlangen. Die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder beanstandeten seit Jahrzehnten die mangelhafte Auswertung steuererheblicher Informationen durch die Finanzämter. Die Auswertung unterbleibe in vielen Fällen, weil die vorhandenen Informationen überhaupt nicht zugeordnet werden könnten. Hier könne --bei föderalem Aufbau der Steuerverwaltung in Deutschland-- nur die Einführung eines einheitlichen Identifikationsmerkmals für das Besteuerungsverfahren Abhilfe schaffen. Ein Steuernummernsystem, das die Identifikation der Steuerpflichtigen ermöglichen solle, setze voraus, dass jeder Steuerpflichtige nur eine Nummer erhalte (Eindeutigkeit), die Nummer sich während der gesamten Dauer der Steuerpflicht nicht ändere und das gesamte System dauerhaft Bestand habe (Beständigkeit, Unveränderlichkeit). Darüber hinaus werde durch Einführung eines derartigen Steuernummernsystems ein wesentlicher Beitrag zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens --insbesondere im Hinblick auf die beabsichtigte Modernisierung des Lohnsteuerverfahrens-- geleistet. Die Vergabe weiterer Steuernummern, z.B. für verschiedene Steuerarten oder in Fällen des Wechsels des Wohn- oder Betriebssitzes, werde in Zukunft entbehrlich. Das Identifikationsmerkmal erlaube darüber hinaus die Zuordnung der neuen elektronischen Lohnsteuerbescheinigung und werde u.a. auch die Funktion der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer umfassen. Dies baue Bürokratie ab und erhöhe die Transparenz des Besteuerungsverfahrens.

33

3. Die auf die Identifikationsnummer bezogenen Vorschriften der §§ 139a und 139b AO verstoßen aufgrund dieser Zielsetzung des Gesetzgebers und ihrer zweckentsprechenden, den Datenschutz wahrenden Ausgestaltung nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

34

a) Das auf dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG beruhende Recht auf informationelle Selbstbestimmung trägt Gefährdungen und Verletzungen der Persönlichkeit Rechnung, die sich für den Einzelnen, insbesondere unter den Bedingungen moderner Datenverarbeitung, aus informationsbezogenen Maßnahmen ergeben (BVerfG-Entscheidungen vom 15. Dezember 1983  1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, 41 ff.; vom 12. April 2005  2 BvR 1027/02, BVerfGE 113, 29, 45 f.; vom 4. April 2006  1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, 341 f.; vom 13. Juni 2007  1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, 183 f., BStBl II 2007, 896, und vom 11. März 2008  1 BvR 2074/05 u.a., BVerfGE 120, 378, 397). Dieses Recht flankiert und erweitert den grundrechtlichen Schutz von Verhaltensfreiheit und Privatheit; es lässt ihn schon auf der Stufe der Persönlichkeitsgefährdung beginnen (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 118, 168, 184, BStBl II 2007, 896, und in BVerfGE 120, 378, 397).

35

Eine derartige Gefährdungslage kann bereits im Vorfeld konkreter Bedrohungen von Rechtsgütern entstehen. Mittels elektronischer Datenverarbeitung sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer Person unbegrenzt speicherbar und jederzeit und ohne Rücksicht auf Entfernungen in Sekundenschnelle abrufbar. Sie können darüber hinaus mit anderen Datensammlungen zusammengefügt werden, wodurch vielfältige Nutzungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten entstehen (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 65, 1, 42; in BVerfGE 115, 320, 342, und in BVerfGE 120, 378, 397 f.). Dadurch können weitere Informationen bis hin zu einem teilweise oder weitgehend vollständigen Persönlichkeitsbild erzeugt und so Schlüsse gezogen werden, die sowohl die grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen beeinträchtigen als auch anschließende Eingriffe in seine Verhaltensfreiheit nach sich ziehen können, ohne dass der Betroffene die Richtigkeit und Verwendung der gespeicherten Informationen zureichend kontrollieren kann (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 65, 1, 42; in BVerfGE 118, 168, 184 f., BStBl II 2007, 896, und in BVerfGE 120, 378, 398). Eine weitere Besonderheit des Eingriffspotentials von Maßnahmen der elektronischen Datenverarbeitung liegt in der Menge der verarbeitbaren Daten, die auf konventionellem Wege gar nicht bewältigt werden könnte. Der mit solchen technischen Möglichkeiten einhergehenden gesteigerten Gefährdungslage entspricht der hierauf bezogene Grundrechtsschutz (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 65, 1, 42; in BVerfGE 115, 320, 342, und in BVerfGE 120, 378, 398).

36

Der Schutzumfang des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beschränkt sich nicht auf Informationen, die bereits ihrer Art nach sensibel sind und schon deshalb grundrechtlich geschützt werden. Auch der Umgang mit personenbezogenen Daten, die für sich genommen nur geringen Informationsgehalt haben, kann, je nach seinem Ziel und den bestehenden Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten, grundrechtserhebliche Auswirkungen auf die Privatheit und Verhaltensfreiheit des Betroffenen haben. Insofern gibt es unter den Bedingungen der elektronischen Datenverarbeitung kein schlechthin, also ungeachtet des Verwendungskontextes, belangloses personenbezogenes Datum mehr (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 65, 1, 45; in BVerfGE 118, 168, 185, BStBl II 2007, 896, und in BVerfGE 120, 378, 398 f.).

37

Auch entfällt der grundrechtliche Schutz nicht schon deshalb, weil die betroffene Information öffentlich zugänglich ist. Auch wenn der Einzelne sich in die Öffentlichkeit begibt, schützt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dessen Interesse, dass die damit verbundenen personenbezogenen Informationen nicht im Zuge automatisierter Informationserhebung zur Speicherung mit der Möglichkeit der Weiterverwertung erfasst werden (BVerfG-Urteil in BVerfGE 120, 378, 399, m.w.N.).

38

b) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne hat nicht ein Recht im Sinne einer absoluten, uneingeschränkten Herrschaft über "seine" Daten; er ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit. Information, auch soweit sie personenbezogen ist, stellt ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann (BVerfG-Urteil in BVerfGE 65, 1, 43 f.). Das GG hat die Spannung zwischen dem Individuum und der Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 65, 1, 44, m.w.N.; vom 5. Februar 2004  2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133, 151, und vom 8. November 2006  2 BvR 578/02 u.a., BVerfGE 117, 71, 89). Der Einzelne muss daher grundsätzlich Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen (BVerfG-Urteil in BVerfGE 65, 1, 44).

39

Solche Einschränkungen müssen auf einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage beruhen. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage betreffen zum einen die gebotene Normenbestimmtheit und Normenklarheit und zum anderen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie richten sich nach der Art und Intensität des Grundrechtseingriffs. Das Gewicht des Eingriffs wird insbesondere von der Art der erfassten Informationen, dem Anlass und den Umständen ihrer Erhebung, dem betroffenen Personenkreis und der Art der möglichen Verwertung der Daten beeinflusst (BVerfG-Urteil in BVerfGE 120, 378, 401 f.).

40

Von maßgebender Bedeutung für das Gewicht des Grundrechtseingriffs ist zum einen, welche Persönlichkeitsrelevanz die Informationen aufweisen, die von der informationsbezogenen Maßnahme erfasst werden (vgl. BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 115, 320, 347 f., und in BVerfGE 120, 378, 402). Mit in den Blick zu nehmen ist zum anderen die Persönlichkeitsrelevanz der Informationen, die durch eine weitergehende Verarbeitung und Verknüpfung der erfassten Informationen gewonnen werden sollen (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 65, 1, 45 f.; in BVerfGE 115, 320, 347 f., und in BVerfGE 120, 378, 402).

41

Eine informationsbezogene Maßnahme kann sich bereits deshalb als schwerwiegend darstellen, weil die erhobenen Informationen für die Persönlichkeit des Betroffenen hohe Relevanz haben oder weil sie auf eine Weise erlangt werden sollen, die die Persönlichkeit erheblich berührt, oder weil Möglichkeiten für eine weitergehende Verarbeitung und Verknüpfung dieser Informationen und zur Nutzung zu einer Vielzahl von Zwecken bestehen. Demgegenüber wiegt ein Eingriff geringer, wenn eine gesetzliche Ermächtigung lediglich die Nutzung bestimmter, im Gesetz ausdrücklich aufgezählter Informationen, die für sich genommen keine gesteigerte Persönlichkeitsrelevanz aufweisen, zu einem näher bestimmten Zweck zulässt (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 118, 168, 197, BStBl II 2007, 896).

42

Werden die Informationen heimlich gewonnen, führt dies zu einer Erhöhung des Gewichts der Freiheitsbeeinträchtigung. Dem Betroffenen wird durch die Heimlichkeit des Eingriffs vorheriger Rechtsschutz faktisch verwehrt und nachträglicher Rechtsschutz kann zumindest erschwert werden. Der Betroffene kann also nicht selbst darauf hinwirken, die Eingriffsintensität durch erfolgreichen Rechtsschutz zu verringern, etwa für die Zukunft zu beseitigen. Die Heimlichkeit staatlicher Informationseingriffe betrifft darüber hinaus die Gesellschaft insgesamt (BVerfG-Urteil in BVerfGE 120, 378, 402 f.).

43

Die Eingriffsintensität ist ferner hoch, wenn Informationen betroffen sind, bei deren Erlangung Vertraulichkeitserwartungen verletzt werden, vor allem solche, die unter besonderem Grundrechtsschutz stehen, wie etwa bei Eingriffen in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG oder das Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 GG (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 320, 348), oder wie sie im Verhältnis von Mandanten zu Rechtsanwälten oder Steuerberatern bestehen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 113, 29, 44 ff.).

44

Ferner ist bedeutsam, ob der Betroffene einen ihm zurechenbaren Anlass, etwa durch eine Rechtsverletzung, für die Erhebung geschaffen hat oder ob sie anlasslos erfolgt und damit praktisch jeden treffen kann. Informationserhebungen gegenüber Personen, die den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben, sind grundsätzlich von höherer Eingriffsintensität als anlassbezogene (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 113, 29, 53; in BVerfGE 115, 320, 354, und in BVerfGE 120, 378, 402). Werden Personen, die keinen Erhebungsanlass gegeben haben, in großer Zahl in den Wirkungsbereich einer Maßnahme einbezogen, können von ihr auch allgemeine Einschüchterungseffekte ausgehen, die zu Beeinträchtigungen bei der Ausübung von Grundrechten führen können (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 113, 29, 46 f., und in BVerfGE 120, 378, 402). Die Unbefangenheit des Verhaltens wird insbesondere gefährdet, wenn die Streubreite von Ermittlungsmaßnahmen dazu beiträgt, dass Risiken des Missbrauchs und ein Gefühl des Überwachtwerdens entstehen (vgl. BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 115, 320, 354 f., und in BVerfGE 120, 378, 402).

45

Die Intensität des Eingriffs für den Grundrechtsträger wird auch davon beeinflusst, welche über die Informationserhebung hinausgehenden Nachteile ihm aufgrund der Maßnahme drohen oder von ihm nicht ohne Grund befürchtet werden (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 14. Juli 1999  1 BvR 2226/94 u.a., BVerfGE 100, 313, 376; in BVerfGE 115, 320, 347 f.; in BVerfGE 118, 168, 197, BStBl II 2007, 896, und in BVerfGE 120, 378, 403). Die Schwere des Eingriffs nimmt mit der Möglichkeit der Nutzung der Daten für Folgeeingriffe in Grundrechte der Betroffenen zu sowie mit der Möglichkeit der Verknüpfung mit anderen Daten, die wiederum andere Folgemaßnahmen auslösen können (BVerfG-Urteil in BVerfGE 120, 378, 403).

46

c) Die Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die in der Zuteilung der Identifikationsnummer nach § 139a Abs. 1 AO, der in § 139b Abs. 3 AO vorgesehenen Datenspeicherung sowie der in § 139b Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie Abs. 4 AO zugelassenen Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer und der gespeicherten Daten liegen, sind nach diesen Grundsätzen verfassungsrechtlich zulässig (Wiese, a.a.O., § 139a Rz 6 ff.; Cöster, a.a.O., § 139a Rz 3; Schmitz, a.a.O., Vor §§ 139a bis 139d Rz 19 f.; Rätke, a.a.O., § 139b Rz 4; Seer, Deutsches Steuerrecht 2008, 1553, 1557 f., unter Hinweis darauf, dass in den westlichen Industriestaaten die lebenslange Steuernummer eine pure Selbstverständlichkeit sei und dem Standard innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung entspreche).

47

aa) Das Ziel, auf effektive Weise sowohl hinsichtlich der Festsetzung als auch der Erhebung von Steuern für Belastungsgleichheit zu sorgen, ist ein Allgemeingut von herausgehobener Bedeutung, das durch den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) grundrechtlich gewährleistet wird. Der Gesetzgeber muss daher das materielle Steuergesetz in ein verfahrensrechtliches Umfeld einbetten, das grundsätzlich geeignet ist, die tatsächliche Leistungsgleichheit der Steuerpflichtigen zu gewährleisten (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 84, 239, 268 ff., BStBl II 1991, 654; vom 9. März 2004  2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, 112 ff., BStBl II 2005, 56, und in BVerfGE 118, 168, 196, BStBl II 2007, 896). Bei der Erleichterung des Steuerverfahrens, der vollständigen Erfassung der Steuerquellen und der Sicherstellung der gesetzmäßigen, d.h. insbesondere gleichmäßigen Besteuerung handelt es sich um öffentliche Interessen, die im Rechtsstaatsprinzip und Gleichbehandlungsgebot verankert sind und deshalb einen Rang haben, der über das nur fiskalische Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens hinausgeht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, 281, BStBl II 1991, 654).

48

Diesen Zielen dient die Identifikationsnummer unter Beachtung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auf vielfältige Art und Weise:

49

aaa) Die Identifikationsnummer ist gemäß § 22a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in den Rentenbezugsmitteilungen anzugeben, die die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, die berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die Pensionskassen, die Pensionsfonds, die Versicherungsunternehmen und die anderen in § 22a Abs. 1 Satz 1 EStG genannten Mitteilungspflichtigen an die zentrale Stelle (Deutsche Rentenversicherung Bund, § 81 EStG) zu übermitteln haben. Die Finanzämter können nach der Weiterleitung der Rentenbezugsmitteilungen an sie auf deren Grundlage prüfen, ob die Leistungsempfänger insoweit einkommensteuerrechtlich zutreffend erfasst wurden, und auf die vollständige und richtige Erfassung hinwirken. Dies dient dem gleichmäßigen und effektiven Vollzug des EStG in einem Bereich, der aufgrund der Vielzahl der Leistungsempfänger von sehr großer Bedeutung ist und zugleich fehleranfällig wäre, wenn die Finanzverwaltung wie früher Renten im Wesentlichen nur dann einkommensteuerrechtlich erfassen könnte, wenn sie in einer Einkommensteuererklärung angegeben würden. Die Identifikationsnummer ermöglicht nunmehr die in einem Massenverfahren erforderliche sichere und praktikable Zuordnung der von einer großen Zahl von Mitteilungspflichtigen durch Datenfernübertragung (§ 22a Abs. 1 Satz 2 EStG) übersandten Rentenbezugsmitteilungen. Das Mitteilungsverfahren macht es entbehrlich, dass bereits bei der Auszahlung von Renten ein Steuerabzug vorgenommen wird, wie es bei Arbeitslöhnen und Kapitalerträgen geschieht.

50

Dem verfassungsrechtlich gebotenen Datenschutz dienen dabei mehrere sich ergänzende Regelungen:

51

Die Deutsche Rentenversicherung Bund als zentrale Stelle gemäß § 81 EStG wird bei der Erfüllung der Aufgaben nach § 22a EStG nicht als Träger der Rentenversicherung, sondern gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 18 Satz 1 Buchst. c und d und Satz 2 FVG im Wege der Organleihe für das BZSt tätig und handelt insoweit als Finanzbehörde (§ 6 Abs. 2 Nr. 7 AO), deren Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren haben (§ 30 AO, § 355 des Strafgesetzbuchs --StGB--). § 30 AO schützt als Gegenstück zu den weitgehenden Offenbarungspflichten das Steuergeheimnis und wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die angesichts der Gefahren der automatisierten Datenverarbeitung bestehen, gerecht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, 280, BStBl II 1991, 654).

52

Die Deutsche Rentenversicherung Bund führt nach § 22a Abs. 2 Satz 5 EStG eine ausschließlich automatisierte Prüfung der ihr übermittelten Daten daraufhin durch, ob sie vollständig und schlüssig sind und ob das vorgeschriebene Datenformat verwendet worden ist. Sie speichert die Daten des Leistungsempfängers nur für Zwecke dieser Prüfung bis zur Mitteilung an das BZSt oder an den Mitteilungspflichtigen (§ 22a Abs. 2 Satz 6 EStG). Ein längerfristig nutzbarer Datenpool entsteht demgemäß bei ihr nicht. Die Daten sind zudem gemäß § 22a Abs. 2 Satz 7 EStG für die Übermittlung zwischen ihr und dem BZSt zu verschlüsseln.

53

Der Mitteilungspflichtige seinerseits darf die Identifikationsnummer gemäß § 22a Abs. 2 Satz 9 EStG nur verwenden, soweit dies für die Erfüllung der Mitteilungspflicht nach § 22a Abs. 1 Satz 1 EStG erforderlich ist. Die Beachtung dieser Vorschrift ist durch die Bußgeldvorschrift in § 50f Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG abgesichert.

54

bbb) Die Identifikationsnummer bildet die Grundlage für die Ersetzung der Lohnsteuerkarten durch ein zeitgemäßes elektronisches Verfahren nach §§ 39e und 41b EStG sowie der Übergangsregelung des gemäß Art. 2 Nr. 36 i.V.m. Art. 25 Abs. 5 BeitrRLUmsG am 1. Januar 2013 außer Kraft tretenden § 52b EStG und dient dabei sowohl dem Abbau von Bürokratie bei Behörden und Arbeitgebern als auch einem gleichmäßigen Gesetzesvollzug. Die Gemeinden mussten letztmalig für das Kalenderjahr 2010 Lohnsteuerkarten ausstellen und den Arbeitnehmern übermitteln (§ 39 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 39e Abs. 9 Satz 2 EStG in der vor dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung --EStG a.F.--). Der Wegfall des Aufwands für die Ausstellung und Übermittlung der Lohnsteuerkarten stellt für die Gemeinden eine wesentliche Erleichterung dar. Für die Arbeitgeber entfällt die aufwendige und fehleranfällige manuelle Übertragung der Daten von den Lohnsteuerkarten in die elektronische Lohnbuchhaltung, sobald die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) anwendbar sind. Dies ist von dem durch das BMF bestimmten Anwendungszeitpunkt an der Fall (§ 52b Abs. 5 Satz 1 EStG; für die in § 39 Abs. 4 Nrn. 4 und 5 EStG genannten Lohnsteuerabzugsmerkmale vgl. § 52 Abs. 50g EStG; vgl. dazu auch BMF-Schreiben vom 6. Dezember 2011, BStBl II 2011, 1254). Die bei den in Papierform vorliegenden Lohnsteuerkarten gegebenen Fälschungsmöglichkeiten entfallen dann ebenfalls. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Ausführungen unten II.C.5. verwiesen.

55

ccc) Die Identifikationsnummer dient im Rahmen der Übermittlung von Vorsorgeaufwendungen durch Datenfernübertragung nach § 10 Abs. 2a Sätze 4 ff. und § 10a Abs. 5 EStG der eindeutigen und praktikablen Zuordnung zu den jeweils betroffenen Steuerpflichtigen. Da es sich auch insoweit um ein Massenverfahren handelt, kommt dem besondere Bedeutung zu.

56

Um dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eines besonderen Datenschutzes zu gewähren, dürfen die Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und Nr. 3 EStG gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Satz 3 i.V.m. Abs. 2a Satz 4 EStG nur mit schriftlicher Einwilligung des Steuerpflichtigen übermittelt werden, soweit die Einwilligung nicht nach § 10 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 EStG als erteilt gilt. Die Einwilligung kann nach Maßgabe des § 10 Abs. 2a Sätze 2 f. EStG widerrufen werden.

57

Die Deutsche Rentenversicherung Bund, an die als zentrale Stelle (§ 81 EStG) die Daten gemäß § 10 Abs. 2a Satz 4 EStG durch Datenfernübertragung zu übermitteln sind, wird auch insoweit im Wege der Organleihe für das BZSt tätig (§ 5 Abs. 1 Nr. 18 Satz 1 Buchst. a und Satz 2 FVG) und handelt als Finanzbehörde (§ 6 Abs. 2 Nr. 7 AO), deren Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren haben (§ 30 AO, § 355 StGB). Dem Datenschutz dient auch die in § 10 Abs. 2a Satz 5 EStG angeordnete entsprechende Anwendung des § 22a Abs. 2 EStG (vgl. dazu oben II.C.3.c aa aaa). Eine über die in § 22a Abs. 2 Satz 5 EStG vorgesehene ausschließlich automatisierte Prüfung hinausgehende Prüfungsmöglichkeit steht dem BZSt gemäß § 10 Abs. 2a Satz 11 EStG nur hinsichtlich der nach § 10 Abs. 2 Satz 3 EStG zu übermittelnden Daten zu. Eine Kontrollmöglichkeit für den Steuerpflichtigen ergibt sich daraus, dass ihn die übermittelnde Stelle gemäß § 10 Abs. 2a Satz 9 EStG über die Höhe der nach § 10 Abs. 2a Sätze 4, 6 oder 7 EStG übermittelten Beiträge für das Beitragsjahr zu unterrichten hat.

58

Die Datenübermittlung nach § 10a Abs. 5 Satz 1 EStG durch Datenfernübertragung an die Deutsche Rentenversicherung Bund als zentrale Stelle setzt ebenfalls die --widerrufliche-- Einwilligung des Steuerpflichtigen oder der Ehegatten gemäß § 10a Abs. 2a EStG voraus. Die Deutsche Rentenversicherung Bund wird auch insoweit im Wege der Organleihe für das BZSt tätig (§ 5 Abs. 1 Nr. 18 Satz 1 Buchst. b und Satz 2 FVG) und handelt als Finanzbehörde (§ 6 Abs. 2 Nr. 7 AO), deren Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren haben (§ 30 AO, § 355 StGB). Dem Datenschutz dient auch die in § 10a Abs. 5 Satz 2 EStG angeordnete entsprechende Anwendung des § 22a Abs. 2 EStG (vgl. dazu oben II.C.3.c aa aaa). Eine über die in § 22a Abs. 2 Satz 5 EStG vorgesehene ausschließlich automatisierte Prüfung hinausgehende Prüfungsmöglichkeit steht dem BZSt gemäß § 10a Abs. 5 Satz 4 EStG zu, wobei der Datenabgleich nach § 91 EStG ebenfalls automatisiert vorgenommen wird.

59

ddd) Die Identifikationsnummer wird künftig auch dazu beitragen, dass Steuerausfälle hinsichtlich der Kapitalertragsteuer vermieden werden. Die Meldestelle hat nämlich gemäß § 45d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52a Abs. 16 Satz 9 EStG i.d.F. des Art. 1 Nr. 31 Buchst. a und Nr. 39 Buchst. f Doppelbuchst. cc des Jahressteuergesetzes (JStG) 2010 vom 8. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1768) für Kapitalerträge, die ab dem 1. Januar 2013 zufließen, die Identifikationsnummer anzugeben, für Kapitalerträge, die vor dem 1. Januar 2016 zufließen, jedoch nur, wenn sie ihr vorliegt. Die Angabe der Identifikationsnummer wird eine eindeutige Zuordnung der Mitteilungen der Meldestellen an das BZSt zu bestimmten Steuerpflichtigen ermöglichen. Es kann dann mit der erforderlichen Sicherheit und angemessenem Verwaltungsaufwand geprüft werden, ob Freistellungsaufträge nur bis zur gesetzlich vorgesehenen Obergrenze erteilt wurden (§ 20 Abs. 9, § 44a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2a Satz 1, § 45d Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG). Dem Datenschutz dient dabei die Regelung des § 44a Abs. 2a Satz 8 EStG, nach der die Meldestelle (§ 45d Abs. 1 Satz 1 EStG) die Identifikationsnummer nur verwenden darf, soweit dies zur Erfüllung von steuerlichen Pflichten erforderlich ist. Der Steuerpflichtige kann auch auf die Abgabe eines Freistellungsauftrags verzichten und braucht dann gegenüber der Meldestelle die Identifikationsnummer nicht anzugeben. Der Sparer-Pauschbetrag (§ 20 Abs. 9 EStG) kann dann im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung geltend gemacht werden (§ 25 Abs. 1, § 32d, § 43 Abs. 5 Satz 3 EStG).

60

eee) Die Angabe der Identifikationsnummer dient auch bei der Abstandnahme vom Abzug von Kapitalertragsteuer bei unentgeltlichen Vermögensübertragungen sowie bei betrieblichen Kapitaleinkünften der im Interesse eines gleichmäßigen Gesetzesvollzugs gebotenen Kontrolle (vgl. im Einzelnen § 43 Abs. 1 Sätze 5 f., Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, Sätze 7 f. EStG). Die Steuerpflichtigen brauchen von diesen Möglichkeiten der Abstandnahme vom Abzug von Kapitalertragsteuer keinen Gebrauch zu machen, wenn sie beispielsweise die Angabe der Identifikationsnummer vermeiden wollen.

61

fff) Der im Interesse eines gleichmäßigen Gesetzesvollzugs gebotenen Kontrolle dient ebenfalls die Meldung von Versicherungsverträgen mit Versicherungsunternehmen mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland (§ 45d Abs. 3 Satz 1 EStG), bei der u.a. die Identifikationsnummer des Versicherungsnehmers zu ermitteln ist (§ 45d Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG).

62

ggg) Das BZSt kann die Identifikationsnummer und die dazu gespeicherten Daten nutzen, um die aufgrund der Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3. Juni 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen --EU-Zinsrichtlinie-- (Amtsblatt der Europäischen Union 2003 Nr. L 157 S. 38) eingehenden Meldungen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf sichere und praktikable Art und Weise dem jeweils betroffenen Steuerpflichtigen zuordnen und an das zuständige Finanzamt (FA) zur Auswertung weiterleiten zu können. Die Zuständigkeit des BZSt für die Entgegennahme der Daten über Zinszahlungen an wirtschaftliche Eigentümer, die im Inland ansässig sind, von den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten und für die Übermittlung der Daten an die Landesfinanzverwaltungen zum Zwecke der Besteuerung ergibt sich aus § 9 Abs. 3 der Zinsinformationsverordnung. Hat die ausländische Zahlstelle die Identifikationsnummer des inländischen wirtschaftlichen Eigentümers ermittelt, wie dies in Art. 3 Abs. 2 Buchst. b Satz 1 EU-Zinsrichtlinie vorgesehen ist, braucht das BZSt keine weiteren Ermittlungen zum wirtschaftlichen Eigentum mehr anzustellen. Dies ist ein wesentlicher Beitrag zum Abbau von Bürokratie.

63

hhh) Nach den Ausführungen des BMF wird die Identifikationsnummer im Familienleistungsausgleich (§§ 31, 32 und 62 bis 78 EStG) sowohl zu einem erheblichen Bürokratieabbau als auch zur Vermeidung von Missbrauch führen. Sobald einem Kind eine Identifikationsnummer zugeteilt und die zuständige Familienkasse als zuständige Finanzbehörde gespeichert ist (§ 139b Abs. 3 Nr. 11 i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 6 AO, § 70 Abs. 1, § 72 EStG, § 5 Abs. 1 Nr. 11 FVG), kann ein Doppelbezug von Kindergeld von verschiedenen Familienkassen vermieden werden.

64

iii) Die Verwendung der Identifikationsnummer ist ferner im Rahmen der Neuregelung des Abzugs von Kirchensteuer vom Kapitalertrag in § 51a Abs. 2c und 2e EStG durch Art. 2 Nr. 33 Buchst. b und c BeitrRLUmsG (vgl. oben II.C. vor 1.) vorgesehen, die gemäß § 52a Abs. 18 Satz 2 EStG i.d.F. des Art. 2 Nr. 35 Buchst. b BeitrRLUmsG erstmals auf nach dem 31. Dezember 2013 zufließende Kapitalerträge anzuwenden ist. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Ausführungen unter II.C.6. verwiesen.

65

bb) Die Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch §§ 139a und 139b AO sind gegenüber den Interessen des Gemeinwohls, denen die gesetzlich vorgesehene Anwendung der Identifikationsnummer dient, nicht von ausschlaggebendem Gewicht. Ihre Bedeutung und Tragweite sind sowohl in ihrem materiellen Gehalt als auch aufgrund der vom Gesetzgeber getroffenen klaren Regelungen über die Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer und der gespeicherten Daten relativ gering.

66

aaa) Die Identifikationsnummer stellt als solche lediglich ein behördliches Ordnungsmerkmal dar, das gemäß § 139a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AO aus einer Ziffernfolge besteht, die nicht aus anderen Daten über den Steuerpflichtigen gebildet oder abgeleitet werden darf und daher keinen Rückschluss auf dessen Person zulässt.

67

bbb) Die Zwecke, zu denen die Finanzbehörden sowie andere öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen die Identifikationsnummer erheben und verwenden dürfen, sind in § 139b Abs. 2 AO klar und deutlich sowie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung entsprechend restriktiv geregelt.

68

Die Finanzbehörden dürfen die Identifikationsnummer gemäß § 139b Abs. 2 Satz 1 AO nur erheben und verwenden, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer ausdrücklich erlaubt oder anordnet.

69

Unter "Erheben" der Identifikationsnummer ist gemäß § 3 Abs. 3 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) deren Beschaffen zu verstehen, also die Kenntnisnahme von der Identifikationsnummer und die darauf abzielenden Maßnahmen (Wiese, a.a.O., § 139b Rz 7).

70

§ 139b Abs. 2 Satz 1 AO schränkt die Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer durch die Finanzbehörden in mehrfacher Hinsicht ein:

71

-       Die 1. Alternative der Vorschrift verlangt das Vorliegen einer "gesetzlichen" Aufgabe. Diese Formulierung ist enger als § 13 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 Satz 1 BDSG, die auf die Erforderlichkeit der Datenerhebung sowie der Datenspeicherung, -veränderung und -nutzung zur Erfüllung der Aufgaben der verantwortlichen Stelle bzw. zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden Aufgaben abstellen. Eine "gesetzliche" Aufgabe liegt nur vor, wenn sie durch formelles Gesetz oder durch eine Rechtsverordnung, die auf einem formellen Gesetz beruht, begründet ist. Durch Satzungen zugewiesene Aufgaben genügen nicht (Wiese, a.a.O., § 139b Rz 9).

72

Nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen, aber aus dessen Sinn und Zweck (insbesondere Sicherstellung der steuerlichen Lastengleichheit und Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens, vgl. oben II.C.2.) sowie aus der in § 14 Abs. 1 Satz 1 BDSG geregelten Zweckbindung ersichtlich ist, dass die gesetzlichen Aufgaben steuerlicher Art sein müssen (Wiese, a.a.O., § 139b Rz 10). Für andere Zwecke darf die Identifikationsnummer demnach grundsätzlich nicht verwendet werden. Der Familienleistungsausgleich nach Maßgabe der §§ 31, 32 und 62 bis 78 EStG rechnet dabei zu den gesetzlichen Aufgaben steuerlicher Art (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 6 AO, § 5 Abs. 1 Nr. 11 FVG, § 70 Abs. 1, § 72 EStG sowie oben II.C.3.c aa hhh).

73

Die Finanzbehörden dürfen zudem die Identifikationsnummer nur erheben und verwenden, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben "erforderlich" ist. Der Grundsatz der Erforderlichkeit ist ein elementarer Bestandteil des Datenschutzrechts, der verhindert, dass Daten willkürlich zusammengetragen werden. Der Begriff "Erforderlichkeit" ist als unbestimmter Rechtsbegriff auslegungsbedürftig. Die Frage der Erforderlichkeit beurteilt sich danach, ob und inwieweit die Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer notwendig ist, um die Aufgabe rechtmäßig, vollständig und in angemessener Zeit erfüllen zu können (Wiese, a.a.O., § 139b Rz 11).

74

-       Sind die Voraussetzungen des § 139b Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 AO nicht erfüllt, dürfen die Finanzbehörden die Identifikationsnummer nach § 139b Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 AO erheben und verwenden, soweit eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer ausdrücklich erlaubt oder anordnet. Diese Regelung folgt dem allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsatz, dass Ausnahmen vom Zweckbindungsprinzip aufgrund einer Rechtsvorschrift zulässig sind (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 BDSG). Unter den Begriff "Rechtsvorschrift" fallen Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen, nicht aber Verwaltungsvorschriften, Richtlinien oder Erlasse. Die Verwendung der Identifikationsnummer muss in der Rechtsvorschrift ausdrücklich, also eindeutig und unmissverständlich erlaubt oder angeordnet werden (Wiese, a.a.O., § 139b Rz 12). Die Rechtsvorschrift muss zudem ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen.

75

Andere öffentliche oder nicht öffentliche Stellen dürfen nach § 139b Abs. 2 Satz 2 AO

1. die Identifikationsnummer nur erheben oder verwenden, soweit dies für Datenübermittlungen zwischen ihnen und den Finanzbehörden erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer ausdrücklich erlaubt oder anordnet,

2. ihre Dateien nur insoweit nach der Identifikationsnummer ordnen oder für den Zugriff erschließen, als dies für regelmäßige Datenübermittlungen zwischen ihnen und den Finanzbehörden erforderlich ist.

76

Der Begriff der öffentlichen Stellen ist in § 2 Abs. 1 bis 3 BDSG definiert, der der nicht öffentlichen Stellen in § 2 Abs. 4 BDSG.

77

Die in § 139b Abs. 2 Satz 2 AO bestimmten Voraussetzungen für die Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer einschließlich des Grundsatzes der Erforderlichkeit sind strikt zu beachten und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Rechtsvorschriften i.S. des § 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO, die die Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer erlauben oder anordnen, müssen dies ausdrücklich tun und ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen.

78

Beispiele für solche Rechtsvorschriften sind § 39 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 39e Abs. 9 Satz 3 EStG, wonach die Gemeinden auf den Lohnsteuerkarten für 2009 und 2010 die Identifikationsnummer des Arbeitnehmers einzutragen hatten, § 39e Abs. 4, § 41b Abs. 2 Satz 3 und § 52b Abs. 5 EStG hinsichtlich der Erhebung und Verwendung der Identifikationsnummer durch den Arbeitgeber sowie § 10 Abs. 2a Satz 4, § 10a Abs. 4 Satz 5 und § 22a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, wonach die Identifikationsnummer bei der auf Vorsorgeaufwendungen bezogenen Datenübermittlung und in der Rentenbezugsmitteilung anzugeben ist (vgl. im Einzelnen oben II.C.3.c bb). Ob diese Vorschriften in jeder Hinsicht verfassungsgemäß sind, braucht im vorliegenden Verfahren nicht geprüft zu werden, da sich aus dieser Frage keine Rückwirkungen auf die Verfassungsmäßigkeit der §§ 139a und 139b AO ergeben.

79

Der Gesetzgeber hat Vorsorge dafür getroffen, dass die öffentlichen und die nicht öffentlichen Stellen die Vorschriften des § 139b Abs. 2 Satz 2 AO beachten. Zum einen sind Vertragsbestimmungen und Einwilligungserklärungen, die darauf gerichtet sind, eine nach diesen Vorschriften nicht zulässige Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer zu ermöglichen, nach § 139b Abs. 2 Satz 3 AO unwirksam. Zum anderen stellen vorsätzliche oder leichtfertige Verstöße nicht öffentlicher Stellen gegen § 139b Abs. 2 Satz 2 AO nach § 383a AO eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu 10.000 € geahndet werden kann.

80

ccc) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist auch die in § 139b Abs. 3 AO vorgeschriebene Speicherung von Daten zu natürlichen Personen durch das BZSt.

81

Das BZSt speichert zu natürlichen Personen die in § 139b Abs. 3 AO genannten Daten, nämlich Identifikationsnummer, Wirtschafts-Identifikationsnummern, Familienname, frühere Namen, Vornamen, Doktorgrad, Tag und Ort der Geburt, Geschlecht, gegenwärtige oder letzte bekannte Anschrift, zuständige Finanzbehörden, Übermittlungssperren nach dem Melderechtsrahmengesetz (MRRG) und den Meldegesetzen der Länder, Sterbetag.

82

Diese Daten dienen abgesehen von der Angabe der zuständigen Finanzbehörden (§ 139b Abs. 3 Nr. 11 AO) und der Übermittlungssperren nach dem MRRG und den Meldegesetzen der Länder (§ 139b Abs. 3 Nr. 12 AO) der eindeutigen Identifizierung der aufgrund der Steuerpflicht erfassten natürlichen Personen und weisen für sich genommen keine gesteigerte Persönlichkeitsrelevanz auf. Sie stellen kein Persönlichkeitsprofil des Steuerpflichtigen dar, bilden seine Persönlichkeit auch nicht teilweise ab und lassen keine Einblicke in oder Rückschlüsse auf Art und Intensität von Beziehungen, Kommunikationsverhalten und Kommunikationsinhalt, soziales Umfeld, persönliche Angelegenheiten, Interessen, Neigungen und Gewohnheiten sowie Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu. Die Speicherung der Daten beeinträchtigt nicht die grundrechtlich geschützte Freiheit des Einzelnen, aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu entscheiden, und ist auch nicht geeignet, ihn einzuschüchtern oder an der Ausübung von Grundrechten zu hindern. Die Speicherung von Übermittlungssperren nach § 18 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 5 und 7 MRRG und den Meldegesetzen der Länder (§ 139b Abs. 3 Nr. 12 AO) dient dem Interesse der betroffenen Steuerpflichtigen.

83

Die vom BZSt zu speichernden Daten werden zudem nicht heimlich erhoben. Das BZSt hat vielmehr den Steuerpflichtigen nach § 139a Abs. 1 Satz 4 AO und § 6 Abs. 1 StIdV unverzüglich über die ihm zugeteilte Identifikationsnummer und die übrigen beim BZSt zu seiner Person gespeicherten Daten zu unterrichten. Der Steuerpflichtige wird somit in die Lage versetzt, etwaige fehlerhaft erfasste Daten berichtigen zu lassen. Das BZSt hat dem Steuerpflichtigen darüber hinaus gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BDSG auf Antrag Auskunft zu erteilen über die zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen, und die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, an die die Daten weitergegeben werden.

84

Vertraulichkeitserwartungen, wie sie etwa hinsichtlich der Wohnung als geschütztem privatem Bereich oder bei der Telekommunikation oder im Verhältnis von Mandanten zu Rechtsanwälten oder Steuerberatern (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 113, 29, 44 ff.) bestehen, sind durch die Speicherung der Daten nicht betroffen.

85

Die Steuerpflichtigen sind zudem nicht verpflichtet, selbst die Daten gegenüber dem BZSt offen zu legen. Vielmehr sind die Meldebehörden nach Maßgabe von § 139b Abs. 6 bis 8 AO, §§ 2, 3 StIdV zur Datenübermittlung an das BZSt verpflichtet. Gespeichert werden nur Daten, die den Meldebehörden und/oder den Finanzbehörden bereits bekannt sind.

86

ddd) Das BZSt darf über die in § 139b Abs. 3 AO genannten Daten hinaus weitere Daten zu der Identifikationsnummer nur speichern, soweit dies Bundesrecht zulässt oder anordnet, wie etwa § 39e Abs. 2 EStG hinsichtlich der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (vgl. dazu unten II.C.5.). Eine entsprechende Rechtsvorschrift muss ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen.

87

eee) Die Verwendung der nach § 139b Abs. 3 AO gespeicherten Daten ist in § 139b Abs. 4 und 5 AO klar und eindeutig sowie zweckbezogen geregelt.

88

Die in § 139b Abs. 3 AO aufgeführten Daten werden gemäß § 139b Abs. 4 AO gespeichert, um

1. sicherzustellen, dass eine Person nur eine Identifikationsnummer erhält und eine Identifikationsnummer nicht mehrfach vergeben wird,

2. die Identifikationsnummer eines Steuerpflichtigen festzustellen,

3. zu erkennen, welche Finanzbehörden für einen Steuerpflichtigen zuständig sind,

4. Daten, die aufgrund eines Gesetzes oder nach über- und zwischenstaatlichem Recht entgegenzunehmen sind, an die zuständigen Stellen weiterleiten zu können,

5. den Finanzbehörden die Erfüllung der ihnen durch Rechtsvorschrift zugewiesenen Aufgaben zu ermöglichen.

89

Für weitere Zwecke dürfen die Daten gemäß § 139b Abs. 5 Satz 1 AO nicht verwendet werden, auch nicht im Wege der Amtshilfe (Schmitz, a.a.O., § 139b Rz 8; Wiese, a.a.O., § 139b Rz 21; Brandis, a.a.O., Erläuterung zu § 139b AO). Die allgemeinen Vorschriften der §§ 14 bis 16 BDSG über die Nutzung und Übermittlung von Daten an öffentliche und nicht öffentliche Stellen sind danach nicht anwendbar (BTDrucks 15/1945, S. 16; Wiese, a.a.O., § 139b Rz 21; Schmitz, a.a.O., § 139b Rz 8; Cöster, a.a.O., § 139b Rz 11). Übermittlungssperren nach dem MRRG und den Meldegesetzen der Länder sind nach § 139b Abs. 5 Satz 2 AO zu beachten und im Fall einer zulässigen Datenübermittlung ebenfalls zu übermitteln. Der Dritte, an den die Daten übermittelt werden, hat die Übermittlungssperren nach § 139b Abs. 5 Satz 3 AO ebenfalls zu beachten.

90

In dem in § 139b Abs. 4 Nr. 4 AO geregelten Fall dürfen die in § 139b Abs. 3 AO aufgeführten Daten nur verwendet werden, wenn die Daten, die aufgrund eines Gesetzes oder nach über- und zwischenstaatlichem Recht entgegenzunehmen sind, nicht weitergeleitet werden können, weil die zuständige Stelle, für die die Daten bestimmt sind, nicht bekannt ist und nur anhand der in § 139b Abs. 3 AO aufgeführten Daten ermittelt werden kann. Ist die zuständige Stelle bekannt, ist die Weiterleitung der in Empfang genommenen Daten möglich, ohne dass auf die gemäß § 139b Abs. 3 AO gespeicherten Daten zurückgegriffen zu werden braucht. § 139b Abs. 4 Nr. 4 AO bietet auch keine Grundlage für eine Anreicherung der in Empfang genommenen und weiterzuleitenden Daten um Daten, die beim BZSt gemäß § 139b Abs. 3 AO gespeichert sind, und auch nicht für eine Bekanntgabe der Identifikationsnummer an die zuständige Stelle.

91

Über die in § 139b Abs. 4 AO genannten Zwecke hinaus dürfen die in § 139b Abs. 3 AO aufgeführten Daten gemäß § 139b Abs. 5 Satz 1 AO nach den allgemeinen Regeln über das Verhältnis von Gesetzen zueinander nur verwendet werden, wenn ein Bundesgesetz eine solche Verwendung ausdrücklich erlaubt oder anordnet. Allgemein gehaltene Vorschriften wie etwa §§ 14 bis 16 BDSG oder Landesrecht (vgl. Art. 31 GG) genügen nicht.

92

Die Beachtung des § 139b Abs. 5 AO durch das BZSt wird dadurch abgesichert, dass die Amtsträger dieser Behörde dem Steuergeheimnis nach § 30 AO unterliegen, dessen Verletzung nach Maßgabe des § 355 StGB strafbar ist. Gleiches gilt für die Amtsträger anderer Finanzbehörden, denen die Identifikationsnummer und die dazu gespeicherten Daten übermittelt werden.

93

fff) Verfassungsrechtlich zulässig ist auch, dass die Zuteilung der Identifikationsnummer und die Datenspeicherung nach § 139b Abs. 3 AO bereits dann erfolgen, wenn eine Steuerpflicht dem Grunde nach besteht, ohne dass es darauf ankommt, ob im Einzelfall tatsächlich Steuer geschuldet wird. Es handelt sich dabei nicht um eine unzulässige Vorratsdatenspeicherung. Strikt verboten ist lediglich die Speicherung von personenbezogenen Daten auf Vorrat zu unbestimmten und noch nicht bestimmbaren Zwecken (BVerfG-Urteil vom 2. März 2010  1 BvR 256/08 u.a., BVerfGE 125, 260, 317). Ein solcher Fall ist bei §§ 139a und 139b AO nicht gegeben. Diese Vorschriften bestimmen nämlich den Zweck der Datenspeicherung klar und deutlich und schränken die Verwendung und Weitergabe der gespeicherten Daten entsprechend ein.

94

Eine Beschränkung der Zuteilung der Identifikationsnummer und der Datenspeicherung auf Steuerpflichtige, bei denen bereits eine Steuerschuld entstanden ist, ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit geboten. Zum einen ist eine zeitnahe Auswertung steuererheblicher Informationen wie etwa von Rentenbezugsmitteilungen (§ 22a EStG) nur dann möglich, wenn diese ohne größeren Ermittlungsaufwand auch noch nicht oder seit längerer Zeit nicht mehr steuerlich erfassten Personen sicher zugeordnet werden können (Wiese, a.a.O., § 139a Rz 16; Schmitz, a.a.O., § 139a Rz 5). Zum anderen wäre es mit einem nicht hinnehmbaren Verwaltungsaufwand verbunden, wenn die Identifikationsnummer erst zugeteilt werden könnte, wenn der Steuerpflichtige eine Steuer schulden würde. Dies müsste nämlich für jeden Steuerpflichtigen erst konkret ermittelt werden. Schließlich kann die Minderjährigen zugeteilte Identifikationsnummer Bedeutung für die zutreffende Ausführung der Vorschriften über den Familienleistungsausgleich erlangen (vgl. oben II.C.3.c aa hhh).

95

Für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der ohne konkreten Anlass erfolgenden Datenspeicherung spricht auch, dass die gemäß § 139b Abs. 3 AO gespeicherten Daten anders als über einen längeren Zeitraum gespeicherte Telekommunikationsverkehrsdaten keine Einblicke in das soziale Umfeld, gesellschaftliche oder politische Zugehörigkeiten, individuelle Aktivitäten sowie persönliche Vorlieben, Neigungen und Schwächen zulassen und auch nicht die Erstellung aussagekräftiger Persönlichkeits- und Bewegungsprofile ermöglichen (zu den Verwendungsmöglichkeiten gespeicherter Telekommunikationsverkehrsdaten vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 125, 260, 319).

96

ggg) Die Schwere der Grundrechtseingriffe steht danach bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe. Die Regelungen der §§ 139a und 139b AO sind geeignet und erforderlich, um die Ziele des Gesetzgebers zu erreichen. Die Steuerpflichtigen weniger belastende, aber gleich effektive Alternativen stehen nicht zur Verfügung. Die Klägerin hat ebenfalls keine solchen Alternativen aufgezeigt. Der bloße pauschale Hinweis auf die Möglichkeit, die Zusammenarbeit zwischen den Finanzbehörden der Länder zu verbessern und ein "gerechtes Steuersystem" zu schaffen, genügt nicht. Der Gesetzgeber darf die Verwirklichung des Steueranspruchs verfahrensrechtlich erleichtern und dabei die für den Staat verfügbaren personellen und finanziellen Mittel berücksichtigen (BVerfG-Beschluss vom 10. April 1997  2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 7).

97

4. Die Zuteilung der Identifikationsnummer verletzt die Steuerpflichtigen entgegen der Ansicht der Klägerin auch im Übrigen nicht in ihren verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten.

98

a) Dies gilt zum einen hinsichtlich der durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Würde des Menschen.

99

aa) Die Würde des Menschen ist der oberste Wert im grundrechtlichen Wertsystem und gehört zu den tragenden Konstitutionsprinzipien. Sie kann keinem Menschen genommen werden. Alle staatliche Gewalt hat sie zu achten und zu schützen (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG). Dem Menschen kommt in der Gemeinschaft ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch zu, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt. Auch insoweit ist indes die Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit des Individuums zu beachten, wobei allerdings die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleiben muss (BVerfG-Beschlüsse vom 17. Januar 1979  1 BvR 241/77, BVerfGE 50, 166, 175, und in BVerfGE 117, 71, 89, je m.w.N.).

100

bb) Die Zuteilung der Identifikationsnummer verletzt nach diesen Grundsätzen nicht die Würde der Steuerpflichtigen. Sie beruht auf der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Steuerpflichtigen, die nicht zum bloßen Objekt des Staates gemacht werden. Die Subjektqualität der Steuerpflichtigen wird nicht in Frage gestellt, die Eigenständigkeit ihrer Person bleibt gewahrt. Die Verwendung des Namens der Steuerpflichtigen sowohl im steuerlichen Bereich als auch auf allen anderen Gebieten bleibt unberührt. Insbesondere werden Steuerbescheide nach wie vor unter dem Namen der Steuerpflichtigen bekannt gegeben.

101

b) Die Zuteilung der Identifikationsnummer verletzt entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses sowie die ungestörte Religionsausübung, die durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistet werden (zum Schutzbereich dieser Grundrechte vgl. z.B. BVerfG-Entscheidungen vom 12. Mai 2009 2 BvR 890/06, BVerfGE 123, 148, 177, und vom 1. Dezember 2009  1 BvR 2857/07 u.a., BVerfGE 125, 39, 78, je m.w.N.). Sie berührt weder die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, noch die äußere Freiheit, den Glauben zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten und sich zu einer Religionsgemeinschaft zusammenzuschließen und zu organisieren. Der Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und für die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet wird auch durch die von der Klägerin beanstandete Art und Weise der elektronischen Übermittlung der Identifikationsnummer nicht beeinträchtigt. Abgesehen davon, dass die technischen Einzelheiten dieser Übermittlung in §§ 139a und 139b AO nicht geregelt sind und vom FG nicht festgestellt wurden (§ 118 Abs. 2 FGO), sind diese jedenfalls wertneutral und deshalb nicht geeignet, in die Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG einzugreifen.

102

c) Die Verfassungswidrigkeit der §§ 139a und 139b AO kann auch nicht aus Sicherheitsbedenken abgeleitet werden. Das BZSt hat nach § 5 StIdV die Sicherheit und Funktionsfähigkeit des Verfahrens zu gewährleisten und Anforderungen an die Sicherheit der elektronischen Übermittlung im Benehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik festzulegen. Die Sicherung der Datenübermittlungen der Meldebehörden an das BZSt und dieses Amts an die Meldebehörden ist in § 2 StIdV geregelt. Ein etwaiges trotz Anwendung der zur Verfügung stehenden technischen Sicherungsmöglichkeiten verbleibendes Risiko eines erfolgreichen Hacker-Angriffs auf die gespeicherten oder übermittelten Daten ist im überwiegenden Interesse des Gemeinwohls hinzunehmen.

103

5. Die in § 39e Abs. 2 Satz 1 EStG vorgesehene zusätzliche Datenspeicherung durch das BZSt (vgl. oben II.C.3.c aa bbb) ist ebenfalls verfassungsgemäß. Sie verstößt unter Berücksichtigung der damit verfolgten Ziele (Bürokratieabbau innerhalb und außerhalb der Verwaltung, Gleichmäßigkeit der Besteuerung) nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder sonstiges Verfassungsrecht.

104

a) Das BZSt speichert nach § 39e Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 30 FVG zum Zweck der Bereitstellung automatisiert abrufbarer Lohnsteuerabzugsmerkmale für den Arbeitgeber die Lohnsteuerabzugsmerkmale unter Angabe der Identifikationsnummer sowie für jeden Steuerpflichtigen die in dieser Vorschrift im Einzelnen aufgeführten Daten zu den in § 139b Abs. 3 AO genannten Daten hinzu. Abweichend von der bisherigen Fassung des § 39e EStG unterscheidet das Gesetz nunmehr zwischen der Speicherung der Lohnsteuerabzugsmerkmale und weiterer Daten.

105

Nähere Regelungen zu den zu speichernden Lohnsteuerabzugsmerkmalen enthält § 39e Abs. 1 EStG. Gemäß Satz 1 Halbsatz 1 der Vorschrift bildet das BZSt für jeden Arbeitnehmer grundsätzlich automatisiert die Steuerklasse und für die bei den Steuerklassen I bis IV zu berücksichtigenden Kinder die Zahl der Kinderfreibeträge nach § 38b Abs. 2 Satz 1 EStG als Lohnsteuerabzugsmerkmale (§ 39 Abs. 4 Nr. 1 und 2 EStG). Soweit das FA Lohnsteuerabzugsmerkmale nach § 39 EStG bildet, teilt es sie nach § 39e Abs. 1 Satz 2 EStG dem BZSt zum Zweck der Bereitstellung für den automatisierten Abruf durch den Arbeitgeber mit.

106

Im Einzelnen handelt es sich dabei neben der Steuerklasse (§ 38b Abs. 1 EStG) und den Kinderfreibeträgen nach § 39 Abs. 4 EStG um folgende Lohnsteuerabzugsmerkmale:

- Faktor (§ 39f EStG),

- Freibetrag und Hinzurechnungsbetrag (§ 39a EStG),

- Höhe der Beiträge für eine private Krankenversicherung und für eine private Pflege-Pflichtversicherung (§ 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Buchst. d EStG) für die Dauer von zwölf Monaten, wenn der Steuerpflichtige dies beantragt,

- Mitteilung, dass der von einem Arbeitgeber gezahlte Arbeitslohn nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Lohnsteuer freizustellen ist, wenn der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber dies beantragt.

107

Für jeden Steuerpflichtigen speichert das BZSt gemäß § 39e Abs. 2 Satz 1 EStG

- die rechtliche Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft sowie das Datum des Eintritts und Austritts,

- den melderechtlichen Familienstand sowie den Tag der Begründung oder Auflösung des Familienstands und bei Verheirateten die Identifikationsnummer des Ehegatten,

- Kinder mit ihrer Identifikationsnummer.

108

Während die Lohnsteuerabzugsmerkmale für die Durchführung des Lohnsteuerabzugs nur auf Veranlassung des Arbeitnehmers gebildet werden (§ 39 Abs. 1 Satz 1 EStG), erfolgt die in § 39e Abs. 2 Satz 1 EStG für jeden Steuerpflichtigen vorgeschriebene Datenspeicherung unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige Arbeitnehmer ist. Würden die Daten nur beim Vorhandensein oder bei der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses gespeichert, wäre dies mit einem nicht hinnehmbaren Verwaltungsaufwand verbunden und könnte auch zu Nachteilen für den Arbeitnehmer führen, wenn dann zunächst der Lohnsteuerabzug nach der Steuerklasse VI (§ 38b Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 EStG) vorgenommen werden müsste (Begründung des Regierungsentwurfs des JStG 2008, BTDrucks 16/6290, S. 63; Reuss in Herrmann/Heuer/Raupach, § 39e EStG Rz 11; Debus in Bordewin/Brandt, § 39e EStG Rz 60).

109

b) Die Datenspeicherung nach § 39e Abs. 2 Satz 1 EStG ist verfassungsrechtlich zulässig. Sie dient einem ganz entscheidenden Bürokratieabbau innerhalb und außerhalb der Finanzverwaltung durch Ersatz der bisherigen Lohnsteuerkarten (BTDrucks 16/6290, S. 61 f.; Reuss, a.a.O., § 39e EStG Rz 1, 10) und zudem gemäß § 39e Abs. 10 EStG der Prüfung und Durchführung der Einkommensbesteuerung (§ 2 EStG) des Steuerpflichtigen für Veranlagungszeiträume ab 2005.

110

aa) Die Speicherung ist erforderlich, um den an die Stelle der Lohnsteuerkarten tretenden, in § 39e Abs. 3, Abs. 4 Satz 2 EStG und für die Zeit vor dem 1. Januar 2013 in § 52b Abs. 5 Satz 2 EStG vorgesehenen automatisierten Abruf der für den Abzug der Lohnsteuer und der Kirchenlohnsteuer erforderlichen Daten durch den Arbeitgeber zu ermöglichen. Die Identifikationsnummer dient dabei der fehlerfreien Zuordnung dieser Daten (BTDrucks 16/6290, S. 62; Reuss, a.a.O., § 39e EStG Rz 11; Debus, a.a.O., § 39e EStG Rz 46).

111

Einen verfassungsrechtlich legitimierten Gemeinschaftszweck verfolgt die Speicherung der in § 39e Abs. 2 Satz 1 EStG genannten Daten auch dadurch, dass diese gemäß § 39e Abs. 10 EStG zur Prüfung und Durchführung der Einkommensbesteuerung (§ 2 EStG) des Steuerpflichtigen für Veranlagungszeiträume ab 2005 verwendet werden können. Danach können sowohl die Einkommensteuerpflicht bisher nicht erfasster Personen als auch die Besteuerung bereits erfasster Personen geprüft werden (Reuss, a.a.O., § 39e EStG Rz 20; Friesenhahn in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 39e Rz 25; Debus, a.a.O., § 39e EStG Rz 124). Durch die verwaltungsinterne Zusammenfassung vorhandener Mitteilungen zu Besteuerungsgrundlagen können für eine große Zahl von Steuerpflichtigen bürokratische Belastungen durch Anfragen zur Klärung der steuerlichen Verhältnisse oder durch die Abgabe einer Einkommensteuererklärung vermieden werden (Friesenhahn, a.a.O., § 39e Rz 25).

112

bb) Die Speicherung der rechtlichen Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft sowie des Datums des Eintritts und Austritts beruht auf der Verpflichtung der Arbeitgeber, bei Lohnzahlungen an die Mitglieder solcher Religionsgemeinschaften Kirchenlohnsteuer einzubehalten (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17. Februar 1977  1 BvR 33/76, BVerfGE 44, 103), und entspricht der Angabe der Religionszugehörigkeit in den gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 39e Abs. 9 Satz 2 EStG a.F. letztmalig für das Kalenderjahr 2010 auszustellenden Lohnsteuerkarten (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 9. August 2000 VI B 23/99, BFH/NV 2001, 37, und vom 31. Juli 2002 VI B 25/02, nicht veröffentlicht --n.v.--). In der verpflichtenden Angabe auf der Lohnsteuerkarte, dass der Steuerpflichtige einer Kirchensteuer erhebenden Religionsgemeinschaft angehört oder nicht, liegt auch keine Verletzung von Art. 9 (Recht auf Gedankenfreiheit, Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit) und Art. 8 (Recht auf Achtung des Privatlebens und Familienlebens) der Europäischen Menschenrechtskonvention (Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Februar 2011  12884/03, n.v.). Entsprechendes gilt auch für die Datenspeicherung beim BZSt.

113

cc) Die Datenspeicherung nach § 39e Abs. 2 Satz 1 EStG erfolgt von bestimmten Korrekturpflichten abgesehen (vgl. dazu unten II.C.5.b dd), ohne dass die Steuerpflichtigen zur Offenlegung von Daten gegenüber dem BZSt verpflichtet werden. Gespeichert werden vielmehr zum einen die gemäß § 39e Abs. 1 Satz 1 EStG automatisiert gebildeten Lohnsteuerabzugsmerkmale sowie die von den Finanzämtern nach § 39 EStG gebildeten und gemäß § 39e Abs. 1 Satz 2 EStG dem BZSt mitgeteilten Lohnsteuerabzugsmerkmale und zum anderen die dem BZSt nach § 39e Abs. 2 Sätze 2 ff. EStG von den Meldebehörden mitgeteilten Daten.

114

dd) Die Datenspeicherung erfolgt auch nicht heimlich, sondern ergibt sich nach Rechtsgrundlage und Umfang konkret aus dem Gesetz. Rechtzeitig vor dem Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung der ELStAM für die Durchführung des Lohnsteuerabzugs informiert das FA nach § 52b Abs. 9 Satz 1 EStG den Arbeitnehmer über die für ihn zum Zweck der Bereitstellung automatisiert abrufbarer Lohnsteuerabzugsmerkmale zu diesem Zeitpunkt gebildeten ELStAM. Mit der Information wird der Arbeitnehmer gemäß § 52b Abs. 9 Satz 2 Halbsatz 1 EStG aufgefordert, dem zuständigen FA etwaige gewünschte Änderungen oder Berichtigungen mitzuteilen. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, Korrekturen vornehmen zu lassen, ergibt sich aus § 39e Abs. 6 Satz 5 EStG sowie für die Zeit vor dem 1. Januar 2013 aus § 52b Abs. 9 Satz 2 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG. Spätere Änderungen der ELStAM werden dem Arbeitnehmer bekannt durch ihre Angabe auf der Lohnabrechnung (§ 39e Abs. 6 Satz 3 EStG und für die Zeit vor dem 1. Januar 2013 § 52b Abs. 6 Satz 2 EStG) und durch Mitteilung des FA auf Antrag/Anfrage (§ 39e Abs. 6 Satz 4 EStG und für die Zeit vor dem 1. Januar 2013 § 52b Abs. 8 Satz 1 EStG). Korrekturpflichten des Arbeitnehmers ergeben sich insoweit aus § 39e Abs. 6 Satz 5 EStG und für die Zeit vor dem 1. Januar 2013 aus § 52b Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 EStG.

115

ee) Der Schutz der nach § 39e Abs. 2 EStG gespeicherten Daten ist durch folgende Vorschriften hinreichend gewährleistet:

116

aaa) Die Daten unterliegen dem Steuergeheimnis (§ 30 AO), das durch § 355 StGB strafrechtlich abgesichert ist.

117

bbb) Der Steuerpflichtige kann nach § 39e Abs. 6 Satz 6 EStG beim zuständigen FA den Arbeitgeber benennen, der zum Abruf von ELStAM berechtigt ist (Positivliste) oder nicht berechtigt ist (Negativliste) oder die Bildung oder die Bereitstellung der ELStAM allgemein sperren oder allgemein freischalten lassen. Eine allgemeine Sperrung wird insbesondere für Steuerpflichtige in Betracht kommen, die weder Arbeitnehmer sind noch voraussichtlich in absehbarer Zeit werden.

118

ccc) Der Datenabruf steht nur Arbeitgebern zu (§ 39e Abs. 3 Satz 1 EStG). Für den Abruf der Lohnsteuerabzugsmerkmale hat sich der Arbeitgeber nach § 39e Abs. 4 Satz 3 EStG zu authentifizieren und seine Wirtschafts-Identifikationsnummer (§ 139c AO) sowie die in § 39e Abs. 4 Satz 3 EStG genannten Daten mitzuteilen (Identifikationsnummer und Tag der Geburt des Arbeitnehmers, Angabe, ob es sich um das erste oder ein weiteres Dienstverhältnis handelt, Tag des Beginns des Dienstverhältnisses, etwaige Angaben zum Abruf eines nach § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG festgestellten Freibetrags). Ist die Wirtschafts-Identifikationsnummer noch nicht oder nicht vollständig eingeführt, tritt bei der Authentifizierung des Arbeitgebers gemäß § 39e Abs. 9 EStG an ihre Stelle die Steuernummer der Betriebsstätte oder des Teils des Betriebs des Arbeitgebers, in dem der für den Lohnsteuerabzug maßgebende Arbeitslohn des Arbeitnehmers ermittelt wird (§ 41 Abs. 2 EStG). Ein Dritter, der vom Arbeitgeber mit der Durchführung des Lohnsteuerabzugs beauftragt wird, hat sich nach § 39e Abs. 4 Satz 6 EStG für den Datenabruf ebenfalls zu authentifizieren und zusätzlich seine Wirtschafts-Identifikationsnummer mitzuteilen.

119

ddd) Das BZSt hält gemäß § 39e Abs. 3 Satz 1 EStG nur die für die sichere Identifizierung des Arbeitnehmers und die zutreffende Ermittlung der Lohnsteuer, des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer erforderlichen Daten des Arbeitnehmers zum automatisierten Abruf durch den Arbeitgeber bereit, nämlich die Identifikationsnummer, den Tag der Geburt, Merkmale für den Kirchensteuerabzug und die Lohnsteuerabzugsmerkmale nach § 39 Abs. 4 EStG. Dadurch wird einem unzulässigen Datenabruf vorgebeugt. Angaben zu Namen und Anschrift des Arbeitnehmers werden vom BZSt nämlich nicht zum Abruf bereitgestellt (BTDrucks 16/6290, S. 63; Reuss, a.a.O., § 39e EStG Rz 12; Debus, a.a.O., § 39e EStG Rz 68). Ein Arbeitgeber, der nur die Identifikationsnummer und das Geburtsdatum einer Person kennt, kann daher nicht durch einen Abruf beim BZSt ermitteln, um welche Person es sich dabei handelt.

120

eee) Da das BZSt die ELStAM des Arbeitnehmers gemäß § 39e Abs. 3 Satz 4 EStG zum Zweck ihrer Bereitstellung nach § 39e Abs. 3 Satz 1 EStG mit der Wirtschafts-Identifikationsnummer (§ 139c AO) des Arbeitgebers zusammenführt, sind sie für die Dauer des Dienstverhältnisses gesperrt und können von anderen Arbeitgebern nicht abgerufen werden (BTDrucks 16/6290, S. 64; Reuss, a.a.O., § 39e EStG Rz 12; Debus, a.a.O., § 39e EStG Rz 73). Bezieht ein Arbeitnehmer nebeneinander von mehreren Arbeitgebern Arbeitslohn, so sind vielmehr für jedes weitere Dienstverhältnis gesonderte ELStAM zu bilden (§ 39e Abs. 3 Satz 2 EStG), die auf die in diesem Fall für die weiteren Dienstverhältnisse maßgebende Steuerklasse VI (§ 38b Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 EStG) zugeschnitten sind (Friesenhahn, a.a.O., § 39e Rz 4).

121

fff) Für die Verwendung der ELStAM gelten nach § 39e Abs. 4 Satz 7 EStG die Schutzvorschriften des § 39 Abs. 8 und 9 EStG sinngemäß. Der Arbeitgeber darf demgemäß die ELStAM nur für die Einbehaltung der Lohn- und Kirchensteuer verwenden. Er darf sie ohne Zustimmung des Arbeitnehmers nur offenbaren, soweit dies gesetzlich zugelassen ist (§ 39 Abs. 8 Sätze 1 und 2 EStG). Dies gilt nicht nur gegenüber anderen Privatpersonen oder Unternehmen, sondern auch gegenüber Behörden und den Sozialversicherungsträgern (Debus, a.a.O., § 39e EStG Rz 87). Wer vorsätzlich oder leichtfertig ein Lohnsteuermerkmal entgegen § 39 Abs. 8 EStG verwendet, handelt gemäß § 39 Abs. 9 Satz 1 EStG ordnungswidrig. Die Ordnungswidrigkeit kann nach § 39 Abs. 9 Satz 2 EStG mit einer Geldbuße bis zu 10.000 € geahndet werden. Außerdem können Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber bestehen (Debus, a.a.O., § 39e EStG Rz 88, m.w.N.).

122

ggg) Die Höhe der Beiträge für eine private Krankenversicherung und für eine private Pflege-Pflichtversicherung (§ 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Buchst. d EStG) werden vom BZSt nur dann nach § 39e Abs. 2 Satz 1 EStG gespeichert, wenn der Steuerpflichtige dies beantragt. Nur in diesem Fall handelt es sich nämlich gemäß § 39 Abs. 4 Nr. 4 EStG um ein Lohnsteuerabzugsmerkmal, das das FA dem BZSt nach § 39e Abs. 1 Satz 2 EStG mitzuteilen hat. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass insoweit ein besonderes Geheimhaltungsinteresse des Steuerpflichtigen bestehen kann.

123

6. Die in § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in der am 14. Dezember 2011 in Kraft getretenen Fassung vorgeschriebene zusätzliche Datenspeicherung durch das BZSt (vgl. oben II.C. vor 1. und 3.c aa iii) ist ebenfalls verfassungsgemäß. Sie verstößt weder gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch gegen sonstiges Verfassungsrecht.

124

a) Das BZSt speichert nach § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG unabhängig von und zusätzlich zu den in § 139b Abs. 3 AO genannten und nach § 39e EStG gespeicherten Daten des Steuerpflichtigen den Kirchensteuersatz der steuererhebenden Religionsgemeinschaft des Kirchensteuerpflichtigen sowie die ortsbezogenen Daten, mit deren Hilfe der Kirchensteuerpflichtige seiner Religionsgemeinschaft zugeordnet werden kann. Die Daten werden als automatisiert abrufbares Merkmal für den Kirchensteuerabzug bereitgestellt (§ 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).

125

Der zur Vornahme des Steuerabzugs vom Kapitalertrag Verpflichtete (Kirchensteuerabzugsverpflichteter) hat nach näherer Maßgabe des § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Sätze 1 und 2 EStG beim BZSt durch Regelabfrage oder Anlassabfrage unter Angabe der Identifikationsnummer des Schuldners der Kapitalertragsteuer anzufragen, ob dieser kirchensteuerpflichtig ist. Ist dem Kirchensteuerabzugsverpflichteten die Identifikationsnummer des Schuldners der Kapitalertragsteuer nicht bereits bekannt, kann er sie gemäß § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG beim BZSt anfragen. In der Anfrage dürfen nach § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG zur möglichst weitgehenden Wahrung des Datenschutzes nur die in § 139b Abs. 3 AO genannten Daten des Schuldners der Kapitalertragsteuer angegeben werden, soweit sie dem Kirchensteuerabzugsverpflichteten bekannt sind. Das BZSt teilt dem Kirchensteuerabzugsverpflichteten die Identifikationsnummer nach § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 2 Satz 5 EStG mit, sofern die übermittelten Daten mit den nach § 139b Abs. 3 AO beim BZSt gespeicherten Daten übereinstimmen.

126

Auf die Anfrage nach § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Satz 1 oder 2 EStG hin teilt das BZSt dem Kirchensteuerabzugsverpflichteten gemäß § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Satz 3 EStG die rechtliche Zugehörigkeit des Schuldners der Kapitalertragsteuer zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft und den für die Religionsgemeinschaft geltenden Kirchensteuersatz zum Zeitpunkt der Anfrage als automatisiert abrufbares Merkmal mit. Im Falle einer am Stichtag oder im Zuflusszeitpunkt bestehenden Kirchensteuerpflicht hat der Kirchensteuerabzugsverpflichtete nach § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG den Kirchensteuerabzug für die steuererhebende Religionsgemeinschaft durchzuführen und den Kirchensteuerbetrag an das für ihn zuständige FA abzuführen. Die Vorschriften des § 45a Abs. 1 EStG über die Anmeldung der Kapitalertragsteuer gelten entsprechend (§ 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 4 Satz 2 Halbsatz 1 EStG). In der Steueranmeldung sind die nach § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG einbehaltenen Kirchensteuerbeträge für jede steuererhebende Religionsgemeinschaft jeweils als Summe anzumelden (§ 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 4 Satz 2 Halbsatz 2 EStG).

127

b) Diese Regelungen unterliegen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der durch das GG gebotene Datenschutz wird hinreichend gewährleistet.

128

aa) Der Schuldner der Kapitalertragsteuer kann zum einen wie bereits bisher (§ 51a Abs. 2c Satz 1 EStG a.F. und § 51a Abs. 2d EStG) wählen, ob die Kirchensteuer auf Kapitalerträge bereits vom Kirchensteuerabzugsverpflichteten abgezogen oder erst nach Ablauf des Kalenderjahres aufgrund einer entsprechenden Erklärung veranlagt wird. Die Einbehaltung der Kirchensteuer von den Kapitalerträgen hängt zwar nicht mehr von einem Antrag des Kirchensteuerpflichtigen ab. Der Kirchensteuerpflichtige kann aber nach § 51a Abs. 2e Sätze 1 und 2 EStG unter Angabe seiner Identifikationsnummer beim BZSt schriftlich oder in einem anderen vom BZSt zur Verfügung gestellten sicheren Verfahren beantragen, dass der automatisierte Datenabruf seiner rechtlichen Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft bis auf schriftlichen Widerruf unterbleibt (Sperrvermerk). Der Kirchensteuerpflichtige ist dann zur Abgabe einer Steuererklärung zum Zwecke der Veranlagung der Kirchensteuer nach § 51a Abs. 2d Satz 1 EStG verpflichtet (§ 51a Abs. 2e Satz 3 EStG).

129

Um die der Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und des Grundrechts auf Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) dienende Möglichkeit, den Sperrvermerk zu beantragen, effektiv auszugestalten, verpflichtet § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Satz 4 EStG den Kirchensteuerabzugsverpflichteten dazu, den Schuldner der Kapitalertragsteuer rechtzeitig vor einer Regel- oder Anlassabfrage auf die bevorstehende Datenabfrage sowie das Antragsrecht nach § 51a Abs. 2e Satz 1 EStG schriftlich oder in anderer geeigneter Form hinzuweisen. Der Hinweis hat individuell zu erfolgen (§ 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Satz 5 EStG). Ein allgemeiner Hinweis etwa durch einen Aushang von Allgemeinen Geschäftsbedingungen genügt nicht. Der Hinweis auf die Abfrage der Daten beim BZSt und der Hinweis auf das Antragsrecht müssen in einer Mitteilung verbunden werden. Die Hinweise müssen so rechtzeitig gegeben werden, dass das BZSt den beantragten Sperrvermerk noch vor der Datenabfrage in seine Daten einpflegen kann (Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf des BeitrRLUmsG, BTDrucks 17/7524, S. 18 f.). Gehört der Schuldner der Kapitalertragsteuer keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft an oder hat er dem Abruf von Daten zur Religionszugehörigkeit widersprochen (Sperrvermerk), so teilt das BZSt dem Kirchensteuerabzugsverpflichteten zur Religionszugehörigkeit einen neutralen Wert (Nullwert) mit (§ 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Satz 6 EStG). Der Kirchensteuerabzugsverpflichtete hat die vorhandenen Daten zur Religionszugehörigkeit unverzüglich zu löschen, wenn ein Nullwert übermittelt wurde (§ 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Satz 7 EStG). Auch diese Regelung dient dem Datenschutz.

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bb) Macht der Schuldner der Kapitalertragsteuer von der Möglichkeit, den Sperrvermerk zu beantragen, keinen Gebrauch, wird durch entsprechende Vorschriften gewährleistet, dass der Grundrechtseingriff auf das erforderliche Maß beschränkt bleibt. Nach § 51a Abs. 2c Satz 2 EStG sind die Daten gemäß § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 EStG nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln. Dies dient der Datensicherheit im Rahmen des technisch Möglichen. Gemäß § 51a Abs. 2c Sätze 8 bis 10 EStG darf der Kirchensteuerabzugsverpflichtete die von ihm für die Durchführung des Kirchensteuerabzugs erhobenen Daten ausschließlich für diesen Zweck verwenden. Er hat organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass ein Zugriff auf diese Daten für andere Zwecke gesperrt ist. Für andere Zwecke dürfen der Kirchensteuerabzugsverpflichtete und die beteiligte Finanzbehörde die Daten nur verwenden, soweit der Kirchensteuerpflichtige zustimmt oder dies gesetzlich zugelassen ist.

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7. §§ 139a und 139b AO sind auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil sie es den Steuerpflichtigen nicht ermöglichen, im Einzelfall auf Antrag von der Zuteilung der Identifikationsnummer und der dazu erfolgenden Speicherung und Weitergabe von Daten befreit zu werden. Eine solche Möglichkeit braucht aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht eingeräumt zu werden. Die vom Gesetzgeber mit der Einführung der Identifikationsnummer und der Datenspeicherung verfolgten Ziele können nur dann ohne Einschränkung erreicht werden, wenn ausnahmslos alle Steuerpflichtigen in die Regelungen einbezogen werden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Der Senat kann den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn

1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor dem Senat mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf den Senat zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann die Revision nicht gestützt werden.