Bundessozialgericht Urteil, 14. März 2013 - B 13 R 5/11 R

bei uns veröffentlicht am14.03.2013

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 und des Sozialgerichts Potsdam vom 20. April 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2006 aufgehoben, soweit sie die Aufrechnung in Höhe von 1713,04 Euro betreffen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits für alle Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Aufrechnung eines Teils ihrer laufenden monatlichen Altersrentenansprüche mit einer von ihr noch nicht beglichenen Beitragsschuld.

2

Die im März 1945 geborene Klägerin hatte ursprünglich ihren Wohnsitz in H., zog später aber nach P. um. Sie bezog von der LVA Sachsen-Anhalt und erhält nunmehr von deren Rechtsnachfolgerin, der DRV Mitteldeutschland, große Witwenrente (Zahlbetrag ab 1.4.2005 monatlich 289,50 Euro). Aufgrund einer selbstständigen Tätigkeit schuldet sie für den Zeitraum Mai 1992 bis August 1993 noch Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung iHv 3341,24 DM, welche die LVA Sachsen-Anhalt ihr gegenüber im Bescheid vom 17.11.1998 zusammen mit Säumniszuschlägen iHv 9,20 DM, insgesamt also iHv 3350,44 DM geltend gemacht hat.

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Die LVA Brandenburg (im Folgenden ebenso wie deren Rechtsnachfolgerin, die DRV Berlin-Brandenburg, einheitlich als Beklagte bezeichnet) bewilligte der Klägerin ab 1.4.2005 Altersrente für Frauen iHv netto 475,97 Euro monatlich (Rentenbescheid vom 15.3.2005). Die laufende Rentenzahlung begann zum Monatsende des Mai 2005; die Zahlung für April 2005 behielt die Beklagte bis zur Abklärung eventueller Erstattungsansprüche anderer Träger zunächst ein. Während die LVA Sachsen-Anhalt unter dem 23.5.2005 mitteilte, sie mache keine Ansprüche geltend, meldete die ARGE Potsdam für April 2005 im Hinblick auf von ihr gezahltes Alg II einen Erstattungsanspruch iHv 38,79 Euro an.

4

Mit Schreiben vom 24.3.2005 ermächtigte die Hauptverwaltung der Beklagten ihre für die Rentenzahlung zuständige Arbeitseinheit zur "Aufrechnung" der der Beklagten zustehenden und noch offenen Beitragsforderung für die Zeit vom 1.5.1992 bis zum 31.8.1993 (Beiträge 1708,34 Euro, Säumniszuschlag 4,70 Euro, Nebenkosten 10 Euro). Diese hörte die Klägerin zu der beabsichtigten Aufrechnung an, die iHv monatlich 237,98 Euro vorgenommen werden solle; es werde jedoch Gelegenheit gegeben, innerhalb eines Monats eine Bescheinigung des Sozialhilfeträgers zur Hilfebedürftigkeit zu übersenden. Die Klägerin teilte daraufhin lediglich mit, einer Aufrechnung stehe der Pfändungsfreibetrag nach § 850c ZPO entgegen. Ohnehin sei im Rentenbescheid die Berücksichtigung des Zeitraums Mai 1992 bis August 1993 als rentenrechtliche Zeit abgelehnt worden. Im Übrigen sei seit 15.8.2002 ein sie betreffendes Insolvenzverfahren anhängig, in dem die Beklagte es versäumt habe, ihre Forderung anzumelden.

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Die Beklagte erklärte sodann die Aufrechnung der Beitragsforderung iHv 1713,04 Euro "nach unserem Bescheid vom 17.11.1998" mit der halben laufenden Rentenleistung von 237,98 Euro ab 1.9.2005 sowie in derselben Höhe mit der Rentennachzahlung für April 2005 (Bescheid vom 22.6.2005). Im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens seien die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Klägerin - soweit bekannt - berücksichtigt worden; besondere Umstände, welche die Interessen der Versichertengemeinschaft ausnahmsweise zurücktreten lassen könnten, seien nicht festgestellt worden. Den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese sich auch gegen den Einbehalt weiterer 38,79 Euro von der Rentennachzahlung für April 2005 wandte, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 26.1.2006).

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Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.4.2007). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und ihre hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage abgewiesen (Urteil vom 25.11.2010). Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtung sei nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte seit Januar 2007 keinen Teil der Rentenzahlung mehr einbehalte und die Aufrechnung abgeschlossen sei. Der Bescheid vom 22.6.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.1.2006 sei rechtmäßig. Er finde seine Rechtsgrundlage in § 51 Abs 2 SGB I. Die Gegenseitigkeit der Forderungen sei gegeben, auch wenn die Beklagte und die seinerzeitige LVA Sachsen-Anhalt als Beitragsgläubigerin zwei formal selbstständige Rechtspersönlichkeiten darstellten. Entscheidend sei die sachliche Einheit der allgemeinen Rentenversicherung bei der Aufgabenwahrnehmung durch unterschiedliche Träger iS des § 125 SGB VI, die zudem gemäß § 219 SGB VI in einem Finanzverbund stünden. Das BSG habe bereits im Urteil vom 1.11.1968 (BSGE 28, 288 = SozR Nr 12 zu § 1299 RVO) den Vorrang der sachlichen Einheit vor der formalen Selbstständigkeit der Versicherungsträger betont und aufgrund dessen die Aufrechnung mit Beitragsansprüchen eines Versicherungsträgers gegen Ansprüche auf Leistungen eines anderen Trägers desselben Versicherungszweigs gebilligt. Dieser Grundsatz habe mit der zwischenzeitlich erfolgten Aufhebung der Trennung der Versicherungszweige und deren Umwandlung in die allgemeine Rentenversicherung eine weitere Ausdehnung erfahren.

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Die Beitragsforderung der LVA Sachsen-Anhalt sei auch fällig und noch nicht verjährt gewesen, da aufgrund ihrer Festsetzung im bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 17.11.1998 eine 30-jährige Verjährungsfrist laufe (§ 52 Abs 2 SGB X). Die Pfändungsgrenzen der §§ 850 ff ZPO seien aufgrund der Sonderregelung in § 51 Abs 2 SGB I nicht anwendbar. Das Insolvenzverfahren stehe einer Aufrechnung ebenfalls nicht entgegen, da es nur den pfändbaren Teil einer Altersrente betreffe. Da die Klägerin, wie ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung bestätigt habe, nicht hilfebedürftig geworden sei, habe die Beklagte die Aufrechnung auch in der erfolgten Höhe vornehmen dürfen; Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Schließlich sei die Beklagte befugt gewesen, die Aufrechnung durch Verwaltungsakt (VA) zu erklären.

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Die Klägerin rügt mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision sinngemäß eine Verletzung des § 51 SGB I. Die Beklagte habe die Aufrechnung nicht durch VA erklären dürfen (Hinweis auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 24.7.2003 - SozR 4-1200 § 52 Nr 1). Es fehle auch an einer wirksamen Ermächtigung zur Aufrechnung durch den forderungsberechtigten Sozialleistungsträger (die ehemalige LVA Sachsen-Anhalt). Zudem sei sie aufgrund des Einbehalts der Hälfte der Altersrente hilfebedürftig geworden. Das LSG habe ihren Prozessbevollmächtigten zu keiner Zeit nach ihrer eventuellen Hilfebedürftigkeit befragt und dieser habe eine darauf bezogene Auskunft in der mündlichen Verhandlung nicht gegeben; die entsprechende Behauptung in den Gründen des LSG-Urteils sei "definitiv unzutreffend". Schließlich sei die Aufrechnung wegen des Insolvenzverfahrens rechtswidrig; der Beschluss des "Sozialgerichts" (gemeint ist wohl das Amtsgericht) Potsdam vom 25.11.2008, in dem der Klägerin "Rechtsschuldbefreiung" erteilt worden sei, wirke gegen alle Gläubiger und dies erst recht, wenn - wie hier - die LVA Sachsen-Anhalt ihre Forderung zur Tabelle nach § 174 InsO angemeldet habe.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 und des Sozialgerichts Potsdam vom 20. April 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2006 aufzuheben;

        

hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2006 rechtswidrig war.

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Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere habe eine Aufrechnung in Form eines VA zu erfolgen (Hinweis auf den Senatsbeschluss vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R). Das weitere Vorbringen der Revision betreffe lediglich Tatsachenfragen; insoweit sei das Rechtsmittel bereits unzulässig.

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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 S 1 SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22.6.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.1.2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs 2 S 1 SGG). Dies führt zur Aufhebung sowohl der vorinstanzlichen Urteile als auch der genannten Bescheide, soweit diese noch streitbefangen sind (§ 170 Abs 2 S 1 SGG).

14

A) Die Revision ist zulässig.

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Soweit die Klägerin allerdings beanstandet, das LSG habe das Vorbringen ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zur fehlenden Hilfebedürftigkeit "definitiv unzutreffend" wiedergegeben, ist sie mit diesem Vorbringen im Revisionsverfahren ausgeschlossen. Sollte ein solcher Fehler unterlaufen sein, hätte er nur mit Hilfe des hierfür vorgesehenen speziellen Rechtsbehelfs einer - binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils zu beantragenden - Tatbestandsberichtigung (§ 139 SGG) vom Berufungsgericht selbst korrigiert werden können. Die Geltendmachung als Verfahrensmangel erstmals im Revisionsverfahren ist dagegen ausgeschlossen (vgl bereits BSG vom 26.6.1959 - 6 RKa 2/57 - SozR Nr 133 zu § 162 SGG Bl Da 39 Rücks - Juris RdNr 2; s auch BGH Beschluss vom 22.9.2008 - II ZR 235/07 - DStR 2008, 2228 RdNr 5; BVerwG Beschluss vom 9.9.2009 - 4 BN 4/09 - Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht 2010, 67, 69 ; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 139 RdNr 6).

16

B) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die in dem angefochtenen Bescheid vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.1.2006 geregelte Aufrechnung des hälftigen monatlichen Zahlbetrags der Altersrente mit einer Gegenforderung auf Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen iHv 1713,04 Euro. Soweit die Beklagte erstmals im Widerspruchsbescheid den Einbehalt weiterer 38,79 Euro von der Rentennachzahlung für den Monat April 2005 im Hinblick auf einen von der ARGE geltend gemachten Erstattungsanspruch als "Verrechnung nach § 52 SGB I" abgehandelt hat(zur rechtlichen Einordnung vgl den Hinweis auf § 107 Abs 1 SGB X im Senatsurteil vom 31.10.2012 - B 13 R 9/12 R - RdNr 24, zur Veröffentlichung in SozR 4-1300 § 104 Nr 5 vorgesehen), ist dies nicht mehr streitbefangen. Zwar richtete sich die Klage nach ihrer Begründung im Schriftsatz vom 18.4.2007 ursprünglich auch hiergegen. Die Klägerin hat aber in der Berufungsbegründung vom 24.11.2010 ihr Rechtsmittel auf den (abtrennbaren) Aspekt der Aufrechnung gegen die Beitragsforderung wirksam beschränkt (vgl BSG SozR 4-1500 § 92 Nr 2 RdNr 8); hinsichtlich des Betrags von 38,79 Euro ist die Klageabweisung durch das SG rechtskräftig geworden (§ 141 SGG).

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C) Von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Insbesondere hat das LSG zutreffend erkannt, dass die von der Klägerin im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG) nicht unzulässig geworden ist.

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Das LSG ist davon ausgegangen, dass die streitige "Aufrechnung unterdessen abgeschlossen" sei. Hinreichende Tatsachen, die eine solche rechtliche Bewertung untermauern könnten, hat es allerdings nicht festgestellt. Allein der Umstand, dass die Beklagte seit Januar 2007 keinen Teil der Rentenzahlung mehr einbehält, belegt noch nicht, dass die Aufrechnung ab diesem Zeitpunkt vollständig und endgültig abgewickelt ist. Das ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt der Verwaltungsakten, die das LSG zur Ergänzung des Tatbestands in Bezug genommen hat.

19

Einer Zurückverweisung zur weiteren Aufklärung der damit zusammenhängenden tatsächlichen Umstände bedarf es gleichwohl nicht. Selbst wenn die Beklagte den Betrag der von ihr zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung iHv 1713,04 Euro bereits vollständig von den monatlichen Zahlungsansprüchen der Klägerin auf Altersrente einbehalten hätte, wäre deren Interesse an einer Klärung der Rechtmäßigkeit des hoheitlich vorgenommenen Einbehalts nicht allein aus diesem Grund entfallen. Denn ein VA über die Aufrechnung bzw Verrechnung einer Forderung erledigt sich nicht dadurch vollständig "auf andere Weise", dass der Leistungsträger ihn faktisch umsetzt, indem er von der von ihm monatlich geschuldeten Sozialleistung Einbehalte in einem Umfang vornimmt, die dem Betrag der Gegenforderung entsprechen.

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Die Erledigung eines VA iS des § 39 Abs 2 SGB X tritt ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist(vgl BVerwG NVwZ 2009, 122 RdNr 13 mwN - zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 43 Abs 2 VwVfG; ähnlich BSG SozR 3-4100 § 116 Nr 4 S 132 f). Danach erledigt sich ein VA, der Handlungspflichten auferlegt, nicht einmal mit dessen Vollstreckung durch Ersatzvornahme, und zwar auch dann nicht, wenn dadurch irreversible Tatsachen geschaffen wurden (BVerwG aaO; einschränkend allerdings Rüfner in Wannagat, SGB X, § 39 RdNr 31, Stand Einzelkommentierung November 1995: Erledigung durch Vollzug des VA tritt ein, wenn eine Folgenbeseitigung nicht mehr in Betracht kommt).

21

Entscheidet ein Rentenversicherungsträger über eine Auf- oder Verrechnung durch VA, bedeutet dies: Ein solcher VA zielt auf rechtsgestaltende Wirkungen, da er den Auszahlungsanspruch des Rentenempfängers hinsichtlich der im Rentenbescheid festgelegten Art und Weise seiner Erfüllung modifizieren und zum Erlöschen bringen will (vgl Senatsurteil vom 7.2.2012 - SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 41 - unter Hinweis auf BSG BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 15). Solange aber die - grundsätzlich mit Bekanntgabe eintretende (§ 39 Abs 1 SGB X) - Wirksamkeit eines solchen VA zwischen den Beteiligten nicht verbindlich feststeht (§§ 77, 141 SGG), es vielmehr noch Gegenstand eines (gerichtlichen) Verfahrens ist, ob er Bestand hat oder der Aufhebung mit Wirkung ex tunc unterliegt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 131 RdNr 3a), ist ein derartiger VA noch geeignet, rechtliche Wirkungen - die genannten Gestaltungswirkungen - zu erzeugen. Dies gilt unabhängig davon, ob Aufrechnung oder Verrechnung zulässigerweise durch VA oder in einer anderen Handlungsform zu erklären sind. Mithin hat sich ein entsprechender VA auch dann noch nicht vollständig erledigt, wenn der Leistungsträger während eines laufenden Rechtsstreits von den monatlichen Rentenzahlungen insgesamt einen Betrag in Höhe der zur Auf- oder Verrechnung gestellten Gegenforderung einbehalten hat. Denn bei Erfolg der Klage muss er die einbehaltenen Beträge an den Berechtigten auskehren, weil der Rechtsgrund für den Einbehalt dann entfallen ist.

22

Sofern aus seinem Urteil vom 27.3.2007 (B 13 RJ 43/05 R - Juris RdNr 13) Abweichendes entnommen werden könnte, weist der Senat auf die besondere Konstellation des damals entschiedenen Falles hin: Der dortige Kläger hatte es hingenommen, dass seine mit der Anfechtungsklage erhobene Leistungsklage auf Rückzahlung des einbehaltenen Betrags rechtskräftig abgewiesen wurde; (nur) deshalb bestand nach Abschluss des Einbehalts kein berechtigtes Interesse an der Weiterführung der Anfechtungsklage mehr (vgl auch Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 141 RdNr 6a, 6b, 12, 12a).

23

D) Die Revision der Klägerin ist auch begründet. Der Bescheid vom 22.6.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.1.2006 ist - soweit noch streitbefangen - rechtswidrig. Die Beklagte war weder zu einer Aufrechnung (dazu unter 1.) noch zu einer Verrechnung (dazu unter 2.) eines Teils der Ansprüche der Klägerin auf monatliche Zahlung von Altersrente mit der Beitragsforderung der LVA Sachsen-Anhalt berechtigt.

24

1. Entgegen der Rechtsmeinung des LSG lagen die Voraussetzungen einer Aufrechnung (§ 51 SGB I) nicht vor. Es fehlte schon an der erforderlichen Gegenseitigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen und damit an einer Aufrechnungslage. Auf die im Beschluss des Großen Senats des BSG vom 31.8.2011 offengelassene Frage, ob auch eine Aufrechnung iS des § 51 SGB I durch Verwaltungsakt geregelt werden darf(BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 11, 19), kommt es deshalb hier nicht entscheidungserheblich an (s hierzu zB Seewald in Kasseler Komm, § 51 SGB I RdNr 21e am Ende, Stand Einzelkommentierung April 2012; Seewald, SGb 2012, 446, 453; Schaer, jurisPR-SozR 7/2012 Anm 1 D; Plagemann, Beck Fachdienst Sozialversicherungsrecht 2012, 328355; vgl auch den Beschluss des 4. Senats des BSG vom 22.9.2009 - B 4 SF 1/09 S - Juris RdNr 4).

25

a) Nach § 51 Abs 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger - hier die Beklagte - gegen Ansprüche auf Geldleistungen - hier die Altersrente - mit Ansprüchen gegen den Berechtigten - hier die Klägerin - aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Gemäß § 51 Abs 2 SGB I(in der ab 1.1.2005 geltenden, hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12.2003, BGBl I 3022) ist der Leistungsträger befugt, mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufzurechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig iS der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird.

26

Danach ist wesentliche Voraussetzung für eine rechtmäßige Aufrechnung das Vorliegen einer Aufrechnungslage, dh dass sich (entsprechend § 387 BGB) gleichartige und gegenseitige Forderungen gegenüberstehen, von denen die eine - die Hauptforderung auf eine Sozialleistung - entstanden und erfüllbar sein muss, während die Gegenforderung des Sozialleistungsträgers entstanden und bereits fällig sein muss (vgl BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 15; Nr 5 RdNr 54 f). Eine Aufrechnung ist somit nur wirksam, wenn zwischen den zur Aufrechnung gestellten Forderungen ein Gegenseitigkeitsverhältnis besteht, wenn also der Gläubiger der Hauptforderung zugleich Schuldner der Gegenforderung und der Schuldner der Hauptforderung zugleich Gläubiger der Gegenforderung ist (BSGE 101, 1 = SozR 4-2400 § 28h Nr 5, RdNr 13; s auch BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 16 f; BSG Beschluss vom 22.9.2009 - B 4 SF 1/09 S - Juris RdNr 4).

27

b) Eine Aufrechnungslage hat hier zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids im Januar 2006 nicht bestanden (zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts bei reinen Anfechtungsklagen vgl BSGE 95, 119 = SozR 4-7860 § 10 Nr 2, RdNr 13; BSG SozR 4-2700 § 168 Nr 2 RdNr 17 - jeweils mwN).

28

Die Beklagte hat zwar im Bescheid vom 22.6.2005 nach dessen Wortlaut eine Aufrechnung iS des § 51 SGB I erklärt und deren Rechtsfolgen geregelt, auch wenn im Widerspruchsbescheid vom 26.1.2006 teils auch von einer "Verrechnung" (aaO S 4 Abs 5 und 7) die Rede ist. Denn sie wollte die streitigen Beträge zu ihren eigenen Gunsten einbehalten, da sie davon ausging, dass die Klägerin ihr die noch ausstehenden Beiträge schulde. Das war jedoch nicht der Fall. Die Beklagte war Schuldnerin der Hauptforderung (der Klägerin auf monatliche Zahlung von Altersrente), jedoch nicht zugleich Gläubigerin der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung (gegenüber der Klägerin auf Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen). Das LSG hat zutreffend angenommen, dass die zur Aufrechnung herangezogene Beitragsforderung von der LVA Sachsen-Anhalt mit Bescheid vom 17.11.1998 bindend als ihr zustehend festgesetzt worden ist. Deren Rechtsnachfolge hat zum 1.10.2005 die DRV Mitteldeutschland angetreten, nicht die Beklagte.

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aa) Anhaltspunkte dafür, dass die LVA Sachsen-Anhalt - oder später die DRV Mitteldeutschland als deren Rechtsnachfolgerin - die Beitragsforderung an die Beklagte abgetreten hätte und diese dadurch zwischenzeitlich Forderungsinhaberin geworden wäre (vgl § 398 BGB), sind nicht ersichtlich; im LSG-Urteil sind entsprechende Tatsachen auch nicht festgestellt. Daher bedarf es hier keiner Entscheidung, ob eine solche Abtretung wirksam wäre (ablehnend mangels Ermächtigungsgrundlage: BSGE 15, 36, 39 f = SozR Nr 1 zu § 1299 RVO Bl Aa 3; anders für den Bereich des Steuerrechts - die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung verneinend - BFHE 189, 14, 31 f - Juris RdNr 47 ff).

30

bb) Der Regelung in § 128 SGB VI kann - entgegen der wohl vom SG vertretenen Rechtsmeinung - kein gesetzlicher Forderungsübergang(vgl § 412 BGB) der von der LVA Sachsen-Anhalt festgesetzten Beitragsforderung auf die Beklagte entnommen werden.

31

Nach § 128 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI(in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung des RVOrgG vom 9.12.2004, BGBl I 3242 ; zuvor inhaltsgleich § 130 SGB VI aF; s auch die Übergangsvorschrift in § 274c Abs 1 S 2 Nr 1 SGB VI) tritt ein Wechsel des örtlich zuständigen Rentenversicherungsträgers ein, sobald ein Versicherter, für den ein Regionalträger zuständig ist, seinen Wohnsitz in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Regionalträgers verlegt. Das war bei der Klägerin offenbar der Fall (nähere Feststellungen dazu, wann dies geschah, fehlen allerdings). Der Übergang der Zuständigkeit hat aber nicht zur Folge, dass zugunsten des bisherigen Rentenversicherungsträgers bereits entstandene Forderungen automatisch auf den neu zuständig gewordenen Regionalträger übergehen. Für einen solchen Forderungsübergang ist eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich; sie ergibt sich insbesondere nicht aus § 130 Abs 1 S 1 SGB VI aF bzw § 128 Abs 1 S 1 SGB VI nF.

32

Vielmehr verbleibt bei einem Zuständigkeitswechsel der bislang verantwortliche Regionalträger für die während seiner örtlichen Zuständigkeit zugunsten der GRV entstandenen Beitragsforderungen in der Gläubigerposition, da für den Bereich der Rentenversicherung abweichende Regelungen nicht existieren (vgl aber zB § 45a Abs 3 BAFöG bei länderübergreifender Änderung der örtlichen Zuständigkeit aufgrund eines Hochschulwechsels, s hierzu BVerwGE 90, 25, 31 f - Juris RdNr 20; zum Sonderfall eines gesetzlich angeordneten Forderungsübergangs im Zusammenhang mit der Herstellung der deutschen Einheit vgl BSG SozR 3-8260 § 8 Nr 1). Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - das Verwaltungsverfahren zur Festsetzung der Beiträge bereits durch Erlass eines Bescheids, der auch den Gläubiger der Forderung bestimmt (vgl den Wortlaut des Bescheids vom 17.11.1998 "Sie schulden der LVA Sachsen-Anhalt Pflichtbeiträge …"), (bestandskräftig) abgeschlossen ist. In einer solchen Konstellation ist für eine Fortführung des Beitragseinzugsverfahrens durch den Versicherungsträger am neuen Wohnort gemäß der Regelung in § 2 Abs 2 SGB X kein Raum(Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 2 RdNr 10, 12a; Waschull in Diering/Timme/Waschull, LPK SGB X, 3. Aufl 2011, § 2 RdNr 8; Mutschler in Kasseler Komm, § 2 SGB X RdNr 11, Stand Einzelkommentierung April 2012; I. Palsherm in juris-PK SGB X, 2013, § 2 RdNr 18). Die Einziehung bzw Vollstreckung einer auch hinsichtlich der Rechtsinhaberschaft konkretisierten Forderung kann - solange der Beitragsbescheid unverändert aufrechterhalten bleibt - nur noch von dem im Bescheid benannten Träger (oder dessen Rechtsnachfolger) veranlasst werden. Dieser hat jedoch die Möglichkeit, den insbesondere für die Leistungsgewährung nunmehr zuständigen Regionalträger des neuen Wohnorts (vgl § 128 Abs 1 S 2 SGB VI nF)gemäß § 52 SGB I zu einer Verrechnung seiner Ansprüche zu ermächtigen.

33

cc) Die fehlende Gegenseitigkeit der Forderung der Klägerin gegen die Beklagte auf Altersrente und der Gegenforderung der DRV Mitteldeutschland auf ausstehende Beiträge kann entgegen der Rechtsmeinung des LSG nicht unter Berufung auf den Grundsatz der "sachlichen Einheit der allgemeinen Rentenversicherung" überwunden werden.

34

Zwar hat der 12. Senat des BSG in einem - insoweit vereinzelt gebliebenen - Urteil vom 1.11.1968 entschieden, dass ein in der Arbeiterrentenversicherung (ArV) Versicherter "im Hinblick auf die sachliche Einheit des Versicherungszweigs der ArV nach Treu und Glauben nicht das Fehlen der Gegenseitigkeit (§ 387 BGB) infolge der formalen rechtlichen Selbständigkeit der verschiedenen LVA als Träger der ArV geltend machen" kann (BSGE 28, 288, 289 = SozR Nr 12 zu § 1299 RVO Bl Aa 15 Rücks). Diese auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB)gegründete Entscheidung ist seit dem Inkrafttreten des SGB I am 1.1.1976 jedoch aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung der Problematik in den §§ 51, 52 SGB I überholt.

35

Wie im Urteil des 5. Senats vom 10.12.2003 ausgeführt ist, hat der Gesetzgeber die spezifisch sozialrechtliche Möglichkeit der Verrechnung nach § 52 SGB I als Reaktion darauf geschaffen, dass zuvor in der Rspr des BSG Aufrechnungen von SV-Trägern mit Forderungen anderer SV-Träger mangels Gegenseitigkeit der Forderungen grundsätzlich für unzulässig erklärt und unter dem Gesichtspunkt der Funktionseinheit nur bei Ansprüchen von Trägern desselben Versicherungszweigs zugelassen worden waren(BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 2 RdNr 14; ebenso bereits BSG SozR 2200 § 1299 Nr 1 S 3 - Juris RdNr 18). Mit Einführung der Verrechnung nach § 52 SGB I ist diese Einschränkung gegenstandslos geworden(s BT-Drucks 7/868 S 32 - zu § 52: "Die Vorschrift beruht auf der Erwägung, dass im Sozialrecht angesichts derselben oder ähnlichen Zielsetzung aller Sozialleistungen, der Verpflichtung aller Leistungsträger zur engen Zusammenarbeit und des Strebens nach Verwaltungsvereinfachung auf die Gegenseitigkeit der aufgerechneten Forderungen verzichtet werden kann"). Die gesetzliche Regelung zur Verrechnung - insbesondere das Erfordernis einer ausdrücklichen Ermächtigung des anderen Leistungsträgers - darf hiernach nicht dadurch umgangen werden, dass weiterhin - wie zu Zeiten vor Erlass des SGB I - auf einen "Vorrang der sachlichen Einheit vor der formalen Selbstständigkeit der Versicherungsträger" und den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben abgestellt wird. Dies widerspräche der Gesetzesbindung (Art 20 Abs 3 GG), der sowohl die Verwaltung als auch die Rechtsprechung verpflichtet sind (im Ergebnis ebenso Mrozynski, SGB I, 4. Aufl 2010, § 51 RdNr 15; Zweng/Scherer/Buschmann/Dörr, Handbuch der RV, Teil I Bd 1, Stand November 2011, § 51 SGB I Anm III. 2. A.; Pflüger in juris-PK SGB I, 2. Aufl 2012, § 51 RdNr 29 f; Gutzler in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck'scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 51 SGB I RdNr 7, Stand Einzelkommentierung März 2013).

36

dd) Die Regelungen zur - überwiegend zum 1.1. bzw 1.10.2005 in Kraft getretenen - Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG vom 9.12.2004, BGBl I 3242) haben diese Rechtslage nicht geändert.

37

Die Beklagte (DRV Berlin-Brandenburg) und die DRV Mitteldeutschland sind jeweils Regionalträger der allgemeinen Rentenversicherung iS von § 125 Abs 1 SGB VI(idF des RVOrgG). Diese sind weiterhin als rechtlich eigenständige Selbstverwaltungskörperschaften (§ 29 Abs 1 SGB IV) organisiert (vgl Keck in Eichenhofer/Rische/Schmähl, Handbuch der gesetzlichen RV, 2. Aufl 2012, Kap 24 RdNr 76; Schillinger, ebenda Kap 26 RdNr 8 ff; Axer, DRV 2005, 542, 545). Ihnen kommt nicht lediglich die Stellung unselbstständiger Verwaltungsstellen eines einheitlichen (Rechts-)Trägers "allgemeine Rentenversicherung" zu; ein solcher Einheitsträger (vergleichbar der BA, s § 368 SGB III) wurde mit der Organisationsreform nicht geschaffen. Die Bezeichnung "allgemeine Rentenversicherung" in § 125 Abs 1 S 1 SGB VI beschreibt vielmehr einen - gemäß § 126 SGB VI von unterschiedlichen Trägern wahrzunehmenden - Aufgabenbereich der gesetzlichen Rentenversicherung (in Abgrenzung zum besonderen Bereich der knappschaftlichen Rentenversicherung), aber keine rechtlich eigenständige Organisationseinheit. Auch die Vorgaben in § 125 Abs 1 S 2 SGB VI für eine vereinheitlichte Namensgebung der jeweiligen Regionalträger beseitigen deren rechtliche Selbstständigkeit nicht. Mithin sind die Regionalträger weiterhin je eigenständige "Leistungsträger" iS der §§ 12, 23 Abs 2, §§ 51 und 52 SGB I.

38

Etwas anderes ergibt sich ebenso wenig aus den durch das RVOrgG neu gefassten Regelungen zu einem Finanzverbund in der allgemeinen Rentenversicherung (§ 219 SGB VI idF von Art 1 Nr 45 RVOrgG - gemäß dessen Art 86 Abs 5 am 1.1.2006 in Kraft getreten). Nach § 219 Abs 1 S 1 SGB VI werden die Ausgaben für Renten, Beitragserstattungen, Beiträge zur Krankenversicherung und sonstige Geldleistungen (ausgenommen jedoch Leistungen zur Teilhalbe, Aufwendungen für Verwaltungs- und Verfahrenskosten sowie Investitionen) von den Trägern der allgemeinen Rentenversicherung nach dem Verhältnis ihrer Beitragseinnahmen jeweils für ein Kalenderjahr gemeinsam getragen. Die Vorschrift sieht damit nur für bestimmte versichertenbezogene Aufwendungen eine gemeinsame Finanzierung durch alle Träger der allgemeinen Rentenversicherung unabhängig davon vor, wie hoch die Ausgaben für die Versicherten des jeweils zuständigen Versicherungsträgers sind. Vielmehr ist für die von den einzelnen Trägern zu übernehmenden Ausgabenanteile ihre Finanzkraft maßgeblich, welche in der Höhe der jeweiligen Beitragseinnahmen zum Ausdruck kommt. Dieses System des Finanzausgleichs ("Gemeinlastverfahren", s hierzu näher Mörschel/Wiederspahn, DRV 2005, 15, 30) soll die Zahlungsströme in der gesetzlichen Rentenversicherung reduzieren und optimieren, dabei aber die finanzielle Eigenständigkeit der einzelnen Träger erhalten (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum RVOrgG, BT-Drucks 15/3654 S 64). Der in § 219 SGB VI geregelte Finanzverbund auf der Ausgabenseite ist damit für die Einnahmen ohne Bedeutung; er begründet jedenfalls keine Gesamtgläubigerschaft (vgl § 428 BGB) sämtlicher Träger der allgemeinen Rentenversicherung für jede einzelne Forderung, die gegenüber einem ihrer Versicherten besteht.

39

ee) Das der gesetzlichen Regelung in § 51 SGB I zugrunde liegende Erfordernis der Gegenseitigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen ist auch nicht durch die "im März 2006" getroffene und im Juni-Heft des amtlichen Mitteilungsblatts(RVaktuell 2006, 245) veröffentlichte "Verbindliche Entscheidung" iS des § 138 Abs 2 SGB VI des Vorstands der DRV Bund aufgehoben worden.

40

Diese hat folgenden Wortlaut:

        

"Gegen die Ansprüche eines Berechtigten gegenüber einem Träger der allgemeinen Rentenversicherung kann ein anderer Träger der allgemeinen Rentenversicherung seine Ansprüche gegenüber demselben Berechtigten aus Beitragsforderungen, auf Rückzahlung zu Unrecht erbrachter Leistungen oder aus sonstigen Geldforderungen nach § 51 SGB I aufrechnen. Dies gilt auch in Fällen, in denen die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der allgemeinen Rentenversicherung zuständig ist.

        

Die Aufrechnung erfolgt für Zeiten ab 1.1.2006 auch dann, wenn beide Ansprüche oder einer der beiden Ansprüche vor diesem Zeitpunkt entstanden sind."

41

Da diese "Verbindliche Entscheidung" erst im Juni 2006 mit ihrer Veröffentlichung (§ 138 Abs 5 SGB VI) in Kraft trat, ist sie für die hier maßgebliche Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids - im Januar 2006 - ohne Bedeutung. Deshalb bedarf es an dieser Stelle keiner abschließenden Entscheidung, ob Entscheidungen nach § 138 Abs 2 SGB VI als "untergesetzliche Normen eigener Art"(so der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum RVOrgG, BT-Drucks 15/3654 S 70) mit dem Grundgesetz vereinbar sind (s hierzu Axer, DRV 2005, 542, 547 ff; Ruland/Dünn, NZS 2005, 113, 119 f; Schnapp, DÖV 2003, 965, 968 ff) und - soweit dies bejaht wird - ob diese nur für die Rentenversicherungsträger (vgl § 138 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB VI)und die Aufsichtsbehörden (so Ruland, DRV 2005, 2, 12; Binne/Dünn, DRV 2005, 50, 62) oder auch für die Versicherten verbindlich sind (so Axer, DRV 2005, 542, 546; wohl auch Hebeler in juris-PK SGB VI, 2008, § 138 RdNr 16 ff). Selbst wenn Letzteres der Fall wäre, könnten "Verbindliche Entscheidungen" als untergesetzliche Normen keine Wirksamkeit entfalten, soweit sie mit höherrangigem Recht nicht vereinbar sind (so bereits BSGE 78, 70, 77 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 32 zu den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen; ebenso Dünn in Ruland/Försterling, Gemeinschaftskomm zum SGB VI, § 138 RdNr 113, Stand Einzelkommentierung November 2009). Das dürfte bei der oben wiedergegebenen "Verbindlichen Entscheidung" vom März 2006, die nach ihrem Regelungsgegenstand eine solche über die "Auslegung von Rechtsfragen" (§ 138 Abs 2 S 3 SGB VI) enthält, jedoch der Fall sein. Ihr Inhalt steht, wie in den vorstehenden Ausführungen näher dargelegt wurde, im Widerspruch zum geltenden Recht. Dessen letztverbindliche Auslegung obliegt nach Art 92 GG allein den zuständigen Gerichten (BVerfGE 126, 369, 392 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 73; BVerfG vom 2.5.2012 - 2 BvL 5/10 - NVwZ 2012, 876 RdNr 68); ein Gestaltungsspielraum des untergesetzlichen Normgebers besteht insoweit nicht.

42

2. Der nach alledem als Regelung einer Aufrechnung (§ 51 SGB I)rechtswidrige Bescheid der Beklagten vom 22.6.2005 lässt sich nicht in einen Verrechnungsbescheid iS des § 52 SGB I umdeuten. § 43 Abs 1 SGB X gestattet eine Umdeutung nur, wenn der andere VA - hier ein Verrechnungsbescheid - auf das gleiche Ziel wie der fehlerhafte VA gerichtet ist, er von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Während die beiden ersten Anforderungen erfüllt sind, fehlt es jedoch an dem drittgenannten Erfordernis für eine Umdeutung.

43

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Verrechnungsbescheids nach § 52 SGB I sind nicht gegeben, da - wie die Revision zu Recht geltend macht - eine wirksame Ermächtigung der Beklagten durch die LVA Sachsen-Anhalt (bzw durch die DRV Mitteldeutschland als deren Rechtsnachfolgerin) zur Verrechnung der ihr zustehenden Beitragsforderung nicht vorliegt. Weder hat das LSG eine solche Ermächtigung festgestellt noch hat die Beklagte Entsprechendes im Verlauf des Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens behauptet. Die von der Beklagten selbst ("hausintern") erteilte "Ermächtigung zur Aufrechnung gemäß § 51 SGB I" vom 24.3.2005 genügt den Anforderungen des § 52 SGB I nicht. Denn jedenfalls dann, wenn die Beitragsforderung durch einen anderen Träger - hier: durch den früher zuständig gewesenen Regionalträger - bereits in einem Bescheid bestandskräftig als ihm zustehend festgestellt wurde, bedarf es nach einem Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit (§ 128 Abs 1 S 1 SGB VI nF bzw § 130 Abs 1 S 1 SGB VI aF) der Ermächtigung zur Verrechnung durch diesen Träger. Ein Zuständigkeitswechsel lässt den nunmehr örtlich zuständig gewordenen Leistungsträger, der nicht Forderungsinhaber ist, nicht auch für die Erteilung der Ermächtigung zur Verrechnung mit einer fremden Forderung iS des § 52 SGB I zuständig werden.

44

3. Lediglich ergänzend ist zum hauptsächlichen Vorbringen der Klägerin darauf hinzuweisen, dass das am 15.8.2002 über das Vermögen der Klägerin eröffnete Insolvenzverfahren einer Verrechnung ihrer erst ab 1.4.2005 entstandenen Ansprüche auf monatliche Zahlung der Altersrente mit der gegen sie gerichteten Beitragsforderung aus den Jahren 1992/1993 nicht entgegenstand. Zwar ist grundsätzlich im laufenden Insolvenzverfahren eine Verrechnung nach § 52 SGB I nur möglich, wenn die Verrechnungslage bereits vor Insolvenzeröffnung bestand(BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 2 RdNr 9, 11; BGHZ 177, 1 RdNr 16, 20; zur Aufrechnung s auch BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 62, RdNr 18; BSG vom 16.10.2012 - B 14 AS 188/11 R - RdNr 16 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 11 Nr 55 vorgesehen). Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (vgl § 200 InsO)- hier durch Beschluss des AG Potsdam vom 5.5.2004 - konnten die Insolvenzgläubiger ihre noch nicht befriedigten Forderungen gegen den Schuldner jedoch wieder unbeschränkt geltend machen, soweit sich aus den Regelungen zur Restschuldbefreiung (§§ 286 ff, insbesondere §§ 294, 301 InsO) nichts anderes ergibt (§ 201 Abs 3 InsO). § 294 Abs 1 InsO verbietet in diesem Zusammenhang Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners während der Laufzeit von dessen Abtretungserklärung über pfändbare Forderungen(vgl § 287 Abs 2 InsO). Hierzu hat der Senat - zur vergleichbaren Vorschrift in § 18 Abs 2 S 3 GesO - bereits entschieden, dass dieser Vollstreckungsschutz einer Verrechnung durch den Rentenversicherungsträger mit unpfändbaren Teilen der Rentenzahlungsansprüche des Schuldners(§ 54 Abs 4 SGB I iVm § 850c Abs 1 S 1 ZPO)nicht entgegensteht (BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 57 ff).

45

Nach Erteilung der Restschuldbefreiung an die Klägerin durch Beschluss des AG Potsdam vom 25.11.2008 dürfte die - infolge der unwirksamen Aufrechnung noch nicht erloschene - Beitragsforderung der DRV Mitteldeutschland allerdings nicht mehr durchsetzbar sein (zur Umwandlung einer Forderung aufgrund Restschuldbefreiung in eine Naturalobligation vgl Lang in Braun, InsO, 5. Aufl 2012, § 301 RdNr 2). Die Klägerin wird jedoch zu erwägen haben, ob es für sie vorteilhaft sein könnte, auf die Rückzahlung der von der Beklagten bereits einbehaltenen Beträge zu verzichten und diese als Erfüllung der Beitragsforderung gelten zu lassen (§ 301 Abs 3 InsO), um so mit zusätzlich zu berücksichtigenden Beitragszeiten ggf eine höhere Altersrente zu erlangen (vgl § 66 Abs 1 Nr 1 SGB VI).

46

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Bundessozialgericht Urteil, 14. März 2013 - B 13 R 5/11 R zitiert 58 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 170


(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision eb

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 124


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. (3) Entscheidungen des Gerichts, d

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 398 Abtretung


Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 39 Wirksamkeit des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 387 Voraussetzungen


Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 43 Wirksamkeit des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 850c Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen


(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als1.1 178,59 Euro monatlich,2.271,24 Euro wöchentlich oder3.54,25 Euro täglichbeträgt. (2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 77


Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Insolvenzordnung - InsO | § 174 Anmeldung der Forderungen


(1) Die Insolvenzgläubiger haben ihre Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden. Der Anmeldung sollen die Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt, in Abdruck beigefügt werden. Zur Vertretung des Gläubigers im Verfahren nach die

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 162


Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezir

Zivilprozessordnung - ZPO | § 850 Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen


(1) Arbeitseinkommen, das in Geld zahlbar ist, kann nur nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i gepfändet werden. (2) Arbeitseinkommen im Sinne dieser Vorschrift sind die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten, Arbeits- und Dienstlöhne, Ruhegelder u

Insolvenzordnung - InsO | § 287 Antrag des Schuldners


(1) Die Restschuldbefreiung setzt einen Antrag des Schuldners voraus, der mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden soll. Wird er nicht mit diesem verbunden, so ist er innerhalb von zwei Wochen nach dem Hinweis gemäß §

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 107 Erfüllung


(1) Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt. (2) Hat der Berechtigte Ansprüche gegen mehrere Leistungsträger, gilt der Anspruch als erfüllt, den der

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 51 Aufrechnung


(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind. (2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht e

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 54 Pfändung


(1) Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen können nicht gepfändet werden. (2) Ansprüche auf einmalige Geldleistungen können nur gepfändet werden, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen

Insolvenzordnung - InsO | § 201 Rechte der Insolvenzgläubiger nach Verfahrensaufhebung


(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen. (2) Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfun

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 43 Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes


(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können un

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 412 Gesetzlicher Forderungsübergang


Auf die Übertragung einer Forderung kraft Gesetzes finden die Vorschriften der §§ 399 bis 404, 406 bis 410 entsprechende Anwendung.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 141


(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, 1. die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger,2. im Falle des § 75 Absatz 2a die Personen und im Falle des § 75 Absatz 2b die Versicherungsträger, die einen An

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 428 Gesamtgläubiger


Sind mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist (Gesamtgläubiger), so kann der Schuldner nach seinem Belieben an jeden

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 165


Für die Revision gelten die Vorschriften über die Berufung entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. § 153 Abs. 2 und 4 sowie § 155 Abs. 2 bis 4 finden keine Anwendung.

Insolvenzordnung - InsO | § 301 Wirkung der Restschuldbefreiung


(1) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. (2) Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners so

Insolvenzordnung - InsO | § 200 Aufhebung des Insolvenzverfahrens


(1) Sobald die Schlußverteilung vollzogen ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens. (2) Der Beschluß und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekanntzumachen. Die §§ 31 bis 33 gelten entsprechend.

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 66 Persönliche Entgeltpunkte


(1) Die persönlichen Entgeltpunkte für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente ergeben sich, indem die Summe aller Entgeltpunkte für1.Beitragszeiten,2.beitragsfreie Zeiten,3.Zuschläge für beitragsgeminderte Zeiten,4.Zuschläge oder Abschläge aus ei

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 29 Rechtsstellung


(1) Die Träger der Sozialversicherung (Versicherungsträger) sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. (2) Die Selbstverwaltung wird, soweit § 44 nichts Abweichendes bestimmt, durch die Versicherten und die Arb

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 52 Verrechnung


Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist.

Insolvenzordnung - InsO | § 294 Gleichbehandlung der Gläubiger


(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig. (2) Jedes Abkommen des Schuldners oder ande

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 12 Leistungsträger


Zuständig für die Sozialleistungen sind die in den §§ 18 bis 29 genannten Körperschaften, Anstalten und Behörden (Leistungsträger). Die Abgrenzung ihrer Zuständigkeit ergibt sich aus den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs.

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 52 Hemmung der Verjährung durch Verwaltungsakt


(1) Ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, hemmt die Verjährung dieses Anspruchs. Die Hemmung endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts oder

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 125 Träger der gesetzlichen Rentenversicherung


(1) Die Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung (allgemeine Rentenversicherung und knappschaftliche Rentenversicherung) werden von Regionalträgern und Bundesträgern wahrgenommen. Der Name der Regionalträger der gesetzlichen Rentenversicherung be

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 2 Örtliche Zuständigkeit


(1) Sind mehrere Behörden örtlich zuständig, entscheidet die Behörde, die zuerst mit der Sache befasst worden ist, es sei denn, die gemeinsame Aufsichtsbehörde bestimmt, dass eine andere örtlich zuständige Behörde zu entscheiden hat. Diese Aufsichtsb

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 139


(1) Enthält der Tatbestand des Urteils andere Unrichtigkeiten oder Unklarheiten, so kann die Berichtigung binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beantragt werden. (2) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme durch Beschluß. Der Beschlu

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 138 Grundsatz- und Querschnittsaufgaben der Deutschen Rentenversicherung


(1) Die Deutsche Rentenversicherung Bund nimmt die Grundsatz- und Querschnittsaufgaben der Deutschen Rentenversicherung wahr. Dazu gehören: 1. Vertretung der Rentenversicherung in ihrer Gesamtheit gegenüber Politik, Bundes-, Landes-, Europäischen und

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(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

(1) Die Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung (allgemeine Rentenversicherung und knappschaftliche Rentenversicherung) werden von Regionalträgern und Bundesträgern wahrgenommen. Der Name der Regionalträger der gesetzlichen Rentenversicherung besteht aus der Bezeichnung "Deutsche Rentenversicherung" und einem Zusatz für ihre jeweilige regionale Zuständigkeit.

(2) Bundesträger sind die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Die Deutsche Rentenversicherung Bund nimmt auch die Grundsatz- und Querschnittsaufgaben und die gemeinsamen Angelegenheiten der Träger der Rentenversicherung wahr.

(1) Ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, hemmt die Verjährung dieses Anspruchs. Die Hemmung endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts oder sechs Monate nach seiner anderweitigen Erledigung.

(2) Ist ein Verwaltungsakt im Sinne des Absatzes 1 unanfechtbar geworden, beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

(1) Die Insolvenzgläubiger haben ihre Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden. Der Anmeldung sollen die Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt, in Abdruck beigefügt werden. Zur Vertretung des Gläubigers im Verfahren nach diesem Abschnitt sind auch Personen befugt, die Inkassodienstleistungen erbringen (registrierte Personen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes).

(2) Bei der Anmeldung sind der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben sowie die Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung, eine vorsätzliche pflichtwidrige Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht oder eine Steuerstraftat des Schuldners nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung zugrunde liegt.

(3) Die Forderungen nachrangiger Gläubiger sind nur anzumelden, soweit das Insolvenzgericht besonders zur Anmeldung dieser Forderungen auffordert. Bei der Anmeldung solcher Forderungen ist auf den Nachrang hinzuweisen und die dem Gläubiger zustehende Rangstelle zu bezeichnen.

(4) Die Anmeldung kann durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments erfolgen, wenn der Insolvenzverwalter der Übermittlung elektronischer Dokumente ausdrücklich zugestimmt hat. Als Urkunde im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 kann in diesem Fall auch eine elektronische Rechnung übermittelt werden. Auf Verlangen des Insolvenzverwalters oder des Insolvenzgerichts sind Ausdrucke, Abschriften oder Originale von Urkunden einzureichen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Für die Revision gelten die Vorschriften über die Berufung entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. § 153 Abs. 2 und 4 sowie § 155 Abs. 2 bis 4 finden keine Anwendung.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Enthält der Tatbestand des Urteils andere Unrichtigkeiten oder Unklarheiten, so kann die Berichtigung binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beantragt werden.

(2) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme durch Beschluß. Der Beschluß ist unanfechtbar. Bei der Entscheidung wirken nur die Richter mit, die beim Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so entscheidet bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden. Der Berichtigungsbeschluß wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt.

(3) Ist das Urteil elektronisch abgefasst, ist auch der Beschluss elektronisch abzufassen und mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 235/07
vom
22. September 2008
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 22. September 2008
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer,
Caliebe, Dr. Reichart und Dr. Drescher

beschlossen:
Die Beschwerden der Klägerinnen zu 5, 10 und 11 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. September 2007 werden zurückgewiesen. Die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens werden wie folgt verteilt: Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 5 52 %, die Klägerin zu 10 20 % und die Klägerin zu 11 28 %. Die Klägerin zu 5 trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und 3. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 tragen die Klägerin zu 5 27 %, die Klägerin zu 10 30 % und die Klägerin zu 11 43 %. Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten werden der Klägerin zu 5 zu 42 %, der Klägerin zu 10 zu 24 % und der Klägerin zu 11 zu 34 % auferlegt. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Klägerinnen zu 5, 10 und 11 selbst.

Gründe:

1
I. Die Nichtzulassungsbeschwerden der Klägerinnen zu 5, 10 und 11 sind unbegründet, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechts- streit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der Senat hat auch die Verfahrensrügen geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
2
II. Das Berufungsurteil wird entgegen der Ansicht der Klägerinnen bereits von der revisionsrechtlich einwandfreien Primärbegründung des Berufungsgerichts getragen, dass sämtliche von diesen Klägerinnen geltend gemachten Ersatzansprüche jedenfalls verjährt sind.
3
1. Die hierzu getroffenen tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts , das im Wesentlichen auf die einwandfreien diesbezüglichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteils Bezug nimmt, beruhen entgegen der Ansicht der Klägerinnen nicht auf zulassungsrelevanten, das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG betreffenden Verfahrensfehlern.
4
a) Zwar haben die Klägerinnen - wie sie geltend machen - mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 4. September 2007 vortragen lassen, dass "den Klägerinnen und Zedenten die beklagtenseits herangezogene Medienberichterstattung über die Anklageerhebung nicht bekannt" gewesen sei; so sei ihnen im Oktober 2001 weder bekannt gewesen, dass die Staatsanwaltschaft im Jahr 2000 irgendwelche Vorgänge bei der Beklagten zu 1 untersucht habe, noch hätten sie als "juristisch ungebildete Laien" gewusst, dass das "Ermittlungsverfahren abgeschlossen" gewesen sei.
5
Hierauf lässt sich jedoch der - von den Klägerinnen insoweit geltend gemachte - Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 2. Variante ZPO nicht stützen, weil die Klägerinnen die ihrem Vorbringen entgegenstehenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht - wie es geboten gewesen wäre - mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag (§ 320 ZPO) angegriffen ha- ben und nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine Richtigstellung des Tatbestandes nicht mit Hilfe einer Verfahrensrüge durchgesetzt werden kann (vgl. nur: Senatsurteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, ZIP 2007, 1942 Tz. 24 m.w.Nachw.). Hieran ändert nichts, dass die betreffenden Feststellungen des Berufungsgerichts in den Entscheidungsgründen seines Urteils enthalten sind, da zum Tatbestand insbesondere auch das in den Entscheidungsgründen wiedergegebene tatsächliche Vorbringen gehört (BGH, Urt. v. 29. April 1993 - IX ZR 215/92, ZIP 1993, 930, 931). Da es an einer Berichtigung des Tatbestandes nach § 320 ZPO fehlt, sind die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts für das weitere Verfahren bindend (§ 314 ZPO).
6
b) Entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde hat das Berufungsgericht auch nicht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG den Vortrag der Klägerin übergangen, dass weder in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft noch in Medienberichten über die Anklageerhebung die jeweiligen Adhoc -Mitteilungen erwähnt würden, auf die die Klägerinnen ihre Schadensersatzansprüche stützten und dass hieraus im Übrigen auch keine Kenntnis aller anspruchsbegründenden Tatsachen habe gewonnen werden können.
7
Das Berufungsgericht hat dieses Vorbringen - wenn auch knapp - gewürdigt , indem es ausführt, dass der Umstand, dass die Klägerinnen bzw. die Zedenten aufgrund der Presseberichterstattung über die Anklageerhebung nicht alle Einzelheiten gekannt hätten, nichts daran ändere, dass sie spätestens seit Herbst 2001 "von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt" hätten. Die vom Berufungsgericht ausdrücklich in Bezug genommenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichtsurteils enthalten - unter B. I 4 b, B. 2.3 sowie B. III der Entscheidungsgründe (LGU 18 ff.) - nähere Einzelheiten hinsichtlich der insoweit erforderlichen Kenntniserlangung. Für die Kenntnis im Sinne von § 852 BGB a.F. genügt insbesondere, dass nach der Überzeugung des Tatrichters der Anspruchsberechtigte den Hergang der Schädigung in seinen Grundzügen kennt und weiß, dass der Sachverhalt Anhaltspunkte für eine Ersatzpflicht des Verantwortlichen bietet (BGH, Urt. v. 29. Juni 1989 - III ZR 92/87, WM 1989, 1822, 1826).
8
2. Entgegen der Ansicht der Klägerinnen liegt auch nicht der Zulassungsgrund der Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr.2, 2. Variante ZPO) vor, weil das Berufungsgericht die Ansicht vertreten hat, die Verjährungsfrist beginne bereits mit Kenntnis von der Anklageerhebung.
9
a) Insoweit hat das Berufungsgericht keinen von höchstrichterlicher oder obergerichtlicher Rechtsprechung abweichenden, die Entscheidung tragenden Rechtssatz aufgestellt. Zwar kann der Verjährungsbeginn bei unübersichtlicher oder zweifelhafter Rechtslage wegen Rechtsunkenntnis hinausgeschoben sein. Das Berufungsgericht vertritt hier indessen aufgrund seiner vertretbaren Würdigung des vorliegenden Einzelfalls die Auffassung, dass - positive - Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen spätestens im Herbst 2001 im Zusammenhang mit der Kenntnis von der Anklageerhebung vorgelegen habe.
10
b) Es liegt auch keine zulassungsrelevante Divergenz des Berufungsurteils zur Rechtsprechung des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vor, weil eine derartige Abweichung begriffsnotwendig voraussetzt, dass die anders lautende Entscheidung bereits bei Erlass des angefochtenen Urteils existent war. Das war hier aber - wie auch die Beschwerde einräumt - nicht der Fall.
11
3. Im Hinblick auf die abweichende Beurteilung der Verjährungsfrage durch jenen 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München ist auch nicht etwa die Zulassung der Revision wegen Grundsatzbedeutung veranlasst.
12
Anders als die Beschwerde meint, stellt das Berufungsgericht im vorliegenden Fall nicht allein auf den Umstand der Anklageerhebung ab. Vielmehr ändert nach seiner Auffassung die Tatsache, dass die Klägerinnen bzw. die Zedenten aufgrund der Presseberichterstattung über die Anklageerhebung nicht alle Einzelheiten des Ermittlungsverfahrens gekannt hätten, nichts daran, dass sie spätestens im Herbst 2001 gemäß dem Gesetz "von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt" hatten. Nach den - von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen - tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts hatten die Klägerinnen/Zedenten die erforderliche Kenntnis "spätestens mit der Erhebung der Anklage gegen die Beklagten zu 2 und 3 vom 16. Oktober 2001 durch die Staatsanwaltschaft München I". Sie haben nämlich u.a. vorgetragen , dass die Beklagte zu 1 im Mai 2001 einen Geschäftsbericht vorgelegt habe, aus dem ihre finanzielle Belastung durch den "Formel-1-Einstieg" ersichtlich gewesen sei. Aufgrund dessen ist der Tatrichter zu der revisionsrechtlich einwandfreien Überzeugung gelangt, die Klägerinnen/Zedenten hätten bereits spätestens seit der Vorlage jenes Geschäftsberichts Kenntnis von der in der Ad-hoc-Mitteilung vom 22. März 2000 nicht angegebenen Option auf den Erwerb weiterer 25 %, sowie davon gehabt, dass die Beklagte zu 1 im Jahre 2000 statt eines Gewinns einen Verlust von 2,8 Milliarden DM erwirtschaft gehabt habe.
13
4. Soweit die Beschwerde in den Ausführungen des Berufungsgerichts zum Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist "spätestens im Herbst 2002" einen symptomatischen Rechtsfehler sieht, fehlt es bereits an der erforderlichen Relevanz für den behaupteten Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Dieser Angriff richtet sich lediglich gegen eine nicht entscheidungstragende Alternativerwägung des Berufungsgerichts, weil dieses - wie bereits erwähnt - auf der Grundlage der insoweit in Bezug genommenen, revisionsrechtlich einwandfreien Feststellungen des Landgerichts primär davon ausgegangen ist, dass die Klägerinnen bzw. die Zedenten schon früher - nämlich (spätestens) im Herbst 2001 - "von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt" hatten.
14
Unter Zugrundelegung dieser Feststellungen erweist sich die Primärerwägung , dass die Verjährung spätestens im Herbst 2001 begonnen habe, als zutreffend. Denn die Verjährung nach § 852 Abs. 1 BGB a.F. beginnt mit positiver Kenntnis des Geschädigten von dem Schaden, einschließlich des Schadenshergangs und des Schädigers (vgl. nur BGH, Urt. v. 10. April 1990 - VI ZR 174/89, VersR 1991, 1032). Nach dieser Vorschrift war bei Einreichung der Klage am 31. Dezember 2005 die Verjährung bereits vollendet.
15
III. Auf die Angriffe der Beschwerde gegen die weiteren Hilfserwägungen des Berufungsgerichts kommt es mangels Entscheidungserheblichkeit nicht mehr an.
16
IV. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbs. ZPO abgesehen.
17
V. Streitwert: 207.058,06 € (Klägerin zu 5: 55.455,91 €; Klägerin zu 10: 62.300,00 €; Klägerin zu 11: 89.302,15€) Goette Kraemer Caliebe Reichart Drescher
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 09.11.2006 - 12 O 25580/05 -
OLG München, Entscheidung vom 17.09.2007 - 21 U 5658/06 -

Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist.

(1) Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt.

(2) Hat der Berechtigte Ansprüche gegen mehrere Leistungsträger, gilt der Anspruch als erfüllt, den der Träger, der die Sozialleistung erbracht hat, bestimmt. Die Bestimmung ist dem Berechtigten gegenüber unverzüglich vorzunehmen und den übrigen Leistungsträgern mitzuteilen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 30. Januar 2012 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin weitere 1872,44 Euro zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Beklagte und der Beigeladene je zur Hälfte.

Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 1872,44 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist, in welchem Umfang der Bundesagentur für Arbeit (BA) bzw für Leistungen nach dem SGB II dem Jobcenter Erstattungsansprüche gegen den Rentenversicherungsträger aufgrund einer rückwirkend bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung zustehen.

2

Die beklagte Trägerin der Rentenversicherung bewilligte der im Jahr 1956 geborenen Versicherten (Leistungsempfängerin) mit Bescheid vom 9.1.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen (unter dreistündiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt) für den Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 31.3.2008. Die laufende Rentenzahlung iHv monatlich 362,72 Euro begann am 1.3.2007. Die Beklagte behielt die Nachzahlung für den Zeitraum von Juni 2006 bis Februar 2007 iHv 3264,48 Euro bis zur Klärung der Ansprüche anderer Stellen zunächst ein.

3

Zuvor hatten die Leistungsempfängerin und ihr Ehemann aufgrund eines Antrags vom September 2004, in dem beide angegeben hatten, noch mindestens drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen zu können, seit Januar 2005 vom Beigeladenen (Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II, dessen Rechtsnachfolge später das Jobcenter team.arbeit.hamburg antrat - im Folgenden einheitlich als Beigeladener bezeichnet) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II bezogen. Zudem hatte die Leistungsempfängerin vom 22.7.2004 bis zum 7.12.2005 Krankengeld erhalten, das der Beigeladene, nachdem er hiervon im Februar 2006 Kenntnis erlangt hatte, als Einkommen auf das Alg II zur Anrechnung gebracht hat. Außerdem hatte ihr die klagende BA aufgrund einer Anfang April 2006 vorgenommenen (erneuten) Arbeitslosmeldung, in der die Leistungsempfängerin angab, aus gesundheitlichen Gründen höchstens noch 20 Stunden in der Woche erwerbstätig sein zu können, gemäß der Nahtlosigkeitsregelung (§ 125 SGB III) ab dem 3.4.2006 bis zum 15.8.2007 Alg iHv kalendertäglich 12,36 Euro bzw monatlich 370,80 Euro gezahlt (Bescheid vom 10.4.2006).

4

Ebenfalls im April 2006 hatten die Leistungsempfängerin und ihr Ehemann einen Antrag auf Fortzahlung der SGB II-Leistungen gestellt, wobei sie als einzige gegenüber früheren Anträgen eingetretene Änderung der maßgeblichen Verhältnisse den Bezug von Alg ab 3.4.2006 erwähnten. Der Beigeladene hatte daraufhin den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zunächst für den Zeitraum vom 1.5. bis zum 30.9.2006 und sodann unverändert auch für die daran anschließende Zeit bis zum 31.3.2007 "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)" iHv monatlich 716,82 Euro bewilligt; hiervon entfielen auf die Leistungsempfängerin nach anteiliger Anrechnung des Alg 341,30 Euro (Bescheid vom 2.5.2006 idF des Änderungsbescheids vom 5.7.2006 sowie Bescheid vom 12.9.2006: Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts iHv 134,32 Euro, Kosten für Unterkunft und Heizung iHv 206,98 Euro). Zuvor hatten der Beigeladene und die Leistungsempfängerin am 20.3.2006 eine "Eingliederungsvereinbarung" geschlossen, in der sich diese zur Beantragung einer Rente und der Beigeladene zum Abwarten der Entscheidung der Rentenstelle verpflichtete.

5

Aufgrund der Rentenbewilligung hob die Klägerin in zwei Bescheiden vom 6.3.2007 die gegenüber der Leistungsempfängerin ausgesprochene Bewilligung des Alg für den Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 28.2.2007 sowie gesondert für den Zeitraum ab 1.3.2007 auf. Zugleich stellte sie fest, dass bis zum 28.2.2007 eine Überzahlung iHv 3264,48 Euro eingetreten sei; eine Rückzahlung dieses Betrags durch die Leistungsempfängerin sei aber nur erforderlich, wenn und soweit der Rentenversicherungsträger den Erstattungsanspruch nicht erfülle. Die Leistungsempfängerin focht die Bescheide vom 6.3.2007 nicht an.

6

Der Beigeladene erließ nach Kenntnis der Rentenbewilligung zunächst am 23.2.2007 einen Änderungsbescheid mit der Feststellung, dass die Leistungsempfängerin aufgrund des Bezugs von Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1.3.2007 lediglich Anspruch auf Sozialgeld habe; zugleich erfolgte für den Monat März 2007 eine Anrechnung sowohl des bislang gezahlten Alg als auch des Rentenzahlbetrags als Einkommen. Nach Widerspruch nahm der Beigeladene im Änderungsbescheid vom 16.3.2007 eine Korrektur dahingehend vor, dass - wie bisher - nur der (höhere) Zahlbetrag des (ab März 2007 nicht mehr gezahlten) Alg Anrechnung fand. Zugleich kündigte der Beigeladene an, er werde den Rentenzahlbetrag ab April 2007 mit monatlich 332,72 Euro berücksichtigen, sofern ein Fortzahlungsantrag gestellt werde.

7

Der Beigeladene meldete mit Schreiben vom 22.1.2007 bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch für die von ihm im Zeitraum März 2005 bis Februar 2007 an die Leistungsempfängerin gezahlten Beträge (Regelleistung, KdU, Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung) iHv insgesamt 11 524,30 Euro an (davon Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung iHv zuletzt monatlich 132,15 Euro). Die Klägerin forderte im Schreiben vom 6.3.2007 von der Beklagten für das im Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 28.2.2007 an die Leistungsempfängerin gezahlte Alg die Erstattung des gesamten Rentennachzahlungsbetrags iHv 3264,48 Euro zuzüglich der in diesem Zeitraum von ihr entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (monatlich 71,22 Euro, insgesamt 640,98 Euro).

8

Die Beklagte teilte den zur Verfügung stehenden Nachzahlungsbetrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen auf. Sie bestimmte den maßgeblichen Anteil nach dem Verhältnis der für den Nachzahlungszeitraum jeweils angeforderten Erstattungsbeträge (Klägerin: monatlich 362,72 Euro an Stelle des monatlich gezahlten Alg iHv 370,40 Euro; Beigeladener: monatlich 341,30 Euro für gezahlte Regelleistung und KdU) zu der insgesamt geforderten Erstattungssumme (monatlich 362,72 Euro + 341,30 Euro = 704,02 Euro); dies ergab für die Klägerin einen Anteil von 51,52 % (monatlich 186,88 Euro, insgesamt 1681,82 Euro) und für den Beigeladenen von 48,48 % (monatlich 175,84 Euro, insgesamt 1582,56 Euro). Hingegen kehrte die Beklagte die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die sie für den Nachzahlungszeitraum zu entrichten gehabt hätte (monatlich 64,42 Euro, insgesamt 579,78 Euro), ohne Berücksichtigung des Umfangs der von diesen tatsächlich geleisteten Beitragszahlungen je zur Hälfte (iHv 289,88 Euro - statt zutreffend 289,89 Euro) an die Klägerin und den Beigeladenen aus. Mit Schreiben vom 23.4.2007 teilte sie der Klägerin und dem Beigeladenen mit, dass wegen des Vorliegens gleichrangiger Erstattungsansprüche der BA bzw des Jobcenters nach § 103 SGB X nur eine anteilige Erstattung gemäß § 106 Abs 2 S 1 SGB X erfolgen könne; zugleich informierte sie die Leistungsempfängerin, dass der Rentennachzahlungsbetrag aufgrund der Erstattungen erschöpft sei.

9

Die Klägerin hat ihre zunächst zum ArbG Berlin erhobene Klage gegen die Beklagte zurückgenommen. Auf die sodann erhobene sozialgerichtliche Leistungsklage hat das SG das Jobcenter gemäß § 75 Abs 1 SGG beigeladen und die zuletzt auf Zahlung weiterer 1872,44 Euro gerichtete Klage abgewiesen(Urteil vom 30.1.2012).

10

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe kein weitergehender Erstattungsanspruch zu, weil die Beklagte zu Recht ihren Erstattungsanspruch und den des Beigeladenen iS von § 106 Abs 2 S 1 SGB X als ranggleich behandelt habe. Beide Ansprüche hätten ihre Rechtsgrundlage in § 103 SGB X. Für die Zuordnung zu dieser Vorschrift oder zu § 104 SGB X sei nicht das Verhältnis der Leistungen der Klägerin und des Beigeladenen untereinander maßgeblich; vielmehr komme es entscheidend auf das Verhältnis der Leistung des Erstattungsberechtigten zu der Leistung des erstattungspflichtigen Sozialleistungsträgers an. Insoweit bestehe zwischen der Leistung des Beigeladenen (Grundsicherung) und derjenigen der Beklagten (Rente) weder ein institutionelles Nachrang-Vorrang-Verhältnis noch eine Einzelanspruchssubsidiarität (Hinweis auf Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 10.9.2010 - L 3 AL 43/09 - s hierzu das Urteil im Parallelverfahren B 13 R 11/11 R vom heutigen Tage). Abzustellen sei auf den jeweiligen Einzelfall. Dieser sei hier durch ein Ausschlussverhältnis gekennzeichnet, da der Anspruch auf Alg II entfalle, wenn - wie hier - die Voraussetzungen einer vollen Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen vorlägen. Das gelte auch dann, wenn der Leistungsempfänger in einer Mehrpersonen-Bedarfsgemeinschaft lebe. Auf die Besonderheit des vorliegenden Falles, die darin bestehe, dass der Leistungsempfängerin aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft mit ihrem erwerbsfähigen Ehemann bei nachträglicher Betrachtung ein Anspruch auf Sozialgeld in gleicher Höhe wie das gezahlte Alg II zugestanden habe, komme es hingegen nicht an. Denn es sei nur auf die konkreten ursprünglichen Leistungsansprüche - hier Alg und aufstockend Alg II - abzustellen. Das verhindere, dass der Erstattungspflichtige alle denkbaren Ansprüche des Leistungsempfängers prüfen müsse und die einschlägige Erstattungsnorm von den Zufälligkeiten der Familienkonstellation bzw von der Größe und Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft abhänge. Da hiernach infolge der Feststellung einer vollen Erwerbsminderung der Leistungsempfängerin aus medizinischen Gründen mit Wirkung für die Vergangenheit sowohl ihr Anspruch auf Alg als auch derjenige auf Alg II aus dem gleichen Grund nachträglich entfallen sei, beruhten die Erstattungsansprüche der Klägerin und des Beigeladenen jeweils auf § 103 SGB X und seien deshalb von der Beklagten zu Recht anteilsmäßig befriedigt worden. Ebenfalls nicht zu beanstanden sei die hälftige Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.

11

Die Klägerin rügt mit ihrer Sprungrevision, die das SG in seinem Urteil zugelassen und deren Einlegung die Beklagte zugestimmt hat, eine Verletzung der §§ 103, 104 und 106 SGB X. Ihr stehe ein vorrangiger Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X zu, der voll und nicht nur anteilsmäßig zu befriedigen sei, weil sich der Erstattungsanspruch des Beigeladenen nach § 104 SGB X richte. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende sei eine institutionell nachrangige Leistung, wie schon die Sozialhilfe. Dies folge aus § 5 Abs 1 SGB II und den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens zu dieser Vorschrift sowie klarstellend aus § 12a SGB II(idF des Siebten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 8.4.2008 - BGBl I 681). Die Erbringung der Grundsicherung als Aufstockungsleistung zum Alg nach Maßgabe des § 22 Abs 4 SGB III(idF des GSiFoG vom 20.7.2006 - BGBl I 1706) ändere daran ebenso wenig wie der Umstand, dass die Leistungsempfängerin bei Erwerbsunfähigkeit an Stelle des Anspruchs auf Alg II einen solchen auf Sozialgeld gemäß § 28 Abs 1 S 2 SGB II(in den bis zum 31.12.2010 geltenden Fassungen) gehabt habe. Das SG habe dagegen im Ergebnis eine Einzelfallsubsidiarität der Leistung des Beigeladenen im Verhältnis zu der von ihr - der Klägerin - erbrachten Leistung bejaht, obwohl das bei bestehender Systemsubsidiarität ausgeschlossen sei. Ihrem danach vorrangig zu befriedigenden Erstattungsanspruch stehe auch nicht entgegen, dass sie - die Klägerin - die Bewilligung von Alg gegenüber der Leistungsempfängerin rückwirkend aufgehoben habe.

12

Die Klägerin ist zudem der Meinung, dass auch hinsichtlich der Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung die Rangfolge des § 106 SGB X maßgeblich sei. Danach sei - wie hier - beim Zusammentreffen eines vorrangigen Erstattungsanspruchs (§ 103 SGB X) mit einem nachrangigen Erstattungsanspruch des Jobcenters (§ 104 SGB X) zuerst der Beitragserstattungsanspruch des Trägers zu befriedigen, der sich auf § 103 SGB X berufen könne.

13

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 30. Januar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 1872,44 Euro zu zahlen.

14

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

15

Sie macht geltend, dass es aus dem Blickwinkel der finanziellen Belastung für sie unerheblich sei, ob sie die Rentennachzahlung nur an die Klägerin auskehre oder aber zwischen dieser und dem Beigeladenen aufteile. Für beide Lösungen sprächen vertretbare Gründe. Sie habe sich in ihrer Verwaltungspraxis für eine dieser Lösungen entscheiden müssen und wolle lediglich geklärt wissen, ob der von ihr beschrittene Weg der richtige sei. Die Beklagte weist allerdings darauf hin, dass im Sozialrecht ein genereller Nachrang der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Verhältnis zu anderen Sozialleistungen nicht normiert sei. Vielmehr sehe § 5 Abs 2 S 1 SGB II sogar einen partiellen Vorrang der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vor.

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Der Beigeladene schließt sich dem Antrag und den Ausführungen der Beklagten an.

Entscheidungsgründe

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Die (Sprung-)Revision der Klägerin ist zulässig und begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin weitere 1872,44 Euro zu erstatten, denn ein Erstattungsanspruch des Beigeladenen, der den Anspruch der Klägerin begrenzen könnte, besteht nicht. Das anderslautende Urteil des SG ist daher aufzuheben (§ 170 Abs 2 S 1 SGG).

18

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.

19

a) Dem Senat ist eine Entscheidung in der Sache nicht aufgrund des Umstands verwehrt, dass die Klägerin ihre Leistungsklage gegen die Beklagte zunächst beim ArbG erhoben, anschließend aber den Rechtsbehelf dort zurückgenommen und sodann beim SG angebracht hat. Zwar ist nach der Rechtsprechung des BSG zu § 102 SGG jedenfalls bei einer nicht fristgebundenen Klage nach deren Rücknahme eine erneute Klage in derselben Sache grundsätzlich unzulässig(BSG SozR 1500 § 102 Nr 5 S 10 mwN; BSGE 57, 184, 185 = SozR 2200 § 385 Nr 10 S 39 f; Senatsurteil vom 31.3.1993 - 13 RJ 33/91 - Juris RdNr 17; s aber Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 102 RdNr 11). Dieser Grundsatz kann jedoch keine Anwendung finden, wenn - wie hier - die Klagerücknahme nach den Regeln einer Prozessordnung erfolgte, die eine solche Rechtsfolge nicht vorsieht (§ 46 Abs 2 S 1 ArbGG iVm § 269 Abs 6 ZPO). Nichts anderes gilt, wenn die Klagerücknahme auf eine entsprechende Anregung des Gerichts hin erklärt wurde, um - wie ebenfalls hier - eine an sich gebotene Rechtswegverweisung (§ 17a Abs 2 GVG, hier iVm § 48 ArbGG) zu vermeiden (vgl BSGE 57, 184, 185 f = SozR 2200 § 385 Nr 10 S 39 f; BSG SozR 4-4200 § 16 Nr 8 RdNr 13).

20

b) Einer Sachentscheidung steht als Hindernis auch nicht entgegen, dass das SG die Beiladung des Jobcenters auf § 75 Abs 1 SGG (sog einfache Beiladung) gestützt hat.

21

Das Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Nach § 76 Abs 3 S 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung(Jobcenter, §§ 6d, 44b SGB II) als Rechtsnachfolger an die Stelle der ursprünglich beigeladenen Arbeitsgemeinschaft getreten. Diesem kraft Gesetzes eintretenden Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II hat das SG zutreffend durch Berichtigung des Rubrums Rechnung getragen (BSG SozR 4-1300 § 107 Nr 4 RdNr 10; BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr 21, nur in Juris RdNr 14).

22

Allerdings spricht viel dafür, dass bei einem Streit zwischen der BA und dem Rentenversicherungsträger um die Rangfolge und den Umfang konkurrierender Erstattungsansprüche von Trägern nach dem SGB III bzw SGB II das Jobcenter iS des § 75 Abs 2 Alt 1 SGG notwendig beizuladen ist. Denn dieses ist aufgrund der den Erstattungsumfang begrenzenden Regelung in § 106 Abs 3 SGB X an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt, dass die Entscheidung letztlich auch ihm gegenüber nur einheitlich getroffen werden kann(Böttiger in Diering/Timme/Waschull, LPK SGB X, 3. Aufl 2011, § 106 RdNr 20; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, K § 106 RdNr 34, Stand Einzelkommentierung April 2012; Breitkreuz in Breitkreuz/ Fichte, SGG, 2009, § 75 RdNr 10; zur Notwendigkeit einer Beiladung in Konstellationen eng miteinander zusammenhängender, aus demselben Bestand an Mitteln zu befriedigender Ansprüche s auch Loytved, SGb 1984, 510, 512; Hänlein, SGb 1989, 337, 338; Zeihe, SGG, Stand November 2010, § 75 Anm 15b aa) bzw ee)).

23

Der Senat ist jedoch nicht gehalten, insoweit eine notwendige Beiladung nachzuholen (§ 168 S 2 letzte Alt SGG). Die Angabe einer unzutreffenden Rechtsgrundlage in dem Beiladungsbeschluss ändert nichts daran, dass die prozessual erforderliche Beteiligung des Jobcenters an dem Verfahren durch Einräumung der Rechtsstellung eines Beigeladenen tatsächlich erfolgt ist (s Zeihe, SGb 1994, 363, 364; Ulmer in Hennig, SGG, § 75 RdNr 15, Stand Einzelkommentierung November 2006, RdNr 15, 20). Soweit der 6. Senat (BSGE 67, 256, 259 = SozR 3-2500 § 92 Nr 1 S 4)und der 5. Senat (BSGE 108, 158 = SozR 4-3250 § 17 Nr 1, RdNr 20) des BSG im Hinblick auf § 75 Abs 4 S 2 SGG darauf abstellen, ob der Beigeladene in der Vorinstanz möglicherweise abweichende Sachanträge gestellt hätte, kommt es darauf hier nicht an. Denn der Beigeladene hat sich bereits vor dem SG dem Sachantrag der Beklagten angeschlossen und überdies zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, er hätte dies anders gehandhabt, wäre er vom SG ausdrücklich unter Berufung auf § 75 Abs 2 SGG beigeladen worden.

24

c) Eine Sachentscheidung ist aber auch nicht aufgrund des Umstands ausgeschlossen, dass das SG von einer Beiladung (§ 75 SGG) der Leistungsempfängerin abgesehen hat, obwohl diese von der Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit wegen der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X betroffen ist. Zwar ist eine Beiladung des Leistungsempfängers im Erstattungsstreit als notwendig erachtet worden (zwischen Sozialhilfeträger und Rentenversicherungsträger vgl BSG SozR 1500 § 75 Nr 80; BSG vom 15.11.1989 - 5 RJ 78/88 - Juris; zwischen Sozialhilfeträger und Krankenkasse vgl BSG SozR 1500 § 75 Nr 60; BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 7 S 20; s hierzu auch Becker, SGb 2011, 84). Eine unterbliebene notwendige Beiladung zieht dann aber keine Aufhebung des angefochtenen Urteils und keine Zurückverweisung nach sich, wenn sich im Revisionsverfahren ergibt, dass die zu treffende Entscheidung aus Sicht des Revisionsgerichts den Beizuladenden nicht benachteiligen kann (stRspr, vgl BSG SozR 4-2500 § 121 Nr 6 RdNr 18; BSG SozR 4-3250 § 51 Nr 2 RdNr 15; BSGE 96, 190 = SozR 4-4300 § 421g Nr 1, RdNr 20; BSG SozR 3-1500 § 55 Nr 34 S 68; BSGE 66, 144, 146 f = SozR 3-5795 § 6 Nr 1 S 3 f). So verhält es sich auf der Grundlage der vom Senat getroffenen Sachentscheidung hier. Denn der Beigeladene kann die von ihm gezahlten SGB II-Leistungen, die von der Beklagten nicht zu erstatten sind, auch von der Leistungsempfängerin nicht zurückfordern, da er sie zu Recht erbracht hat (dazu sogleich).

25

d) Für die allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) besteht auch ein uneingeschränktes Rechtsschutzbedürfnis. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch aufgrund des erbrachten Alg ist nicht - teilweise - bereits durch die Zahlung der Beklagten an den Beigeladenen erfüllt. Zwar hatte die Leistungsempfängerin auch solche Leistungen nach dem SGB II (zB zur Sicherung des Lebensunterhalts) erhalten, für die die Klägerin zuständiger Träger war (§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II); für die hier abgedeckten Bedarfe war nicht lediglich der kommunale Träger (aaO Nr 2) zuständig. Soweit jedoch die Klägerin Leistungen nach dem SGB II erbringt, trägt der Bund die Aufwendungen (§ 46 Abs 1 S 1 SGB II, § 251 Abs 4 SGB V, § 59 Abs 1 S 1 SGB XI). Ihm haben damit auch die entsprechenden Erstattungsleistungen zugutezukommen. Dagegen bestreitet die BA die Leistungen nach dem SGB III, für die sie eine höhere Erstattung begehrt, aus den ihr als Selbstverwaltungskörperschaft (§ 367 Abs 1 SGB III) zustehenden eigenen Mitteln (§ 340 SGB III; s auch § 251 Abs 4a SGB V).

26

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Erstattung des an die Leistungsempfängerin im Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 28.2.2007 gezahlten Alg, weil die Beklagte der Leistungsempfängerin für denselben Zeitraum rückwirkend Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt hat (dazu nachfolgend unter a). Dieser Erstattungsanspruch ist voll und nicht nur anteilsmäßig zu befriedigen, denn dem Beigeladenen steht gegen die Beklagte kein Erstattungsanspruch für die von ihm zeitgleich gezahlten aufstockenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (hier: zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie für Unterkunft und Heizung) zu (b). Aus diesem Grund ist der Beigeladene auch nicht an den von der Beklagten zu ersetzenden Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung zu beteiligen (c).

27

a) Der Klägerin steht ein spezialgesetzlich normierter Erstattungsanspruch gegen die Beklagte in entsprechender Anwendung von § 103 SGB X zu.

28

Dieser ergibt sich aus § 142 Abs 1 S 1 Nr 3, Abs 2 S 1 Nr 2, S 2 iVm § 125 Abs 3 S 1 SGB III(letztgenannte Vorschrift idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2828 ). Danach steht der BA ein Erstattungsanspruch entsprechend § 103 SGB X zu, wenn dem Arbeitslosen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt ist. Der Anspruch auf Alg ruht während dieser Zeit erst vom Beginn der laufenden Zahlung der Rente an.

29

Dieser spezielle Erstattungsanspruch der BA ist in § 142 Abs 2 S 2 SGB III aF eingefügt worden(durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, BGBl I 1827, mWv 1.1.2001 - als Folgeänderung zur Änderung von § 96a SGB VI, vgl BT-Drucks 14/4630 S 26, 50), um auch den Ersatz des "regulär" - und nicht als Sonderform der "Nahtlosigkeitsregelung" von § 125 SGB III aF im Rahmen eines Kompetenzkonflikts zwischen den Leistungsträgern - gezahlten Alg bei rückwirkender Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung für deckungsgleiche Zeiträume vom Rentenversicherungsträger zu gewährleisten. Damit hat die BA bei rückwirkender Rentenbewilligung stets einen Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger (vgl dazu BSG vom 30.1.2002 - B 5 RJ 6/01 R - Juris RdNr 16). Dies gilt unabhängig davon, ob sie das Alg zu Recht oder (wie hier wegen der medizinisch vollen Erwerbsminderung der Leistungsempfängerin) im Widerspruch zum materiellen Recht gezahlt hat.

30

Anders als es die direkte Anwendung von § 103 Abs 1 SGB X voraussetzt, entfällt der Anspruch auf das Alg im Fall rückwirkender Gewährung einer zeitgleichen Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht nachträglich. Vielmehr ruht der Anspruch auf Alg erst ab Beginn der laufenden Rentenzahlung (§ 142 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB III aF, vgl BSG SozR 4-2600 § 89 Nr 2 RdNr 20). Der Rechtsgrund des davor erbrachten Alg wird dadurch weder beseitigt noch iS der Feststellungen des Rentenversicherungsträgers nachträglich ersetzt (vgl BSG vom 30.1.2002 - B 5 RJ 6/01 R - Juris RdNr 19).

31

Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs entsprechend § 103 SGB X nach § 142 Abs 2 S 2 iVm § 125 Abs 3 S 1 SGB III aF sind hier erfüllt. Die Klägerin hat im Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 28.2.2007 Alg an die Leistungsempfängerin gezahlt. Für den Zeitraum ab 1.6.2006 ist dieser nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) rückwirkend eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen (§ 43 Abs 2 SGB VI) zuerkannt worden. Die Beklagte hatte auch nicht bereits selbst an die Leistungsempfängerin geleistet, bevor sie von der Leistungspflicht der Klägerin Kenntnis erlangt hat (entsprechende Anwendung von § 103 Abs 1 Halbs 2 SGB X); vielmehr hat sie nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG den Rentennachzahlungsbetrag für den Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 28.2.2007 vorläufig einbehalten.

32

Für den speziellen Erstattungsanspruch nach § 142 Abs 2 S 2 iVm § 125 Abs 3 S 1 SGB III aF ist unschädlich, dass die Klägerin nach Kenntnis der mit Bescheid vom 9.1.2007 erfolgten Rentenbewilligung gegenüber der Leistungsempfängerin im Bescheid vom 6.3.2007 die Zuerkennung des Alg rückwirkend ab 1.6.2006 aufgehoben hat. Ob diese Aufhebung rechtmäßig war (vgl BSG Urteil vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 10/06 R - Juris RdNr 18; BSG SozR 4-1300 § 107 Nr 5 RdNr 18 f), ist hier nicht zu beurteilen, zumal die Leistungsempfängerin selbst dagegen keinen Rechtsbehelf erhoben hat. Der Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist jedenfalls bereits zum Zeitpunkt der Rentenbewilligung - somit vor Erlass des Aufhebungsbescheids vom 6.3.2007 - entstanden. Die später zusätzlich vorgenommene Aufhebung der Leistungsbewilligung lässt ihn unberührt, weil dem erstattungsberechtigten Träger kein Wahlrecht zwischen der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs gegen den leistungsverpflichteten Träger oder einem Vorgehen gegen den Leistungsempfänger (Versicherten) nach den §§ 45, 48, 50 SGB X zusteht(BSG SozR 3-1300 § 107 Nr 10 S 13 f).

33

Der Erstattungsanspruch (entsprechend § 103 SGB X) ist schließlich nicht nach § 111 S 1 SGB X ausgeschlossen. Die dort genannte Frist zur Geltendmachung ist eingehalten.

34

Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (entsprechend § 103 Abs 2 SGB X). Dies sind die für die Beklagte geltenden Vorschriften des SGB VI zur Rentenhöhe. Der von der Beklagten geleistete Rentenzahlbetrag im Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 28.2.2007 (monatlich 362,72 Euro) reicht nicht aus, um das von der Klägerin gezahlte Alg (je vollem Kalendermonat 370,80 Euro, vgl § 134 S 2 SGB III aF) in voller Höhe zu erstatten. Die Klägerin hat daher zutreffend ihren Erstattungsanspruch nur in Höhe der von der Beklagten gezahlten Rente geltend gemacht (zu Einzelheiten sowie zum Ersatz der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge s nachfolgend unter d)).

35

b) Dem Beigeladenen steht nach den hier maßgeblichen Umständen kein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zu.

36

Der Beigeladene hat für den Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 28.2.2007 in Wahrnehmungszuständigkeit sowohl für die BA als auch für den kommunalen Träger (§ 6 Abs 1 S 1 Nr 1 und 2, § 44b Abs 3 S 1 und 2 SGB II in der bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung; vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 20; dazu BVerfGE 119, 331 = SozR 4-4200 § 44b Nr 1 RdNr 165, 207)Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung, §§ 20, 22 SGB II) erbracht. Er ist daher auch berechtigt, die Erstattung dieser Leistungen zu verlangen.

37

aa) Der Beigeladene kann nicht die spezielle Erstattungsregelung nach § 44a Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB II(in der bis 31.12.2010 gültigen Fassung des GSiFoG vom 20.7.2006, BGBl I 1706 ) für sich beanspruchen. Hiernach steht den Leistungsträgern des SGB II ein Erstattungsanspruch entsprechend § 103 SGB X zu, wenn dem Hilfebedürftigen eine andere Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes zuerkannt wird. Nach § 44a Abs 2 S 1 Halbs 1 SGB II (Fassung 2006) setzte dies voraus, dass die gemeinsame Einigungsstelle entschied, dass ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht besteht. Die Vorgängernorm von § 44a SGB II(in der bis zum 31.7.2006 gültigen Fassung des KomOptG vom 30.7.2004, BGBl I 2014 ) sah hingegen einen solchen Erstattungsanspruch noch nicht vor. Mit der Ergänzung der Erstattungsregelung in § 44a Abs 2 S 1 SGB II (Fassung 2006) sollte klargestellt werden, dass in den Fällen, in denen ein anderer als die SGB II-Träger leistungspflichtig ist, dieser den Trägern der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechend § 103 SGB X erstattungspflichtig ist(vgl BT-Drucks 16/1410 S 27). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 44a Abs 1 S 3 SGB II(in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2.12.2006, BGBl I 2742 ) liegen hier jedoch nicht vor.

38

Die genannte Vorschrift ordnete an, dass die zuständigen Träger Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bis zur Entscheidung der nach S 2 der Vorschrift angerufenen Einigungsstelle zu erbringen hatten. Sie ist als Nahtlosigkeitsregelung nach dem Vorbild des § 125 Abs 1 SGB III aF interpretiert worden und nicht als nur vorläufige Leistungspflicht der SGB II-Träger(vgl BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 19 f - zu § 44a S 3 SGB II). Jedenfalls aber griff sie nur dann, wenn die zuständigen SGB II-Leistungsträger sich nicht für zuständig erachteten oder zwischen den Leistungsträgern Uneinigkeit über die Erwerbsfähigkeit bestand.

39

Eine derartige Konstellation lag hier jedoch nicht vor. Denn übereinstimmend (wenn auch irrtümlich) sind sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene von einer noch bestehenden Erwerbsfähigkeit der Leistungsempfängerin ausgegangen. Der Beigeladene hat selbst ab dem Zeitpunkt, als er - im März 2006 - die Leistungsempfängerin im Rahmen einer "Eingliederungsvereinbarung" zur Beantragung einer Rente anhielt, seine Pflicht zur Zahlung von Alg II nicht in Frage gestellt. Mangels Streits oder eines Dissenses zwischen den Leistungsträgern über die Erwerbsfähigkeit der Leistungsempfängerin ist der Anwendungsbereich von § 44a SGB II (Fassung 2006) mithin nicht eröffnet (vgl BSG SozR 4-2500 § 9 Nr 3 RdNr 13; Chojetzki, NZS 2010, 662, 667). Die Leistungsempfängerin war zu keinem Zeitpunkt in einer Situation (bildlich gesprochen "zwischen zwei Stühlen", BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 20), in der keiner der Leistungsträger Leistungen erbringen wollte (vgl BSG aaO RdNr 21; Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 44a RdNr 33).

40

bb) Ein Erstattungsanspruch des Beigeladenen gegen die Beklagte nach § 102 SGB X kommt nicht in Betracht, weil er die Leistungen nach dem SGB II nicht vorläufig iS von § 43 SGB I erbracht hat. Denn hierfür bedarf es einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung; es reicht nicht aus, vorläufige Leistungen freiwillig zu erbringen (vgl BSGE 58, 119, 121 = SozR 1300 § 104 Nr 7 S 19). § 44a Abs 1 S 3 SGB II (Fassung 2006) enthielt aber keine Anordnung einer vorläufigen Leistung(s oben aa)).

41

cc) Dem Beigeladenen steht gegen die Beklagte auch kein Erstattungsanspruch in direkter Anwendung von § 103 Abs 1 SGB X zu. Diese Norm setzt ua voraus, dass ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat und der Anspruch auf diese nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist. Ein sozialrechtlicher Leistungsanspruch entfällt iS von § 103 Abs 1 Halbs 1 SGB X nur, wenn durch die Erfüllung des (zweiten) Leistungsanspruchs der von einem zuständigen Leistungsträger erbrachte (erste) Leistungsanspruch(durch eine "Wegfallregelung" oder "-bestimmung": vgl BSG SozR 1300 § 103 Nr 5 S 24 f) zum Wegfall kommt (vgl ferner BSGE 72, 163, 165 = SozR 3-2200 § 183 Nr 6 S 14; BSGE 57, 146, 148 = SozR 1300 § 103 Nr 2 S 1, 4; Kater in Kasseler Komm, Stand April 2012, § 103 SGB X RdNr 20; zB auch § 50 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V, wonach der Anspruch auf Krankengeld vom Beginn der Rente wegen voller Erwerbsminderung an endet).

42

Der Anspruch der Leistungsempfängerin auf die Leistungen nach dem SGB II ist aber weder durch die rückwirkende Gewährung noch durch die Auszahlung der vollen Erwerbsminderungsrente an sie nachträglich ganz oder teilweise iS von § 103 Abs 1 SGB X entfallen. Im SGB II existiert keine - § 142 Abs 1 S 1 Nr 3, Abs 2 S 1 Nr 2 SGB III aF oder § 50 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V vergleichbare - Regelung, die den Wegfall, das Ende oder das Ruhen der Leistungen nach dem SGB II für den Fall anordnet, dass eine Rente wegen voller Erwerbsminderung rückwirkend zeitgleich gewährt wird. Entgegen der Rechtsmeinung des SG liegt ein nachträgliches "Entfallen" eines Anspruchs auf Sozialleistungen nicht bereits dann vor, wenn sich nachträglich herausstellt, dass ein bei Bewilligung als gegeben angesehener anspruchsbegründender Umstand für die konkret gewährte Leistung (hier: Erwerbsfähigkeit für den Anspruch auf Alg II) in Wirklichkeit nicht vorgelegen hat.

43

dd) Der Beigeladene kann in der hier zu beurteilenden Konstellation aber auch keinen Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers nach § 104 SGB X geltend machen. "Nachrangig verpflichtet" ist gemäß § 104 Abs 1 S 2 SGB X ein Leistungsträger nur, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers (hier: des Rentenversicherungsträgers) selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Dementsprechend ist für einen Erstattungsanspruch nach dieser Vorschrift kein Raum, soweit ein Träger seine Leistungen auch bei (rechtzeitiger) Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen (§ 104 Abs 1 S 3 SGB X - s allgemein zu den Grundvoraussetzungen eines Erstattungsanspruchs auch BSGE 106, 206 = SozR 4-1300 § 103 Nr 3, RdNr 9 f).

44

So verhält es sich hier. Der Beigeladene war zur Erbringung von SGB II-Leistungen an die Leistungsempfängerin auch dann verpflichtet, wenn diese nicht zu dem Personenkreis der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II) gehörte, da bei ihr nach den Feststellungen der Beklagten eine volle Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen bestand. In diesem Fall stand der Leistungsempfängerin, wie es sowohl der Beigeladene (Änderungsbescheide vom 23.2. bzw 16.3.2007) als auch das SG zugrunde gelegt haben, an Stelle des gezahlten Alg II ein Anspruch auf Sozialgeld (§ 28 SGB II aF; ab 1.1.2011: § 19 Abs 1 S 2 SGB II idF des Gesetzes vom 24.3.2011, BGBl I 453) zumindest in derselben Höhe zu. Denn sie lebte mit ihrem (erwerbsfähigen) Ehemann in Bedarfsgemeinschaft, hatte aber noch keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung), weil sie aufgrund der lediglich befristet - für knapp zwei Jahre - zuerkannten Rente wegen (unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage) voller Erwerbsminderung (vgl § 102 Abs 2 S 5 SGB VI)die Voraussetzungen einer "dauerhaften vollen Erwerbsminderung" iS des § 41 Abs 1 Nr 2 SGB XII(hier noch anzuwenden in der ab 1.1.2005 geltenden aF; ab 1.1.2008: § 41 Abs 1 S 1 iVm Abs 3 SGB XII idF des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20.4.2007, BGBl I 554) noch nicht erfüllte.

45

Hat aber der Beigeladene die von ihm in den Bescheiden vom 2.5., 5.7. und 12.9.2006 bewilligten aufstockenden "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II" (vgl die Überschrift des Abschn 2 in Kap 3 SGB II aF, der sowohl das Alg II als auch das Sozialgeld umfasste) unabhängig von der Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in jedem Fall gegenüber der Leistungsempfängerin erbringen müssen (hat er sie also endgültig zu Recht erbracht), so fehlt es von vornherein an den Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch sowohl nach § 104 SGB X(vgl Störmann in Jahn/Jansen, SGB für die Praxis, Stand September 2012, § 106 SGB X RdNr 7) als auch nach § 105 SGB X. Unter diesen Voraussetzungen würde die vom SG für zutreffend erachtete Zuerkennung eines Erstattungsanspruchs an den Beigeladenen nur zu dessen ungerechtfertigter Bereicherung führen.

46

Ein solches Ergebnis kann nicht mit der Überlegung gerechtfertigt werden, dass der Erstattungspflichtige davor zu schützen sei, alle Ansprüche des Leistungsempfängers - auch solche subsidiärer oder alternativer Art - prüfen zu müssen. Der um Erstattung angegangene (Rentenversicherungs-)Träger bedarf insoweit keines besonderen Schutzes. Denn er hat die Möglichkeit, von dem Erstattung begehrenden Träger eine Spezifizierung seiner Forderungen und auch Auskunft darüber zu verlangen, ob der Leistungsempfänger bei rechtzeitiger Rentenzahlung weiterhin Anspruch auf Leistungen gehabt hätte, sofern ihm entsprechende Erkenntnisse nicht bereits aufgrund einer Zuziehung des Leistungsempfängers zum Erstattungsverfahren (vgl § 12 Abs 1 Nr 4, Abs 2 iVm § 107 sowie § 24 Abs 1 SGB X)bekannt sind. Im Übrigen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass eine zum Schutz der erstattungsverpflichteten Behörde befürwortete pauschale Bejahung von Erstattungsansprüchen anderer Träger wegen der in § 107 SGB X angeordneten Erfüllungswirkung dem Leistungsempfänger auch zum Nachteil gereichen könnte.

47

c) Der Beigeladene hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Ersatz eines Teils der von ihm im Zeitraum Juni 2006 bis Februar 2007 entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Leistungsempfängerin.

48

Spezialgesetzliche Anspruchsgrundlagen (§ 37 S 1 SGB I)hierfür sind die Regelungen in § 335 Abs 2 S 1 bzw Abs 5 iVm Abs 2 S 1 SGB III (in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954), die im Bereich des SGB II gemäß § 40 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB II(ebenfalls idF des genannten Gesetzes vom 24.12.2003; ab 1.4.2011: § 40 Abs 2 Nr 5 SGB II idF des Gesetzes vom 24.3.2011, BGBl I 453) entsprechend anzuwenden sind. Nach den genannten Vorschriften hat der Rentenversicherungsträger die für einen Versicherungspflichtigen nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V bzw § 20 Abs 1 S 2 Nr 2a SGB XI (dh für Personen, die Alg II beziehen, soweit sie nicht familienversichert sind) entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (KV: § 251 Abs 4 iVm § 252 S 2 SGB V in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung; PV: § 59 Abs 1 S 1 iVm § 60 Abs 1 S 2 SGB XI)zu ersetzen, sofern dem Versicherungspflichtigen eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt worden ist (s hierzu Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 40 RdNr 81 ff; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 40 RdNr 567, 637 ff, Stand Einzelkommentierung Juni 2012).

49

Ein Ersatzanspruch für gezahlte Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge besteht allerdings gemäß § 335 Abs 2 S 1 Teils 2 SGB III nur, "wenn und soweit" dem betreffenden Träger auch ein Erstattungsanspruch gegen den Träger der Rentenversicherung "wegen der Gewährung" von Alg II zusteht. Es handelt sich somit hinsichtlich erbrachter Nebenleistungen zum Alg II um die Ergänzung (Annex) eines nach den §§ 102 ff SGB X bestehenden Erstattungsanspruchs(Eicher, aaO RdNr 98; s auch Conradis in Münder, LPK SGB II, 4. Aufl 2011, § 40 RdNr 21 f). Wenn daher - wie hier (s oben unter 2. b) - dem Jobcenter schon kein Erstattungsanspruch für die von ihm erbrachte Hauptleistung nach dem SGB II zusteht, kann es auch keinen Ersatz hinsichtlich der (vom Bund getragenen) Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung verlangen. Danach ist über die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung als vordringlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage nach der zutreffenden Aufteilung der vom Rentenversicherungsträger gemäß § 335 Abs 2 S 3 Nr 1 SGB III zu ersetzenden Beträge auf die BA und das Jobcenter (hälftig oder im Verhältnis der jeweils gezahlten Beiträge) hier nicht zu entscheiden.

50

d) Im Ergebnis kann somit nur die Klägerin von der Beklagten die Erstattung des von ihr im Zeitraum Juni 2006 bis Februar 2007 an die Leistungsempfängerin gezahlten Alg und zusätzlich gemäß § 335 Abs 2 S 1, Abs 5 SGB III Ersatz der für diese entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung verlangen; dem Beigeladenen steht weder ein Erstattungs- noch ein Ersatzanspruch zu. Damit ist hier über die Rangfolge bei mehreren Erstattungsberechtigten iS des § 106 SGB X nicht zu befinden(s dazu näher die Senatsentscheidung vom heutigen Tage im Verfahren B 13 R 11/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).

51

Wie bereits ausgeführt (s oben unter 2. a) am Ende), kann die Klägerin das von ihr an die Leistungsempfängerin vom 1.6.2006 bis 28.2.2007 gezahlte Alg nur im Umfang des geringeren Rentenzahlbetrags von der Beklagten erstattet erhalten, also iHv (9 x 362,72 Euro =) 3264,48 Euro. Hinzu kommen als Ersatz für die von der Klägerin entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 335 Abs 2 S 1, S 3 Nr 1 SGB III diejenigen Beitragsanteile, die der Rentenversicherungsträger (die Beklagte) und der versicherte Rentner (die Leistungsempfängerin) für diesen Zeitraum aus der Rente zu entrichten gehabt hätten; das sind hier (9 x =) 579,78 Euro. Mithin stehen der Klägerin insgesamt (3264,48 + 579,78 =) 3844,26 Euro als Erstattung bzw Ersatz zu; die Beklagte, die bereits einen Betrag iHv 1971,80 Euro an die Klägerin gezahlt hat, schuldet ihr noch weitere 1872,46 Euro. Weil die Klägerin aber mit ihrer Revision nur die Zahlung von 1872,44 Euro geltend gemacht hat, war die Beklagte nach dem Grundsatz "ne ultra petita" (§ 123 SGG) lediglich zur Zahlung dieses Betrags zu verurteilen (§ 170 Abs 2 S 1 SGG).

52

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1, § 159 S 1 VwGO und § 100 Abs 1 ZPO. Danach trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens. Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 S 1 GKG.

(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger,
2.
im Falle des § 75 Absatz 2a die Personen und im Falle des § 75 Absatz 2b die Versicherungsträger, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, daß die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrags der Rechtskraft fähig, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger,
2.
im Falle des § 75 Absatz 2a die Personen und im Falle des § 75 Absatz 2b die Versicherungsträger, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, daß die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrags der Rechtskraft fähig, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

(1) Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen können nicht gepfändet werden.

(2) Ansprüche auf einmalige Geldleistungen können nur gepfändet werden, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruchs sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung, die Pfändung der Billigkeit entspricht.

(3) Unpfändbar sind Ansprüche auf

1.
Elterngeld bis zur Höhe der nach § 10 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes anrechnungsfreien Beträge sowie dem Erziehungsgeld vergleichbare Leistungen der Länder,
2.
Mutterschaftsgeld nach § 19 Absatz 1 des Mutterschutzgesetzes, soweit das Mutterschaftsgeld nicht aus einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit herrührt, bis zur Höhe des Elterngeldes nach § 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes, soweit es die anrechnungsfreien Beträge nach § 10 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes nicht übersteigt,
2a.
Wohngeld, soweit nicht die Pfändung wegen Ansprüchen erfolgt, die Gegenstand der §§ 9 und 10 des Wohngeldgesetzes sind,
3.
Geldleistungen, die dafür bestimmt sind, den durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand auszugleichen.

(4) Im übrigen können Ansprüche auf laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden.

(5) Ein Anspruch des Leistungsberechtigten auf Geldleistungen für Kinder (§ 48 Abs. 1 Satz 2) kann nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines Kindes, das bei der Festsetzung der Geldleistungen berücksichtigt wird, gepfändet werden. Für die Höhe des pfändbaren Betrages bei Kindergeld gilt:

1.
Gehört das unterhaltsberechtigte Kind zum Kreis der Kinder, für die dem Leistungsberechtigten Kindergeld gezahlt wird, so ist eine Pfändung bis zu dem Betrag möglich, der bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergeldes auf jedes dieser Kinder entfällt. Ist das Kindergeld durch die Berücksichtigung eines weiteren Kindes erhöht, für das einer dritten Person Kindergeld oder dieser oder dem Leistungsberechtigten eine andere Geldleistung für Kinder zusteht, so bleibt der Erhöhungsbetrag bei der Bestimmung des pfändbaren Betrages des Kindergeldes nach Satz 1 außer Betracht.
2.
Der Erhöhungsbetrag (Nummer 1 Satz 2) ist zugunsten jedes bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigten unterhaltsberechtigten Kindes zu dem Anteil pfändbar, der sich bei gleichmäßiger Verteilung auf alle Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes zugunsten des Leistungsberechtigten berücksichtigt werden, ergibt.

(6) In den Fällen der Absätze 2, 4 und 5 gilt § 53 Abs. 6 entsprechend.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung). Mit dem Abschluss des Vertrags tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers.

Auf die Übertragung einer Forderung kraft Gesetzes finden die Vorschriften der §§ 399 bis 404, 406 bis 410 entsprechende Anwendung.

(1) Sind mehrere Behörden örtlich zuständig, entscheidet die Behörde, die zuerst mit der Sache befasst worden ist, es sei denn, die gemeinsame Aufsichtsbehörde bestimmt, dass eine andere örtlich zuständige Behörde zu entscheiden hat. Diese Aufsichtsbehörde entscheidet ferner über die örtliche Zuständigkeit, wenn sich mehrere Behörden für zuständig oder für unzuständig halten oder wenn die Zuständigkeit aus anderen Gründen zweifelhaft ist. Fehlt eine gemeinsame Aufsichtsbehörde, treffen die Aufsichtsbehörden die Entscheidung gemeinsam.

(2) Ändern sich im Lauf des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände, kann die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt.

(3) Hat die örtliche Zuständigkeit gewechselt, muss die bisher zuständige Behörde die Leistungen noch solange erbringen, bis sie von der nunmehr zuständigen Behörde fortgesetzt werden. Diese hat der bisher zuständigen Behörde die nach dem Zuständigkeitswechsel noch erbrachten Leistungen auf Anforderung zu erstatten. § 102 Abs. 2 gilt entsprechend.

(4) Bei Gefahr im Verzug ist für unaufschiebbare Maßnahmen jede Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt. Die nach den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs örtlich zuständige Behörde ist unverzüglich zu unterrichten.

Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist.

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

(1) Die Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung (allgemeine Rentenversicherung und knappschaftliche Rentenversicherung) werden von Regionalträgern und Bundesträgern wahrgenommen. Der Name der Regionalträger der gesetzlichen Rentenversicherung besteht aus der Bezeichnung "Deutsche Rentenversicherung" und einem Zusatz für ihre jeweilige regionale Zuständigkeit.

(2) Bundesträger sind die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Die Deutsche Rentenversicherung Bund nimmt auch die Grundsatz- und Querschnittsaufgaben und die gemeinsamen Angelegenheiten der Träger der Rentenversicherung wahr.

(1) Die Träger der Sozialversicherung (Versicherungsträger) sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung.

(2) Die Selbstverwaltung wird, soweit § 44 nichts Abweichendes bestimmt, durch die Versicherten und die Arbeitgeber ausgeübt.

(3) Die Versicherungsträger erfüllen im Rahmen des Gesetzes und des sonstigen für sie maßgebenden Rechts ihre Aufgaben in eigener Verantwortung.

(1) Die Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung (allgemeine Rentenversicherung und knappschaftliche Rentenversicherung) werden von Regionalträgern und Bundesträgern wahrgenommen. Der Name der Regionalträger der gesetzlichen Rentenversicherung besteht aus der Bezeichnung "Deutsche Rentenversicherung" und einem Zusatz für ihre jeweilige regionale Zuständigkeit.

(2) Bundesträger sind die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Die Deutsche Rentenversicherung Bund nimmt auch die Grundsatz- und Querschnittsaufgaben und die gemeinsamen Angelegenheiten der Träger der Rentenversicherung wahr.

Zuständig für die Sozialleistungen sind die in den §§ 18 bis 29 genannten Körperschaften, Anstalten und Behörden (Leistungsträger). Die Abgrenzung ihrer Zuständigkeit ergibt sich aus den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist.

Sind mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist (Gesamtgläubiger), so kann der Schuldner nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger leisten. Dies gilt auch dann, wenn einer der Gläubiger bereits Klage auf die Leistung erhoben hat.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

(1) Die Deutsche Rentenversicherung Bund nimmt die Grundsatz- und Querschnittsaufgaben der Deutschen Rentenversicherung wahr. Dazu gehören:

1.
Vertretung der Rentenversicherung in ihrer Gesamtheit gegenüber Politik, Bundes-, Landes-, Europäischen und sonstigen nationalen und internationalen Institutionen sowie Sozialpartnern, Abstimmung mit dem verfahrensführenden Träger der Rentenversicherung in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, dem Bundesverfassungsgericht und dem Bundessozialgericht,
2.
Öffentlichkeitsarbeit einschließlich der Herausgabe von regelmäßigen Informationen zur Alterssicherung für Arbeitgeber, Versicherte und Rentner und der Grundsätze für regionale Broschüren,
3.
Statistik,
4.
Klärung von grundsätzlichen Fach- und Rechtsfragen zur Sicherung der einheitlichen Rechtsanwendung aus den Bereichen
a)
Rehabilitation und Teilhabe,
b)
Sozialmedizin,
c)
Versicherung,
d)
Beitrag,
e)
Beitragsüberwachung,
f)
Rente,
g)
Auslandsrecht, Sozialversicherungsabkommen, Recht der Europäischen Union, soweit es die Rentenversicherung betrifft,
5.
Organisation des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitswettbewerbs zwischen den Trägern, insbesondere Erlass von Rahmenrichtlinien für Aufbau und Durchführung eines zielorientierten Benchmarking der Leistungs- und Qualitätsdaten,
6.
Grundsätze für die Aufbau- und Ablauforganisation, das Personalwesen und Investitionen unter Wahrung der Selbständigkeit der Träger,
7.
Grundsätze und Steuerung der Finanzausstattung und -verwaltung im Rahmen der Finanzverfassung für das gesamte System,
8.
Koordinierung der Planung von Rehabilitationsmaßnahmen, insbesondere der Bettenbedarfs- und Belegungsplanung,
9.
Grundsätze und Koordinierung der Datenverarbeitung und Servicefunktionen,
10.
Funktion zur Registrierung und Authentifizierung für die elektronischen Serviceangebote der Rentenversicherung,
11.
Funktion als Signaturstelle,
12.
Grundsätze für die Aus- und Fortbildung,
13.
Grundsätze der Organisation und Aufgabenzuweisung der Auskunfts- und Beratungsstellen,
14.
Bereitstellung von Informationen für die Träger der Rentenversicherung,
15.
Forschung im Bereich der Alterssicherung und der Rehabilitation und
16.
Treuhänderschaft gemäß dem Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen.

(2) Die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund zu Grundsatz- und Querschnittsaufgaben der Deutschen Rentenversicherung sowie die notwendig werdende Festlegung weiterer Grundsatz- und Querschnittsaufgaben werden durch die Bundesvertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund gemäß § 64 Abs. 4 des Vierten Buches getroffen; für die Träger der Rentenversicherung sind die Entscheidungen verbindlich. Die Bundesvertreterversammlung kann die Entscheidungsbefugnis gemäß § 64 Abs. 4 des Vierten Buches ganz oder teilweise auf den Bundesvorstand der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragen, der gemäß § 64 Abs. 4 des Vierten Buches entscheidet. Entscheidungen über die Auslegung von Rechtsfragen werden von der Bundesvertreterversammlung und vom Bundesvorstand mit der einfachen Mehrheit aller gewichteten Stimmen der satzungsmäßigen Mitgliederzahl getroffen.

(3) Der Bundesvorstand kann die Entscheidungsbefugnis gemäß § 64 Abs. 4 des Vierten Buches ganz oder teilweise auf einen Ausschuss des Bundesvorstandes übertragen. Die Entscheidungen dieses Ausschusses müssen einstimmig ergehen. Der Ausschuss legt dem Bundesvorstand die Entscheidungen vor; der Bundesvorstand kann gemäß § 64 Abs. 4 des Vierten Buches abweichende Entscheidungen treffen.

(4) Soweit das Direktorium Vorlagen an die Bundesvertreterversammlung oder den Bundesvorstand unterbreitet, die verbindliche Entscheidungen oder notwendig werdende Festlegungen weiterer Grundsatz- und Querschnittsaufgaben betreffen, bedürfen diese der vorherigen Zustimmung durch das Erweiterte Direktorium. Beratungsergebnisse der Fachausschüsse, in denen alle Träger der Rentenversicherung vertreten sind, sind an die Bundesvertreterversammlung oder den Bundesvorstand weiterzuleiten. Das Nähere regelt die Satzung.

(5) Die verbindlichen Entscheidungen und die Festlegung weiterer Grundsatz- und Querschnittsaufgaben werden im Amtlichen Mitteilungsblatt der Deutschen Rentenversicherung Bund veröffentlicht.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

(1) Die Deutsche Rentenversicherung Bund nimmt die Grundsatz- und Querschnittsaufgaben der Deutschen Rentenversicherung wahr. Dazu gehören:

1.
Vertretung der Rentenversicherung in ihrer Gesamtheit gegenüber Politik, Bundes-, Landes-, Europäischen und sonstigen nationalen und internationalen Institutionen sowie Sozialpartnern, Abstimmung mit dem verfahrensführenden Träger der Rentenversicherung in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, dem Bundesverfassungsgericht und dem Bundessozialgericht,
2.
Öffentlichkeitsarbeit einschließlich der Herausgabe von regelmäßigen Informationen zur Alterssicherung für Arbeitgeber, Versicherte und Rentner und der Grundsätze für regionale Broschüren,
3.
Statistik,
4.
Klärung von grundsätzlichen Fach- und Rechtsfragen zur Sicherung der einheitlichen Rechtsanwendung aus den Bereichen
a)
Rehabilitation und Teilhabe,
b)
Sozialmedizin,
c)
Versicherung,
d)
Beitrag,
e)
Beitragsüberwachung,
f)
Rente,
g)
Auslandsrecht, Sozialversicherungsabkommen, Recht der Europäischen Union, soweit es die Rentenversicherung betrifft,
5.
Organisation des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitswettbewerbs zwischen den Trägern, insbesondere Erlass von Rahmenrichtlinien für Aufbau und Durchführung eines zielorientierten Benchmarking der Leistungs- und Qualitätsdaten,
6.
Grundsätze für die Aufbau- und Ablauforganisation, das Personalwesen und Investitionen unter Wahrung der Selbständigkeit der Träger,
7.
Grundsätze und Steuerung der Finanzausstattung und -verwaltung im Rahmen der Finanzverfassung für das gesamte System,
8.
Koordinierung der Planung von Rehabilitationsmaßnahmen, insbesondere der Bettenbedarfs- und Belegungsplanung,
9.
Grundsätze und Koordinierung der Datenverarbeitung und Servicefunktionen,
10.
Funktion zur Registrierung und Authentifizierung für die elektronischen Serviceangebote der Rentenversicherung,
11.
Funktion als Signaturstelle,
12.
Grundsätze für die Aus- und Fortbildung,
13.
Grundsätze der Organisation und Aufgabenzuweisung der Auskunfts- und Beratungsstellen,
14.
Bereitstellung von Informationen für die Träger der Rentenversicherung,
15.
Forschung im Bereich der Alterssicherung und der Rehabilitation und
16.
Treuhänderschaft gemäß dem Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen.

(2) Die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund zu Grundsatz- und Querschnittsaufgaben der Deutschen Rentenversicherung sowie die notwendig werdende Festlegung weiterer Grundsatz- und Querschnittsaufgaben werden durch die Bundesvertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund gemäß § 64 Abs. 4 des Vierten Buches getroffen; für die Träger der Rentenversicherung sind die Entscheidungen verbindlich. Die Bundesvertreterversammlung kann die Entscheidungsbefugnis gemäß § 64 Abs. 4 des Vierten Buches ganz oder teilweise auf den Bundesvorstand der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragen, der gemäß § 64 Abs. 4 des Vierten Buches entscheidet. Entscheidungen über die Auslegung von Rechtsfragen werden von der Bundesvertreterversammlung und vom Bundesvorstand mit der einfachen Mehrheit aller gewichteten Stimmen der satzungsmäßigen Mitgliederzahl getroffen.

(3) Der Bundesvorstand kann die Entscheidungsbefugnis gemäß § 64 Abs. 4 des Vierten Buches ganz oder teilweise auf einen Ausschuss des Bundesvorstandes übertragen. Die Entscheidungen dieses Ausschusses müssen einstimmig ergehen. Der Ausschuss legt dem Bundesvorstand die Entscheidungen vor; der Bundesvorstand kann gemäß § 64 Abs. 4 des Vierten Buches abweichende Entscheidungen treffen.

(4) Soweit das Direktorium Vorlagen an die Bundesvertreterversammlung oder den Bundesvorstand unterbreitet, die verbindliche Entscheidungen oder notwendig werdende Festlegungen weiterer Grundsatz- und Querschnittsaufgaben betreffen, bedürfen diese der vorherigen Zustimmung durch das Erweiterte Direktorium. Beratungsergebnisse der Fachausschüsse, in denen alle Träger der Rentenversicherung vertreten sind, sind an die Bundesvertreterversammlung oder den Bundesvorstand weiterzuleiten. Das Nähere regelt die Satzung.

(5) Die verbindlichen Entscheidungen und die Festlegung weiterer Grundsatz- und Querschnittsaufgaben werden im Amtlichen Mitteilungsblatt der Deutschen Rentenversicherung Bund veröffentlicht.

Tenor

Artikel 17 Absatz 1 des Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz - DNeuG) vom 5. Februar 2009 (Bundesgesetzblatt I Seite 160) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

1

Das Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob die durch Art. 17 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz - DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160) angeordnete rückwirkende Änderung von § 14a Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter des Bundes (Beamtenversorgungsgesetz -BeamtVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl I S. 322, 847, 2033), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 29. Juli 2008 (BGBl I S. 1582), mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

I.

2

1. § 14a BeamtVG greift die besondere Versorgungslage auf, in der sich bestimmte Beamte befinden, die neben ihrem beamtenrechtlichen Versorgungsanspruch aus einer früheren Tätigkeit einen Anspruch auf Rente aus einer gesetzlichen Rentenversicherung erworben haben. Altersrente können diese Beamten in der Regel erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze beziehen. Treten sie vorher in den Ruhestand - etwa wegen Dienstunfähigkeit oder aufgrund einer besonderen Altersgrenze -, sind sie zunächst ausschließlich auf ihre beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge angewiesen, da sie die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllen (vgl. § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Das kann sich für diese Beamten nachteilig auswirken, wenn durch eine späte Übernahme in das Beamtenverhältnis und den vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand nur wenige Dienstjahre für die Berechnung der Versorgungsbezüge berücksichtigt werden können. § 14a BeamtVG wirkt dieser "Versorgungslücke" bei sogenannten gemischten Erwerbskarrieren durch eine vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes bis zum Beginn des Rentenbezugs entgegen (vgl. BTDrucks 10/4225, S. 21; BVerwGE 111, 93 <96 f.>).

3

2. a) § 14a BeamtVG lautete in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl I S. 322, 847, 2033), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 29. Juli 2008 (BGBl I S. 1582; im Folgenden: § 14a BeamtVG a.F.):

4

§ 14a BeamtVG a.F.

5

(1) Der nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz erhöht sich vorübergehend, wenn der Beamte vor der Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres in den Ruhestand getreten ist und er

6

1. bis zum Beginn des Ruhestandes die Wartezeit von sechzig Kalendermonaten für eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt hat,

7

2. a) wegen Dienstunfähigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes oder entsprechenden Landesrechts in den Ruhestand versetzt worden ist oder

8

b) wegen Erreichens einer besonderen Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist und das sechzigste Lebensjahr vollendet hat,

9

3. einen Ruhegehaltssatz von 66,97 vom Hundert noch nicht erreicht hat und

10

4. keine Einkünfte im Sinne des § 53 Abs. 7 bezieht. Die Einkünfte bleiben außer Betracht, soweit sie durchschnittlich im Monat 325 Euro nicht überschreiten.

11

(2) Die Erhöhung des Ruhegehalts beträgt 0,95667 vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge für je zwölf Kalendermonate der für die Erfüllung der Wartezeit (Absatz 1 Nr. 1) anrechnungsfähigen Pflichtbeitragszeiten, soweit sie nicht von § 50e Abs. 1 erfasst werden, nach Vollendung des 17. Lebensjahres und vor Begründung des Beamtenverhältnisses zurückgelegt wurden und nicht als ruhegehaltfähig berücksichtigt sind. Der hiernach berechnete Ruhegehaltssatz darf 66,97 vom Hundert nicht überschreiten. In den Fällen des § 14 Abs. 3 ist das Ruhegehalt, das sich nach Anwendung der Sätze 1 und 2 ergibt, entsprechend zu vermindern. Für die Berechnung nach Satz 1 sind verbleibende Kalendermonate unter Benutzung des Nenners 12 umzurechnen; § 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

12

(3) Die Erhöhung fällt spätestens mit Ablauf des Monats weg, in dem der Ruhestandsbeamte das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet. Sie endet vorher, wenn der Ruhestandsbeamte

13

1. eine Versichertenrente der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, mit Ablauf des Tages vor dem Beginn der Rente, oder

14

2. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 Buchstabe a nicht mehr dienstunfähig ist, mit Ablauf des Monats, in dem ihm der Wegfall der Erhöhung mitgeteilt wird, oder

15

3. ein Erwerbseinkommen bezieht, mit Ablauf des Tages vor dem Beginn der Erwerbstätigkeit.

16

§ 35 Abs. 3 Satz 2 gilt sinngemäß.

17

(4) Die Erhöhung des Ruhegehaltssatzes wird auf Antrag vorgenommen. Anträge, die innerhalb von drei Monaten nach Eintritt des Beamten in den Ruhestand gestellt werden, gelten als zum Zeitpunkt des Ruhestandseintritts gestellt. Wird der Antrag zu einem späteren Zeitpunkt gestellt, so tritt die Erhöhung vom Beginn des Antragsmonats an ein.

18

b) Die zur Ausfüllung der Formulierung "nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz" in § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. heranzuziehende Regelung des § 14 BeamtVG lautet in der maßgeblichen Fassung durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3926):

19

§ 14 BeamtVG

20

(1) Das Ruhegehalt beträgt für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit 1,79375 vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (§ 5), insgesamt jedoch höchstens 71,75 vom Hundert. Der Ruhegehaltssatz ist auf zwei Dezimalstellen auszurechnen. Dabei ist die zweite Dezimalstelle um eins zu erhöhen, wenn in der dritten Stelle eine der Ziffern fünf bis neun verbleiben würde. Zur Ermittlung der gesamten ruhegehaltfähigen Dienstjahre sind etwa anfallende Tage unter Benutzung des Nenners dreihundertfünfundsechzig umzurechnen; die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend.

21

(2) (weggefallen)

22

(3) Das Ruhegehalt vermindert sich um 3,6 vom Hundert für jedes Jahr, um das der Beamte

23

  1. vor Ablauf des Monats, in dem er das 63. Lebensjahr vollendet, nach § 42 Abs. 4 Nr. 1 des Bundesbeamtengesetzes oder entsprechendem Landesrecht in den Ruhestand versetzt wird,

24

  2. vor Ablauf des Monats, in dem er die für ihn geltende gesetzliche Altersgrenze erreicht, nach § 42 Abs. 4 Nr. 2 des Bundesbeamtengesetzes oder entsprechendem Landesrecht in den Ruhestand versetzt wird,

25

  3. vor Ablauf des Monats, in dem er das 63. Lebensjahr vollendet, wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruht, in den Ruhestand versetzt wird;

26

die Minderung des Ruhegehalts darf 10,8 vom Hundert nicht übersteigen. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. Gilt für den Beamten eine vor der Vollendung des 63. Lebensjahres liegende Altersgrenze, tritt sie in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 und 3 an die Stelle des 63. Lebensjahres. Gilt für den Beamten eine nach Vollendung des 65. Lebensjahres liegende Altersgrenze, wird in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 nur die Zeit bis zum Ablauf des Monats berücksichtigt, in dem der Beamte das 65. Lebensjahr vollendet.

27

(4) Das Ruhegehalt beträgt mindestens fünfunddreißig vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (§ 5). An die Stelle des Ruhegehalts nach Satz 1 treten, wenn dies günstiger ist, fünfundsechzig vom Hundert der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4. Die Mindestversorgung nach Satz 2 erhöht sich um sechzig Deutsche Mark für den Ruhestandsbeamten und die Witwe; der Erhöhungsbetrag bleibt bei einer Kürzung nach § 25 außer Betracht. Bleibt ein Beamter allein wegen langer Freistellungszeiten (§ 5 Abs. 1 Satz 2) mit seinem erdienten Ruhegehalt hinter der Mindestversorgung nach Satz 1 oder 2 zurück, wird nur das erdiente Ruhegehalt gezahlt; dies gilt nicht, wenn ein Beamter wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand getreten ist.

28

(5) Übersteigt beim Zusammentreffen von Mindestversorgung nach Absatz 4 mit einer Rente nach Anwendung des § 55 die Versorgung das nach Absatz 1 erdiente Ruhegehalt, so ruht die Versorgung bis zur Höhe des Unterschieds zwischen dem erdienten Ruhegehalt und der Mindestversorgung; in den von § 85 erfassten Fällen gilt das nach dieser Vorschrift maßgebliche Ruhegehalt als erdient. Der Erhöhungsbetrag nach Absatz 4 Satz 3 sowie der Unterschiedsbetrag nach § 50 Abs. 1 bleiben bei der Berechnung außer Betracht. Die Summe aus Versorgung und Rente darf nicht hinter dem Betrag der Mindestversorgung zuzüglich des Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1 zurückbleiben. Zahlbar bleibt mindestens das erdiente Ruhegehalt zuzüglich des Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1. Die Sätze 1 bis 4 gelten entsprechend für Witwen und Waisen.

29

(6) Bei einem in den einstweiligen Ruhestand versetzten Beamten beträgt das Ruhegehalt für die Dauer der Zeit, die der Beamte das Amt, aus dem er in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden ist, innehatte, mindestens für die Dauer von sechs Monaten, längstens für die Dauer von drei Jahren, 71,75 vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, in der sich der Beamte zur Zeit seiner Versetzung in den jeweiligen Ruhestand befunden hat. Das erhöhte Ruhegehalt darf die Dienstbezüge, die dem Beamten in diesem Zeitpunkt zustanden, nicht übersteigen; das nach sonstigen Vorschriften ermittelte Ruhegehalt darf nicht unterschritten werden.

30

3. a) § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. wurde von der Verwaltung in Übereinstimmung mit verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung und einem Teil des Schrifttums zunächst dahingehend ausgelegt, dass der "nach sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz" nur ein auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechneter ("erdienter") Ruhegehaltssatz sein könne, insbesondere der nach § 14 Abs. 1 BeamtVG berechnete Ruhegehaltssatz. Kein Ruhegehaltssatz im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. seien dagegen das "amtsbezogene" Mindestruhegehalt gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG und das "amtsunabhängige" Mindestruhegehalt gemäß § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG, weil beide - ohne Bezug zur tatsächlich ruhegehaltfähigen Dienstzeit - abstrakt gesetzlich vorgegeben und deshalb nicht "berechnet" seien (vgl. Anwendungserlass des Bundesministeriums des Innern vom 10. Juni 1994 - D III 4-223 100/28 -, juris; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 11. Mai 2004 - 5 LC 4/03 -, juris, Rn. 25 ff. m.w.N.; VG Berlin, Urteil vom 2. März 2004 - 7 A 207.02 -, juris, Rn. 16; Schachel in: Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 14a BeamtVG Rn. 11 ; a. A. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, § 14a BeamtVG Rn. 13 ).

31

b) Das Bundesverwaltungsgericht kam im Urteil vom 23. Juni 2005 (BVerwGE 124, 19 ff.) hingegen zu dem Ergebnis, dass es sich auch bei dem Mindestruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG um einen "berechneten" Ruhegehaltssatz im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. handele. Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck des § 14a BeamtVG a.F. sprächen dafür, dass der individuell ermittelte und festgesetzte Ruhegehaltssatz stets "berechnet" sei, auch wenn er sich auf der Basis der Vomhundertsätze des § 14 Abs. 4 BeamtVG ergebe (vgl. BVerwGE 124, 19 <20 ff.>).

32

c) Die Verwaltung betrachtete dieses Urteil, wenn auch nicht einhellig (vgl. für das Landesverwaltungsamt Berlin OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. November 2011 - 4 B 72.09 -, juris, Rn. 21), als Einzelfallentscheidung, der über den entschiedenen Fall hinaus nicht zu folgen sei (vgl. Strötz, in: Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht - GKÖD, § 14a BeamtVG Rn. 21 mit Fn. 14 ; Grunefeld, ZTR 2008, S. 122 <127>). Die Instanzgerichte schlossen sich der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts überwiegend an (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27. September 2007 - 1 L 180/07 -, juris, Rn. 4 ff.; Beschluss vom 14. November 2008 - 1 L 21/08 -, juris, Rn. 4 ff.; Beschluss vom 26. März 2009 - 1 L 25/09 -, juris, Rn. 5 ff.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 13. Mai 2009 - 2 L 45/08 -, juris, Rn. 6 ff.; Sächsisches OVG, Urteil vom 14. Oktober 2010 - 2 A 430/09 -, juris, Rn. 23 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. November 2011 - 4 B 72.09 -, juris, Rn. 18; VG Münster, Urteil vom 11. April 2006 - 4 K 558/03 -, juris, Rn. 34; VG Dessau, Urteil vom 30. August 2006 - 1 A 93/06 -, juris, Rn. 14; VG Magdeburg, Urteil vom 6. März 2007 - 5 A 191/06 -, juris, Rn. 16; VG Berlin, Urteil vom 5. Juni 2008 - 5 A 60.07 -, juris, Rn. 17 ff.; Urteil vom 12. Mai 2009 - 26 A 68.07 -, juris, Rn. 18). Einige Verwaltungsgerichte erster und zweiter Instanz hielten jedoch unter Hinweis auf den Sinn und Zweck des § 14a BeamtVG a.F. sowie aufgrund eines systematischen Vergleichs mit § 14 Abs. 5 BeamtVG daran fest, dass die in § 14 Abs. 4 BeamtVG geregelte Mindestversorgung nicht Grundlage für eine vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes nach § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. sein könne (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Januar 2008 - 21 A 2098/06 -, juris, Rn. 28 ff.; VG des Saarlandes, Urteil vom 17. März 2009 - 3 K 372/08 -, juris, Rn. 33 ff.). Auch die überwiegende Auffassung im Schrifttum widersprach der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Schachel, in: Schütz/ Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 14a BeamtVG Rn. 11 ; Bauer/Zahn, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, § 14a BeamtVG Rn. 2 mit Fn. 2 ; Grunefeld, a.a.O., S. 122 <127>; Strötz, a.a.O., § 14a BeamtVG Rn. 21 mit Fn. 14 ; zustimmend dagegen Plog/Wiedow, a.a.O., § 14a BeamtVG Rn. 14 ff. ).

33

d) Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil vom 12. November 2009 (- BVerwG 2 C 29.08 -, juris) an seiner Rechtsauffassung zur Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. festgehalten.

34

4. Die Bundesregierung legte am 12. November 2007 den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz - DNeuG) vor, der unter anderem eine Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG vorsah (BTDrucks 16/7076). Der Deutsche Bundestag nahm den Gesetzentwurf am 12. November 2008 in zweiter und dritter Lesung an (vgl. Plenarprotokoll 16/186, S. 19901). Am 11. Februar 2009 wurde das am 5. Februar 2009 ausgefertigte Dienstrechtsneuordnungsgesetz verkündet (BGBl I S. 160).

35

Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG sieht folgende Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG vor:

36

In Halbsatz 1 werden die Wörter "den sonstigen Vorschriften" durch die Angabe "§ 14 Abs. 1, § 36 Abs. 3 Satz 1, § 66 Abs. 2 und § 85 Abs. 4" ersetzt.

37

Gemäß Art. 17 Abs. 1 DNeuG ist Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG mit Wirkung vom 24. Juni 2005 in Kraft getreten. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu (BTDrucks 16/7076, S. 186):

38

"Die aus Sicht der Verwaltung lediglich klarstellenden Änderungen zur Berechnung von Ruhegehaltssätzen im Rahmen der Regelung des § 14a des Beamtenversorgungsgesetzes und des § 26a des Soldatenversorgungsgesetzes werden rückwirkend auf den Zeitpunkt einer entgegenstehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung in Kraft gesetzt."

39

5. Mit Wirkung vom 1. September 2006 ging die Kompetenz für die Regelung der Besoldung und Versorgung der Landesbeamten auf die Länder über (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl I S. 2034). Zehn Länder haben auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 mit klarstellenden Regelungen reagiert, die Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG entsprechen, zwei Länder haben Regelungen in Kraft gesetzt, die den Wortlaut von § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. aufgreifen, und weitere vier Länder haben auf eine eigene Regelung zur vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes bislang verzichtet. Als exemplarisch für die Haltung der Länder, die sich der Neuregelung des Bundes angeschlossen haben, kann der Gesetzentwurf gelten, der § 4 Abs. 1 des Thüringer Gesetzes über ergänzende Bestimmungen zur Beamtenversorgung in der Fassung durch Art. 2 des Gesetzes vom 31. Januar 2007 (GVBl S. 1, 2) zugrunde liegt (LTDrucks 4/2616, S. 11):

40

"Diese Bestimmung entspricht im Wesentlichen dem Wortlaut des § 14a BeamtVG. Zur Klarstellung wurden in Absatz 1 Satz 1 die Worte 'den sonstigen Vorschriften' durch die Verweisung '§ 14 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 3 Satz 1, § 66 Abs. 2 und § 85 Abs. 4 BeamtVG' ersetzt. Nach Artikel 125a Abs. 1 des Grundgesetzes kann die bundesrechtliche Regelung durch eine landesrechtliche Regelung ersetzt werden. Das das Bundesrecht ersetzende Landesrecht muss in sich abgeschlossen und aus sich heraus verständlich sein. Daher ist es erforderlich, die bundesrechtliche Bestimmung zur vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes vollständig durch inhaltsgleiches Landesrecht abzulösen.

41

Die Notwendigkeit dazu ergibt sich aus der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Durch Urteil vom 23. Juni 2005 - 2 C 25.04 - wurde entschieden, dass beim Zusammentreffen von Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 BeamtVG und vorübergehen-der Erhöhung des Ruhegehaltssatzes nach § 14a BeamtVG nicht mehr der nach den 'sonstigen Vorschriften berechnete' Ruhegehaltssatz, sondern auch der Mindestruhegehaltssatz zu erhöhen ist. Bislang wurde § 14a Abs. 1 Satz 1 BeamtVG dahin gehend ausgelegt, dass der nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz derjenige Ruhegehaltssatz ist, der sich auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechnet, also 'erdient' ist. Die Mindestversorgung ist vom Gesetz vorgegeben, also nicht 'berechnet'. Demnach wurde bislang der 'erdiente' Ruhegehaltssatz erhöht, sodann erfolgte ein Vergleich der sich daraus ergebenden Versorgung mit der Mindestversorgung, der höhere Betrag wurde gezahlt. Das Urteil hätte zur Folge, dass nunmehr der Ruhegehaltssatz der amtsbezogenen Mindestversorgung (35 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge) um bis zu 35 v.H. auf maximal 70 v.H. (Höchstgrenze nach § 14a Abs. 2 Satz 2 BeamtVG) erhöht werden könnte. Bei Empfängern der amtsunabhängigen Mindestversorgung (65 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 4) könnte der Ruhegehaltssatz dagegen nur um maximal 5 v.H. erhöht werden. Verglichen mit der bisherigen Verfahrenweise führt dies während der Zeit der Auswirkung des § 14a BeamtVG bei den erstgenannten Beamten zu einer erheblichen Erhöhung, bei den letztgenannten dagegen zu einer erheblichen Reduzierung des Ruhegehaltes. Bund und Länder behandeln daher das Urteil als Einzelfall und hatten beschlossen, § 14a BeamtVG entsprechend klarzustellen. Dies erfolgt nunmehr durch die Änderung in § 4 Abs. 1 Satz 1, da der Bund nicht mehr für die Länder regelungsbefugt ist. Die auslegungsbedürftigen Begriffe 'nach den sonstigen Vorschriften' werden durch eine Aufzählung derjenigen Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes ersetzt, die nach der bisherigen Auslegung ein 'berechnetes' Ruhegehalt ergeben haben."

II.

42

1. a) Der 1948 geborene Kläger des Ausgangsverfahrens war seit 1992, zuletzt im Rang eines Polizeihauptmeisters, als Polizeibeamter beim Bundesgrenzschutz beziehungsweise bei der Bundespolizei tätig. Er wurde nach Vollendung des 60. Lebensjahres mit Ablauf des Monats Februar 2008 wegen Erreichens der Altersgrenze des § 5 Abs. 2 Satz 1 des Bundespolizeibeamtengesetzes in den Ruhestand versetzt. Die Bundesfinanzdirektion Nord setzte sein Ruhegehalt mit Bescheid vom 12. Februar 2008 auf 1.691,89 € fest. Dabei erhöhte sie den nach § 14 Abs. 1 BeamtVG berechneten Ruhegehaltssatz in Höhe von 32,64 v.H. gemäß § 14a BeamtVG a.F. vorübergehend um 24,58 v.H. auf insgesamt 57,22 v.H.

43

b) Im März 2008 beantragte der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes auf Basis des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG (in Höhe von 35 v.H.) auf 59,58 v.H. Dieses Begehren, das zu einem Ruhegehalt von 1.761,68 € geführt hätte, lehnte die Bundesfinanzdirektion Nord ab. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb ohne Erfolg.

44

c) Mit Urteil vom 26. Januar 2009 verpflichtete das Verwaltungsgericht Magdeburg die Beklagte, das Ruhegehalt des Klägers ab dem 1. März 2008 vorübergehend auf der Basis des Ruhegehaltssatzes von 59,58 v.H. zu erhöhen. Zur Begründung nahm das Verwaltungsgericht auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 Bezug.

45

d) Auf die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 1. Juli 2009 die Klage mit der Begründung ab, nach der Gesetzesänderung komme nicht mehr der Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG, sondern nur noch der "erdiente" Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 1 BeamtVG als Berechnungsgrundlage für die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehalts in Betracht. Das durch Art. 17 Abs. 1 DNeuG angeordnete rückwirkende Inkrafttreten von Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG verstoße nicht gegen das Rückwirkungsverbot.

46

2. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt,

47

ob Artikel 17 Absatz 1 des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes (DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160, 274) mit Artikel 20 Absatz 3, Artikel 33 Absatz 5 und Artikel 3 Absatz 1 GG unvereinbar und nichtig ist.

48

Von der Entscheidung über die Vorlagefrage hänge das Ergebnis des Rechtsstreits ab. Sei Art. 17 Abs. 1 DNeuG gültig, wäre die Norm zu Ungunsten des Klägers anzuwenden, was in vollem Umfang zur Zurückweisung der Revision führen würde. Sei Art. 17 Abs. 1 DNeuG hingegen verfassungswidrig und nichtig, stünde dem Kläger der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Berechnung des erhöhten Ruhegehaltssatzes auf Basis des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG zu, weil weiterhin § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. anzuwenden wäre; die Revision des Klägers wäre mithin erfolgreich.

49

Das vorlegende Gericht ist überzeugt, dass Art. 17 Abs. 1 DNeuG mit seiner rückwirkenden Inkraftsetzung des Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG verfassungswidrig ist. Bei Beamten, die - wie der Kläger im Ausgangsverfahren - bereits vor der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes in den Ruhestand getreten und deren Versorgungsbezüge noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden seien, führe Art. 17 Abs. 1 DNeuG zu einer nachträglichen Kürzung bestehender Versorgungsansprüche und entfalte insoweit echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen). Der mit der Zurruhesetzung entstandene Anspruch auf vorübergehende Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG werde durch Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG rückwirkend vernichtet.

50

Die Rückwirkung sei verfassungsrechtlich nicht erlaubt. Das Vertrauen der betroffenen Beamten sei schutzwürdig, weil die rückwirkende Rechtsänderung, wie das Beispiel des Klägers zeige, zu einer spürbaren Kürzung der Bruttoversorgung führen könne. Die rückwirkend geänderte Regelung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. sei generell geeignet gewesen, aus dem Vertrauen auf ihr Fortbestehen heraus Entscheidungen und Dispositionen herbeizuführen oder zu beeinflussen, die sich bei der Änderung der Rechtslage als nachteilig erwiesen. Es habe auch keine unklare und verworrene Rechtslage vorgelegen, auf deren Bestand die Betroffenen nicht hätten vertrauen dürfen. Die rechtliche Wertung des Gesetzgebers, es handele sich bei der Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. um eine bloße Klarstellung, sei unbeachtlich. Die vom Gesetzgeber in Anspruch genommene authentische Interpretation sei für die Gerichte nicht verbindlich. Es liege keine Fallkonstellation vor, in der wegen abweichender Auffassungen in der Kommentarliteratur und divergierender Rechtsprechung der Instanzgerichte nicht schon ein Revisionsurteil, sondern erst eine langjährige gefestigte Rechtsprechung des Revisionsgerichts die unklare und verworrene Rechtslage beseitige. Dies setze voraus, dass der den Klarstellungsbedarf auslösende Gesetzestext so lückenhaft, unsystematisch oder mehrdeutig sei, dass nach Anwendung der hergebrachten Auslegungsmethoden mehrere Auslegungsergebnisse mit gleicher Überzeugungskraft vertretbar nebeneinander stünden. Das sei hier nicht der Fall, da sich die im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 vorgenommene Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. aus Wortlaut, Gesetzessystematik, Sinn und Zweck sowie aus der Entstehungsgeschichte ergebe.

51

Auf die Änderung der Berechnung der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes hätten sich die Betroffenen nicht schon im Zeitpunkt der Einbringung des Gesetzentwurfs des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes in den Deutschen Bundestag einstellen müssen. Mit einer Neuregelung müsse frühestens im Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses gerechnet werden. Überragende Belange des Gemeinwohls, die eine Rückwirkungsanordnung rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Finanzielle Erwägungen taugten nicht als Legitimation für eine Kürzung der Altersversorgung. Im Beamtenversorgungsrecht werde ein besonderes, durch Art. 33 Abs. 5 GG geschütztes Vertrauen auf den Fortbestand gesetzlicher Leistungsregelungen begründet. Wesentliche und grundlegende Änderungen zu Lasten der Beamten müssten durch gewichtige und bedeutende Gründe gerechtfertigt sein. Daran fehle es.

52

Für den Zeitraum nach seiner Verkündung greife Art. 17 Abs. 1 DNeuG in bestehende Versorgungsansprüche ein und kürze diese mit Wirkung für die Zukunft; die Norm entfalte insoweit unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung). Auch die unechte Rückwirkung des Art. 17 Abs. 1 DNeuG sei verfassungsrechtlich unzulässig, da hinreichend gewichtige Belange des Gemeinwohls, die den durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten besonderen Vertrauensschutz der Versorgungsempfänger überwögen, vom Gesetzgeber weder dargelegt noch sonst erkennbar seien. Überdies verpflichte der durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährte Vertrauensschutz im Bereich des Beamtenversorgungsrechts den Gesetzgeber, Eingriffe in versorgungsrechtliche Rechtspositionen durch angemessene Übergangsregelungen auszugleichen oder abzumildern, woran es hier fehle.

53

Die Rückwirkungsanordnung des Art. 17 Abs. 1 DNeuG verstoße auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Versorgungsempfänger, deren Versorgungsbezüge unter vorübergehender Erhöhung des Ruhegehaltssatzes gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG - höher - festgesetzt worden seien, seien durch § 52 Abs. 1 BeamtVG vor einer Rückforderung der Unterschiedsbeträge geschützt und daher von Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG nur zukunftsgerichtet betroffen. Gegenüber dieser Personengruppe würden Versorgungsempfänger wie der Kläger nur deswegen schlechter behandelt, weil die zuständigen Behörden rechtswidrig von einem Festsetzungsbescheid auf der Grundlage von § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG abgesehen hätten.

III.

54

Zu dem Vorlagebeschluss haben sich das Bundesministerium des Innern namens der Bundesregierung, die Bundesfinanzdirektion Nord, der dbb beamtenbund und tarifunion, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) - Bezirk Bundespolizei - geäußert.

55

1. Das Bundesministerium des Innern hält Art. 17 Abs. 1 DNeuG für verfassungsgemäß. Die rückwirkende Gesetzesänderung habe allein der klarstellenden Präzisierung einer bereits bestehenden Rechtslage gedient. Sie sei erforderlich geworden, nachdem die Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. durch das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 23. Juni 2005 der bis dahin in Bund und Ländern einheitlich geübten Praxis den Boden entzogen habe.

56

Art. 17 Abs. 1 DNeuG sei mit dem Vertrauensgrundsatz vereinbar. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung könne allenfalls bei gefestigter, langjähriger Rechtsprechung entstehen. Daran fehle es. Literatur und Rechtsprechung hätten nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 überwiegend an ihrer - davon abweichenden - Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. festgehalten. Bund und Länder hätten bereits im September 2005 über die Konsequenzen der Entscheidung diskutiert und einhellig die Auffassung vertreten, dass dem Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht gefolgt werden solle und eine gesetzliche Klarstellung in § 14a BeamtVG erforderlich sei.

57

Art. 17 Abs. 1 DNeuG verstoße auch nicht gegen das Alimentationsprinzip gemäß Art. 33 Abs. 5 GG. Der Gesetzgeber dürfe Versorgungsbezüge kürzen, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt erscheine. Sachgerecht sei es, bei rentebeziehenden Versorgungsempfängern eine Kürzung der Versorgungsbezüge anzuordnen, um eine Überhöhung der Gesamtversorgung zu beseitigen, die nicht durch eine Eigenleistung des Versorgungsempfängers entstanden sei, sondern - wie hier - durch eine unzureichende Abstimmung von Rentenrecht und Versorgungsrecht.

58

Art. 17 Abs. 1 DNeuG sei auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, da das Verhalten des Dienstherrn rechtmäßig gewesen sei.

59

2. Auch die Bundesfinanzdirektion Nord hält Art. 17 Abs. 1 DNeuG für verfassungsgemäß. Das Rückwirkungsverbot des Art. 20 Abs. 3 GG greife mangels schutzwürdigen Vertrauens nicht ein. Die Rechtslage sei unklar gewesen. Bis zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 habe es der flächendeckenden Verwaltungspraxis, der Kommentarliteratur und der Rechtsprechung der Instanzgerichte entsprochen, eine vorübergehende Erhöhung der Versorgungsbezüge lediglich auf der Grundlage des erdienten Ruhegehaltssatzes vorzunehmen. Die davon abweichende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei im Schrifttum, von der Verwaltung und von wenigstens einem Oberverwaltungsgericht kritisiert worden. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Novem-ber 2009 habe nicht mehr vertrauensbildend wirken können, weil zu diesem Zeitpunkt das Dienstrechtsneuordnungsgesetz bereits verkündet gewesen sei. Mangels schutzwürdigen Vertrauens seien auch Abmilderungs- und Übergangsmaßnahmen nicht erforderlich gewesen. Art. 17 Abs. 1 DNeuG verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

60

3. Der dbb beamtenbund und tarifunion teilt die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts. Es liege eine unzulässige Rückwirkung vor. Selbst wenn man die zu § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich des Ergebnisses in Zweifel ziehe, könne eine unklare oder gar verworrene Rechtslage nicht angenommen werden, da der Wortlaut der Norm die Auslegung des Gerichts gestützt habe. Die rückwirkende Gesetzesänderung betreffe keine Bagatellen, sondern nennenswerte finanzielle Werte und Dispositionen der betroffenen Beamten. Überragende Gründe des Gemeinwohls, die die Rückwirkung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Der Kreis von Beamten, die zum Zeitpunkt der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes bereits in den Ruhestand getreten gewesen seien und bei ihrem Ruhestandseintritt einen Anspruch auf Mindestversorgung sowie auf vorübergehende Erhöhung des Ruhegehalts gehabt hätten, sei überschaubar.

61

4. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) - Bezirk Bundespolizei - halten Art. 17 Abs. 1 DNeuG für verfassungswidrig; zur Begründung nehmen sie auf den Vorlagebeschluss Bezug.

B.

62

Art. 17 Abs. 1 DNeuG ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Norm verstößt nicht gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Vertrauensschutz aus Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 33 Abs. 5 GG (I.). Sie steht auch im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (II.).

I.

63

Art. 17 Abs. 1 DNeuG, der das Inkrafttreten von Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG mit Wirkung vom 24. Juni 2005 anordnet und dadurch in die geänderte Fassung des § 14a Abs. 1 BeamtVG auch Beamte einbezieht, die vor der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes in den Ruhestand getreten sind, begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Vorschrift enthält keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung und verletzt nicht das durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Vertrauen versorgungsberechtigter Beamter darauf, im Alter amtsangemessen versorgt zu sein.

64

1. Mit dem vorlegenden Gericht kann davon ausgegangen werden, dass Art. 17 Abs. 1 DNeuG sowohl echte Rückwirkung als auch unechte Rückwirkung zukommt.

65

a) Eine Rechtsnorm entfaltet "echte" Rückwirkung ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"), wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll (vgl. BVerfGE 109, 133 <181>; 114, 258 <300>; 127, 1 <16 f.>). Bei Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG ist dies - die Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. durch das Bundesverwaltungsgericht als maßgeblich unterstellt - im Hinblick auf Beamte der Fall, die nach dem 24. Juni 2005 und vor der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes am 11. Februar 2009 in den Ruhestand getreten sind und die Voraussetzungen der vorübergehenden Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG erfüllt haben. Insoweit kann Art. 17 Abs. 1 DNeuG zur nachträglichen Kürzung bestehender Versorgungsansprüche führen, wie das Beispiel des am 1. März 2008 in den Ruhestand getretenen Klägers des Ausgangsverfahrens zeigt. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand hatte der Kläger bei einem nach § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG vorübergehend erhöhten Ruhegehaltssatz von 59,58 v.H. einen Versorgungsanspruch in Höhe von 1.761,68 € zu erwarten. Nach der rückwirkenden Gesetzesänderung errechnet sich für den Kläger ein vorübergehend erhöhter Ruhegehaltssatz von 57,22 v.H. und damit ein Versorgungsanspruch in Höhe von (lediglich) 1.691,89 €. Im Zeitraum zwischen Eintritt in den Ruhestand und Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes wurde der bestehende Versorgungsanspruch des Klägers damit, gemessen an der vom Bundesverwaltungsgericht angenommenen Rechtslage, nachträglich um insgesamt 837,48 € (12 Monate x 69,79 €) gekürzt.

66

b) Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine "unechte" Rückwirkung vor (vgl. BVerfGE 72, 200 <242>; 97, 67 <79>; 127, 1 <17>). Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG entfaltet - wiederum auf der Grundlage der Auffassung des Bundesverwal-tungsgerichts - unechte Rückwirkung, soweit danach bestehende Versorgungsansprüche von Beamten, die vor der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes in den Ruhestand getreten sind und die Voraussetzungen der vorübergehenden Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG erfüllen, für die Zeit nach der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes gekürzt werden. Beim Kläger des Ausgangsverfahrens, der die Regelaltersgrenze am 28. Februar 2013 und damit 48 Monate nach Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes erreicht, verringert sich der Versorgungsanspruch damit um insgesamt 3.349,92 € (48 Monate x 69,79 €).

67

c) An der (echten und unechten) Rückwirkung von Art. 17 Abs. 1 DNeuG fehlt es nicht deshalb, weil die rückwirkende Änderung von § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F., wie es in der Gesetzesbegründung heißt, aus Sicht der Verwaltung lediglich klarstellender Natur sei (vgl. BTDrucks 16/7076, S. 186). Zwar liegt grundsätzlich keine Rückwirkung vor, wenn die Neuregelung deklaratorischer Art ist, also nur bestätigt, was von vornherein aus der verkündeten ursprünglichen Norm folgte (vgl. BVerfGE 18, 429 <436>; 50, 177 <193>; 126, 369 <393>). Dies ist hier aber nicht der Fall.

68

Die verbindliche Auslegung von Rechtssätzen ist Aufgabe der Gerichte. Eine vom Gesetzgeber etwa beanspruchte Befugnis zu "authentischer" Interpretation der rückwirkend geänderten Norm ist daher nicht anzuerkennen (vgl. BVerfGE 65, 196 <215>; 111, 54 <107>; 126, 369 <392>). Deren Regelungsgehalt ist vielmehr nach allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln. Dabei genügt für die Beantwortung der Frage, ob eine rückwirkende Regelung konstitutiven Charakter hat, die Feststellung, dass die geänderte Norm von den Gerichten nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung in einem Sinn ausgelegt werden konnte und ausgelegt worden ist, die mit der Neuregelung ausgeschlossen werden soll. So liegt es hier.

69

Das Tatbestandsmerkmal "nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz" in § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. konnte unterschiedlich ausgelegt werden. Während die Verwaltung sowie die Instanzrechtsprechung und ein Teil der Literatur zunächst davon ausgingen, dass damit nur der auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechnete ("erdiente") Ruhegehaltssatz gemeint sei, gelangte das Bundesverwaltungsgericht zu der Überzeugung, dass es sich auch bei dem Mindestruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG um einen "berechneten" Ruhegehaltssatz im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. handelte. Da nichts dafür spricht, dass eine der beiden Auslegungsalternativen - etwa wegen Überschreitung der Grenzen richterlicher Rechtsfindung (vgl. BVerfGE 96, 375 <394 f.>; 113, 88 <103 f.>; 122, 248 <257 f.>) - auszuscheiden gewesen wäre, hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung eine Streitfrage abweichend von höchstrichterlicher Rechtsprechung in einem bestimmten Sinne und damit konstitutiv entschieden.

70

2. Art. 17 Abs. 1 DNeuG ist im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Grenzen rückwirkender Gesetzgebung nicht zu beanstanden.

71

a) aa) Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte "ins Werk gesetzt" worden sind (vgl. BVerfGE 45, 142 <167 f.>; 63, 343 <356 f.>; 72, 200 <242>; 97, 67 <78 f.>). Die Grundrechte wie auch das Rechtsstaatsprinzip garantieren im Zusammenwirken die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und damit als eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Es würde den Einzelnen in seiner Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öffentliche Gewalt an sein Verhalten oder an ihn betreffende Umstände ohne weiteres im Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen, als sie zum Zeitpunkt seines rechtserheblichen Verhaltens galten (vgl. BVerfGE 63, 343 <357>; 72, 200 <257 f.>; 97, 67 <78>; 109, 133 <180>; 114, 258 <300 f.>; 127, 1 <16>).

72

bb) Die "echte" Rückwirkung ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen") ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Erst mit der Verkündung, das heißt, mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss (vgl. BVerfGE 97, 67 <78 f.> m.w.N.), muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (vgl. BVerfGE 63, 343 <353 f.>; 67, 1 <15>; 72, 200 <241 f.>; 97, 67 <78 f.>; 114, 258 <300>). Ausnahmsweise können aber zwingende Belange des Gemeinwohls oder ein nicht - oder nicht mehr - vorhandenes schutzbedürftiges Vertrauen des Einzelnen eine Durchbrechung des Verbots einer "echten" Rückwirkung gestatten (vgl. BVerfGE 72, 200 <258>; 97, 67 <79 f.>; 101, 239 <263 f.>).

73

cc) Dagegen ist die "unechte" Rückwirkung ("tatbestandliche Rückanknüpfung") nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (vgl. BVerfGE 63, 343 <357>; 105, 17 <40>; 114, 258 <301>). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren (vgl. BVerfGE 63, 312 <331>; 67, 1 <15>; 71, 255 <272>; 76, 256 <349 f.>). Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfGE 38, 61 <83>; 68, 193 <222>; 105, 17 <40>; 109, 133 <180 f.>; 125, 104 <135>).

74

Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Dabei sind die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage abzuwägen (vgl. BVerfGE 30, 392 <404>; 50, 386 <395>; 67, 1 <15>; 75, 246 <280>; 105, 17 <37>; 114, 258 <300>) und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. BVerfGE 72, 200 <242 f.>; 95, 64 <86>; 101, 239 <263>; 116, 96 <132>; 122, 374 <394>; 123, 186 <257>). Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 127, 1 <18>).

75

dd) Der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes hat in Art. 33 Abs. 5 GG eine besondere Ausprägung erfahren. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums sollen dem Beamten Rechtssicherheit hinsichtlich der durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Güter gewährleisten und insbesondere verhindern, dass versorgungsberechtigte Beamte in ihrem schutzwürdigen Vertrauen darauf, im Alter amtsangemessen versorgt zu sein, enttäuscht werden (vgl. BVerfGE 76, 256 <347> m.w.N.). Die für die Beurteilung rückwirkender Rechtsänderungen zulasten der Beamten und Versorgungsempfänger nach Art. 33 Abs. 5 GG heranzuziehenden Maßstäbe unterscheiden sich jedenfalls in der vorliegenden Konstellation nicht grundsätzlich von den Maßstäben, die auch sonst für rückwirkende belastende Gesetze gelten.

76

b) Der rückwirkenden Inkraftsetzung des § 14a Abs. 1 BeamtVG steht kein schutzwürdiges Vertrauen der betroffenen Beamten entgegen. Daher bedarf es auch keiner nach "echter" und "unechter" Rückwirkung differenzierenden Würdigung.

77

aa) Das durch das Rechtsstaatsprinzip und Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Vertrauen auf die geltende Rechtslage ist nur schutzwürdig, wenn die gesetzliche Regelung generell geeignet ist, ein Vertrauen auf ihr Fortbestehen zu begründen und darauf gegründete Entscheidungen - insbesondere Vermögensdispositionen - herbeizuführen, die sich bei Änderung der Rechtslage als nachteilig erweisen (vgl. BVerfGE 13, 39 <45 f.>; 30, 367 <389>). Ist das Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand einer bestimmten Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig, ist ein rückwirkender belastender Eingriff ausnahmsweise zulässig. Das ist etwa dann der Fall, wenn das rückwirkend geänderte Recht unklar und verworren war (vgl. BVerfGE 13, 261 <272>; 50, 177 <193 f.>; 126, 369 <393 f.>) oder wenn ein Zustand allgemeiner und erheblicher Rechtsunsicherheit eingetreten war und für eine Vielzahl Betroffener Unklarheit darüber herrschte, was rechtens sei (vgl. BVerfGE 72, 302 <325 f.>).

78

bb) Ein hinreichend gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen, dass es sich bei dem Mindestruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG um einen "berechneten" Ruhegehaltssatz im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. handele, konnte sich unter den gegebenen Umständen nicht entwickeln.

79

(1) Der Regelungsgehalt des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. war in dieser Hinsicht nicht eindeutig. Die Vorschrift wurde von der für die Beamtenversorgung zuständigen Verwaltung sowie von der Instanzrechtsprechung und einem Teil der Literatur zunächst dahingehend ausgelegt, dass der "nach sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz" nur ein auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechneter ("erdienter") Ruhegehaltssatz sei, insbesondere der nach § 14 Abs. 1 BeamtVG berechnete Ruhegehaltssatz. Vom Anwendungsbereich des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. ausdrücklich ausgenommen wurden die Mindestruhegehaltssätze gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 BeamtVG, weil beide - ohne Bezug zur tatsächlich ruhegehaltfähigen Dienstzeit - abstrakt gesetzlich vorgegeben und deshalb nicht "berechnet" seien.

80

(2) Zwar kam das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 23. Juni 2005 unter Hinweis auf Wortlaut, Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. zu dem Ergebnis, dass auch der Mindestruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG ein Ruhegehaltssatz im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. sei. Schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand dieses Normverständnisses konnte allein aus dieser Entscheidung indes nicht erwachsen.

81

(a) Entscheidungen oberster Gerichte, die vornehmlich zur grundsätzlichen Auslegung und Weiterentwicklung des Rechts berufen sind, wirken zwar über den entschiedenen Einzelfall hinaus als - freilich nur richtungweisendes - Präjudiz für künftige Fälle. Die höchstrichterliche Rechtsprechung erzeugt aber keine dem Gesetzesrecht gleichkommende Rechtsbindung (vgl. BVerfGE 84, 212 <227>; 122, 248 <277>). Weder sind die unteren Gerichte an die höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden, noch sind es die obersten Gerichte selbst. Kein Prozessbeteiligter kann daher darauf vertrauen, der Richter werde stets an einer bestimmten Rechtsauffassung aus der bisherigen Judikatur festhalten (vgl. BVerfGE 78, 123 <126>; 87, 273 <278>). Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen kann daher in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung entstehen (vgl. BVerfGE 72, 302 <326>; 122, 248 <278>; 126, 369 <395>).

82

(b) Bis zur Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes war nicht sicher davon auszugehen, dass das Bundesverwaltungsgericht an seiner Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. festhalten würde. Eine in dieser Richtung gefestigte Rechtsprechung bestand nicht. Vielmehr wich das Urteil vom 23. Juni 2005 von der bis dahin bestehenden Verwaltungspraxis sowie von der in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend vertretenen Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. ab. Zwar schlossen sich in der Folgezeit einige Instanzgerichte dem Bundesverwaltungsgericht an; zumindest ein Oberverwaltungsgericht folgte dessen Rechtsprechung jedoch nicht (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Januar 2008 - 21 A 2098/06 -, juris, Rn. 30 ff.), auch stieß das Urteil auf erhebliche Kritik im Schrifttum (vgl. Bauer/Zahn, a.a.O., § 14a BeamtVG Rn. 2 mit Fn. 2 ; Grunefeld, a.a.O., S. 122 <127>).

83

Im Rahmen dieser Kritik wurde darauf hingewiesen, dass die vorübergehende Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG zu Ergebnissen führen kann, die über den Regelungszweck des § 14a BeamtVG hinausgehen. § 14a BeamtVG soll versorgungsrechtlichen Nachteilen entgegenwirken, die sich wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen von Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung für den Zeitraum ergeben können, in dem ein Besoldungsanspruch nicht mehr besteht, die für Invalidität und Alter vorgesehenen Leistungen aber noch nicht in vollem Umfang ausgeschöpft werden können (vgl. BTDrucks 10/4225, S. 21; BVerwGE 111, 93 <96 f.>; Strötz, a.a.O., § 14a BeamtVG Rn. 1 ). Diesem Ziel wird die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. zwar gerecht. Sie vermeidet insbesondere, dass § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in den Fällen leerläuft, in denen die Versorgungsbezüge trotz des vorübergehenden Ausschlusses des Beamten von einer gesetzlichen Rente auch bei Einbeziehung der Pflichtbeitragszeiten nach Maßgabe von § 14a Abs. 2 BeamtVG die Mindestversorgung nicht überschreiten.

84

Sie greift jedoch über das Ziel des Gesetzgebers hinaus, soweit ein Beamter durch die vorübergehende Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine höhere Gesamtversorgung erhält, als er aufgrund von § 14 Abs. 5 BeamtVG bei Erreichen der Regelaltersgrenze erhalten wird. Im Zeitraum zwischen dem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand bis zum Beginn des Rentenbezugs ist der Beamte dadurch quasi "überversorgt" (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 38; Grunefeld, a.a.O., S. 122 <127>). Mit diesem Aspekt setzt sich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 nicht auseinander.

85

Kritik hat diese Entscheidung auch deshalb erfahren, weil die vorübergehende Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG zu einer Besserstellung von Beamten, die zunächst in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tätig waren, gegenüber Beamten, die ausschließlich in einem Beamtenverhältnis standen, führen kann, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich ist. In Fällen, in denen letzteren lediglich Ansprüche auf die Mindestversorgung gemäß § 14 Abs. 4 BeamtVG zustehen, könnte bei ersteren, die Pflichtbeitragszeiten für die gesetzliche Rentenversicherung vorweisen können, trotz gleicher Arbeits- und Dienstzeit der Mindestruhegehaltssatz vorübergehend erhöht werden. Den versorgungsrechtlichen Nachteilen gemischter Erwerbskarrieren wird insoweit mehr als nur entgegengewirkt, weil die Betroffenen vorübergehend eine höhere Gesamtversorgung erhalten, als ihnen zustünde, wenn die relevanten Pflichtbeitragszeiten ruhegehaltfähige Dienstzeiten wären (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 31 ff.; Bauer/Zahn, a.a.O., Rn. 2 mit Fn. 2 ). Das Bundesverwaltungsgericht war davon ausgegangen, dass dies wegen der erheblich abweichenden Staffelung der Sätze nach § 14 Abs. 1 BeamtVG und nach § 14a Abs. 2 BeamtVG nur in besonderen Ausnahmefällen vorkommen werde und zudem einer Korrektur in Anwendung des Rechtsgedankens aus § 14 Abs. 5 BeamtVG zugänglich sein könnte (vgl. BVerwGE 124, 19 <25>).

86

(c) Die für die Beamtenversorgung zuständigen Behörden haben zudem ganz überwiegend keinen Zweifel daran gelassen, dass dem Urteil vom 23. Juni 2005 über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht gefolgt werden solle und eine gesetzliche Klarstellung erforderlich sei. Demgemäß wurden in der Folgezeit Anträge auf vorübergehende Erhöhung des Ruhegehalts auf der Basis des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 Abs. 4 BeamtVG abgelehnt, darunter auch Anträge von Bundesbeamten, die - wie der Kläger des Ausgangsverfahrens - beim Bundesgrenzschutz tätig waren (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 6. März 2007 - 5 A 191/06 -, juris, Rn. 4; VG Berlin, Urteil vom 5. Juni 2008 - 5 A 60.07 -, juris, Rn. 8). Jedenfalls durch die entsprechenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren war die Haltung der Verwaltung auch allgemein bekannt. Hinzu kamen Gesetzesinitiativen auf Bundes- wie auf Landesebene, mit denen die unveränderte Verwaltungspraxis gesetzlich abgesichert werden sollte (vgl. BTDrucks 16/7076, S. 186; ferner etwa für Brandenburg LTDrucks 4/5154, S. 7; für Thüringen LTDrucks 4/2616, S. 11) und die in den Ländern teilweise bereits im Jahr 2007 zu entsprechenden Bestimmungen führten (vgl. etwa § 3 Abs. 1 des brandenburgischen Beamtenversorgungsergänzungsgesetzes, gemäß Art. 6 des Gesetzes vom 21. November 2007 in Kraft getreten am 27. November 2007; § 4 Abs. 1 des Thüringer Gesetzes über ergänzende Bestimmungen zur Beamtenversorgung, gemäß Art. 4 des Gesetzes vom 31. Januar 2007 in Kraft getreten am 1. März 2007).

87

(d) Unter diesen Umständen lag es - trotz der Gefolgschaft der Mehrzahl der Instanzgerichte - nicht fern, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsauffassung korrigieren werde. Dementsprechend fehlte es an einer hinreichend sicheren Grundlage für ein Vertrauen in den Fortbestand der auf dieser Entscheidung beruhenden Rechtslage. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht letztlich an seiner Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. festgehalten und diese gegen Kritik verteidigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2009 - 2 C 29/08 -, juris, Rn. 9 ff.). Diese Entscheidung erging jedoch nach der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes und konnte deshalb nicht mehr vertrauensbildend wirken (vgl. BVerfGE 72, 200 <254>; 97, 67 <78 f.>; 114, 258 <300>).

88

cc) Art. 17 Abs. 1 DNeuG stößt auch unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung des Vertrauensschutzes im Bereich der Beamtenversorgung (oben B. I. 2. a dd) nicht auf rechtsstaatliche Bedenken. § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F wurde rückwirkend in einem Sinne geändert, der der Verwaltungspraxis sowie der zunächst überwiegenden Auslegung dieser Norm in Rechtsprechung und Schrifttum entsprach. Die von der Rückwirkung Betroffenen hatten sich während des ganz überwiegenden Teils ihrer Dienstzeit darauf einzustellen, dass nur ihr "erdienter" Ruhegehaltssatz vorübergehend erhöht werden kann. Vor diesem Hintergrund konnten sie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 nicht ohne weiteres zum Anlass für erhebliche Dispositionen im Vertrauen auf dessen Bestand nehmen, zumal die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes auf die Zeit zwischen dem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand und dem Beginn des Rentenbezugs beschränkt ist und spätestens mit Erreichen der Regelaltersgrenze wegfällt (vgl. § 14a Abs. 3 BeamtVG), es also um zeitlich begrenzte Dispositionsmöglichkeiten ging. Auch liegt die mit der Rechtsänderung verbundene Rückführung der Versorgungsbezüge - beim Kläger des Ausgangsverfahrens monatlich 69,79 €, entsprechend 3,96 v.H. der Bruttoversorgung - in einem von den Betroffenen beherrschbaren Rahmen und lässt eine Unterschreitung des von Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbestandes der Alimentation nicht besorgen. Daher war der Gesetzgeber auch nicht verpflichtet, die Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. nach Maßgabe angemessener Übergangsregelungen in Kraft zu setzen.

II.

89

Art. 17 Abs. 1 DNeuG verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Nicht durchgreifend sind die vom Bundesverwaltungsgericht im Hinblick darauf erhobenen Bedenken, dass die rückwirkende Änderung von § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. nicht eingreift, wenn Versorgungsbezüge bereits gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 BeamtVG festgesetzt worden sind.

90

Bei der rückwirkenden Kürzung gesetzlicher Ansprüche steht der Gesetzgeber generell vor der Frage, wie er mit bereits rechtskräftig festgestellten oder bestandskräftig gewordenen Ansprüchen umgeht. Insoweit stehen sich zwei in gleicher Weise mit Verfassungsrang ausgestattete Prinzipien gegenüber: Das Prinzip der (Einzelfall-)Gerechtigkeit, das es gebietet, auch rechtskräftig festgestellte oder bestandskräftig gewordene Ansprüche von der Begünstigung auszuschließen, und das Prinzip der Rechtssicherheit, aus dem die grundsätzliche Rechtsbeständigkeit rechtskräftiger Gerichtsentscheidungen und sonstiger in Bestandskraft erwachsender Akte der öffentlichen Gewalt folgt. Es ist Sache des Gesetzgebers, welchem der beiden Prinzipien im konkreten Fall der Vorzug gegeben werden soll (vgl. BVerfGE 15, 313 <319>; 19, 150 <166>; 29, 413 <432>; 48, 1 <22>; 72, 302 <327 f.>).

91

Danach ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber für die Gruppe der Versorgungsempfänger, deren Versorgungsbezüge bereits rechtskräftig festgesetzt und ausbezahlt worden sind, der Rechtssicherheit den Vorrang gegenüber der (Einzelfall-)Gerechtigkeit eingeräumt hat. Dies gilt umso mehr, als diese Gruppe ohnehin vor der Erstattung der aufgrund der rückwirkenden Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. zuviel gezahlten Beträge geschützt wäre (vgl. § 52 Abs. 1 BeamtVG).

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 24 ist entsprechend anzuwenden.

Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere die Berücksichtigung einer Betriebs- und Heizkosten-Erstattung.

2

Der im Jahr 1979 geborene Kläger bezieht seit dem 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Über sein Vermögen ist seit dem 10.7.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet und eine Rechtsanwältin als Treuhänderin bestellt (Beschluss des Amtsgerichts Hohenschönhausen vom 10.7.2007 - 38 IK 177/07). Am 10.12.2007 reichte der Kläger beim beklagten Jobcenter die Betriebs- und Heizkostenabrechnung seines Vermieters für das Jahr 2006 ein, aus der sich ein Guthaben des Klägers von 34,41 Euro ergab, welches am 17.1.2008 seinem Konto gutgeschrieben wurde. Ohne vorherige Anhörung des Klägers hob der Beklagte mit Aufhebungsbescheid vom 17.12.2007 den zuvor ergangenen Bewilligungsbescheid über Leistungen nach dem SGB II vom 1. bis zum 29.2.2008 teilweise in Höhe von 34,41 Euro auf und verwies im Übrigen auf den Änderungsbescheid vom selben Tag. In diesem, der als Bestandteil des Aufhebungsbescheides bezeichnet wurde, wurden dem Kläger für Februar 2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung nach zuvor 233,47 Euro nur noch in Höhe von 199,06 Euro, also 34,41 Euro weniger, bewilligt. Der Widerspruch gegen die Bescheide wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 8.2.2008).

3

Das Sozialgericht Berlin (SG) hat den Aufhebungs- und den Änderungsbescheid vom 17.12.2007 aufgehoben (Urteil vom 15.6.2009). Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) hat die Berufung zugelassen und auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.10.2011). Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Fehlen der Anhörung sei unschädlich, da einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst worden seien (§ 24 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch). Die Bescheide seien auch materiell rechtmäßig, der Beklagte könne sich auf § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II, § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X als Rechtsgrundlage berufen. Die wesentliche Änderung sei dadurch eingetreten, dass dem Konto des Klägers 34,41 Euro am 17.1.2008 gutgeschrieben worden seien. Gemäß § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II in der Fassung des Grundsicherungsfortentwicklungsgesetzes vom 20.7.2006 (BGBl I 1706 ) minderten Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuordnen seien, die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstehenden Aufwendungen. Eine Rückzahlung im Sinne dieser Vorschrift sei mit der Kontogutschrift erfolgt. Einer Berücksichtigung der Rückzahlung stehe nicht entgegen, dass der Kläger seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einem Verfügungsverbot unterliege. Die Rückzahlung habe keinem Verfügungsverbot unterlegen, da sie nicht zur Insolvenzmasse gehört habe. Nach § 36 Abs 1 Insolvenzordnung (InsO) gehörten Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse. Zwar seien nach §§ 850 ff Zivilprozessordnung (ZPO), § 54 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) nur Sozialleistungen und Arbeitseinkommen geschützt, § 54 Abs 4 SGB I sei aber auf Rückzahlung nach § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF entsprechend anzuwenden, weil diese an die Stelle der Leistungen für Unterkunft und Heizung treten würden. Im Übrigen habe der Gesetzgeber mit der Änderung des § 850i Abs 1 ZPO durch das Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7.7.2009 (BGBl I 1707) ausdrücklich auch für sonstige Einkünfte den Pfändungsschutz ermöglicht. Die Voraussetzungen für die Sonderregelung wegen Haushaltsenergie in § 22 Abs 1 Satz 4 Halbs 2 SGB II aF seien nicht erfüllt.

4

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger, mit der Kontogutschrift des Erstattungsbetrags sei keine Rückzahlung iS des § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF erfolgt und für eine entsprechende Anwendung des § 54 Abs 4 SGB I auf die Betriebs- und Heizkostenabrechnung sei kein Raum. Der Erstattungsbetrag beruhe auf einer privatrechtlichen Forderung und sei damit Teil der Insolvenzmasse geworden. Auch mit der Neuregelung des § 850i Abs 1 ZPO lasse sich eine Analogie nicht begründen. Eine Privilegierung öffentlich-rechtlicher Forderungen sei im Insolvenzverfahren nicht vorgesehen. Aufgrund des sich aus dem Insolvenzverfahren ergebenden Verfügungsverbotes könne er auch über den Betrag nicht verfügen.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. Oktober 2011 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2009 zurückzuweisen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG ist zurückzuweisen. Das LSG hat zu Recht seine Klage gegen den Aufhebungs- und Änderungsbescheid des beklagten Jobcenters vom 17.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.2.2008 abgewiesen, in dem der ursprüngliche Bewilligungsbescheid für Februar 2008 teilweise aufgehoben und als Leistungen für Unterkunft und Heizung nach zuvor 233,47 Euro nur noch 199,06 Euro, also 34,41 Euro weniger, bewilligt wurden. Denn der Bescheid vom 17.12.2007 ist rechtmäßig.

8

1. Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides sind nicht zu erkennen, insbesondere war keine vorherige Anhörung des Klägers erforderlich, weil eine einkommensabhängige Leistung den geänderten Verhältnissen, nämlich der Erzielung von Einkommen durch die Betriebs- und Heizkosten-Erstattung, angepasst wurde (§ 24 Abs 2 Nr 5 SGB X).

9

2. Die materiellen Voraussetzungen für den Aufhebungs- und Änderungsbescheid nach § 40 Abs 1 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung aufgrund des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954, im Folgenden: SGB II aF), § 48 SGB X, § 330 Abs 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sind erfüllt.

10

Der teilweise aufgehobene Bewilligungsbescheid war ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, ist eine wesentliche Änderung eingetreten, weil der Kläger durch die Betriebs- und Heizkosten-Erstattung am 17.1.2008 Einkommen erzielt hat. Diese Einkommenserzielung ist auch nach dem Erlass des Bewilligungsbescheides erfolgt und führte zu einer Minderung des Anspruchs des Klägers auf laufende Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X). Mit dem beklagten Jobcenter hat die zuständige Behörde gehandelt (vgl § 48 Abs 4, § 44 Abs 3 SGB X) und auch die Fristerfordernisse wurden eingehalten (§ 48 Abs 4, § 44 Abs 4, § 45 Abs 3 Satz 3 bis 5, Abs 4 Satz 2 SGB X).

11

Ermessen war seitens des Beklagten nicht auszuüben, sondern der Bewilligungsbescheid zwingend mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben (§ 40 Abs 1 Satz 2 SGB II aF, § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III).

12

3. Dass der Kläger durch die Betriebs- und Heizkosten-Erstattung ein Einkommen erzielt hat, das zur Minderung seines Anspruchs auf die laufenden Leistungen für Unterkunft und Heizung führt, folgt aus § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II in der Fassung des GSiFoG vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) in der am 17.1.2008, dem Tag der Gutschrift der 34,41 Euro, geltenden Fassung, die im Wesentlichen § 22 Abs 3 SGB II idF der Neubekanntmachung vom 13.5.2011 (BGBl I 850) entspricht, und der lautet: "Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten der Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstehenden Aufwendungen; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten der Haushaltsenergie beziehen, bleiben insoweit außer Betracht."

13

Erstattungen aus einer Betriebs- und Heizkostenabrechnung stellen Einkommen iS des § 11 SGB II dar. Durch § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF werden für die in ihm genannten Rückzahlungen und Guthaben lediglich die in § 19 Satz 3 SGB II aF bestimmte Reihenfolge der Berücksichtigung von Einkommen, der Zeitpunkt der Berücksichtigung des Zuflusses als Einkommen und aufgrund der ausdrücklich gesetzlichen Zuordnung zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung die Regeln des § 11 Abs 2 SGB II aF modifiziert(Bundessozialgericht vom 22.3.2012 - B 4 AS 139/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 55 RdNr 14 ff mwN; siehe zudem die Gesetzesbegründung zu § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF in BT-Drucks 16/1696 S 26).

14

Die Voraussetzungen des § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF sind vorliegend nach den Feststellungen des LSG aufgrund der Betriebs- und Heizkostenabrechnung des Vermieters und der Zahlung des Erstattungsbetrags auf das Konto des Klägers am 17.1.2008 erfüllt; dies wird von keinem Beteiligten in Zweifel gezogen.

15

4. Daran ändert sich durch den Umstand, dass durch Beschluss des AG über das Vermögen des Klägers seit dem 10.7.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet und eine Rechtsanwältin als Treuhänderin bestellt wurde, nichts.

16

a) Zwar geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter bzw bei einer Verbraucherinsolvenz, wie vorliegend, auf den Treuhänder über (§ 80 Abs 1, § 313 Abs 1 Satz 1 InsO). Auch umfasst die Insolvenzmasse das Gesamtvermögen, das dem Schuldner zurzeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (§ 35 Abs 1 InsO), also auch Forderungen, wie zB aufgrund einer Abrechnung in einem Schuldverhältnis.

17

Andererseits gibt es aber entgegen dem Eindruck, den die Revision zu erwecken versucht, zahlreiche Ausnahmen bei der Bestimmung der Gegenstände und Forderungen, die zur Insolvenzmasse gehören. Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse (§ 36 Abs 1 Satz 1 InsO, §§ 811 ff ZPO). Die §§ 850 ff ZPO mit insbesondere dem Schutz von Arbeitseinkommen und Sozialleistungen(§ 850i Abs 4 ZPO in der damaligen Fassung iVm § 54 SGB I) gelten entsprechend (§ 36 Abs 1 Satz 2 InsO). Daneben gibt es innerhalb der InsO zahlreiche Regelungen, wie die Aussonderung oder abgesonderte Befriedigung aufgrund bestimmter Rechte (§§ 45 ff InsO), die Vorwegbefriedigung der Massegläubiger, zu denen auch der Insolvenzverwalter gehört (§§ 53 ff InsO), die Aufrechnung (§§ 94 ff InsO) usw, die die Insolvenzmasse verringern.

18

b) Ob bei einer Betriebs- und Heizkostenabrechnung eines Insolvenzschuldners, der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II bezieht, unter bestimmten Voraussetzungen die Regelungen über die Aufrechnung (§§ 94 ff InsO) anzuwenden sind - in diese Richtung weist das Vorbringen der Revision, die auf das Fehlen vertraglicher Vereinbarungen zwischen dem klagenden Insolvenzschuldner und dem beklagten Jobcenter hinweist - kann dahinstehen.

19

c) Vielmehr ist der Entscheidung zugrunde zu legen, dass Einkommen des Insolvenzschuldners, das bei der Deckung seines Bedarfs nach dem SGB II zu berücksichtigen ist, schon nicht der Pfändung und Zwangsvollstreckung unterliegt und daher auch nicht Teil der Insolvenzmasse wird. Dies folgt aus der Beschränkung der Insolvenzmasse auf das pfändbare Vermögen (§ 36 Abs 1 InsO, §§ 811 ff, 850 ff ZPO) und den Gründen für die Pfändungsverbote. Diese dienen dem Schutz des Schuldners aus sozialen Gründen im öffentlichen Interesse und beschränken die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen mit Hilfe staatlicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Sie sind Ausfluss der in Art 1, 2 Grundgesetz (GG) garantierten Menschenwürde bzw allgemeinen Handlungsfreiheit und enthalten eine Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzips (Art 20 Abs 1, Art 28 Abs 1 GG).

20

Dem Schuldner und seinen Familienangehörigen soll durch die Pfändungsschutzvorschriften die wirtschaftliche Existenz erhalten werden, um - unabhängig von Sozialhilfe oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende - ein bescheidenes, der Würde des Menschen entsprechendes Leben führen zu können. Für die Auslegung der Pfändungsvorschriften in §§ 811 ff und §§ 850 ff ZPO geben die Regelungen der genannten Fürsorgesysteme im SGB II und im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), die das Bundessozialhilfegesetz abgelöst haben, wichtige Anhaltspunkte, weil die Pfändungsverbote und die Bestimmungen des SGB II und SGB XII, die jeweils dem Schutz der Erhaltung des Existenzminimums dienen, in einer engen Wechselbeziehung zueinander stehen. Da eine Pfändung nicht zu Lasten öffentlicher Mittel erfolgen darf, dürfen dem Schuldner bei der Zwangsvollstreckung keine Gegenstände entzogen werden, die ihm der Staat aus sozialen Gründen mit Leistungen der Sozialhilfe wieder zur Verfügung stellen müsste (BGH, Beschluss vom 19.3.2004 - IXa ZB 321/03 - DGVZ 2004, 71 = NJW-RR 2004, 789, RdNr 8; BGH, Beschluss vom 16.6.2011 - VII ZB 12/09; vgl zur Literatur nur Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl 2012, Einführung §§ 850 ff RdNr 2 und § 811 RdNr 2; Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl 2002, § 811 RdNr 1 ff; Stöber in Zöller, ZPO, 29. Aufl 2012, § 811 RdNr 1; Walker in Schuschke, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl 2011, § 811 RdNr 1 f; ähnlich zur Berücksichtigung gepfändeter Einkommensteile: BSG vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 188, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2).

21

Die vom Kläger zum Verfahren eingereichten gegenteiligen Beschlüsse verschiedener Amtsgerichte, wie ua des AG Charlottenburg vom 4.6.2008 (36k IN 193/06) enthalten keine entgegenstehenden Argumente und nehmen die aufgezeigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und die einschlägige Literatur schlicht nicht zur Kenntnis. Sie stehen im Übrigen im Widerspruch zum Beschluss des Landgerichts Berlin vom 29.9.2008 (86 T 497/08), das den genannten Beschluss des AG Charlottenburg aufgehoben und festgestellt hat, dass die Rückzahlung von Betriebskosten nicht zur Insolvenzmasse gehört.

22

d) Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175) zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG, das als Gewährleistungsrecht dem Grunde nach unverfügbar ist. Im Übrigen wäre eine Rechtslage, die einerseits einem SGB II-Empfänger diesen Anspruch auf ein Existenzminimum gegen den Staat eingeräumt und andererseits einen Eingriff mit den Zwangsmitteln dieses Staates in das so geschützte Existenzminimum dieses SGB II-Empfängers vorsieht, wegen Widersprüchlichkeit schwerlich mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 GG vereinbar (BVerfGE 1, 14, 45; BVerfGE 98, 106, 118 f; BVerfGE 98, 265, 301: keine "gegenläufigen Regelungen").

23

Für dieses Ergebnis spricht auch das Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7.7.2009 (BGBl I 1707), das ua durch die Neufassung des § 850i Abs 1 ZPO ausdrücklich "sonstige Einkünfte" unter bestimmten Voraussetzungen in den Pfändungsschutz einbezogen hat und mit dem ausweislich der Gesetzesbegründung das Ziel verfolgt wurde, das Existenzminimum des Schuldners (und seiner Familie) nach dem SGB II und SGB XII vom Zugriff der Gläubiger freizustellen(BT-Drucks 16/7615 S 13, 18, 30).

24

e) Einer Analogie zu § 54 Abs 4 SGB I, wie das LSG sie angenommen hat, bedarf es nicht.

25

5. Dass es sich bei der Betriebs- und Heizkosten-Erstattung auch um "bereite Mittel" des Klägers handelte, ergibt sich aus den Feststellungen des LSG über die Gutschrift des Betrags auf dessen Konto, gegen die von Seiten der Beteiligten auch keine Rügen erhoben wurden.

26

Dieses Erfordernis einer tatsächlichen Verfügungsgewalt des Klägers über die Betriebs- und Heizkosten-Erstattung folgt aus deren grundsätzlichen Charakter als zu berücksichtigendes Einkommen (BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 132/11 R - RdNr 20 ff). Sollten insofern Schwierigkeiten auftreten, hat der Kläger die sich aus den angeführten AG-Verfahren ergebenden Rechtsschutzmöglichkeiten als Schuldner, bei denen ihn der Beklagte im Zweifel zu unterstützen hat (vgl BSG vom 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 53).

27

6. Der Anteil in der Betriebs- und Heizkosten-Erstattung, der auf die Kosten der Haushaltsenergie entfällt, ist nicht nach § 22 Abs 1 Satz 4 Halbs 2 SGB II aF herauszurechnen, wie das LSG zu Recht ausgeführt hat. Denn beim Kläger erfolgte keine isolierte Erfassung der tatsächlichen Kosten der Warmwasserbereitung gemäß der Rechtsprechung des BSG (vgl zuletzt nur BSG vom 23.8.2011 - B 14 AS 185/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 42 mwN).

28

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Sobald die Schlußverteilung vollzogen ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens.

(2) Der Beschluß und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekanntzumachen. Die §§ 31 bis 33 gelten entsprechend.

(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig.

(2) Jedes Abkommen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nichtig.

(3) Eine Aufrechnung gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, ist nicht zulässig.

(1) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben.

(2) Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, werden durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. Der Schuldner wird jedoch gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Insolvenzgläubigern.

(3) Wird ein Gläubiger befriedigt, obwohl er auf Grund der Restschuldbefreiung keine Befriedigung zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten.

(4) Ein allein aufgrund der Insolvenz des Schuldners erlassenes Verbot, eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen oder auszuüben, tritt mit Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung außer Kraft. Satz 1 gilt nicht für die Versagung und die Aufhebung einer Zulassung zu einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit.

(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen.

(2) Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle kann erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.

(3) Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung bleiben unberührt.

(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig.

(2) Jedes Abkommen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nichtig.

(3) Eine Aufrechnung gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, ist nicht zulässig.

(1) Die Restschuldbefreiung setzt einen Antrag des Schuldners voraus, der mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden soll. Wird er nicht mit diesem verbunden, so ist er innerhalb von zwei Wochen nach dem Hinweis gemäß § 20 Abs. 2 zu stellen. Der Schuldner hat dem Antrag eine Erklärung beizufügen, ob ein Fall des § 287a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder 2 vorliegt. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung nach Satz 3 hat der Schuldner zu versichern.

(2) Dem Antrag ist die Erklärung des Schuldners beizufügen, dass dieser seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder auf an deren Stelle tretende laufende Bezüge für den Zeitraum von drei Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abtretungsfrist) an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt. Ist dem Schuldner auf Grundlage eines nach dem 30. September 2020 gestellten Antrags bereits einmal Restschuldbefreiung erteilt worden, so beträgt die Abtretungsfrist in einem erneuten Verfahren fünf Jahre; der Schuldner hat dem Antrag eine entsprechende Abtretungserklärung beizufügen.

(3) Vereinbarungen des Schuldners sind insoweit unwirksam, als sie die Abtretungserklärung nach Absatz 2 vereiteln oder beeinträchtigen würden.

(4) Die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, sind bis zum Schlusstermin zu dem Antrag des Schuldners zu hören.

(1) Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen können nicht gepfändet werden.

(2) Ansprüche auf einmalige Geldleistungen können nur gepfändet werden, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruchs sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung, die Pfändung der Billigkeit entspricht.

(3) Unpfändbar sind Ansprüche auf

1.
Elterngeld bis zur Höhe der nach § 10 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes anrechnungsfreien Beträge sowie dem Erziehungsgeld vergleichbare Leistungen der Länder,
2.
Mutterschaftsgeld nach § 19 Absatz 1 des Mutterschutzgesetzes, soweit das Mutterschaftsgeld nicht aus einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit herrührt, bis zur Höhe des Elterngeldes nach § 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes, soweit es die anrechnungsfreien Beträge nach § 10 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes nicht übersteigt,
2a.
Wohngeld, soweit nicht die Pfändung wegen Ansprüchen erfolgt, die Gegenstand der §§ 9 und 10 des Wohngeldgesetzes sind,
3.
Geldleistungen, die dafür bestimmt sind, den durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand auszugleichen.

(4) Im übrigen können Ansprüche auf laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden.

(5) Ein Anspruch des Leistungsberechtigten auf Geldleistungen für Kinder (§ 48 Abs. 1 Satz 2) kann nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines Kindes, das bei der Festsetzung der Geldleistungen berücksichtigt wird, gepfändet werden. Für die Höhe des pfändbaren Betrages bei Kindergeld gilt:

1.
Gehört das unterhaltsberechtigte Kind zum Kreis der Kinder, für die dem Leistungsberechtigten Kindergeld gezahlt wird, so ist eine Pfändung bis zu dem Betrag möglich, der bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergeldes auf jedes dieser Kinder entfällt. Ist das Kindergeld durch die Berücksichtigung eines weiteren Kindes erhöht, für das einer dritten Person Kindergeld oder dieser oder dem Leistungsberechtigten eine andere Geldleistung für Kinder zusteht, so bleibt der Erhöhungsbetrag bei der Bestimmung des pfändbaren Betrages des Kindergeldes nach Satz 1 außer Betracht.
2.
Der Erhöhungsbetrag (Nummer 1 Satz 2) ist zugunsten jedes bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigten unterhaltsberechtigten Kindes zu dem Anteil pfändbar, der sich bei gleichmäßiger Verteilung auf alle Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes zugunsten des Leistungsberechtigten berücksichtigt werden, ergibt.

(6) In den Fällen der Absätze 2, 4 und 5 gilt § 53 Abs. 6 entsprechend.

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

(1) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben.

(2) Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, werden durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. Der Schuldner wird jedoch gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Insolvenzgläubigern.

(3) Wird ein Gläubiger befriedigt, obwohl er auf Grund der Restschuldbefreiung keine Befriedigung zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten.

(4) Ein allein aufgrund der Insolvenz des Schuldners erlassenes Verbot, eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen oder auszuüben, tritt mit Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung außer Kraft. Satz 1 gilt nicht für die Versagung und die Aufhebung einer Zulassung zu einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit.

(1) Die persönlichen Entgeltpunkte für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente ergeben sich, indem die Summe aller Entgeltpunkte für

1.
Beitragszeiten,
2.
beitragsfreie Zeiten,
3.
Zuschläge für beitragsgeminderte Zeiten,
4.
Zuschläge oder Abschläge aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich oder Rentensplitting,
5.
Zuschläge aus Zahlung von Beiträgen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters oder bei Abfindungen von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung oder von Anrechten bei der Versorgungsausgleichskasse,
6.
Zuschläge an Entgeltpunkten für Arbeitsentgelt aus geringfügiger Beschäftigung,
7.
Arbeitsentgelt aus nach § 23b Abs. 2 Satz 1 bis 4 des Vierten Buches aufgelösten Wertguthaben,
8.
Zuschläge an Entgeltpunkten aus Beiträgen nach Beginn einer Rente wegen Alters,
9.
Zuschläge an Entgeltpunkten für Zeiten einer besonderen Auslandsverwendung,
10.
Zuschläge an Entgeltpunkten für nachversicherte Soldaten auf Zeit und
11.
Zuschläge an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung
mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt und bei Witwenrenten und Witwerrenten sowie bei Waisenrenten um einen Zuschlag erhöht wird. Persönliche Entgeltpunkte nach Satz 1 Nummer 11 sind für die Anwendung von § 97a von den übrigen persönlichen Entgeltpunkten getrennt zu ermitteln, indem der Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt wird.

(2) Grundlage für die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte sind die Entgeltpunkte

1.
des Versicherten bei einer Rente wegen Alters, wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und bei einer Erziehungsrente,
2.
des verstorbenen Versicherten bei einer Witwenrente, Witwerrente und Halbwaisenrente,
3.
der zwei verstorbenen Versicherten mit den höchsten Renten bei einer Vollwaisenrente.

(3) Bei einer Teilrente (§ 42 Absatz 1) ergeben sich die in Anspruch genommenen Entgeltpunkte aus der Summe aller Entgeltpunkte entsprechend dem Verhältnis der Teilrente zu der Vollrente.

(3a) Zuschläge an Entgeltpunkten aus Beiträgen nach Beginn einer Rente wegen Alters werden mit Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze und anschließend jährlich zum 1. Juli berücksichtigt. Dabei sind für die jährliche Berücksichtigung zum 1. Juli die für das vergangene Kalenderjahr ermittelten Zuschläge maßgebend.

(4) Bei einer nur teilweise zu leistenden Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ergeben sich die jeweils in Anspruch genommenen Entgeltpunkte aus dem Monatsbetrag der Rente nach Anrechnung des Hinzuverdienstes im Wege einer Rückrechnung unter Berücksichtigung des maßgeblichen aktuellen Rentenwerts, des Rentenartfaktors und des jeweiligen Zugangsfaktors.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.