Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 21. März 2018 - L 13 R 25/17

bei uns veröffentlicht am21.03.2018
vorgehend
Sozialgericht Augsburg, S 1 R 860/16, 02.12.2016
nachgehend
Bundessozialgericht, B 13 R 123/18 B, 13.08.2018

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 2. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der 1942 geborene Kläger wendet sich gegen die Verrechnung seiner Altersrente mit einer Forderung der beigeladenen Berufsgenossenschaft durch die Beklagte.

Seit 01.02.2007 erhält der Kläger eine Altersrente von der Beklagten.

Gegenüber der Beigeladenen bestehen bestandskräftige Beitragsschulden im Gesamtvolumen von 56.307,14 € einschließlich Säumniszuschlägen. Das erste Verrechnungsersuchen gegenüber der Beklagten datiert vom 08.10.2003. Daneben bestanden weitere Forderungen verschiedener Einzugsstellen.

Mit Beschluss vom 23.12.2003 eröffnete das Amtsgericht A-Stadt - Insolvenzgericht - über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren (Az.: …). Mit Beschluss vom 04.10.2006 wurde das Insolvenzverfahren nach Vollzug der Schlussverteilung aufgehoben. Mit Beschluss 22.03.2010 wurde dem Kläger Restschuldbefreiung gewährt.

Nach der Bewilligung der Altersrente verfügte die Beklagte zunächst die Verrechnung mit einer Forderung der DAK (Bescheid vom 29.05.2007). Der Kläger, der bereits damals von seinem nunmehrigen Bevollmächtigten vertreten wurde, vertrat die Auffassung, dass der Verrechnung die erteilte Restschuldbefreiung entgegenstehen würde. Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass das Insolvenzverfahren keine unmittelbare Auswirkung auf die durchgeführte Verrechnung habe, soweit es um die Verrechnung von Rentenbeträgen über § 850c Zivilprozessordnung hinausgehe. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Im Erörterungstermin über die Berufung vor dem Bayerischen Landessozialgericht am 07.12.2012 (Az.: L 13 R 856/11) wies die Berichterstatterin den Kläger darauf hin, dass die im laufenden Insolvenzverfahren erteilte Restschuldbefreiung einer Verrechnung nach § 52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ebenso wenig entgegenstehe wie verfassungsrechtliche Überlegungen. Die Auffassung der Beklagten stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (insbesondere Urteil vom 07.02.2012 - B 13 R 85/09 R). Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht. Die Beteiligten schlossen daraufhin einen Vergleich, in dem sich der Kläger verpflichtete, der Beklagten baldmöglichst einen Nachweis über die Berechtigung auf Grundsicherung im Sinne von § 51 Abs. 2 SGB I vorzulegen. Dem kam der Kläger anschließend nicht nach. Zur Durchführung der Verrechnung kam es trotzdem nicht mehr, weil die DAK - wie auch die übrigen Einzugsstellen - im Hinblick auf die erteilte Restschuldbefreiung ihre Verrechnungsersuchen zurücknahm.

Mit Schreiben vom 13.02.2014 teilte die Beigeladene der Beklagten auf Anfrage mit, dass die Forderung in Höhe von 56.307,14 € noch bestehe und an dem Verrechnungsersuchen festgehalten werde. Die Beklagte hörte den Kläger anschließend mit Schreiben vom 05.03.2014 zur beabsichtigten Verrechnung eines Betrages von 250 € aus der laufenden Rente an. Der Kläger wurde aufgefordert, Nachweise für eine Hilfebedürftigkeit vorzulegen oder andere Umstände zu schildern, die für die Entscheidung über die Verrechnung bedeutsam sein könnten. Der Kläger wiederholte lediglich seine Auffassung, dass das Insolvenzverfahren und die Restschuldbefreiung eine Verrechnung nicht zuließen, da die Forderung dadurch erloschen sei. Mit Bescheid vom 28.05.2014 verfügte die Beklagte daraufhin die Verrechnung in Höhe eines monatlichen Betrages von 250 € aus der Rente von insgesamt 590,82 € monatlich ab 01.08.2014. Die Verrechnung sei zulässig. Insbesondere habe der Kläger eine Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2014 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit seiner Klage zum Sozialgericht Augsburg (Az. Ursprünglich S 1 R 936/14) hat der Kläger an seiner Auffassung festgehalten, dass die Verrechnung nicht möglich sei, weil damit das Rechtsinstitut der Restschuldbefreiung und die Pfändungsgrenzen umgangen würden. Auch seien die Aufwendungen für seine Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 273,79 € nicht berücksichtigt. Die Frist nach § 114 Insolvenzordnung (InsO) sei bereits abgelaufen.

Nach Beiladung der Berufsgenossenschaft hat diese mit Schriftsatz vom 13.08.2015 zum Verfahren Stellung genommen. Das Verrechnungsersuchen vom 13.02.2014 erfülle die Vorgaben der Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 24.07.2003 - B 4 RA 60/02 R). Der unpfändbare Teil der Forderung gehöre gemäß § 36 Abs. 1 InsO gerade nicht zur Insolvenzmasse. Ungeachtet dessen sei die Forderung durch die Restschuldbefreiung aber auch nicht erloschen, sondern lebe als unvollständige Verbindlichkeit weiter, die zwar nicht mehr der Zwangsvollstreckung, wohl aber der Verrechnung unterliege. Daher wäre eine Verrechnung sogar während der Wohlverhaltensphase möglich (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.07.2009 - L 33 R 204/09 B ER und BGH, Beschluss vom 29.05.2008 - IX ZB 51/07). Eine andere Auffassung würde letztlich zu Lasten der Solidargemeinschaft der beitragspflichtigen Unternehmer gehen.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass diese Auffassung von ihr geteilt werde, auch wenn sie mit eigenen Forderungen anders verfahre.

Im Termin am 25.02.2016 hat der Vorsitzende darauf hingewiesen, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe und angeregt, dass der Kläger sich eine Bedarfsbescheinigung erstellen lasse. Anschließend ist das Ruhen des Verfahrens vereinbart worden. Nachdem der Kläger der Forderung nach einer Vorlage einer Bedarfsbescheinigung erneut nicht nachgekommen ist, hat die Beklagte mit Schriftsatz 07.09.2016 das Verfahren wieder aufgenommen. Der Bevollmächtigte des Klägers hat erklärt, dass der Kläger sich außer Stande sehe eine Bedarfsbescheinigung vorzulegen. Er sehe nicht ein, im Alter im Gegensatz zu einem Personenkreis, der niemals Einzahlungen getätigt habe, aber Rente erhalte, in der Weise benachteiligt zu werden, dass er auf Sozialhilfe angewiesen sei.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.12.2016 abgewiesen. Prüfungsmaßstab sei § 52 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), dessen Voraussetzungen vorliegend erfüllt seien. Die Forderung der Beigeladenen sei bestandskräftig festgestellt, die Beigeladene habe die Beklagte zur Verrechnung ermächtigt, die Beklagte habe dem Kläger nach Verrechnung mindestens die Hälfte des monatlichen Rentenzahlbetrags belassen und bei ihrer Entscheidung insgesamt hinreichend Ermessen ausgeübt. Den von ihm zu erbringenden Nachweis des Eintritts einer Hilfebedürftigkeit infolge der Durchführung der Verrechnung sei der Kläger ungeachtet der wiederholt erteilten rechtlichen Hinweise schuldig geblieben.

Am 11.01.2017 hat der Kläger Berufung gegen den Gerichtsbescheid eingelegt. Die Aufrechnung gegenüber unpfändbaren Forderungen sei nicht möglich. Da bereits die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 SGB I nicht gegeben seien, finde § 51 Abs. 2 SGB I keine Anwendung. Die Spitzenverbände der Krankenkassen und des Verbandes der Rentenversicherungsträger hätten sich, was die Beklagte bestätigt habe, darauf verständigt, die Restforderung nach Erteilung einer Restschuldbefreiung unbefristet niederzuschlagen. Nur die Beigeladene verfahre mit eigenen Forderungen anders, was nicht hinnehmbar sei. Es liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Gleichmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Er hat auf Anforderung die Beschlüsse aus dem Insolvenzverfahren vorgelegt.

Mit Schreiben der Berichterstatterin von 22.02.2018 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass der Nachweis der Hilfebedürftigkeit nicht zwingend über eine Sozialhilfebescheinigung geführt werden müsse. Er müsse aber vollständige Nachweise über seine wirtschaftlichen Verhältnisse und die seiner Frau vorliegen. Dazu gehörten neben Nachweisen über beider Einkünfte auch Nachweise über vorhandenes Vermögen und geltend gemachte Aufwendungen wie Krankenversicherungsbeiträge und Unterkunftskosten. Der Kläger hat sich hierzu nicht mehr geäußert. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger keine Nachweise vorgelegt, sondern erklärt, dass er auf mehrfache telefonische Nachfrage keine Bestätigung erhalten habe. Ihm sei aufgrund der telefonisch mitgeteilten Einkommens- und Vermögensverhältnisse erklärt worden, dass er danach nicht bedürftig wäre. Tatsächlich lebe er aber im Haus und vom Einkommen seiner Frau, da die Rente fast vollständig für die Kranken- und Pflegeversicherung benötigt werde.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 02.12.2016 sowie den Bescheid vom 28.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.07.2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat erklärt, dass eine die Verrechnung ausschließende Verwaltungspraxis bei ihr nicht bestehe.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, aber darauf hingewiesen, dass der Kläger sich ungeachtet des Ausgangs des Verfahrens an sie wenden könne, um eine andere Zahlungsweise zu verhandeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Leistungsakten der Beklagten und der Beigeladenen sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen. Der Senat hat außerdem die Berufungsakten des Verfahrens L 13 R 856/11 beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Gründe

Die Berufung ist gemäß §§ 143,151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist aber unbegründet.

1. Die Klage auf Aufhebung der mit Bescheid vom 28.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.07.2014 verfügten Verrechnung eines Teils der monatlichen Altersrente des Klägers ab dem 01.08.2014 ist als isolierte Anfechtungsklage zulässig (§ 54 Abs. 1 SGG). Da bereits mit einer Aufhebung dieses Bescheides dem Klagebegehren des Klägers entsprochen wird, bedarf es daneben keiner mit der Anfechtungsklage kombinierten Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG auf Auszahlung der ungekürzten Rente (BSG, Urteil vom 07.02.2012 - B 13 R 85/09 R -, SozR 4-1200 § 52 Nr. 5). Denn bei Erfolg der Klage muss die Beklagte die bereits einbehaltenen Beträge an den Berechtigten auskehren, weil der Rechtsgrund für den Einbehalt dann entfallen ist (BSG, Urteil vom 14.03.2013 - B 13 R 5/11 R -, SozR 4-1200 § 51 Nr. 1). Hier hat die Beklagte aber ohnehin dem mit dem Widerspruch verbundenen Antrag auf ungekürzte Auszahlung entsprochen und in Folge der aufschiebenden Wirkung keine Verrechnung vorgenommen.

2. Mit dem streitigen Bescheid hat die Beklagte eine Regelung dahin getroffen, dass gemäß § 52 i.V.m. § 51 Abs. 2 SGB I die Altersrente des Klägers in Höhe von 250 € mit der Forderung der Beigeladenen gegen den Kläger in Höhe von insgesamt 56.307,14 € verrechnet wird. Diese Entscheidung stellt einen Verwaltungsakt dar (BSG, Urteil vom 14.03.2013 - B 13 R 5/11 R). Die Voraussetzungen für die Verrechnung sind, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, erfüllt.

Die Verrechnung stellt ein besonderes Rechtsinstitut zur Erweiterung der Aufrechnungsmöglichkeiten der Sozialleistungsträger dar und ermöglicht es diesen, untereinander Ansprüche eines Berechtigten auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten zu verrechnen. Erforderlich ist, dass ein anderer Leistungsträger als der, der die Geldleistung an den Berechtigten zuständigkeitshalber zu erbringen hat, diesen wegen seiner Ansprüche gegen den Berechtigten zur Verrechnung ermächtigt. Alle anderen Voraussetzungen der Aufrechnung bleiben aber erhalten. Insbesondere muss eine Aufrechnungslage entsprechend § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegeben sein.

2.1. Eine zur Verrechnung berechtigende Aufrechnungslage ist gegeben, wenn der zur Verrechnung ermächtigende Leistungsträger (die Beigeladene) die ihm gebührende Geldzahlung fordern und wenn der die Verrechnung erklärende Träger (die Beklagte) die ihm obliegende Geldzahlung bewirken kann. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Forderung auch zu Recht besteht. Ausreichend ist, dass bestandskräftig i.S. d. § 77 SGG festgestellt ist, dass die Forderung besteht und ihr keine Einrede entgegensteht (Bayer. LSG, Urteil vom 17.03.2010 - L 13 R 856/09 -). Das ist vorliegend der Fall. Die Forderung der Beigeladenen beruht auf Umlagen- und Beitragsforderungen, die mit den im Schreiben vom 13.02.2014 bezeichneten Bescheiden, die in den Jahren 2002 bis 2004 ergangen sind, bestandskräftig festgestellt sind, was vom Kläger auch nicht in Abrede gestellt wird. Der Begriff der Beitragsforderung ist weit gefasst und umfasst neben den Säumniszuschlägen auch Umlagen (BSG, Urteil vom 30. Juni 1981 - 5b/5 RJ 18/80 -, SozR 1200 § 51 Nr. 10; Hessisches LSG, Beschluss vom 03.08.2016 - L 5 R 123/15 -, juris).

2.2. Die Forderung ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht durch die Durchführung des Insolvenzverfahrens und die erteilte Restschuldbefreiung erloschen.

Rechtlich zweifelsfrei geklärt ist, dass nach der Regelung in § 94 InsO eine bei Beginn des Insolvenzverfahrens bestehende Aufrechnungslage fortbesteht und durch das Insolvenzverfahren zunächst nicht berührt wird (BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 18/03 R -, BSGE 92, 1-10, SozR 4-1200 § 52 Nr. 2). Auch nach Abschluss des Insolvenzverfahrens und erteilter Restschuldbefreiung konnte die Beklagte als Insolvenzgläubigerin aber ihre noch nicht befriedigten Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen, soweit sich aus den Regelungen zur Restschuldbefreiung (§§ 286 ff, insbesondere §§ 294, 301 InsO) nichts anderes ergibt (§ 201 Abs. 3 InsO). § 294 Abs. 1 InsO verbietet in diesem Zusammenhang zwar Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners während der Laufzeit von dessen Abtretungserklärung über pfändbare Forderungen (vgl. § 287 Abs. 2 InsO). Dies steht einer Verrechnung durch den Rentenversicherungsträger mit unpfändbaren Teilen der Rentenzahlungsansprüche des Schuldners (§ 54 Abs. 4 SGB I i.V.m. § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO) aber nicht entgegen (BSG, Urteil vom 14.03.2013 - B 13 R 5/11 R -, unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 07.02.2012 - Az.: B 13 R 85/09 R -, das zur Regelung in § 18 Abs. 2 Satz 3 Gesamtvollstreckungsordnung - GesO - ergangen ist). Bei einer Verrechnung nach §§ 51, 52 SGB I handelt es sich nicht um eine Maßnahme der „Vollstreckung“ i.S. der Vorschriften der ZPO oder anderer Verfahrensgesetze über die Zwangsvollstreckung, sondern um einen der Zwangsvollstreckung ähnlichen, außergerichtlichen Zugriff auf die Gegenforderung, eine Forderungsdurchsetzung im Wege der Selbsthilfe (BGH, Urteil vom 26.05.1971 - VIII ZR 137/70 -, juris).

Die Restschuldbefreiung führt auch nicht zum Erlöschen der Forderung. Es entstehen vielmehr sog. unvollkommene Verbindlichkeiten, die nicht mehr erzwingbar sind. Die Erteilung der Restschuldbefreiung stellt insoweit zwar einen materiell-rechtlichen Einwand gegen einen bereits erteilten Titel dar. Aus der fehlenden Durchsetzbarkeit der Insolvenzforderung nach der Erteilung der Restschuldbefreiung ergibt sich auch, dass diese Forderungen nicht mehr gegen neu entstehende Forderungen des Schuldners aufgerechnet werden können. Allerdings hat der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 51 Abs. 2 SGB I die Sozialleistungsträger bei der Durchsetzung von Beitrags- und Erstattungsforderungen im Wege der Aufrechnung bzw. Verrechnung gegenüber anderen Gläubigern bewusst privilegiert, denen (bereits) durch die Unpfändbarkeit die Möglichkeit versperrt ist, ihre Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Dass das Restschuldbefreiungsverfahren darauf abzielt, dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neubeginn zu ermöglichen, steht daher der sich aus § 51 Abs. 2 SGB I ergebenden Aufrechnungsbzw. Verrechnungsbefugnis nicht entgegen. Denn anderenfalls wäre den Sozialleistungsträgern im Falle einer Privatinsolvenz des Versicherten bzw. Schuldners (sogar) nach Abschluss des Verfahrens stets die Möglichkeit versperrt, den unpfändbaren Teil der Ansprüche auf laufende Rentenleistungen mit Beitrags- und Erstattungsforderungen aufrechnen bzw. verrechnen zu können, obwohl diese unterhalb der Pfändungsfreigrenzen liegenden Rentenzahlungen zuvor nicht zur Insolvenzbzw. Vollstreckungsmasse (vgl. §§ 36 InsO, 1 Abs. 1 S. 2 GesO) gehörten und somit während des Insolvenzbzw. Gesamtvollstreckungsverfahrens grundsätzlich gemäß §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I bis zur Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit aufgerechnet bzw. verrechnet werden konnten. Dann aber würde es einen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn nach der Beendigung des Insolvenzbzw. Gesamtvollstreckungsverfahrens in der Restschuldbefreiungsphase das Postulat einer - zuvor nicht bestehenden - Gläubigergleichbehandlung ein Verrechnungsverbot bedingen sollte. Auch wären die Grenzen zwischen einer Aufrechnung bzw. Verrechnung mit Erstattungs- oder Beitragsforderungen nach § 51 Abs. 2 SGB I und einer solchen mit sonstigen Geldforderungen nach § 51 Abs. 1 SGB I verwischt und das damit verbundene Privileg des mit Beitrags- oder Erstattungsansprüchen aufrechnenden bzw. verrechnenden Sozialleistungsträgers in der Privatinsolvenz (faktisch) aufgehoben (BSG, Urteil vom 07.02.2012, a.a.O.).

Schließlich ist geklärt, dass der unpfändbare Teil einer Rente oder eine insgesamt unter der Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO liegende Rente als unpfändbare Forderung nicht zur Insolvenzmasse nach § 35 InsO gehört und daher die Verrechnung einer unpfändbaren Rente bzw. deren unpfändbaren Teile nach den §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I möglich ist, ohne dass zum Schutz des Versicherten die Vorschriften der InsO zur Anwendung gelangen (Hessisches LSG, Urteil vom 03.08.2016 - L 5 R 123/15 -; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.10.2013 - L 6 R 163/13 -). Die Verrechnung erfolgt insoweit mit dem „freien Vermögen“ des Klägers (BGH, Urteil vom 10.07.2008 - IX ZR 118/07 -; juris, Rn. 17).

2.3. Die Zulässigkeit der Verrechnung hat das Sozialgericht mit zutreffender Begründung geprüft und bejaht. Insbesondere hat der Kläger nicht nachgewiesen, dass er durch die Verrechnung hilfebedürftig nach den Regelungen des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII) würde.

Grundsätzlich ist auch eine Verrechnung von Renten zulässig, die wie vorliegend die Rente des Klägers unter den Pfändungsschutzgrenzen der Zivilprozessordnung (§ 850c ZPO) liegen. Die Grenze liegt gemäß § 51 Abs. 2 SGB I bei dem Eintritt von Sozialhilfebedürftigkeit, wobei im Fall des Klägers, der bereits das Rentenalter erreicht hat, die Regelungen des SGB XII anzuwenden sind. Danach ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus seinem Einkommen und Vermögen bestreiten kann (§ 19 SGB XII). Zu berücksichtigen sind da-bei auch Einkommen und Vermögen von Ehegatten und Lebenspartnern (§ 27 Abs. 1 SGB XII). Zur Berechnung sind die zur Verfügung stehenden Mittel dem maßgebenden Bedarf gegenüberzustellen, der sich aus dem Regelbedarf, etwaigen Mehrbedarfen und den angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zusammensetzt (§ 27a SGB XII). Für das vorhandene Vermögen, dazu gehört neben dem Barvermögen und Geldanlagen auch Grundvermögen (vgl. § 90 SGB XII) gibt es Obergrenzen. Seit 01.01.2005 muss der Leistungsberechtigte und nicht mehr wie nach der zuvor geltenden Rechtslage der Leistungsträger den Eintritt von Hilfebedürftigkeit infolge der Aufrechnung bzw. der Verrechnung nachweisen. Den Leistungsberechtigten trifft insoweit eine Nachweisobliegenheit im Sinne einer verstärkten (bzw. i. S. d. § 21 Abs. 2 Satz 3 SGB X „weitergehenden“) Mitwirkungspflicht. Die schlichte Erklärung über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse genügt zur Beweisführung grundsätzlich nicht (LSG Hessen, Urteil vom 08.04.2014, - L 2 R 526/11 -, juris). Der Nachweis von Hilfebedürftigkeit kann etwa durch Vorlage eines (sozialhilferechtlichen) Leistungsbescheids oder in der Regel ohne großen Aufwand durch eine Bedarfsbescheinigung des örtlich zuständigen Sozialhilfebzw. Grundsicherungsträgers geführt werden, was auch gängiger Verwaltungspraxis entspricht. Zwar kann der Nachweis auch auf andere Weise erbracht werden. Der Kläger hat aber ungeachtet der wiederholt erteilten Hinweise in mehreren Gerichtsterminen weiterhin weder eine Bedarfsbescheinigung des Sozialhilfeträgers noch andere Nachweise vorgelegt, die eine solche Prüfung ermöglichen würden. Allerdings dürfte nach den mündlich mitgeteilten wirtschaftlichen Verhältnissen seiner Ehefrau eine Hilfebedürftigkeit wohl auch nicht bestehen. Da zum sozialhilferechtlichen Bedarf unter den Voraussetzungen des § 32 SGB XII auch die Beiträge zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung gehören, ist es auch nicht möglich, die vom Kläger angegebenen (aber nicht nachgewiesenen) Beiträge unabhängig von der Bedarfsberechnung im Sinne einer Nettorentenberechnung und unabhängig von einer sozialhilferechtlichen Bedarfsprüfung vorab von der Rente abzuziehen

2.4. Der Bescheid vom 28.05.2014 ist auch insofern rechtmäßig ergangen als der Kläger vor Erlass des Bescheids ordnungsgemäß angehört worden ist (§ 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X -). Der Kläger ist ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er eine Hilfebedürftigkeit oder andere bei der Prüfung zu berücksichtigende Gesichtspunkte angeben solle.

2.5. Schließlich ist der Bescheid auch hinreichend bestimmt i.S.d. § 33 SGB X. Die Forderung der Beigeladenen ist darin aufgeschlüsselt nach Haupt- und Nebenforderungen und der Bezeichnung der hierüber ergangenen Bescheide konkret bezeichnet (BSG, Urteil vom 07.02.2012, a.a.O.).

3. Die Beklagt hat von der danach zustehenden Ermächtigung auch in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Insbesondere hat sie Ermessen ausgeübt und das auch zum Ausdruck gebracht.

Liegen die Voraussetzungen für eine Verrechnung vor, liegt die Entscheidung über die Durchführung der Verrechnung im Ermessen des Leistungsträgers, der bei der Ausübung seiner Verrechnungsbefugnis einen Ermessensspielraum dahingehend hat, ob und in welchem Umfang er verrechnet. Dabei hat er neben den Interessen des Berechtigten und dessen wirtschaftlichen Verhältnissen auch den Zweck der Sozialleistung zu berücksichtigen; es handelt sich insoweit nicht nur um ein sog. „Ermächtigungs-Kann“ (BT-Drucks. 7/868 S. 32; BSG, Urteil vom 07.02.2012 - B 13 R 85/09 R - sowie KassKomm/Siefert, 96. EL September 2017, SGB I, § 51 Rn. 16). Mit der Einräumung „echten Ermessens“ steht dem die Verrechnung durch Verwaltungsakt regelnden Leistungsträger eine breite Handlungsmöglichkeit hinsichtlich des Ob und des Umfangs einer Verrechnung zur Verfügung, um so die Besonderheiten des Einzelfalls angemessen berücksichtigen zu können. Dabei ist das Verrechnungsermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und es sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs. 1 S. 1 SGB I). Damit korrespondierend hat der Leistungsempfänger einen Anspruch auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs. 1 S. 2 SGB I). In diesem (eingeschränkten) Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle, insbesondere auf Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch (vgl. § 54 Abs. 2 S. 2 SGG). Die Ermessenserwägungen müssen auch nach außen erkennbar sein. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X muss ein schriftlicher Verwaltungsakt, sofern er eine Ermessensentscheidung enthält, auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

Die Ermessensausübung kann vorliegend noch als ausreichend angesehen werden. Dass der Beklagten bewusst war, eine Ermessensentscheidung zu treffen, ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass sie die Rente nicht in der bei Vorliegen der Voraussetzungen möglichen Höhe von der Hälfte des Rentenbetrages verrechnet, sondern die Verrechnung auf einen darunter liegenden Betrag von 250 € begrenzt hat. Dies hat sie auch mit der Formulierung, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund ihr Ermessen nicht missbraucht habe, zum Ausdruck gebracht. Im Widerspruchsbescheid hat sie die Formulierung verwendet, dass es in Anbetracht der Forderungshöhe angemessen sei, die Rente in Höhe von 250 € zu verrechnen. Auch damit hat sie zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei ihrer Entscheidung nicht um eine zwingende Rechtsfolge, sondern um eine Entscheidung handelt, die sie nicht nur hinsichtlich der Frage, ob verrechnet wird, sondern auch hinsichtlich der Höhe der Verrechnung in Ausübung ihres Ermessens getroffen hat. Denn die Feststellung der Angemessenheit der Verrechnung eines bestimmten Betrages geht über die Prüfung der Voraussetzungen hinaus und kann daher grundsätzlich als Ermessenserwägung angesehen werden (vgl. zu einer ähnlichen Formulierung LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.02.2016 - L 3 R 464/14 -, juris). Weitergehende Erwägung im Sinne einer umfassenden Interessenabwägung waren vorliegend nicht erforderlich. Die Dichte der Ermessenserwägungen hängt maßgeblich von den wesentlichen Aspekten ab, die von dem Betroffenen im Zuge der Anhörung bzw. des nachfolgenden Verwaltungsbzw. Widerspruchsverfahren vorgebracht werden. In diesem Sinne erhebliches Vorbringen ist aber weder im laufenden Verfahren noch in dem früheren Verfahren, als eine Berechnung zu Gunsten der DAK streitig war, vorgetragen worden. Der Vortrag des Klägers beschränkt sich seit diesem Zeitpunkt in zahlreichen Schriftsätzen auf die von ihm vertretene Auffassung, dass die Durchführung des Insolvenzverfahrens mit der erteilten Restschuldbefreiung einer Verrechnung von vornherein entgegenstehe. (Mündliche) Angaben zu schwierigen finanziellen Verhältnissen sind von ihm erstmals im Klageverfahren im Termin vor dem Sozialgericht am 25.02.2016 gemacht worden und konnten schon deshalb bei der abschließenden Verwaltungsentscheidung der Beklagten keine Berücksichtigung finden.

Die Beklagte war auch nicht gehalten, sich im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung mit der Tatsache auseinanderzusetzen, dass andere Leistungsträger, insbesondere die Einzugsstellen, ihre Forderung nach der Durchführung des Insolvenzverfahrens und der erteilten Restschuldbefreiung nicht mehr aufrechterhalten haben, und dass sie mit eigenen Forderungen entsprechend verfährt. Die Beklagte wäre an eine bestimmte Verwaltungspraxis im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung aus Gleichbehandlungsgründen nur dann gebunden, wenn sie in vergleichbaren Fällen, das heißt bei bestehenden Forderungen anderer Versicherungsträger, die sie, wären es ihre eigenen Forderungen, nicht mehr durchsetzen würde, eine Verrechnung grundsätzlich ablehnen würde. Das ist aber, was sie ausdrücklich bestätigt hat, nicht der Fall. Sie sieht sich vielmehr in rechtlich nicht zu beanstandender Weise nicht dazu befugt, über das Bestehen und die Niederschlagung fremder Forderungen zu entscheiden, sondern überlässt dies, wie sie in der Verhandlung auch klargestellt hat, dem jeweiligen Forderungsinhaber, hier der Beigeladenen.

Die Frage, ob die Forderung (noch) besteht und durchsetzbar ist, betrifft bereits die Zulässigkeit der Verrechnung und stellt daher kein Abwägungselement im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung dar, das vom Senat im vorliegenden Verfahren erst oder erneut bei der Ermessensüberprüfung zu prüfen wäre. Die Entscheidung über das Fortbestehen der Forderung, ihre Niederschlagung oder andere Zahlungserleichterungen wie eine Stundung obliegt ausschließlich der Prüfungs- und Entscheidungskompetenz der Beigeladenen als Forderungsinhaberin, wofür nach den Regelungen des SGB X eigene Verwaltungsverfahren vorgesehen sind (vgl. insbesondere die Regelungen in § 76 SGB X). Das hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt und sich insoweit gegenüber dem Kläger auch verhandlungsbereit gezeigt.

4. Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) ist nicht erkennbar. Grundsätzlich sind hinsichtlich der Verrechnungsmöglichkeit in § 52 Abs. 2 SGB I verfassungsrechtliche Bedenken in Rechtsprechung und Literatur bisher nie geäußert worden. Dies gilt auch für die Tatsache, dass mit der Regelung in § 52 Abs. 2 SGB I die Pfändungsgrenze bis an die Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit unterschritten werden kann. Soweit der Kläger dadurch gegenüber Schuldnern benachteiligt wird, die keine Beitragsschulden zu tilgen haben, beruht dies in nicht zu beanstandender Weise auf einer vom Gesetzgeber bewusst eingeführten Privilegierung der Sozialversicherungsträger gegenüber anderen Gläubigern. Dem grundrechtlich verbürgten Anspruch des Klägers auf Sicherung seines Existenzminimums wird durch die Begrenzung der Verrechnung auf den sozialhilferechtlichen Bedarf ausreichend Rechnung getragen. Inwieweit der Kläger gegenüber anderen Rentenbeziehern in einer vergleichbaren Situation unangemessen benachteiligt sein sollte, ist von ihm nicht dargelegt worden und auch nicht erkennbar. Insbesondere sind von der Regelung in § 52 Abs. 2 SGB I alle Rentenbezieher ungeachtet der Höhe der einbezahlten Beiträge und der Höhe der danach zu zahlenden Rente betroffen. Die Frage, ob andere Sozialversicherungsträger mit eigenen Forderungen anders verfahren, betrifft die Frage des Bestehens der Forderung und nicht die streitige Frage der Verrechnung. Der Kläger hat auch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch darauf, mit Versicherten gleichgestellt zu werden, deren Schulden von anderen Sozialversicherungsträgern in vergleichbarer Situation niedergeschlagen werden.

Die Berufung ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 387 Voraussetzungen


Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung

Insolvenzordnung - InsO | § 35 Begriff der Insolvenzmasse


(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). (2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsi

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 19 Leistungsberechtigte


(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. (2)

Zivilprozessordnung - ZPO | § 850c Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen


(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als1.1 178,59 Euro monatlich,2.271,24 Euro wöchentlich oder3.54,25 Euro täglichbeträgt. (2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 77


Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Insolvenzordnung - InsO | § 36 Unpfändbare Gegenstände


(1) Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse. Die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850l, 851c, 851d, 899 bis 904, 905 Satz 1 und 3 sowie § 906 Absatz 2 bis 4 der Zivilprozessordnun

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 33 Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. (2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, w

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 35 Begründung des Verwaltungsaktes


(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behör

Insolvenzordnung - InsO | § 287 Antrag des Schuldners


(1) Die Restschuldbefreiung setzt einen Antrag des Schuldners voraus, der mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden soll. Wird er nicht mit diesem verbunden, so ist er innerhalb von zwei Wochen nach dem Hinweis gemäß §

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 39 Ermessensleistungen


(1) Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf p

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 27 Leistungsberechtigte


(1) Hilfe zum Lebensunterhalt ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können. (2) Eigene Mittel sind insbesondere das eigene Einkommen und Vermögen. Bei n

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 51 Aufrechnung


(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind. (2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht e

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 54 Pfändung


(1) Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen können nicht gepfändet werden. (2) Ansprüche auf einmalige Geldleistungen können nur gepfändet werden, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen

Insolvenzordnung - InsO | § 201 Rechte der Insolvenzgläubiger nach Verfahrensaufhebung


(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen. (2) Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfun

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 21 Beweismittel


(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere 1. Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,2. Be

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 27a Notwendiger Lebensunterhalt, Regelbedarfe und Regelsätze


(1) Der für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile, persönliche Bedür

Insolvenzordnung - InsO | § 301 Wirkung der Restschuldbefreiung


(1) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. (2) Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners so

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 32 Bedarfe für eine Kranken- und Pflegeversicherung


(1) Angemessene Beiträge für eine Kranken- und Pflegeversicherung sind als Bedarf anzuerkennen, soweit Leistungsberechtigte diese nicht aus eigenem Einkommen tragen können. Leistungsberechtigte können die Beiträge so weit aus eigenem Einkommen tragen

Insolvenzordnung - InsO | § 94 Erhaltung einer Aufrechnungslage


Ist ein Insolvenzgläubiger zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes oder auf Grund einer Vereinbarung zur Aufrechnung berechtigt, so wird dieses Recht durch das Verfahren nicht berührt.

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 52 Verrechnung


Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist.

Insolvenzordnung - InsO | § 294 Gleichbehandlung der Gläubiger


(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig. (2) Jedes Abkommen des Schuldners oder ande

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 76 Einschränkung der Übermittlungsbefugnis bei besonders schutzwürdigen Sozialdaten


(1) Die Übermittlung von Sozialdaten, die einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle von einem Arzt oder einer Ärztin oder einer anderen in § 203 Absatz 1 und 4 des Strafgesetzbuches genannten Person zugänglich gemacht worden sind, ist nur unte

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Diese Entscheidung zitiert Tenor 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 08.03.2013 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Tatbestand

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Referenzen

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. Oktober 2008 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 6. Februar 2005 geändert.
2. Auf das Anerkenntnis der Beklagten werden ihre Bescheide vom 11. und 22. Mai 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2002 sowie der Bescheid vom 31. Januar 2002 aufgehoben.
3. Die Bescheide der Beklagten vom 15. Mai 2003, 2. März 2004, 15. Oktober 2004, 23. Mai 2005, 1. Juni 2007 und 9. Juni 2008 werden hinsichtlich der aufgrund der Verrechnung einbehaltenen Beträge aufgehoben.
4. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
5. Die Beklagte hat dem Kläger sieben Achtel seiner außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung eines Teils seiner Rentenansprüche (Nachzahlung und laufende Zahlungen) mit gegen ihn gerichteten Beitrags- und Nebenforderungen des beigeladenen Unfallversicherungsträgers.

2

Der im 1937 geborene Kläger ist verheiratet. Seine Ehefrau bezieht seit Juli 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) iHv (seinerzeit) 1 265,08 DM. Der von den Eheleuten für die gemeinsame Wohnung entrichtete Mietzins betrug ab Juni 2001 257,22 Euro, ab Oktober 2002 263,77 Euro und ab September 2004 247,35 Euro. Seit 2001 sind beim Kläger ein Grad der Behinderung von 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festgestellt.

3

Der Kläger war seit Mai 1990 als selbstständiger Handwerksmeister mit eigener Firma in L. tätig.

4

Mit Beschluss des Amtsgerichts L. vom 5.6.1996 wurde wegen Zahlungsunfähigkeit des Klägers über dessen Vermögen das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und mit Beschluss vom 26.9.2002 eingestellt.

5

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 10.10.1996 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) rückwirkend vom 1.5.1993 bis zum 31.10.1995, die allerdings aufgrund von Rehabilitationsmaßnahmen und Übergangsgeldbezug nur in der Zeit vom 29.3. bis zum 31.10.1995 zur Auszahlung kam. Seit 1.2.1996 bezog der Kläger eine Rente wegen EU auf Dauer (Bescheid vom 18.10.1996).

6

Mit Bescheiden vom 25.4.2001 stellte die Beklagte die Renten wegen BU und EU neu fest. Für die Rente wegen BU ergab sich eine Nachzahlung iHv 1 759,62 DM und für die Rente wegen EU iHv 24 727,83 DM.

7

Bereits mit Schreiben vom 23.8.1995 hatte die Beigeladene der Beklagten mitgeteilt, der Kläger schulde ihr aus seiner Mitgliedschaft "rechtswirksam festgestellte Beiträge zuzüglich Nebenforderungen (zB Säumnisgebühren, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) in Höhe von derzeit 43 982,50 DM", und die Beklagte zugleich zur Verrechnung gegen Geldleistungen ermächtigt, die der Kläger jetzt oder in Zukunft erhalte.

8

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Beigeladene mit Schreiben vom 9.5.2001 mit, dass ihre Ansprüche, derentwegen sie die Beklagte mit Schreiben vom 23.8.1995 zur Verrechnung ermächtigt hatte, "derzeit 66 635,31 DM" (= 34 070,09 Euro) betrügen, und bat die Beklagte nunmehr auf Grund der seinerzeitigen Ermächtigung um Verrechnung.

9

Die die Renten wegen BU und EU betreffenden Verrechnungen mit Bescheiden vom 11. und 22.5.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 sowie mit Bescheid vom 31.1.2002, gegen die der Kläger beim SG Leipzig Klage erhoben hatte (S 7 RJ 285/02), sind nach dem in der Revisionsverhandlung vom 7.2.2012 erklärten Anerkenntnis der Beklagten (s hierzu Nr 2 des Entscheidungssatzes) nicht mehr streitig.

10

Mit Bescheid vom 10.5.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1.7.2002 Regelaltersrente und verrechnete einen Betrag iHv monatlich 34,76 Euro; es verblieb ein monatlicher Auszahlungsbetrag iHv 820 Euro. Den Widerspruch des Klägers gegen die Verrechnung wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 zurück. Zur Begründung der Erhöhung des monatlichen Verrechnungsbetrags zum 1.7.2002 (gegenüber zuvor 20,80 Euro) führte die Beklagte aus, dass diese mit der Erhöhung des Rentenzahlbetrags aufgrund der Rentenanpassung zum 1.7.2002 einhergehe. Der Erhöhung des monatlichen Rentenzahlbetrags um 24,76 Euro auf 854,76 Euro stehe eine Erhöhung des aufgrund Verrechnung einbehaltenen Betrags von ca 14 Euro gegenüber. Im Ergebnis verbleibe dem Kläger ab 1.7.2002 mit monatlich 820 Euro ein höherer Rentenauszahlungsbetrag als bisher. Die besondere Einkommensgrenze des § 81 Abs 1 BSHG werde nicht unterschritten; der Kläger werde nicht sozialhilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt. Der monatliche Verrechnungsbetrag sei in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation des Klägers auch sachgerecht. Besondere Umstände, die eine für ihn günstigere Entscheidung im Rahmen der Ermessensausübung nach § 51 Abs 2 SGB I bei der Festsetzung des Verrechnungsbetrags rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Das öffentliche Interesse an der Einbehaltung von Rententeilen zur Tilgung von Beitragsforderungen überwiege. Auch gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage beim SG Leipzig erhoben (S 7 RJ 558/02).

11

Das SG hat mit Beschluss vom 19.11.2004 beide Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

12

Wegen "Änderungen in den Rentenberechnungsgrundlagen" ergingen in der Folgezeit weitere (Verrechnungs-)Bescheide der Beklagten. Ab 1.7.2003 erhöhte sich der Verrechnungsbetrag auf monatlich 54,91 Euro (Bescheid vom 15.5.2003), ab 1.4.2004 betrug er monatlich 49,29 Euro (Bescheid vom 2.3.2004), ab 1.12.2004 monatlich 51,16 Euro (Bescheid vom 15.10.2004), ab 1.7.2005 monatlich 46,95 Euro (Bescheide vom 23.5.2005 und 1.6.2007) und ab 1.7.2008 monatlich 58,39 Euro (Bescheid vom 9.6.2008); dabei verblieb von Juli 2007 bis Juni 2008 ein auszuzahlender Betrag iHv monatlich 814,49 Euro (Bescheid vom 1.6.2007), im Übrigen jeweils monatlich 810 Euro. Im Bescheid vom 15.5.2003 hatte die Beklagte ergänzend mitgeteilt, dass für die Ermittlung des verrechenbaren Betrags die auf volle Euro aufgerundeten Werte aus dem BSHG zugrunde gelegt worden seien. Dieser Wert werde nicht dynamisiert und betrage gegenwärtig 810 Euro. Der Bescheid vom 15.10.2004 enthielt den Hinweis, dass sich aufgrund der Senkung des Beitragssatzes zur Krankenversicherung ab dem 1.12.2004 eine höhere Nettorente ergebe (861,16 Euro). Der entstehende Differenzbetrag werde zur Tilgung der Forderung herangezogen (51,16 Euro). Im Bescheid vom 9.6.2008 hat die Beklagte mit Hinweis auf die zum 1.7.2008 durchgeführte Rentenanpassung ergänzend darauf hingewiesen, dass der monatliche Selbstbehalt des Klägers bei 810 Euro liege, sodass der "abzutrennende Betrag" sich ab 1.7.2008 auf 58,39 Euro erhöhe.

13

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 6.1.2005 (nicht - wie im Tenor versehentlich angegeben - vom 6.2.2005) die Klagen abgewiesen.

14

Das Sächsische LSG hat mit Urteil vom 14.10.2008 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die seit Juli 2001 von der Beklagten vorgenommene Verrechnung von Beitragsforderungen der Beigeladenen mit Rentenzahlungsansprüchen des Klägers sei rechtmäßig. Keine Bedenken bestünden gegen die Durchführung der Verrechnung durch Verwaltungsakt.

15

Die Voraussetzungen für eine Verrechnung lägen vor: Die Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen mit Schreiben vom 23.8.1995 (aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001) sei hinreichend bestimmt. Art und Umfang der Forderung seien so genau bezeichnet, dass die Beklagte in die Lage versetzt worden sei, eine substantiierte Verrechnungserklärung abzugeben.

16

Es bestehe eine Verrechnungslage. Die Forderungen der Beigeladenen seien bestandskräftig festgestellt. Gegen die entsprechenden Bescheide habe der Kläger Widerspruch nicht erhoben. Die Rentenansprüche, mit denen verrechnet worden sei, seien gleichartige Forderungen, die bindend bewilligt und fällig gewesen seien.

17

Entgegen der Ansicht des Klägers hindere das über sein Vermögen durchgeführte Gesamtvollstreckungsverfahren die Verrechnung nicht.

18

Ebenso wenig stehe der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens der Vollstreckungsschutz des § 18 Abs 2 S 3 Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) entgegen. Denn diese Norm bewirke Schutz nur gegen konkrete Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung, zu denen die Verrechnung nicht zähle. Zudem werde die Regelung des § 18 Abs 2 S 3 GesO - soweit wie hier mit Beitragsansprüchen verrechnet werde - durch die Sonderregelung des § 51 Abs 2 SGB I(iVm § 52 SGB I) verdrängt.

19

Der Kläger sei aufgrund der Verrechnung nicht sozialhilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw ab Januar 2005 im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden. Ausgehend von den im Freistaat Sachsen für den Haushaltsvorstand geltenden Regelsätzen und Mehrbedarfszuschlägen nach § 23 Abs 1 Nr 2 BSHG (bis 30.6.2002) und nach § 23 Abs 1 Nr 1 BSHG (ab 1.7.2002) sowie den auf ihn entfallenden anteiligen Unterkunftskosten von 125 Euro (inklusive Heizkosten) seien dem Kläger nach Abzug der jeweiligen Verrechnungsbeträge monatliche Geldmittel verblieben, die den Eintritt einer sozialhilferechtlichen Notlage ausschlössen. Im gesamten Verrechnungszeitraum bis zum 31.12.2004 habe er einen monatlichen Rentenauszahlungsbetrag erhalten, der seinen sozialhilferechtlichen Bedarf nach dem BSHG sogar bei bedarfssteigernder Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen überstiegen habe. Nach der ab Januar 2005 geltenden Rechtslage sei der Kläger verpflichtet, nachzuweisen, dass durch die Verrechnung Bedürftigkeit nach dem SGB XII eingetreten sei. Trotz entsprechender gerichtlicher Hinweise habe er diesbezügliche Nachweise nicht vorgelegt.

20

Ermessensfehler der Beklagten seien nicht ersichtlich. Sie habe das ihr eröffnete Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Dem öffentlichen Interesse an der Begleichung von Beitragsschulden und damit der Funktionsfähigkeit der Versicherungssysteme habe sie Vorrang vor dem privaten Interesse des Klägers an der ungeschmälerten Auszahlung seiner Rente gegeben, weil bei diesem keine außergewöhnliche soziale oder finanzielle Situation vorgelegen habe.

21

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 52 SGB I. Die Beklagte hätte die von der Beigeladenen geltend gemachten Forderungen nicht durch Verwaltungsakt mit seinen Rentenansprüchen verrechnen dürfen. Insoweit beruft er sich auf die Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 24.7.2003 (B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 1).

22
        

Auf Anfragebeschluss des erkennenden Senats vom 5.2.2009 (B 13 R 31/08 R) hat der 4. Senat mit Beschluss vom 22.9.2009 (B 4 SF 1/09 S) erklärt, er halte an seiner Auffassung fest, dass die Verrechnung nach § 52 SGB I nicht durch Verwaltungsakt erfolge. Der daraufhin vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 25.2.2010 (B 13 R 76/09 R) angerufene Große Senat (GrS) hat durch Beschluss vom 31.8.2011 (GS 2/10 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1200 § 52 Nr 4 vorgesehen) entschieden:    

"Der Leistungsträger darf die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten durchgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Geldleistungen nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt regeln."

23

Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, sich hierzu zu äußern.

24

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14.10.2008 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 6.1.2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002, den Bescheid vom 31.1.2002, den Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002, die Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 hinsichtlich der aufgrund der Verrechnung einbehaltenen Beträge aufzuheben.

25
        

In der Revisionsverhandlung am 7.2.2012, in der der Kläger nicht mehr vertreten war, hat die Beklagte das folgende Anerkenntnis abgegeben:        

        

Die Beklagte hebt folgende Bescheide hinsichtlich der aufgrund Verrechnung einbehaltenen Beträge auf:
die Bescheide vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 sowie den Bescheid vom 31.1.2002.

26

Im Übrigen hat sie beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

27

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie sieht sich durch die Entscheidung des GrS in ihrer Rechtsauffassung zur Erklärung einer Verrechnung durch Verwaltungsakt bestätigt.

Entscheidungsgründe

28

Die zulässige Revision des Klägers ist in dem im Urteilsausspruch genannten Umfang begründet.

29

Soweit die Beklagte die Bescheide vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 und den Bescheid vom 31.1.2002 hinsichtlich der aufgrund Verrechnung aus den Renten des Klägers wegen BU/EU einbehaltenen Beträge aufgehoben hat, war sie nach dem über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 307 S 1 ZPO ihrem Anerkenntnis entsprechend - ohne weitere Sachprüfung - zu verurteilen(vgl BSG vom 12.7.1988 - SozR 6580 Art 5 Nr 4 S 10 f; BSG vom 24.07.2003 - B 4 RA 62/02 R - juris RdNr 18; Senatsurteil vom 6.5.2010 - SozR 4-1300 § 48 Nr 19 RdNr 21 mwN, stRspr).

30

Auch das Begehren des Klägers, die Bescheide der Beklagten vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 hinsichtlich der aufgrund Verrechnung für die Zeit ab 1.7.2003 aus seiner Altersrente einbehaltenen Beträge aufzuheben, hat Erfolg. Die genannten Bescheide erweisen sich insoweit als rechtswidrig. Richtige Klageart ist hier die reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Alt 1 SGG). Denn mit der Aufhebung der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte steht fest, dass die verrechneten Beträge auf Grund der Rentenbewilligung an den Kläger auszuzahlen sind.

31

Im Übrigen ist die Revision des Klägers unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 ist hinsichtlich des für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 aufgrund Verrechnung aus seiner Regelaltersrente jeweils einbehaltenen monatlichen Betrags iHv 34,76 Euro rechtmäßig.

32

1. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass die Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 SGG in seiner bis zum 31.3.2008 geltenden und hier insoweit noch maßgeblichen Fassung (aF) Gegenstand des Verfahrens geworden sind.

33

Dem steht nicht entgegen, dass diese nicht den mit der Klage (ursprünglich) angefochtenen Bescheid vom 10.5.2002 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002) abgeändert oder ersetzt hat, sondern andere Verrechnungszeiträume erfassen. Denn nach der bis zum 31.3.2008 geltenden Rechtslage hatte das BSG in ständiger Rechtsprechung eine entsprechende Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (aF) im Interesse einer sinnvollen Anwendung der Prozessökonomie bzw eines schnellen und zweckmäßigen Verfahrens dann zugelassen, wenn der ursprüngliche Bescheid zwar nicht abgeändert oder ersetzt wurde, der spätere Bescheid aber im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses erging und ein streitiges Rechtsverhältnis regelte, das im Kern dieselbe Rechtsfrage betraf und sich an den vom ursprünglichen Bescheid erfassten Zeitraum anschloss(vgl etwa BSG vom 17.11.2005 - SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 16 f mwN). Diese Voraussetzungen werden von den Verrechnungs-Folgebescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005 und 1.6.2007 erfüllt.

34

Ob auch der Bescheid vom 9.6.2008 in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (aF) noch Gegenstand des Verfahrens geworden ist, kann dahingestellt bleiben. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Kläger eine Rechtsposition erworben hätte, die ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer Anwendung des § 96 SGG in seiner bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung begründen könnte. Denn eine analoge Anwendung des § 96 SGG für nicht ändernde oder ersetzende Folgebescheide scheidet seit 1.4.2008 durch die mit Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I 444) neu eingeführte Fassung aus (BSG vom 16.12.2009 - B 7 AL 146/09 B - RdNr 7 f).

35

Dies bedarf hier aber keiner näheren Erörterung. Die Nichtanwendbarkeit des § 96 Abs 1 SGG schließt es nämlich nicht aus, dass ein Folgebescheid im Wege einer (gewillkürten) Klageänderung nach § 99 Abs 1 iVm Abs 2 SGG zum Gegenstand des anhängigen Prozesses gemacht wird, wenn die übrigen Beteiligten - wie hier - nicht widersprochen und sich auf die Klageerweiterung, die auch im Berufungsverfahren noch möglich ist(vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 99 RdNr 12), eingelassen haben (vgl BSG vom 21.3.1978 - SozR 4600 § 143d Nr 3 S 9 f; BSG vom 7.2.1996 - SozR 3-2500 § 85 Nr 12 S 75 f; BSG vom 20.3.1996 - BSGE 78, 98, 103 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 38 f; Leitherer, aaO, § 96 RdNr 9b, 11e).

36

Allerdings hätte das LSG über die während des Berufungsverfahrens ergangenen und Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheide der Beklagten vom 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 nicht auf Berufung, sondern erstinstanzlich "auf Klage" entscheiden müssen (vgl BSG vom 30.1.1963 - BSGE 18, 231, 234 f = SozR Nr 17 zu § 96 SGG; BSG vom 27.1.1999 - SozR 3-2400 § 18b Nr 1 S 3; Senatsurteil vom 20.10.2010 - SozR 4-6480 Art 22 Nr 2 RdNr 23, stRspr).

37

2. Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger - hier die Beklagte - mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers - hier der Beigeladenen - dessen Ansprüche gegen den Berechtigten - also den Kläger - mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Gemäß § 51 Abs 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen - hier auf Rentenauszahlung - mit Ansprüchen (jeder Art) gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen und - wie hier - mit Beitragsansprüchen nach dem SGB kann der zuständige Leistungsträger nach § 51 Abs 2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig nach den Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird (bis 31.12.2004); ab 1.1.2005 kann der zuständige Leistungsträger entsprechend aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig nach den Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird (§ 51 Abs 2 SGB I in der jeweiligen Fassung).

38

3. Der Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 sowie ihre Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 - jeweils über Verrechnungen mit der Regelaltersrente des Klägers - waren nicht deswegen rechtswidrig und aufzuheben, weil die Verrechnung nicht durch Verwaltungsakt hätte erfolgen dürfen. Vielmehr konnte die Beklagte die Verrechnung einseitig nur in dieser Handlungsform (und nicht durch sog öffentlich-rechtliche Willenserklärung) vornehmen (dazu unter a). Es bestand eine Verrechnungslage (dazu unter b). Die Beklagte war nicht gehindert, die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen auf rückständige Beiträge auf unpfändbare Teile der Rentenzahlungsansprüche des Klägers zu erstrecken. Ebenso wenig stand der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO entgegen(dazu unter c). Die Beklagte hat bei der mit dem Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 durchgeführten Verrechnung das ihr gemäß § 52 iVm 51 Abs 2 SGB I zustehende Ermessen erkannt und pflichtgemäß ausgeübt(§ 39 Abs 1 SGB I). Dies gilt jedoch nicht für die weiteren streitgegenständlichen Verrechnungs-Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008; diese erweisen sich vielmehr als ermessensfehlerhaft. Denn es fehlen Ausführungen, die eine ordnungsgemäße Ermessensbetätigung erkennen lassen (dazu unter d). Dahingestellt bleiben kann, ob die letztgenannten Bescheide auch deshalb rechtswidrig sind, weil die Beklagte vor ihrem Erlass den Kläger nicht angehört (§ 24 Abs 1 SGB X) und dies auch nicht bis zum Abschluss des LSG-Verfahrens nachgeholt hat (§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X; dazu unter e). Der Kläger ist durch die mit Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 vorgenommene Verrechnung mit einem monatlichen Einbehalt iHv 34,76 Euro bei einem verbleibenden Rentenauszahlungsbetrag iHv 820 Euro nicht hilfebedürftig nach den hier noch maßgeblichen Bestimmungen des BSHG zur laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt geworden (dazu unter f).

39

a) Die Beklagte war berechtigt, auf die Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen vom 23.8.1995, in der Forderungshöhe aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001, deren Beitrags- und Nebenforderungen iHv insgesamt 66 635,31 DM (= 34 070,09 Euro) mit Rentenansprüchen des Klägers durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zu verrechnen (dazu unter aa). Die Verrechnungs-Verwaltungsakte waren auch inhaltlich hinreichend bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X(dazu unter bb).

40

aa) Die Beklagte hat die Verrechnung zu Recht durch Verwaltungsakt geregelt (vgl BSG - GrS - vom 31.8.2011 - GS 2/10 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1200 § 52 Nr 4 vorgesehen - RdNr 15 ff).

41

(1) Nach § 31 S 1 SGB X ist ein "Verwaltungsakt … jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist". Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen liegt bei einem Verrechnungs-Bescheid darin, dass die durch sie erklärte Verrechnung eine unmittelbare Wirkung auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten (hier des Klägers) hat, diesen nämlich hinsichtlich der im Rentenbescheid festgelegten Art und Weise der Erfüllung (dh - wie in der Regel, vgl § 47 SGB I - durch Überweisung auf das dort benannte Konto des Empfängers bei einem Geldinstitut) modifiziert(vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB X) und zum Erlöschen bringt, soweit die Verrechnung reicht und wirksam wird (Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R - RdNr 17; BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO - RdNr 15). Das Tatbestandsmerkmal "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" in § 31 S 1 SGB X ist erfüllt, weil § 52 SGB I eine spezifische Gestaltung von Rechtsbeziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger (wie die Beklagte) ermöglicht. Die Erklärung einer Verrechnung nach § 52 SGB I enthält schließlich eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihrem Adressaten - dem Sozialleistungsempfänger - in dieser Form ihrer Art nach zusteht(vgl Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - aaO; BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO). Im Übrigen ist - anders als im Zivilrecht - nach dem SGB I die Verrechnung (§ 52 SGB I) ebenso wie die Aufrechnung (§ 51 SGB I) nicht nur davon abhängig, dass sich der verrechnende (aufrechnende) Leistungsträger hierfür frei entscheidet und dies erklärt. Vielmehr ist ihre Ausübung an die Betätigung pflichtgemäßen Ermessens gebunden (§ 52 iVm § 51 Abs 1 Halbs 1, Abs 2 Halbs 1 SGB I: "kann") und zudem gemäß § 51 Abs 1 Halbs 2 SGB I an die Pfändbarkeit der Geldleistungen bzw gemäß § 51 Abs 2 SGB I an die Höhenbegrenzung (bis zur Hälfte der laufenden Geldleistungen) sowie das Nichteintreten von Hilfebedürftigkeit aufgrund der Verrechnung (Aufrechnung).

42

(2) Auch der Gesetzgeber sieht in der Durchführung einer Verrechnung nach § 52 SGB I einen Verwaltungsakt. Dies ergibt sich aus der Regelung des § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, die durch das Zweite Gesetz zur Änderung des SGB vom 13.6.1994 (BGBl I 1229) mit Wirkung ab 18.6.1994 eingefügt wurde. Spätestens mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber klarstellend von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, die Verrechnung (Aufrechnung) für den Bereich des Sozialrechts der Handlungsform "Verwaltungsakt" zu unterstellen.

43

Nach § 24 Abs 1 SGB X ist (nur) vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zur Äußerung zu geben; dies gilt jedoch nach Abs 2 Nr 7 der Vorschrift nicht, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als (in der ursprünglichen Fassung: 100 DM, jetzt:) 70 Euro (aufgerechnet oder) verrechnet werden soll. Hieraus kann nur geschlossen werden, dass - unabhängig von der Höhe - die Verrechnung nach § 52 SGB I (ebenso wie die Aufrechnung nach § 51 SGB I) durch Verwaltungsakt zu erklären ist(vgl ferner die Entwurfsbegründung zu § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, BT-Drucks 12/5187 S 35 - Zu Art 6, Zu Nr 1, wonach "materielle Einwände gegen die Aufrechnung bzw Verrechnung … im Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden" können). An den hierin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers sind die Gerichte gemäß Art 20 Abs 3 GG selbst dann gebunden, wenn sie eine solche Zuordnung aufgrund rechtssystematischer Erwägungen für unzutreffend oder aus praktischen Überlegungen heraus für unerwünscht halten sollten (vgl Wolff/Brink in Bader/Ronellenfitsch, Komm zum VwVfG, 2010, § 35 RdNr 28 f; U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 35 RdNr 13 - beide unter Hinweis auf BVerwGE 70, 77, 82; zur Respektierung der gesetzgeberischen Grundentscheidung s auch BVerfGE 128, 193, 210).

44

Im Übrigen hat der Gesetzgeber erst jüngst in § 42a Abs 2 S 2 bzw § 43 Abs 4 S 1 SGB II(mit Wirkung ab 1.4.2011 idF von Art 2 Nr 32 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453) ausdrücklich angeordnet, dass Aufrechnungen im Sozialleistungsbereich des SGB II "durch Verwaltungsakt zu erklären" sind. Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber damit für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine vom allgemeinen Sozialverwaltungsverfahrensrecht abweichende Sonderregelung hat treffen wollen, finden sich in den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren an keiner Stelle (vgl BT-Drucks 17/3404 S 117 - zu § 43, zu Abs 3; BT-Drucks 17/3958 S 19 - zu Art 2 Nr 32 <§ 42a Abs 2 S 2 SGB II>; BT-Drucks 17/4095 S 35 - zu Buchst n, zu Doppelbuchst cc <§ 42a Abs 2 SGB II>).

45

(3) Einer über die Bestimmung des § 52 SGB I hinausgehenden ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für den Erlass eines Verwaltungsakts mit dem Inhalt der Verrechnung bedarf es nicht(s hierzu BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO - RdNr 16 ff).

46

bb) Die Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten waren iS des § 33 Abs 1 SGB X "inhaltlich hinreichend bestimmt".

47

Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde regeln will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts Klarstellungsfunktion zu. Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss ( BSG vom 6.2.2007 - SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 38; BSG vom 17.12.2009 - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN, stRspr).

48

Nach diesen Maßstäben sind die angefochtenen Verrechnungs-Bescheide inhaltlich hinreichend bestimmt. Denn sie erklären die Verrechnung bestimmter, von der Beklagten dem Kläger geschuldeter Rentenleistungen mit einer - nach Art und Umfang - bestimmten, weil betragsmäßig im Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 genau bezifferten (Gesamt-)Forderung der Beigeladenen aus rückständigen Beiträgen zuzüglich Nebenforderungen (Säumniszuschläge, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) iHv (insgesamt) 66 635,31 DM (= 34 070,09 Euro).

49

Aus den Verfügungssätzen der hier streitgegenständlichen Verwaltungsakte konnte der Kläger ohne weiteres den jeweiligen (monatlichen) Verrechnungsbetrag und den ihm aufgrund der Verrechnung mit den Forderungen der Beigeladenen noch verbleibenden (monatlichen) Rentenauszahlungsbetrag entnehmen. Damit war für ihn klar ersichtlich, dass und in welchem Umfang seine Rentenzahlungsansprüche gegen die Beklagte und damit korrespondierend die gegen ihn bestehenden Forderungen der Beigeladenen durch die Verrechnung jeweils erloschen waren (entsprechend § 389 BGB).

50

Unschädlich ist insoweit, dass der - aufgehobene - (Ausgangs-)Bescheid vom 11.5.2001 und der - ebenfalls aufgehobene - Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 in der Höhe der zur Verrechnung gestellten (Gesamt-)Forderung insoweit differieren, als der Bescheid von einer "offene(n) Forderung in Höhe von derzeit 66.635,31 DM zuzüglich weiterer Kosten wie Zinsen, Säumniszuschläge usw." spricht, während nach dem Widerspruchsbescheid - entsprechend der in der Forderungshöhe aktualisierten Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen - die genannte Summe neben den Beiträgen auch die "Säumniszuschläge und sonstige Nebenforderungen" erfasst. Denn ausschlaggebend ist der (mit der Klage angefochtene) "ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat" (§ 95 SGG).

51

Dass die weiteren streitgegenständlichen Verrechnungs-Bescheide die zur Verrechnung gestellte Forderung der Beigeladenen nicht mehr beziffern, steht ihrer hinreichenden Bestimmtheit iS des § 33 Abs 1 SGB X nicht entgegen, da sich deren Ausgangshöhe (für den Kläger klar erkennbar) aus dem Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 ergab und deshalb - auf Verlangen des Klägers jederzeit - auch "bestimmt" werden konnte, in welchem Umfang die Gesamtforderung der Beigeladenen iHv 66 635,31 DM durch die bis dahin erfolgte Verrechnung mit den Rentenzahlungsansprüchen des Klägers bereits erloschen war.

52

Für die hinreichende Bestimmtheit der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten ist nicht notwendig, dass sie die zur Verrechnung gestellte(n) Forderung(en) der Beigeladenen im Einzelnen - nach Umfang, Entstehungszeitpunkt, Bezugszeitraum oder Fälligkeit - aufschlüsseln. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die bezifferte Gesamtsumme ohne Weiteres mit bestehenden, ihr Art nach benannten Einzelforderungen aufgefüllt werden kann. Insoweit ist ausreichend, dass die zur Verrechnung gestellten Forderungen des anderen Leistungsträgers bestimmbar sind. Denn eine Verrechnung kann - ebenso wie eine Aufrechnung - bei Bestehen mehrerer Forderungen (auch) erklärt werden, ohne (zunächst) im Einzelnen aufzeigen zu müssen, mit welcher (Einzel-)Forderung zuerst verrechnet werden soll (vgl BFH vom 3.11.1983 - BFHE 140, 10 f; BFH vom 6.2.1990 - BFHE 160, 108, 112; BFH vom 4.2.1997 - BFHE 182, 276, 278; alle zur Aufrechnung).

53

Hiergegen kann nicht eingewendet werden, dass dadurch die Rechtsverteidigung gegen Verrechnungs-Verwaltungsakte unzumutbar beeinträchtigt werde. Denn dem insoweit Beschwerten bleibt es unbenommen, im Vor- und Klageverfahren geltend zu machen, die zur Verrechnung gestellte (Gesamt-)Forderung des anderen Leistungsträgers bestehe nach Grund oder Höhe ganz oder teilweise nicht (bzw nicht mehr). Dann mag der verrechnende Leistungsträger darlegen und nachweisen, welche Forderungen ihm aufgrund der Ermächtigung des anderen Leistungsträgers zur Verrechnung zur Verfügung gestanden haben. Ist streitig, ob (und ggf welche) bzw in welchem Umfang Forderungen durch Verrechnung (bereits) erloschen sind, so ist die Konkretisierung (bzw Individualisierung) der Forderungen, mit denen die Verrechnung durch Verwaltungsakt erklärt wurde, unumgänglich. Denn nur auf diese Weise kann festgestellt werden, ob und inwieweit eine Verrechnungslage (entsprechend § 387 BGB)bestanden hat und wann bei mehreren Forderungen welche (ggf in entsprechender Anwendung des § 396 Abs 1 S 2 iVm § 366 Abs 2 BGB) durch Verrechnung - ganz oder teilweise - erloschen sind.

54

b) Vorliegend bestand ab 1.7.2002 objektiv eine Verrechnungslage (entsprechend § 387 BGB).

55

Eine solche ist gegeben, wenn der zur Verrechnung ermächtigende Leistungsträger die ihm gebührende Geldzahlung fordern und wenn der die Verrechnung erklärende Träger die ihm obliegende Geldzahlung bewirken kann. Die Forderung, mit der verrechnet wird (hier: Forderung der Beigeladenen gegen den Kläger), muss entstanden und fällig sein; die gleichartige Forderung, gegen die (durch Einbehaltung mittels Verwaltungsakts) verrechnet werden soll (hier: Zahlungsanspruch des Klägers aus der Regelaltersrente gegen die Beklagte), muss zwar nicht fällig, aber entstanden und erfüllbar sein (vgl BSG vom 5.9.2006 - BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 26).

56

Diese Voraussetzungen lagen hier ab dem oben genannten Zeitpunkt vor. Die von der Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen vom 23.8.1995 (aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001) erfassten und gegen den Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung rückständiger Beiträge (und der Nebenforderungen) iHv insgesamt 66 635,31 DM waren entstanden und fällig; sie sind von der Beigeladenen gegenüber dem Kläger durch Verwaltungsakte bestandskräftig festgestellt worden (§ 77 SGG). Die Zahlungsansprüche des Klägers aus der ihm bindend mit Rentenbescheid vom 10.5.2002 zuerkannten Regelaltersrente waren am Ersten eines jeden Monats jeweils entstanden und erfüllbar (vgl § 272a Abs 1 SGB VI idF des 3. SGB VI-ÄndG vom 27.12.2003 ).

57

c) Die Beklagte war nicht gehindert, die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen auf rückständige Beiträge auf unpfändbare Teile der Rentenzahlungsansprüche des Klägers zu erstrecken (dazu unter aa). Ebenso wenig stand der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO entgegen(dazu unter bb).

58

aa) Die Verrechnung mit den Beitragsforderungen der Beigeladenen war nicht deshalb rechtswidrig, weil die monatlichen Rentenzahlungsansprüche ab 1.1.2002 durchgängig unter der gemäß § 850c Abs 1 S 1 ZPO iVm § 54 Abs 4 SGB I für den Kläger maßgeblichen Pfändungsfreigrenze von monatlich 930 Euro (ab 1.7.2005: 985,15 Euro) lagen. Denn mit den Vorschriften der §§ 52, 51 Abs 2 SGB I hat der Gesetzgeber den Sozialleistungsträgern zur Durchsetzung ihrer Beitrags- und Erstattungsforderungen die Möglichkeit eröffnet, ohne Bindung an die Pfändungsfreigrenzen der ZPO auch mit dem unpfändbaren Teil einer laufenden Geldleistung bis zu deren Hälfte und bis zur Grenze der Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw ab 1.1.2005 im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II aufzurechnen bzw zu verrechnen.

59

Die Regelungen in §§ 52, 51 Abs 2 SGB I bezwecken eine Privilegierung der Sozialleistungsträger(vgl grundlegend BSG vom 19.1.1978 - BSGE 45, 271, 273 ff = SozR 1200 § 51 Nr 3 S 4 ff; BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 10 f; BSG vom 27.3.1996 - BSGE 78, 132, 135 f = SozR 3-1200 § 51 Nr 5 S 17 f), wenn dem Versicherten bestimmte "systemerhaltende" Gegenansprüche (Beitragsansprüche, Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen) des zuständigen oder eines anderen Leistungsträgers entgegengehalten werden können. Die oben genannten Grenzen (höchstens bis zur Hälfte der laufenden Geldleistung, kein Hervorrufen der Hilfebedürftigkeit nach dem BSHG) hat die Beklagte bei der Verrechnung der laufenden Zahlungsansprüche des Klägers auf Regelaltersrente mit den Beitragsansprüchen der Beigeladenen im hier (noch) maßgeblichen Zeitraum nicht überschritten (s dazu näher unter f).

60

bb) Nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens stand der Verrechnung die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO nicht entgegen.

61

Zwar mag die Möglichkeit eines Rentenversicherungsträgers, Beitrags- und Erstattungsforderungen eines anderen Leistungsträgers mit dem unpfändbaren Teil des Rentenzahlungsanspruchs nach Maßgabe des § 51 Abs 2 SGB I verrechnen zu können, zu Friktionen mit der in § 18 Abs 2 S 3 GesO geregelten (begrenzten) Restschuldbefreiung führen, wonach eine "Vollstreckung" hinsichtlich der "Altschulden" grundsätzlich nur stattfindet, "soweit der Schuldner über ein angemessenes Einkommen hinaus zu neuem Vermögen gelangt" ist.

62

Das LSG hat aber zu Recht einen Vollstreckungsschutz des Klägers nach § 18 Abs 2 S 3 GesO verneint.

63

Dies folgt bereits daraus, dass diese Vorschrift schon nach ihrem Wortlaut Schutz nur gegen konkrete Maßnahmen der "Vollstreckung" bietet (LSG Berlin-Brandenburg vom 4.10.2007 - L 8 B 1205/07 ER - juris RdNr 28; Brandenburgisches OLG vom 20.5.1998 - 13 U 35/97 - juris RdNr 15; OLG Celle vom 12.5.2000 - 4 W 85/00 - juris RdNr 19; Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO, 4. Aufl 1998, § 18 RdNr 53). Auch nach Art 108 Abs 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (InsO) ist die "Vollstreckungsbeschränkung" des § 18 Abs 2 S 3 GesO nach dem 31.12.1998 nur bei einer "Zwangsvollstreckung" gegen einen Schuldner, über dessen Vermögen ein Gesamtvollstreckungsverfahren durchgeführt worden ist, zu beachten. Die Verrechnung ist aber - ebenso wie die Aufrechnung - keine Maßnahme der "Vollstreckung" iS der Vorschriften der ZPO oder anderer Verfahrensgesetze über die Zwangsvollstreckung (vgl BGH vom 26.5.1971 - NJW 1971, 1563; BVerwG vom 13.10.1971 - DÖV 1972, 573, 574; BFH vom 3.11.1983 - BFHE 140, 9 f; LSG Berlin-Brandenburg vom 4.10.2007 - L 8 B 1205/07 ER - juris RdNr 22, 28; FG Düsseldorf vom 10.11.2004 - 18 K 321/04 AO - juris RdNr 21; Martini in juris PR-InsR 19/2009 vom 24.9.2009, Anm 1 unter C).

64

Zwar ist die Verrechnung - ebenso wie die Aufrechnung - ein der Zwangsvollstreckung ähnlicher, außergerichtlicher Zugriff auf die Gegenforderung, eine Forderungsdurchsetzung im Wege der Selbsthilfe (vgl BGH vom 26.5.1971, aaO; BGH vom 13.6.1995 - BGHZ 130, 76, 80 mwN). Mit der Vorschrift des § 51 Abs 2 SGB I hat der Gesetzgeber jedoch - wie oben aufgezeigt - die Sozialleistungsträger bei der Durchsetzung von Beitrags- und Erstattungsforderungen im Wege der Aufrechnung bzw Verrechnung gegenüber anderen Gläubigern privilegiert, denen (bereits) durch die Unpfändbarkeit die Möglichkeit versperrt ist, ihre Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Dass das (beschränkte) Restschuldbefreiungsverfahren des § 18 Abs 2 S 3 GesO darauf abzielt, dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neubeginn zu ermöglichen (OLG Celle vom 12.5.2000 - 4 W 85/00 - juris RdNr 19; Hess/Binz/Wienberg, GesO, 4. Aufl 1998, § 18 RdNr 105),steht der sich aus § 51 Abs 2 SGB I ergebenden Aufrechnungs- bzw Verrechnungsbefugnis nicht entgegen. Denn anderenfalls wäre den Sozialleistungsträgern im Falle einer Privatinsolvenz des Versicherten bzw Schuldners (sogar) nach Abschluss des Gesamtvollstreckungsverfahrens stets die Möglichkeit versperrt, den unpfändbaren Teil der Ansprüche auf laufende Rentenleistungen mit Beitrags- und Erstattungsforderungen aufrechnen bzw verrechnen zu können, obwohl diese unterhalb der Pfändungsfreigrenzen liegenden Rentenzahlungen zuvor nicht zur Gesamtvollstreckungsmasse (vgl § 1 Abs 1 S 2 GesO) gehörten und somit während des Gesamtvollstreckungsverfahrens grundsätzlich gemäß §§ 52, 51 Abs 2 SGB I bis zur Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit aufgerechnet bzw verrechnet werden konnten. Dann aber würde es einen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens in der Restschuldbefreiungsphase das Postulat einer - zuvor nicht bestehenden - Gläubigergleichbehandlung ein Verrechnungsverbot bedingen sollte (vgl LSG Berlin-Brandenburg vom 27.7.2009 - L 33 R 204/09 B ER, L 33 R L 33 R 207/09 B PKH - juris RdNr 26; SG Dortmund vom 21.2.2008 - S 26 R 320/06 - juris RdNr 41, beide zur Zulässigkeit der Verrechnung bzw Aufrechnung während der Restschuldbefreiungsphase nach der InsO). Auch wären die Grenzen zwischen einer Aufrechnung bzw Verrechnung mit Erstattungs- oder Beitragsforderungen nach § 51 Abs 2 SGB I(iVm § 52 SGB I) und einer solchen mit sonstigen Geldforderungen nach § 51 Abs 1 SGB I(iVm § 52 SGB I) verwischt und das damit verbundene Privileg des mit Beitrags- oder Erstattungsansprüchen aufrechnenden bzw verrechnenden Sozialleistungsträgers in der Privatinsolvenz (faktisch) aufgehoben.

65

d) Die einseitig durch Verwaltungsakt geregelte Verrechnung steht - ebenso wie die Aufrechnung - im pflichtgemäßen Ermessen des sie durchführenden Leistungsträgers; insoweit handelt es sich bei dem "Kann" in § 52 Halbs 1 und § 51 Abs 1 Halbs 1, Abs 2 Halbs 1 SGB I um ein sog "Ermessens-Kann"(vgl Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R - RdNr 18; vgl bereits BSG vom 16.9.1981 - BSGE 52, 98, 102 = SozR 1200 § 51 Nr 11 S 27; BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 11; BSG vom 21.7.1988 - BSGE 64, 17, 23 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 39; LSG Berlin-Brandenburg vom 4.6.2009 - L 17 R 48/09 - juris RdNr 52; LSG Baden-Württemberg vom 2.7.2009 - L 10 R 2467/08 - juris RdNr 19; ebenso Seewald in Kasseler Komm, SGB I, § 51 RdNr 13a, Stand Einzelkommentierung Oktober 2010; Pflüger in juris PK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 51 RdNr 64-67, Stand Einzelkommentierung Januar 2012 mwN - unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 51 SGB I in BT-Drucks 7/868, S 32: "Der Leistungsträger hat bei der Ausübung seines Ermessens, ob und in welchem Umfang er aufrechnet, auch den Zweck der einzelnen Sozialleistung zu berücksichtigen; …").

66

Mit der Einräumung "echten Ermessens" steht dem die Verrechnung durch Verwaltungsakt regelnden Leistungsträger eine breite Handlungsmöglichkeit hinsichtlich des Ob und des Umfangs einer Verrechnung zur Verfügung, um so die Besonderheiten des Einzelfalls und insbesondere die wirtschaftliche Situation des Leistungsempfängers angemessen berücksichtigen zu können. Dabei ist das Verrechnungsermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs 1 S 1 SGB I). Damit korrespondierend hat der Leistungsempfänger einen Anspruch auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 S 2 SGB I). In diesem (eingeschränkten) Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle, insbesondere auf Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch (vgl § 54 Abs 2 S 2 SGG).

67

Die Anforderungen an eine Ermessensentscheidung sind für die mit Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 durchgeführte Verrechnung (noch) zu bejahen (dazu unter aa), nicht hingegen für die in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 getroffenen Verrechnungs-Entscheidungen (dazu unter bb). Die Beklagte durfte in diesen Bescheiden auch nicht ausnahmsweise auf eine Begründung verzichten (dazu unter cc).

68

aa) Nach der Begründung im Widerspruchsbescheid (vgl § 95 SGG) hat die Beklagte erkannt, dass ihr im Rahmen der nach § 52 SGB I zu treffenden Verrechnungs-Entscheidung Ermessen zusteht und sie nicht verpflichtet ist, den für die Verrechnung mit den Beitragsforderungen der Beigeladenen nach § 51 Abs 2 SGB I gesetzten Rahmen der Höhe nach in jedem Fall auszuschöpfen(vgl in diesem Sinne bereits BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 11). Zwar hat sie die Beitragsforderungen der Beigeladenen mit unpfändbaren Rentenzahlungsansprüchen des Klägers verrechnet; sie hat sich jedoch bei der Festsetzung der monatlichen Verrechnungsbeträge ausdrücklich an der besonderen - für den Kläger eigentlich nicht einschlägigen - Einkommensgrenze des § 81 Abs 1 BSHG orientiert. Dem Kläger verblieb in dem hier maßgeblichen Verrechnungszeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 damit deutlich mehr als die zulässige Grenze der laufenden Sozialhilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG (s hierzu unter f). Im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen hat die Beklagte dem öffentlichen Interesse an der Begleichung der Beitragsschulden und damit der Funktionsfähigkeit der im Wesentlichen beitragsfinanzierten Sozialversicherungssysteme nur insoweit den Vorrang vor dem privaten Interesse des Klägers an der ungeschmälerten Auszahlung seiner Altersrente gegeben. Eine über die ohnehin von Gesetzes wegen zu beachtende Sozialhilfebedürftigkeitsgrenze hinausgehende außergewöhnliche soziale oder finanzielle Situation hatte der Kläger nicht vorgetragen; sie ist auch nicht ersichtlich.

69

bb) Demgegenüber sind in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 keinerlei Ermessenserwägungen der Beklagten zu den dort von ihr geregelten Verrechnungen enthalten.

70

Die Ausführungen in den Bescheiden geben keine Hinweise darauf, dass die Beklagte überhaupt erkannt hat, dass es sich auch bei den dortigen (Folge-)Verrechnungen um Ermessensentscheidungen handelt; sie hat jedenfalls keine entsprechenden Begründungen (mehr) gegeben, obwohl sie zB im Bescheid vom 15.5.2003 den ab 1.7.2003 einbehaltenen Verrechnungsbetrag von zuvor monatlich 34,76 Euro auf monatlich 54,91 Euro und damit um 20,15 Euro (ca 58 %) erhöht sowie den Rentenauszahlungsbetrag von zuvor monatlich 820 Euro auf monatlich 810 Euro reduziert hat. Der pauschale Hinweis der Beklagten, dass für die Ermittlung des verrechenbaren Betrags die auf volle Euro aufgerundeten Werte aus dem BSHG zugrunde gelegt worden seien, dieser Wert nicht dynamisiert werde und gegenwärtig 810 Euro betrage, reicht nicht aus. Entsprechendes gilt für die Hinweise zu den Verrechnungen in den Bescheiden vom 15.10.2004 und 9.6.2008 im Hinblick auf die Senkung des Beitragssatzes (zur Krankenversicherung) bzw die Rentenanpassung.

71

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Beklagte bei Erlass der Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 überhaupt kein Ermessen (mehr) ausgeübt hat oder ihr betätigtes Ermessen in diesen Bescheiden lediglich nicht begründet hat. Denn in beiden Fällen treten dieselben Rechtsfolgen der Anfechtung ein; die Bescheide sind im Hinblick auf die Ermessensausübung nicht hinreichend begründet iS des § 35 Abs 1 S 3 SGB X(vgl BSG vom 18.4.2000 - SozR 3-2700 § 76 Nr 2 S 5).

72

cc) Die Voraussetzungen des § 35 Abs 2 SGB X, bei deren Vorliegen ausnahmsweise auf eine (gesonderte) Begründung verzichtet werden kann, liegen hier nicht vor. Danach bedarf es keiner Begründung - außer in anderen, vorliegend von vornherein nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen -, soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar war (Nr 2 aaO).

73

Dem Kläger mag zwar durch den Hinweis im Bescheid vom 11.5.2001 zur Verrechnung mit den Zahlungsansprüchen aus seiner Rente wegen EU bekannt gewesen sein, dass der mit der Rente zu verrechnende Betrag bei jeder Änderung der Rentenhöhe (zB durch Rentenanpassungen, Neufeststellungen) von der Beklagten "neu ermittelt" werde. Unabhängig davon, dass bezüglich der Erkennbarkeit (… "ohne weiteres erkennbar" …) iS des § 35 Abs 2 Nr 2 SGB X ein strenger Maßstab(vgl Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 35 RdNr 12; Waschull in LPK, SGB X, 3. Aufl 2011, § 35 RdNr 12) anzulegen ist, ergibt sich jedenfalls allein aus einer solchen pauschalen Mitteilung nicht, welche konkreten Umstände die Beklagte im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens dazu bewogen haben, gerade mit dem jeweils konkret einbehaltenen ("abgetrennten") Betrag zu verrechnen.

74

Aus dem Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 lässt sich nicht entnehmen, dass - und ggf in welchem Umfang - die dortigen Ermessenserwägungen - etwa im Sinne einer "vorweggenommenen Ermessensausübung" - auf von ihm nicht erfasste Verrechnungszeiträume "fortwirken" sollen; umgekehrt nehmen die nachfolgenden Verrechnungs-Bescheide auch nicht auf die dortigen Ausführungen zum Ermessen (ergänzend) Bezug. Unabhängig davon haben sich diese Bescheide auch nicht innerhalb der Verrechnungs-Entscheidungen im Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 (Verrechnung monatlich 34,76 Euro; Auszahlungsbetrag 820 Euro) gehalten, sondern sind zu Ungunsten des Klägers davon abgewichen.

75

e) Angesichts dessen kann offen bleiben, ob die Verrechnungs-Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 sämtlich oder zum Teil auch deshalb rechtswidrig waren, weil die Beklagte vor deren Erlass den Kläger nicht angehört (§ 24 Abs 1 SGB X) und dies auch nicht bis zum Abschluss des LSG-Verfahrens nachgeholt hat (§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X).

76

Nach § 24 Abs 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

77

aa) Trotz unterbliebener Anhörung des Klägers vor Erlass des Bescheids vom 10.5.2002 war jedenfalls dieser hinsichtlich der dort geregelten Verrechnung nicht rechtswidrig. Denn dieser Verfahrensfehler ist hier gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Der Kläger hat sich mit seinem Widerspruch zu den für die Verrechnungs-Entscheidung der Beklagten in diesem Bescheid maßgeblichen Tatsachen geäußert. Aus dem Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 wird zudem deutlich, dass die Beklagte die von dem Kläger vorgebrachten Einwände gegen die Verrechnung zur Kenntnis genommen und bei ihrer (ablehnenden) Entscheidung in Erwägung gezogen, wenn auch nicht für durchschlagend erachtet hat.

78

bb) Demgegenüber hat die Beklagte den Kläger hinsichtlich ihrer Verrechnungs-Entscheidungen in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 weder angehört noch dies mit heilender Wirkung nachgeholt. Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob von einer Anhörung zur Verrechnung in Rentenanpassungsbescheiden dann abgesehen werden kann, wenn sich der monatliche Auszahlungsbetrag nicht vermindert. Denn bereits mit Bescheid vom 15.5.2003 wurde ein niedrigerer Betrag (810 Euro) festgesetzt als zuvor mit Bescheid vom 10.5.2002 (820 Euro).

79

f) Der Kläger ist durch die mit Bescheid vom 10.5.2002 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002) für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 verfahrensfehlerfrei (s oben bei d aa und e aa) geregelte Verrechnung mit einem monatlichen Einbehalt iHv 34,76 Euro bei einem ihm noch verbleibenden monatlichen Rentenauszahlungsbetrag iHv 820 Euro nicht hilfebedürftig im Sinne der hier noch maßgeblichen Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden (vgl hierzu BSG vom 15.12.1992 - SozR 3-1200 § 51 Nr 3 S 6).

80

Bei der Prüfung der Sozialhilfebedürftigkeit als Zulässigkeitsgrenze für die Verrechnung nach § 52 iVm § 51 Abs 2 SGB I mit Beitragsforderungen der Beigeladenen ist zunächst festzustellen, welcher Bedarf dem Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum (1.7.2002 bis zum 30.6.2003) gemäß der Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des BSHG zusteht.

81

Der Umfang der Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt war in den §§ 11 ff BSHG geregelt. Nach § 22 Abs 2 BSHG iVm § 2 Abs 1 der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG (Regelsatzverordnung) stand dem im Freistaat Sachsen lebenden Kläger(nach der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales zur Anhebung der Regelsätze und der Grundbeträge nach dem BSHG sowie zur Höhe der Blindenhilfe vom 31.5.2002, Sächsisches Amtsblatt 2002, 707) ab 1.7.2002 als Haushaltsvorstand ein monatlicher Regelsatz iHv 279 Euro zu. Zudem hatte der Kläger wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und des Merkzeichens "G" gemäß § 23 Abs 1 Nr 1 BSHG Anspruch auf einen Mehrbedarf iHv monatlich 55,80 Euro. Zum notwendigen Lebensunterhalt zählen ferner die laufenden Kosten für die Unterkunft (vgl § 12 Abs 1 BSHG, § 3 Regelsatzverordnung). Diese betrugen nach den Feststellungen des LSG für die Mietwohnung des Klägers und seiner Ehefrau im hier maßgeblichen Zeitraum ab 1.10.2002 monatlich 263,77 Euro (zuvor monatlich 257,22 Euro). Für die mit dem Kläger zusammenlebende Ehefrau war als Haushaltsangehörige nach § 2 Abs 3 Nr 4 der Regelsatzverordnung iVm der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales vom 31.5.2002 (aaO) im Freistaat Sachsen ab 1.7.2002 ein monatlicher Bedarf iHv 223,00 Euro anzusetzen.

82

Dem danach berücksichtigungsfähigen monatlichen Bedarf iHv 821,57 Euro ist gemäß § 11 Abs 1 S 2 Halbs 1 BSHG das monatliche Einkommen und das Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau gegenüberzustellen. Nach § 76 Abs 1 BSHG gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem BSHG, der Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz und der Rente oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden am Leben sowie an Körper und Gesundheit gewährt werden. Der Kläger verfügte im hier maßgeblichen Zeitraum über eine monatliche Nettoaltersrente iHv 820 Euro. Die Ehefrau des Klägers erhielt nach den Feststellungen des LSG eine Rente wegen EU iHv monatlich 646,83 Euro (= 1 265,08 DM). Danach verfügten der Kläger und seine Ehefrau über ein Monatseinkommen iHv 1 466,83 Euro. Dieser Betrag überstieg den berücksichtigungsfähigen monatlichen Bedarf iHv 821,57 Euro deutlich, und zwar um 645,26 Euro.

83

Anhaltspunkte für einen konkret zu beziffernden weiteren Bedarf des Klägers oder seiner Ehefrau nach §§ 11 ff BSHG oder vom vorgenannten anzurechnenden Einkommen gemäß § 76 Abs 2 BSHG abzugsfähige Belastungen (oder für anrechenbares Vermögen des Klägers oder seiner Ehefrau) ergeben sich für den Senat aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht; da gegen diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vom Kläger vorgebracht worden sind, sind sie für den Senat bindend (§ 163 SGG).

84

Damit erweist sich der Verrechnungs-Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 (§ 95 SGG) auch insoweit als rechtmäßig.

85

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

(1) Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse. Die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850l, 851c, 851d, 899 bis 904, 905 Satz 1 und 3 sowie § 906 Absatz 2 bis 4 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Verfügungen des Schuldners über Guthaben, das nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wirkungen des Pfändungsschutzkontos nicht von der Pfändung erfasst wird, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht der Freigabe dieses Kontoguthabens durch den Insolvenzverwalter.

(2) Zur Insolvenzmasse gehören jedoch

1.
die Geschäftsbücher des Schuldners; gesetzliche Pflichten zur Aufbewahrung von Unterlagen bleiben unberührt;
2.
im Fall einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners die Sachen nach § 811 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b und Tiere nach § 811 Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe b der Zivilprozessordnung; hiervon ausgenommen sind Sachen, die für die Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit erforderlich sind, welche in der Erbringung persönlicher Leistungen besteht.

(3) Sachen, die zum gewöhnlichen Hausrat gehören und im Haushalt des Schuldners gebraucht werden, gehören nicht zur Insolvenzmasse, wenn ohne weiteres ersichtlich ist, daß durch ihre Verwertung nur ein Erlös erzielt werden würde, der zu dem Wert außer allem Verhältnis steht.

(4) Für Entscheidungen, ob ein Gegenstand nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Vorschriften der Zwangsvollstreckung unterliegt, ist das Insolvenzgericht zuständig. Anstelle eines Gläubigers ist der Insolvenzverwalter antragsberechtigt. Für das Eröffnungsverfahren gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 51/07
vom
29. Mai 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Ermächtigt ein Sozialleistungsträger, bevor über das Vermögen des Leistungsberechtigten
das Insolvenzverfahren eröffnet wird, einen zweiten Leistungsträger, seine
Ansprüche mit der dem zweiten Leistungsträger obliegenden Geldleistung zu verrechnen
, ist diese Ermächtigung in der Insolvenz des Leistungsberechtigten grundsätzlich
wirksam.
BGH, Beschluss vom 29. Mai 2008 - IX ZB 51/07 - LG Bad Kreuznach
AG Bad Kreuznach
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Prof. Dr. Gehrlein und Vill, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Fischer
am 29. Mai 2008

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der weiteren Beteiligten werden der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 1. März 2007 und der Beschluss des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 6. Oktober 2006 aufgehoben.
Der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung der weiteren Beteiligten zu dem vom Schuldner vorgelegten Schuldenbereinigungsplan wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden dem Schuldner auferlegt.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 556,80 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Schuldner stellte am 1. Juni 2006 einen Antrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens und legte einen Schuldenbereinigungsplan vor, der für alle Gläubiger eine Befriedigungsquote von 20,58 % vorsieht. Die weitere Beteiligte sowie zwei andere Gläubiger haben dem Plan nicht zugestimmt.
2
Die weitere Beteiligte hat geltend gemacht, einer Ersetzung ihrer Zustimmung stehe § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO entgegen. Sie - die weitere Beteiligte - werde durch den Plan wirtschaftlich schlechter gestellt als bei einer Durchführung des Insolvenzverfahrens mit anschließender Erteilung der Restschuldbefreiung. Gegen den Schuldner bestehe wegen überbezahlter Arbeitslosenhilfe eine Forderung in Höhe von 556,80 €. Diese Forderung werde gemäß § 52 i.V.m. § 51 Abs. 2 SGB I in Höhe von monatlich 20 € mit dem derzeit an den Schuldner ausgezahlten Arbeitslosengeld II verrechnet. Die Verrechnungsbefugnis bleibe auch in der Insolvenz des Zahlungsempfängers wirksam.
3
Auf Antrag des Schuldners hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - mit Beschluss vom 6. Oktober 2006 die fehlenden Zustimmungen ersetzt. Die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten hat das Landgericht mit Beschluss vom 1. März 2007 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die weitere Beteiligte mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.


4
Das statthafte (§§ 7, 6, 309 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 567 Abs. 2, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) Rechtsmittel ist zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Es führt zur Aufhebung der instanzgerichtlichen Entscheidungen und Zurückweisung des Antrags. Die weitere Beteiligte wird durch den Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich wirtschaftlich schlechter gestellt als bei Durchführung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung (§ 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO). In dem zuletzt genannten Fall könnte die Forderung auf Rückzahlung von Arbeitslosenhilfe mit dem Arbeitslosengeld II weiter verrechnet werden. Der Plan sieht eine derartige Befugnis nicht vor.
5
1. Der Anspruch auf Rückzahlung überbezahlter Arbeitslosenhilfe wird nicht gegen den Anspruch auf Arbeitslosengeld II aufgerechnet, sondern mit diesem verrechnet. Es fehlt an der Gegenseitigkeit der Forderungen, weil die in Rede stehenden Sozialleistungen von verschiedenen Leistungsträgern gewährt werden. Die dem Schuldner überbezahlte Arbeitslosenhilfe war eine aus Steuermitteln finanzierte, von der weiteren Beteiligten (Bundesagentur für Arbeit) im Auftrage des Bundes ausgezahlte Sozialleistung. Demgegenüber wird das dem Schuldner nunmehr gezahlte Arbeitslosengeld II (§§ 19, 24 SGB II) von den Agenturen für Arbeit und den Kommunen, entweder in Arbeitsgemeinschaften oder in getrennter Trägerschaft, aufgebracht. Der Leistungsträger, der das Arbeitslosengeld II auszahlt, ist - jedenfalls außerhalb der Insolvenz - gemäß § 52 SGB I zur Verrechnung befugt. Danach kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen , soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Nach § 51 Abs. 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstat- tung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen gegen die Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird. Zu den Voraussetzungen dieser Ausnahme hat der Schuldner nichts vorgetragen, ist auch nichts ersichtlich.
6
2. Nach dem Inhalt der sozialrechtlichen Regelungen ist der Leistungsträger zur Verrechnung auch dann befugt, wenn über das Vermögen des Leistungsberechtigten ein Insolvenzverfahren eröffnet ist. § 114 Abs. 2 InsO ist unmittelbar anwendbar, weil § 52 SGB I die Verrechnung der Aufrechnung der Sache nach gleich stellt, somit § 94 InsO analog eingreift. Nach § 114 Abs. 2 InsO kann der Verpflichtete gegen die Forderung auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende des zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonats eine Forderung aufrechnen, die ihm gegen den Schuldner zusteht.
7
a) Ob der in § 114 Abs. 2 InsO vorgesehene Schutz einer Aufrechnungslage den Schutz einer Verrechnungslage nach § 52 SGB I umfasst, ist bislang umstritten.
8
In der insolvenzrechtlichen Rechtsprechung und dem einschlägigen Schrifttum wird die Frage teilweise verneint (BayObLG NZI 2001, 367 ff; OLG Karlsruhe NZI 2001, 662 f; LG Göttingen NZI 2001, 267; Blersch in Breutigam/ Blersch/Goetsch, InsO § 96 Rn. 10; Graf-Schlicker/Pöhlmann, InsO § 114 Rn. 14; Günther DZWIR 2001, 306 ff; Häsemeyer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung 2. Aufl. S. 655 f Rn. 32; Mohrbutter DZWIR 2001, 328 ff; G. Pape EWiR 2001, 593 f; Peitsch, Die Insolvenzaufrechnung, Diss. Hamburg 2001 S. 115 f; Wenzel ZInsO 2006, 169, 171 f; Windel KTS 2004, 563 ff). Auch die Vorinstanzen im vorliegenden Verfahren haben sich dieser Auffassung angeschlossen. Andere meinen, die Verrechnungslage nach § 52 SGB I sei ebenfalls insolvenzrechtlich geschützt (Diepenbrock ZInsO 2004, 950 ff; Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch 3. Aufl. § 45 Rn. 7a; Hmbk-InsO/Ahrendt, 2. Aufl. § 114 Rn. 7; Hess, Insolvenzecht § 114 Rn. 21 ff; HK-InsO/Irschlinger, 4. Aufl. § 114 Rn. 4; Kübler/Prütting/Lüke, InsO § 96 Rn. 37; MünchKomm-InsO/ Brandes, 2. Aufl. § 96 Rn. 25; MünchKomm-InsO/Löwisch/Caspers, aaO § 114 Rn. 30; Nerlich/Römermann/Wittkowski, InsO § 96 Rn. 15).
9
In Rechtsprechung und Schrifttum zum Sozialrecht wird die Frage ganz überwiegend bejaht (BSGE 92, 1 ff; Gagel EWiR 2004, 927 f; Pflüger in Schlegel /Voelzke, SGB I § 52 Rn. 45; Plagemann EWiR 2002, 357, 358; Wannagat/ Jung, SGB I § 52 Rn. 11; a.A. - noch aus der Zeit vor Ergehen des BSG-Urteils - SG Münster ZIP 2002, 448, 449; Mrozynski, SGB I 3. Aufl. § 52 Rn. 10).
10
b) Der in § 114 Abs. 2 InsO vorgesehene Schutz einer Aufrechnungslage umfasst den Schutz einer Verrechnungslage nach § 52 SGB I.
11
aa) Die Vertreter der Gegenmeinung berufen sich zu Unrecht auf den Wortlaut des § 114 Abs. 2 InsO. Dort verwende das Gesetz nur den Begriff "aufrechnen"; an anderer Stelle hingegen - etwa in § 96 Abs. 2 InsO - spreche es von "Verrechnung". Eine Bestimmung, welche die Verrechnung der Aufrechnung gleichstelle, fehle.
12
In den Fällen des § 52 SGB I ist die Vorschrift des § 114 Abs. 2 InsO unmittelbar anwendbar, weil mit dem Bundessozialgericht (BSGE 92, 1, 5) davon auszugehen ist, dass die sozialrechtliche Verrechnung vom Aufrechnungsbegriff der Insolvenzordnung erfasst wird. § 94 InsO ist auf die sozialrechtliche Verrechnung analog anzuwenden.
13
Dies ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Gesetz in § 94 InsO nur von Aufrechnung spricht, in § 96 Abs. 2 Satz 1 InsO jedoch den Begriff der "Verrechnung" verwendet. Durch diese nachträglich in die Insolvenzordnung eingefügte Vorschrift wurde die Aufrechnungsbefugnis in der Insolvenz nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und Abrechnungssystemen erweitert. Diese Regelung steht in keinem Zusammenhang mit § 52 SGB I und § 114 Abs. 2 InsO (zutreffend Diepenbrock ZInsO 2004, 950, 953).
14
§ 52 SGB I enthält eine spezialgesetzliche Regelung, welche die Verrechnung der Aufrechnung im Sinne des § 94 InsO gleichstellt. Sie ist im Jahre 1975 eingeführt worden, nachdem das Bundessozialgericht Aufrechnungen der Leistungsträger mit Forderungen anderer Leistungsträger, soweit sie nicht ausdrücklich gesetzlich zugelassen waren, mangels Gegenseitigkeit der Forderungen (§ 387 BGB) für unzulässig erklärt hatte (BSGE 15, 36 ff). In der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSGE 67, 143, 155 f; 92, 1, 5) und im sozialrechtlichen Schrifttum (Giese, SGB I § 52 Rn. 3, 5; Heinze in SRH, 3. Aufl. B 8 Rn. 221, 236; Wannagat/Jung, aaO § 52 Rn. 11) wird die Auffassung vertreten, § 52 SGB I erweitere die "Aufrechnungsmöglichkeiten", die sozialrechtliche Verrechnung sei ein Sonderfall der Aufrechnung (einschränkend Timme in LPK-SGB I, § 52 Rn. 2: "Bei der Verrechnung handelt es sich um ein ähnliches Selbstvollstreckungsinstrument wie die Aufrechnung"; Seewald in Kasseler Kommentar, SGB I § 52 Rn. 2: "… stellt praktisch eine Aufrechnung dar"; ebenso von Maydell in GK-SGB I, 3. Aufl. § 52 Rn. 2). Jedenfalls erweitert die Vorschrift die Möglichkeit der Leistungsträger, Ansprüche des Leistungsberechtigten wie bei einer Aufrechnung durch Gegenansprüche zu kompensieren. Gerechtfertigt wird diese Erweiterung nach der Gesetzesbegründung mit der Erwägung, dass im Sozialrecht angesichts derselben oder ähnlichen Zielsetzung aller Sozialleistungen, der Verpflichtung aller Leistungsträger zur engen Zusammenarbeit und des Strebens nach Verwaltungsvereinfachung auf die Gegenseitigkeit der "aufgerechneten" Forderungen verzichtet werden könne (BT-Drucks. 7/868, S. 32).
15
bb) Dem Gesetzgeber der Insolvenzordnung war das Problem nicht unbekannt. Das Bundessozialgericht hatte bereits im Jahr 1990 zum Recht der Konkursordnung entschieden, eine bereits vor Konkurseröffnung gegebene Verrechnungslage sei konkursfest (BSGE 67, 143, 153; vgl. ferner BSG ZIP 1995, 400, 402; LSG Nordrhein-Westfalen DB 1993, 43; die abweichende Entscheidung des LSG Niedersachsen NdsRpfl. 1993, 22, 23 setzt sich damit nicht auseinander). Aus der Amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf der Insolvenzordnung lässt sich entnehmen, dass die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht angetastet werden sollte.
16
Zwar findet sich in den Materialien zu § 114 InsO dazu nichts. Zu § 108 RegE-InsO, der später inhaltlich unverändert als § 96 Abs. 1 InsO Gesetz geworden ist, heißt es jedoch in der Amtlichen Begründung (BT-Drucks. 12/2443, S. 141): "Die Aufrechnung durch einen Insolvenzgläubiger soll zunächst dann nicht möglich sein, wenn die Gegenforderung erst nach der Verfahrenseröffnung begründet worden ist (Nummer 1) oder wenn der Gläubiger die Forderung erst nach der Verfahrenseröffnung erworben hat (Nummer 2). In beiden Fällen konnte der Gläubiger bei der Verfahrenseröffnung noch nicht darauf vertrauen, dass er seine Forderung im Wege der Aufrechnung werde durchsetzen können. Für die nähere Auslegung dieser Regelungen kann auf Rechtsprechung und Lehre zu § 55 Nr. 1, 2 KO verwiesen werden. Dies gilt beispielsweise für die Frage, ob § 108 Nr. 2 des Entwurfs in dem Fall eingreift, daß nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Sozialleistungsträger, der eine Forderung gegen den Schuldner hat, einen anderen Leistungsträger nach § 52 SGB I ermächtigt, diese Forderung mit der Leistungspflicht des anderen Leistungsträgers gegenüber dem Schuldner zu verrechnen. Wie zum geltenden Konkursrecht kann man hier die Auffassung vertreten , daß der Gedanke der Einheit der Sozialleistungsträger, der § 52 SGB I zugrunde liegt, dem Aufrechnungsverbot des § 108 Nr. 2 des Entwurfs vorgeht."
17
Daraus ergibt sich zwar - wie den Vertretern der Gegenauffassung (BayObLG NZI 2001, 367, 368; Windel KTS 2004, 563, 564) zugestanden werden muss - nicht der gesetzgeberische Wille, die Frage in einem bestimmten Sinne zu entscheiden. Jedenfalls wird ohne jede Einschränkung auf die als vertretbar ("… kann man hier die Auffassung vertreten") bezeichnete Rechtsprechung zum geltenden Konkursrecht verwiesen, "daß der Gedanke der Einheit der Sozialleistungsträger, der § 52 SGB I zugrunde liegt, dem Aufrechnungsverbot des § 108 Nr. 2 des Entwurfs vorgeht." Offensichtlich sah sich der Gesetzentwurf hier in der Kontinuität des Rechts. Dass "dieser Ansatz erkennbar nicht weiter verfolgt worden" sei (Wenzel ZInsO 2006, 169, 172), trifft nicht zu. Das Gesetz ist entsprechend dem Entwurf verabschiedet worden. Auch § 87 InsO enthält (entgegen Wenzel aaO) keine Aussage des Gesetzgebers, die dem für "vertretbar" angesehenen Vorrang des § 52 SGB I entgegensteht.
Denn diese Vorschrift war ebenfalls bereits (als § 98 RegE-InsO) in dem Entwurf vorgesehen.
18
Aus den soeben zitierten Materialien ergibt sich ein Weiteres: Wenn "§ 52 SGB I … dem Aufrechnungsverbot des § 108 Nr. 2 des Entwurfs vorgeht", so kann das nur in dem Sinne verstanden werden, dass § 52 SGB I zumindest - wenn nicht gar eine Aufrechnungslage, so doch - eine Lage begründet, die einer Aufrechnungslage gleichwertig ist. Denn ein Aufrechnungsverbot setzt eine Aufrechnungslage voraus, ansonsten wäre es überflüssig (zutreffend BSGE 92, 1, 9).
19
cc) Sinn und Zweck der Regelung, welche die Aufrechnung in der Insolvenzordnung erfahren hat, verbieten nicht die Anerkennung einer Verrechnungslage , die bereits vor Insolvenzeröffnung bestand und vom Gesetz einer Aufrechnungslage gleich geachtet wird.
20
(1) Die Insolvenzordnung will Aufrechnungslagen schützen, die bereits im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestanden (§ 94 InsO). Wer zu diesem Zeitpunkt berechtigterweise darauf vertrauen durfte, gegen eine Forderung des Schuldners aufrechnen zu dürfen, soll in diesem Vertrauen nicht enttäuscht werden. Ordnet das Gesetz an, dass der nachmalige Insolvenzgläubiger die gegen ihn gerichtete Forderung auch durch Verrechnung mit der Forderung eines Dritten tilgen kann, ist das Vertrauen des Insolvenzgläubigers in vergleichbarer Weise schutzwürdig.
21
Allerdings hat der Senat entschieden, bei einer auf eine Konzernverrechnungsklausel gestützten Aufrechnung entstehe die Aufrechnungslage nicht, bevor die Aufrechnung erklärt worden sei (BGHZ 160, 107, 110; ebenso schon zur Konkursordnung BGHZ 81, 15, 19 f). Erst jetzt träten die zwei Forderungen einander aufrechenbar gegenüber. Konzernverrechnungsklauseln ähneln der Verrechnungsbefugnis nach § 52 SGB I insofern, als beide Male auf das Erfordernis der Gegenseitigkeit verzichtet wird, bei jenen aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung, bei dieser kraft gesetzlicher Anordnung.
22
Der hier zur Entscheidung stehende Sachverhalt unterscheidet sich jedoch von den Fällen der Konzernverrechnungsklausel in einem entscheidenden Punkt: Die Verrechnungslage besteht schon geraume Zeit. Die Verrechnungen werden auch tatsächlich bereits vorgenommen. Das Verfahren ist bis jetzt noch nicht eröffnet. Dies begründet das Vertrauen der weiteren Beteiligten, die durch das Gesetz angeordnete und bereits praktizierte Verrechnungsmöglichkeit werde nach der Insolvenzeröffnung weiter anerkannt.
23
Dass man es in Gestalt der Verrechnungsbefugnis des § 52 SGB I und der Konzernverrechnungsklauseln mit - insolvenzrechtlich gesehen - gleichrangigen Erscheinungen zu tun habe, die wertungsmäßig einheitlich zu beurteilen seien (so Windel KTS 2004, 563, 564), trifft auch sonst nicht zu. Konzernverrechnungsklauseln sind nicht insolvenzfest, weil mit ihnen die Aufrechnungsmöglichkeiten - zum Nachteil der anderen Gläubiger - vervielfacht werden können (BGH, Urt. v. 6. Dezember 1990 - IX ZR 44/90, NJW 1991, 1060, 1061). Mit der Aufrechnungsermächtigung an ein anderes Konzernunternehmen behält sich der Forderungsinhaber vor, gegebenenfalls seinerseits aufrechnen zu können. Eine solche Vervielfachung der "Aufrechnungs"-möglichkeiten ist hier nicht zu befürchten (zutreffend BSGE 92, 1, 7). Falls der Leistungsträger, der gegenwärtig das Arbeitslosengeld II auszahlt, nicht imstande ist, die Forderung des anderen Leistungsträgers, also der weiteren Beteiligten, zu verrechnen, kann dies niemand. Insbesondere kann dies die weitere Beteiligte selbst nicht, denn sie zahlt das Arbeitslosengeld II nicht aus. Da im vorliegenden Fall die "Aufrechnungs"-möglichkeiten nicht vervielfacht werden, versagt auch das vom Senat im Hinblick auf die Konzernverrechnungsklauseln verwendete Argument, deren Zulassung stehe in einem Spannungsverhältnis zu Art. 33 Nr. 17 EGInsO , mit dem der Konzernvorbehalt auf Verkäuferseite für nichtig erklärt wurde (vgl. jetzt § 449 Abs. 3 BGB).
24
Im Übrigen hat der Senat seine Rechtsprechung zu den Konzernverrechnungsklauseln maßgeblich darauf gestützt, diese hätten unter der Geltung der Konkursordnung nicht zu einer wirksamen Aufrechnung geführt, der Genese der Insolvenzordnung könne nicht der Wille des Gesetzgebers entnommen werden, daran etwas zu ändern (BGHZ 160, 107, 108, 110). Das muss dann - wie oben unter bb ausgeführt - auch umgekehrt gelten.
25
(2) Das Vertrauen der weiteren Beteiligten in die Insolvenzfestigkeit ihrer Verrechnungsbefugnis wäre nur dann unberechtigt, wenn die Insolvenzordnung Vorschriften enthielte, welche für die Zeit nach der Verfahrenseröffnung die gesetzliche Verrechnungsmöglichkeit nach § 52 SGB I eindeutig ausschlössen. Dies ist nicht der Fall.
26
Es ist bereits oben unter aa dargelegt worden, dass die Verwendung des Begriffs "aufrechnen" in §§ 94, 114 Abs. 2 InsO einer Anwendung auf die sozialrechtliche Verrechnung nicht entgegensteht.
27
Drittaufrechnungs- oder Verrechnungsbefugnisse sind auch nicht von vornherein aus dem Schutz des § 94 InsO ausgenommen (so jedoch Windel KTS 2004, 305, 310 ff ders. KTS 2004, 563, 565; Reher ZInsO 2004, 900, 902 f). Hinsichtlich der Konzernverrechnungsklauseln hat der Senat die vertrag- liche Abbedingung des Gegenseitigkeitserfordernisses nicht an § 94 InsO, sondern an der entsprechenden Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO scheitern lassen (BGHZ 160, 107, 112).
28
Des Weiteren widerspricht die Anerkennung der Verrechnungsmöglichkeit nicht dem die Insolvenzordnung beherrschenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Allerdings sind die Privilegien der öffentlichen Hand, die in der Konkursordnung noch Gültigkeit hatten, in der Insolvenzordnung weitgehend abgeschafft, zumindest stark eingeschränkt worden (darauf verweisen BayObLG NZI 2001, 367, 368; LG Göttingen NZI 2001, 267; vgl. jetzt aber § 28e Abs. 1 SGB IV in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze, BT-Drucks. 16/6540). Für die sich aus § 52 SGB I ergebende Befugnis ist eine derartige Einschränkung jedoch nicht erkennbar. Soweit die Ansicht vertreten worden ist, es wäre Aufgabe des Gesetzgebers gewesen, die Fortgeltung dieser Befugnis in der Insolvenz des Leistungsberechtigten anzuordnen (BayObLG NZI 2001, 367 f), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Es hätte umgekehrt nahe gelegen, dass der Gesetzgeber es ausgesprochen hätte, wenn die von § 52 SGB I verliehene Befugnis in der Insolvenz nicht hätte gelten sollen.
29
Deutlich wird dies durch einen Vergleich mit den Absonderungsrechten, denen die Aufrechnungsbefugnis ähnelt (BGHZ 160, 107, 111). Auch die Anerkennung von Absonderungsrechten widerspricht dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz. Es gibt jedoch eine Reihe von zur abgesonderten Befriedigung berechtigenden Rechtspositionen, die in der Insolvenzordnung nur dem Typus nach oder überhaupt nicht geregelt sind (zu letzteren zählen etwa die Ansprüche aus einer Versicherung für fremde Rechnung oder das Befriedigungsrecht des Kommissionärs, vgl. MünchKomm-InsO/Ganter, aaO vor §§ 49 bis 52 Rn. 16). Die Insolvenzordnung enthält insofern keine abschließende Regelung, sondern nur eine institutionelle Garantie der Absonderungsrechte (MünchKomm -InsO/Ganter, aaO vor §§ 49 bis 52 Rn. 9, 13). Ebenso wie diese Rechtspositionen in der Insolvenzordnung nicht eigens genannt sein müssen, um insolvenzrechtlich Bestand zu haben, kann auch nicht verlangt werden, dass die Verrechnungsbefugnis nach § 52 SGB I, weil sie dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz zuwiderläuft, in der Insolvenzordnung ausdrücklich anerkannt wird. Damit wird zugleich das Argument widerlegt, nach Einleitung eines Insolvenzeröffnungsverfahrens hätten die eine bevorzugte Befriedigung einschränkenden Bestimmungen der Insolvenzordnung spezialgesetzlichen Vorrang (so jedoch BayObLG NZI 2001, 367, 368; Häsemeyer aaO).
30
In diesem Zusammenhang gewinnt ferner Bedeutung, dass die Insolvenzordnung teilweise - auch und gerade auf dem Gebiet der Aufrechnung - den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung weiter eingeschränkt hat als zuvor die Konkursordnung. Sie verfolgt auch nicht das Ziel, "den Erhalt von Aufrechnungslagen im Insolvenzverfahren auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken" (so G. Pape EWiR 2001, 593, 594). So bestimmt § 94 InsO nunmehr ausdrücklich, dass nicht nur eine Aufrechnungslage kraft Gesetzes, sondern auch eine vertraglich vereinbarte insolvenzrechtlich Bestand hat. Außerdem erweitert § 114 Abs. 2 InsO die Aufrechnungsmöglichkeit, die nach dem früheren Recht durch § 55 Nr. 1 KO ausgeschlossen gewesen wäre. Eine Erweiterung der Aufrechnungsmöglichkeit - die sonst durch § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgeschlossen wäre - enthält auch die Vorschrift des § 110 Abs. 3 Satz 1 InsO (BGH, Urt. v. 21. Dezember 2006 - IX ZR 7/06, NZI 2007, 164, 165). Einem Ziel, das es - zumindest in der geltend gemachten Unbedingtheit - nicht gibt, kann die insolvenzrechtliche Anerkennung der sozialrechtlichen Verrechnungsmöglichkeit nicht widersprechen. Allerdings bezweckt die Insolvenzord- nung, zu größeren Verteilungsmassen beizutragen (MünchKomm-InsO/ Ganter, aaO § 1 Rn. 21). Dies kann jedoch nicht durch Umwertung von Rechten geschehen (MünchKomm-InsO/Ganter, aaO § 1 Rn. 48). Zwangseingriffe in gesicherte Rechtspositionen sind unzulässig.
31
dd) Da nur § 94 - und nicht § 114 Abs. 2 - InsO analog angewendet wird, versagt das Argument, als Ausnahmevorschrift sei § 114 Abs. 2 InsO keiner ausdehnenden Anwendung fähig (in diesem Sinne Mohrbutter aaO S. 329). § 94 InsO ist keine Ausnahmevorschrift.
32
ee) Ebenso wenig stichhaltig ist die Erwägung, die Zulassung der sozialrechtlichen Verrechnung in der Insolvenz lasse den Fiskus wegen der Verfahrenskosten leer ausgehen (Th. Fischer ZVI 2004, 415). Zum einen erhält der Sozialleistungsträger, der von seiner Verrechnungsmöglichkeit Gebrauch macht, nicht notwendig den gesamten pfändbaren Betrag des Einkommens des Schuldners. Zum andern droht dem Fiskus ein Ausfall nur, wenn er dem Schuldner die Verfahrenskosten gestundet und so die Eröffnung des Verfahrens ermöglicht hat. Die Stundungsregelung soll künftig entfallen (vgl. den am 22. August 2007 beschlossenen Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen).
33
ff) Eine Schlechterstellung der weiteren Beteiligten kann auch nicht mit der Erwägung verneint werden, die Ermächtigung zur Verrechnung wäre nach Insolvenzeröffnung anfechtbar (vgl. dazu Wenzel ZInsO 2006, 169, 175). Die Ermächtigung verschafft - weil gesetzlich vorgesehen - der weiteren Beteiligten eine kongruente Deckung. Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , dass eine während der "kritischen Zeit" im Wege der Zwangs- vollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung auch dann als inkongruent anzusehen ist, wenn die Vollstreckung auf einer spezialgesetzlichen Ermächtigung der Finanzbehörden beruht (BGHZ 157, 350, 351, 353; BGH, Beschl. v. 11. Oktober 2007 - IX ZR 87/06, NZI 2007, 721 Rn. 3). Im vorliegenden Fall war der Gläubiger jedoch bereits vor Beginn der "kritischen Zeit" gesichert. Dann kann die anschließende Befriedigung durch Zahlung nicht angefochten werden (BGHZ aaO).
34
3. Die Beschwerdeentscheidung ist somit aufzuheben; da nach dem festgestellten Sachverhältnis die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO), die erstinstanzliche Entscheidung ebenfalls aufheben und den Antrag auf Ersetzung der fehlenden Zustimmung der weiteren Beteiligten zurückweisen.
Ganter Gehrlein Vill Lohmann Fischer Vorinstanzen:
AG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 06.10.2006 - 3 IK 81/06 -
LG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 01.03.2007 - 1 T 281/06 -

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. Oktober 2008 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 6. Februar 2005 geändert.
2. Auf das Anerkenntnis der Beklagten werden ihre Bescheide vom 11. und 22. Mai 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2002 sowie der Bescheid vom 31. Januar 2002 aufgehoben.
3. Die Bescheide der Beklagten vom 15. Mai 2003, 2. März 2004, 15. Oktober 2004, 23. Mai 2005, 1. Juni 2007 und 9. Juni 2008 werden hinsichtlich der aufgrund der Verrechnung einbehaltenen Beträge aufgehoben.
4. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
5. Die Beklagte hat dem Kläger sieben Achtel seiner außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung eines Teils seiner Rentenansprüche (Nachzahlung und laufende Zahlungen) mit gegen ihn gerichteten Beitrags- und Nebenforderungen des beigeladenen Unfallversicherungsträgers.

2

Der im 1937 geborene Kläger ist verheiratet. Seine Ehefrau bezieht seit Juli 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) iHv (seinerzeit) 1 265,08 DM. Der von den Eheleuten für die gemeinsame Wohnung entrichtete Mietzins betrug ab Juni 2001 257,22 Euro, ab Oktober 2002 263,77 Euro und ab September 2004 247,35 Euro. Seit 2001 sind beim Kläger ein Grad der Behinderung von 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festgestellt.

3

Der Kläger war seit Mai 1990 als selbstständiger Handwerksmeister mit eigener Firma in L. tätig.

4

Mit Beschluss des Amtsgerichts L. vom 5.6.1996 wurde wegen Zahlungsunfähigkeit des Klägers über dessen Vermögen das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und mit Beschluss vom 26.9.2002 eingestellt.

5

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 10.10.1996 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) rückwirkend vom 1.5.1993 bis zum 31.10.1995, die allerdings aufgrund von Rehabilitationsmaßnahmen und Übergangsgeldbezug nur in der Zeit vom 29.3. bis zum 31.10.1995 zur Auszahlung kam. Seit 1.2.1996 bezog der Kläger eine Rente wegen EU auf Dauer (Bescheid vom 18.10.1996).

6

Mit Bescheiden vom 25.4.2001 stellte die Beklagte die Renten wegen BU und EU neu fest. Für die Rente wegen BU ergab sich eine Nachzahlung iHv 1 759,62 DM und für die Rente wegen EU iHv 24 727,83 DM.

7

Bereits mit Schreiben vom 23.8.1995 hatte die Beigeladene der Beklagten mitgeteilt, der Kläger schulde ihr aus seiner Mitgliedschaft "rechtswirksam festgestellte Beiträge zuzüglich Nebenforderungen (zB Säumnisgebühren, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) in Höhe von derzeit 43 982,50 DM", und die Beklagte zugleich zur Verrechnung gegen Geldleistungen ermächtigt, die der Kläger jetzt oder in Zukunft erhalte.

8

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Beigeladene mit Schreiben vom 9.5.2001 mit, dass ihre Ansprüche, derentwegen sie die Beklagte mit Schreiben vom 23.8.1995 zur Verrechnung ermächtigt hatte, "derzeit 66 635,31 DM" (= 34 070,09 Euro) betrügen, und bat die Beklagte nunmehr auf Grund der seinerzeitigen Ermächtigung um Verrechnung.

9

Die die Renten wegen BU und EU betreffenden Verrechnungen mit Bescheiden vom 11. und 22.5.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 sowie mit Bescheid vom 31.1.2002, gegen die der Kläger beim SG Leipzig Klage erhoben hatte (S 7 RJ 285/02), sind nach dem in der Revisionsverhandlung vom 7.2.2012 erklärten Anerkenntnis der Beklagten (s hierzu Nr 2 des Entscheidungssatzes) nicht mehr streitig.

10

Mit Bescheid vom 10.5.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1.7.2002 Regelaltersrente und verrechnete einen Betrag iHv monatlich 34,76 Euro; es verblieb ein monatlicher Auszahlungsbetrag iHv 820 Euro. Den Widerspruch des Klägers gegen die Verrechnung wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 zurück. Zur Begründung der Erhöhung des monatlichen Verrechnungsbetrags zum 1.7.2002 (gegenüber zuvor 20,80 Euro) führte die Beklagte aus, dass diese mit der Erhöhung des Rentenzahlbetrags aufgrund der Rentenanpassung zum 1.7.2002 einhergehe. Der Erhöhung des monatlichen Rentenzahlbetrags um 24,76 Euro auf 854,76 Euro stehe eine Erhöhung des aufgrund Verrechnung einbehaltenen Betrags von ca 14 Euro gegenüber. Im Ergebnis verbleibe dem Kläger ab 1.7.2002 mit monatlich 820 Euro ein höherer Rentenauszahlungsbetrag als bisher. Die besondere Einkommensgrenze des § 81 Abs 1 BSHG werde nicht unterschritten; der Kläger werde nicht sozialhilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt. Der monatliche Verrechnungsbetrag sei in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation des Klägers auch sachgerecht. Besondere Umstände, die eine für ihn günstigere Entscheidung im Rahmen der Ermessensausübung nach § 51 Abs 2 SGB I bei der Festsetzung des Verrechnungsbetrags rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Das öffentliche Interesse an der Einbehaltung von Rententeilen zur Tilgung von Beitragsforderungen überwiege. Auch gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage beim SG Leipzig erhoben (S 7 RJ 558/02).

11

Das SG hat mit Beschluss vom 19.11.2004 beide Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

12

Wegen "Änderungen in den Rentenberechnungsgrundlagen" ergingen in der Folgezeit weitere (Verrechnungs-)Bescheide der Beklagten. Ab 1.7.2003 erhöhte sich der Verrechnungsbetrag auf monatlich 54,91 Euro (Bescheid vom 15.5.2003), ab 1.4.2004 betrug er monatlich 49,29 Euro (Bescheid vom 2.3.2004), ab 1.12.2004 monatlich 51,16 Euro (Bescheid vom 15.10.2004), ab 1.7.2005 monatlich 46,95 Euro (Bescheide vom 23.5.2005 und 1.6.2007) und ab 1.7.2008 monatlich 58,39 Euro (Bescheid vom 9.6.2008); dabei verblieb von Juli 2007 bis Juni 2008 ein auszuzahlender Betrag iHv monatlich 814,49 Euro (Bescheid vom 1.6.2007), im Übrigen jeweils monatlich 810 Euro. Im Bescheid vom 15.5.2003 hatte die Beklagte ergänzend mitgeteilt, dass für die Ermittlung des verrechenbaren Betrags die auf volle Euro aufgerundeten Werte aus dem BSHG zugrunde gelegt worden seien. Dieser Wert werde nicht dynamisiert und betrage gegenwärtig 810 Euro. Der Bescheid vom 15.10.2004 enthielt den Hinweis, dass sich aufgrund der Senkung des Beitragssatzes zur Krankenversicherung ab dem 1.12.2004 eine höhere Nettorente ergebe (861,16 Euro). Der entstehende Differenzbetrag werde zur Tilgung der Forderung herangezogen (51,16 Euro). Im Bescheid vom 9.6.2008 hat die Beklagte mit Hinweis auf die zum 1.7.2008 durchgeführte Rentenanpassung ergänzend darauf hingewiesen, dass der monatliche Selbstbehalt des Klägers bei 810 Euro liege, sodass der "abzutrennende Betrag" sich ab 1.7.2008 auf 58,39 Euro erhöhe.

13

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 6.1.2005 (nicht - wie im Tenor versehentlich angegeben - vom 6.2.2005) die Klagen abgewiesen.

14

Das Sächsische LSG hat mit Urteil vom 14.10.2008 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die seit Juli 2001 von der Beklagten vorgenommene Verrechnung von Beitragsforderungen der Beigeladenen mit Rentenzahlungsansprüchen des Klägers sei rechtmäßig. Keine Bedenken bestünden gegen die Durchführung der Verrechnung durch Verwaltungsakt.

15

Die Voraussetzungen für eine Verrechnung lägen vor: Die Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen mit Schreiben vom 23.8.1995 (aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001) sei hinreichend bestimmt. Art und Umfang der Forderung seien so genau bezeichnet, dass die Beklagte in die Lage versetzt worden sei, eine substantiierte Verrechnungserklärung abzugeben.

16

Es bestehe eine Verrechnungslage. Die Forderungen der Beigeladenen seien bestandskräftig festgestellt. Gegen die entsprechenden Bescheide habe der Kläger Widerspruch nicht erhoben. Die Rentenansprüche, mit denen verrechnet worden sei, seien gleichartige Forderungen, die bindend bewilligt und fällig gewesen seien.

17

Entgegen der Ansicht des Klägers hindere das über sein Vermögen durchgeführte Gesamtvollstreckungsverfahren die Verrechnung nicht.

18

Ebenso wenig stehe der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens der Vollstreckungsschutz des § 18 Abs 2 S 3 Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) entgegen. Denn diese Norm bewirke Schutz nur gegen konkrete Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung, zu denen die Verrechnung nicht zähle. Zudem werde die Regelung des § 18 Abs 2 S 3 GesO - soweit wie hier mit Beitragsansprüchen verrechnet werde - durch die Sonderregelung des § 51 Abs 2 SGB I(iVm § 52 SGB I) verdrängt.

19

Der Kläger sei aufgrund der Verrechnung nicht sozialhilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw ab Januar 2005 im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden. Ausgehend von den im Freistaat Sachsen für den Haushaltsvorstand geltenden Regelsätzen und Mehrbedarfszuschlägen nach § 23 Abs 1 Nr 2 BSHG (bis 30.6.2002) und nach § 23 Abs 1 Nr 1 BSHG (ab 1.7.2002) sowie den auf ihn entfallenden anteiligen Unterkunftskosten von 125 Euro (inklusive Heizkosten) seien dem Kläger nach Abzug der jeweiligen Verrechnungsbeträge monatliche Geldmittel verblieben, die den Eintritt einer sozialhilferechtlichen Notlage ausschlössen. Im gesamten Verrechnungszeitraum bis zum 31.12.2004 habe er einen monatlichen Rentenauszahlungsbetrag erhalten, der seinen sozialhilferechtlichen Bedarf nach dem BSHG sogar bei bedarfssteigernder Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen überstiegen habe. Nach der ab Januar 2005 geltenden Rechtslage sei der Kläger verpflichtet, nachzuweisen, dass durch die Verrechnung Bedürftigkeit nach dem SGB XII eingetreten sei. Trotz entsprechender gerichtlicher Hinweise habe er diesbezügliche Nachweise nicht vorgelegt.

20

Ermessensfehler der Beklagten seien nicht ersichtlich. Sie habe das ihr eröffnete Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Dem öffentlichen Interesse an der Begleichung von Beitragsschulden und damit der Funktionsfähigkeit der Versicherungssysteme habe sie Vorrang vor dem privaten Interesse des Klägers an der ungeschmälerten Auszahlung seiner Rente gegeben, weil bei diesem keine außergewöhnliche soziale oder finanzielle Situation vorgelegen habe.

21

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 52 SGB I. Die Beklagte hätte die von der Beigeladenen geltend gemachten Forderungen nicht durch Verwaltungsakt mit seinen Rentenansprüchen verrechnen dürfen. Insoweit beruft er sich auf die Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 24.7.2003 (B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 1).

22
        

Auf Anfragebeschluss des erkennenden Senats vom 5.2.2009 (B 13 R 31/08 R) hat der 4. Senat mit Beschluss vom 22.9.2009 (B 4 SF 1/09 S) erklärt, er halte an seiner Auffassung fest, dass die Verrechnung nach § 52 SGB I nicht durch Verwaltungsakt erfolge. Der daraufhin vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 25.2.2010 (B 13 R 76/09 R) angerufene Große Senat (GrS) hat durch Beschluss vom 31.8.2011 (GS 2/10 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1200 § 52 Nr 4 vorgesehen) entschieden:    

"Der Leistungsträger darf die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten durchgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Geldleistungen nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt regeln."

23

Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, sich hierzu zu äußern.

24

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14.10.2008 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 6.1.2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002, den Bescheid vom 31.1.2002, den Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002, die Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 hinsichtlich der aufgrund der Verrechnung einbehaltenen Beträge aufzuheben.

25
        

In der Revisionsverhandlung am 7.2.2012, in der der Kläger nicht mehr vertreten war, hat die Beklagte das folgende Anerkenntnis abgegeben:        

        

Die Beklagte hebt folgende Bescheide hinsichtlich der aufgrund Verrechnung einbehaltenen Beträge auf:
die Bescheide vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 sowie den Bescheid vom 31.1.2002.

26

Im Übrigen hat sie beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

27

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie sieht sich durch die Entscheidung des GrS in ihrer Rechtsauffassung zur Erklärung einer Verrechnung durch Verwaltungsakt bestätigt.

Entscheidungsgründe

28

Die zulässige Revision des Klägers ist in dem im Urteilsausspruch genannten Umfang begründet.

29

Soweit die Beklagte die Bescheide vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 und den Bescheid vom 31.1.2002 hinsichtlich der aufgrund Verrechnung aus den Renten des Klägers wegen BU/EU einbehaltenen Beträge aufgehoben hat, war sie nach dem über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 307 S 1 ZPO ihrem Anerkenntnis entsprechend - ohne weitere Sachprüfung - zu verurteilen(vgl BSG vom 12.7.1988 - SozR 6580 Art 5 Nr 4 S 10 f; BSG vom 24.07.2003 - B 4 RA 62/02 R - juris RdNr 18; Senatsurteil vom 6.5.2010 - SozR 4-1300 § 48 Nr 19 RdNr 21 mwN, stRspr).

30

Auch das Begehren des Klägers, die Bescheide der Beklagten vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 hinsichtlich der aufgrund Verrechnung für die Zeit ab 1.7.2003 aus seiner Altersrente einbehaltenen Beträge aufzuheben, hat Erfolg. Die genannten Bescheide erweisen sich insoweit als rechtswidrig. Richtige Klageart ist hier die reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Alt 1 SGG). Denn mit der Aufhebung der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte steht fest, dass die verrechneten Beträge auf Grund der Rentenbewilligung an den Kläger auszuzahlen sind.

31

Im Übrigen ist die Revision des Klägers unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 ist hinsichtlich des für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 aufgrund Verrechnung aus seiner Regelaltersrente jeweils einbehaltenen monatlichen Betrags iHv 34,76 Euro rechtmäßig.

32

1. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass die Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 SGG in seiner bis zum 31.3.2008 geltenden und hier insoweit noch maßgeblichen Fassung (aF) Gegenstand des Verfahrens geworden sind.

33

Dem steht nicht entgegen, dass diese nicht den mit der Klage (ursprünglich) angefochtenen Bescheid vom 10.5.2002 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002) abgeändert oder ersetzt hat, sondern andere Verrechnungszeiträume erfassen. Denn nach der bis zum 31.3.2008 geltenden Rechtslage hatte das BSG in ständiger Rechtsprechung eine entsprechende Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (aF) im Interesse einer sinnvollen Anwendung der Prozessökonomie bzw eines schnellen und zweckmäßigen Verfahrens dann zugelassen, wenn der ursprüngliche Bescheid zwar nicht abgeändert oder ersetzt wurde, der spätere Bescheid aber im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses erging und ein streitiges Rechtsverhältnis regelte, das im Kern dieselbe Rechtsfrage betraf und sich an den vom ursprünglichen Bescheid erfassten Zeitraum anschloss(vgl etwa BSG vom 17.11.2005 - SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 16 f mwN). Diese Voraussetzungen werden von den Verrechnungs-Folgebescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005 und 1.6.2007 erfüllt.

34

Ob auch der Bescheid vom 9.6.2008 in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (aF) noch Gegenstand des Verfahrens geworden ist, kann dahingestellt bleiben. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Kläger eine Rechtsposition erworben hätte, die ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer Anwendung des § 96 SGG in seiner bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung begründen könnte. Denn eine analoge Anwendung des § 96 SGG für nicht ändernde oder ersetzende Folgebescheide scheidet seit 1.4.2008 durch die mit Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I 444) neu eingeführte Fassung aus (BSG vom 16.12.2009 - B 7 AL 146/09 B - RdNr 7 f).

35

Dies bedarf hier aber keiner näheren Erörterung. Die Nichtanwendbarkeit des § 96 Abs 1 SGG schließt es nämlich nicht aus, dass ein Folgebescheid im Wege einer (gewillkürten) Klageänderung nach § 99 Abs 1 iVm Abs 2 SGG zum Gegenstand des anhängigen Prozesses gemacht wird, wenn die übrigen Beteiligten - wie hier - nicht widersprochen und sich auf die Klageerweiterung, die auch im Berufungsverfahren noch möglich ist(vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 99 RdNr 12), eingelassen haben (vgl BSG vom 21.3.1978 - SozR 4600 § 143d Nr 3 S 9 f; BSG vom 7.2.1996 - SozR 3-2500 § 85 Nr 12 S 75 f; BSG vom 20.3.1996 - BSGE 78, 98, 103 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 38 f; Leitherer, aaO, § 96 RdNr 9b, 11e).

36

Allerdings hätte das LSG über die während des Berufungsverfahrens ergangenen und Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheide der Beklagten vom 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 nicht auf Berufung, sondern erstinstanzlich "auf Klage" entscheiden müssen (vgl BSG vom 30.1.1963 - BSGE 18, 231, 234 f = SozR Nr 17 zu § 96 SGG; BSG vom 27.1.1999 - SozR 3-2400 § 18b Nr 1 S 3; Senatsurteil vom 20.10.2010 - SozR 4-6480 Art 22 Nr 2 RdNr 23, stRspr).

37

2. Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger - hier die Beklagte - mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers - hier der Beigeladenen - dessen Ansprüche gegen den Berechtigten - also den Kläger - mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Gemäß § 51 Abs 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen - hier auf Rentenauszahlung - mit Ansprüchen (jeder Art) gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen und - wie hier - mit Beitragsansprüchen nach dem SGB kann der zuständige Leistungsträger nach § 51 Abs 2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig nach den Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird (bis 31.12.2004); ab 1.1.2005 kann der zuständige Leistungsträger entsprechend aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig nach den Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird (§ 51 Abs 2 SGB I in der jeweiligen Fassung).

38

3. Der Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 sowie ihre Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 - jeweils über Verrechnungen mit der Regelaltersrente des Klägers - waren nicht deswegen rechtswidrig und aufzuheben, weil die Verrechnung nicht durch Verwaltungsakt hätte erfolgen dürfen. Vielmehr konnte die Beklagte die Verrechnung einseitig nur in dieser Handlungsform (und nicht durch sog öffentlich-rechtliche Willenserklärung) vornehmen (dazu unter a). Es bestand eine Verrechnungslage (dazu unter b). Die Beklagte war nicht gehindert, die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen auf rückständige Beiträge auf unpfändbare Teile der Rentenzahlungsansprüche des Klägers zu erstrecken. Ebenso wenig stand der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO entgegen(dazu unter c). Die Beklagte hat bei der mit dem Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 durchgeführten Verrechnung das ihr gemäß § 52 iVm 51 Abs 2 SGB I zustehende Ermessen erkannt und pflichtgemäß ausgeübt(§ 39 Abs 1 SGB I). Dies gilt jedoch nicht für die weiteren streitgegenständlichen Verrechnungs-Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008; diese erweisen sich vielmehr als ermessensfehlerhaft. Denn es fehlen Ausführungen, die eine ordnungsgemäße Ermessensbetätigung erkennen lassen (dazu unter d). Dahingestellt bleiben kann, ob die letztgenannten Bescheide auch deshalb rechtswidrig sind, weil die Beklagte vor ihrem Erlass den Kläger nicht angehört (§ 24 Abs 1 SGB X) und dies auch nicht bis zum Abschluss des LSG-Verfahrens nachgeholt hat (§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X; dazu unter e). Der Kläger ist durch die mit Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 vorgenommene Verrechnung mit einem monatlichen Einbehalt iHv 34,76 Euro bei einem verbleibenden Rentenauszahlungsbetrag iHv 820 Euro nicht hilfebedürftig nach den hier noch maßgeblichen Bestimmungen des BSHG zur laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt geworden (dazu unter f).

39

a) Die Beklagte war berechtigt, auf die Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen vom 23.8.1995, in der Forderungshöhe aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001, deren Beitrags- und Nebenforderungen iHv insgesamt 66 635,31 DM (= 34 070,09 Euro) mit Rentenansprüchen des Klägers durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zu verrechnen (dazu unter aa). Die Verrechnungs-Verwaltungsakte waren auch inhaltlich hinreichend bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X(dazu unter bb).

40

aa) Die Beklagte hat die Verrechnung zu Recht durch Verwaltungsakt geregelt (vgl BSG - GrS - vom 31.8.2011 - GS 2/10 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1200 § 52 Nr 4 vorgesehen - RdNr 15 ff).

41

(1) Nach § 31 S 1 SGB X ist ein "Verwaltungsakt … jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist". Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen liegt bei einem Verrechnungs-Bescheid darin, dass die durch sie erklärte Verrechnung eine unmittelbare Wirkung auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten (hier des Klägers) hat, diesen nämlich hinsichtlich der im Rentenbescheid festgelegten Art und Weise der Erfüllung (dh - wie in der Regel, vgl § 47 SGB I - durch Überweisung auf das dort benannte Konto des Empfängers bei einem Geldinstitut) modifiziert(vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB X) und zum Erlöschen bringt, soweit die Verrechnung reicht und wirksam wird (Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R - RdNr 17; BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO - RdNr 15). Das Tatbestandsmerkmal "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" in § 31 S 1 SGB X ist erfüllt, weil § 52 SGB I eine spezifische Gestaltung von Rechtsbeziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger (wie die Beklagte) ermöglicht. Die Erklärung einer Verrechnung nach § 52 SGB I enthält schließlich eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihrem Adressaten - dem Sozialleistungsempfänger - in dieser Form ihrer Art nach zusteht(vgl Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - aaO; BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO). Im Übrigen ist - anders als im Zivilrecht - nach dem SGB I die Verrechnung (§ 52 SGB I) ebenso wie die Aufrechnung (§ 51 SGB I) nicht nur davon abhängig, dass sich der verrechnende (aufrechnende) Leistungsträger hierfür frei entscheidet und dies erklärt. Vielmehr ist ihre Ausübung an die Betätigung pflichtgemäßen Ermessens gebunden (§ 52 iVm § 51 Abs 1 Halbs 1, Abs 2 Halbs 1 SGB I: "kann") und zudem gemäß § 51 Abs 1 Halbs 2 SGB I an die Pfändbarkeit der Geldleistungen bzw gemäß § 51 Abs 2 SGB I an die Höhenbegrenzung (bis zur Hälfte der laufenden Geldleistungen) sowie das Nichteintreten von Hilfebedürftigkeit aufgrund der Verrechnung (Aufrechnung).

42

(2) Auch der Gesetzgeber sieht in der Durchführung einer Verrechnung nach § 52 SGB I einen Verwaltungsakt. Dies ergibt sich aus der Regelung des § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, die durch das Zweite Gesetz zur Änderung des SGB vom 13.6.1994 (BGBl I 1229) mit Wirkung ab 18.6.1994 eingefügt wurde. Spätestens mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber klarstellend von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, die Verrechnung (Aufrechnung) für den Bereich des Sozialrechts der Handlungsform "Verwaltungsakt" zu unterstellen.

43

Nach § 24 Abs 1 SGB X ist (nur) vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zur Äußerung zu geben; dies gilt jedoch nach Abs 2 Nr 7 der Vorschrift nicht, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als (in der ursprünglichen Fassung: 100 DM, jetzt:) 70 Euro (aufgerechnet oder) verrechnet werden soll. Hieraus kann nur geschlossen werden, dass - unabhängig von der Höhe - die Verrechnung nach § 52 SGB I (ebenso wie die Aufrechnung nach § 51 SGB I) durch Verwaltungsakt zu erklären ist(vgl ferner die Entwurfsbegründung zu § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, BT-Drucks 12/5187 S 35 - Zu Art 6, Zu Nr 1, wonach "materielle Einwände gegen die Aufrechnung bzw Verrechnung … im Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden" können). An den hierin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers sind die Gerichte gemäß Art 20 Abs 3 GG selbst dann gebunden, wenn sie eine solche Zuordnung aufgrund rechtssystematischer Erwägungen für unzutreffend oder aus praktischen Überlegungen heraus für unerwünscht halten sollten (vgl Wolff/Brink in Bader/Ronellenfitsch, Komm zum VwVfG, 2010, § 35 RdNr 28 f; U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 35 RdNr 13 - beide unter Hinweis auf BVerwGE 70, 77, 82; zur Respektierung der gesetzgeberischen Grundentscheidung s auch BVerfGE 128, 193, 210).

44

Im Übrigen hat der Gesetzgeber erst jüngst in § 42a Abs 2 S 2 bzw § 43 Abs 4 S 1 SGB II(mit Wirkung ab 1.4.2011 idF von Art 2 Nr 32 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453) ausdrücklich angeordnet, dass Aufrechnungen im Sozialleistungsbereich des SGB II "durch Verwaltungsakt zu erklären" sind. Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber damit für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine vom allgemeinen Sozialverwaltungsverfahrensrecht abweichende Sonderregelung hat treffen wollen, finden sich in den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren an keiner Stelle (vgl BT-Drucks 17/3404 S 117 - zu § 43, zu Abs 3; BT-Drucks 17/3958 S 19 - zu Art 2 Nr 32 <§ 42a Abs 2 S 2 SGB II>; BT-Drucks 17/4095 S 35 - zu Buchst n, zu Doppelbuchst cc <§ 42a Abs 2 SGB II>).

45

(3) Einer über die Bestimmung des § 52 SGB I hinausgehenden ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für den Erlass eines Verwaltungsakts mit dem Inhalt der Verrechnung bedarf es nicht(s hierzu BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO - RdNr 16 ff).

46

bb) Die Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten waren iS des § 33 Abs 1 SGB X "inhaltlich hinreichend bestimmt".

47

Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde regeln will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts Klarstellungsfunktion zu. Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss ( BSG vom 6.2.2007 - SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 38; BSG vom 17.12.2009 - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN, stRspr).

48

Nach diesen Maßstäben sind die angefochtenen Verrechnungs-Bescheide inhaltlich hinreichend bestimmt. Denn sie erklären die Verrechnung bestimmter, von der Beklagten dem Kläger geschuldeter Rentenleistungen mit einer - nach Art und Umfang - bestimmten, weil betragsmäßig im Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 genau bezifferten (Gesamt-)Forderung der Beigeladenen aus rückständigen Beiträgen zuzüglich Nebenforderungen (Säumniszuschläge, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) iHv (insgesamt) 66 635,31 DM (= 34 070,09 Euro).

49

Aus den Verfügungssätzen der hier streitgegenständlichen Verwaltungsakte konnte der Kläger ohne weiteres den jeweiligen (monatlichen) Verrechnungsbetrag und den ihm aufgrund der Verrechnung mit den Forderungen der Beigeladenen noch verbleibenden (monatlichen) Rentenauszahlungsbetrag entnehmen. Damit war für ihn klar ersichtlich, dass und in welchem Umfang seine Rentenzahlungsansprüche gegen die Beklagte und damit korrespondierend die gegen ihn bestehenden Forderungen der Beigeladenen durch die Verrechnung jeweils erloschen waren (entsprechend § 389 BGB).

50

Unschädlich ist insoweit, dass der - aufgehobene - (Ausgangs-)Bescheid vom 11.5.2001 und der - ebenfalls aufgehobene - Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 in der Höhe der zur Verrechnung gestellten (Gesamt-)Forderung insoweit differieren, als der Bescheid von einer "offene(n) Forderung in Höhe von derzeit 66.635,31 DM zuzüglich weiterer Kosten wie Zinsen, Säumniszuschläge usw." spricht, während nach dem Widerspruchsbescheid - entsprechend der in der Forderungshöhe aktualisierten Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen - die genannte Summe neben den Beiträgen auch die "Säumniszuschläge und sonstige Nebenforderungen" erfasst. Denn ausschlaggebend ist der (mit der Klage angefochtene) "ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat" (§ 95 SGG).

51

Dass die weiteren streitgegenständlichen Verrechnungs-Bescheide die zur Verrechnung gestellte Forderung der Beigeladenen nicht mehr beziffern, steht ihrer hinreichenden Bestimmtheit iS des § 33 Abs 1 SGB X nicht entgegen, da sich deren Ausgangshöhe (für den Kläger klar erkennbar) aus dem Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 ergab und deshalb - auf Verlangen des Klägers jederzeit - auch "bestimmt" werden konnte, in welchem Umfang die Gesamtforderung der Beigeladenen iHv 66 635,31 DM durch die bis dahin erfolgte Verrechnung mit den Rentenzahlungsansprüchen des Klägers bereits erloschen war.

52

Für die hinreichende Bestimmtheit der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten ist nicht notwendig, dass sie die zur Verrechnung gestellte(n) Forderung(en) der Beigeladenen im Einzelnen - nach Umfang, Entstehungszeitpunkt, Bezugszeitraum oder Fälligkeit - aufschlüsseln. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die bezifferte Gesamtsumme ohne Weiteres mit bestehenden, ihr Art nach benannten Einzelforderungen aufgefüllt werden kann. Insoweit ist ausreichend, dass die zur Verrechnung gestellten Forderungen des anderen Leistungsträgers bestimmbar sind. Denn eine Verrechnung kann - ebenso wie eine Aufrechnung - bei Bestehen mehrerer Forderungen (auch) erklärt werden, ohne (zunächst) im Einzelnen aufzeigen zu müssen, mit welcher (Einzel-)Forderung zuerst verrechnet werden soll (vgl BFH vom 3.11.1983 - BFHE 140, 10 f; BFH vom 6.2.1990 - BFHE 160, 108, 112; BFH vom 4.2.1997 - BFHE 182, 276, 278; alle zur Aufrechnung).

53

Hiergegen kann nicht eingewendet werden, dass dadurch die Rechtsverteidigung gegen Verrechnungs-Verwaltungsakte unzumutbar beeinträchtigt werde. Denn dem insoweit Beschwerten bleibt es unbenommen, im Vor- und Klageverfahren geltend zu machen, die zur Verrechnung gestellte (Gesamt-)Forderung des anderen Leistungsträgers bestehe nach Grund oder Höhe ganz oder teilweise nicht (bzw nicht mehr). Dann mag der verrechnende Leistungsträger darlegen und nachweisen, welche Forderungen ihm aufgrund der Ermächtigung des anderen Leistungsträgers zur Verrechnung zur Verfügung gestanden haben. Ist streitig, ob (und ggf welche) bzw in welchem Umfang Forderungen durch Verrechnung (bereits) erloschen sind, so ist die Konkretisierung (bzw Individualisierung) der Forderungen, mit denen die Verrechnung durch Verwaltungsakt erklärt wurde, unumgänglich. Denn nur auf diese Weise kann festgestellt werden, ob und inwieweit eine Verrechnungslage (entsprechend § 387 BGB)bestanden hat und wann bei mehreren Forderungen welche (ggf in entsprechender Anwendung des § 396 Abs 1 S 2 iVm § 366 Abs 2 BGB) durch Verrechnung - ganz oder teilweise - erloschen sind.

54

b) Vorliegend bestand ab 1.7.2002 objektiv eine Verrechnungslage (entsprechend § 387 BGB).

55

Eine solche ist gegeben, wenn der zur Verrechnung ermächtigende Leistungsträger die ihm gebührende Geldzahlung fordern und wenn der die Verrechnung erklärende Träger die ihm obliegende Geldzahlung bewirken kann. Die Forderung, mit der verrechnet wird (hier: Forderung der Beigeladenen gegen den Kläger), muss entstanden und fällig sein; die gleichartige Forderung, gegen die (durch Einbehaltung mittels Verwaltungsakts) verrechnet werden soll (hier: Zahlungsanspruch des Klägers aus der Regelaltersrente gegen die Beklagte), muss zwar nicht fällig, aber entstanden und erfüllbar sein (vgl BSG vom 5.9.2006 - BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 26).

56

Diese Voraussetzungen lagen hier ab dem oben genannten Zeitpunkt vor. Die von der Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen vom 23.8.1995 (aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001) erfassten und gegen den Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung rückständiger Beiträge (und der Nebenforderungen) iHv insgesamt 66 635,31 DM waren entstanden und fällig; sie sind von der Beigeladenen gegenüber dem Kläger durch Verwaltungsakte bestandskräftig festgestellt worden (§ 77 SGG). Die Zahlungsansprüche des Klägers aus der ihm bindend mit Rentenbescheid vom 10.5.2002 zuerkannten Regelaltersrente waren am Ersten eines jeden Monats jeweils entstanden und erfüllbar (vgl § 272a Abs 1 SGB VI idF des 3. SGB VI-ÄndG vom 27.12.2003 ).

57

c) Die Beklagte war nicht gehindert, die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen auf rückständige Beiträge auf unpfändbare Teile der Rentenzahlungsansprüche des Klägers zu erstrecken (dazu unter aa). Ebenso wenig stand der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO entgegen(dazu unter bb).

58

aa) Die Verrechnung mit den Beitragsforderungen der Beigeladenen war nicht deshalb rechtswidrig, weil die monatlichen Rentenzahlungsansprüche ab 1.1.2002 durchgängig unter der gemäß § 850c Abs 1 S 1 ZPO iVm § 54 Abs 4 SGB I für den Kläger maßgeblichen Pfändungsfreigrenze von monatlich 930 Euro (ab 1.7.2005: 985,15 Euro) lagen. Denn mit den Vorschriften der §§ 52, 51 Abs 2 SGB I hat der Gesetzgeber den Sozialleistungsträgern zur Durchsetzung ihrer Beitrags- und Erstattungsforderungen die Möglichkeit eröffnet, ohne Bindung an die Pfändungsfreigrenzen der ZPO auch mit dem unpfändbaren Teil einer laufenden Geldleistung bis zu deren Hälfte und bis zur Grenze der Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw ab 1.1.2005 im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II aufzurechnen bzw zu verrechnen.

59

Die Regelungen in §§ 52, 51 Abs 2 SGB I bezwecken eine Privilegierung der Sozialleistungsträger(vgl grundlegend BSG vom 19.1.1978 - BSGE 45, 271, 273 ff = SozR 1200 § 51 Nr 3 S 4 ff; BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 10 f; BSG vom 27.3.1996 - BSGE 78, 132, 135 f = SozR 3-1200 § 51 Nr 5 S 17 f), wenn dem Versicherten bestimmte "systemerhaltende" Gegenansprüche (Beitragsansprüche, Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen) des zuständigen oder eines anderen Leistungsträgers entgegengehalten werden können. Die oben genannten Grenzen (höchstens bis zur Hälfte der laufenden Geldleistung, kein Hervorrufen der Hilfebedürftigkeit nach dem BSHG) hat die Beklagte bei der Verrechnung der laufenden Zahlungsansprüche des Klägers auf Regelaltersrente mit den Beitragsansprüchen der Beigeladenen im hier (noch) maßgeblichen Zeitraum nicht überschritten (s dazu näher unter f).

60

bb) Nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens stand der Verrechnung die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO nicht entgegen.

61

Zwar mag die Möglichkeit eines Rentenversicherungsträgers, Beitrags- und Erstattungsforderungen eines anderen Leistungsträgers mit dem unpfändbaren Teil des Rentenzahlungsanspruchs nach Maßgabe des § 51 Abs 2 SGB I verrechnen zu können, zu Friktionen mit der in § 18 Abs 2 S 3 GesO geregelten (begrenzten) Restschuldbefreiung führen, wonach eine "Vollstreckung" hinsichtlich der "Altschulden" grundsätzlich nur stattfindet, "soweit der Schuldner über ein angemessenes Einkommen hinaus zu neuem Vermögen gelangt" ist.

62

Das LSG hat aber zu Recht einen Vollstreckungsschutz des Klägers nach § 18 Abs 2 S 3 GesO verneint.

63

Dies folgt bereits daraus, dass diese Vorschrift schon nach ihrem Wortlaut Schutz nur gegen konkrete Maßnahmen der "Vollstreckung" bietet (LSG Berlin-Brandenburg vom 4.10.2007 - L 8 B 1205/07 ER - juris RdNr 28; Brandenburgisches OLG vom 20.5.1998 - 13 U 35/97 - juris RdNr 15; OLG Celle vom 12.5.2000 - 4 W 85/00 - juris RdNr 19; Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO, 4. Aufl 1998, § 18 RdNr 53). Auch nach Art 108 Abs 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (InsO) ist die "Vollstreckungsbeschränkung" des § 18 Abs 2 S 3 GesO nach dem 31.12.1998 nur bei einer "Zwangsvollstreckung" gegen einen Schuldner, über dessen Vermögen ein Gesamtvollstreckungsverfahren durchgeführt worden ist, zu beachten. Die Verrechnung ist aber - ebenso wie die Aufrechnung - keine Maßnahme der "Vollstreckung" iS der Vorschriften der ZPO oder anderer Verfahrensgesetze über die Zwangsvollstreckung (vgl BGH vom 26.5.1971 - NJW 1971, 1563; BVerwG vom 13.10.1971 - DÖV 1972, 573, 574; BFH vom 3.11.1983 - BFHE 140, 9 f; LSG Berlin-Brandenburg vom 4.10.2007 - L 8 B 1205/07 ER - juris RdNr 22, 28; FG Düsseldorf vom 10.11.2004 - 18 K 321/04 AO - juris RdNr 21; Martini in juris PR-InsR 19/2009 vom 24.9.2009, Anm 1 unter C).

64

Zwar ist die Verrechnung - ebenso wie die Aufrechnung - ein der Zwangsvollstreckung ähnlicher, außergerichtlicher Zugriff auf die Gegenforderung, eine Forderungsdurchsetzung im Wege der Selbsthilfe (vgl BGH vom 26.5.1971, aaO; BGH vom 13.6.1995 - BGHZ 130, 76, 80 mwN). Mit der Vorschrift des § 51 Abs 2 SGB I hat der Gesetzgeber jedoch - wie oben aufgezeigt - die Sozialleistungsträger bei der Durchsetzung von Beitrags- und Erstattungsforderungen im Wege der Aufrechnung bzw Verrechnung gegenüber anderen Gläubigern privilegiert, denen (bereits) durch die Unpfändbarkeit die Möglichkeit versperrt ist, ihre Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Dass das (beschränkte) Restschuldbefreiungsverfahren des § 18 Abs 2 S 3 GesO darauf abzielt, dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neubeginn zu ermöglichen (OLG Celle vom 12.5.2000 - 4 W 85/00 - juris RdNr 19; Hess/Binz/Wienberg, GesO, 4. Aufl 1998, § 18 RdNr 105),steht der sich aus § 51 Abs 2 SGB I ergebenden Aufrechnungs- bzw Verrechnungsbefugnis nicht entgegen. Denn anderenfalls wäre den Sozialleistungsträgern im Falle einer Privatinsolvenz des Versicherten bzw Schuldners (sogar) nach Abschluss des Gesamtvollstreckungsverfahrens stets die Möglichkeit versperrt, den unpfändbaren Teil der Ansprüche auf laufende Rentenleistungen mit Beitrags- und Erstattungsforderungen aufrechnen bzw verrechnen zu können, obwohl diese unterhalb der Pfändungsfreigrenzen liegenden Rentenzahlungen zuvor nicht zur Gesamtvollstreckungsmasse (vgl § 1 Abs 1 S 2 GesO) gehörten und somit während des Gesamtvollstreckungsverfahrens grundsätzlich gemäß §§ 52, 51 Abs 2 SGB I bis zur Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit aufgerechnet bzw verrechnet werden konnten. Dann aber würde es einen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens in der Restschuldbefreiungsphase das Postulat einer - zuvor nicht bestehenden - Gläubigergleichbehandlung ein Verrechnungsverbot bedingen sollte (vgl LSG Berlin-Brandenburg vom 27.7.2009 - L 33 R 204/09 B ER, L 33 R L 33 R 207/09 B PKH - juris RdNr 26; SG Dortmund vom 21.2.2008 - S 26 R 320/06 - juris RdNr 41, beide zur Zulässigkeit der Verrechnung bzw Aufrechnung während der Restschuldbefreiungsphase nach der InsO). Auch wären die Grenzen zwischen einer Aufrechnung bzw Verrechnung mit Erstattungs- oder Beitragsforderungen nach § 51 Abs 2 SGB I(iVm § 52 SGB I) und einer solchen mit sonstigen Geldforderungen nach § 51 Abs 1 SGB I(iVm § 52 SGB I) verwischt und das damit verbundene Privileg des mit Beitrags- oder Erstattungsansprüchen aufrechnenden bzw verrechnenden Sozialleistungsträgers in der Privatinsolvenz (faktisch) aufgehoben.

65

d) Die einseitig durch Verwaltungsakt geregelte Verrechnung steht - ebenso wie die Aufrechnung - im pflichtgemäßen Ermessen des sie durchführenden Leistungsträgers; insoweit handelt es sich bei dem "Kann" in § 52 Halbs 1 und § 51 Abs 1 Halbs 1, Abs 2 Halbs 1 SGB I um ein sog "Ermessens-Kann"(vgl Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R - RdNr 18; vgl bereits BSG vom 16.9.1981 - BSGE 52, 98, 102 = SozR 1200 § 51 Nr 11 S 27; BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 11; BSG vom 21.7.1988 - BSGE 64, 17, 23 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 39; LSG Berlin-Brandenburg vom 4.6.2009 - L 17 R 48/09 - juris RdNr 52; LSG Baden-Württemberg vom 2.7.2009 - L 10 R 2467/08 - juris RdNr 19; ebenso Seewald in Kasseler Komm, SGB I, § 51 RdNr 13a, Stand Einzelkommentierung Oktober 2010; Pflüger in juris PK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 51 RdNr 64-67, Stand Einzelkommentierung Januar 2012 mwN - unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 51 SGB I in BT-Drucks 7/868, S 32: "Der Leistungsträger hat bei der Ausübung seines Ermessens, ob und in welchem Umfang er aufrechnet, auch den Zweck der einzelnen Sozialleistung zu berücksichtigen; …").

66

Mit der Einräumung "echten Ermessens" steht dem die Verrechnung durch Verwaltungsakt regelnden Leistungsträger eine breite Handlungsmöglichkeit hinsichtlich des Ob und des Umfangs einer Verrechnung zur Verfügung, um so die Besonderheiten des Einzelfalls und insbesondere die wirtschaftliche Situation des Leistungsempfängers angemessen berücksichtigen zu können. Dabei ist das Verrechnungsermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs 1 S 1 SGB I). Damit korrespondierend hat der Leistungsempfänger einen Anspruch auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 S 2 SGB I). In diesem (eingeschränkten) Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle, insbesondere auf Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch (vgl § 54 Abs 2 S 2 SGG).

67

Die Anforderungen an eine Ermessensentscheidung sind für die mit Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 durchgeführte Verrechnung (noch) zu bejahen (dazu unter aa), nicht hingegen für die in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 getroffenen Verrechnungs-Entscheidungen (dazu unter bb). Die Beklagte durfte in diesen Bescheiden auch nicht ausnahmsweise auf eine Begründung verzichten (dazu unter cc).

68

aa) Nach der Begründung im Widerspruchsbescheid (vgl § 95 SGG) hat die Beklagte erkannt, dass ihr im Rahmen der nach § 52 SGB I zu treffenden Verrechnungs-Entscheidung Ermessen zusteht und sie nicht verpflichtet ist, den für die Verrechnung mit den Beitragsforderungen der Beigeladenen nach § 51 Abs 2 SGB I gesetzten Rahmen der Höhe nach in jedem Fall auszuschöpfen(vgl in diesem Sinne bereits BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 11). Zwar hat sie die Beitragsforderungen der Beigeladenen mit unpfändbaren Rentenzahlungsansprüchen des Klägers verrechnet; sie hat sich jedoch bei der Festsetzung der monatlichen Verrechnungsbeträge ausdrücklich an der besonderen - für den Kläger eigentlich nicht einschlägigen - Einkommensgrenze des § 81 Abs 1 BSHG orientiert. Dem Kläger verblieb in dem hier maßgeblichen Verrechnungszeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 damit deutlich mehr als die zulässige Grenze der laufenden Sozialhilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG (s hierzu unter f). Im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen hat die Beklagte dem öffentlichen Interesse an der Begleichung der Beitragsschulden und damit der Funktionsfähigkeit der im Wesentlichen beitragsfinanzierten Sozialversicherungssysteme nur insoweit den Vorrang vor dem privaten Interesse des Klägers an der ungeschmälerten Auszahlung seiner Altersrente gegeben. Eine über die ohnehin von Gesetzes wegen zu beachtende Sozialhilfebedürftigkeitsgrenze hinausgehende außergewöhnliche soziale oder finanzielle Situation hatte der Kläger nicht vorgetragen; sie ist auch nicht ersichtlich.

69

bb) Demgegenüber sind in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 keinerlei Ermessenserwägungen der Beklagten zu den dort von ihr geregelten Verrechnungen enthalten.

70

Die Ausführungen in den Bescheiden geben keine Hinweise darauf, dass die Beklagte überhaupt erkannt hat, dass es sich auch bei den dortigen (Folge-)Verrechnungen um Ermessensentscheidungen handelt; sie hat jedenfalls keine entsprechenden Begründungen (mehr) gegeben, obwohl sie zB im Bescheid vom 15.5.2003 den ab 1.7.2003 einbehaltenen Verrechnungsbetrag von zuvor monatlich 34,76 Euro auf monatlich 54,91 Euro und damit um 20,15 Euro (ca 58 %) erhöht sowie den Rentenauszahlungsbetrag von zuvor monatlich 820 Euro auf monatlich 810 Euro reduziert hat. Der pauschale Hinweis der Beklagten, dass für die Ermittlung des verrechenbaren Betrags die auf volle Euro aufgerundeten Werte aus dem BSHG zugrunde gelegt worden seien, dieser Wert nicht dynamisiert werde und gegenwärtig 810 Euro betrage, reicht nicht aus. Entsprechendes gilt für die Hinweise zu den Verrechnungen in den Bescheiden vom 15.10.2004 und 9.6.2008 im Hinblick auf die Senkung des Beitragssatzes (zur Krankenversicherung) bzw die Rentenanpassung.

71

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Beklagte bei Erlass der Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 überhaupt kein Ermessen (mehr) ausgeübt hat oder ihr betätigtes Ermessen in diesen Bescheiden lediglich nicht begründet hat. Denn in beiden Fällen treten dieselben Rechtsfolgen der Anfechtung ein; die Bescheide sind im Hinblick auf die Ermessensausübung nicht hinreichend begründet iS des § 35 Abs 1 S 3 SGB X(vgl BSG vom 18.4.2000 - SozR 3-2700 § 76 Nr 2 S 5).

72

cc) Die Voraussetzungen des § 35 Abs 2 SGB X, bei deren Vorliegen ausnahmsweise auf eine (gesonderte) Begründung verzichtet werden kann, liegen hier nicht vor. Danach bedarf es keiner Begründung - außer in anderen, vorliegend von vornherein nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen -, soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar war (Nr 2 aaO).

73

Dem Kläger mag zwar durch den Hinweis im Bescheid vom 11.5.2001 zur Verrechnung mit den Zahlungsansprüchen aus seiner Rente wegen EU bekannt gewesen sein, dass der mit der Rente zu verrechnende Betrag bei jeder Änderung der Rentenhöhe (zB durch Rentenanpassungen, Neufeststellungen) von der Beklagten "neu ermittelt" werde. Unabhängig davon, dass bezüglich der Erkennbarkeit (… "ohne weiteres erkennbar" …) iS des § 35 Abs 2 Nr 2 SGB X ein strenger Maßstab(vgl Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 35 RdNr 12; Waschull in LPK, SGB X, 3. Aufl 2011, § 35 RdNr 12) anzulegen ist, ergibt sich jedenfalls allein aus einer solchen pauschalen Mitteilung nicht, welche konkreten Umstände die Beklagte im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens dazu bewogen haben, gerade mit dem jeweils konkret einbehaltenen ("abgetrennten") Betrag zu verrechnen.

74

Aus dem Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 lässt sich nicht entnehmen, dass - und ggf in welchem Umfang - die dortigen Ermessenserwägungen - etwa im Sinne einer "vorweggenommenen Ermessensausübung" - auf von ihm nicht erfasste Verrechnungszeiträume "fortwirken" sollen; umgekehrt nehmen die nachfolgenden Verrechnungs-Bescheide auch nicht auf die dortigen Ausführungen zum Ermessen (ergänzend) Bezug. Unabhängig davon haben sich diese Bescheide auch nicht innerhalb der Verrechnungs-Entscheidungen im Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 (Verrechnung monatlich 34,76 Euro; Auszahlungsbetrag 820 Euro) gehalten, sondern sind zu Ungunsten des Klägers davon abgewichen.

75

e) Angesichts dessen kann offen bleiben, ob die Verrechnungs-Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 sämtlich oder zum Teil auch deshalb rechtswidrig waren, weil die Beklagte vor deren Erlass den Kläger nicht angehört (§ 24 Abs 1 SGB X) und dies auch nicht bis zum Abschluss des LSG-Verfahrens nachgeholt hat (§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X).

76

Nach § 24 Abs 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

77

aa) Trotz unterbliebener Anhörung des Klägers vor Erlass des Bescheids vom 10.5.2002 war jedenfalls dieser hinsichtlich der dort geregelten Verrechnung nicht rechtswidrig. Denn dieser Verfahrensfehler ist hier gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Der Kläger hat sich mit seinem Widerspruch zu den für die Verrechnungs-Entscheidung der Beklagten in diesem Bescheid maßgeblichen Tatsachen geäußert. Aus dem Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 wird zudem deutlich, dass die Beklagte die von dem Kläger vorgebrachten Einwände gegen die Verrechnung zur Kenntnis genommen und bei ihrer (ablehnenden) Entscheidung in Erwägung gezogen, wenn auch nicht für durchschlagend erachtet hat.

78

bb) Demgegenüber hat die Beklagte den Kläger hinsichtlich ihrer Verrechnungs-Entscheidungen in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 weder angehört noch dies mit heilender Wirkung nachgeholt. Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob von einer Anhörung zur Verrechnung in Rentenanpassungsbescheiden dann abgesehen werden kann, wenn sich der monatliche Auszahlungsbetrag nicht vermindert. Denn bereits mit Bescheid vom 15.5.2003 wurde ein niedrigerer Betrag (810 Euro) festgesetzt als zuvor mit Bescheid vom 10.5.2002 (820 Euro).

79

f) Der Kläger ist durch die mit Bescheid vom 10.5.2002 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002) für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 verfahrensfehlerfrei (s oben bei d aa und e aa) geregelte Verrechnung mit einem monatlichen Einbehalt iHv 34,76 Euro bei einem ihm noch verbleibenden monatlichen Rentenauszahlungsbetrag iHv 820 Euro nicht hilfebedürftig im Sinne der hier noch maßgeblichen Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden (vgl hierzu BSG vom 15.12.1992 - SozR 3-1200 § 51 Nr 3 S 6).

80

Bei der Prüfung der Sozialhilfebedürftigkeit als Zulässigkeitsgrenze für die Verrechnung nach § 52 iVm § 51 Abs 2 SGB I mit Beitragsforderungen der Beigeladenen ist zunächst festzustellen, welcher Bedarf dem Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum (1.7.2002 bis zum 30.6.2003) gemäß der Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des BSHG zusteht.

81

Der Umfang der Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt war in den §§ 11 ff BSHG geregelt. Nach § 22 Abs 2 BSHG iVm § 2 Abs 1 der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG (Regelsatzverordnung) stand dem im Freistaat Sachsen lebenden Kläger(nach der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales zur Anhebung der Regelsätze und der Grundbeträge nach dem BSHG sowie zur Höhe der Blindenhilfe vom 31.5.2002, Sächsisches Amtsblatt 2002, 707) ab 1.7.2002 als Haushaltsvorstand ein monatlicher Regelsatz iHv 279 Euro zu. Zudem hatte der Kläger wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und des Merkzeichens "G" gemäß § 23 Abs 1 Nr 1 BSHG Anspruch auf einen Mehrbedarf iHv monatlich 55,80 Euro. Zum notwendigen Lebensunterhalt zählen ferner die laufenden Kosten für die Unterkunft (vgl § 12 Abs 1 BSHG, § 3 Regelsatzverordnung). Diese betrugen nach den Feststellungen des LSG für die Mietwohnung des Klägers und seiner Ehefrau im hier maßgeblichen Zeitraum ab 1.10.2002 monatlich 263,77 Euro (zuvor monatlich 257,22 Euro). Für die mit dem Kläger zusammenlebende Ehefrau war als Haushaltsangehörige nach § 2 Abs 3 Nr 4 der Regelsatzverordnung iVm der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales vom 31.5.2002 (aaO) im Freistaat Sachsen ab 1.7.2002 ein monatlicher Bedarf iHv 223,00 Euro anzusetzen.

82

Dem danach berücksichtigungsfähigen monatlichen Bedarf iHv 821,57 Euro ist gemäß § 11 Abs 1 S 2 Halbs 1 BSHG das monatliche Einkommen und das Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau gegenüberzustellen. Nach § 76 Abs 1 BSHG gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem BSHG, der Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz und der Rente oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden am Leben sowie an Körper und Gesundheit gewährt werden. Der Kläger verfügte im hier maßgeblichen Zeitraum über eine monatliche Nettoaltersrente iHv 820 Euro. Die Ehefrau des Klägers erhielt nach den Feststellungen des LSG eine Rente wegen EU iHv monatlich 646,83 Euro (= 1 265,08 DM). Danach verfügten der Kläger und seine Ehefrau über ein Monatseinkommen iHv 1 466,83 Euro. Dieser Betrag überstieg den berücksichtigungsfähigen monatlichen Bedarf iHv 821,57 Euro deutlich, und zwar um 645,26 Euro.

83

Anhaltspunkte für einen konkret zu beziffernden weiteren Bedarf des Klägers oder seiner Ehefrau nach §§ 11 ff BSHG oder vom vorgenannten anzurechnenden Einkommen gemäß § 76 Abs 2 BSHG abzugsfähige Belastungen (oder für anrechenbares Vermögen des Klägers oder seiner Ehefrau) ergeben sich für den Senat aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht; da gegen diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vom Kläger vorgebracht worden sind, sind sie für den Senat bindend (§ 163 SGG).

84

Damit erweist sich der Verrechnungs-Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 (§ 95 SGG) auch insoweit als rechtmäßig.

85

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 und des Sozialgerichts Potsdam vom 20. April 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2006 aufgehoben, soweit sie die Aufrechnung in Höhe von 1713,04 Euro betreffen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits für alle Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Aufrechnung eines Teils ihrer laufenden monatlichen Altersrentenansprüche mit einer von ihr noch nicht beglichenen Beitragsschuld.

2

Die im März 1945 geborene Klägerin hatte ursprünglich ihren Wohnsitz in H., zog später aber nach P. um. Sie bezog von der LVA Sachsen-Anhalt und erhält nunmehr von deren Rechtsnachfolgerin, der DRV Mitteldeutschland, große Witwenrente (Zahlbetrag ab 1.4.2005 monatlich 289,50 Euro). Aufgrund einer selbstständigen Tätigkeit schuldet sie für den Zeitraum Mai 1992 bis August 1993 noch Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung iHv 3341,24 DM, welche die LVA Sachsen-Anhalt ihr gegenüber im Bescheid vom 17.11.1998 zusammen mit Säumniszuschlägen iHv 9,20 DM, insgesamt also iHv 3350,44 DM geltend gemacht hat.

3

Die LVA Brandenburg (im Folgenden ebenso wie deren Rechtsnachfolgerin, die DRV Berlin-Brandenburg, einheitlich als Beklagte bezeichnet) bewilligte der Klägerin ab 1.4.2005 Altersrente für Frauen iHv netto 475,97 Euro monatlich (Rentenbescheid vom 15.3.2005). Die laufende Rentenzahlung begann zum Monatsende des Mai 2005; die Zahlung für April 2005 behielt die Beklagte bis zur Abklärung eventueller Erstattungsansprüche anderer Träger zunächst ein. Während die LVA Sachsen-Anhalt unter dem 23.5.2005 mitteilte, sie mache keine Ansprüche geltend, meldete die ARGE Potsdam für April 2005 im Hinblick auf von ihr gezahltes Alg II einen Erstattungsanspruch iHv 38,79 Euro an.

4

Mit Schreiben vom 24.3.2005 ermächtigte die Hauptverwaltung der Beklagten ihre für die Rentenzahlung zuständige Arbeitseinheit zur "Aufrechnung" der der Beklagten zustehenden und noch offenen Beitragsforderung für die Zeit vom 1.5.1992 bis zum 31.8.1993 (Beiträge 1708,34 Euro, Säumniszuschlag 4,70 Euro, Nebenkosten 10 Euro). Diese hörte die Klägerin zu der beabsichtigten Aufrechnung an, die iHv monatlich 237,98 Euro vorgenommen werden solle; es werde jedoch Gelegenheit gegeben, innerhalb eines Monats eine Bescheinigung des Sozialhilfeträgers zur Hilfebedürftigkeit zu übersenden. Die Klägerin teilte daraufhin lediglich mit, einer Aufrechnung stehe der Pfändungsfreibetrag nach § 850c ZPO entgegen. Ohnehin sei im Rentenbescheid die Berücksichtigung des Zeitraums Mai 1992 bis August 1993 als rentenrechtliche Zeit abgelehnt worden. Im Übrigen sei seit 15.8.2002 ein sie betreffendes Insolvenzverfahren anhängig, in dem die Beklagte es versäumt habe, ihre Forderung anzumelden.

5

Die Beklagte erklärte sodann die Aufrechnung der Beitragsforderung iHv 1713,04 Euro "nach unserem Bescheid vom 17.11.1998" mit der halben laufenden Rentenleistung von 237,98 Euro ab 1.9.2005 sowie in derselben Höhe mit der Rentennachzahlung für April 2005 (Bescheid vom 22.6.2005). Im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens seien die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Klägerin - soweit bekannt - berücksichtigt worden; besondere Umstände, welche die Interessen der Versichertengemeinschaft ausnahmsweise zurücktreten lassen könnten, seien nicht festgestellt worden. Den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese sich auch gegen den Einbehalt weiterer 38,79 Euro von der Rentennachzahlung für April 2005 wandte, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 26.1.2006).

6

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.4.2007). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und ihre hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage abgewiesen (Urteil vom 25.11.2010). Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtung sei nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte seit Januar 2007 keinen Teil der Rentenzahlung mehr einbehalte und die Aufrechnung abgeschlossen sei. Der Bescheid vom 22.6.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.1.2006 sei rechtmäßig. Er finde seine Rechtsgrundlage in § 51 Abs 2 SGB I. Die Gegenseitigkeit der Forderungen sei gegeben, auch wenn die Beklagte und die seinerzeitige LVA Sachsen-Anhalt als Beitragsgläubigerin zwei formal selbstständige Rechtspersönlichkeiten darstellten. Entscheidend sei die sachliche Einheit der allgemeinen Rentenversicherung bei der Aufgabenwahrnehmung durch unterschiedliche Träger iS des § 125 SGB VI, die zudem gemäß § 219 SGB VI in einem Finanzverbund stünden. Das BSG habe bereits im Urteil vom 1.11.1968 (BSGE 28, 288 = SozR Nr 12 zu § 1299 RVO) den Vorrang der sachlichen Einheit vor der formalen Selbstständigkeit der Versicherungsträger betont und aufgrund dessen die Aufrechnung mit Beitragsansprüchen eines Versicherungsträgers gegen Ansprüche auf Leistungen eines anderen Trägers desselben Versicherungszweigs gebilligt. Dieser Grundsatz habe mit der zwischenzeitlich erfolgten Aufhebung der Trennung der Versicherungszweige und deren Umwandlung in die allgemeine Rentenversicherung eine weitere Ausdehnung erfahren.

7

Die Beitragsforderung der LVA Sachsen-Anhalt sei auch fällig und noch nicht verjährt gewesen, da aufgrund ihrer Festsetzung im bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 17.11.1998 eine 30-jährige Verjährungsfrist laufe (§ 52 Abs 2 SGB X). Die Pfändungsgrenzen der §§ 850 ff ZPO seien aufgrund der Sonderregelung in § 51 Abs 2 SGB I nicht anwendbar. Das Insolvenzverfahren stehe einer Aufrechnung ebenfalls nicht entgegen, da es nur den pfändbaren Teil einer Altersrente betreffe. Da die Klägerin, wie ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung bestätigt habe, nicht hilfebedürftig geworden sei, habe die Beklagte die Aufrechnung auch in der erfolgten Höhe vornehmen dürfen; Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Schließlich sei die Beklagte befugt gewesen, die Aufrechnung durch Verwaltungsakt (VA) zu erklären.

8

Die Klägerin rügt mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision sinngemäß eine Verletzung des § 51 SGB I. Die Beklagte habe die Aufrechnung nicht durch VA erklären dürfen (Hinweis auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 24.7.2003 - SozR 4-1200 § 52 Nr 1). Es fehle auch an einer wirksamen Ermächtigung zur Aufrechnung durch den forderungsberechtigten Sozialleistungsträger (die ehemalige LVA Sachsen-Anhalt). Zudem sei sie aufgrund des Einbehalts der Hälfte der Altersrente hilfebedürftig geworden. Das LSG habe ihren Prozessbevollmächtigten zu keiner Zeit nach ihrer eventuellen Hilfebedürftigkeit befragt und dieser habe eine darauf bezogene Auskunft in der mündlichen Verhandlung nicht gegeben; die entsprechende Behauptung in den Gründen des LSG-Urteils sei "definitiv unzutreffend". Schließlich sei die Aufrechnung wegen des Insolvenzverfahrens rechtswidrig; der Beschluss des "Sozialgerichts" (gemeint ist wohl das Amtsgericht) Potsdam vom 25.11.2008, in dem der Klägerin "Rechtsschuldbefreiung" erteilt worden sei, wirke gegen alle Gläubiger und dies erst recht, wenn - wie hier - die LVA Sachsen-Anhalt ihre Forderung zur Tabelle nach § 174 InsO angemeldet habe.

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 und des Sozialgerichts Potsdam vom 20. April 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2006 aufzuheben;

        

hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2006 rechtswidrig war.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere habe eine Aufrechnung in Form eines VA zu erfolgen (Hinweis auf den Senatsbeschluss vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R). Das weitere Vorbringen der Revision betreffe lediglich Tatsachenfragen; insoweit sei das Rechtsmittel bereits unzulässig.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 S 1 SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22.6.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.1.2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs 2 S 1 SGG). Dies führt zur Aufhebung sowohl der vorinstanzlichen Urteile als auch der genannten Bescheide, soweit diese noch streitbefangen sind (§ 170 Abs 2 S 1 SGG).

14

A) Die Revision ist zulässig.

15

Soweit die Klägerin allerdings beanstandet, das LSG habe das Vorbringen ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zur fehlenden Hilfebedürftigkeit "definitiv unzutreffend" wiedergegeben, ist sie mit diesem Vorbringen im Revisionsverfahren ausgeschlossen. Sollte ein solcher Fehler unterlaufen sein, hätte er nur mit Hilfe des hierfür vorgesehenen speziellen Rechtsbehelfs einer - binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils zu beantragenden - Tatbestandsberichtigung (§ 139 SGG) vom Berufungsgericht selbst korrigiert werden können. Die Geltendmachung als Verfahrensmangel erstmals im Revisionsverfahren ist dagegen ausgeschlossen (vgl bereits BSG vom 26.6.1959 - 6 RKa 2/57 - SozR Nr 133 zu § 162 SGG Bl Da 39 Rücks - Juris RdNr 2; s auch BGH Beschluss vom 22.9.2008 - II ZR 235/07 - DStR 2008, 2228 RdNr 5; BVerwG Beschluss vom 9.9.2009 - 4 BN 4/09 - Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht 2010, 67, 69 ; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 139 RdNr 6).

16

B) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die in dem angefochtenen Bescheid vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.1.2006 geregelte Aufrechnung des hälftigen monatlichen Zahlbetrags der Altersrente mit einer Gegenforderung auf Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen iHv 1713,04 Euro. Soweit die Beklagte erstmals im Widerspruchsbescheid den Einbehalt weiterer 38,79 Euro von der Rentennachzahlung für den Monat April 2005 im Hinblick auf einen von der ARGE geltend gemachten Erstattungsanspruch als "Verrechnung nach § 52 SGB I" abgehandelt hat(zur rechtlichen Einordnung vgl den Hinweis auf § 107 Abs 1 SGB X im Senatsurteil vom 31.10.2012 - B 13 R 9/12 R - RdNr 24, zur Veröffentlichung in SozR 4-1300 § 104 Nr 5 vorgesehen), ist dies nicht mehr streitbefangen. Zwar richtete sich die Klage nach ihrer Begründung im Schriftsatz vom 18.4.2007 ursprünglich auch hiergegen. Die Klägerin hat aber in der Berufungsbegründung vom 24.11.2010 ihr Rechtsmittel auf den (abtrennbaren) Aspekt der Aufrechnung gegen die Beitragsforderung wirksam beschränkt (vgl BSG SozR 4-1500 § 92 Nr 2 RdNr 8); hinsichtlich des Betrags von 38,79 Euro ist die Klageabweisung durch das SG rechtskräftig geworden (§ 141 SGG).

17

C) Von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Insbesondere hat das LSG zutreffend erkannt, dass die von der Klägerin im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG) nicht unzulässig geworden ist.

18

Das LSG ist davon ausgegangen, dass die streitige "Aufrechnung unterdessen abgeschlossen" sei. Hinreichende Tatsachen, die eine solche rechtliche Bewertung untermauern könnten, hat es allerdings nicht festgestellt. Allein der Umstand, dass die Beklagte seit Januar 2007 keinen Teil der Rentenzahlung mehr einbehält, belegt noch nicht, dass die Aufrechnung ab diesem Zeitpunkt vollständig und endgültig abgewickelt ist. Das ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt der Verwaltungsakten, die das LSG zur Ergänzung des Tatbestands in Bezug genommen hat.

19

Einer Zurückverweisung zur weiteren Aufklärung der damit zusammenhängenden tatsächlichen Umstände bedarf es gleichwohl nicht. Selbst wenn die Beklagte den Betrag der von ihr zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung iHv 1713,04 Euro bereits vollständig von den monatlichen Zahlungsansprüchen der Klägerin auf Altersrente einbehalten hätte, wäre deren Interesse an einer Klärung der Rechtmäßigkeit des hoheitlich vorgenommenen Einbehalts nicht allein aus diesem Grund entfallen. Denn ein VA über die Aufrechnung bzw Verrechnung einer Forderung erledigt sich nicht dadurch vollständig "auf andere Weise", dass der Leistungsträger ihn faktisch umsetzt, indem er von der von ihm monatlich geschuldeten Sozialleistung Einbehalte in einem Umfang vornimmt, die dem Betrag der Gegenforderung entsprechen.

20

Die Erledigung eines VA iS des § 39 Abs 2 SGB X tritt ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist(vgl BVerwG NVwZ 2009, 122 RdNr 13 mwN - zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 43 Abs 2 VwVfG; ähnlich BSG SozR 3-4100 § 116 Nr 4 S 132 f). Danach erledigt sich ein VA, der Handlungspflichten auferlegt, nicht einmal mit dessen Vollstreckung durch Ersatzvornahme, und zwar auch dann nicht, wenn dadurch irreversible Tatsachen geschaffen wurden (BVerwG aaO; einschränkend allerdings Rüfner in Wannagat, SGB X, § 39 RdNr 31, Stand Einzelkommentierung November 1995: Erledigung durch Vollzug des VA tritt ein, wenn eine Folgenbeseitigung nicht mehr in Betracht kommt).

21

Entscheidet ein Rentenversicherungsträger über eine Auf- oder Verrechnung durch VA, bedeutet dies: Ein solcher VA zielt auf rechtsgestaltende Wirkungen, da er den Auszahlungsanspruch des Rentenempfängers hinsichtlich der im Rentenbescheid festgelegten Art und Weise seiner Erfüllung modifizieren und zum Erlöschen bringen will (vgl Senatsurteil vom 7.2.2012 - SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 41 - unter Hinweis auf BSG BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 15). Solange aber die - grundsätzlich mit Bekanntgabe eintretende (§ 39 Abs 1 SGB X) - Wirksamkeit eines solchen VA zwischen den Beteiligten nicht verbindlich feststeht (§§ 77, 141 SGG), es vielmehr noch Gegenstand eines (gerichtlichen) Verfahrens ist, ob er Bestand hat oder der Aufhebung mit Wirkung ex tunc unterliegt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 131 RdNr 3a), ist ein derartiger VA noch geeignet, rechtliche Wirkungen - die genannten Gestaltungswirkungen - zu erzeugen. Dies gilt unabhängig davon, ob Aufrechnung oder Verrechnung zulässigerweise durch VA oder in einer anderen Handlungsform zu erklären sind. Mithin hat sich ein entsprechender VA auch dann noch nicht vollständig erledigt, wenn der Leistungsträger während eines laufenden Rechtsstreits von den monatlichen Rentenzahlungen insgesamt einen Betrag in Höhe der zur Auf- oder Verrechnung gestellten Gegenforderung einbehalten hat. Denn bei Erfolg der Klage muss er die einbehaltenen Beträge an den Berechtigten auskehren, weil der Rechtsgrund für den Einbehalt dann entfallen ist.

22

Sofern aus seinem Urteil vom 27.3.2007 (B 13 RJ 43/05 R - Juris RdNr 13) Abweichendes entnommen werden könnte, weist der Senat auf die besondere Konstellation des damals entschiedenen Falles hin: Der dortige Kläger hatte es hingenommen, dass seine mit der Anfechtungsklage erhobene Leistungsklage auf Rückzahlung des einbehaltenen Betrags rechtskräftig abgewiesen wurde; (nur) deshalb bestand nach Abschluss des Einbehalts kein berechtigtes Interesse an der Weiterführung der Anfechtungsklage mehr (vgl auch Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 141 RdNr 6a, 6b, 12, 12a).

23

D) Die Revision der Klägerin ist auch begründet. Der Bescheid vom 22.6.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.1.2006 ist - soweit noch streitbefangen - rechtswidrig. Die Beklagte war weder zu einer Aufrechnung (dazu unter 1.) noch zu einer Verrechnung (dazu unter 2.) eines Teils der Ansprüche der Klägerin auf monatliche Zahlung von Altersrente mit der Beitragsforderung der LVA Sachsen-Anhalt berechtigt.

24

1. Entgegen der Rechtsmeinung des LSG lagen die Voraussetzungen einer Aufrechnung (§ 51 SGB I) nicht vor. Es fehlte schon an der erforderlichen Gegenseitigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen und damit an einer Aufrechnungslage. Auf die im Beschluss des Großen Senats des BSG vom 31.8.2011 offengelassene Frage, ob auch eine Aufrechnung iS des § 51 SGB I durch Verwaltungsakt geregelt werden darf(BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 11, 19), kommt es deshalb hier nicht entscheidungserheblich an (s hierzu zB Seewald in Kasseler Komm, § 51 SGB I RdNr 21e am Ende, Stand Einzelkommentierung April 2012; Seewald, SGb 2012, 446, 453; Schaer, jurisPR-SozR 7/2012 Anm 1 D; Plagemann, Beck Fachdienst Sozialversicherungsrecht 2012, 328355; vgl auch den Beschluss des 4. Senats des BSG vom 22.9.2009 - B 4 SF 1/09 S - Juris RdNr 4).

25

a) Nach § 51 Abs 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger - hier die Beklagte - gegen Ansprüche auf Geldleistungen - hier die Altersrente - mit Ansprüchen gegen den Berechtigten - hier die Klägerin - aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Gemäß § 51 Abs 2 SGB I(in der ab 1.1.2005 geltenden, hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12.2003, BGBl I 3022) ist der Leistungsträger befugt, mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufzurechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig iS der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird.

26

Danach ist wesentliche Voraussetzung für eine rechtmäßige Aufrechnung das Vorliegen einer Aufrechnungslage, dh dass sich (entsprechend § 387 BGB) gleichartige und gegenseitige Forderungen gegenüberstehen, von denen die eine - die Hauptforderung auf eine Sozialleistung - entstanden und erfüllbar sein muss, während die Gegenforderung des Sozialleistungsträgers entstanden und bereits fällig sein muss (vgl BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 15; Nr 5 RdNr 54 f). Eine Aufrechnung ist somit nur wirksam, wenn zwischen den zur Aufrechnung gestellten Forderungen ein Gegenseitigkeitsverhältnis besteht, wenn also der Gläubiger der Hauptforderung zugleich Schuldner der Gegenforderung und der Schuldner der Hauptforderung zugleich Gläubiger der Gegenforderung ist (BSGE 101, 1 = SozR 4-2400 § 28h Nr 5, RdNr 13; s auch BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 16 f; BSG Beschluss vom 22.9.2009 - B 4 SF 1/09 S - Juris RdNr 4).

27

b) Eine Aufrechnungslage hat hier zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids im Januar 2006 nicht bestanden (zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts bei reinen Anfechtungsklagen vgl BSGE 95, 119 = SozR 4-7860 § 10 Nr 2, RdNr 13; BSG SozR 4-2700 § 168 Nr 2 RdNr 17 - jeweils mwN).

28

Die Beklagte hat zwar im Bescheid vom 22.6.2005 nach dessen Wortlaut eine Aufrechnung iS des § 51 SGB I erklärt und deren Rechtsfolgen geregelt, auch wenn im Widerspruchsbescheid vom 26.1.2006 teils auch von einer "Verrechnung" (aaO S 4 Abs 5 und 7) die Rede ist. Denn sie wollte die streitigen Beträge zu ihren eigenen Gunsten einbehalten, da sie davon ausging, dass die Klägerin ihr die noch ausstehenden Beiträge schulde. Das war jedoch nicht der Fall. Die Beklagte war Schuldnerin der Hauptforderung (der Klägerin auf monatliche Zahlung von Altersrente), jedoch nicht zugleich Gläubigerin der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung (gegenüber der Klägerin auf Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen). Das LSG hat zutreffend angenommen, dass die zur Aufrechnung herangezogene Beitragsforderung von der LVA Sachsen-Anhalt mit Bescheid vom 17.11.1998 bindend als ihr zustehend festgesetzt worden ist. Deren Rechtsnachfolge hat zum 1.10.2005 die DRV Mitteldeutschland angetreten, nicht die Beklagte.

29

aa) Anhaltspunkte dafür, dass die LVA Sachsen-Anhalt - oder später die DRV Mitteldeutschland als deren Rechtsnachfolgerin - die Beitragsforderung an die Beklagte abgetreten hätte und diese dadurch zwischenzeitlich Forderungsinhaberin geworden wäre (vgl § 398 BGB), sind nicht ersichtlich; im LSG-Urteil sind entsprechende Tatsachen auch nicht festgestellt. Daher bedarf es hier keiner Entscheidung, ob eine solche Abtretung wirksam wäre (ablehnend mangels Ermächtigungsgrundlage: BSGE 15, 36, 39 f = SozR Nr 1 zu § 1299 RVO Bl Aa 3; anders für den Bereich des Steuerrechts - die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung verneinend - BFHE 189, 14, 31 f - Juris RdNr 47 ff).

30

bb) Der Regelung in § 128 SGB VI kann - entgegen der wohl vom SG vertretenen Rechtsmeinung - kein gesetzlicher Forderungsübergang(vgl § 412 BGB) der von der LVA Sachsen-Anhalt festgesetzten Beitragsforderung auf die Beklagte entnommen werden.

31

Nach § 128 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI(in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung des RVOrgG vom 9.12.2004, BGBl I 3242 ; zuvor inhaltsgleich § 130 SGB VI aF; s auch die Übergangsvorschrift in § 274c Abs 1 S 2 Nr 1 SGB VI) tritt ein Wechsel des örtlich zuständigen Rentenversicherungsträgers ein, sobald ein Versicherter, für den ein Regionalträger zuständig ist, seinen Wohnsitz in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Regionalträgers verlegt. Das war bei der Klägerin offenbar der Fall (nähere Feststellungen dazu, wann dies geschah, fehlen allerdings). Der Übergang der Zuständigkeit hat aber nicht zur Folge, dass zugunsten des bisherigen Rentenversicherungsträgers bereits entstandene Forderungen automatisch auf den neu zuständig gewordenen Regionalträger übergehen. Für einen solchen Forderungsübergang ist eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich; sie ergibt sich insbesondere nicht aus § 130 Abs 1 S 1 SGB VI aF bzw § 128 Abs 1 S 1 SGB VI nF.

32

Vielmehr verbleibt bei einem Zuständigkeitswechsel der bislang verantwortliche Regionalträger für die während seiner örtlichen Zuständigkeit zugunsten der GRV entstandenen Beitragsforderungen in der Gläubigerposition, da für den Bereich der Rentenversicherung abweichende Regelungen nicht existieren (vgl aber zB § 45a Abs 3 BAFöG bei länderübergreifender Änderung der örtlichen Zuständigkeit aufgrund eines Hochschulwechsels, s hierzu BVerwGE 90, 25, 31 f - Juris RdNr 20; zum Sonderfall eines gesetzlich angeordneten Forderungsübergangs im Zusammenhang mit der Herstellung der deutschen Einheit vgl BSG SozR 3-8260 § 8 Nr 1). Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - das Verwaltungsverfahren zur Festsetzung der Beiträge bereits durch Erlass eines Bescheids, der auch den Gläubiger der Forderung bestimmt (vgl den Wortlaut des Bescheids vom 17.11.1998 "Sie schulden der LVA Sachsen-Anhalt Pflichtbeiträge …"), (bestandskräftig) abgeschlossen ist. In einer solchen Konstellation ist für eine Fortführung des Beitragseinzugsverfahrens durch den Versicherungsträger am neuen Wohnort gemäß der Regelung in § 2 Abs 2 SGB X kein Raum(Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 2 RdNr 10, 12a; Waschull in Diering/Timme/Waschull, LPK SGB X, 3. Aufl 2011, § 2 RdNr 8; Mutschler in Kasseler Komm, § 2 SGB X RdNr 11, Stand Einzelkommentierung April 2012; I. Palsherm in juris-PK SGB X, 2013, § 2 RdNr 18). Die Einziehung bzw Vollstreckung einer auch hinsichtlich der Rechtsinhaberschaft konkretisierten Forderung kann - solange der Beitragsbescheid unverändert aufrechterhalten bleibt - nur noch von dem im Bescheid benannten Träger (oder dessen Rechtsnachfolger) veranlasst werden. Dieser hat jedoch die Möglichkeit, den insbesondere für die Leistungsgewährung nunmehr zuständigen Regionalträger des neuen Wohnorts (vgl § 128 Abs 1 S 2 SGB VI nF)gemäß § 52 SGB I zu einer Verrechnung seiner Ansprüche zu ermächtigen.

33

cc) Die fehlende Gegenseitigkeit der Forderung der Klägerin gegen die Beklagte auf Altersrente und der Gegenforderung der DRV Mitteldeutschland auf ausstehende Beiträge kann entgegen der Rechtsmeinung des LSG nicht unter Berufung auf den Grundsatz der "sachlichen Einheit der allgemeinen Rentenversicherung" überwunden werden.

34

Zwar hat der 12. Senat des BSG in einem - insoweit vereinzelt gebliebenen - Urteil vom 1.11.1968 entschieden, dass ein in der Arbeiterrentenversicherung (ArV) Versicherter "im Hinblick auf die sachliche Einheit des Versicherungszweigs der ArV nach Treu und Glauben nicht das Fehlen der Gegenseitigkeit (§ 387 BGB) infolge der formalen rechtlichen Selbständigkeit der verschiedenen LVA als Träger der ArV geltend machen" kann (BSGE 28, 288, 289 = SozR Nr 12 zu § 1299 RVO Bl Aa 15 Rücks). Diese auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB)gegründete Entscheidung ist seit dem Inkrafttreten des SGB I am 1.1.1976 jedoch aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung der Problematik in den §§ 51, 52 SGB I überholt.

35

Wie im Urteil des 5. Senats vom 10.12.2003 ausgeführt ist, hat der Gesetzgeber die spezifisch sozialrechtliche Möglichkeit der Verrechnung nach § 52 SGB I als Reaktion darauf geschaffen, dass zuvor in der Rspr des BSG Aufrechnungen von SV-Trägern mit Forderungen anderer SV-Träger mangels Gegenseitigkeit der Forderungen grundsätzlich für unzulässig erklärt und unter dem Gesichtspunkt der Funktionseinheit nur bei Ansprüchen von Trägern desselben Versicherungszweigs zugelassen worden waren(BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 2 RdNr 14; ebenso bereits BSG SozR 2200 § 1299 Nr 1 S 3 - Juris RdNr 18). Mit Einführung der Verrechnung nach § 52 SGB I ist diese Einschränkung gegenstandslos geworden(s BT-Drucks 7/868 S 32 - zu § 52: "Die Vorschrift beruht auf der Erwägung, dass im Sozialrecht angesichts derselben oder ähnlichen Zielsetzung aller Sozialleistungen, der Verpflichtung aller Leistungsträger zur engen Zusammenarbeit und des Strebens nach Verwaltungsvereinfachung auf die Gegenseitigkeit der aufgerechneten Forderungen verzichtet werden kann"). Die gesetzliche Regelung zur Verrechnung - insbesondere das Erfordernis einer ausdrücklichen Ermächtigung des anderen Leistungsträgers - darf hiernach nicht dadurch umgangen werden, dass weiterhin - wie zu Zeiten vor Erlass des SGB I - auf einen "Vorrang der sachlichen Einheit vor der formalen Selbstständigkeit der Versicherungsträger" und den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben abgestellt wird. Dies widerspräche der Gesetzesbindung (Art 20 Abs 3 GG), der sowohl die Verwaltung als auch die Rechtsprechung verpflichtet sind (im Ergebnis ebenso Mrozynski, SGB I, 4. Aufl 2010, § 51 RdNr 15; Zweng/Scherer/Buschmann/Dörr, Handbuch der RV, Teil I Bd 1, Stand November 2011, § 51 SGB I Anm III. 2. A.; Pflüger in juris-PK SGB I, 2. Aufl 2012, § 51 RdNr 29 f; Gutzler in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck'scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 51 SGB I RdNr 7, Stand Einzelkommentierung März 2013).

36

dd) Die Regelungen zur - überwiegend zum 1.1. bzw 1.10.2005 in Kraft getretenen - Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG vom 9.12.2004, BGBl I 3242) haben diese Rechtslage nicht geändert.

37

Die Beklagte (DRV Berlin-Brandenburg) und die DRV Mitteldeutschland sind jeweils Regionalträger der allgemeinen Rentenversicherung iS von § 125 Abs 1 SGB VI(idF des RVOrgG). Diese sind weiterhin als rechtlich eigenständige Selbstverwaltungskörperschaften (§ 29 Abs 1 SGB IV) organisiert (vgl Keck in Eichenhofer/Rische/Schmähl, Handbuch der gesetzlichen RV, 2. Aufl 2012, Kap 24 RdNr 76; Schillinger, ebenda Kap 26 RdNr 8 ff; Axer, DRV 2005, 542, 545). Ihnen kommt nicht lediglich die Stellung unselbstständiger Verwaltungsstellen eines einheitlichen (Rechts-)Trägers "allgemeine Rentenversicherung" zu; ein solcher Einheitsträger (vergleichbar der BA, s § 368 SGB III) wurde mit der Organisationsreform nicht geschaffen. Die Bezeichnung "allgemeine Rentenversicherung" in § 125 Abs 1 S 1 SGB VI beschreibt vielmehr einen - gemäß § 126 SGB VI von unterschiedlichen Trägern wahrzunehmenden - Aufgabenbereich der gesetzlichen Rentenversicherung (in Abgrenzung zum besonderen Bereich der knappschaftlichen Rentenversicherung), aber keine rechtlich eigenständige Organisationseinheit. Auch die Vorgaben in § 125 Abs 1 S 2 SGB VI für eine vereinheitlichte Namensgebung der jeweiligen Regionalträger beseitigen deren rechtliche Selbstständigkeit nicht. Mithin sind die Regionalträger weiterhin je eigenständige "Leistungsträger" iS der §§ 12, 23 Abs 2, §§ 51 und 52 SGB I.

38

Etwas anderes ergibt sich ebenso wenig aus den durch das RVOrgG neu gefassten Regelungen zu einem Finanzverbund in der allgemeinen Rentenversicherung (§ 219 SGB VI idF von Art 1 Nr 45 RVOrgG - gemäß dessen Art 86 Abs 5 am 1.1.2006 in Kraft getreten). Nach § 219 Abs 1 S 1 SGB VI werden die Ausgaben für Renten, Beitragserstattungen, Beiträge zur Krankenversicherung und sonstige Geldleistungen (ausgenommen jedoch Leistungen zur Teilhalbe, Aufwendungen für Verwaltungs- und Verfahrenskosten sowie Investitionen) von den Trägern der allgemeinen Rentenversicherung nach dem Verhältnis ihrer Beitragseinnahmen jeweils für ein Kalenderjahr gemeinsam getragen. Die Vorschrift sieht damit nur für bestimmte versichertenbezogene Aufwendungen eine gemeinsame Finanzierung durch alle Träger der allgemeinen Rentenversicherung unabhängig davon vor, wie hoch die Ausgaben für die Versicherten des jeweils zuständigen Versicherungsträgers sind. Vielmehr ist für die von den einzelnen Trägern zu übernehmenden Ausgabenanteile ihre Finanzkraft maßgeblich, welche in der Höhe der jeweiligen Beitragseinnahmen zum Ausdruck kommt. Dieses System des Finanzausgleichs ("Gemeinlastverfahren", s hierzu näher Mörschel/Wiederspahn, DRV 2005, 15, 30) soll die Zahlungsströme in der gesetzlichen Rentenversicherung reduzieren und optimieren, dabei aber die finanzielle Eigenständigkeit der einzelnen Träger erhalten (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum RVOrgG, BT-Drucks 15/3654 S 64). Der in § 219 SGB VI geregelte Finanzverbund auf der Ausgabenseite ist damit für die Einnahmen ohne Bedeutung; er begründet jedenfalls keine Gesamtgläubigerschaft (vgl § 428 BGB) sämtlicher Träger der allgemeinen Rentenversicherung für jede einzelne Forderung, die gegenüber einem ihrer Versicherten besteht.

39

ee) Das der gesetzlichen Regelung in § 51 SGB I zugrunde liegende Erfordernis der Gegenseitigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen ist auch nicht durch die "im März 2006" getroffene und im Juni-Heft des amtlichen Mitteilungsblatts(RVaktuell 2006, 245) veröffentlichte "Verbindliche Entscheidung" iS des § 138 Abs 2 SGB VI des Vorstands der DRV Bund aufgehoben worden.

40

Diese hat folgenden Wortlaut:

        

"Gegen die Ansprüche eines Berechtigten gegenüber einem Träger der allgemeinen Rentenversicherung kann ein anderer Träger der allgemeinen Rentenversicherung seine Ansprüche gegenüber demselben Berechtigten aus Beitragsforderungen, auf Rückzahlung zu Unrecht erbrachter Leistungen oder aus sonstigen Geldforderungen nach § 51 SGB I aufrechnen. Dies gilt auch in Fällen, in denen die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der allgemeinen Rentenversicherung zuständig ist.

        

Die Aufrechnung erfolgt für Zeiten ab 1.1.2006 auch dann, wenn beide Ansprüche oder einer der beiden Ansprüche vor diesem Zeitpunkt entstanden sind."

41

Da diese "Verbindliche Entscheidung" erst im Juni 2006 mit ihrer Veröffentlichung (§ 138 Abs 5 SGB VI) in Kraft trat, ist sie für die hier maßgebliche Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids - im Januar 2006 - ohne Bedeutung. Deshalb bedarf es an dieser Stelle keiner abschließenden Entscheidung, ob Entscheidungen nach § 138 Abs 2 SGB VI als "untergesetzliche Normen eigener Art"(so der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum RVOrgG, BT-Drucks 15/3654 S 70) mit dem Grundgesetz vereinbar sind (s hierzu Axer, DRV 2005, 542, 547 ff; Ruland/Dünn, NZS 2005, 113, 119 f; Schnapp, DÖV 2003, 965, 968 ff) und - soweit dies bejaht wird - ob diese nur für die Rentenversicherungsträger (vgl § 138 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB VI)und die Aufsichtsbehörden (so Ruland, DRV 2005, 2, 12; Binne/Dünn, DRV 2005, 50, 62) oder auch für die Versicherten verbindlich sind (so Axer, DRV 2005, 542, 546; wohl auch Hebeler in juris-PK SGB VI, 2008, § 138 RdNr 16 ff). Selbst wenn Letzteres der Fall wäre, könnten "Verbindliche Entscheidungen" als untergesetzliche Normen keine Wirksamkeit entfalten, soweit sie mit höherrangigem Recht nicht vereinbar sind (so bereits BSGE 78, 70, 77 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 32 zu den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen; ebenso Dünn in Ruland/Försterling, Gemeinschaftskomm zum SGB VI, § 138 RdNr 113, Stand Einzelkommentierung November 2009). Das dürfte bei der oben wiedergegebenen "Verbindlichen Entscheidung" vom März 2006, die nach ihrem Regelungsgegenstand eine solche über die "Auslegung von Rechtsfragen" (§ 138 Abs 2 S 3 SGB VI) enthält, jedoch der Fall sein. Ihr Inhalt steht, wie in den vorstehenden Ausführungen näher dargelegt wurde, im Widerspruch zum geltenden Recht. Dessen letztverbindliche Auslegung obliegt nach Art 92 GG allein den zuständigen Gerichten (BVerfGE 126, 369, 392 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 73; BVerfG vom 2.5.2012 - 2 BvL 5/10 - NVwZ 2012, 876 RdNr 68); ein Gestaltungsspielraum des untergesetzlichen Normgebers besteht insoweit nicht.

42

2. Der nach alledem als Regelung einer Aufrechnung (§ 51 SGB I)rechtswidrige Bescheid der Beklagten vom 22.6.2005 lässt sich nicht in einen Verrechnungsbescheid iS des § 52 SGB I umdeuten. § 43 Abs 1 SGB X gestattet eine Umdeutung nur, wenn der andere VA - hier ein Verrechnungsbescheid - auf das gleiche Ziel wie der fehlerhafte VA gerichtet ist, er von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Während die beiden ersten Anforderungen erfüllt sind, fehlt es jedoch an dem drittgenannten Erfordernis für eine Umdeutung.

43

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Verrechnungsbescheids nach § 52 SGB I sind nicht gegeben, da - wie die Revision zu Recht geltend macht - eine wirksame Ermächtigung der Beklagten durch die LVA Sachsen-Anhalt (bzw durch die DRV Mitteldeutschland als deren Rechtsnachfolgerin) zur Verrechnung der ihr zustehenden Beitragsforderung nicht vorliegt. Weder hat das LSG eine solche Ermächtigung festgestellt noch hat die Beklagte Entsprechendes im Verlauf des Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens behauptet. Die von der Beklagten selbst ("hausintern") erteilte "Ermächtigung zur Aufrechnung gemäß § 51 SGB I" vom 24.3.2005 genügt den Anforderungen des § 52 SGB I nicht. Denn jedenfalls dann, wenn die Beitragsforderung durch einen anderen Träger - hier: durch den früher zuständig gewesenen Regionalträger - bereits in einem Bescheid bestandskräftig als ihm zustehend festgestellt wurde, bedarf es nach einem Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit (§ 128 Abs 1 S 1 SGB VI nF bzw § 130 Abs 1 S 1 SGB VI aF) der Ermächtigung zur Verrechnung durch diesen Träger. Ein Zuständigkeitswechsel lässt den nunmehr örtlich zuständig gewordenen Leistungsträger, der nicht Forderungsinhaber ist, nicht auch für die Erteilung der Ermächtigung zur Verrechnung mit einer fremden Forderung iS des § 52 SGB I zuständig werden.

44

3. Lediglich ergänzend ist zum hauptsächlichen Vorbringen der Klägerin darauf hinzuweisen, dass das am 15.8.2002 über das Vermögen der Klägerin eröffnete Insolvenzverfahren einer Verrechnung ihrer erst ab 1.4.2005 entstandenen Ansprüche auf monatliche Zahlung der Altersrente mit der gegen sie gerichteten Beitragsforderung aus den Jahren 1992/1993 nicht entgegenstand. Zwar ist grundsätzlich im laufenden Insolvenzverfahren eine Verrechnung nach § 52 SGB I nur möglich, wenn die Verrechnungslage bereits vor Insolvenzeröffnung bestand(BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 2 RdNr 9, 11; BGHZ 177, 1 RdNr 16, 20; zur Aufrechnung s auch BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 62, RdNr 18; BSG vom 16.10.2012 - B 14 AS 188/11 R - RdNr 16 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 11 Nr 55 vorgesehen). Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (vgl § 200 InsO)- hier durch Beschluss des AG Potsdam vom 5.5.2004 - konnten die Insolvenzgläubiger ihre noch nicht befriedigten Forderungen gegen den Schuldner jedoch wieder unbeschränkt geltend machen, soweit sich aus den Regelungen zur Restschuldbefreiung (§§ 286 ff, insbesondere §§ 294, 301 InsO) nichts anderes ergibt (§ 201 Abs 3 InsO). § 294 Abs 1 InsO verbietet in diesem Zusammenhang Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners während der Laufzeit von dessen Abtretungserklärung über pfändbare Forderungen(vgl § 287 Abs 2 InsO). Hierzu hat der Senat - zur vergleichbaren Vorschrift in § 18 Abs 2 S 3 GesO - bereits entschieden, dass dieser Vollstreckungsschutz einer Verrechnung durch den Rentenversicherungsträger mit unpfändbaren Teilen der Rentenzahlungsansprüche des Schuldners(§ 54 Abs 4 SGB I iVm § 850c Abs 1 S 1 ZPO)nicht entgegensteht (BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 57 ff).

45

Nach Erteilung der Restschuldbefreiung an die Klägerin durch Beschluss des AG Potsdam vom 25.11.2008 dürfte die - infolge der unwirksamen Aufrechnung noch nicht erloschene - Beitragsforderung der DRV Mitteldeutschland allerdings nicht mehr durchsetzbar sein (zur Umwandlung einer Forderung aufgrund Restschuldbefreiung in eine Naturalobligation vgl Lang in Braun, InsO, 5. Aufl 2012, § 301 RdNr 2). Die Klägerin wird jedoch zu erwägen haben, ob es für sie vorteilhaft sein könnte, auf die Rückzahlung der von der Beklagten bereits einbehaltenen Beträge zu verzichten und diese als Erfüllung der Beitragsforderung gelten zu lassen (§ 301 Abs 3 InsO), um so mit zusätzlich zu berücksichtigenden Beitragszeiten ggf eine höhere Altersrente zu erlangen (vgl § 66 Abs 1 Nr 1 SGB VI).

46

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 und des Sozialgerichts Potsdam vom 20. April 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2006 aufgehoben, soweit sie die Aufrechnung in Höhe von 1713,04 Euro betreffen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits für alle Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Aufrechnung eines Teils ihrer laufenden monatlichen Altersrentenansprüche mit einer von ihr noch nicht beglichenen Beitragsschuld.

2

Die im März 1945 geborene Klägerin hatte ursprünglich ihren Wohnsitz in H., zog später aber nach P. um. Sie bezog von der LVA Sachsen-Anhalt und erhält nunmehr von deren Rechtsnachfolgerin, der DRV Mitteldeutschland, große Witwenrente (Zahlbetrag ab 1.4.2005 monatlich 289,50 Euro). Aufgrund einer selbstständigen Tätigkeit schuldet sie für den Zeitraum Mai 1992 bis August 1993 noch Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung iHv 3341,24 DM, welche die LVA Sachsen-Anhalt ihr gegenüber im Bescheid vom 17.11.1998 zusammen mit Säumniszuschlägen iHv 9,20 DM, insgesamt also iHv 3350,44 DM geltend gemacht hat.

3

Die LVA Brandenburg (im Folgenden ebenso wie deren Rechtsnachfolgerin, die DRV Berlin-Brandenburg, einheitlich als Beklagte bezeichnet) bewilligte der Klägerin ab 1.4.2005 Altersrente für Frauen iHv netto 475,97 Euro monatlich (Rentenbescheid vom 15.3.2005). Die laufende Rentenzahlung begann zum Monatsende des Mai 2005; die Zahlung für April 2005 behielt die Beklagte bis zur Abklärung eventueller Erstattungsansprüche anderer Träger zunächst ein. Während die LVA Sachsen-Anhalt unter dem 23.5.2005 mitteilte, sie mache keine Ansprüche geltend, meldete die ARGE Potsdam für April 2005 im Hinblick auf von ihr gezahltes Alg II einen Erstattungsanspruch iHv 38,79 Euro an.

4

Mit Schreiben vom 24.3.2005 ermächtigte die Hauptverwaltung der Beklagten ihre für die Rentenzahlung zuständige Arbeitseinheit zur "Aufrechnung" der der Beklagten zustehenden und noch offenen Beitragsforderung für die Zeit vom 1.5.1992 bis zum 31.8.1993 (Beiträge 1708,34 Euro, Säumniszuschlag 4,70 Euro, Nebenkosten 10 Euro). Diese hörte die Klägerin zu der beabsichtigten Aufrechnung an, die iHv monatlich 237,98 Euro vorgenommen werden solle; es werde jedoch Gelegenheit gegeben, innerhalb eines Monats eine Bescheinigung des Sozialhilfeträgers zur Hilfebedürftigkeit zu übersenden. Die Klägerin teilte daraufhin lediglich mit, einer Aufrechnung stehe der Pfändungsfreibetrag nach § 850c ZPO entgegen. Ohnehin sei im Rentenbescheid die Berücksichtigung des Zeitraums Mai 1992 bis August 1993 als rentenrechtliche Zeit abgelehnt worden. Im Übrigen sei seit 15.8.2002 ein sie betreffendes Insolvenzverfahren anhängig, in dem die Beklagte es versäumt habe, ihre Forderung anzumelden.

5

Die Beklagte erklärte sodann die Aufrechnung der Beitragsforderung iHv 1713,04 Euro "nach unserem Bescheid vom 17.11.1998" mit der halben laufenden Rentenleistung von 237,98 Euro ab 1.9.2005 sowie in derselben Höhe mit der Rentennachzahlung für April 2005 (Bescheid vom 22.6.2005). Im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens seien die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Klägerin - soweit bekannt - berücksichtigt worden; besondere Umstände, welche die Interessen der Versichertengemeinschaft ausnahmsweise zurücktreten lassen könnten, seien nicht festgestellt worden. Den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese sich auch gegen den Einbehalt weiterer 38,79 Euro von der Rentennachzahlung für April 2005 wandte, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 26.1.2006).

6

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.4.2007). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und ihre hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage abgewiesen (Urteil vom 25.11.2010). Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtung sei nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte seit Januar 2007 keinen Teil der Rentenzahlung mehr einbehalte und die Aufrechnung abgeschlossen sei. Der Bescheid vom 22.6.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.1.2006 sei rechtmäßig. Er finde seine Rechtsgrundlage in § 51 Abs 2 SGB I. Die Gegenseitigkeit der Forderungen sei gegeben, auch wenn die Beklagte und die seinerzeitige LVA Sachsen-Anhalt als Beitragsgläubigerin zwei formal selbstständige Rechtspersönlichkeiten darstellten. Entscheidend sei die sachliche Einheit der allgemeinen Rentenversicherung bei der Aufgabenwahrnehmung durch unterschiedliche Träger iS des § 125 SGB VI, die zudem gemäß § 219 SGB VI in einem Finanzverbund stünden. Das BSG habe bereits im Urteil vom 1.11.1968 (BSGE 28, 288 = SozR Nr 12 zu § 1299 RVO) den Vorrang der sachlichen Einheit vor der formalen Selbstständigkeit der Versicherungsträger betont und aufgrund dessen die Aufrechnung mit Beitragsansprüchen eines Versicherungsträgers gegen Ansprüche auf Leistungen eines anderen Trägers desselben Versicherungszweigs gebilligt. Dieser Grundsatz habe mit der zwischenzeitlich erfolgten Aufhebung der Trennung der Versicherungszweige und deren Umwandlung in die allgemeine Rentenversicherung eine weitere Ausdehnung erfahren.

7

Die Beitragsforderung der LVA Sachsen-Anhalt sei auch fällig und noch nicht verjährt gewesen, da aufgrund ihrer Festsetzung im bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 17.11.1998 eine 30-jährige Verjährungsfrist laufe (§ 52 Abs 2 SGB X). Die Pfändungsgrenzen der §§ 850 ff ZPO seien aufgrund der Sonderregelung in § 51 Abs 2 SGB I nicht anwendbar. Das Insolvenzverfahren stehe einer Aufrechnung ebenfalls nicht entgegen, da es nur den pfändbaren Teil einer Altersrente betreffe. Da die Klägerin, wie ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung bestätigt habe, nicht hilfebedürftig geworden sei, habe die Beklagte die Aufrechnung auch in der erfolgten Höhe vornehmen dürfen; Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Schließlich sei die Beklagte befugt gewesen, die Aufrechnung durch Verwaltungsakt (VA) zu erklären.

8

Die Klägerin rügt mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision sinngemäß eine Verletzung des § 51 SGB I. Die Beklagte habe die Aufrechnung nicht durch VA erklären dürfen (Hinweis auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 24.7.2003 - SozR 4-1200 § 52 Nr 1). Es fehle auch an einer wirksamen Ermächtigung zur Aufrechnung durch den forderungsberechtigten Sozialleistungsträger (die ehemalige LVA Sachsen-Anhalt). Zudem sei sie aufgrund des Einbehalts der Hälfte der Altersrente hilfebedürftig geworden. Das LSG habe ihren Prozessbevollmächtigten zu keiner Zeit nach ihrer eventuellen Hilfebedürftigkeit befragt und dieser habe eine darauf bezogene Auskunft in der mündlichen Verhandlung nicht gegeben; die entsprechende Behauptung in den Gründen des LSG-Urteils sei "definitiv unzutreffend". Schließlich sei die Aufrechnung wegen des Insolvenzverfahrens rechtswidrig; der Beschluss des "Sozialgerichts" (gemeint ist wohl das Amtsgericht) Potsdam vom 25.11.2008, in dem der Klägerin "Rechtsschuldbefreiung" erteilt worden sei, wirke gegen alle Gläubiger und dies erst recht, wenn - wie hier - die LVA Sachsen-Anhalt ihre Forderung zur Tabelle nach § 174 InsO angemeldet habe.

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 und des Sozialgerichts Potsdam vom 20. April 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2006 aufzuheben;

        

hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2006 rechtswidrig war.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere habe eine Aufrechnung in Form eines VA zu erfolgen (Hinweis auf den Senatsbeschluss vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R). Das weitere Vorbringen der Revision betreffe lediglich Tatsachenfragen; insoweit sei das Rechtsmittel bereits unzulässig.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 S 1 SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22.6.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.1.2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs 2 S 1 SGG). Dies führt zur Aufhebung sowohl der vorinstanzlichen Urteile als auch der genannten Bescheide, soweit diese noch streitbefangen sind (§ 170 Abs 2 S 1 SGG).

14

A) Die Revision ist zulässig.

15

Soweit die Klägerin allerdings beanstandet, das LSG habe das Vorbringen ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zur fehlenden Hilfebedürftigkeit "definitiv unzutreffend" wiedergegeben, ist sie mit diesem Vorbringen im Revisionsverfahren ausgeschlossen. Sollte ein solcher Fehler unterlaufen sein, hätte er nur mit Hilfe des hierfür vorgesehenen speziellen Rechtsbehelfs einer - binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils zu beantragenden - Tatbestandsberichtigung (§ 139 SGG) vom Berufungsgericht selbst korrigiert werden können. Die Geltendmachung als Verfahrensmangel erstmals im Revisionsverfahren ist dagegen ausgeschlossen (vgl bereits BSG vom 26.6.1959 - 6 RKa 2/57 - SozR Nr 133 zu § 162 SGG Bl Da 39 Rücks - Juris RdNr 2; s auch BGH Beschluss vom 22.9.2008 - II ZR 235/07 - DStR 2008, 2228 RdNr 5; BVerwG Beschluss vom 9.9.2009 - 4 BN 4/09 - Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht 2010, 67, 69 ; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 139 RdNr 6).

16

B) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die in dem angefochtenen Bescheid vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.1.2006 geregelte Aufrechnung des hälftigen monatlichen Zahlbetrags der Altersrente mit einer Gegenforderung auf Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen iHv 1713,04 Euro. Soweit die Beklagte erstmals im Widerspruchsbescheid den Einbehalt weiterer 38,79 Euro von der Rentennachzahlung für den Monat April 2005 im Hinblick auf einen von der ARGE geltend gemachten Erstattungsanspruch als "Verrechnung nach § 52 SGB I" abgehandelt hat(zur rechtlichen Einordnung vgl den Hinweis auf § 107 Abs 1 SGB X im Senatsurteil vom 31.10.2012 - B 13 R 9/12 R - RdNr 24, zur Veröffentlichung in SozR 4-1300 § 104 Nr 5 vorgesehen), ist dies nicht mehr streitbefangen. Zwar richtete sich die Klage nach ihrer Begründung im Schriftsatz vom 18.4.2007 ursprünglich auch hiergegen. Die Klägerin hat aber in der Berufungsbegründung vom 24.11.2010 ihr Rechtsmittel auf den (abtrennbaren) Aspekt der Aufrechnung gegen die Beitragsforderung wirksam beschränkt (vgl BSG SozR 4-1500 § 92 Nr 2 RdNr 8); hinsichtlich des Betrags von 38,79 Euro ist die Klageabweisung durch das SG rechtskräftig geworden (§ 141 SGG).

17

C) Von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Insbesondere hat das LSG zutreffend erkannt, dass die von der Klägerin im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG) nicht unzulässig geworden ist.

18

Das LSG ist davon ausgegangen, dass die streitige "Aufrechnung unterdessen abgeschlossen" sei. Hinreichende Tatsachen, die eine solche rechtliche Bewertung untermauern könnten, hat es allerdings nicht festgestellt. Allein der Umstand, dass die Beklagte seit Januar 2007 keinen Teil der Rentenzahlung mehr einbehält, belegt noch nicht, dass die Aufrechnung ab diesem Zeitpunkt vollständig und endgültig abgewickelt ist. Das ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt der Verwaltungsakten, die das LSG zur Ergänzung des Tatbestands in Bezug genommen hat.

19

Einer Zurückverweisung zur weiteren Aufklärung der damit zusammenhängenden tatsächlichen Umstände bedarf es gleichwohl nicht. Selbst wenn die Beklagte den Betrag der von ihr zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung iHv 1713,04 Euro bereits vollständig von den monatlichen Zahlungsansprüchen der Klägerin auf Altersrente einbehalten hätte, wäre deren Interesse an einer Klärung der Rechtmäßigkeit des hoheitlich vorgenommenen Einbehalts nicht allein aus diesem Grund entfallen. Denn ein VA über die Aufrechnung bzw Verrechnung einer Forderung erledigt sich nicht dadurch vollständig "auf andere Weise", dass der Leistungsträger ihn faktisch umsetzt, indem er von der von ihm monatlich geschuldeten Sozialleistung Einbehalte in einem Umfang vornimmt, die dem Betrag der Gegenforderung entsprechen.

20

Die Erledigung eines VA iS des § 39 Abs 2 SGB X tritt ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist(vgl BVerwG NVwZ 2009, 122 RdNr 13 mwN - zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 43 Abs 2 VwVfG; ähnlich BSG SozR 3-4100 § 116 Nr 4 S 132 f). Danach erledigt sich ein VA, der Handlungspflichten auferlegt, nicht einmal mit dessen Vollstreckung durch Ersatzvornahme, und zwar auch dann nicht, wenn dadurch irreversible Tatsachen geschaffen wurden (BVerwG aaO; einschränkend allerdings Rüfner in Wannagat, SGB X, § 39 RdNr 31, Stand Einzelkommentierung November 1995: Erledigung durch Vollzug des VA tritt ein, wenn eine Folgenbeseitigung nicht mehr in Betracht kommt).

21

Entscheidet ein Rentenversicherungsträger über eine Auf- oder Verrechnung durch VA, bedeutet dies: Ein solcher VA zielt auf rechtsgestaltende Wirkungen, da er den Auszahlungsanspruch des Rentenempfängers hinsichtlich der im Rentenbescheid festgelegten Art und Weise seiner Erfüllung modifizieren und zum Erlöschen bringen will (vgl Senatsurteil vom 7.2.2012 - SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 41 - unter Hinweis auf BSG BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 15). Solange aber die - grundsätzlich mit Bekanntgabe eintretende (§ 39 Abs 1 SGB X) - Wirksamkeit eines solchen VA zwischen den Beteiligten nicht verbindlich feststeht (§§ 77, 141 SGG), es vielmehr noch Gegenstand eines (gerichtlichen) Verfahrens ist, ob er Bestand hat oder der Aufhebung mit Wirkung ex tunc unterliegt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 131 RdNr 3a), ist ein derartiger VA noch geeignet, rechtliche Wirkungen - die genannten Gestaltungswirkungen - zu erzeugen. Dies gilt unabhängig davon, ob Aufrechnung oder Verrechnung zulässigerweise durch VA oder in einer anderen Handlungsform zu erklären sind. Mithin hat sich ein entsprechender VA auch dann noch nicht vollständig erledigt, wenn der Leistungsträger während eines laufenden Rechtsstreits von den monatlichen Rentenzahlungen insgesamt einen Betrag in Höhe der zur Auf- oder Verrechnung gestellten Gegenforderung einbehalten hat. Denn bei Erfolg der Klage muss er die einbehaltenen Beträge an den Berechtigten auskehren, weil der Rechtsgrund für den Einbehalt dann entfallen ist.

22

Sofern aus seinem Urteil vom 27.3.2007 (B 13 RJ 43/05 R - Juris RdNr 13) Abweichendes entnommen werden könnte, weist der Senat auf die besondere Konstellation des damals entschiedenen Falles hin: Der dortige Kläger hatte es hingenommen, dass seine mit der Anfechtungsklage erhobene Leistungsklage auf Rückzahlung des einbehaltenen Betrags rechtskräftig abgewiesen wurde; (nur) deshalb bestand nach Abschluss des Einbehalts kein berechtigtes Interesse an der Weiterführung der Anfechtungsklage mehr (vgl auch Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 141 RdNr 6a, 6b, 12, 12a).

23

D) Die Revision der Klägerin ist auch begründet. Der Bescheid vom 22.6.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.1.2006 ist - soweit noch streitbefangen - rechtswidrig. Die Beklagte war weder zu einer Aufrechnung (dazu unter 1.) noch zu einer Verrechnung (dazu unter 2.) eines Teils der Ansprüche der Klägerin auf monatliche Zahlung von Altersrente mit der Beitragsforderung der LVA Sachsen-Anhalt berechtigt.

24

1. Entgegen der Rechtsmeinung des LSG lagen die Voraussetzungen einer Aufrechnung (§ 51 SGB I) nicht vor. Es fehlte schon an der erforderlichen Gegenseitigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen und damit an einer Aufrechnungslage. Auf die im Beschluss des Großen Senats des BSG vom 31.8.2011 offengelassene Frage, ob auch eine Aufrechnung iS des § 51 SGB I durch Verwaltungsakt geregelt werden darf(BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 11, 19), kommt es deshalb hier nicht entscheidungserheblich an (s hierzu zB Seewald in Kasseler Komm, § 51 SGB I RdNr 21e am Ende, Stand Einzelkommentierung April 2012; Seewald, SGb 2012, 446, 453; Schaer, jurisPR-SozR 7/2012 Anm 1 D; Plagemann, Beck Fachdienst Sozialversicherungsrecht 2012, 328355; vgl auch den Beschluss des 4. Senats des BSG vom 22.9.2009 - B 4 SF 1/09 S - Juris RdNr 4).

25

a) Nach § 51 Abs 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger - hier die Beklagte - gegen Ansprüche auf Geldleistungen - hier die Altersrente - mit Ansprüchen gegen den Berechtigten - hier die Klägerin - aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Gemäß § 51 Abs 2 SGB I(in der ab 1.1.2005 geltenden, hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12.2003, BGBl I 3022) ist der Leistungsträger befugt, mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufzurechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig iS der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird.

26

Danach ist wesentliche Voraussetzung für eine rechtmäßige Aufrechnung das Vorliegen einer Aufrechnungslage, dh dass sich (entsprechend § 387 BGB) gleichartige und gegenseitige Forderungen gegenüberstehen, von denen die eine - die Hauptforderung auf eine Sozialleistung - entstanden und erfüllbar sein muss, während die Gegenforderung des Sozialleistungsträgers entstanden und bereits fällig sein muss (vgl BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 15; Nr 5 RdNr 54 f). Eine Aufrechnung ist somit nur wirksam, wenn zwischen den zur Aufrechnung gestellten Forderungen ein Gegenseitigkeitsverhältnis besteht, wenn also der Gläubiger der Hauptforderung zugleich Schuldner der Gegenforderung und der Schuldner der Hauptforderung zugleich Gläubiger der Gegenforderung ist (BSGE 101, 1 = SozR 4-2400 § 28h Nr 5, RdNr 13; s auch BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 16 f; BSG Beschluss vom 22.9.2009 - B 4 SF 1/09 S - Juris RdNr 4).

27

b) Eine Aufrechnungslage hat hier zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids im Januar 2006 nicht bestanden (zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts bei reinen Anfechtungsklagen vgl BSGE 95, 119 = SozR 4-7860 § 10 Nr 2, RdNr 13; BSG SozR 4-2700 § 168 Nr 2 RdNr 17 - jeweils mwN).

28

Die Beklagte hat zwar im Bescheid vom 22.6.2005 nach dessen Wortlaut eine Aufrechnung iS des § 51 SGB I erklärt und deren Rechtsfolgen geregelt, auch wenn im Widerspruchsbescheid vom 26.1.2006 teils auch von einer "Verrechnung" (aaO S 4 Abs 5 und 7) die Rede ist. Denn sie wollte die streitigen Beträge zu ihren eigenen Gunsten einbehalten, da sie davon ausging, dass die Klägerin ihr die noch ausstehenden Beiträge schulde. Das war jedoch nicht der Fall. Die Beklagte war Schuldnerin der Hauptforderung (der Klägerin auf monatliche Zahlung von Altersrente), jedoch nicht zugleich Gläubigerin der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung (gegenüber der Klägerin auf Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen). Das LSG hat zutreffend angenommen, dass die zur Aufrechnung herangezogene Beitragsforderung von der LVA Sachsen-Anhalt mit Bescheid vom 17.11.1998 bindend als ihr zustehend festgesetzt worden ist. Deren Rechtsnachfolge hat zum 1.10.2005 die DRV Mitteldeutschland angetreten, nicht die Beklagte.

29

aa) Anhaltspunkte dafür, dass die LVA Sachsen-Anhalt - oder später die DRV Mitteldeutschland als deren Rechtsnachfolgerin - die Beitragsforderung an die Beklagte abgetreten hätte und diese dadurch zwischenzeitlich Forderungsinhaberin geworden wäre (vgl § 398 BGB), sind nicht ersichtlich; im LSG-Urteil sind entsprechende Tatsachen auch nicht festgestellt. Daher bedarf es hier keiner Entscheidung, ob eine solche Abtretung wirksam wäre (ablehnend mangels Ermächtigungsgrundlage: BSGE 15, 36, 39 f = SozR Nr 1 zu § 1299 RVO Bl Aa 3; anders für den Bereich des Steuerrechts - die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung verneinend - BFHE 189, 14, 31 f - Juris RdNr 47 ff).

30

bb) Der Regelung in § 128 SGB VI kann - entgegen der wohl vom SG vertretenen Rechtsmeinung - kein gesetzlicher Forderungsübergang(vgl § 412 BGB) der von der LVA Sachsen-Anhalt festgesetzten Beitragsforderung auf die Beklagte entnommen werden.

31

Nach § 128 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI(in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung des RVOrgG vom 9.12.2004, BGBl I 3242 ; zuvor inhaltsgleich § 130 SGB VI aF; s auch die Übergangsvorschrift in § 274c Abs 1 S 2 Nr 1 SGB VI) tritt ein Wechsel des örtlich zuständigen Rentenversicherungsträgers ein, sobald ein Versicherter, für den ein Regionalträger zuständig ist, seinen Wohnsitz in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Regionalträgers verlegt. Das war bei der Klägerin offenbar der Fall (nähere Feststellungen dazu, wann dies geschah, fehlen allerdings). Der Übergang der Zuständigkeit hat aber nicht zur Folge, dass zugunsten des bisherigen Rentenversicherungsträgers bereits entstandene Forderungen automatisch auf den neu zuständig gewordenen Regionalträger übergehen. Für einen solchen Forderungsübergang ist eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich; sie ergibt sich insbesondere nicht aus § 130 Abs 1 S 1 SGB VI aF bzw § 128 Abs 1 S 1 SGB VI nF.

32

Vielmehr verbleibt bei einem Zuständigkeitswechsel der bislang verantwortliche Regionalträger für die während seiner örtlichen Zuständigkeit zugunsten der GRV entstandenen Beitragsforderungen in der Gläubigerposition, da für den Bereich der Rentenversicherung abweichende Regelungen nicht existieren (vgl aber zB § 45a Abs 3 BAFöG bei länderübergreifender Änderung der örtlichen Zuständigkeit aufgrund eines Hochschulwechsels, s hierzu BVerwGE 90, 25, 31 f - Juris RdNr 20; zum Sonderfall eines gesetzlich angeordneten Forderungsübergangs im Zusammenhang mit der Herstellung der deutschen Einheit vgl BSG SozR 3-8260 § 8 Nr 1). Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - das Verwaltungsverfahren zur Festsetzung der Beiträge bereits durch Erlass eines Bescheids, der auch den Gläubiger der Forderung bestimmt (vgl den Wortlaut des Bescheids vom 17.11.1998 "Sie schulden der LVA Sachsen-Anhalt Pflichtbeiträge …"), (bestandskräftig) abgeschlossen ist. In einer solchen Konstellation ist für eine Fortführung des Beitragseinzugsverfahrens durch den Versicherungsträger am neuen Wohnort gemäß der Regelung in § 2 Abs 2 SGB X kein Raum(Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 2 RdNr 10, 12a; Waschull in Diering/Timme/Waschull, LPK SGB X, 3. Aufl 2011, § 2 RdNr 8; Mutschler in Kasseler Komm, § 2 SGB X RdNr 11, Stand Einzelkommentierung April 2012; I. Palsherm in juris-PK SGB X, 2013, § 2 RdNr 18). Die Einziehung bzw Vollstreckung einer auch hinsichtlich der Rechtsinhaberschaft konkretisierten Forderung kann - solange der Beitragsbescheid unverändert aufrechterhalten bleibt - nur noch von dem im Bescheid benannten Träger (oder dessen Rechtsnachfolger) veranlasst werden. Dieser hat jedoch die Möglichkeit, den insbesondere für die Leistungsgewährung nunmehr zuständigen Regionalträger des neuen Wohnorts (vgl § 128 Abs 1 S 2 SGB VI nF)gemäß § 52 SGB I zu einer Verrechnung seiner Ansprüche zu ermächtigen.

33

cc) Die fehlende Gegenseitigkeit der Forderung der Klägerin gegen die Beklagte auf Altersrente und der Gegenforderung der DRV Mitteldeutschland auf ausstehende Beiträge kann entgegen der Rechtsmeinung des LSG nicht unter Berufung auf den Grundsatz der "sachlichen Einheit der allgemeinen Rentenversicherung" überwunden werden.

34

Zwar hat der 12. Senat des BSG in einem - insoweit vereinzelt gebliebenen - Urteil vom 1.11.1968 entschieden, dass ein in der Arbeiterrentenversicherung (ArV) Versicherter "im Hinblick auf die sachliche Einheit des Versicherungszweigs der ArV nach Treu und Glauben nicht das Fehlen der Gegenseitigkeit (§ 387 BGB) infolge der formalen rechtlichen Selbständigkeit der verschiedenen LVA als Träger der ArV geltend machen" kann (BSGE 28, 288, 289 = SozR Nr 12 zu § 1299 RVO Bl Aa 15 Rücks). Diese auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB)gegründete Entscheidung ist seit dem Inkrafttreten des SGB I am 1.1.1976 jedoch aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung der Problematik in den §§ 51, 52 SGB I überholt.

35

Wie im Urteil des 5. Senats vom 10.12.2003 ausgeführt ist, hat der Gesetzgeber die spezifisch sozialrechtliche Möglichkeit der Verrechnung nach § 52 SGB I als Reaktion darauf geschaffen, dass zuvor in der Rspr des BSG Aufrechnungen von SV-Trägern mit Forderungen anderer SV-Träger mangels Gegenseitigkeit der Forderungen grundsätzlich für unzulässig erklärt und unter dem Gesichtspunkt der Funktionseinheit nur bei Ansprüchen von Trägern desselben Versicherungszweigs zugelassen worden waren(BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 2 RdNr 14; ebenso bereits BSG SozR 2200 § 1299 Nr 1 S 3 - Juris RdNr 18). Mit Einführung der Verrechnung nach § 52 SGB I ist diese Einschränkung gegenstandslos geworden(s BT-Drucks 7/868 S 32 - zu § 52: "Die Vorschrift beruht auf der Erwägung, dass im Sozialrecht angesichts derselben oder ähnlichen Zielsetzung aller Sozialleistungen, der Verpflichtung aller Leistungsträger zur engen Zusammenarbeit und des Strebens nach Verwaltungsvereinfachung auf die Gegenseitigkeit der aufgerechneten Forderungen verzichtet werden kann"). Die gesetzliche Regelung zur Verrechnung - insbesondere das Erfordernis einer ausdrücklichen Ermächtigung des anderen Leistungsträgers - darf hiernach nicht dadurch umgangen werden, dass weiterhin - wie zu Zeiten vor Erlass des SGB I - auf einen "Vorrang der sachlichen Einheit vor der formalen Selbstständigkeit der Versicherungsträger" und den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben abgestellt wird. Dies widerspräche der Gesetzesbindung (Art 20 Abs 3 GG), der sowohl die Verwaltung als auch die Rechtsprechung verpflichtet sind (im Ergebnis ebenso Mrozynski, SGB I, 4. Aufl 2010, § 51 RdNr 15; Zweng/Scherer/Buschmann/Dörr, Handbuch der RV, Teil I Bd 1, Stand November 2011, § 51 SGB I Anm III. 2. A.; Pflüger in juris-PK SGB I, 2. Aufl 2012, § 51 RdNr 29 f; Gutzler in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck'scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 51 SGB I RdNr 7, Stand Einzelkommentierung März 2013).

36

dd) Die Regelungen zur - überwiegend zum 1.1. bzw 1.10.2005 in Kraft getretenen - Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG vom 9.12.2004, BGBl I 3242) haben diese Rechtslage nicht geändert.

37

Die Beklagte (DRV Berlin-Brandenburg) und die DRV Mitteldeutschland sind jeweils Regionalträger der allgemeinen Rentenversicherung iS von § 125 Abs 1 SGB VI(idF des RVOrgG). Diese sind weiterhin als rechtlich eigenständige Selbstverwaltungskörperschaften (§ 29 Abs 1 SGB IV) organisiert (vgl Keck in Eichenhofer/Rische/Schmähl, Handbuch der gesetzlichen RV, 2. Aufl 2012, Kap 24 RdNr 76; Schillinger, ebenda Kap 26 RdNr 8 ff; Axer, DRV 2005, 542, 545). Ihnen kommt nicht lediglich die Stellung unselbstständiger Verwaltungsstellen eines einheitlichen (Rechts-)Trägers "allgemeine Rentenversicherung" zu; ein solcher Einheitsträger (vergleichbar der BA, s § 368 SGB III) wurde mit der Organisationsreform nicht geschaffen. Die Bezeichnung "allgemeine Rentenversicherung" in § 125 Abs 1 S 1 SGB VI beschreibt vielmehr einen - gemäß § 126 SGB VI von unterschiedlichen Trägern wahrzunehmenden - Aufgabenbereich der gesetzlichen Rentenversicherung (in Abgrenzung zum besonderen Bereich der knappschaftlichen Rentenversicherung), aber keine rechtlich eigenständige Organisationseinheit. Auch die Vorgaben in § 125 Abs 1 S 2 SGB VI für eine vereinheitlichte Namensgebung der jeweiligen Regionalträger beseitigen deren rechtliche Selbstständigkeit nicht. Mithin sind die Regionalträger weiterhin je eigenständige "Leistungsträger" iS der §§ 12, 23 Abs 2, §§ 51 und 52 SGB I.

38

Etwas anderes ergibt sich ebenso wenig aus den durch das RVOrgG neu gefassten Regelungen zu einem Finanzverbund in der allgemeinen Rentenversicherung (§ 219 SGB VI idF von Art 1 Nr 45 RVOrgG - gemäß dessen Art 86 Abs 5 am 1.1.2006 in Kraft getreten). Nach § 219 Abs 1 S 1 SGB VI werden die Ausgaben für Renten, Beitragserstattungen, Beiträge zur Krankenversicherung und sonstige Geldleistungen (ausgenommen jedoch Leistungen zur Teilhalbe, Aufwendungen für Verwaltungs- und Verfahrenskosten sowie Investitionen) von den Trägern der allgemeinen Rentenversicherung nach dem Verhältnis ihrer Beitragseinnahmen jeweils für ein Kalenderjahr gemeinsam getragen. Die Vorschrift sieht damit nur für bestimmte versichertenbezogene Aufwendungen eine gemeinsame Finanzierung durch alle Träger der allgemeinen Rentenversicherung unabhängig davon vor, wie hoch die Ausgaben für die Versicherten des jeweils zuständigen Versicherungsträgers sind. Vielmehr ist für die von den einzelnen Trägern zu übernehmenden Ausgabenanteile ihre Finanzkraft maßgeblich, welche in der Höhe der jeweiligen Beitragseinnahmen zum Ausdruck kommt. Dieses System des Finanzausgleichs ("Gemeinlastverfahren", s hierzu näher Mörschel/Wiederspahn, DRV 2005, 15, 30) soll die Zahlungsströme in der gesetzlichen Rentenversicherung reduzieren und optimieren, dabei aber die finanzielle Eigenständigkeit der einzelnen Träger erhalten (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum RVOrgG, BT-Drucks 15/3654 S 64). Der in § 219 SGB VI geregelte Finanzverbund auf der Ausgabenseite ist damit für die Einnahmen ohne Bedeutung; er begründet jedenfalls keine Gesamtgläubigerschaft (vgl § 428 BGB) sämtlicher Träger der allgemeinen Rentenversicherung für jede einzelne Forderung, die gegenüber einem ihrer Versicherten besteht.

39

ee) Das der gesetzlichen Regelung in § 51 SGB I zugrunde liegende Erfordernis der Gegenseitigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen ist auch nicht durch die "im März 2006" getroffene und im Juni-Heft des amtlichen Mitteilungsblatts(RVaktuell 2006, 245) veröffentlichte "Verbindliche Entscheidung" iS des § 138 Abs 2 SGB VI des Vorstands der DRV Bund aufgehoben worden.

40

Diese hat folgenden Wortlaut:

        

"Gegen die Ansprüche eines Berechtigten gegenüber einem Träger der allgemeinen Rentenversicherung kann ein anderer Träger der allgemeinen Rentenversicherung seine Ansprüche gegenüber demselben Berechtigten aus Beitragsforderungen, auf Rückzahlung zu Unrecht erbrachter Leistungen oder aus sonstigen Geldforderungen nach § 51 SGB I aufrechnen. Dies gilt auch in Fällen, in denen die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der allgemeinen Rentenversicherung zuständig ist.

        

Die Aufrechnung erfolgt für Zeiten ab 1.1.2006 auch dann, wenn beide Ansprüche oder einer der beiden Ansprüche vor diesem Zeitpunkt entstanden sind."

41

Da diese "Verbindliche Entscheidung" erst im Juni 2006 mit ihrer Veröffentlichung (§ 138 Abs 5 SGB VI) in Kraft trat, ist sie für die hier maßgebliche Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids - im Januar 2006 - ohne Bedeutung. Deshalb bedarf es an dieser Stelle keiner abschließenden Entscheidung, ob Entscheidungen nach § 138 Abs 2 SGB VI als "untergesetzliche Normen eigener Art"(so der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum RVOrgG, BT-Drucks 15/3654 S 70) mit dem Grundgesetz vereinbar sind (s hierzu Axer, DRV 2005, 542, 547 ff; Ruland/Dünn, NZS 2005, 113, 119 f; Schnapp, DÖV 2003, 965, 968 ff) und - soweit dies bejaht wird - ob diese nur für die Rentenversicherungsträger (vgl § 138 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB VI)und die Aufsichtsbehörden (so Ruland, DRV 2005, 2, 12; Binne/Dünn, DRV 2005, 50, 62) oder auch für die Versicherten verbindlich sind (so Axer, DRV 2005, 542, 546; wohl auch Hebeler in juris-PK SGB VI, 2008, § 138 RdNr 16 ff). Selbst wenn Letzteres der Fall wäre, könnten "Verbindliche Entscheidungen" als untergesetzliche Normen keine Wirksamkeit entfalten, soweit sie mit höherrangigem Recht nicht vereinbar sind (so bereits BSGE 78, 70, 77 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 32 zu den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen; ebenso Dünn in Ruland/Försterling, Gemeinschaftskomm zum SGB VI, § 138 RdNr 113, Stand Einzelkommentierung November 2009). Das dürfte bei der oben wiedergegebenen "Verbindlichen Entscheidung" vom März 2006, die nach ihrem Regelungsgegenstand eine solche über die "Auslegung von Rechtsfragen" (§ 138 Abs 2 S 3 SGB VI) enthält, jedoch der Fall sein. Ihr Inhalt steht, wie in den vorstehenden Ausführungen näher dargelegt wurde, im Widerspruch zum geltenden Recht. Dessen letztverbindliche Auslegung obliegt nach Art 92 GG allein den zuständigen Gerichten (BVerfGE 126, 369, 392 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 73; BVerfG vom 2.5.2012 - 2 BvL 5/10 - NVwZ 2012, 876 RdNr 68); ein Gestaltungsspielraum des untergesetzlichen Normgebers besteht insoweit nicht.

42

2. Der nach alledem als Regelung einer Aufrechnung (§ 51 SGB I)rechtswidrige Bescheid der Beklagten vom 22.6.2005 lässt sich nicht in einen Verrechnungsbescheid iS des § 52 SGB I umdeuten. § 43 Abs 1 SGB X gestattet eine Umdeutung nur, wenn der andere VA - hier ein Verrechnungsbescheid - auf das gleiche Ziel wie der fehlerhafte VA gerichtet ist, er von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Während die beiden ersten Anforderungen erfüllt sind, fehlt es jedoch an dem drittgenannten Erfordernis für eine Umdeutung.

43

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Verrechnungsbescheids nach § 52 SGB I sind nicht gegeben, da - wie die Revision zu Recht geltend macht - eine wirksame Ermächtigung der Beklagten durch die LVA Sachsen-Anhalt (bzw durch die DRV Mitteldeutschland als deren Rechtsnachfolgerin) zur Verrechnung der ihr zustehenden Beitragsforderung nicht vorliegt. Weder hat das LSG eine solche Ermächtigung festgestellt noch hat die Beklagte Entsprechendes im Verlauf des Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens behauptet. Die von der Beklagten selbst ("hausintern") erteilte "Ermächtigung zur Aufrechnung gemäß § 51 SGB I" vom 24.3.2005 genügt den Anforderungen des § 52 SGB I nicht. Denn jedenfalls dann, wenn die Beitragsforderung durch einen anderen Träger - hier: durch den früher zuständig gewesenen Regionalträger - bereits in einem Bescheid bestandskräftig als ihm zustehend festgestellt wurde, bedarf es nach einem Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit (§ 128 Abs 1 S 1 SGB VI nF bzw § 130 Abs 1 S 1 SGB VI aF) der Ermächtigung zur Verrechnung durch diesen Träger. Ein Zuständigkeitswechsel lässt den nunmehr örtlich zuständig gewordenen Leistungsträger, der nicht Forderungsinhaber ist, nicht auch für die Erteilung der Ermächtigung zur Verrechnung mit einer fremden Forderung iS des § 52 SGB I zuständig werden.

44

3. Lediglich ergänzend ist zum hauptsächlichen Vorbringen der Klägerin darauf hinzuweisen, dass das am 15.8.2002 über das Vermögen der Klägerin eröffnete Insolvenzverfahren einer Verrechnung ihrer erst ab 1.4.2005 entstandenen Ansprüche auf monatliche Zahlung der Altersrente mit der gegen sie gerichteten Beitragsforderung aus den Jahren 1992/1993 nicht entgegenstand. Zwar ist grundsätzlich im laufenden Insolvenzverfahren eine Verrechnung nach § 52 SGB I nur möglich, wenn die Verrechnungslage bereits vor Insolvenzeröffnung bestand(BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 2 RdNr 9, 11; BGHZ 177, 1 RdNr 16, 20; zur Aufrechnung s auch BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 62, RdNr 18; BSG vom 16.10.2012 - B 14 AS 188/11 R - RdNr 16 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 11 Nr 55 vorgesehen). Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (vgl § 200 InsO)- hier durch Beschluss des AG Potsdam vom 5.5.2004 - konnten die Insolvenzgläubiger ihre noch nicht befriedigten Forderungen gegen den Schuldner jedoch wieder unbeschränkt geltend machen, soweit sich aus den Regelungen zur Restschuldbefreiung (§§ 286 ff, insbesondere §§ 294, 301 InsO) nichts anderes ergibt (§ 201 Abs 3 InsO). § 294 Abs 1 InsO verbietet in diesem Zusammenhang Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners während der Laufzeit von dessen Abtretungserklärung über pfändbare Forderungen(vgl § 287 Abs 2 InsO). Hierzu hat der Senat - zur vergleichbaren Vorschrift in § 18 Abs 2 S 3 GesO - bereits entschieden, dass dieser Vollstreckungsschutz einer Verrechnung durch den Rentenversicherungsträger mit unpfändbaren Teilen der Rentenzahlungsansprüche des Schuldners(§ 54 Abs 4 SGB I iVm § 850c Abs 1 S 1 ZPO)nicht entgegensteht (BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 57 ff).

45

Nach Erteilung der Restschuldbefreiung an die Klägerin durch Beschluss des AG Potsdam vom 25.11.2008 dürfte die - infolge der unwirksamen Aufrechnung noch nicht erloschene - Beitragsforderung der DRV Mitteldeutschland allerdings nicht mehr durchsetzbar sein (zur Umwandlung einer Forderung aufgrund Restschuldbefreiung in eine Naturalobligation vgl Lang in Braun, InsO, 5. Aufl 2012, § 301 RdNr 2). Die Klägerin wird jedoch zu erwägen haben, ob es für sie vorteilhaft sein könnte, auf die Rückzahlung der von der Beklagten bereits einbehaltenen Beträge zu verzichten und diese als Erfüllung der Beitragsforderung gelten zu lassen (§ 301 Abs 3 InsO), um so mit zusätzlich zu berücksichtigenden Beitragszeiten ggf eine höhere Altersrente zu erlangen (vgl § 66 Abs 1 Nr 1 SGB VI).

46

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Ist ein Insolvenzgläubiger zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes oder auf Grund einer Vereinbarung zur Aufrechnung berechtigt, so wird dieses Recht durch das Verfahren nicht berührt.

(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig.

(2) Jedes Abkommen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nichtig.

(3) Eine Aufrechnung gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, ist nicht zulässig.

(1) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben.

(2) Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, werden durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. Der Schuldner wird jedoch gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Insolvenzgläubigern.

(3) Wird ein Gläubiger befriedigt, obwohl er auf Grund der Restschuldbefreiung keine Befriedigung zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten.

(4) Ein allein aufgrund der Insolvenz des Schuldners erlassenes Verbot, eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen oder auszuüben, tritt mit Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung außer Kraft. Satz 1 gilt nicht für die Versagung und die Aufhebung einer Zulassung zu einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit.

(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen.

(2) Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle kann erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.

(3) Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung bleiben unberührt.

(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist nicht zulässig.

(2) Jedes Abkommen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, ist nichtig.

(3) Eine Aufrechnung gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, ist nicht zulässig.

(1) Die Restschuldbefreiung setzt einen Antrag des Schuldners voraus, der mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden soll. Wird er nicht mit diesem verbunden, so ist er innerhalb von zwei Wochen nach dem Hinweis gemäß § 20 Abs. 2 zu stellen. Der Schuldner hat dem Antrag eine Erklärung beizufügen, ob ein Fall des § 287a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder 2 vorliegt. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung nach Satz 3 hat der Schuldner zu versichern.

(2) Dem Antrag ist die Erklärung des Schuldners beizufügen, dass dieser seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder auf an deren Stelle tretende laufende Bezüge für den Zeitraum von drei Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abtretungsfrist) an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt. Ist dem Schuldner auf Grundlage eines nach dem 30. September 2020 gestellten Antrags bereits einmal Restschuldbefreiung erteilt worden, so beträgt die Abtretungsfrist in einem erneuten Verfahren fünf Jahre; der Schuldner hat dem Antrag eine entsprechende Abtretungserklärung beizufügen.

(3) Vereinbarungen des Schuldners sind insoweit unwirksam, als sie die Abtretungserklärung nach Absatz 2 vereiteln oder beeinträchtigen würden.

(4) Die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, sind bis zum Schlusstermin zu dem Antrag des Schuldners zu hören.

(1) Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen können nicht gepfändet werden.

(2) Ansprüche auf einmalige Geldleistungen können nur gepfändet werden, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruchs sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung, die Pfändung der Billigkeit entspricht.

(3) Unpfändbar sind Ansprüche auf

1.
Elterngeld bis zur Höhe der nach § 10 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes anrechnungsfreien Beträge sowie dem Erziehungsgeld vergleichbare Leistungen der Länder,
2.
Mutterschaftsgeld nach § 19 Absatz 1 des Mutterschutzgesetzes, soweit das Mutterschaftsgeld nicht aus einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit herrührt, bis zur Höhe des Elterngeldes nach § 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes, soweit es die anrechnungsfreien Beträge nach § 10 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes nicht übersteigt,
2a.
Wohngeld, soweit nicht die Pfändung wegen Ansprüchen erfolgt, die Gegenstand der §§ 9 und 10 des Wohngeldgesetzes sind,
3.
Geldleistungen, die dafür bestimmt sind, den durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand auszugleichen.

(4) Im übrigen können Ansprüche auf laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden.

(5) Ein Anspruch des Leistungsberechtigten auf Geldleistungen für Kinder (§ 48 Abs. 1 Satz 2) kann nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines Kindes, das bei der Festsetzung der Geldleistungen berücksichtigt wird, gepfändet werden. Für die Höhe des pfändbaren Betrages bei Kindergeld gilt:

1.
Gehört das unterhaltsberechtigte Kind zum Kreis der Kinder, für die dem Leistungsberechtigten Kindergeld gezahlt wird, so ist eine Pfändung bis zu dem Betrag möglich, der bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergeldes auf jedes dieser Kinder entfällt. Ist das Kindergeld durch die Berücksichtigung eines weiteren Kindes erhöht, für das einer dritten Person Kindergeld oder dieser oder dem Leistungsberechtigten eine andere Geldleistung für Kinder zusteht, so bleibt der Erhöhungsbetrag bei der Bestimmung des pfändbaren Betrages des Kindergeldes nach Satz 1 außer Betracht.
2.
Der Erhöhungsbetrag (Nummer 1 Satz 2) ist zugunsten jedes bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigten unterhaltsberechtigten Kindes zu dem Anteil pfändbar, der sich bei gleichmäßiger Verteilung auf alle Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes zugunsten des Leistungsberechtigten berücksichtigt werden, ergibt.

(6) In den Fällen der Absätze 2, 4 und 5 gilt § 53 Abs. 6 entsprechend.

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 und des Sozialgerichts Potsdam vom 20. April 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2006 aufgehoben, soweit sie die Aufrechnung in Höhe von 1713,04 Euro betreffen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits für alle Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Aufrechnung eines Teils ihrer laufenden monatlichen Altersrentenansprüche mit einer von ihr noch nicht beglichenen Beitragsschuld.

2

Die im März 1945 geborene Klägerin hatte ursprünglich ihren Wohnsitz in H., zog später aber nach P. um. Sie bezog von der LVA Sachsen-Anhalt und erhält nunmehr von deren Rechtsnachfolgerin, der DRV Mitteldeutschland, große Witwenrente (Zahlbetrag ab 1.4.2005 monatlich 289,50 Euro). Aufgrund einer selbstständigen Tätigkeit schuldet sie für den Zeitraum Mai 1992 bis August 1993 noch Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung iHv 3341,24 DM, welche die LVA Sachsen-Anhalt ihr gegenüber im Bescheid vom 17.11.1998 zusammen mit Säumniszuschlägen iHv 9,20 DM, insgesamt also iHv 3350,44 DM geltend gemacht hat.

3

Die LVA Brandenburg (im Folgenden ebenso wie deren Rechtsnachfolgerin, die DRV Berlin-Brandenburg, einheitlich als Beklagte bezeichnet) bewilligte der Klägerin ab 1.4.2005 Altersrente für Frauen iHv netto 475,97 Euro monatlich (Rentenbescheid vom 15.3.2005). Die laufende Rentenzahlung begann zum Monatsende des Mai 2005; die Zahlung für April 2005 behielt die Beklagte bis zur Abklärung eventueller Erstattungsansprüche anderer Träger zunächst ein. Während die LVA Sachsen-Anhalt unter dem 23.5.2005 mitteilte, sie mache keine Ansprüche geltend, meldete die ARGE Potsdam für April 2005 im Hinblick auf von ihr gezahltes Alg II einen Erstattungsanspruch iHv 38,79 Euro an.

4

Mit Schreiben vom 24.3.2005 ermächtigte die Hauptverwaltung der Beklagten ihre für die Rentenzahlung zuständige Arbeitseinheit zur "Aufrechnung" der der Beklagten zustehenden und noch offenen Beitragsforderung für die Zeit vom 1.5.1992 bis zum 31.8.1993 (Beiträge 1708,34 Euro, Säumniszuschlag 4,70 Euro, Nebenkosten 10 Euro). Diese hörte die Klägerin zu der beabsichtigten Aufrechnung an, die iHv monatlich 237,98 Euro vorgenommen werden solle; es werde jedoch Gelegenheit gegeben, innerhalb eines Monats eine Bescheinigung des Sozialhilfeträgers zur Hilfebedürftigkeit zu übersenden. Die Klägerin teilte daraufhin lediglich mit, einer Aufrechnung stehe der Pfändungsfreibetrag nach § 850c ZPO entgegen. Ohnehin sei im Rentenbescheid die Berücksichtigung des Zeitraums Mai 1992 bis August 1993 als rentenrechtliche Zeit abgelehnt worden. Im Übrigen sei seit 15.8.2002 ein sie betreffendes Insolvenzverfahren anhängig, in dem die Beklagte es versäumt habe, ihre Forderung anzumelden.

5

Die Beklagte erklärte sodann die Aufrechnung der Beitragsforderung iHv 1713,04 Euro "nach unserem Bescheid vom 17.11.1998" mit der halben laufenden Rentenleistung von 237,98 Euro ab 1.9.2005 sowie in derselben Höhe mit der Rentennachzahlung für April 2005 (Bescheid vom 22.6.2005). Im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens seien die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Klägerin - soweit bekannt - berücksichtigt worden; besondere Umstände, welche die Interessen der Versichertengemeinschaft ausnahmsweise zurücktreten lassen könnten, seien nicht festgestellt worden. Den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese sich auch gegen den Einbehalt weiterer 38,79 Euro von der Rentennachzahlung für April 2005 wandte, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 26.1.2006).

6

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.4.2007). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und ihre hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage abgewiesen (Urteil vom 25.11.2010). Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtung sei nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte seit Januar 2007 keinen Teil der Rentenzahlung mehr einbehalte und die Aufrechnung abgeschlossen sei. Der Bescheid vom 22.6.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.1.2006 sei rechtmäßig. Er finde seine Rechtsgrundlage in § 51 Abs 2 SGB I. Die Gegenseitigkeit der Forderungen sei gegeben, auch wenn die Beklagte und die seinerzeitige LVA Sachsen-Anhalt als Beitragsgläubigerin zwei formal selbstständige Rechtspersönlichkeiten darstellten. Entscheidend sei die sachliche Einheit der allgemeinen Rentenversicherung bei der Aufgabenwahrnehmung durch unterschiedliche Träger iS des § 125 SGB VI, die zudem gemäß § 219 SGB VI in einem Finanzverbund stünden. Das BSG habe bereits im Urteil vom 1.11.1968 (BSGE 28, 288 = SozR Nr 12 zu § 1299 RVO) den Vorrang der sachlichen Einheit vor der formalen Selbstständigkeit der Versicherungsträger betont und aufgrund dessen die Aufrechnung mit Beitragsansprüchen eines Versicherungsträgers gegen Ansprüche auf Leistungen eines anderen Trägers desselben Versicherungszweigs gebilligt. Dieser Grundsatz habe mit der zwischenzeitlich erfolgten Aufhebung der Trennung der Versicherungszweige und deren Umwandlung in die allgemeine Rentenversicherung eine weitere Ausdehnung erfahren.

7

Die Beitragsforderung der LVA Sachsen-Anhalt sei auch fällig und noch nicht verjährt gewesen, da aufgrund ihrer Festsetzung im bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 17.11.1998 eine 30-jährige Verjährungsfrist laufe (§ 52 Abs 2 SGB X). Die Pfändungsgrenzen der §§ 850 ff ZPO seien aufgrund der Sonderregelung in § 51 Abs 2 SGB I nicht anwendbar. Das Insolvenzverfahren stehe einer Aufrechnung ebenfalls nicht entgegen, da es nur den pfändbaren Teil einer Altersrente betreffe. Da die Klägerin, wie ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung bestätigt habe, nicht hilfebedürftig geworden sei, habe die Beklagte die Aufrechnung auch in der erfolgten Höhe vornehmen dürfen; Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Schließlich sei die Beklagte befugt gewesen, die Aufrechnung durch Verwaltungsakt (VA) zu erklären.

8

Die Klägerin rügt mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision sinngemäß eine Verletzung des § 51 SGB I. Die Beklagte habe die Aufrechnung nicht durch VA erklären dürfen (Hinweis auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 24.7.2003 - SozR 4-1200 § 52 Nr 1). Es fehle auch an einer wirksamen Ermächtigung zur Aufrechnung durch den forderungsberechtigten Sozialleistungsträger (die ehemalige LVA Sachsen-Anhalt). Zudem sei sie aufgrund des Einbehalts der Hälfte der Altersrente hilfebedürftig geworden. Das LSG habe ihren Prozessbevollmächtigten zu keiner Zeit nach ihrer eventuellen Hilfebedürftigkeit befragt und dieser habe eine darauf bezogene Auskunft in der mündlichen Verhandlung nicht gegeben; die entsprechende Behauptung in den Gründen des LSG-Urteils sei "definitiv unzutreffend". Schließlich sei die Aufrechnung wegen des Insolvenzverfahrens rechtswidrig; der Beschluss des "Sozialgerichts" (gemeint ist wohl das Amtsgericht) Potsdam vom 25.11.2008, in dem der Klägerin "Rechtsschuldbefreiung" erteilt worden sei, wirke gegen alle Gläubiger und dies erst recht, wenn - wie hier - die LVA Sachsen-Anhalt ihre Forderung zur Tabelle nach § 174 InsO angemeldet habe.

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 und des Sozialgerichts Potsdam vom 20. April 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2006 aufzuheben;

        

hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2006 rechtswidrig war.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere habe eine Aufrechnung in Form eines VA zu erfolgen (Hinweis auf den Senatsbeschluss vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R). Das weitere Vorbringen der Revision betreffe lediglich Tatsachenfragen; insoweit sei das Rechtsmittel bereits unzulässig.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 S 1 SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22.6.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.1.2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs 2 S 1 SGG). Dies führt zur Aufhebung sowohl der vorinstanzlichen Urteile als auch der genannten Bescheide, soweit diese noch streitbefangen sind (§ 170 Abs 2 S 1 SGG).

14

A) Die Revision ist zulässig.

15

Soweit die Klägerin allerdings beanstandet, das LSG habe das Vorbringen ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zur fehlenden Hilfebedürftigkeit "definitiv unzutreffend" wiedergegeben, ist sie mit diesem Vorbringen im Revisionsverfahren ausgeschlossen. Sollte ein solcher Fehler unterlaufen sein, hätte er nur mit Hilfe des hierfür vorgesehenen speziellen Rechtsbehelfs einer - binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils zu beantragenden - Tatbestandsberichtigung (§ 139 SGG) vom Berufungsgericht selbst korrigiert werden können. Die Geltendmachung als Verfahrensmangel erstmals im Revisionsverfahren ist dagegen ausgeschlossen (vgl bereits BSG vom 26.6.1959 - 6 RKa 2/57 - SozR Nr 133 zu § 162 SGG Bl Da 39 Rücks - Juris RdNr 2; s auch BGH Beschluss vom 22.9.2008 - II ZR 235/07 - DStR 2008, 2228 RdNr 5; BVerwG Beschluss vom 9.9.2009 - 4 BN 4/09 - Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht 2010, 67, 69 ; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 139 RdNr 6).

16

B) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die in dem angefochtenen Bescheid vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.1.2006 geregelte Aufrechnung des hälftigen monatlichen Zahlbetrags der Altersrente mit einer Gegenforderung auf Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen iHv 1713,04 Euro. Soweit die Beklagte erstmals im Widerspruchsbescheid den Einbehalt weiterer 38,79 Euro von der Rentennachzahlung für den Monat April 2005 im Hinblick auf einen von der ARGE geltend gemachten Erstattungsanspruch als "Verrechnung nach § 52 SGB I" abgehandelt hat(zur rechtlichen Einordnung vgl den Hinweis auf § 107 Abs 1 SGB X im Senatsurteil vom 31.10.2012 - B 13 R 9/12 R - RdNr 24, zur Veröffentlichung in SozR 4-1300 § 104 Nr 5 vorgesehen), ist dies nicht mehr streitbefangen. Zwar richtete sich die Klage nach ihrer Begründung im Schriftsatz vom 18.4.2007 ursprünglich auch hiergegen. Die Klägerin hat aber in der Berufungsbegründung vom 24.11.2010 ihr Rechtsmittel auf den (abtrennbaren) Aspekt der Aufrechnung gegen die Beitragsforderung wirksam beschränkt (vgl BSG SozR 4-1500 § 92 Nr 2 RdNr 8); hinsichtlich des Betrags von 38,79 Euro ist die Klageabweisung durch das SG rechtskräftig geworden (§ 141 SGG).

17

C) Von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Insbesondere hat das LSG zutreffend erkannt, dass die von der Klägerin im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG) nicht unzulässig geworden ist.

18

Das LSG ist davon ausgegangen, dass die streitige "Aufrechnung unterdessen abgeschlossen" sei. Hinreichende Tatsachen, die eine solche rechtliche Bewertung untermauern könnten, hat es allerdings nicht festgestellt. Allein der Umstand, dass die Beklagte seit Januar 2007 keinen Teil der Rentenzahlung mehr einbehält, belegt noch nicht, dass die Aufrechnung ab diesem Zeitpunkt vollständig und endgültig abgewickelt ist. Das ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt der Verwaltungsakten, die das LSG zur Ergänzung des Tatbestands in Bezug genommen hat.

19

Einer Zurückverweisung zur weiteren Aufklärung der damit zusammenhängenden tatsächlichen Umstände bedarf es gleichwohl nicht. Selbst wenn die Beklagte den Betrag der von ihr zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung iHv 1713,04 Euro bereits vollständig von den monatlichen Zahlungsansprüchen der Klägerin auf Altersrente einbehalten hätte, wäre deren Interesse an einer Klärung der Rechtmäßigkeit des hoheitlich vorgenommenen Einbehalts nicht allein aus diesem Grund entfallen. Denn ein VA über die Aufrechnung bzw Verrechnung einer Forderung erledigt sich nicht dadurch vollständig "auf andere Weise", dass der Leistungsträger ihn faktisch umsetzt, indem er von der von ihm monatlich geschuldeten Sozialleistung Einbehalte in einem Umfang vornimmt, die dem Betrag der Gegenforderung entsprechen.

20

Die Erledigung eines VA iS des § 39 Abs 2 SGB X tritt ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist(vgl BVerwG NVwZ 2009, 122 RdNr 13 mwN - zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 43 Abs 2 VwVfG; ähnlich BSG SozR 3-4100 § 116 Nr 4 S 132 f). Danach erledigt sich ein VA, der Handlungspflichten auferlegt, nicht einmal mit dessen Vollstreckung durch Ersatzvornahme, und zwar auch dann nicht, wenn dadurch irreversible Tatsachen geschaffen wurden (BVerwG aaO; einschränkend allerdings Rüfner in Wannagat, SGB X, § 39 RdNr 31, Stand Einzelkommentierung November 1995: Erledigung durch Vollzug des VA tritt ein, wenn eine Folgenbeseitigung nicht mehr in Betracht kommt).

21

Entscheidet ein Rentenversicherungsträger über eine Auf- oder Verrechnung durch VA, bedeutet dies: Ein solcher VA zielt auf rechtsgestaltende Wirkungen, da er den Auszahlungsanspruch des Rentenempfängers hinsichtlich der im Rentenbescheid festgelegten Art und Weise seiner Erfüllung modifizieren und zum Erlöschen bringen will (vgl Senatsurteil vom 7.2.2012 - SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 41 - unter Hinweis auf BSG BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 15). Solange aber die - grundsätzlich mit Bekanntgabe eintretende (§ 39 Abs 1 SGB X) - Wirksamkeit eines solchen VA zwischen den Beteiligten nicht verbindlich feststeht (§§ 77, 141 SGG), es vielmehr noch Gegenstand eines (gerichtlichen) Verfahrens ist, ob er Bestand hat oder der Aufhebung mit Wirkung ex tunc unterliegt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 131 RdNr 3a), ist ein derartiger VA noch geeignet, rechtliche Wirkungen - die genannten Gestaltungswirkungen - zu erzeugen. Dies gilt unabhängig davon, ob Aufrechnung oder Verrechnung zulässigerweise durch VA oder in einer anderen Handlungsform zu erklären sind. Mithin hat sich ein entsprechender VA auch dann noch nicht vollständig erledigt, wenn der Leistungsträger während eines laufenden Rechtsstreits von den monatlichen Rentenzahlungen insgesamt einen Betrag in Höhe der zur Auf- oder Verrechnung gestellten Gegenforderung einbehalten hat. Denn bei Erfolg der Klage muss er die einbehaltenen Beträge an den Berechtigten auskehren, weil der Rechtsgrund für den Einbehalt dann entfallen ist.

22

Sofern aus seinem Urteil vom 27.3.2007 (B 13 RJ 43/05 R - Juris RdNr 13) Abweichendes entnommen werden könnte, weist der Senat auf die besondere Konstellation des damals entschiedenen Falles hin: Der dortige Kläger hatte es hingenommen, dass seine mit der Anfechtungsklage erhobene Leistungsklage auf Rückzahlung des einbehaltenen Betrags rechtskräftig abgewiesen wurde; (nur) deshalb bestand nach Abschluss des Einbehalts kein berechtigtes Interesse an der Weiterführung der Anfechtungsklage mehr (vgl auch Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 141 RdNr 6a, 6b, 12, 12a).

23

D) Die Revision der Klägerin ist auch begründet. Der Bescheid vom 22.6.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.1.2006 ist - soweit noch streitbefangen - rechtswidrig. Die Beklagte war weder zu einer Aufrechnung (dazu unter 1.) noch zu einer Verrechnung (dazu unter 2.) eines Teils der Ansprüche der Klägerin auf monatliche Zahlung von Altersrente mit der Beitragsforderung der LVA Sachsen-Anhalt berechtigt.

24

1. Entgegen der Rechtsmeinung des LSG lagen die Voraussetzungen einer Aufrechnung (§ 51 SGB I) nicht vor. Es fehlte schon an der erforderlichen Gegenseitigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen und damit an einer Aufrechnungslage. Auf die im Beschluss des Großen Senats des BSG vom 31.8.2011 offengelassene Frage, ob auch eine Aufrechnung iS des § 51 SGB I durch Verwaltungsakt geregelt werden darf(BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 11, 19), kommt es deshalb hier nicht entscheidungserheblich an (s hierzu zB Seewald in Kasseler Komm, § 51 SGB I RdNr 21e am Ende, Stand Einzelkommentierung April 2012; Seewald, SGb 2012, 446, 453; Schaer, jurisPR-SozR 7/2012 Anm 1 D; Plagemann, Beck Fachdienst Sozialversicherungsrecht 2012, 328355; vgl auch den Beschluss des 4. Senats des BSG vom 22.9.2009 - B 4 SF 1/09 S - Juris RdNr 4).

25

a) Nach § 51 Abs 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger - hier die Beklagte - gegen Ansprüche auf Geldleistungen - hier die Altersrente - mit Ansprüchen gegen den Berechtigten - hier die Klägerin - aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Gemäß § 51 Abs 2 SGB I(in der ab 1.1.2005 geltenden, hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12.2003, BGBl I 3022) ist der Leistungsträger befugt, mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufzurechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig iS der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird.

26

Danach ist wesentliche Voraussetzung für eine rechtmäßige Aufrechnung das Vorliegen einer Aufrechnungslage, dh dass sich (entsprechend § 387 BGB) gleichartige und gegenseitige Forderungen gegenüberstehen, von denen die eine - die Hauptforderung auf eine Sozialleistung - entstanden und erfüllbar sein muss, während die Gegenforderung des Sozialleistungsträgers entstanden und bereits fällig sein muss (vgl BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 15; Nr 5 RdNr 54 f). Eine Aufrechnung ist somit nur wirksam, wenn zwischen den zur Aufrechnung gestellten Forderungen ein Gegenseitigkeitsverhältnis besteht, wenn also der Gläubiger der Hauptforderung zugleich Schuldner der Gegenforderung und der Schuldner der Hauptforderung zugleich Gläubiger der Gegenforderung ist (BSGE 101, 1 = SozR 4-2400 § 28h Nr 5, RdNr 13; s auch BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 16 f; BSG Beschluss vom 22.9.2009 - B 4 SF 1/09 S - Juris RdNr 4).

27

b) Eine Aufrechnungslage hat hier zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids im Januar 2006 nicht bestanden (zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts bei reinen Anfechtungsklagen vgl BSGE 95, 119 = SozR 4-7860 § 10 Nr 2, RdNr 13; BSG SozR 4-2700 § 168 Nr 2 RdNr 17 - jeweils mwN).

28

Die Beklagte hat zwar im Bescheid vom 22.6.2005 nach dessen Wortlaut eine Aufrechnung iS des § 51 SGB I erklärt und deren Rechtsfolgen geregelt, auch wenn im Widerspruchsbescheid vom 26.1.2006 teils auch von einer "Verrechnung" (aaO S 4 Abs 5 und 7) die Rede ist. Denn sie wollte die streitigen Beträge zu ihren eigenen Gunsten einbehalten, da sie davon ausging, dass die Klägerin ihr die noch ausstehenden Beiträge schulde. Das war jedoch nicht der Fall. Die Beklagte war Schuldnerin der Hauptforderung (der Klägerin auf monatliche Zahlung von Altersrente), jedoch nicht zugleich Gläubigerin der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung (gegenüber der Klägerin auf Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen). Das LSG hat zutreffend angenommen, dass die zur Aufrechnung herangezogene Beitragsforderung von der LVA Sachsen-Anhalt mit Bescheid vom 17.11.1998 bindend als ihr zustehend festgesetzt worden ist. Deren Rechtsnachfolge hat zum 1.10.2005 die DRV Mitteldeutschland angetreten, nicht die Beklagte.

29

aa) Anhaltspunkte dafür, dass die LVA Sachsen-Anhalt - oder später die DRV Mitteldeutschland als deren Rechtsnachfolgerin - die Beitragsforderung an die Beklagte abgetreten hätte und diese dadurch zwischenzeitlich Forderungsinhaberin geworden wäre (vgl § 398 BGB), sind nicht ersichtlich; im LSG-Urteil sind entsprechende Tatsachen auch nicht festgestellt. Daher bedarf es hier keiner Entscheidung, ob eine solche Abtretung wirksam wäre (ablehnend mangels Ermächtigungsgrundlage: BSGE 15, 36, 39 f = SozR Nr 1 zu § 1299 RVO Bl Aa 3; anders für den Bereich des Steuerrechts - die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung verneinend - BFHE 189, 14, 31 f - Juris RdNr 47 ff).

30

bb) Der Regelung in § 128 SGB VI kann - entgegen der wohl vom SG vertretenen Rechtsmeinung - kein gesetzlicher Forderungsübergang(vgl § 412 BGB) der von der LVA Sachsen-Anhalt festgesetzten Beitragsforderung auf die Beklagte entnommen werden.

31

Nach § 128 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI(in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung des RVOrgG vom 9.12.2004, BGBl I 3242 ; zuvor inhaltsgleich § 130 SGB VI aF; s auch die Übergangsvorschrift in § 274c Abs 1 S 2 Nr 1 SGB VI) tritt ein Wechsel des örtlich zuständigen Rentenversicherungsträgers ein, sobald ein Versicherter, für den ein Regionalträger zuständig ist, seinen Wohnsitz in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Regionalträgers verlegt. Das war bei der Klägerin offenbar der Fall (nähere Feststellungen dazu, wann dies geschah, fehlen allerdings). Der Übergang der Zuständigkeit hat aber nicht zur Folge, dass zugunsten des bisherigen Rentenversicherungsträgers bereits entstandene Forderungen automatisch auf den neu zuständig gewordenen Regionalträger übergehen. Für einen solchen Forderungsübergang ist eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich; sie ergibt sich insbesondere nicht aus § 130 Abs 1 S 1 SGB VI aF bzw § 128 Abs 1 S 1 SGB VI nF.

32

Vielmehr verbleibt bei einem Zuständigkeitswechsel der bislang verantwortliche Regionalträger für die während seiner örtlichen Zuständigkeit zugunsten der GRV entstandenen Beitragsforderungen in der Gläubigerposition, da für den Bereich der Rentenversicherung abweichende Regelungen nicht existieren (vgl aber zB § 45a Abs 3 BAFöG bei länderübergreifender Änderung der örtlichen Zuständigkeit aufgrund eines Hochschulwechsels, s hierzu BVerwGE 90, 25, 31 f - Juris RdNr 20; zum Sonderfall eines gesetzlich angeordneten Forderungsübergangs im Zusammenhang mit der Herstellung der deutschen Einheit vgl BSG SozR 3-8260 § 8 Nr 1). Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - das Verwaltungsverfahren zur Festsetzung der Beiträge bereits durch Erlass eines Bescheids, der auch den Gläubiger der Forderung bestimmt (vgl den Wortlaut des Bescheids vom 17.11.1998 "Sie schulden der LVA Sachsen-Anhalt Pflichtbeiträge …"), (bestandskräftig) abgeschlossen ist. In einer solchen Konstellation ist für eine Fortführung des Beitragseinzugsverfahrens durch den Versicherungsträger am neuen Wohnort gemäß der Regelung in § 2 Abs 2 SGB X kein Raum(Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 2 RdNr 10, 12a; Waschull in Diering/Timme/Waschull, LPK SGB X, 3. Aufl 2011, § 2 RdNr 8; Mutschler in Kasseler Komm, § 2 SGB X RdNr 11, Stand Einzelkommentierung April 2012; I. Palsherm in juris-PK SGB X, 2013, § 2 RdNr 18). Die Einziehung bzw Vollstreckung einer auch hinsichtlich der Rechtsinhaberschaft konkretisierten Forderung kann - solange der Beitragsbescheid unverändert aufrechterhalten bleibt - nur noch von dem im Bescheid benannten Träger (oder dessen Rechtsnachfolger) veranlasst werden. Dieser hat jedoch die Möglichkeit, den insbesondere für die Leistungsgewährung nunmehr zuständigen Regionalträger des neuen Wohnorts (vgl § 128 Abs 1 S 2 SGB VI nF)gemäß § 52 SGB I zu einer Verrechnung seiner Ansprüche zu ermächtigen.

33

cc) Die fehlende Gegenseitigkeit der Forderung der Klägerin gegen die Beklagte auf Altersrente und der Gegenforderung der DRV Mitteldeutschland auf ausstehende Beiträge kann entgegen der Rechtsmeinung des LSG nicht unter Berufung auf den Grundsatz der "sachlichen Einheit der allgemeinen Rentenversicherung" überwunden werden.

34

Zwar hat der 12. Senat des BSG in einem - insoweit vereinzelt gebliebenen - Urteil vom 1.11.1968 entschieden, dass ein in der Arbeiterrentenversicherung (ArV) Versicherter "im Hinblick auf die sachliche Einheit des Versicherungszweigs der ArV nach Treu und Glauben nicht das Fehlen der Gegenseitigkeit (§ 387 BGB) infolge der formalen rechtlichen Selbständigkeit der verschiedenen LVA als Träger der ArV geltend machen" kann (BSGE 28, 288, 289 = SozR Nr 12 zu § 1299 RVO Bl Aa 15 Rücks). Diese auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB)gegründete Entscheidung ist seit dem Inkrafttreten des SGB I am 1.1.1976 jedoch aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung der Problematik in den §§ 51, 52 SGB I überholt.

35

Wie im Urteil des 5. Senats vom 10.12.2003 ausgeführt ist, hat der Gesetzgeber die spezifisch sozialrechtliche Möglichkeit der Verrechnung nach § 52 SGB I als Reaktion darauf geschaffen, dass zuvor in der Rspr des BSG Aufrechnungen von SV-Trägern mit Forderungen anderer SV-Träger mangels Gegenseitigkeit der Forderungen grundsätzlich für unzulässig erklärt und unter dem Gesichtspunkt der Funktionseinheit nur bei Ansprüchen von Trägern desselben Versicherungszweigs zugelassen worden waren(BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 2 RdNr 14; ebenso bereits BSG SozR 2200 § 1299 Nr 1 S 3 - Juris RdNr 18). Mit Einführung der Verrechnung nach § 52 SGB I ist diese Einschränkung gegenstandslos geworden(s BT-Drucks 7/868 S 32 - zu § 52: "Die Vorschrift beruht auf der Erwägung, dass im Sozialrecht angesichts derselben oder ähnlichen Zielsetzung aller Sozialleistungen, der Verpflichtung aller Leistungsträger zur engen Zusammenarbeit und des Strebens nach Verwaltungsvereinfachung auf die Gegenseitigkeit der aufgerechneten Forderungen verzichtet werden kann"). Die gesetzliche Regelung zur Verrechnung - insbesondere das Erfordernis einer ausdrücklichen Ermächtigung des anderen Leistungsträgers - darf hiernach nicht dadurch umgangen werden, dass weiterhin - wie zu Zeiten vor Erlass des SGB I - auf einen "Vorrang der sachlichen Einheit vor der formalen Selbstständigkeit der Versicherungsträger" und den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben abgestellt wird. Dies widerspräche der Gesetzesbindung (Art 20 Abs 3 GG), der sowohl die Verwaltung als auch die Rechtsprechung verpflichtet sind (im Ergebnis ebenso Mrozynski, SGB I, 4. Aufl 2010, § 51 RdNr 15; Zweng/Scherer/Buschmann/Dörr, Handbuch der RV, Teil I Bd 1, Stand November 2011, § 51 SGB I Anm III. 2. A.; Pflüger in juris-PK SGB I, 2. Aufl 2012, § 51 RdNr 29 f; Gutzler in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck'scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 51 SGB I RdNr 7, Stand Einzelkommentierung März 2013).

36

dd) Die Regelungen zur - überwiegend zum 1.1. bzw 1.10.2005 in Kraft getretenen - Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG vom 9.12.2004, BGBl I 3242) haben diese Rechtslage nicht geändert.

37

Die Beklagte (DRV Berlin-Brandenburg) und die DRV Mitteldeutschland sind jeweils Regionalträger der allgemeinen Rentenversicherung iS von § 125 Abs 1 SGB VI(idF des RVOrgG). Diese sind weiterhin als rechtlich eigenständige Selbstverwaltungskörperschaften (§ 29 Abs 1 SGB IV) organisiert (vgl Keck in Eichenhofer/Rische/Schmähl, Handbuch der gesetzlichen RV, 2. Aufl 2012, Kap 24 RdNr 76; Schillinger, ebenda Kap 26 RdNr 8 ff; Axer, DRV 2005, 542, 545). Ihnen kommt nicht lediglich die Stellung unselbstständiger Verwaltungsstellen eines einheitlichen (Rechts-)Trägers "allgemeine Rentenversicherung" zu; ein solcher Einheitsträger (vergleichbar der BA, s § 368 SGB III) wurde mit der Organisationsreform nicht geschaffen. Die Bezeichnung "allgemeine Rentenversicherung" in § 125 Abs 1 S 1 SGB VI beschreibt vielmehr einen - gemäß § 126 SGB VI von unterschiedlichen Trägern wahrzunehmenden - Aufgabenbereich der gesetzlichen Rentenversicherung (in Abgrenzung zum besonderen Bereich der knappschaftlichen Rentenversicherung), aber keine rechtlich eigenständige Organisationseinheit. Auch die Vorgaben in § 125 Abs 1 S 2 SGB VI für eine vereinheitlichte Namensgebung der jeweiligen Regionalträger beseitigen deren rechtliche Selbstständigkeit nicht. Mithin sind die Regionalträger weiterhin je eigenständige "Leistungsträger" iS der §§ 12, 23 Abs 2, §§ 51 und 52 SGB I.

38

Etwas anderes ergibt sich ebenso wenig aus den durch das RVOrgG neu gefassten Regelungen zu einem Finanzverbund in der allgemeinen Rentenversicherung (§ 219 SGB VI idF von Art 1 Nr 45 RVOrgG - gemäß dessen Art 86 Abs 5 am 1.1.2006 in Kraft getreten). Nach § 219 Abs 1 S 1 SGB VI werden die Ausgaben für Renten, Beitragserstattungen, Beiträge zur Krankenversicherung und sonstige Geldleistungen (ausgenommen jedoch Leistungen zur Teilhalbe, Aufwendungen für Verwaltungs- und Verfahrenskosten sowie Investitionen) von den Trägern der allgemeinen Rentenversicherung nach dem Verhältnis ihrer Beitragseinnahmen jeweils für ein Kalenderjahr gemeinsam getragen. Die Vorschrift sieht damit nur für bestimmte versichertenbezogene Aufwendungen eine gemeinsame Finanzierung durch alle Träger der allgemeinen Rentenversicherung unabhängig davon vor, wie hoch die Ausgaben für die Versicherten des jeweils zuständigen Versicherungsträgers sind. Vielmehr ist für die von den einzelnen Trägern zu übernehmenden Ausgabenanteile ihre Finanzkraft maßgeblich, welche in der Höhe der jeweiligen Beitragseinnahmen zum Ausdruck kommt. Dieses System des Finanzausgleichs ("Gemeinlastverfahren", s hierzu näher Mörschel/Wiederspahn, DRV 2005, 15, 30) soll die Zahlungsströme in der gesetzlichen Rentenversicherung reduzieren und optimieren, dabei aber die finanzielle Eigenständigkeit der einzelnen Träger erhalten (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum RVOrgG, BT-Drucks 15/3654 S 64). Der in § 219 SGB VI geregelte Finanzverbund auf der Ausgabenseite ist damit für die Einnahmen ohne Bedeutung; er begründet jedenfalls keine Gesamtgläubigerschaft (vgl § 428 BGB) sämtlicher Träger der allgemeinen Rentenversicherung für jede einzelne Forderung, die gegenüber einem ihrer Versicherten besteht.

39

ee) Das der gesetzlichen Regelung in § 51 SGB I zugrunde liegende Erfordernis der Gegenseitigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen ist auch nicht durch die "im März 2006" getroffene und im Juni-Heft des amtlichen Mitteilungsblatts(RVaktuell 2006, 245) veröffentlichte "Verbindliche Entscheidung" iS des § 138 Abs 2 SGB VI des Vorstands der DRV Bund aufgehoben worden.

40

Diese hat folgenden Wortlaut:

        

"Gegen die Ansprüche eines Berechtigten gegenüber einem Träger der allgemeinen Rentenversicherung kann ein anderer Träger der allgemeinen Rentenversicherung seine Ansprüche gegenüber demselben Berechtigten aus Beitragsforderungen, auf Rückzahlung zu Unrecht erbrachter Leistungen oder aus sonstigen Geldforderungen nach § 51 SGB I aufrechnen. Dies gilt auch in Fällen, in denen die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der allgemeinen Rentenversicherung zuständig ist.

        

Die Aufrechnung erfolgt für Zeiten ab 1.1.2006 auch dann, wenn beide Ansprüche oder einer der beiden Ansprüche vor diesem Zeitpunkt entstanden sind."

41

Da diese "Verbindliche Entscheidung" erst im Juni 2006 mit ihrer Veröffentlichung (§ 138 Abs 5 SGB VI) in Kraft trat, ist sie für die hier maßgebliche Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids - im Januar 2006 - ohne Bedeutung. Deshalb bedarf es an dieser Stelle keiner abschließenden Entscheidung, ob Entscheidungen nach § 138 Abs 2 SGB VI als "untergesetzliche Normen eigener Art"(so der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum RVOrgG, BT-Drucks 15/3654 S 70) mit dem Grundgesetz vereinbar sind (s hierzu Axer, DRV 2005, 542, 547 ff; Ruland/Dünn, NZS 2005, 113, 119 f; Schnapp, DÖV 2003, 965, 968 ff) und - soweit dies bejaht wird - ob diese nur für die Rentenversicherungsträger (vgl § 138 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB VI)und die Aufsichtsbehörden (so Ruland, DRV 2005, 2, 12; Binne/Dünn, DRV 2005, 50, 62) oder auch für die Versicherten verbindlich sind (so Axer, DRV 2005, 542, 546; wohl auch Hebeler in juris-PK SGB VI, 2008, § 138 RdNr 16 ff). Selbst wenn Letzteres der Fall wäre, könnten "Verbindliche Entscheidungen" als untergesetzliche Normen keine Wirksamkeit entfalten, soweit sie mit höherrangigem Recht nicht vereinbar sind (so bereits BSGE 78, 70, 77 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 32 zu den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen; ebenso Dünn in Ruland/Försterling, Gemeinschaftskomm zum SGB VI, § 138 RdNr 113, Stand Einzelkommentierung November 2009). Das dürfte bei der oben wiedergegebenen "Verbindlichen Entscheidung" vom März 2006, die nach ihrem Regelungsgegenstand eine solche über die "Auslegung von Rechtsfragen" (§ 138 Abs 2 S 3 SGB VI) enthält, jedoch der Fall sein. Ihr Inhalt steht, wie in den vorstehenden Ausführungen näher dargelegt wurde, im Widerspruch zum geltenden Recht. Dessen letztverbindliche Auslegung obliegt nach Art 92 GG allein den zuständigen Gerichten (BVerfGE 126, 369, 392 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 73; BVerfG vom 2.5.2012 - 2 BvL 5/10 - NVwZ 2012, 876 RdNr 68); ein Gestaltungsspielraum des untergesetzlichen Normgebers besteht insoweit nicht.

42

2. Der nach alledem als Regelung einer Aufrechnung (§ 51 SGB I)rechtswidrige Bescheid der Beklagten vom 22.6.2005 lässt sich nicht in einen Verrechnungsbescheid iS des § 52 SGB I umdeuten. § 43 Abs 1 SGB X gestattet eine Umdeutung nur, wenn der andere VA - hier ein Verrechnungsbescheid - auf das gleiche Ziel wie der fehlerhafte VA gerichtet ist, er von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Während die beiden ersten Anforderungen erfüllt sind, fehlt es jedoch an dem drittgenannten Erfordernis für eine Umdeutung.

43

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Verrechnungsbescheids nach § 52 SGB I sind nicht gegeben, da - wie die Revision zu Recht geltend macht - eine wirksame Ermächtigung der Beklagten durch die LVA Sachsen-Anhalt (bzw durch die DRV Mitteldeutschland als deren Rechtsnachfolgerin) zur Verrechnung der ihr zustehenden Beitragsforderung nicht vorliegt. Weder hat das LSG eine solche Ermächtigung festgestellt noch hat die Beklagte Entsprechendes im Verlauf des Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens behauptet. Die von der Beklagten selbst ("hausintern") erteilte "Ermächtigung zur Aufrechnung gemäß § 51 SGB I" vom 24.3.2005 genügt den Anforderungen des § 52 SGB I nicht. Denn jedenfalls dann, wenn die Beitragsforderung durch einen anderen Träger - hier: durch den früher zuständig gewesenen Regionalträger - bereits in einem Bescheid bestandskräftig als ihm zustehend festgestellt wurde, bedarf es nach einem Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit (§ 128 Abs 1 S 1 SGB VI nF bzw § 130 Abs 1 S 1 SGB VI aF) der Ermächtigung zur Verrechnung durch diesen Träger. Ein Zuständigkeitswechsel lässt den nunmehr örtlich zuständig gewordenen Leistungsträger, der nicht Forderungsinhaber ist, nicht auch für die Erteilung der Ermächtigung zur Verrechnung mit einer fremden Forderung iS des § 52 SGB I zuständig werden.

44

3. Lediglich ergänzend ist zum hauptsächlichen Vorbringen der Klägerin darauf hinzuweisen, dass das am 15.8.2002 über das Vermögen der Klägerin eröffnete Insolvenzverfahren einer Verrechnung ihrer erst ab 1.4.2005 entstandenen Ansprüche auf monatliche Zahlung der Altersrente mit der gegen sie gerichteten Beitragsforderung aus den Jahren 1992/1993 nicht entgegenstand. Zwar ist grundsätzlich im laufenden Insolvenzverfahren eine Verrechnung nach § 52 SGB I nur möglich, wenn die Verrechnungslage bereits vor Insolvenzeröffnung bestand(BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 2 RdNr 9, 11; BGHZ 177, 1 RdNr 16, 20; zur Aufrechnung s auch BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 62, RdNr 18; BSG vom 16.10.2012 - B 14 AS 188/11 R - RdNr 16 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 11 Nr 55 vorgesehen). Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (vgl § 200 InsO)- hier durch Beschluss des AG Potsdam vom 5.5.2004 - konnten die Insolvenzgläubiger ihre noch nicht befriedigten Forderungen gegen den Schuldner jedoch wieder unbeschränkt geltend machen, soweit sich aus den Regelungen zur Restschuldbefreiung (§§ 286 ff, insbesondere §§ 294, 301 InsO) nichts anderes ergibt (§ 201 Abs 3 InsO). § 294 Abs 1 InsO verbietet in diesem Zusammenhang Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners während der Laufzeit von dessen Abtretungserklärung über pfändbare Forderungen(vgl § 287 Abs 2 InsO). Hierzu hat der Senat - zur vergleichbaren Vorschrift in § 18 Abs 2 S 3 GesO - bereits entschieden, dass dieser Vollstreckungsschutz einer Verrechnung durch den Rentenversicherungsträger mit unpfändbaren Teilen der Rentenzahlungsansprüche des Schuldners(§ 54 Abs 4 SGB I iVm § 850c Abs 1 S 1 ZPO)nicht entgegensteht (BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 57 ff).

45

Nach Erteilung der Restschuldbefreiung an die Klägerin durch Beschluss des AG Potsdam vom 25.11.2008 dürfte die - infolge der unwirksamen Aufrechnung noch nicht erloschene - Beitragsforderung der DRV Mitteldeutschland allerdings nicht mehr durchsetzbar sein (zur Umwandlung einer Forderung aufgrund Restschuldbefreiung in eine Naturalobligation vgl Lang in Braun, InsO, 5. Aufl 2012, § 301 RdNr 2). Die Klägerin wird jedoch zu erwägen haben, ob es für sie vorteilhaft sein könnte, auf die Rückzahlung der von der Beklagten bereits einbehaltenen Beträge zu verzichten und diese als Erfüllung der Beitragsforderung gelten zu lassen (§ 301 Abs 3 InsO), um so mit zusätzlich zu berücksichtigenden Beitragszeiten ggf eine höhere Altersrente zu erlangen (vgl § 66 Abs 1 Nr 1 SGB VI).

46

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. Oktober 2008 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 6. Februar 2005 geändert.
2. Auf das Anerkenntnis der Beklagten werden ihre Bescheide vom 11. und 22. Mai 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2002 sowie der Bescheid vom 31. Januar 2002 aufgehoben.
3. Die Bescheide der Beklagten vom 15. Mai 2003, 2. März 2004, 15. Oktober 2004, 23. Mai 2005, 1. Juni 2007 und 9. Juni 2008 werden hinsichtlich der aufgrund der Verrechnung einbehaltenen Beträge aufgehoben.
4. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
5. Die Beklagte hat dem Kläger sieben Achtel seiner außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung eines Teils seiner Rentenansprüche (Nachzahlung und laufende Zahlungen) mit gegen ihn gerichteten Beitrags- und Nebenforderungen des beigeladenen Unfallversicherungsträgers.

2

Der im 1937 geborene Kläger ist verheiratet. Seine Ehefrau bezieht seit Juli 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) iHv (seinerzeit) 1 265,08 DM. Der von den Eheleuten für die gemeinsame Wohnung entrichtete Mietzins betrug ab Juni 2001 257,22 Euro, ab Oktober 2002 263,77 Euro und ab September 2004 247,35 Euro. Seit 2001 sind beim Kläger ein Grad der Behinderung von 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festgestellt.

3

Der Kläger war seit Mai 1990 als selbstständiger Handwerksmeister mit eigener Firma in L. tätig.

4

Mit Beschluss des Amtsgerichts L. vom 5.6.1996 wurde wegen Zahlungsunfähigkeit des Klägers über dessen Vermögen das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und mit Beschluss vom 26.9.2002 eingestellt.

5

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 10.10.1996 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) rückwirkend vom 1.5.1993 bis zum 31.10.1995, die allerdings aufgrund von Rehabilitationsmaßnahmen und Übergangsgeldbezug nur in der Zeit vom 29.3. bis zum 31.10.1995 zur Auszahlung kam. Seit 1.2.1996 bezog der Kläger eine Rente wegen EU auf Dauer (Bescheid vom 18.10.1996).

6

Mit Bescheiden vom 25.4.2001 stellte die Beklagte die Renten wegen BU und EU neu fest. Für die Rente wegen BU ergab sich eine Nachzahlung iHv 1 759,62 DM und für die Rente wegen EU iHv 24 727,83 DM.

7

Bereits mit Schreiben vom 23.8.1995 hatte die Beigeladene der Beklagten mitgeteilt, der Kläger schulde ihr aus seiner Mitgliedschaft "rechtswirksam festgestellte Beiträge zuzüglich Nebenforderungen (zB Säumnisgebühren, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) in Höhe von derzeit 43 982,50 DM", und die Beklagte zugleich zur Verrechnung gegen Geldleistungen ermächtigt, die der Kläger jetzt oder in Zukunft erhalte.

8

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Beigeladene mit Schreiben vom 9.5.2001 mit, dass ihre Ansprüche, derentwegen sie die Beklagte mit Schreiben vom 23.8.1995 zur Verrechnung ermächtigt hatte, "derzeit 66 635,31 DM" (= 34 070,09 Euro) betrügen, und bat die Beklagte nunmehr auf Grund der seinerzeitigen Ermächtigung um Verrechnung.

9

Die die Renten wegen BU und EU betreffenden Verrechnungen mit Bescheiden vom 11. und 22.5.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 sowie mit Bescheid vom 31.1.2002, gegen die der Kläger beim SG Leipzig Klage erhoben hatte (S 7 RJ 285/02), sind nach dem in der Revisionsverhandlung vom 7.2.2012 erklärten Anerkenntnis der Beklagten (s hierzu Nr 2 des Entscheidungssatzes) nicht mehr streitig.

10

Mit Bescheid vom 10.5.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1.7.2002 Regelaltersrente und verrechnete einen Betrag iHv monatlich 34,76 Euro; es verblieb ein monatlicher Auszahlungsbetrag iHv 820 Euro. Den Widerspruch des Klägers gegen die Verrechnung wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 zurück. Zur Begründung der Erhöhung des monatlichen Verrechnungsbetrags zum 1.7.2002 (gegenüber zuvor 20,80 Euro) führte die Beklagte aus, dass diese mit der Erhöhung des Rentenzahlbetrags aufgrund der Rentenanpassung zum 1.7.2002 einhergehe. Der Erhöhung des monatlichen Rentenzahlbetrags um 24,76 Euro auf 854,76 Euro stehe eine Erhöhung des aufgrund Verrechnung einbehaltenen Betrags von ca 14 Euro gegenüber. Im Ergebnis verbleibe dem Kläger ab 1.7.2002 mit monatlich 820 Euro ein höherer Rentenauszahlungsbetrag als bisher. Die besondere Einkommensgrenze des § 81 Abs 1 BSHG werde nicht unterschritten; der Kläger werde nicht sozialhilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt. Der monatliche Verrechnungsbetrag sei in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation des Klägers auch sachgerecht. Besondere Umstände, die eine für ihn günstigere Entscheidung im Rahmen der Ermessensausübung nach § 51 Abs 2 SGB I bei der Festsetzung des Verrechnungsbetrags rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Das öffentliche Interesse an der Einbehaltung von Rententeilen zur Tilgung von Beitragsforderungen überwiege. Auch gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage beim SG Leipzig erhoben (S 7 RJ 558/02).

11

Das SG hat mit Beschluss vom 19.11.2004 beide Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

12

Wegen "Änderungen in den Rentenberechnungsgrundlagen" ergingen in der Folgezeit weitere (Verrechnungs-)Bescheide der Beklagten. Ab 1.7.2003 erhöhte sich der Verrechnungsbetrag auf monatlich 54,91 Euro (Bescheid vom 15.5.2003), ab 1.4.2004 betrug er monatlich 49,29 Euro (Bescheid vom 2.3.2004), ab 1.12.2004 monatlich 51,16 Euro (Bescheid vom 15.10.2004), ab 1.7.2005 monatlich 46,95 Euro (Bescheide vom 23.5.2005 und 1.6.2007) und ab 1.7.2008 monatlich 58,39 Euro (Bescheid vom 9.6.2008); dabei verblieb von Juli 2007 bis Juni 2008 ein auszuzahlender Betrag iHv monatlich 814,49 Euro (Bescheid vom 1.6.2007), im Übrigen jeweils monatlich 810 Euro. Im Bescheid vom 15.5.2003 hatte die Beklagte ergänzend mitgeteilt, dass für die Ermittlung des verrechenbaren Betrags die auf volle Euro aufgerundeten Werte aus dem BSHG zugrunde gelegt worden seien. Dieser Wert werde nicht dynamisiert und betrage gegenwärtig 810 Euro. Der Bescheid vom 15.10.2004 enthielt den Hinweis, dass sich aufgrund der Senkung des Beitragssatzes zur Krankenversicherung ab dem 1.12.2004 eine höhere Nettorente ergebe (861,16 Euro). Der entstehende Differenzbetrag werde zur Tilgung der Forderung herangezogen (51,16 Euro). Im Bescheid vom 9.6.2008 hat die Beklagte mit Hinweis auf die zum 1.7.2008 durchgeführte Rentenanpassung ergänzend darauf hingewiesen, dass der monatliche Selbstbehalt des Klägers bei 810 Euro liege, sodass der "abzutrennende Betrag" sich ab 1.7.2008 auf 58,39 Euro erhöhe.

13

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 6.1.2005 (nicht - wie im Tenor versehentlich angegeben - vom 6.2.2005) die Klagen abgewiesen.

14

Das Sächsische LSG hat mit Urteil vom 14.10.2008 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die seit Juli 2001 von der Beklagten vorgenommene Verrechnung von Beitragsforderungen der Beigeladenen mit Rentenzahlungsansprüchen des Klägers sei rechtmäßig. Keine Bedenken bestünden gegen die Durchführung der Verrechnung durch Verwaltungsakt.

15

Die Voraussetzungen für eine Verrechnung lägen vor: Die Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen mit Schreiben vom 23.8.1995 (aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001) sei hinreichend bestimmt. Art und Umfang der Forderung seien so genau bezeichnet, dass die Beklagte in die Lage versetzt worden sei, eine substantiierte Verrechnungserklärung abzugeben.

16

Es bestehe eine Verrechnungslage. Die Forderungen der Beigeladenen seien bestandskräftig festgestellt. Gegen die entsprechenden Bescheide habe der Kläger Widerspruch nicht erhoben. Die Rentenansprüche, mit denen verrechnet worden sei, seien gleichartige Forderungen, die bindend bewilligt und fällig gewesen seien.

17

Entgegen der Ansicht des Klägers hindere das über sein Vermögen durchgeführte Gesamtvollstreckungsverfahren die Verrechnung nicht.

18

Ebenso wenig stehe der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens der Vollstreckungsschutz des § 18 Abs 2 S 3 Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) entgegen. Denn diese Norm bewirke Schutz nur gegen konkrete Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung, zu denen die Verrechnung nicht zähle. Zudem werde die Regelung des § 18 Abs 2 S 3 GesO - soweit wie hier mit Beitragsansprüchen verrechnet werde - durch die Sonderregelung des § 51 Abs 2 SGB I(iVm § 52 SGB I) verdrängt.

19

Der Kläger sei aufgrund der Verrechnung nicht sozialhilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw ab Januar 2005 im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden. Ausgehend von den im Freistaat Sachsen für den Haushaltsvorstand geltenden Regelsätzen und Mehrbedarfszuschlägen nach § 23 Abs 1 Nr 2 BSHG (bis 30.6.2002) und nach § 23 Abs 1 Nr 1 BSHG (ab 1.7.2002) sowie den auf ihn entfallenden anteiligen Unterkunftskosten von 125 Euro (inklusive Heizkosten) seien dem Kläger nach Abzug der jeweiligen Verrechnungsbeträge monatliche Geldmittel verblieben, die den Eintritt einer sozialhilferechtlichen Notlage ausschlössen. Im gesamten Verrechnungszeitraum bis zum 31.12.2004 habe er einen monatlichen Rentenauszahlungsbetrag erhalten, der seinen sozialhilferechtlichen Bedarf nach dem BSHG sogar bei bedarfssteigernder Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen überstiegen habe. Nach der ab Januar 2005 geltenden Rechtslage sei der Kläger verpflichtet, nachzuweisen, dass durch die Verrechnung Bedürftigkeit nach dem SGB XII eingetreten sei. Trotz entsprechender gerichtlicher Hinweise habe er diesbezügliche Nachweise nicht vorgelegt.

20

Ermessensfehler der Beklagten seien nicht ersichtlich. Sie habe das ihr eröffnete Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Dem öffentlichen Interesse an der Begleichung von Beitragsschulden und damit der Funktionsfähigkeit der Versicherungssysteme habe sie Vorrang vor dem privaten Interesse des Klägers an der ungeschmälerten Auszahlung seiner Rente gegeben, weil bei diesem keine außergewöhnliche soziale oder finanzielle Situation vorgelegen habe.

21

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 52 SGB I. Die Beklagte hätte die von der Beigeladenen geltend gemachten Forderungen nicht durch Verwaltungsakt mit seinen Rentenansprüchen verrechnen dürfen. Insoweit beruft er sich auf die Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 24.7.2003 (B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 1).

22
        

Auf Anfragebeschluss des erkennenden Senats vom 5.2.2009 (B 13 R 31/08 R) hat der 4. Senat mit Beschluss vom 22.9.2009 (B 4 SF 1/09 S) erklärt, er halte an seiner Auffassung fest, dass die Verrechnung nach § 52 SGB I nicht durch Verwaltungsakt erfolge. Der daraufhin vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 25.2.2010 (B 13 R 76/09 R) angerufene Große Senat (GrS) hat durch Beschluss vom 31.8.2011 (GS 2/10 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1200 § 52 Nr 4 vorgesehen) entschieden:    

"Der Leistungsträger darf die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten durchgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Geldleistungen nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt regeln."

23

Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, sich hierzu zu äußern.

24

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14.10.2008 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 6.1.2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002, den Bescheid vom 31.1.2002, den Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002, die Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 hinsichtlich der aufgrund der Verrechnung einbehaltenen Beträge aufzuheben.

25
        

In der Revisionsverhandlung am 7.2.2012, in der der Kläger nicht mehr vertreten war, hat die Beklagte das folgende Anerkenntnis abgegeben:        

        

Die Beklagte hebt folgende Bescheide hinsichtlich der aufgrund Verrechnung einbehaltenen Beträge auf:
die Bescheide vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 sowie den Bescheid vom 31.1.2002.

26

Im Übrigen hat sie beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

27

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie sieht sich durch die Entscheidung des GrS in ihrer Rechtsauffassung zur Erklärung einer Verrechnung durch Verwaltungsakt bestätigt.

Entscheidungsgründe

28

Die zulässige Revision des Klägers ist in dem im Urteilsausspruch genannten Umfang begründet.

29

Soweit die Beklagte die Bescheide vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 und den Bescheid vom 31.1.2002 hinsichtlich der aufgrund Verrechnung aus den Renten des Klägers wegen BU/EU einbehaltenen Beträge aufgehoben hat, war sie nach dem über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 307 S 1 ZPO ihrem Anerkenntnis entsprechend - ohne weitere Sachprüfung - zu verurteilen(vgl BSG vom 12.7.1988 - SozR 6580 Art 5 Nr 4 S 10 f; BSG vom 24.07.2003 - B 4 RA 62/02 R - juris RdNr 18; Senatsurteil vom 6.5.2010 - SozR 4-1300 § 48 Nr 19 RdNr 21 mwN, stRspr).

30

Auch das Begehren des Klägers, die Bescheide der Beklagten vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 hinsichtlich der aufgrund Verrechnung für die Zeit ab 1.7.2003 aus seiner Altersrente einbehaltenen Beträge aufzuheben, hat Erfolg. Die genannten Bescheide erweisen sich insoweit als rechtswidrig. Richtige Klageart ist hier die reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Alt 1 SGG). Denn mit der Aufhebung der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte steht fest, dass die verrechneten Beträge auf Grund der Rentenbewilligung an den Kläger auszuzahlen sind.

31

Im Übrigen ist die Revision des Klägers unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 ist hinsichtlich des für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 aufgrund Verrechnung aus seiner Regelaltersrente jeweils einbehaltenen monatlichen Betrags iHv 34,76 Euro rechtmäßig.

32

1. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass die Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 SGG in seiner bis zum 31.3.2008 geltenden und hier insoweit noch maßgeblichen Fassung (aF) Gegenstand des Verfahrens geworden sind.

33

Dem steht nicht entgegen, dass diese nicht den mit der Klage (ursprünglich) angefochtenen Bescheid vom 10.5.2002 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002) abgeändert oder ersetzt hat, sondern andere Verrechnungszeiträume erfassen. Denn nach der bis zum 31.3.2008 geltenden Rechtslage hatte das BSG in ständiger Rechtsprechung eine entsprechende Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (aF) im Interesse einer sinnvollen Anwendung der Prozessökonomie bzw eines schnellen und zweckmäßigen Verfahrens dann zugelassen, wenn der ursprüngliche Bescheid zwar nicht abgeändert oder ersetzt wurde, der spätere Bescheid aber im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses erging und ein streitiges Rechtsverhältnis regelte, das im Kern dieselbe Rechtsfrage betraf und sich an den vom ursprünglichen Bescheid erfassten Zeitraum anschloss(vgl etwa BSG vom 17.11.2005 - SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 16 f mwN). Diese Voraussetzungen werden von den Verrechnungs-Folgebescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005 und 1.6.2007 erfüllt.

34

Ob auch der Bescheid vom 9.6.2008 in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (aF) noch Gegenstand des Verfahrens geworden ist, kann dahingestellt bleiben. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Kläger eine Rechtsposition erworben hätte, die ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer Anwendung des § 96 SGG in seiner bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung begründen könnte. Denn eine analoge Anwendung des § 96 SGG für nicht ändernde oder ersetzende Folgebescheide scheidet seit 1.4.2008 durch die mit Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I 444) neu eingeführte Fassung aus (BSG vom 16.12.2009 - B 7 AL 146/09 B - RdNr 7 f).

35

Dies bedarf hier aber keiner näheren Erörterung. Die Nichtanwendbarkeit des § 96 Abs 1 SGG schließt es nämlich nicht aus, dass ein Folgebescheid im Wege einer (gewillkürten) Klageänderung nach § 99 Abs 1 iVm Abs 2 SGG zum Gegenstand des anhängigen Prozesses gemacht wird, wenn die übrigen Beteiligten - wie hier - nicht widersprochen und sich auf die Klageerweiterung, die auch im Berufungsverfahren noch möglich ist(vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 99 RdNr 12), eingelassen haben (vgl BSG vom 21.3.1978 - SozR 4600 § 143d Nr 3 S 9 f; BSG vom 7.2.1996 - SozR 3-2500 § 85 Nr 12 S 75 f; BSG vom 20.3.1996 - BSGE 78, 98, 103 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 38 f; Leitherer, aaO, § 96 RdNr 9b, 11e).

36

Allerdings hätte das LSG über die während des Berufungsverfahrens ergangenen und Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheide der Beklagten vom 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 nicht auf Berufung, sondern erstinstanzlich "auf Klage" entscheiden müssen (vgl BSG vom 30.1.1963 - BSGE 18, 231, 234 f = SozR Nr 17 zu § 96 SGG; BSG vom 27.1.1999 - SozR 3-2400 § 18b Nr 1 S 3; Senatsurteil vom 20.10.2010 - SozR 4-6480 Art 22 Nr 2 RdNr 23, stRspr).

37

2. Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger - hier die Beklagte - mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers - hier der Beigeladenen - dessen Ansprüche gegen den Berechtigten - also den Kläger - mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Gemäß § 51 Abs 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen - hier auf Rentenauszahlung - mit Ansprüchen (jeder Art) gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen und - wie hier - mit Beitragsansprüchen nach dem SGB kann der zuständige Leistungsträger nach § 51 Abs 2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig nach den Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird (bis 31.12.2004); ab 1.1.2005 kann der zuständige Leistungsträger entsprechend aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig nach den Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird (§ 51 Abs 2 SGB I in der jeweiligen Fassung).

38

3. Der Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 sowie ihre Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 - jeweils über Verrechnungen mit der Regelaltersrente des Klägers - waren nicht deswegen rechtswidrig und aufzuheben, weil die Verrechnung nicht durch Verwaltungsakt hätte erfolgen dürfen. Vielmehr konnte die Beklagte die Verrechnung einseitig nur in dieser Handlungsform (und nicht durch sog öffentlich-rechtliche Willenserklärung) vornehmen (dazu unter a). Es bestand eine Verrechnungslage (dazu unter b). Die Beklagte war nicht gehindert, die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen auf rückständige Beiträge auf unpfändbare Teile der Rentenzahlungsansprüche des Klägers zu erstrecken. Ebenso wenig stand der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO entgegen(dazu unter c). Die Beklagte hat bei der mit dem Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 durchgeführten Verrechnung das ihr gemäß § 52 iVm 51 Abs 2 SGB I zustehende Ermessen erkannt und pflichtgemäß ausgeübt(§ 39 Abs 1 SGB I). Dies gilt jedoch nicht für die weiteren streitgegenständlichen Verrechnungs-Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008; diese erweisen sich vielmehr als ermessensfehlerhaft. Denn es fehlen Ausführungen, die eine ordnungsgemäße Ermessensbetätigung erkennen lassen (dazu unter d). Dahingestellt bleiben kann, ob die letztgenannten Bescheide auch deshalb rechtswidrig sind, weil die Beklagte vor ihrem Erlass den Kläger nicht angehört (§ 24 Abs 1 SGB X) und dies auch nicht bis zum Abschluss des LSG-Verfahrens nachgeholt hat (§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X; dazu unter e). Der Kläger ist durch die mit Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 vorgenommene Verrechnung mit einem monatlichen Einbehalt iHv 34,76 Euro bei einem verbleibenden Rentenauszahlungsbetrag iHv 820 Euro nicht hilfebedürftig nach den hier noch maßgeblichen Bestimmungen des BSHG zur laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt geworden (dazu unter f).

39

a) Die Beklagte war berechtigt, auf die Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen vom 23.8.1995, in der Forderungshöhe aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001, deren Beitrags- und Nebenforderungen iHv insgesamt 66 635,31 DM (= 34 070,09 Euro) mit Rentenansprüchen des Klägers durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zu verrechnen (dazu unter aa). Die Verrechnungs-Verwaltungsakte waren auch inhaltlich hinreichend bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X(dazu unter bb).

40

aa) Die Beklagte hat die Verrechnung zu Recht durch Verwaltungsakt geregelt (vgl BSG - GrS - vom 31.8.2011 - GS 2/10 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1200 § 52 Nr 4 vorgesehen - RdNr 15 ff).

41

(1) Nach § 31 S 1 SGB X ist ein "Verwaltungsakt … jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist". Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen liegt bei einem Verrechnungs-Bescheid darin, dass die durch sie erklärte Verrechnung eine unmittelbare Wirkung auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten (hier des Klägers) hat, diesen nämlich hinsichtlich der im Rentenbescheid festgelegten Art und Weise der Erfüllung (dh - wie in der Regel, vgl § 47 SGB I - durch Überweisung auf das dort benannte Konto des Empfängers bei einem Geldinstitut) modifiziert(vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB X) und zum Erlöschen bringt, soweit die Verrechnung reicht und wirksam wird (Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R - RdNr 17; BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO - RdNr 15). Das Tatbestandsmerkmal "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" in § 31 S 1 SGB X ist erfüllt, weil § 52 SGB I eine spezifische Gestaltung von Rechtsbeziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger (wie die Beklagte) ermöglicht. Die Erklärung einer Verrechnung nach § 52 SGB I enthält schließlich eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihrem Adressaten - dem Sozialleistungsempfänger - in dieser Form ihrer Art nach zusteht(vgl Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - aaO; BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO). Im Übrigen ist - anders als im Zivilrecht - nach dem SGB I die Verrechnung (§ 52 SGB I) ebenso wie die Aufrechnung (§ 51 SGB I) nicht nur davon abhängig, dass sich der verrechnende (aufrechnende) Leistungsträger hierfür frei entscheidet und dies erklärt. Vielmehr ist ihre Ausübung an die Betätigung pflichtgemäßen Ermessens gebunden (§ 52 iVm § 51 Abs 1 Halbs 1, Abs 2 Halbs 1 SGB I: "kann") und zudem gemäß § 51 Abs 1 Halbs 2 SGB I an die Pfändbarkeit der Geldleistungen bzw gemäß § 51 Abs 2 SGB I an die Höhenbegrenzung (bis zur Hälfte der laufenden Geldleistungen) sowie das Nichteintreten von Hilfebedürftigkeit aufgrund der Verrechnung (Aufrechnung).

42

(2) Auch der Gesetzgeber sieht in der Durchführung einer Verrechnung nach § 52 SGB I einen Verwaltungsakt. Dies ergibt sich aus der Regelung des § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, die durch das Zweite Gesetz zur Änderung des SGB vom 13.6.1994 (BGBl I 1229) mit Wirkung ab 18.6.1994 eingefügt wurde. Spätestens mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber klarstellend von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, die Verrechnung (Aufrechnung) für den Bereich des Sozialrechts der Handlungsform "Verwaltungsakt" zu unterstellen.

43

Nach § 24 Abs 1 SGB X ist (nur) vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zur Äußerung zu geben; dies gilt jedoch nach Abs 2 Nr 7 der Vorschrift nicht, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als (in der ursprünglichen Fassung: 100 DM, jetzt:) 70 Euro (aufgerechnet oder) verrechnet werden soll. Hieraus kann nur geschlossen werden, dass - unabhängig von der Höhe - die Verrechnung nach § 52 SGB I (ebenso wie die Aufrechnung nach § 51 SGB I) durch Verwaltungsakt zu erklären ist(vgl ferner die Entwurfsbegründung zu § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, BT-Drucks 12/5187 S 35 - Zu Art 6, Zu Nr 1, wonach "materielle Einwände gegen die Aufrechnung bzw Verrechnung … im Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden" können). An den hierin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers sind die Gerichte gemäß Art 20 Abs 3 GG selbst dann gebunden, wenn sie eine solche Zuordnung aufgrund rechtssystematischer Erwägungen für unzutreffend oder aus praktischen Überlegungen heraus für unerwünscht halten sollten (vgl Wolff/Brink in Bader/Ronellenfitsch, Komm zum VwVfG, 2010, § 35 RdNr 28 f; U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 35 RdNr 13 - beide unter Hinweis auf BVerwGE 70, 77, 82; zur Respektierung der gesetzgeberischen Grundentscheidung s auch BVerfGE 128, 193, 210).

44

Im Übrigen hat der Gesetzgeber erst jüngst in § 42a Abs 2 S 2 bzw § 43 Abs 4 S 1 SGB II(mit Wirkung ab 1.4.2011 idF von Art 2 Nr 32 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453) ausdrücklich angeordnet, dass Aufrechnungen im Sozialleistungsbereich des SGB II "durch Verwaltungsakt zu erklären" sind. Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber damit für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine vom allgemeinen Sozialverwaltungsverfahrensrecht abweichende Sonderregelung hat treffen wollen, finden sich in den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren an keiner Stelle (vgl BT-Drucks 17/3404 S 117 - zu § 43, zu Abs 3; BT-Drucks 17/3958 S 19 - zu Art 2 Nr 32 <§ 42a Abs 2 S 2 SGB II>; BT-Drucks 17/4095 S 35 - zu Buchst n, zu Doppelbuchst cc <§ 42a Abs 2 SGB II>).

45

(3) Einer über die Bestimmung des § 52 SGB I hinausgehenden ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für den Erlass eines Verwaltungsakts mit dem Inhalt der Verrechnung bedarf es nicht(s hierzu BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO - RdNr 16 ff).

46

bb) Die Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten waren iS des § 33 Abs 1 SGB X "inhaltlich hinreichend bestimmt".

47

Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde regeln will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts Klarstellungsfunktion zu. Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss ( BSG vom 6.2.2007 - SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 38; BSG vom 17.12.2009 - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN, stRspr).

48

Nach diesen Maßstäben sind die angefochtenen Verrechnungs-Bescheide inhaltlich hinreichend bestimmt. Denn sie erklären die Verrechnung bestimmter, von der Beklagten dem Kläger geschuldeter Rentenleistungen mit einer - nach Art und Umfang - bestimmten, weil betragsmäßig im Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 genau bezifferten (Gesamt-)Forderung der Beigeladenen aus rückständigen Beiträgen zuzüglich Nebenforderungen (Säumniszuschläge, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) iHv (insgesamt) 66 635,31 DM (= 34 070,09 Euro).

49

Aus den Verfügungssätzen der hier streitgegenständlichen Verwaltungsakte konnte der Kläger ohne weiteres den jeweiligen (monatlichen) Verrechnungsbetrag und den ihm aufgrund der Verrechnung mit den Forderungen der Beigeladenen noch verbleibenden (monatlichen) Rentenauszahlungsbetrag entnehmen. Damit war für ihn klar ersichtlich, dass und in welchem Umfang seine Rentenzahlungsansprüche gegen die Beklagte und damit korrespondierend die gegen ihn bestehenden Forderungen der Beigeladenen durch die Verrechnung jeweils erloschen waren (entsprechend § 389 BGB).

50

Unschädlich ist insoweit, dass der - aufgehobene - (Ausgangs-)Bescheid vom 11.5.2001 und der - ebenfalls aufgehobene - Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 in der Höhe der zur Verrechnung gestellten (Gesamt-)Forderung insoweit differieren, als der Bescheid von einer "offene(n) Forderung in Höhe von derzeit 66.635,31 DM zuzüglich weiterer Kosten wie Zinsen, Säumniszuschläge usw." spricht, während nach dem Widerspruchsbescheid - entsprechend der in der Forderungshöhe aktualisierten Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen - die genannte Summe neben den Beiträgen auch die "Säumniszuschläge und sonstige Nebenforderungen" erfasst. Denn ausschlaggebend ist der (mit der Klage angefochtene) "ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat" (§ 95 SGG).

51

Dass die weiteren streitgegenständlichen Verrechnungs-Bescheide die zur Verrechnung gestellte Forderung der Beigeladenen nicht mehr beziffern, steht ihrer hinreichenden Bestimmtheit iS des § 33 Abs 1 SGB X nicht entgegen, da sich deren Ausgangshöhe (für den Kläger klar erkennbar) aus dem Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 ergab und deshalb - auf Verlangen des Klägers jederzeit - auch "bestimmt" werden konnte, in welchem Umfang die Gesamtforderung der Beigeladenen iHv 66 635,31 DM durch die bis dahin erfolgte Verrechnung mit den Rentenzahlungsansprüchen des Klägers bereits erloschen war.

52

Für die hinreichende Bestimmtheit der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten ist nicht notwendig, dass sie die zur Verrechnung gestellte(n) Forderung(en) der Beigeladenen im Einzelnen - nach Umfang, Entstehungszeitpunkt, Bezugszeitraum oder Fälligkeit - aufschlüsseln. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die bezifferte Gesamtsumme ohne Weiteres mit bestehenden, ihr Art nach benannten Einzelforderungen aufgefüllt werden kann. Insoweit ist ausreichend, dass die zur Verrechnung gestellten Forderungen des anderen Leistungsträgers bestimmbar sind. Denn eine Verrechnung kann - ebenso wie eine Aufrechnung - bei Bestehen mehrerer Forderungen (auch) erklärt werden, ohne (zunächst) im Einzelnen aufzeigen zu müssen, mit welcher (Einzel-)Forderung zuerst verrechnet werden soll (vgl BFH vom 3.11.1983 - BFHE 140, 10 f; BFH vom 6.2.1990 - BFHE 160, 108, 112; BFH vom 4.2.1997 - BFHE 182, 276, 278; alle zur Aufrechnung).

53

Hiergegen kann nicht eingewendet werden, dass dadurch die Rechtsverteidigung gegen Verrechnungs-Verwaltungsakte unzumutbar beeinträchtigt werde. Denn dem insoweit Beschwerten bleibt es unbenommen, im Vor- und Klageverfahren geltend zu machen, die zur Verrechnung gestellte (Gesamt-)Forderung des anderen Leistungsträgers bestehe nach Grund oder Höhe ganz oder teilweise nicht (bzw nicht mehr). Dann mag der verrechnende Leistungsträger darlegen und nachweisen, welche Forderungen ihm aufgrund der Ermächtigung des anderen Leistungsträgers zur Verrechnung zur Verfügung gestanden haben. Ist streitig, ob (und ggf welche) bzw in welchem Umfang Forderungen durch Verrechnung (bereits) erloschen sind, so ist die Konkretisierung (bzw Individualisierung) der Forderungen, mit denen die Verrechnung durch Verwaltungsakt erklärt wurde, unumgänglich. Denn nur auf diese Weise kann festgestellt werden, ob und inwieweit eine Verrechnungslage (entsprechend § 387 BGB)bestanden hat und wann bei mehreren Forderungen welche (ggf in entsprechender Anwendung des § 396 Abs 1 S 2 iVm § 366 Abs 2 BGB) durch Verrechnung - ganz oder teilweise - erloschen sind.

54

b) Vorliegend bestand ab 1.7.2002 objektiv eine Verrechnungslage (entsprechend § 387 BGB).

55

Eine solche ist gegeben, wenn der zur Verrechnung ermächtigende Leistungsträger die ihm gebührende Geldzahlung fordern und wenn der die Verrechnung erklärende Träger die ihm obliegende Geldzahlung bewirken kann. Die Forderung, mit der verrechnet wird (hier: Forderung der Beigeladenen gegen den Kläger), muss entstanden und fällig sein; die gleichartige Forderung, gegen die (durch Einbehaltung mittels Verwaltungsakts) verrechnet werden soll (hier: Zahlungsanspruch des Klägers aus der Regelaltersrente gegen die Beklagte), muss zwar nicht fällig, aber entstanden und erfüllbar sein (vgl BSG vom 5.9.2006 - BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 26).

56

Diese Voraussetzungen lagen hier ab dem oben genannten Zeitpunkt vor. Die von der Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen vom 23.8.1995 (aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001) erfassten und gegen den Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung rückständiger Beiträge (und der Nebenforderungen) iHv insgesamt 66 635,31 DM waren entstanden und fällig; sie sind von der Beigeladenen gegenüber dem Kläger durch Verwaltungsakte bestandskräftig festgestellt worden (§ 77 SGG). Die Zahlungsansprüche des Klägers aus der ihm bindend mit Rentenbescheid vom 10.5.2002 zuerkannten Regelaltersrente waren am Ersten eines jeden Monats jeweils entstanden und erfüllbar (vgl § 272a Abs 1 SGB VI idF des 3. SGB VI-ÄndG vom 27.12.2003 ).

57

c) Die Beklagte war nicht gehindert, die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen auf rückständige Beiträge auf unpfändbare Teile der Rentenzahlungsansprüche des Klägers zu erstrecken (dazu unter aa). Ebenso wenig stand der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO entgegen(dazu unter bb).

58

aa) Die Verrechnung mit den Beitragsforderungen der Beigeladenen war nicht deshalb rechtswidrig, weil die monatlichen Rentenzahlungsansprüche ab 1.1.2002 durchgängig unter der gemäß § 850c Abs 1 S 1 ZPO iVm § 54 Abs 4 SGB I für den Kläger maßgeblichen Pfändungsfreigrenze von monatlich 930 Euro (ab 1.7.2005: 985,15 Euro) lagen. Denn mit den Vorschriften der §§ 52, 51 Abs 2 SGB I hat der Gesetzgeber den Sozialleistungsträgern zur Durchsetzung ihrer Beitrags- und Erstattungsforderungen die Möglichkeit eröffnet, ohne Bindung an die Pfändungsfreigrenzen der ZPO auch mit dem unpfändbaren Teil einer laufenden Geldleistung bis zu deren Hälfte und bis zur Grenze der Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw ab 1.1.2005 im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II aufzurechnen bzw zu verrechnen.

59

Die Regelungen in §§ 52, 51 Abs 2 SGB I bezwecken eine Privilegierung der Sozialleistungsträger(vgl grundlegend BSG vom 19.1.1978 - BSGE 45, 271, 273 ff = SozR 1200 § 51 Nr 3 S 4 ff; BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 10 f; BSG vom 27.3.1996 - BSGE 78, 132, 135 f = SozR 3-1200 § 51 Nr 5 S 17 f), wenn dem Versicherten bestimmte "systemerhaltende" Gegenansprüche (Beitragsansprüche, Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen) des zuständigen oder eines anderen Leistungsträgers entgegengehalten werden können. Die oben genannten Grenzen (höchstens bis zur Hälfte der laufenden Geldleistung, kein Hervorrufen der Hilfebedürftigkeit nach dem BSHG) hat die Beklagte bei der Verrechnung der laufenden Zahlungsansprüche des Klägers auf Regelaltersrente mit den Beitragsansprüchen der Beigeladenen im hier (noch) maßgeblichen Zeitraum nicht überschritten (s dazu näher unter f).

60

bb) Nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens stand der Verrechnung die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO nicht entgegen.

61

Zwar mag die Möglichkeit eines Rentenversicherungsträgers, Beitrags- und Erstattungsforderungen eines anderen Leistungsträgers mit dem unpfändbaren Teil des Rentenzahlungsanspruchs nach Maßgabe des § 51 Abs 2 SGB I verrechnen zu können, zu Friktionen mit der in § 18 Abs 2 S 3 GesO geregelten (begrenzten) Restschuldbefreiung führen, wonach eine "Vollstreckung" hinsichtlich der "Altschulden" grundsätzlich nur stattfindet, "soweit der Schuldner über ein angemessenes Einkommen hinaus zu neuem Vermögen gelangt" ist.

62

Das LSG hat aber zu Recht einen Vollstreckungsschutz des Klägers nach § 18 Abs 2 S 3 GesO verneint.

63

Dies folgt bereits daraus, dass diese Vorschrift schon nach ihrem Wortlaut Schutz nur gegen konkrete Maßnahmen der "Vollstreckung" bietet (LSG Berlin-Brandenburg vom 4.10.2007 - L 8 B 1205/07 ER - juris RdNr 28; Brandenburgisches OLG vom 20.5.1998 - 13 U 35/97 - juris RdNr 15; OLG Celle vom 12.5.2000 - 4 W 85/00 - juris RdNr 19; Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO, 4. Aufl 1998, § 18 RdNr 53). Auch nach Art 108 Abs 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (InsO) ist die "Vollstreckungsbeschränkung" des § 18 Abs 2 S 3 GesO nach dem 31.12.1998 nur bei einer "Zwangsvollstreckung" gegen einen Schuldner, über dessen Vermögen ein Gesamtvollstreckungsverfahren durchgeführt worden ist, zu beachten. Die Verrechnung ist aber - ebenso wie die Aufrechnung - keine Maßnahme der "Vollstreckung" iS der Vorschriften der ZPO oder anderer Verfahrensgesetze über die Zwangsvollstreckung (vgl BGH vom 26.5.1971 - NJW 1971, 1563; BVerwG vom 13.10.1971 - DÖV 1972, 573, 574; BFH vom 3.11.1983 - BFHE 140, 9 f; LSG Berlin-Brandenburg vom 4.10.2007 - L 8 B 1205/07 ER - juris RdNr 22, 28; FG Düsseldorf vom 10.11.2004 - 18 K 321/04 AO - juris RdNr 21; Martini in juris PR-InsR 19/2009 vom 24.9.2009, Anm 1 unter C).

64

Zwar ist die Verrechnung - ebenso wie die Aufrechnung - ein der Zwangsvollstreckung ähnlicher, außergerichtlicher Zugriff auf die Gegenforderung, eine Forderungsdurchsetzung im Wege der Selbsthilfe (vgl BGH vom 26.5.1971, aaO; BGH vom 13.6.1995 - BGHZ 130, 76, 80 mwN). Mit der Vorschrift des § 51 Abs 2 SGB I hat der Gesetzgeber jedoch - wie oben aufgezeigt - die Sozialleistungsträger bei der Durchsetzung von Beitrags- und Erstattungsforderungen im Wege der Aufrechnung bzw Verrechnung gegenüber anderen Gläubigern privilegiert, denen (bereits) durch die Unpfändbarkeit die Möglichkeit versperrt ist, ihre Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Dass das (beschränkte) Restschuldbefreiungsverfahren des § 18 Abs 2 S 3 GesO darauf abzielt, dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neubeginn zu ermöglichen (OLG Celle vom 12.5.2000 - 4 W 85/00 - juris RdNr 19; Hess/Binz/Wienberg, GesO, 4. Aufl 1998, § 18 RdNr 105),steht der sich aus § 51 Abs 2 SGB I ergebenden Aufrechnungs- bzw Verrechnungsbefugnis nicht entgegen. Denn anderenfalls wäre den Sozialleistungsträgern im Falle einer Privatinsolvenz des Versicherten bzw Schuldners (sogar) nach Abschluss des Gesamtvollstreckungsverfahrens stets die Möglichkeit versperrt, den unpfändbaren Teil der Ansprüche auf laufende Rentenleistungen mit Beitrags- und Erstattungsforderungen aufrechnen bzw verrechnen zu können, obwohl diese unterhalb der Pfändungsfreigrenzen liegenden Rentenzahlungen zuvor nicht zur Gesamtvollstreckungsmasse (vgl § 1 Abs 1 S 2 GesO) gehörten und somit während des Gesamtvollstreckungsverfahrens grundsätzlich gemäß §§ 52, 51 Abs 2 SGB I bis zur Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit aufgerechnet bzw verrechnet werden konnten. Dann aber würde es einen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens in der Restschuldbefreiungsphase das Postulat einer - zuvor nicht bestehenden - Gläubigergleichbehandlung ein Verrechnungsverbot bedingen sollte (vgl LSG Berlin-Brandenburg vom 27.7.2009 - L 33 R 204/09 B ER, L 33 R L 33 R 207/09 B PKH - juris RdNr 26; SG Dortmund vom 21.2.2008 - S 26 R 320/06 - juris RdNr 41, beide zur Zulässigkeit der Verrechnung bzw Aufrechnung während der Restschuldbefreiungsphase nach der InsO). Auch wären die Grenzen zwischen einer Aufrechnung bzw Verrechnung mit Erstattungs- oder Beitragsforderungen nach § 51 Abs 2 SGB I(iVm § 52 SGB I) und einer solchen mit sonstigen Geldforderungen nach § 51 Abs 1 SGB I(iVm § 52 SGB I) verwischt und das damit verbundene Privileg des mit Beitrags- oder Erstattungsansprüchen aufrechnenden bzw verrechnenden Sozialleistungsträgers in der Privatinsolvenz (faktisch) aufgehoben.

65

d) Die einseitig durch Verwaltungsakt geregelte Verrechnung steht - ebenso wie die Aufrechnung - im pflichtgemäßen Ermessen des sie durchführenden Leistungsträgers; insoweit handelt es sich bei dem "Kann" in § 52 Halbs 1 und § 51 Abs 1 Halbs 1, Abs 2 Halbs 1 SGB I um ein sog "Ermessens-Kann"(vgl Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R - RdNr 18; vgl bereits BSG vom 16.9.1981 - BSGE 52, 98, 102 = SozR 1200 § 51 Nr 11 S 27; BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 11; BSG vom 21.7.1988 - BSGE 64, 17, 23 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 39; LSG Berlin-Brandenburg vom 4.6.2009 - L 17 R 48/09 - juris RdNr 52; LSG Baden-Württemberg vom 2.7.2009 - L 10 R 2467/08 - juris RdNr 19; ebenso Seewald in Kasseler Komm, SGB I, § 51 RdNr 13a, Stand Einzelkommentierung Oktober 2010; Pflüger in juris PK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 51 RdNr 64-67, Stand Einzelkommentierung Januar 2012 mwN - unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 51 SGB I in BT-Drucks 7/868, S 32: "Der Leistungsträger hat bei der Ausübung seines Ermessens, ob und in welchem Umfang er aufrechnet, auch den Zweck der einzelnen Sozialleistung zu berücksichtigen; …").

66

Mit der Einräumung "echten Ermessens" steht dem die Verrechnung durch Verwaltungsakt regelnden Leistungsträger eine breite Handlungsmöglichkeit hinsichtlich des Ob und des Umfangs einer Verrechnung zur Verfügung, um so die Besonderheiten des Einzelfalls und insbesondere die wirtschaftliche Situation des Leistungsempfängers angemessen berücksichtigen zu können. Dabei ist das Verrechnungsermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs 1 S 1 SGB I). Damit korrespondierend hat der Leistungsempfänger einen Anspruch auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 S 2 SGB I). In diesem (eingeschränkten) Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle, insbesondere auf Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch (vgl § 54 Abs 2 S 2 SGG).

67

Die Anforderungen an eine Ermessensentscheidung sind für die mit Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 durchgeführte Verrechnung (noch) zu bejahen (dazu unter aa), nicht hingegen für die in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 getroffenen Verrechnungs-Entscheidungen (dazu unter bb). Die Beklagte durfte in diesen Bescheiden auch nicht ausnahmsweise auf eine Begründung verzichten (dazu unter cc).

68

aa) Nach der Begründung im Widerspruchsbescheid (vgl § 95 SGG) hat die Beklagte erkannt, dass ihr im Rahmen der nach § 52 SGB I zu treffenden Verrechnungs-Entscheidung Ermessen zusteht und sie nicht verpflichtet ist, den für die Verrechnung mit den Beitragsforderungen der Beigeladenen nach § 51 Abs 2 SGB I gesetzten Rahmen der Höhe nach in jedem Fall auszuschöpfen(vgl in diesem Sinne bereits BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 11). Zwar hat sie die Beitragsforderungen der Beigeladenen mit unpfändbaren Rentenzahlungsansprüchen des Klägers verrechnet; sie hat sich jedoch bei der Festsetzung der monatlichen Verrechnungsbeträge ausdrücklich an der besonderen - für den Kläger eigentlich nicht einschlägigen - Einkommensgrenze des § 81 Abs 1 BSHG orientiert. Dem Kläger verblieb in dem hier maßgeblichen Verrechnungszeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 damit deutlich mehr als die zulässige Grenze der laufenden Sozialhilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG (s hierzu unter f). Im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen hat die Beklagte dem öffentlichen Interesse an der Begleichung der Beitragsschulden und damit der Funktionsfähigkeit der im Wesentlichen beitragsfinanzierten Sozialversicherungssysteme nur insoweit den Vorrang vor dem privaten Interesse des Klägers an der ungeschmälerten Auszahlung seiner Altersrente gegeben. Eine über die ohnehin von Gesetzes wegen zu beachtende Sozialhilfebedürftigkeitsgrenze hinausgehende außergewöhnliche soziale oder finanzielle Situation hatte der Kläger nicht vorgetragen; sie ist auch nicht ersichtlich.

69

bb) Demgegenüber sind in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 keinerlei Ermessenserwägungen der Beklagten zu den dort von ihr geregelten Verrechnungen enthalten.

70

Die Ausführungen in den Bescheiden geben keine Hinweise darauf, dass die Beklagte überhaupt erkannt hat, dass es sich auch bei den dortigen (Folge-)Verrechnungen um Ermessensentscheidungen handelt; sie hat jedenfalls keine entsprechenden Begründungen (mehr) gegeben, obwohl sie zB im Bescheid vom 15.5.2003 den ab 1.7.2003 einbehaltenen Verrechnungsbetrag von zuvor monatlich 34,76 Euro auf monatlich 54,91 Euro und damit um 20,15 Euro (ca 58 %) erhöht sowie den Rentenauszahlungsbetrag von zuvor monatlich 820 Euro auf monatlich 810 Euro reduziert hat. Der pauschale Hinweis der Beklagten, dass für die Ermittlung des verrechenbaren Betrags die auf volle Euro aufgerundeten Werte aus dem BSHG zugrunde gelegt worden seien, dieser Wert nicht dynamisiert werde und gegenwärtig 810 Euro betrage, reicht nicht aus. Entsprechendes gilt für die Hinweise zu den Verrechnungen in den Bescheiden vom 15.10.2004 und 9.6.2008 im Hinblick auf die Senkung des Beitragssatzes (zur Krankenversicherung) bzw die Rentenanpassung.

71

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Beklagte bei Erlass der Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 überhaupt kein Ermessen (mehr) ausgeübt hat oder ihr betätigtes Ermessen in diesen Bescheiden lediglich nicht begründet hat. Denn in beiden Fällen treten dieselben Rechtsfolgen der Anfechtung ein; die Bescheide sind im Hinblick auf die Ermessensausübung nicht hinreichend begründet iS des § 35 Abs 1 S 3 SGB X(vgl BSG vom 18.4.2000 - SozR 3-2700 § 76 Nr 2 S 5).

72

cc) Die Voraussetzungen des § 35 Abs 2 SGB X, bei deren Vorliegen ausnahmsweise auf eine (gesonderte) Begründung verzichtet werden kann, liegen hier nicht vor. Danach bedarf es keiner Begründung - außer in anderen, vorliegend von vornherein nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen -, soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar war (Nr 2 aaO).

73

Dem Kläger mag zwar durch den Hinweis im Bescheid vom 11.5.2001 zur Verrechnung mit den Zahlungsansprüchen aus seiner Rente wegen EU bekannt gewesen sein, dass der mit der Rente zu verrechnende Betrag bei jeder Änderung der Rentenhöhe (zB durch Rentenanpassungen, Neufeststellungen) von der Beklagten "neu ermittelt" werde. Unabhängig davon, dass bezüglich der Erkennbarkeit (… "ohne weiteres erkennbar" …) iS des § 35 Abs 2 Nr 2 SGB X ein strenger Maßstab(vgl Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 35 RdNr 12; Waschull in LPK, SGB X, 3. Aufl 2011, § 35 RdNr 12) anzulegen ist, ergibt sich jedenfalls allein aus einer solchen pauschalen Mitteilung nicht, welche konkreten Umstände die Beklagte im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens dazu bewogen haben, gerade mit dem jeweils konkret einbehaltenen ("abgetrennten") Betrag zu verrechnen.

74

Aus dem Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 lässt sich nicht entnehmen, dass - und ggf in welchem Umfang - die dortigen Ermessenserwägungen - etwa im Sinne einer "vorweggenommenen Ermessensausübung" - auf von ihm nicht erfasste Verrechnungszeiträume "fortwirken" sollen; umgekehrt nehmen die nachfolgenden Verrechnungs-Bescheide auch nicht auf die dortigen Ausführungen zum Ermessen (ergänzend) Bezug. Unabhängig davon haben sich diese Bescheide auch nicht innerhalb der Verrechnungs-Entscheidungen im Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 (Verrechnung monatlich 34,76 Euro; Auszahlungsbetrag 820 Euro) gehalten, sondern sind zu Ungunsten des Klägers davon abgewichen.

75

e) Angesichts dessen kann offen bleiben, ob die Verrechnungs-Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 sämtlich oder zum Teil auch deshalb rechtswidrig waren, weil die Beklagte vor deren Erlass den Kläger nicht angehört (§ 24 Abs 1 SGB X) und dies auch nicht bis zum Abschluss des LSG-Verfahrens nachgeholt hat (§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X).

76

Nach § 24 Abs 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

77

aa) Trotz unterbliebener Anhörung des Klägers vor Erlass des Bescheids vom 10.5.2002 war jedenfalls dieser hinsichtlich der dort geregelten Verrechnung nicht rechtswidrig. Denn dieser Verfahrensfehler ist hier gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Der Kläger hat sich mit seinem Widerspruch zu den für die Verrechnungs-Entscheidung der Beklagten in diesem Bescheid maßgeblichen Tatsachen geäußert. Aus dem Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 wird zudem deutlich, dass die Beklagte die von dem Kläger vorgebrachten Einwände gegen die Verrechnung zur Kenntnis genommen und bei ihrer (ablehnenden) Entscheidung in Erwägung gezogen, wenn auch nicht für durchschlagend erachtet hat.

78

bb) Demgegenüber hat die Beklagte den Kläger hinsichtlich ihrer Verrechnungs-Entscheidungen in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 weder angehört noch dies mit heilender Wirkung nachgeholt. Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob von einer Anhörung zur Verrechnung in Rentenanpassungsbescheiden dann abgesehen werden kann, wenn sich der monatliche Auszahlungsbetrag nicht vermindert. Denn bereits mit Bescheid vom 15.5.2003 wurde ein niedrigerer Betrag (810 Euro) festgesetzt als zuvor mit Bescheid vom 10.5.2002 (820 Euro).

79

f) Der Kläger ist durch die mit Bescheid vom 10.5.2002 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002) für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 verfahrensfehlerfrei (s oben bei d aa und e aa) geregelte Verrechnung mit einem monatlichen Einbehalt iHv 34,76 Euro bei einem ihm noch verbleibenden monatlichen Rentenauszahlungsbetrag iHv 820 Euro nicht hilfebedürftig im Sinne der hier noch maßgeblichen Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden (vgl hierzu BSG vom 15.12.1992 - SozR 3-1200 § 51 Nr 3 S 6).

80

Bei der Prüfung der Sozialhilfebedürftigkeit als Zulässigkeitsgrenze für die Verrechnung nach § 52 iVm § 51 Abs 2 SGB I mit Beitragsforderungen der Beigeladenen ist zunächst festzustellen, welcher Bedarf dem Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum (1.7.2002 bis zum 30.6.2003) gemäß der Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des BSHG zusteht.

81

Der Umfang der Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt war in den §§ 11 ff BSHG geregelt. Nach § 22 Abs 2 BSHG iVm § 2 Abs 1 der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG (Regelsatzverordnung) stand dem im Freistaat Sachsen lebenden Kläger(nach der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales zur Anhebung der Regelsätze und der Grundbeträge nach dem BSHG sowie zur Höhe der Blindenhilfe vom 31.5.2002, Sächsisches Amtsblatt 2002, 707) ab 1.7.2002 als Haushaltsvorstand ein monatlicher Regelsatz iHv 279 Euro zu. Zudem hatte der Kläger wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und des Merkzeichens "G" gemäß § 23 Abs 1 Nr 1 BSHG Anspruch auf einen Mehrbedarf iHv monatlich 55,80 Euro. Zum notwendigen Lebensunterhalt zählen ferner die laufenden Kosten für die Unterkunft (vgl § 12 Abs 1 BSHG, § 3 Regelsatzverordnung). Diese betrugen nach den Feststellungen des LSG für die Mietwohnung des Klägers und seiner Ehefrau im hier maßgeblichen Zeitraum ab 1.10.2002 monatlich 263,77 Euro (zuvor monatlich 257,22 Euro). Für die mit dem Kläger zusammenlebende Ehefrau war als Haushaltsangehörige nach § 2 Abs 3 Nr 4 der Regelsatzverordnung iVm der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales vom 31.5.2002 (aaO) im Freistaat Sachsen ab 1.7.2002 ein monatlicher Bedarf iHv 223,00 Euro anzusetzen.

82

Dem danach berücksichtigungsfähigen monatlichen Bedarf iHv 821,57 Euro ist gemäß § 11 Abs 1 S 2 Halbs 1 BSHG das monatliche Einkommen und das Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau gegenüberzustellen. Nach § 76 Abs 1 BSHG gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem BSHG, der Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz und der Rente oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden am Leben sowie an Körper und Gesundheit gewährt werden. Der Kläger verfügte im hier maßgeblichen Zeitraum über eine monatliche Nettoaltersrente iHv 820 Euro. Die Ehefrau des Klägers erhielt nach den Feststellungen des LSG eine Rente wegen EU iHv monatlich 646,83 Euro (= 1 265,08 DM). Danach verfügten der Kläger und seine Ehefrau über ein Monatseinkommen iHv 1 466,83 Euro. Dieser Betrag überstieg den berücksichtigungsfähigen monatlichen Bedarf iHv 821,57 Euro deutlich, und zwar um 645,26 Euro.

83

Anhaltspunkte für einen konkret zu beziffernden weiteren Bedarf des Klägers oder seiner Ehefrau nach §§ 11 ff BSHG oder vom vorgenannten anzurechnenden Einkommen gemäß § 76 Abs 2 BSHG abzugsfähige Belastungen (oder für anrechenbares Vermögen des Klägers oder seiner Ehefrau) ergeben sich für den Senat aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht; da gegen diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vom Kläger vorgebracht worden sind, sind sie für den Senat bindend (§ 163 SGG).

84

Damit erweist sich der Verrechnungs-Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 (§ 95 SGG) auch insoweit als rechtmäßig.

85

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

(1) Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse. Die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850l, 851c, 851d, 899 bis 904, 905 Satz 1 und 3 sowie § 906 Absatz 2 bis 4 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Verfügungen des Schuldners über Guthaben, das nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wirkungen des Pfändungsschutzkontos nicht von der Pfändung erfasst wird, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht der Freigabe dieses Kontoguthabens durch den Insolvenzverwalter.

(2) Zur Insolvenzmasse gehören jedoch

1.
die Geschäftsbücher des Schuldners; gesetzliche Pflichten zur Aufbewahrung von Unterlagen bleiben unberührt;
2.
im Fall einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners die Sachen nach § 811 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b und Tiere nach § 811 Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe b der Zivilprozessordnung; hiervon ausgenommen sind Sachen, die für die Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit erforderlich sind, welche in der Erbringung persönlicher Leistungen besteht.

(3) Sachen, die zum gewöhnlichen Hausrat gehören und im Haushalt des Schuldners gebraucht werden, gehören nicht zur Insolvenzmasse, wenn ohne weiteres ersichtlich ist, daß durch ihre Verwertung nur ein Erlös erzielt werden würde, der zu dem Wert außer allem Verhältnis steht.

(4) Für Entscheidungen, ob ein Gegenstand nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Vorschriften der Zwangsvollstreckung unterliegt, ist das Insolvenzgericht zuständig. Anstelle eines Gläubigers ist der Insolvenzverwalter antragsberechtigt. Für das Eröffnungsverfahren gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.


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Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 08.03.2013 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Verrechnung eines Teils der laufenden monatlichen Rentenansprüche aus der Altersrente des Klägers mit einer Beitragsschuld des Klägers gegenüber der Berufsgenossenschaft trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen.

2

Der am ...1941 geborene Kläger hat gegenüber der Berufsgenossenschaft Verkehr (BG) rückständige Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung für die Jahre 2007 bis 2010 einschließlich Kosten und Gebühren in Höhe von 24.641,75 €. Dies stellte die BG mit Bescheiden vom 06.04.2008, 19.04.2008, 05.04.2009 und 18.04.2010 gegenüber dem Kläger fest.

3

Seit 2007 bezieht der Kläger von der Beklagten eine Regelaltersrente, ab dem Jahr 2010 in Höhe von monatlich 800,01 € netto.

4

Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) K vom 05.05.2010 - … wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet.

5

Die Beklagte ist von der BG mit Schreiben vom 05.06.2010 ermächtigt worden, die von dem Kläger geschuldeten Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung gegen die zuerkannten laufenden Geldleistungen aus Altersrente zu verrechnen.

6

Am 08.07.2010 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Verrechnung eines Teils seiner monatlichen Altersrentenansprüche (150,00 €) mit der gegenüber der BG noch nicht beglichenen Beitragsschuld an. Mit Bescheid vom 15.10.2010 führte die Beklagte die Verrechnung gegenüber dem Kläger durch. Gegen die Rente des Klägers in Höhe von 800,01 € wurden monatlich 150,00 EUR ab Dezember 2010 verrechnet und von diesem Zeitpunkt folglich nur noch 650,01 € monatlich als Altersrente ausgezahlt.

7

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 14.03.2011 Widerspruch ein. Seiner Auffassung nach könne aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts K vom 05.05.2010 über sein Vermögen keine Verrechnung rückständiger Beiträge erfolgen. Die Beklagte wertete den Widerspruch als Überprüfungsantrag nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) und wies mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2011 den Widerspruch als unzulässig zurück. Mit Bescheid vom 27.04.2011 lehnte sie den Überprüfungsantrag ab. Dieser Bescheid wurde bindend.

8

Am 11.07.2011 stellte der Kläger erneut einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, den die Beklagte mit Bescheid vom 16.09.2011 ablehnte. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der zugunsten der BG festgestellte Verrechnungsbetrag von monatlich 150,00 € in rechtlich zutreffender Weise festgestellt worden sei. Insbesondere lägen die Voraussetzungen für eine Verrechnung nach §§ 52, 51 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) vor. Für die Verrechnung habe die Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine unmittelbaren Auswirkungen, soweit sie über § 850c der Zivilprozessordnung (ZPO) hinausgehend Rentenbeträge erfasse, mit denen im Rahmen von § 51 Abs 2 SGB I eine Aufrechnung zulässig sei.

9

Der Kläger hat am 13.02.2012 beim Sozialgericht Koblenz (SG) Klage erhoben. Zur Begründung der Klage hat er vorgetragen, dass die Verrechnung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens unzulässig sei, da das Insolvenzverfahren Vorrang habe. Eine Verrechnung richte sich nach §§ 94 ff. Insolvenzordnung (InsO) und sei nur dann durchführbar, wenn die Möglichkeit zur Verrechnung bereits vor Verfahrenseröffnung gemäß § 94 InsO bestanden habe. Dies sei aber gerade vorliegend nicht der Fall, da eine Ermächtigung zur Verrechnung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 05.06.2010 erteilt worden sei. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe noch keine Aufrechnungslage vorgelegen, so dass die Verrechnung rechtswidrig sei. Er hat zur Begründung seiner Auffassung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (>BGH<, Beschluss vom 29.05.2008 - IX Z B 51/07 -, juris) verwiesen. Zudem hätte eine Verrechnung gegenüber dem Insolvenzverwalter erklärt werden müssen.

10

Das SG hat durch Urteil vom 08.03.2013 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht eine Überprüfung und Korrektur der Bescheide abgelehnt, da die Verrechnung unter Berücksichtigung der Insolvenz des Klägers ab dem 05.05.2010 rechtmäßig erfolgt sei. Die Voraussetzungen für eine Verrechnung nach §§ 52, 51 Abs 2 SGB I seien erfüllt. Die zur Verrechnung gelangten Beiträge in Höhe von monatlich 150,00 € würden lediglich den unpfändbaren Teil des Rentenzahlungsanspruchs des Klägers betreffen. Nach § 36 Abs 1 Satz 1 InsO und § 850c ZPO habe die Beklagte Forderungen verrechnet, die von vornherein nicht dem Insolvenzbeschlag unterlägen und somit dem Zugriff sonstiger Insolvenzgläubiger entzogen seien. Im Ergebnis seien die Vorschriften über die Einschränkung einer während des Insolvenzverfahrens erfolgten Verrechnung/Aufrechnung (§§ 95, 96 InsO) nicht anzuwenden. Da sich die Verwaltungs- Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders nach § 80 InsO nur auf den massezugehörigen Teil des Schuldnereinkommens erstrecke, könne eine Aufrechnung/Verrechnung, die sich nur auf den insolvenzfreien Teil des Einkommens beziehe, daher gegenüber dem Schuldner, d. h. dem Kläger und gerade nicht gegenüber dem Insolvenzverwalter erklärt werden. Auch der vom Kläger angeführten Entscheidung des BGH sei keine andere Wertung zu entnehmen, als dass die Insolvenzordnung Aufrechnungslagen schützen wolle, die bereits im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestünden.

11

Gegen das dem Klägervertreter am 27.03.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.04.2013 Berufung eingelegt.

12

Er trägt vor, rechtsfehlerhaft verkenne das SG, dass die Verrechnung während eines laufenden Insolvenzverfahrens gemäß §§ 95, 96 InsO unzulässig sei. Erst mit der Ermächtigung durch die BG habe die Beklagte einen aufrechenbaren Anspruch im Zeitpunkt des Insolvenzverfahrens gegen ihn gehabt. Nach der Grundsatzentscheidung des BGH zur Verrechnung laufender Bezüge im Falle des laufenden Insolvenzverfahrens sei eine Verrechnung ausschließlich nur dann möglich, wenn zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits eine entsprechende Ermächtigung zur Verrechnung vorgelegen habe. Es könne allein darauf ankommen, wann die Beklagte von der BG ermächtigt worden sei. Dies sei unstreitig nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewesen. Damit habe zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine zu schützende Verrechnungslage sowie kein Vertrauen der Beteiligten in die Insolvenzfestigkeit ihrer Verrechnungsbefugnis vorgelegen. Zudem verkenne das SG, dass hinsichtlich der Frage, ob und wann eine Verrechnung nach Ermächtigung im laufenden Insolvenzverfahren möglich sei, es nicht darauf ankomme, ob es sich dabei um eine pfändbare oder um eine unpfändbare Forderung handele.

13

Der Kläger beantragt,

14

das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 08.03.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 16.09.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 15.10.2010 aufzuheben und die einbehaltenen Rechnungsbeträge an den Kläger auszubezahlen.

15

Die Beklagte beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

18

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

19

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt hatten.

20

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

21

Im Ergebnis hat das SG die Klage zu Recht im vollen Umfang abgewiesen. Die Beklagte hat im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X zutreffend ausgeführt, dass in dem Bescheid vom 15.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2012 das Recht nicht unrichtig angewandt und nicht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Die Beklagte hat zutreffend einen Teil der laufenden monatlichen Altersrentenansprüche des Klägers mit einer von ihm noch nicht beglichenen Beitragsschuld zur gesetzlichen Unfallversicherung gegenüber der BG verrechnet.

22

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Nach § 44 Abs. 4 SGB X werden Sozialleistungen längsten für einen Zeitraum von bis zu 4 Jahren vor der Antragstellung erbracht, wobei der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet wird, in dem der Antrag - hier am 11.07.2011 - gestellt worden ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Der hier maßgebliche Bescheid der Beklagten vom 15.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2011 war nicht rechtswidrig.

23

Das Urteil des SG, in dem das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Verrechnung nach §§ 52, 51 Abs 2 SGB I von monatlich 150,00 € mit der ursprünglich von der Beklagten bewilligten Altersrente in Höhe von 800,01 € ab Dezember 2010 festgestellt wurde, verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, sodass ihm ab diesem Zeitpunkt lediglich eine Rente von monatlich 650,01 € durch die Beklagte auszuzahlen ist. Das SG entschied zu Recht, dass dem Kläger im Ergebnis kein Anspruch auf Auszahlung des unpfändbaren Anteils der Altersrente während des laufenden Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen ab Dezember 2010 zusteht.

24

Die Verrechnung nach §§ 52, 51 Abs 2 SGB I ist entsprechend der Entscheidung des SG rechtmäßig.

25

Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Nach § 51 Abs 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Beitragsansprüchen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) wird.

26

Dabei ist die Verrechnung nach § 52 SGB I eine Sonderform der Aufrechnung nach § 51 SGB I in dem Sinne, dass es bei der Verrechnung an der Gegenseitigkeit der Forderung fehlt, weil die noch offenen Beiträge aus der gesetzlichen Unfallversicherung der BG und nicht der Beklagten zustehen.

27

Das SG hat weiter zutreffend festgestellt, dass – mit Ausnahme der Gegenseitigkeit der Forderungen - eine Aufrechnungslage (und damit eine Verrechnungslage) im Sinne der §§ 52, 51 Abs 2 SGB I gegeben war. Indem § 51 SGB I keine Voraussetzungen für die Aufrechnung vorgibt wird insoweit auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), §§ 387 ff BGB, zurückgegriffen.

28

Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung sind grundsätzlich Beiträge im Sinne des § 51 Abs 2 SGB I, mit denen nach § 52 SGB I eine Verrechnung durchgeführt werden kann (Bundessozialgericht >BSG<, Urteil vom 12.06.2008 - B 3 P 1/07 R -, juris).

29

Die sich gegenüberstehenden Forderungen – die Beitragspflicht zur gesetzlichen Unfallversicherung und der Anspruch auf Altersrente – sind Geldleistungsansprüche nach § 51 SGB I und mithin gleichartig. Die Hauptforderung, der Anspruch auf Zahlung der Altersrente, ist auch im Hinblick auf zukünftige Rentenansprüche erfüllbar. Die Gegenforderung ist einredefrei und fällig. Die Forderung der BG war hinreichend bestimmt und ist im sozialgerichtlichen Verfahren unstreitig. Der Kläger hat keine Einwendungen gegen die Forderung oder gegen die Forderungshöhe vorgebracht. Die Forderung ist nicht verjährt, war fällig und damit durchsetzbar.

30

Wie das SG zutreffend ausführte, liegt auch kein Ermessensfehler der Beklagten vor. Die BG hat die Beklagte als Schuldnerin der monatlich an den Kläger auszuzahlenden Altersrente mit Schreiben vom 05.06.2010 ermächtigt, die ihr zustehende Beitragsleistung mit der laufenden Altersrente des Klägers zu verrechnen. Dabei wurde die Erklärung der Beklagten zur Verrechnung nach pflichtgemäßen Ermessen und damit in den Grenzen der §§ 54 Abs 2, IV, 52 Abs 2 SGB I eingehalten (Gabbert, Die Aufrechnungsmöglichkeiten der Sozialleistungsträger mit Leistungsansprüchen der Versicherten, RVaktuell 2008, 192). Insbesondere sind - wie bereits das SG richtig ausführte - im Anhörungsverfahren vom 08.07.2010 von dem Kläger keinerlei Gesichtspunkte vorgetragen wurden, die einer Verrechnung entgegenstehen könnten und die die Beklagte bei den anzustellenden Ermessenserwägungen hätte berücksichtigen können. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er durch die Verrechnung hilfebedürftig geworden ist. Eine eventuell eingetretene Hilfebedürftigkeit hätte seitens des Klägers nachgewiesen werden müssen.

31

Die Verrechnung ist auch nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers durch Beschluss des AG K vom 05.05.2010 und der damit zur Anwendung kommenden Vorschriften der InsO ausgeschlossen. Grundsätzlich verlor der Kläger mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Möglichkeit, über die nach § 35 InsO zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstände oder -werte zu verfügen. Jedoch sind nach § 36 Abs 1 InsO lediglich pfändbare Forderungen des Klägers als Gemeinschuldners Vermögensbestandteil der Insolvenzmasse. Nach § 36 Abs 1 Satz 2 InsO gilt § 850c ZPO entsprechend. Danach unterfällt die Altersrente nur mit dem pfändbaren Anteil dem Insolvenzverfahren. Die von der Beklagten zu leistende monatliche Altersrente lag in der ursprünglich gewährten Höhe von 800,01 € durchgehend unter der Pfändungsfreigrenze des § 54 Abs 4 SGB I i.V.m. § 850c ZPO, so dass sie von vornherein nicht insolvenzbefangen war. Zutreffend stellte das SG fest, dass die im Verrechnungsbescheid der Beklagten zur Verrechnung gelangten Beiträge in Höhe von 150,00 € monatlich lediglich den unpfändbaren Teil des Rentenauszahlungsanspruchs betreffen. Weiter führt das SG richtigerweise aus, dass die Beklagte die Altersrente verrechnete, die als solche von vornherein nicht zur Insolvenzmasse zählt und somit dem Zugriff der Insolvenzgläubiger entzogen ist. Die Verrechnungshindernisse nach §§ 95, 96 InsO finden somit mangels Zurechnung der Altersrente zur Insolvenzmasse bereits keine Anwendung. Da die Altersrente gerade nicht zur Insolvenzmasse gehört, da sie unterhalb der Pfändungsfreigrenzen lag, kann sie auch nicht an die anderen Insolvenzgläubiger verteilt werden, so dass es aus diesem Grund auch nicht zu einer Verzerrung der Quoten der einzelnen Insolvenzgläubiger kommen kann. §§ 51, 52 Abs 2 SGB I stellen insoweit besondere Regelungen dar, die einen Zugriff auf das grundsätzlich unpfändbare Vermögen des Betroffenen für die Fälle erlaubt, wenn Beiträge nicht entrichtet oder zu Unrecht Sozialleistungen gewährt worden und der Betroffene dadurch nicht hilfebedürftig wird. Diese freilich gegebene Privilegierung der Sozialleistungsträger gegenüber anderen Gläubigern, welche § 394 BGB zu beachten haben, ist vom Gesetzgeber aus sozialpolitischen und verwaltungstechnischen Gründen so gewollt. Das Interesse an der vollständigen und rechtzeitigen Realisierung der Einnahmen zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Systems der sozialen Sicherung nach Art. 20 Abs 1 Grundgesetz (GG) überwiegt als Interesse der Versichertengemeinschaft das Interesse des Klägers an einer ungekürzten Auszahlung seines Altersrentenanspruchs (Thüringer Landessozialgericht >LSG<, Beschluss vom 18.07.2011 - L 6 R 95/11 B ER -, juris; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 06.06.2012 - L 3 R 314/11 -, juris; Bayerisches LSG, Urteil vom 23.04.2013 - L 20 R 819/09 -, juris, vgl. auch jurisPR InsR 17/2013 Anm. 6). Ein von dem Kläger im sozialgerichtlichen wie auch im Berufungsverfahren behauptetes Verrechnungshindernis nach § 96 Abs 1 Nr. 2 InsO besteht vorliegend bereits aus diesen Gründen nicht.

32

Dessen ungeachtet ist lediglich ergänzend zum hauptsächlichen Vorbringen des Klägers darauf hinzuweisen, dass entgegen seiner Behauptung die Verrechnung während eines laufenden Insolvenzverfahrens gemäß §§ 95, 96 InsO grundsätzlich zulässig ist. Der Eintritt einer Insolvenz beim Kläger als Leistungsberechtigten hebt nach der Konzeption der §§ 95 und 96 Abs 1 Nr. 1 InsO die Aufrechnungsmöglichkeit grundsätzlich nicht auf, wenn vor Insolvenzeintritt schon eine Aufrechnungslage bestanden hat (BSG, Urteil vom 14.03.2013 - B 13 R 5/11 R -, juris; Gabbert, a.a.O., RVaktuell 2008, 192; vgl. auch Eichenhofer SGb 2013, 253 ff).

33

Die Aufrechnungslage bestand seit dem Zeitpunkt der Geltendmachung der Beiträge aus der gesetzlichen Unfallversicherung durch die BG durch die Bescheide vom 06.04.2008, 19.04.2008, 05.04.2009 und 18.04.2010. Die Beklagte hat also entgegen der Ansicht des Klägers nicht erst mit der Ermächtigung durch die BG mit Schreiben vom 05.06.2010 einen aufrechenbaren Anspruch gegen ihn gehabt. Auch die Vorschrift des § 96 Abs 1 Nr. 2 InsO, die eine Aufrechnung verbietet, falls der Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat, steht der Verrechnung nach § 52 SGB I dabei nicht entgegen. Darauf, ob die Ermächtigung zur Verrechnung vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilt worden ist, kommt es gerade nicht an. Dies deswegen nicht, weil für den Fall der Ermächtigung eines Sozialleistungsträgers durch einen anderen Sozialleistungsträger die Voraussetzungen des § 96 Abs 1 Nr. 1 InsO nicht vorliegen. Denn zwischen dem an diesem Verfahren beteiligten Sozialleistungsträgern findet gerade kein Anspruchswechsel i.S.d § 96 Abs 1 Nr. 1 InsO statt. Trotz Ermächtigung durch die BG wurde vorliegend die Beklagte nicht Inhaberin des Anspruchs. Die BG hat die Forderung gegen den Kläger mit Bescheiden vom 06.04.2008, 19.04.2008, 05.04.2009 und 18.04.2010 und damit noch vor Eintritt der Insolvenzeröffnung, durch Beschluss des AG Köln vom 05.05.2010, geltend gemacht. Seit diesem Zeitpunkt besteht die Aufrechnungslage. Die Ermächtigung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens spielt dafür keine Rolle, denn sie hat wie dargestellt gerade keinen Einfluss auf das Bestehen der Aufrechnungslage (BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 18/03 R -, juris; BSG, Urteil vom 12.07.1990 - 4 RA 47/88 = BSGE 67, 143). Die Verrechnung wäre also, wenn sie sich auf einen nach § 850c ZPO pfändbaren und damit massezugehörigen Betrag der Rente erstrecken würde, unter Beachtung des § 114 Abs 2 InsO im zeitlichen Rahmen von 2 Jahren zulässig.

34

Insoweit behauptet wird, dass eine Verrechnung während des Insolvenzverfahrens nicht zulässig sei, da § 114 Abs 2 InsO nur für die Aufrechnung und gerade nicht für die Verrechnung gelte (Bayerisches Oberlandesgericht >OLG<, Beschluss vom 10.04.2001 - BR 23/00 -, juris) ist dieser Rechtsauffassung nicht zu folgen. Zwar nennt § 114 Abs. 2 InsO ausdrücklich nur die Aufrechnung und nicht auch die Verrechnung. Daraus kann jedoch nicht entnommen werden, dass die Verrechnung vom Anwendungsbereich dieser Norm ausgenommen ist. Wie bereits festgestellt, ist die Verrechnung eine Sonderform der Aufrechnung, mit dem Unterschied, dass die Gegenseitigkeit der Forderungen fehlt. § 52 SGB I stellt die Verrechnung der Aufrechnung gleich (BSG, Urteil vom 10.12.2003 a.a.O., juris; BSG, Urteil vom 12.07.1990 a.a.O.).

35

Dieser Rechtsauffassung steht auch nicht, wie das SG zu Recht feststellte, der vom Kläger angeführte Beschluss des BGH vom 29.05.2008 - Az IX ZB 51/07- entgegen. Wie der BGH ausdrücklich feststellte, ist nach dem Inhalt der sozialrechtlichen Regelungen der Leistungsträger zur Verrechnung auch dann befugt, wenn über das Vermögen des Leistungsberechtigten ein Insolvenzverfahren eröffnet ist. Die InsO will Aufrechnungslagen schützen, die bereits im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestanden haben (§ 94 InsO). Da vorliegend die BG bereits vor diesem Zeitpunkt durch Bescheide vom 06.04.2008, 19.04.2008, 05.04.2009 und 18.04.2010 die offene Beitragsschuld geltend machte, durfte sie auch darauf vertrauen, gegen eine Forderung des Klägers aufrechnen, bzw. verrechnen zu können. Die Rechtsansicht, dass bei einer auf eine Konzernverrechnungsklausel gestützten Aufrechnung die Aufrechnungslage nicht entstehe, bevor die Aufrechnung erklärt worden ist, überträgt der BGH in dem genannten Beschluss ausdrücklich nicht auf Fälle des § 52 SGB I. Insbesondere sei die Konzernverrechnungsklausel von der Verrechnung nach § 52 SGB I zu unterscheiden und zudem enthielte die InsO keinerlei Vorschriften, welche für die Zeit nach der Verfahrenseröffnung die gesetzliche Verrechnungsmöglichkeit nach § 52 SGB I ausschließen würden. Indem wie bereits festgestellt die Verrechnungslage unabhängig von der Ermächtigung besteht, war die Beklagte auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens befugt die Verrechnung durchzuführen. Selbst nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens steht der Verrechnung eine Vollstreckungsbeschränkung nicht entgegen (BSG, Urteil vom 7.2.2012 - B 13 R 85/09 R-, Rdnr 60ff ).

36

Zu Recht hat das SG entschieden, dass die Verrechnung dem Kläger und nicht dem Insolvenzverwalter gegenüber zu erfolgen hatte. Aufgrund der fehlenden Pfändbarkeit der Altersrente fiel diese nicht zur Insolvenzmasse, was eine Zuständigkeit des Insolvenzverwalters nach § 80 Abs 1 InsO ausschließt. Der Kläger blieb also stets Gläubiger der Forderung gegen die Beklagte, so dass die Verrechnungsbescheide auch ihm gegenüber zu erlassen waren (Bayerisches LSG, a.a.O.). Auch konnte eine Verrechnung mittels Verwaltungsakt durchgeführt werden (Großer Senat des BSG, Beschluss vom 31.08.2011 - GS 2/10 -, juris). Die Beklagte hat den Verrechnungsbescheid ordnungsgemäß am 15.10.2010 bekannt gegeben und den Kläger dazu auch ordnungsgemäß am 08.07.2010 angehört, § 24 SGB X.

37

Nach allem sind das Urteil des SG sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 16.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2012 rechtlich nicht zu beanstanden. Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben und ist als unbegründet zurückzuweisen.

38

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

39

Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG liegen nicht vor; insbesondere weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des BSG ab.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 118/07
Verkündet am:
10. Juli 2008
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Hat die Sozialversicherung nach § 52 Abs. 1 SGB I eine insolvenzrechtlich
unzulässige Verrechnung vorgenommen, die sich auf das massefreie Vermögen
des Schuldners bezieht, ist der Insolvenzverwalter oder der Treuhänder
im Restschuldbefreiungsverfahren nicht verpflichtet, hiergegen vorzugehen.

b) Zieht der Insolvenzverwalter oder Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren
unpfändbare Versorgungsbezüge des Schuldners ein, die dieser teilweise
für sich beansprucht, weil das an ihn ausgezahlte Einkommen aus anderen
Einkommensquellen unterhalb der Pfändungsgrenze liegt, muss der
Verwalter oder Treuhänder dafür Sorge tragen, dass dem Schuldner jedenfalls
ein Beitrag in Höhe der Pfändungsgrenze verbleibt.
BGH, Urteil vom 10. Juli 2008 - IX ZR 118/07 - LG Würzburg
AG Würzburg
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter Raebel
, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und Dr. Pape

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Würzburg vom 27. Juni 2007 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin bezieht eine Witwenrente der Deutschen Rentenversicherung Bund (vormals BfA; fortan: Rentenversicherung), Leistungen der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung (fortan: LSV) sowie Arbeitslohn aus einer geringfügigen Beschäftigung. Für sich genommen liegen die Bezüge jeweils unterhalb der Pfändungsgrenze für Arbeitseinkommen gemäß § 850c ZPO. Die Witwenrente wird der Klägerin nicht in voller Höhe ausgezahlt. Ein Teilbetrag wird von der Rentenversicherung mit Ermächtigung der AOK Ost-WestfalenLippe (fortan: AOK) mit Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der AOK verrechnet (vgl. § 52 SGB I).
2
Am 15. April 2002 trat die Schuldnerin im Zusammenhang mit dem von ihr beantragten Insolvenzverfahren ihre pfändbaren Bezüge für die Zeit von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder ab. Das Insolvenzverfahren wurde am 22. April 2002 eröffnet; der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 7. Oktober 2003 kündigte das Insolvenzgericht die Erteilung der Restschuldbefreiung an und bestimmte den Beklagten zum Treuhänder. Durch Beschluss vom 29. Januar 2004 hob es das Insolvenzverfahren auf und ordnete an, dass der Schuldnerin Restschuldbefreiung gewährt werde, wenn sie für die Zeit von fünf Jahren ab dem 22. April 2002 ihre Obliegenheiten erfülle und Versagungsgründe nicht wirksam geltend gemacht würden.
3
Der Beklagte vereinnahmte die Zahlungen der LSV; die übrigen Einkünfte flossen an die Klägerin. Die Summe der um den Verrechnungsbetrag gekürzten Witwenrente und des Arbeitslohns lag durchgängig unterhalb der Pfändungsgrenze. In der Zeit von Oktober 2003 bis März 2005 belief sich die Differenz auf insgesamt 1.549,22 €.
4
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten persönlich die Zahlung des Differenzbetrages sowie die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr die monatliche Differenz zwischen dem pfandfreien Betrag und der Summe ihrer tatsächlichen Einkünfte ab dem 1. April 2005 auszuzahlen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg.

I.


6
Das Berufungsgericht meint, der Beklagte habe seine Pflichten als Treuhänder schuldhaft verletzt und hafte der Klägerin aus § 280 BGB auf Schadensersatz. Er habe bei der Berechnung der Pfändungsfreigrenze die Klägerin nicht so stellen dürfen, als habe sie die Witwenrente in voller Höhe erhalten. Die Verrechnung gemäß § 52 SGB I sei von ihm nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin angreifbar gewesen, weil sie von § 114 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht gedeckt gewesen sei. Die insolvenzrechtlich unzulässige Vorwegbefriedigung eines Insolvenzgläubigers durch Verrechnung könne jedoch nicht zu Lasten des Insolvenzschuldners gehen, weil mit ihr "faktisch" die Pfändungsfreigrenze unterlaufen werde. Der Insolvenzverwalter oder Treuhänder habe vielmehr darauf zu achten, dass sämtliche Vermögenspositionen , die dem Schuldner zuständen, den Schuldner oder den Verwalter oder Treuhänder tatsächlich auch erreichten. Bei Zahlungsverzug oder Minderleistung müsse der Treuhänder auf eine ordnungsgemäße Erfüllung hinwirken. Diese Pflicht habe der Beklagte verletzt, weil er nach der Verfahrenseröffnung keine Schritte unternommen habe, um die Verrechnungspraxis der AOK zu beenden. Das schuldhafte Unterlassen beziehe sich auch auf pfändbare Ansprüche der Klägerin und mithin auf den Gegenstand der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 InsO. Aus der Summe der festgestellten, tatsächlich gegebenen Einkünfte ergebe sich nach Abzug der Pfändungsfreigrenze der Betrag, der den Gläubigern jeweils zur Verfügung zu stellen sei. Bei ordnungsgemäßer Tätigkeit des Beklagten wäre die Verrechnung unterblieben.

II.


7
Diese Ausführungen tragen die Verurteilung des persönlich auf Schadensersatz in Anspruch genommenen Beklagten nicht.
8
1. Der dem Beklagten zur Last gelegte Pflichtenverstoß, einerseits gegen die Vorwegbefriedigung der AOK im Wege der Verrechnung durch die von der Krankenkasse hierzu ermächtigte Rentenversicherung nicht vorgegangen zu sein, andererseits aber die Bezüge der Klägerin nicht aus Mitteln der LSV aufgefüllt zu haben, betrifft zunächst den Zeitraum des eröffneten Insolvenzverfahrens ab Oktober 2003. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte noch zum Verwalter über das Vermögen der Klägerin bestellt. Nach dem insoweit unmittelbar einschlägigen § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO war er allen Beteiligten des Insolvenzverfahrens zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzte, die ihm nach der Insolvenzordnung oblagen.
9
a) Die Vorschrift des § 60 InsO sanktioniert die Verletzung solcher Pflichten , die dem Insolvenzverwalter in dieser Eigenschaft nach den Vorschriften der Insolvenzordnung obliegen.
10
aa) Dazu gehören nicht solche Pflichten, die ihn wie jeden Vertreter fremder Interessen gegenüber Dritten treffen. Nicht insolvenzspezifisch sind außerdem im Allgemeinen Pflichten, die dem Insolvenzverwalter als Verhandlungsoder Vertragspartner eines Dritten auferlegt sind. Eine Haftung nach § 60 InsO kann nur dann begründet sein, wenn diesem Dritten gegenüber besondere, insolvenzspezifische Pflichten bestehen, deren Erfüllung durch die Verletzung der anderen Pflichten gefährdet wird (BGH, Urt. v. 25. Januar 2007 - IX ZR 216/05, ZIP 2007, 539 f Rn. 7; v. 24. Januar 2008 - IX ZR 201/06, ZIP 2008, 608 f Rn. 12).
11
bb) Der Schuldner ist Beteiligter im Sinne des § 60 Abs. 1 InsO (BGHZ 74, 316, 319; BGH, Urt. v. 22. Januar 1995 - VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, 425, zur KO; Jaeger/Gerhardt, InsO § 60 Rn. 81; MünchKomm-InsO/Brandes, 2. Aufl. §§ 60, 61 Rn. 65; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 60 Rn. 12). Der Verwalter haftet ihm auf Schadensersatz, wenn er ihm durch die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten einen Einzelschaden zufügt. Dies wird unter anderem für den Fall angenommen, dass er über das Vermögen des Schuldners verfügt, welches nicht der Zwangsvollstreckung unterliegt (MünchKomm-InsO/Brandes, aaO §§ 60, 61 Rn. 65); insoweit verstößt er gegen seine Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Verfahrensabwicklung (vgl. Uhlenbruck, aaO § 60 Rn. 12). Die handels- und steuerrechtlichen Pflichten zur Buchführung und Rechnungslegung (§ 155 Abs. 1 Satz 2 InsO) obliegen dem Insolvenzverwalter auch gegenüber dem Schuldner (BGHZ 74, 316, 318 f). Deshalb ist der Verwalter diesem gegenüber verpflichtet, einen ihm zugegangenen Steuerbescheid, der die Masse betrifft, auf seine Richtigkeit zu überprüfen und Einspruch einzulegen, falls er auf falschen Voraussetzungen beruht (vgl. MünchKomm-InsO/Brandes, aaO §§ 60, 61 Rn. 65). Dagegen gehört es nicht zu den insolvenzspezifischen Pflichten des Insolvenzverwalters, dem Schuldner außerhalb der Verwertung der Insolvenzmasse Vorteile, zum Beispiel Steuervorteile (vgl. Uhlenbruck, aaO § 60 Rn. 12), zu verschaffen oder dessen Interessen bei der Durchsetzung nicht insolvenzbefangener Ansprüche gegenüber Drittschuldnern wahrzunehmen.

12
b) In Anwendung dieser Grundsätze trifft den Beklagten keine Verantwortung dafür, dass die Rentenversicherung ihre auf § 52 SGB I gestützte Verrechnungspraxis über den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hinaus fortgesetzt hat.
13
aa) Die Verrechnung bezieht sich auf Bezüge, die gemäß § 850 Abs. 2 ZPO als Arbeitseinkommen zu behandeln sind (vgl. Hk-ZPO/Kemper, 2. Aufl. § 850 Rn. 6; Musielak/Becker, ZPO 6. Aufl. § 850 Rn. 10; Zöller/Stöber, ZPO 26. Aufl. § 850 Rn. 8). Dieses gehört nach § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO nur insoweit zur Insolvenzmasse, als es der Einzelzwangsvollstreckung unterliegt.
14
(1) Aufgrund der Verweisung in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO sind hierfür unter anderem §§ 850c, 850e Nr. 2a ZPO maßgeblich. Danach war die Witwenrente in dem von der Klage erfassten Zeitraum durchgängig unpfändbar. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts belief sich der monatliche Rentenanspruch zu keinem Zeitpunkt auf mehr als 844,37 €; unpfändbar nach § 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO waren demgegenüber bis zum 30. Juni 2005 monatlich 930 €, danach 985,15 € (vgl. Pfändungsfreigrenzenverordnung vom 25. Februar 2005, BGBl. I S. 493). Verfügt der Schuldner über Bezüge mehrerer Drittschuldner, so kommt er - ohne gegenläufige gerichtliche Anordnungen - für jedes Einkommen in den Genuss der Pfändungsfreibeträge (BGH, Urt. v. 13. Mai 1997 - IX ZR 246/96, WM 1997, 1243, 1244; Stein/Jonas/Brehm, ZPO 22. Aufl. § 850e Rn. 20 f; Musielak/Becker, aaO § 850e Rn. 9). Es obliegt dem Insolvenzverwalter, nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850e Nr. 2, Nr. 2a ZPO beim Insolvenzgericht (§ 36 Abs. 4 InsO) eine Zusammenrechnung der Einkünfte oder Sozialleistungen (vgl. § 54 Abs. 4 SGB I) zu beantragen und so den Insolvenzbeschlag zu erweitern (vgl. BT-Drucks. 14/6468 S. 17; Holzer in Küb- ler/Prütting, InsO § 36 Rn. 28d; Jaeger/Henckel, aaO § 36 Rn. 15). Der Beschluss des Insolvenzgerichts hat die Höhe des Gesamteinkommens anzugeben und unter Berücksichtigung des § 850e Nr. 2 Satz 2, Nr. 2a Satz 2 ZPO anzuordnen, aus welchem Einkommen der unpfändbare Grundbetrag zu entnehmen ist (vgl. Steder ZIP 1999, 1874, 1877). Ein solcher Beschluss ist vorliegend nicht ergangen. Demgemäß ist der Insolvenzbeschlag nicht erweitert worden.
15
(2) Soweit die Witwenrente zur Auszahlung gelangt ist, hat der Beklagte nicht über Vermögen der Schuldnerin verfügt, welches der Zwangsvollstreckung nicht unterlag. Die Rentenzahlungen sind an die Klägerin persönlich geleistet worden. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat diese allerdings im Oktober 2003 auf Anforderung des Beklagten einen Betrag von 146,24 € in die Masse gezahlt, der sich nach einer Vergleichsberechnung des Verwalters für den Zeitraum bis einschließlich September 2003 zugunsten der Masse ergab. Die Rückforderung dieser Leistung war Gegenstand der in erster Instanz angekündigten Klage, die sich im Falle der Gewährung von Prozesskostenhilfe auf einen Zeitraum ab Mai 2002 beziehen sollte. Nach Versagung der Prozesskostenhilfe für den Abrechnungszeitraum bis einschließlich September 2003 ist Klage nur für die Folgezeit ab Oktober 2003 erhoben worden. Der von dem Beklagten möglicherweise zu Unrecht zur Masse gezogene Betrag ist deshalb nicht Streitgegenstand.
16
bb) Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, hinsichtlich der im Wege der Verrechnung getilgten "Spitze" des Anspruchs auf Witwenrente gegenüber der Rentenversicherung auf eine ordnungsgemäße Erfüllung hinzuwirken. Der durch Verrechnung getilgte Teil des Rentenanspruchs betraf ebenfalls das massefreie Vermögen der Schuldnerin, für dessen Realisierung der Insolvenz- verwalter grundsätzlich keine Verantwortung trägt. Nach den Feststellungen ist offen, ob die Rentenversicherung nach §§ 52, 51 Abs. 1, § 54 Abs. 4 SGB I oder aber nach §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I gegen die Witwenrente verrechnet hat. Darauf kommt es für das Insolvenzverfahren auch nicht entscheidend an; in beiden Fällen ist der Beklagte der Klägerin nicht zum Schadensersatz verpflichtet.
17
(1) Sofern und soweit die Rentenversicherung nach § 51 Abs. 2 SGB I eine Verrechnung mit zu Unrecht erbrachten Sozialleistungen vorgenommen hat, sind die der AOK zu erstattenden Sozialleistungen aus dem freien Vermögen der Klägerin erbracht worden. Der Insolvenzverwalter war in dieses Rechtsverhältnis nicht eingebunden (vgl. § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO) und hat sich deshalb von vornherein nicht schadensersatzpflichtig gemacht, wenn er insoweit nicht tätig geworden ist.
18
(2) Sofern und soweit die Rentenversicherung nach § 51 Abs. 1, § 54 Abs. 4 SGB I verrechnet hat, war diese Verrechnung - in den von § 114 Abs. 2 InsO gezogenen zeitlichen Grenzen - als solche wirksam (vgl. BGH, Beschl. v. 29. Mai 2008 - IX ZB 51/07, Rn. 10 ff, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ; BSGE 92, 1, 4 Rn. 9 f). Eine Schadensersatzpflicht des Beklagten besteht schon deshalb nicht. Darüber hinaus könnte die Verrechnung allenfalls dann in entsprechender Anwendung des § 96 Abs. 1 InsO unwirksam sein, wenn sie nicht durch Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) erklärt worden sein sollte (vgl. BSGE 92, 1, 3 Rn. 6). Ein Verwaltungsakt hätte hingegen durch eine vor den Sozialgerichten zu erhebende Anfechtungsklage beseitigt werden müssen. In welcher verfahrensrechtlichen Form die Rentenversicherung gegen die Witwenrente verrechnet worden ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; die Parteien haben hierzu nicht vorgetragen. Überdies wäre der Beklagte der Klägerin selbst dann nicht zum Schadensersatz verpflichtet, wenn die Verrechnung unwirksam oder bei Verfahrenseröffnung noch anfechtbar gewesen wäre. Der Insolvenzverwalter ist nicht verpflichtet, im Interesse des Insolvenzschuldners dessen unpfändbares, vom Insolvenzbeschlag nicht erfasstes Vermögen durch die fristwahrende Anfechtung von Bescheiden zu sichern.
19
2. Die Vorschrift des § 114 Abs. 2 Satz 1 InsO verweist auf den in Absatz 1 der Vorschrift bezeichneten Zeitraum. Danach beschränkt sich das durch § 114 Abs. 2 Satz 1 InsO gewährte Aufrechnungsprivileg auf Bezüge des Schuldners für die Zeit vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende des zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonats. Auch hieraus ergibt sich gegen den Beklagten kein haftungsbegründender Tatbestand.
20
a) Bei Ablauf der Zwei-Jahres-Frist Ende April 2004 war das Insolvenzverfahren aufgehoben. Die Schuldnerin befand sich in der sogenannten Wohlverhaltensphase. Ob der im Restschuldbefreiungsverfahren nach §§ 286 ff bestellte Treuhänder den Beteiligten in entsprechender Anwendung des § 60 InsO zum Schadensersatz verpflichtet sein kann oder ob, wie das Landgericht angenommen hat, ausschließlich die Vorschrift des § 280 BGB heranzuziehen ist, nach welcher der Treuhänder nur nach allgemeinen Grundsätzen haftet (zum Meinungsstand vgl. Uhlenbruck, aaO § 60 Rn. 72), hat der Senat bislang nicht entschieden. Einer entsprechenden Anwendung des § 60 InsO könnte entgegenstehen, dass Absatz 3 Satz 2 des § 292 InsO, der die Rechtsstellung des Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren regelt, anders als § 313 Abs. 1 Satz 3 InsO für das vereinfachte Insolvenzverfahren nur auf die Vorschriften der §§ 58, 59 InsO, nicht jedoch auf die Regelungen über die Haftung des Insolvenzverwalters verweist.
21
b) Die Haftungsgrundlage bedarf im Streitfall keiner Klärung. Von der genannten Witwenrente einschließlich der für die Rückführung der Verbindlichkeiten gegenüber der AOK eingesetzten Spitze gelangte - mit Recht - nichts zur Masse; der Pflichtenkreis des Treuhänders (vgl. § 292 InsO) war deshalb ebenso wenig berührt wie der des Insolvenzverwalters im vorausgegangenen Insolvenzverfahren. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Beklagte die Klägerin nach Ablauf des Zwei-Jahres-Zeitraums nach § 114 Abs. 2 Satz 1 InsO daran gehindert hätte, gegenüber der Rentenversicherung die Unzulässigkeit der Verrechnung durchzusetzen. Dies wird von der Klägerin nicht geltend gemacht.

III.


22
Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
23
1. Die Klägerin hat die sozialrechtliche Verrechnung in der Berufungsinstanz nicht in Frage gestellt und gegen den Beklagten auch nicht den Anspruch erhoben, ihr den durch die Verrechnung verloren gegangenen Teil ihrer Witwenrente der Rentenversicherung wieder zu beschaffen oder zu ersetzen. Ihr Begehren ging vielmehr dahin, die sozialrechtliche Verrechnung durch die AOK in der Weise zu beachten, dass ihr derjenige Teil der Witwenrente, der nicht an sie zur Auszahlung gelangte, aus den von dem Beklagten zur Masse gezogenen Leistungen der Rente des LSV aufgefüllt werde. Hierbei hat sie rechnerisch - zu ihren Ungunsten - eine Zusammenrechnung nach § 850e Nr. 2a ZPO zugrunde gelegt. Obwohl in Wirklichkeit alle drei Einkünfte unpfändbar waren, beansprucht sie aus ihnen nicht mehr als den nach § 850c ZPO pfändungsfrei- en Betrag, weil sie den Mehrbetrag - den sie vermeintlich für pfändbar hält - an den Beklagten abgetreten habe.
24
2. Der Beklagte hätte als Insolvenzverwalter und später als Treuhänder die von ihm eingezogene - unpfändbare - Rente des LSV nicht an die Insolvenzgläubiger ausschütten dürfen, sondern sie an die Klägerin in der von ihr beanspruchten Höhe abführen müssen. Hierfür trifft ihn auch ein Verschulden (§ 60 InsO, § 280 BGB), weil er selbst von der zutreffenden Pfändungsgrenze gemäß § 850c ZPO ausgegangen ist und es gleichwohl zugelassen hat, dass die deutlich niedrigeren und damit unpfändbaren Rentenleistungen des LSV an die Gläubiger ausgeschüttet wurden.
25
Aus diesen Gründen ist auch der Feststellungsantrag gerechtfertigt. Er ist entgegen der Auffassung der Revision nicht zu weit gefasst. Entsprechend dem Zahlungsantrag erfasst er ab dem 1. April 2005 die von der Klägerin mit Recht beanspruchte Differenz zwischen dem rechnerisch pfändungsfreien Betrag und der Summe der tatsächlich ausgezahlten unpfändbaren Einkünfte aus der Witwenrente und dem laufenden Arbeitseinkommen.
Ganter Raebel Kayser Gehrlein Pape

Vorinstanzen:
AG Würzburg, Entscheidung vom 09.02.2006 - 30 C 2523/05 -
LG Würzburg, Entscheidung vom 27.06.2007 - 42 S 740/06 -

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.

(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.

(3) Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.

(4) Lebt eine Person bei ihren Eltern oder einem Elternteil und ist sie schwanger oder betreut ihr leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, werden Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.

(5) Ist den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten und sind Leistungen erbracht worden, haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.

(6) Der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld steht, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.

(1) Hilfe zum Lebensunterhalt ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können.

(2) Eigene Mittel sind insbesondere das eigene Einkommen und Vermögen. Bei nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern sind das Einkommen und Vermögen beider Ehegatten oder Lebenspartner gemeinsam zu berücksichtigen. Gehören minderjährige unverheiratete Kinder dem Haushalt ihrer Eltern oder eines Elternteils an und können sie den notwendigen Lebensunterhalt aus ihrem Einkommen und Vermögen nicht bestreiten, sind vorbehaltlich des § 39 Satz 3 Nummer 1 auch das Einkommen und das Vermögen der Eltern oder des Elternteils gemeinsam zu berücksichtigen.

(3) Personen, die ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können, jedoch einzelne im Haushalt erforderliche Tätigkeiten nicht verrichten können, erhalten auf Antrag einen angemessenen Zuschuss, wenn ihnen die Aufbringung der für die geleistete Hilfe und Unterstützung notwendigen Kosten nicht in voller Höhe zumutbar ist. Als angemessen gelten Aufwendungen, die üblicherweise als Anerkennung für unentgeltlich geleistete Hilfen und Unterstützungen oder zur Abgeltung des entsprechenden Aufwandes geleistet werden. Den Zuschuss erhält nicht, wer einen entsprechenden Anspruch auf Assistenzleistungen nach § 78 des Neunten Buches hat.

(1) Der für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile, persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie Unterkunft und Heizung. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft; dies gilt in besonderem Maß für Kinder und Jugendliche. Für Schülerinnen und Schüler umfasst der notwendige Lebensunterhalt auch die erforderlichen Hilfen für den Schulbesuch.

(2) Der gesamte notwendige Lebensunterhalt nach Absatz 1 mit Ausnahme der Bedarfe nach dem Zweiten bis Vierten Abschnitt ergibt den monatlichen Regelbedarf. Dieser ist in Regelbedarfsstufen unterteilt; für Abgrenzung und Höhe der Regelbedarfsstufen sind zu berücksichtigen:

1.
bei Kindern und Jugendlichen altersbedingte Unterschiede,
2.
bei Erwachsenen die Art der Unterkunft, in der sie leben, und zusätzlich bei in Wohnungen oder sonstigen Unterkünften nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 3 lebenden Erwachsenen, ob sie in einer Paarbeziehung oder ohne Paarbeziehung zusammenleben.

(3) Für Leistungsberechtigte nach diesem Kapitel sind zur Deckung der Regelbedarfe, die sich nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 ergeben, monatliche Regelsätze als Bedarf anzuerkennen; dies gilt nicht für Leistungsberechtigte, deren notwendiger Lebensunterhalt sich nach § 27b bestimmt. Der Regelsatz stellt einen monatlichen Pauschalbetrag zur Bestreitung des Regelbedarfs dar, über dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen. Besteht die Leistungsberechtigung für weniger als einen Monat, ist der Regelsatz anteilig als Bedarf anzuerkennen. Zur Deckung der Regelbedarfe von Personen, die in einer sonstigen Unterkunft oder vorübergehend nicht in einer Unterkunft untergebracht sind, sind als Bedarfe monatliche Regelsätze anzuerkennen, die sich in entsprechender Anwendung der Regelbedarfsstufen nach der Anlage zu § 28 ergeben.

(4) Im Einzelfall wird der Regelsatz abweichend von der maßgebenden Regelbedarfsstufe festgesetzt (abweichende Regelsatzfestsetzung), wenn ein durch die Regelbedarfe abgedeckter Bedarf nicht nur einmalig, sondern für eine Dauer von voraussichtlich mehr als einem Monat

1.
nachweisbar vollständig oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder
2.
unausweichlich in mehr als geringem Umfang oberhalb durchschnittlicher Bedarfe liegt, wie sie sich nach den bei der Ermittlung der Regelbedarfe zugrundeliegenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben ergeben, und die dadurch bedingten Mehraufwendungen begründbar nicht anderweitig ausgeglichen werden können.
Bei einer abweichenden Regelsatzfestsetzung nach Satz 1 Nummer 1 sind für die monatlich ersparten Verbrauchsausgaben die sich nach § 5 Absatz 1 oder nach § 6 Absatz 1 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes für die jeweilige Abteilung ergebenden Beträge zugrunde zu legen. Beschränkt sich die anderweitige Bedarfsdeckung auf einzelne in die regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben je Abteilung eingegangenen Verbrauchspositionen, sind die regelbedarfsrelevanten Beträge zugrunde zu legen, auf denen die in § 5 Absatz 1 und § 6 Absatz 1 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes genannten Beträge für die einzelnen Abteilungen beruhen. Für Leistungsberechtigte, denen Bedarfe nach § 34 Absatz 4 Satz 1 und Absatz 6 Satz 1 anzuerkennen sind, ist Satz 1 Nummer 1 nicht anwendbar. Für Leistungsberechtigte, die in einer Unterkunft nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 leben und denen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 42a Absatz 5 und 6 anzuerkennen sind, ist Satz 1 Nummer 1 nicht anwendbar für Bedarfe, die durch einen Vertrag über die Überlassung von Wohnraum nach § 42a Absatz 5 Satz 6 Nummer 1, 3 und 4 gedeckt werden. Für Leistungsberechtigte, denen ein Mehrbedarf nach § 42b Absatz 2 anzuerkennen ist, ist Satz 1 für die dadurch abgedeckten Aufwendungen nicht anwendbar.

(5) Sind minderjährige Leistungsberechtigte in einer anderen Familie, insbesondere in einer Pflegefamilie, oder bei anderen Personen als bei ihren Eltern oder einem Elternteil untergebracht, so wird in der Regel der individuelle Bedarf abweichend von den Regelsätzen in Höhe der tatsächlichen Kosten der Unterbringung festgesetzt, sofern die Kosten einen angemessenen Umfang nicht übersteigen.

(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.

(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung

1.
eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird,
2.
eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden,
3.
eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
4.
eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
5.
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind,
6.
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde,
7.
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist,
8.
eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes,
9.
kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
10.
eines angemessenen Kraftfahrzeuges.

(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

(1) Angemessene Beiträge für eine Kranken- und Pflegeversicherung sind als Bedarf anzuerkennen, soweit Leistungsberechtigte diese nicht aus eigenem Einkommen tragen können. Leistungsberechtigte können die Beiträge so weit aus eigenem Einkommen tragen, wie diese im Wege der Einkommensbereinigung nach § 82 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 abzusetzen sind. Der Bedarf nach Satz 1 erhöht sich entsprechend, wenn bei der Einkommensbereinigung für das Einkommen geltende Absetzbeträge nach § 82 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 bis 6 zu berücksichtigen sind.

(2) Bei Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung

1.
nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 des Fünften Buches oder nach § 2 Absatz 1 Nummer 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte pflichtversichert sind,
2.
nach § 9 Absatz 1 Nummer 1 des Fünften Buches oder nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte weiterversichert sind,
3.
als Rentenantragsteller nach § 189 des Fünften Buches als Mitglied einer Krankenkasse gelten,
4.
nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bis 8 des Fünften Buches oder nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte freiwillig versichert sind oder
5.
nach § 188 Absatz 4 des Fünften Buches oder nach § 22 Absatz 3 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte weiterversichert sind,
gilt der monatliche Beitrag als angemessen.

(3) Bei Personen, denen Beiträge nach Absatz 2 als Bedarf anerkannt werden, gilt auch der Zusatzbeitragssatz nach § 242 Absatz 1 des Fünften Buches als angemessen.

(4) Bei Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, sind angemessene Beiträge nach den Sätzen 2 und 3 anzuerkennen. Angemessen sind Beiträge

1.
bis zu der Höhe des sich nach § 152 Absatz 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes ergebenden halbierten monatlichen Beitrags für den Basistarif, sofern die Versicherungsverträge der Versicherungspflicht nach § 193 Absatz 3 des Versicherungsvertragsgesetzes genügen, oder
2.
für eine Absicherung im brancheneinheitlichen Standardtarif nach § 257 Absatz 2a des Fünften Buches in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung.
Ein höherer Beitrag kann als angemessen anerkannt werden, wenn die Leistungsberechtigung nach diesem Kapitel voraussichtlich nur für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten besteht. Im begründeten Ausnahmefall kann auf Antrag ein höherer Beitrag auch im Fall einer Leistungsberechtigung für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten als angemessen anerkannt werden, wenn vor Ablauf der drei Monate oder bereits bei Antragstellung davon auszugehen ist, dass die Leistungsberechtigung nach diesem Kapitel für einen begrenzten, aber mehr als drei Monate andauernden Zeitraum bestehen wird.

(4a) Für Personen, die Mitglied in einer in § 176 Absatz 1 des Fünften Buches genannten Solidargemeinschaft sind, werden angemessene Beiträge bis zur Hälfte des sich nach § 152 Absatz 3 Satz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes ergebenden Höchstbeitrags der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt.

(5) Bei Personen, die in der sozialen Pflegeversicherung nach

1.
den §§ 20, 21 und 21a des Elften Buches pflichtversichert sind oder
2.
§ 26 des Elften Buches weiterversichert sind oder
3.
§ 26a des Elften Buches der sozialen Pflegeversicherung beigetreten sind,
gilt der monatliche Beitrag als angemessen.

(6) Bei Personen, die gegen das Risiko Pflegebedürftigkeit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in Erfüllung ihrer Versicherungspflicht nach § 23 des Elften Buches versichert sind oder nach § 26a des Elften Buches der privaten Pflegeversicherung beigetreten sind, gilt bei Versicherung im brancheneinheitlichen Standardtarif nach § 257 Absatz 2a des Fünften Buches in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung der geschuldete Beitrag als angemessen, im Übrigen höchstens jedoch bis zu einer Höhe des nach § 110 Absatz 2 Satz 3 des Elften Buches halbierten Höchstbeitrags in der sozialen Pflegeversicherung. Für die Höhe des im Einzelfall angemessenen monatlichen Beitrags gilt Absatz 4 Satz 3 und 4 entsprechend.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 36a Abs. 2 des Ersten Buches findet insoweit keine Anwendung.

(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 36a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 des Ersten Buches muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 36a Abs. 2 des Ersten Buches erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.

(5) Bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Satz 1 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen; bei einem elektronischen Verwaltungsakt muss auch das der Signatur zugrunde liegende Zertifikat nur die erlassende Behörde erkennen lassen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. Oktober 2008 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 6. Februar 2005 geändert.
2. Auf das Anerkenntnis der Beklagten werden ihre Bescheide vom 11. und 22. Mai 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2002 sowie der Bescheid vom 31. Januar 2002 aufgehoben.
3. Die Bescheide der Beklagten vom 15. Mai 2003, 2. März 2004, 15. Oktober 2004, 23. Mai 2005, 1. Juni 2007 und 9. Juni 2008 werden hinsichtlich der aufgrund der Verrechnung einbehaltenen Beträge aufgehoben.
4. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
5. Die Beklagte hat dem Kläger sieben Achtel seiner außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung eines Teils seiner Rentenansprüche (Nachzahlung und laufende Zahlungen) mit gegen ihn gerichteten Beitrags- und Nebenforderungen des beigeladenen Unfallversicherungsträgers.

2

Der im 1937 geborene Kläger ist verheiratet. Seine Ehefrau bezieht seit Juli 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) iHv (seinerzeit) 1 265,08 DM. Der von den Eheleuten für die gemeinsame Wohnung entrichtete Mietzins betrug ab Juni 2001 257,22 Euro, ab Oktober 2002 263,77 Euro und ab September 2004 247,35 Euro. Seit 2001 sind beim Kläger ein Grad der Behinderung von 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festgestellt.

3

Der Kläger war seit Mai 1990 als selbstständiger Handwerksmeister mit eigener Firma in L. tätig.

4

Mit Beschluss des Amtsgerichts L. vom 5.6.1996 wurde wegen Zahlungsunfähigkeit des Klägers über dessen Vermögen das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und mit Beschluss vom 26.9.2002 eingestellt.

5

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 10.10.1996 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) rückwirkend vom 1.5.1993 bis zum 31.10.1995, die allerdings aufgrund von Rehabilitationsmaßnahmen und Übergangsgeldbezug nur in der Zeit vom 29.3. bis zum 31.10.1995 zur Auszahlung kam. Seit 1.2.1996 bezog der Kläger eine Rente wegen EU auf Dauer (Bescheid vom 18.10.1996).

6

Mit Bescheiden vom 25.4.2001 stellte die Beklagte die Renten wegen BU und EU neu fest. Für die Rente wegen BU ergab sich eine Nachzahlung iHv 1 759,62 DM und für die Rente wegen EU iHv 24 727,83 DM.

7

Bereits mit Schreiben vom 23.8.1995 hatte die Beigeladene der Beklagten mitgeteilt, der Kläger schulde ihr aus seiner Mitgliedschaft "rechtswirksam festgestellte Beiträge zuzüglich Nebenforderungen (zB Säumnisgebühren, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) in Höhe von derzeit 43 982,50 DM", und die Beklagte zugleich zur Verrechnung gegen Geldleistungen ermächtigt, die der Kläger jetzt oder in Zukunft erhalte.

8

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Beigeladene mit Schreiben vom 9.5.2001 mit, dass ihre Ansprüche, derentwegen sie die Beklagte mit Schreiben vom 23.8.1995 zur Verrechnung ermächtigt hatte, "derzeit 66 635,31 DM" (= 34 070,09 Euro) betrügen, und bat die Beklagte nunmehr auf Grund der seinerzeitigen Ermächtigung um Verrechnung.

9

Die die Renten wegen BU und EU betreffenden Verrechnungen mit Bescheiden vom 11. und 22.5.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 sowie mit Bescheid vom 31.1.2002, gegen die der Kläger beim SG Leipzig Klage erhoben hatte (S 7 RJ 285/02), sind nach dem in der Revisionsverhandlung vom 7.2.2012 erklärten Anerkenntnis der Beklagten (s hierzu Nr 2 des Entscheidungssatzes) nicht mehr streitig.

10

Mit Bescheid vom 10.5.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 1.7.2002 Regelaltersrente und verrechnete einen Betrag iHv monatlich 34,76 Euro; es verblieb ein monatlicher Auszahlungsbetrag iHv 820 Euro. Den Widerspruch des Klägers gegen die Verrechnung wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 zurück. Zur Begründung der Erhöhung des monatlichen Verrechnungsbetrags zum 1.7.2002 (gegenüber zuvor 20,80 Euro) führte die Beklagte aus, dass diese mit der Erhöhung des Rentenzahlbetrags aufgrund der Rentenanpassung zum 1.7.2002 einhergehe. Der Erhöhung des monatlichen Rentenzahlbetrags um 24,76 Euro auf 854,76 Euro stehe eine Erhöhung des aufgrund Verrechnung einbehaltenen Betrags von ca 14 Euro gegenüber. Im Ergebnis verbleibe dem Kläger ab 1.7.2002 mit monatlich 820 Euro ein höherer Rentenauszahlungsbetrag als bisher. Die besondere Einkommensgrenze des § 81 Abs 1 BSHG werde nicht unterschritten; der Kläger werde nicht sozialhilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt. Der monatliche Verrechnungsbetrag sei in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation des Klägers auch sachgerecht. Besondere Umstände, die eine für ihn günstigere Entscheidung im Rahmen der Ermessensausübung nach § 51 Abs 2 SGB I bei der Festsetzung des Verrechnungsbetrags rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Das öffentliche Interesse an der Einbehaltung von Rententeilen zur Tilgung von Beitragsforderungen überwiege. Auch gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage beim SG Leipzig erhoben (S 7 RJ 558/02).

11

Das SG hat mit Beschluss vom 19.11.2004 beide Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

12

Wegen "Änderungen in den Rentenberechnungsgrundlagen" ergingen in der Folgezeit weitere (Verrechnungs-)Bescheide der Beklagten. Ab 1.7.2003 erhöhte sich der Verrechnungsbetrag auf monatlich 54,91 Euro (Bescheid vom 15.5.2003), ab 1.4.2004 betrug er monatlich 49,29 Euro (Bescheid vom 2.3.2004), ab 1.12.2004 monatlich 51,16 Euro (Bescheid vom 15.10.2004), ab 1.7.2005 monatlich 46,95 Euro (Bescheide vom 23.5.2005 und 1.6.2007) und ab 1.7.2008 monatlich 58,39 Euro (Bescheid vom 9.6.2008); dabei verblieb von Juli 2007 bis Juni 2008 ein auszuzahlender Betrag iHv monatlich 814,49 Euro (Bescheid vom 1.6.2007), im Übrigen jeweils monatlich 810 Euro. Im Bescheid vom 15.5.2003 hatte die Beklagte ergänzend mitgeteilt, dass für die Ermittlung des verrechenbaren Betrags die auf volle Euro aufgerundeten Werte aus dem BSHG zugrunde gelegt worden seien. Dieser Wert werde nicht dynamisiert und betrage gegenwärtig 810 Euro. Der Bescheid vom 15.10.2004 enthielt den Hinweis, dass sich aufgrund der Senkung des Beitragssatzes zur Krankenversicherung ab dem 1.12.2004 eine höhere Nettorente ergebe (861,16 Euro). Der entstehende Differenzbetrag werde zur Tilgung der Forderung herangezogen (51,16 Euro). Im Bescheid vom 9.6.2008 hat die Beklagte mit Hinweis auf die zum 1.7.2008 durchgeführte Rentenanpassung ergänzend darauf hingewiesen, dass der monatliche Selbstbehalt des Klägers bei 810 Euro liege, sodass der "abzutrennende Betrag" sich ab 1.7.2008 auf 58,39 Euro erhöhe.

13

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 6.1.2005 (nicht - wie im Tenor versehentlich angegeben - vom 6.2.2005) die Klagen abgewiesen.

14

Das Sächsische LSG hat mit Urteil vom 14.10.2008 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die seit Juli 2001 von der Beklagten vorgenommene Verrechnung von Beitragsforderungen der Beigeladenen mit Rentenzahlungsansprüchen des Klägers sei rechtmäßig. Keine Bedenken bestünden gegen die Durchführung der Verrechnung durch Verwaltungsakt.

15

Die Voraussetzungen für eine Verrechnung lägen vor: Die Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen mit Schreiben vom 23.8.1995 (aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001) sei hinreichend bestimmt. Art und Umfang der Forderung seien so genau bezeichnet, dass die Beklagte in die Lage versetzt worden sei, eine substantiierte Verrechnungserklärung abzugeben.

16

Es bestehe eine Verrechnungslage. Die Forderungen der Beigeladenen seien bestandskräftig festgestellt. Gegen die entsprechenden Bescheide habe der Kläger Widerspruch nicht erhoben. Die Rentenansprüche, mit denen verrechnet worden sei, seien gleichartige Forderungen, die bindend bewilligt und fällig gewesen seien.

17

Entgegen der Ansicht des Klägers hindere das über sein Vermögen durchgeführte Gesamtvollstreckungsverfahren die Verrechnung nicht.

18

Ebenso wenig stehe der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens der Vollstreckungsschutz des § 18 Abs 2 S 3 Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) entgegen. Denn diese Norm bewirke Schutz nur gegen konkrete Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung, zu denen die Verrechnung nicht zähle. Zudem werde die Regelung des § 18 Abs 2 S 3 GesO - soweit wie hier mit Beitragsansprüchen verrechnet werde - durch die Sonderregelung des § 51 Abs 2 SGB I(iVm § 52 SGB I) verdrängt.

19

Der Kläger sei aufgrund der Verrechnung nicht sozialhilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw ab Januar 2005 im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden. Ausgehend von den im Freistaat Sachsen für den Haushaltsvorstand geltenden Regelsätzen und Mehrbedarfszuschlägen nach § 23 Abs 1 Nr 2 BSHG (bis 30.6.2002) und nach § 23 Abs 1 Nr 1 BSHG (ab 1.7.2002) sowie den auf ihn entfallenden anteiligen Unterkunftskosten von 125 Euro (inklusive Heizkosten) seien dem Kläger nach Abzug der jeweiligen Verrechnungsbeträge monatliche Geldmittel verblieben, die den Eintritt einer sozialhilferechtlichen Notlage ausschlössen. Im gesamten Verrechnungszeitraum bis zum 31.12.2004 habe er einen monatlichen Rentenauszahlungsbetrag erhalten, der seinen sozialhilferechtlichen Bedarf nach dem BSHG sogar bei bedarfssteigernder Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen überstiegen habe. Nach der ab Januar 2005 geltenden Rechtslage sei der Kläger verpflichtet, nachzuweisen, dass durch die Verrechnung Bedürftigkeit nach dem SGB XII eingetreten sei. Trotz entsprechender gerichtlicher Hinweise habe er diesbezügliche Nachweise nicht vorgelegt.

20

Ermessensfehler der Beklagten seien nicht ersichtlich. Sie habe das ihr eröffnete Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Dem öffentlichen Interesse an der Begleichung von Beitragsschulden und damit der Funktionsfähigkeit der Versicherungssysteme habe sie Vorrang vor dem privaten Interesse des Klägers an der ungeschmälerten Auszahlung seiner Rente gegeben, weil bei diesem keine außergewöhnliche soziale oder finanzielle Situation vorgelegen habe.

21

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 52 SGB I. Die Beklagte hätte die von der Beigeladenen geltend gemachten Forderungen nicht durch Verwaltungsakt mit seinen Rentenansprüchen verrechnen dürfen. Insoweit beruft er sich auf die Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 24.7.2003 (B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 1).

22
        

Auf Anfragebeschluss des erkennenden Senats vom 5.2.2009 (B 13 R 31/08 R) hat der 4. Senat mit Beschluss vom 22.9.2009 (B 4 SF 1/09 S) erklärt, er halte an seiner Auffassung fest, dass die Verrechnung nach § 52 SGB I nicht durch Verwaltungsakt erfolge. Der daraufhin vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 25.2.2010 (B 13 R 76/09 R) angerufene Große Senat (GrS) hat durch Beschluss vom 31.8.2011 (GS 2/10 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1200 § 52 Nr 4 vorgesehen) entschieden:    

"Der Leistungsträger darf die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten durchgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Geldleistungen nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt regeln."

23

Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, sich hierzu zu äußern.

24

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14.10.2008 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 6.1.2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002, den Bescheid vom 31.1.2002, den Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002, die Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 hinsichtlich der aufgrund der Verrechnung einbehaltenen Beträge aufzuheben.

25
        

In der Revisionsverhandlung am 7.2.2012, in der der Kläger nicht mehr vertreten war, hat die Beklagte das folgende Anerkenntnis abgegeben:        

        

Die Beklagte hebt folgende Bescheide hinsichtlich der aufgrund Verrechnung einbehaltenen Beträge auf:
die Bescheide vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 sowie den Bescheid vom 31.1.2002.

26

Im Übrigen hat sie beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

27

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie sieht sich durch die Entscheidung des GrS in ihrer Rechtsauffassung zur Erklärung einer Verrechnung durch Verwaltungsakt bestätigt.

Entscheidungsgründe

28

Die zulässige Revision des Klägers ist in dem im Urteilsausspruch genannten Umfang begründet.

29

Soweit die Beklagte die Bescheide vom 11. und 22.5.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2002 und den Bescheid vom 31.1.2002 hinsichtlich der aufgrund Verrechnung aus den Renten des Klägers wegen BU/EU einbehaltenen Beträge aufgehoben hat, war sie nach dem über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 307 S 1 ZPO ihrem Anerkenntnis entsprechend - ohne weitere Sachprüfung - zu verurteilen(vgl BSG vom 12.7.1988 - SozR 6580 Art 5 Nr 4 S 10 f; BSG vom 24.07.2003 - B 4 RA 62/02 R - juris RdNr 18; Senatsurteil vom 6.5.2010 - SozR 4-1300 § 48 Nr 19 RdNr 21 mwN, stRspr).

30

Auch das Begehren des Klägers, die Bescheide der Beklagten vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 hinsichtlich der aufgrund Verrechnung für die Zeit ab 1.7.2003 aus seiner Altersrente einbehaltenen Beträge aufzuheben, hat Erfolg. Die genannten Bescheide erweisen sich insoweit als rechtswidrig. Richtige Klageart ist hier die reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Alt 1 SGG). Denn mit der Aufhebung der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte steht fest, dass die verrechneten Beträge auf Grund der Rentenbewilligung an den Kläger auszuzahlen sind.

31

Im Übrigen ist die Revision des Klägers unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 ist hinsichtlich des für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 aufgrund Verrechnung aus seiner Regelaltersrente jeweils einbehaltenen monatlichen Betrags iHv 34,76 Euro rechtmäßig.

32

1. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass die Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 SGG in seiner bis zum 31.3.2008 geltenden und hier insoweit noch maßgeblichen Fassung (aF) Gegenstand des Verfahrens geworden sind.

33

Dem steht nicht entgegen, dass diese nicht den mit der Klage (ursprünglich) angefochtenen Bescheid vom 10.5.2002 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002) abgeändert oder ersetzt hat, sondern andere Verrechnungszeiträume erfassen. Denn nach der bis zum 31.3.2008 geltenden Rechtslage hatte das BSG in ständiger Rechtsprechung eine entsprechende Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (aF) im Interesse einer sinnvollen Anwendung der Prozessökonomie bzw eines schnellen und zweckmäßigen Verfahrens dann zugelassen, wenn der ursprüngliche Bescheid zwar nicht abgeändert oder ersetzt wurde, der spätere Bescheid aber im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses erging und ein streitiges Rechtsverhältnis regelte, das im Kern dieselbe Rechtsfrage betraf und sich an den vom ursprünglichen Bescheid erfassten Zeitraum anschloss(vgl etwa BSG vom 17.11.2005 - SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 16 f mwN). Diese Voraussetzungen werden von den Verrechnungs-Folgebescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005 und 1.6.2007 erfüllt.

34

Ob auch der Bescheid vom 9.6.2008 in entsprechender Anwendung des § 96 Abs 1 SGG (aF) noch Gegenstand des Verfahrens geworden ist, kann dahingestellt bleiben. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Kläger eine Rechtsposition erworben hätte, die ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer Anwendung des § 96 SGG in seiner bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung begründen könnte. Denn eine analoge Anwendung des § 96 SGG für nicht ändernde oder ersetzende Folgebescheide scheidet seit 1.4.2008 durch die mit Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I 444) neu eingeführte Fassung aus (BSG vom 16.12.2009 - B 7 AL 146/09 B - RdNr 7 f).

35

Dies bedarf hier aber keiner näheren Erörterung. Die Nichtanwendbarkeit des § 96 Abs 1 SGG schließt es nämlich nicht aus, dass ein Folgebescheid im Wege einer (gewillkürten) Klageänderung nach § 99 Abs 1 iVm Abs 2 SGG zum Gegenstand des anhängigen Prozesses gemacht wird, wenn die übrigen Beteiligten - wie hier - nicht widersprochen und sich auf die Klageerweiterung, die auch im Berufungsverfahren noch möglich ist(vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 99 RdNr 12), eingelassen haben (vgl BSG vom 21.3.1978 - SozR 4600 § 143d Nr 3 S 9 f; BSG vom 7.2.1996 - SozR 3-2500 § 85 Nr 12 S 75 f; BSG vom 20.3.1996 - BSGE 78, 98, 103 = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 38 f; Leitherer, aaO, § 96 RdNr 9b, 11e).

36

Allerdings hätte das LSG über die während des Berufungsverfahrens ergangenen und Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheide der Beklagten vom 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 nicht auf Berufung, sondern erstinstanzlich "auf Klage" entscheiden müssen (vgl BSG vom 30.1.1963 - BSGE 18, 231, 234 f = SozR Nr 17 zu § 96 SGG; BSG vom 27.1.1999 - SozR 3-2400 § 18b Nr 1 S 3; Senatsurteil vom 20.10.2010 - SozR 4-6480 Art 22 Nr 2 RdNr 23, stRspr).

37

2. Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger - hier die Beklagte - mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers - hier der Beigeladenen - dessen Ansprüche gegen den Berechtigten - also den Kläger - mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Gemäß § 51 Abs 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen - hier auf Rentenauszahlung - mit Ansprüchen (jeder Art) gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs 2 und 4 SGB I pfändbar sind. Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen und - wie hier - mit Beitragsansprüchen nach dem SGB kann der zuständige Leistungsträger nach § 51 Abs 2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig nach den Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird (bis 31.12.2004); ab 1.1.2005 kann der zuständige Leistungsträger entsprechend aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig nach den Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird (§ 51 Abs 2 SGB I in der jeweiligen Fassung).

38

3. Der Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 sowie ihre Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 - jeweils über Verrechnungen mit der Regelaltersrente des Klägers - waren nicht deswegen rechtswidrig und aufzuheben, weil die Verrechnung nicht durch Verwaltungsakt hätte erfolgen dürfen. Vielmehr konnte die Beklagte die Verrechnung einseitig nur in dieser Handlungsform (und nicht durch sog öffentlich-rechtliche Willenserklärung) vornehmen (dazu unter a). Es bestand eine Verrechnungslage (dazu unter b). Die Beklagte war nicht gehindert, die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen auf rückständige Beiträge auf unpfändbare Teile der Rentenzahlungsansprüche des Klägers zu erstrecken. Ebenso wenig stand der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO entgegen(dazu unter c). Die Beklagte hat bei der mit dem Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 durchgeführten Verrechnung das ihr gemäß § 52 iVm 51 Abs 2 SGB I zustehende Ermessen erkannt und pflichtgemäß ausgeübt(§ 39 Abs 1 SGB I). Dies gilt jedoch nicht für die weiteren streitgegenständlichen Verrechnungs-Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008; diese erweisen sich vielmehr als ermessensfehlerhaft. Denn es fehlen Ausführungen, die eine ordnungsgemäße Ermessensbetätigung erkennen lassen (dazu unter d). Dahingestellt bleiben kann, ob die letztgenannten Bescheide auch deshalb rechtswidrig sind, weil die Beklagte vor ihrem Erlass den Kläger nicht angehört (§ 24 Abs 1 SGB X) und dies auch nicht bis zum Abschluss des LSG-Verfahrens nachgeholt hat (§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X; dazu unter e). Der Kläger ist durch die mit Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 vorgenommene Verrechnung mit einem monatlichen Einbehalt iHv 34,76 Euro bei einem verbleibenden Rentenauszahlungsbetrag iHv 820 Euro nicht hilfebedürftig nach den hier noch maßgeblichen Bestimmungen des BSHG zur laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt geworden (dazu unter f).

39

a) Die Beklagte war berechtigt, auf die Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen vom 23.8.1995, in der Forderungshöhe aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001, deren Beitrags- und Nebenforderungen iHv insgesamt 66 635,31 DM (= 34 070,09 Euro) mit Rentenansprüchen des Klägers durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zu verrechnen (dazu unter aa). Die Verrechnungs-Verwaltungsakte waren auch inhaltlich hinreichend bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X(dazu unter bb).

40

aa) Die Beklagte hat die Verrechnung zu Recht durch Verwaltungsakt geregelt (vgl BSG - GrS - vom 31.8.2011 - GS 2/10 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1200 § 52 Nr 4 vorgesehen - RdNr 15 ff).

41

(1) Nach § 31 S 1 SGB X ist ein "Verwaltungsakt … jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist". Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen liegt bei einem Verrechnungs-Bescheid darin, dass die durch sie erklärte Verrechnung eine unmittelbare Wirkung auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten (hier des Klägers) hat, diesen nämlich hinsichtlich der im Rentenbescheid festgelegten Art und Weise der Erfüllung (dh - wie in der Regel, vgl § 47 SGB I - durch Überweisung auf das dort benannte Konto des Empfängers bei einem Geldinstitut) modifiziert(vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB X) und zum Erlöschen bringt, soweit die Verrechnung reicht und wirksam wird (Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R - RdNr 17; BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO - RdNr 15). Das Tatbestandsmerkmal "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" in § 31 S 1 SGB X ist erfüllt, weil § 52 SGB I eine spezifische Gestaltung von Rechtsbeziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Leistungsträger (wie die Beklagte) ermöglicht. Die Erklärung einer Verrechnung nach § 52 SGB I enthält schließlich eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihrem Adressaten - dem Sozialleistungsempfänger - in dieser Form ihrer Art nach zusteht(vgl Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - aaO; BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO). Im Übrigen ist - anders als im Zivilrecht - nach dem SGB I die Verrechnung (§ 52 SGB I) ebenso wie die Aufrechnung (§ 51 SGB I) nicht nur davon abhängig, dass sich der verrechnende (aufrechnende) Leistungsträger hierfür frei entscheidet und dies erklärt. Vielmehr ist ihre Ausübung an die Betätigung pflichtgemäßen Ermessens gebunden (§ 52 iVm § 51 Abs 1 Halbs 1, Abs 2 Halbs 1 SGB I: "kann") und zudem gemäß § 51 Abs 1 Halbs 2 SGB I an die Pfändbarkeit der Geldleistungen bzw gemäß § 51 Abs 2 SGB I an die Höhenbegrenzung (bis zur Hälfte der laufenden Geldleistungen) sowie das Nichteintreten von Hilfebedürftigkeit aufgrund der Verrechnung (Aufrechnung).

42

(2) Auch der Gesetzgeber sieht in der Durchführung einer Verrechnung nach § 52 SGB I einen Verwaltungsakt. Dies ergibt sich aus der Regelung des § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, die durch das Zweite Gesetz zur Änderung des SGB vom 13.6.1994 (BGBl I 1229) mit Wirkung ab 18.6.1994 eingefügt wurde. Spätestens mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber klarstellend von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, die Verrechnung (Aufrechnung) für den Bereich des Sozialrechts der Handlungsform "Verwaltungsakt" zu unterstellen.

43

Nach § 24 Abs 1 SGB X ist (nur) vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zur Äußerung zu geben; dies gilt jedoch nach Abs 2 Nr 7 der Vorschrift nicht, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als (in der ursprünglichen Fassung: 100 DM, jetzt:) 70 Euro (aufgerechnet oder) verrechnet werden soll. Hieraus kann nur geschlossen werden, dass - unabhängig von der Höhe - die Verrechnung nach § 52 SGB I (ebenso wie die Aufrechnung nach § 51 SGB I) durch Verwaltungsakt zu erklären ist(vgl ferner die Entwurfsbegründung zu § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, BT-Drucks 12/5187 S 35 - Zu Art 6, Zu Nr 1, wonach "materielle Einwände gegen die Aufrechnung bzw Verrechnung … im Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden" können). An den hierin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers sind die Gerichte gemäß Art 20 Abs 3 GG selbst dann gebunden, wenn sie eine solche Zuordnung aufgrund rechtssystematischer Erwägungen für unzutreffend oder aus praktischen Überlegungen heraus für unerwünscht halten sollten (vgl Wolff/Brink in Bader/Ronellenfitsch, Komm zum VwVfG, 2010, § 35 RdNr 28 f; U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 35 RdNr 13 - beide unter Hinweis auf BVerwGE 70, 77, 82; zur Respektierung der gesetzgeberischen Grundentscheidung s auch BVerfGE 128, 193, 210).

44

Im Übrigen hat der Gesetzgeber erst jüngst in § 42a Abs 2 S 2 bzw § 43 Abs 4 S 1 SGB II(mit Wirkung ab 1.4.2011 idF von Art 2 Nr 32 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453) ausdrücklich angeordnet, dass Aufrechnungen im Sozialleistungsbereich des SGB II "durch Verwaltungsakt zu erklären" sind. Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber damit für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine vom allgemeinen Sozialverwaltungsverfahrensrecht abweichende Sonderregelung hat treffen wollen, finden sich in den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren an keiner Stelle (vgl BT-Drucks 17/3404 S 117 - zu § 43, zu Abs 3; BT-Drucks 17/3958 S 19 - zu Art 2 Nr 32 <§ 42a Abs 2 S 2 SGB II>; BT-Drucks 17/4095 S 35 - zu Buchst n, zu Doppelbuchst cc <§ 42a Abs 2 SGB II>).

45

(3) Einer über die Bestimmung des § 52 SGB I hinausgehenden ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für den Erlass eines Verwaltungsakts mit dem Inhalt der Verrechnung bedarf es nicht(s hierzu BSG - GrS - vom 31.8.2011 - aaO - RdNr 16 ff).

46

bb) Die Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten waren iS des § 33 Abs 1 SGB X "inhaltlich hinreichend bestimmt".

47

Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde regeln will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts Klarstellungsfunktion zu. Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss ( BSG vom 6.2.2007 - SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 38; BSG vom 17.12.2009 - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN, stRspr).

48

Nach diesen Maßstäben sind die angefochtenen Verrechnungs-Bescheide inhaltlich hinreichend bestimmt. Denn sie erklären die Verrechnung bestimmter, von der Beklagten dem Kläger geschuldeter Rentenleistungen mit einer - nach Art und Umfang - bestimmten, weil betragsmäßig im Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 genau bezifferten (Gesamt-)Forderung der Beigeladenen aus rückständigen Beiträgen zuzüglich Nebenforderungen (Säumniszuschläge, Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung) iHv (insgesamt) 66 635,31 DM (= 34 070,09 Euro).

49

Aus den Verfügungssätzen der hier streitgegenständlichen Verwaltungsakte konnte der Kläger ohne weiteres den jeweiligen (monatlichen) Verrechnungsbetrag und den ihm aufgrund der Verrechnung mit den Forderungen der Beigeladenen noch verbleibenden (monatlichen) Rentenauszahlungsbetrag entnehmen. Damit war für ihn klar ersichtlich, dass und in welchem Umfang seine Rentenzahlungsansprüche gegen die Beklagte und damit korrespondierend die gegen ihn bestehenden Forderungen der Beigeladenen durch die Verrechnung jeweils erloschen waren (entsprechend § 389 BGB).

50

Unschädlich ist insoweit, dass der - aufgehobene - (Ausgangs-)Bescheid vom 11.5.2001 und der - ebenfalls aufgehobene - Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 in der Höhe der zur Verrechnung gestellten (Gesamt-)Forderung insoweit differieren, als der Bescheid von einer "offene(n) Forderung in Höhe von derzeit 66.635,31 DM zuzüglich weiterer Kosten wie Zinsen, Säumniszuschläge usw." spricht, während nach dem Widerspruchsbescheid - entsprechend der in der Forderungshöhe aktualisierten Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen - die genannte Summe neben den Beiträgen auch die "Säumniszuschläge und sonstige Nebenforderungen" erfasst. Denn ausschlaggebend ist der (mit der Klage angefochtene) "ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat" (§ 95 SGG).

51

Dass die weiteren streitgegenständlichen Verrechnungs-Bescheide die zur Verrechnung gestellte Forderung der Beigeladenen nicht mehr beziffern, steht ihrer hinreichenden Bestimmtheit iS des § 33 Abs 1 SGB X nicht entgegen, da sich deren Ausgangshöhe (für den Kläger klar erkennbar) aus dem Widerspruchsbescheid vom 26.3.2002 ergab und deshalb - auf Verlangen des Klägers jederzeit - auch "bestimmt" werden konnte, in welchem Umfang die Gesamtforderung der Beigeladenen iHv 66 635,31 DM durch die bis dahin erfolgte Verrechnung mit den Rentenzahlungsansprüchen des Klägers bereits erloschen war.

52

Für die hinreichende Bestimmtheit der angefochtenen Verrechnungs-Verwaltungsakte der Beklagten ist nicht notwendig, dass sie die zur Verrechnung gestellte(n) Forderung(en) der Beigeladenen im Einzelnen - nach Umfang, Entstehungszeitpunkt, Bezugszeitraum oder Fälligkeit - aufschlüsseln. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die bezifferte Gesamtsumme ohne Weiteres mit bestehenden, ihr Art nach benannten Einzelforderungen aufgefüllt werden kann. Insoweit ist ausreichend, dass die zur Verrechnung gestellten Forderungen des anderen Leistungsträgers bestimmbar sind. Denn eine Verrechnung kann - ebenso wie eine Aufrechnung - bei Bestehen mehrerer Forderungen (auch) erklärt werden, ohne (zunächst) im Einzelnen aufzeigen zu müssen, mit welcher (Einzel-)Forderung zuerst verrechnet werden soll (vgl BFH vom 3.11.1983 - BFHE 140, 10 f; BFH vom 6.2.1990 - BFHE 160, 108, 112; BFH vom 4.2.1997 - BFHE 182, 276, 278; alle zur Aufrechnung).

53

Hiergegen kann nicht eingewendet werden, dass dadurch die Rechtsverteidigung gegen Verrechnungs-Verwaltungsakte unzumutbar beeinträchtigt werde. Denn dem insoweit Beschwerten bleibt es unbenommen, im Vor- und Klageverfahren geltend zu machen, die zur Verrechnung gestellte (Gesamt-)Forderung des anderen Leistungsträgers bestehe nach Grund oder Höhe ganz oder teilweise nicht (bzw nicht mehr). Dann mag der verrechnende Leistungsträger darlegen und nachweisen, welche Forderungen ihm aufgrund der Ermächtigung des anderen Leistungsträgers zur Verrechnung zur Verfügung gestanden haben. Ist streitig, ob (und ggf welche) bzw in welchem Umfang Forderungen durch Verrechnung (bereits) erloschen sind, so ist die Konkretisierung (bzw Individualisierung) der Forderungen, mit denen die Verrechnung durch Verwaltungsakt erklärt wurde, unumgänglich. Denn nur auf diese Weise kann festgestellt werden, ob und inwieweit eine Verrechnungslage (entsprechend § 387 BGB)bestanden hat und wann bei mehreren Forderungen welche (ggf in entsprechender Anwendung des § 396 Abs 1 S 2 iVm § 366 Abs 2 BGB) durch Verrechnung - ganz oder teilweise - erloschen sind.

54

b) Vorliegend bestand ab 1.7.2002 objektiv eine Verrechnungslage (entsprechend § 387 BGB).

55

Eine solche ist gegeben, wenn der zur Verrechnung ermächtigende Leistungsträger die ihm gebührende Geldzahlung fordern und wenn der die Verrechnung erklärende Träger die ihm obliegende Geldzahlung bewirken kann. Die Forderung, mit der verrechnet wird (hier: Forderung der Beigeladenen gegen den Kläger), muss entstanden und fällig sein; die gleichartige Forderung, gegen die (durch Einbehaltung mittels Verwaltungsakts) verrechnet werden soll (hier: Zahlungsanspruch des Klägers aus der Regelaltersrente gegen die Beklagte), muss zwar nicht fällig, aber entstanden und erfüllbar sein (vgl BSG vom 5.9.2006 - BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 26).

56

Diese Voraussetzungen lagen hier ab dem oben genannten Zeitpunkt vor. Die von der Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen vom 23.8.1995 (aktualisiert mit Schreiben vom 9.5.2001) erfassten und gegen den Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung rückständiger Beiträge (und der Nebenforderungen) iHv insgesamt 66 635,31 DM waren entstanden und fällig; sie sind von der Beigeladenen gegenüber dem Kläger durch Verwaltungsakte bestandskräftig festgestellt worden (§ 77 SGG). Die Zahlungsansprüche des Klägers aus der ihm bindend mit Rentenbescheid vom 10.5.2002 zuerkannten Regelaltersrente waren am Ersten eines jeden Monats jeweils entstanden und erfüllbar (vgl § 272a Abs 1 SGB VI idF des 3. SGB VI-ÄndG vom 27.12.2003 ).

57

c) Die Beklagte war nicht gehindert, die Verrechnung mit Ansprüchen der Beigeladenen auf rückständige Beiträge auf unpfändbare Teile der Rentenzahlungsansprüche des Klägers zu erstrecken (dazu unter aa). Ebenso wenig stand der Verrechnung nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO entgegen(dazu unter bb).

58

aa) Die Verrechnung mit den Beitragsforderungen der Beigeladenen war nicht deshalb rechtswidrig, weil die monatlichen Rentenzahlungsansprüche ab 1.1.2002 durchgängig unter der gemäß § 850c Abs 1 S 1 ZPO iVm § 54 Abs 4 SGB I für den Kläger maßgeblichen Pfändungsfreigrenze von monatlich 930 Euro (ab 1.7.2005: 985,15 Euro) lagen. Denn mit den Vorschriften der §§ 52, 51 Abs 2 SGB I hat der Gesetzgeber den Sozialleistungsträgern zur Durchsetzung ihrer Beitrags- und Erstattungsforderungen die Möglichkeit eröffnet, ohne Bindung an die Pfändungsfreigrenzen der ZPO auch mit dem unpfändbaren Teil einer laufenden Geldleistung bis zu deren Hälfte und bis zur Grenze der Hilfebedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw ab 1.1.2005 im Sinne der Vorschriften des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II aufzurechnen bzw zu verrechnen.

59

Die Regelungen in §§ 52, 51 Abs 2 SGB I bezwecken eine Privilegierung der Sozialleistungsträger(vgl grundlegend BSG vom 19.1.1978 - BSGE 45, 271, 273 ff = SozR 1200 § 51 Nr 3 S 4 ff; BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 10 f; BSG vom 27.3.1996 - BSGE 78, 132, 135 f = SozR 3-1200 § 51 Nr 5 S 17 f), wenn dem Versicherten bestimmte "systemerhaltende" Gegenansprüche (Beitragsansprüche, Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen) des zuständigen oder eines anderen Leistungsträgers entgegengehalten werden können. Die oben genannten Grenzen (höchstens bis zur Hälfte der laufenden Geldleistung, kein Hervorrufen der Hilfebedürftigkeit nach dem BSHG) hat die Beklagte bei der Verrechnung der laufenden Zahlungsansprüche des Klägers auf Regelaltersrente mit den Beitragsansprüchen der Beigeladenen im hier (noch) maßgeblichen Zeitraum nicht überschritten (s dazu näher unter f).

60

bb) Nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens stand der Verrechnung die Vollstreckungsbeschränkung des § 18 Abs 2 S 3 GesO nicht entgegen.

61

Zwar mag die Möglichkeit eines Rentenversicherungsträgers, Beitrags- und Erstattungsforderungen eines anderen Leistungsträgers mit dem unpfändbaren Teil des Rentenzahlungsanspruchs nach Maßgabe des § 51 Abs 2 SGB I verrechnen zu können, zu Friktionen mit der in § 18 Abs 2 S 3 GesO geregelten (begrenzten) Restschuldbefreiung führen, wonach eine "Vollstreckung" hinsichtlich der "Altschulden" grundsätzlich nur stattfindet, "soweit der Schuldner über ein angemessenes Einkommen hinaus zu neuem Vermögen gelangt" ist.

62

Das LSG hat aber zu Recht einen Vollstreckungsschutz des Klägers nach § 18 Abs 2 S 3 GesO verneint.

63

Dies folgt bereits daraus, dass diese Vorschrift schon nach ihrem Wortlaut Schutz nur gegen konkrete Maßnahmen der "Vollstreckung" bietet (LSG Berlin-Brandenburg vom 4.10.2007 - L 8 B 1205/07 ER - juris RdNr 28; Brandenburgisches OLG vom 20.5.1998 - 13 U 35/97 - juris RdNr 15; OLG Celle vom 12.5.2000 - 4 W 85/00 - juris RdNr 19; Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO, 4. Aufl 1998, § 18 RdNr 53). Auch nach Art 108 Abs 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (InsO) ist die "Vollstreckungsbeschränkung" des § 18 Abs 2 S 3 GesO nach dem 31.12.1998 nur bei einer "Zwangsvollstreckung" gegen einen Schuldner, über dessen Vermögen ein Gesamtvollstreckungsverfahren durchgeführt worden ist, zu beachten. Die Verrechnung ist aber - ebenso wie die Aufrechnung - keine Maßnahme der "Vollstreckung" iS der Vorschriften der ZPO oder anderer Verfahrensgesetze über die Zwangsvollstreckung (vgl BGH vom 26.5.1971 - NJW 1971, 1563; BVerwG vom 13.10.1971 - DÖV 1972, 573, 574; BFH vom 3.11.1983 - BFHE 140, 9 f; LSG Berlin-Brandenburg vom 4.10.2007 - L 8 B 1205/07 ER - juris RdNr 22, 28; FG Düsseldorf vom 10.11.2004 - 18 K 321/04 AO - juris RdNr 21; Martini in juris PR-InsR 19/2009 vom 24.9.2009, Anm 1 unter C).

64

Zwar ist die Verrechnung - ebenso wie die Aufrechnung - ein der Zwangsvollstreckung ähnlicher, außergerichtlicher Zugriff auf die Gegenforderung, eine Forderungsdurchsetzung im Wege der Selbsthilfe (vgl BGH vom 26.5.1971, aaO; BGH vom 13.6.1995 - BGHZ 130, 76, 80 mwN). Mit der Vorschrift des § 51 Abs 2 SGB I hat der Gesetzgeber jedoch - wie oben aufgezeigt - die Sozialleistungsträger bei der Durchsetzung von Beitrags- und Erstattungsforderungen im Wege der Aufrechnung bzw Verrechnung gegenüber anderen Gläubigern privilegiert, denen (bereits) durch die Unpfändbarkeit die Möglichkeit versperrt ist, ihre Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Dass das (beschränkte) Restschuldbefreiungsverfahren des § 18 Abs 2 S 3 GesO darauf abzielt, dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neubeginn zu ermöglichen (OLG Celle vom 12.5.2000 - 4 W 85/00 - juris RdNr 19; Hess/Binz/Wienberg, GesO, 4. Aufl 1998, § 18 RdNr 105),steht der sich aus § 51 Abs 2 SGB I ergebenden Aufrechnungs- bzw Verrechnungsbefugnis nicht entgegen. Denn anderenfalls wäre den Sozialleistungsträgern im Falle einer Privatinsolvenz des Versicherten bzw Schuldners (sogar) nach Abschluss des Gesamtvollstreckungsverfahrens stets die Möglichkeit versperrt, den unpfändbaren Teil der Ansprüche auf laufende Rentenleistungen mit Beitrags- und Erstattungsforderungen aufrechnen bzw verrechnen zu können, obwohl diese unterhalb der Pfändungsfreigrenzen liegenden Rentenzahlungen zuvor nicht zur Gesamtvollstreckungsmasse (vgl § 1 Abs 1 S 2 GesO) gehörten und somit während des Gesamtvollstreckungsverfahrens grundsätzlich gemäß §§ 52, 51 Abs 2 SGB I bis zur Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit aufgerechnet bzw verrechnet werden konnten. Dann aber würde es einen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn nach der Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens in der Restschuldbefreiungsphase das Postulat einer - zuvor nicht bestehenden - Gläubigergleichbehandlung ein Verrechnungsverbot bedingen sollte (vgl LSG Berlin-Brandenburg vom 27.7.2009 - L 33 R 204/09 B ER, L 33 R L 33 R 207/09 B PKH - juris RdNr 26; SG Dortmund vom 21.2.2008 - S 26 R 320/06 - juris RdNr 41, beide zur Zulässigkeit der Verrechnung bzw Aufrechnung während der Restschuldbefreiungsphase nach der InsO). Auch wären die Grenzen zwischen einer Aufrechnung bzw Verrechnung mit Erstattungs- oder Beitragsforderungen nach § 51 Abs 2 SGB I(iVm § 52 SGB I) und einer solchen mit sonstigen Geldforderungen nach § 51 Abs 1 SGB I(iVm § 52 SGB I) verwischt und das damit verbundene Privileg des mit Beitrags- oder Erstattungsansprüchen aufrechnenden bzw verrechnenden Sozialleistungsträgers in der Privatinsolvenz (faktisch) aufgehoben.

65

d) Die einseitig durch Verwaltungsakt geregelte Verrechnung steht - ebenso wie die Aufrechnung - im pflichtgemäßen Ermessen des sie durchführenden Leistungsträgers; insoweit handelt es sich bei dem "Kann" in § 52 Halbs 1 und § 51 Abs 1 Halbs 1, Abs 2 Halbs 1 SGB I um ein sog "Ermessens-Kann"(vgl Vorlagebeschluss des Senats vom 25.2.2010 - B 13 R 76/09 R - RdNr 18; vgl bereits BSG vom 16.9.1981 - BSGE 52, 98, 102 = SozR 1200 § 51 Nr 11 S 27; BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 11; BSG vom 21.7.1988 - BSGE 64, 17, 23 = SozR 1200 § 54 Nr 13 S 39; LSG Berlin-Brandenburg vom 4.6.2009 - L 17 R 48/09 - juris RdNr 52; LSG Baden-Württemberg vom 2.7.2009 - L 10 R 2467/08 - juris RdNr 19; ebenso Seewald in Kasseler Komm, SGB I, § 51 RdNr 13a, Stand Einzelkommentierung Oktober 2010; Pflüger in juris PK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 51 RdNr 64-67, Stand Einzelkommentierung Januar 2012 mwN - unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 51 SGB I in BT-Drucks 7/868, S 32: "Der Leistungsträger hat bei der Ausübung seines Ermessens, ob und in welchem Umfang er aufrechnet, auch den Zweck der einzelnen Sozialleistung zu berücksichtigen; …").

66

Mit der Einräumung "echten Ermessens" steht dem die Verrechnung durch Verwaltungsakt regelnden Leistungsträger eine breite Handlungsmöglichkeit hinsichtlich des Ob und des Umfangs einer Verrechnung zur Verfügung, um so die Besonderheiten des Einzelfalls und insbesondere die wirtschaftliche Situation des Leistungsempfängers angemessen berücksichtigen zu können. Dabei ist das Verrechnungsermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs 1 S 1 SGB I). Damit korrespondierend hat der Leistungsempfänger einen Anspruch auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 S 2 SGB I). In diesem (eingeschränkten) Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle, insbesondere auf Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch (vgl § 54 Abs 2 S 2 SGG).

67

Die Anforderungen an eine Ermessensentscheidung sind für die mit Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 durchgeführte Verrechnung (noch) zu bejahen (dazu unter aa), nicht hingegen für die in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 getroffenen Verrechnungs-Entscheidungen (dazu unter bb). Die Beklagte durfte in diesen Bescheiden auch nicht ausnahmsweise auf eine Begründung verzichten (dazu unter cc).

68

aa) Nach der Begründung im Widerspruchsbescheid (vgl § 95 SGG) hat die Beklagte erkannt, dass ihr im Rahmen der nach § 52 SGB I zu treffenden Verrechnungs-Entscheidung Ermessen zusteht und sie nicht verpflichtet ist, den für die Verrechnung mit den Beitragsforderungen der Beigeladenen nach § 51 Abs 2 SGB I gesetzten Rahmen der Höhe nach in jedem Fall auszuschöpfen(vgl in diesem Sinne bereits BSG vom 11.10.1979 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 11). Zwar hat sie die Beitragsforderungen der Beigeladenen mit unpfändbaren Rentenzahlungsansprüchen des Klägers verrechnet; sie hat sich jedoch bei der Festsetzung der monatlichen Verrechnungsbeträge ausdrücklich an der besonderen - für den Kläger eigentlich nicht einschlägigen - Einkommensgrenze des § 81 Abs 1 BSHG orientiert. Dem Kläger verblieb in dem hier maßgeblichen Verrechnungszeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 damit deutlich mehr als die zulässige Grenze der laufenden Sozialhilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG (s hierzu unter f). Im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen hat die Beklagte dem öffentlichen Interesse an der Begleichung der Beitragsschulden und damit der Funktionsfähigkeit der im Wesentlichen beitragsfinanzierten Sozialversicherungssysteme nur insoweit den Vorrang vor dem privaten Interesse des Klägers an der ungeschmälerten Auszahlung seiner Altersrente gegeben. Eine über die ohnehin von Gesetzes wegen zu beachtende Sozialhilfebedürftigkeitsgrenze hinausgehende außergewöhnliche soziale oder finanzielle Situation hatte der Kläger nicht vorgetragen; sie ist auch nicht ersichtlich.

69

bb) Demgegenüber sind in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 keinerlei Ermessenserwägungen der Beklagten zu den dort von ihr geregelten Verrechnungen enthalten.

70

Die Ausführungen in den Bescheiden geben keine Hinweise darauf, dass die Beklagte überhaupt erkannt hat, dass es sich auch bei den dortigen (Folge-)Verrechnungen um Ermessensentscheidungen handelt; sie hat jedenfalls keine entsprechenden Begründungen (mehr) gegeben, obwohl sie zB im Bescheid vom 15.5.2003 den ab 1.7.2003 einbehaltenen Verrechnungsbetrag von zuvor monatlich 34,76 Euro auf monatlich 54,91 Euro und damit um 20,15 Euro (ca 58 %) erhöht sowie den Rentenauszahlungsbetrag von zuvor monatlich 820 Euro auf monatlich 810 Euro reduziert hat. Der pauschale Hinweis der Beklagten, dass für die Ermittlung des verrechenbaren Betrags die auf volle Euro aufgerundeten Werte aus dem BSHG zugrunde gelegt worden seien, dieser Wert nicht dynamisiert werde und gegenwärtig 810 Euro betrage, reicht nicht aus. Entsprechendes gilt für die Hinweise zu den Verrechnungen in den Bescheiden vom 15.10.2004 und 9.6.2008 im Hinblick auf die Senkung des Beitragssatzes (zur Krankenversicherung) bzw die Rentenanpassung.

71

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Beklagte bei Erlass der Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 überhaupt kein Ermessen (mehr) ausgeübt hat oder ihr betätigtes Ermessen in diesen Bescheiden lediglich nicht begründet hat. Denn in beiden Fällen treten dieselben Rechtsfolgen der Anfechtung ein; die Bescheide sind im Hinblick auf die Ermessensausübung nicht hinreichend begründet iS des § 35 Abs 1 S 3 SGB X(vgl BSG vom 18.4.2000 - SozR 3-2700 § 76 Nr 2 S 5).

72

cc) Die Voraussetzungen des § 35 Abs 2 SGB X, bei deren Vorliegen ausnahmsweise auf eine (gesonderte) Begründung verzichtet werden kann, liegen hier nicht vor. Danach bedarf es keiner Begründung - außer in anderen, vorliegend von vornherein nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen -, soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar war (Nr 2 aaO).

73

Dem Kläger mag zwar durch den Hinweis im Bescheid vom 11.5.2001 zur Verrechnung mit den Zahlungsansprüchen aus seiner Rente wegen EU bekannt gewesen sein, dass der mit der Rente zu verrechnende Betrag bei jeder Änderung der Rentenhöhe (zB durch Rentenanpassungen, Neufeststellungen) von der Beklagten "neu ermittelt" werde. Unabhängig davon, dass bezüglich der Erkennbarkeit (… "ohne weiteres erkennbar" …) iS des § 35 Abs 2 Nr 2 SGB X ein strenger Maßstab(vgl Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 35 RdNr 12; Waschull in LPK, SGB X, 3. Aufl 2011, § 35 RdNr 12) anzulegen ist, ergibt sich jedenfalls allein aus einer solchen pauschalen Mitteilung nicht, welche konkreten Umstände die Beklagte im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens dazu bewogen haben, gerade mit dem jeweils konkret einbehaltenen ("abgetrennten") Betrag zu verrechnen.

74

Aus dem Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 lässt sich nicht entnehmen, dass - und ggf in welchem Umfang - die dortigen Ermessenserwägungen - etwa im Sinne einer "vorweggenommenen Ermessensausübung" - auf von ihm nicht erfasste Verrechnungszeiträume "fortwirken" sollen; umgekehrt nehmen die nachfolgenden Verrechnungs-Bescheide auch nicht auf die dortigen Ausführungen zum Ermessen (ergänzend) Bezug. Unabhängig davon haben sich diese Bescheide auch nicht innerhalb der Verrechnungs-Entscheidungen im Bescheid vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 (Verrechnung monatlich 34,76 Euro; Auszahlungsbetrag 820 Euro) gehalten, sondern sind zu Ungunsten des Klägers davon abgewichen.

75

e) Angesichts dessen kann offen bleiben, ob die Verrechnungs-Bescheide vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 sämtlich oder zum Teil auch deshalb rechtswidrig waren, weil die Beklagte vor deren Erlass den Kläger nicht angehört (§ 24 Abs 1 SGB X) und dies auch nicht bis zum Abschluss des LSG-Verfahrens nachgeholt hat (§ 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X).

76

Nach § 24 Abs 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

77

aa) Trotz unterbliebener Anhörung des Klägers vor Erlass des Bescheids vom 10.5.2002 war jedenfalls dieser hinsichtlich der dort geregelten Verrechnung nicht rechtswidrig. Denn dieser Verfahrensfehler ist hier gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 2 SGB X im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Der Kläger hat sich mit seinem Widerspruch zu den für die Verrechnungs-Entscheidung der Beklagten in diesem Bescheid maßgeblichen Tatsachen geäußert. Aus dem Widerspruchsbescheid vom 10.10.2002 wird zudem deutlich, dass die Beklagte die von dem Kläger vorgebrachten Einwände gegen die Verrechnung zur Kenntnis genommen und bei ihrer (ablehnenden) Entscheidung in Erwägung gezogen, wenn auch nicht für durchschlagend erachtet hat.

78

bb) Demgegenüber hat die Beklagte den Kläger hinsichtlich ihrer Verrechnungs-Entscheidungen in den Bescheiden vom 15.5.2003, 2.3.2004, 15.10.2004, 23.5.2005, 1.6.2007 und 9.6.2008 weder angehört noch dies mit heilender Wirkung nachgeholt. Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob von einer Anhörung zur Verrechnung in Rentenanpassungsbescheiden dann abgesehen werden kann, wenn sich der monatliche Auszahlungsbetrag nicht vermindert. Denn bereits mit Bescheid vom 15.5.2003 wurde ein niedrigerer Betrag (810 Euro) festgesetzt als zuvor mit Bescheid vom 10.5.2002 (820 Euro).

79

f) Der Kläger ist durch die mit Bescheid vom 10.5.2002 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002) für den Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 verfahrensfehlerfrei (s oben bei d aa und e aa) geregelte Verrechnung mit einem monatlichen Einbehalt iHv 34,76 Euro bei einem ihm noch verbleibenden monatlichen Rentenauszahlungsbetrag iHv 820 Euro nicht hilfebedürftig im Sinne der hier noch maßgeblichen Vorschriften des BSHG über die Hilfe zum Lebensunterhalt geworden (vgl hierzu BSG vom 15.12.1992 - SozR 3-1200 § 51 Nr 3 S 6).

80

Bei der Prüfung der Sozialhilfebedürftigkeit als Zulässigkeitsgrenze für die Verrechnung nach § 52 iVm § 51 Abs 2 SGB I mit Beitragsforderungen der Beigeladenen ist zunächst festzustellen, welcher Bedarf dem Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum (1.7.2002 bis zum 30.6.2003) gemäß der Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des BSHG zusteht.

81

Der Umfang der Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt war in den §§ 11 ff BSHG geregelt. Nach § 22 Abs 2 BSHG iVm § 2 Abs 1 der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG (Regelsatzverordnung) stand dem im Freistaat Sachsen lebenden Kläger(nach der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales zur Anhebung der Regelsätze und der Grundbeträge nach dem BSHG sowie zur Höhe der Blindenhilfe vom 31.5.2002, Sächsisches Amtsblatt 2002, 707) ab 1.7.2002 als Haushaltsvorstand ein monatlicher Regelsatz iHv 279 Euro zu. Zudem hatte der Kläger wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und des Merkzeichens "G" gemäß § 23 Abs 1 Nr 1 BSHG Anspruch auf einen Mehrbedarf iHv monatlich 55,80 Euro. Zum notwendigen Lebensunterhalt zählen ferner die laufenden Kosten für die Unterkunft (vgl § 12 Abs 1 BSHG, § 3 Regelsatzverordnung). Diese betrugen nach den Feststellungen des LSG für die Mietwohnung des Klägers und seiner Ehefrau im hier maßgeblichen Zeitraum ab 1.10.2002 monatlich 263,77 Euro (zuvor monatlich 257,22 Euro). Für die mit dem Kläger zusammenlebende Ehefrau war als Haushaltsangehörige nach § 2 Abs 3 Nr 4 der Regelsatzverordnung iVm der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales vom 31.5.2002 (aaO) im Freistaat Sachsen ab 1.7.2002 ein monatlicher Bedarf iHv 223,00 Euro anzusetzen.

82

Dem danach berücksichtigungsfähigen monatlichen Bedarf iHv 821,57 Euro ist gemäß § 11 Abs 1 S 2 Halbs 1 BSHG das monatliche Einkommen und das Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau gegenüberzustellen. Nach § 76 Abs 1 BSHG gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem BSHG, der Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz und der Rente oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden am Leben sowie an Körper und Gesundheit gewährt werden. Der Kläger verfügte im hier maßgeblichen Zeitraum über eine monatliche Nettoaltersrente iHv 820 Euro. Die Ehefrau des Klägers erhielt nach den Feststellungen des LSG eine Rente wegen EU iHv monatlich 646,83 Euro (= 1 265,08 DM). Danach verfügten der Kläger und seine Ehefrau über ein Monatseinkommen iHv 1 466,83 Euro. Dieser Betrag überstieg den berücksichtigungsfähigen monatlichen Bedarf iHv 821,57 Euro deutlich, und zwar um 645,26 Euro.

83

Anhaltspunkte für einen konkret zu beziffernden weiteren Bedarf des Klägers oder seiner Ehefrau nach §§ 11 ff BSHG oder vom vorgenannten anzurechnenden Einkommen gemäß § 76 Abs 2 BSHG abzugsfähige Belastungen (oder für anrechenbares Vermögen des Klägers oder seiner Ehefrau) ergeben sich für den Senat aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht; da gegen diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vom Kläger vorgebracht worden sind, sind sie für den Senat bindend (§ 163 SGG).

84

Damit erweist sich der Verrechnungs-Bescheid der Beklagten vom 10.5.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2002 (§ 95 SGG) auch insoweit als rechtmäßig.

85

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch.

(2) Für Ermessensleistungen gelten die Vorschriften über Sozialleistungen, auf die ein Anspruch besteht, entsprechend, soweit sich aus den Vorschriften dieses Gesetzbuchs nichts Abweichendes ergibt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

(2) Einer Begründung bedarf es nicht,

1.
soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift,
2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist,
3.
wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist,
4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt,
5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3 ist der Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch zu begründen, wenn der Beteiligte, dem der Verwaltungsakt bekannt gegeben ist, es innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe verlangt.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25.04.2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.


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(1) Die Übermittlung von Sozialdaten, die einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle von einem Arzt oder einer Ärztin oder einer anderen in § 203 Absatz 1 und 4 des Strafgesetzbuches genannten Person zugänglich gemacht worden sind, ist nur unter den Voraussetzungen zulässig, unter denen diese Person selbst übermittlungsbefugt wäre.

(2) Absatz 1 gilt nicht

1.
im Rahmen des § 69 Absatz 1 Nummer 1 und 2 für Sozialdaten, die im Zusammenhang mit einer Begutachtung wegen der Erbringung von Sozialleistungen oder wegen der Ausstellung einer Bescheinigung übermittelt worden sind, es sei denn, dass die betroffene Person der Übermittlung widerspricht; die betroffene Person ist von dem Verantwortlichen zu Beginn des Verwaltungsverfahrens in allgemeiner Form schriftlich oder elektronisch auf das Widerspruchsrecht hinzuweisen,
1a.
im Rahmen der Geltendmachung und Durchsetzung sowie Abwehr eines Erstattungs- oder Ersatzanspruchs,
2.
im Rahmen des § 69 Absatz 4 und 5 und des § 71 Absatz 1 Satz 3,
3.
im Rahmen des § 94 Absatz 2 Satz 2 des Elften Buches.

(3) Ein Widerspruchsrecht besteht nicht in den Fällen des § 275 Absatz 1 bis 3 und 3b, des § 275c Absatz 1 und des § 275d Absatz 1 des Fünften Buches, soweit die Daten durch Personen nach Absatz 1 übermittelt werden.

Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.