Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Sept. 2008 - II ZR 235/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- I. Die Nichtzulassungsbeschwerden der Klägerinnen zu 5, 10 und 11 sind unbegründet, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechts- streit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der Senat hat auch die Verfahrensrügen geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
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- II. Das Berufungsurteil wird entgegen der Ansicht der Klägerinnen bereits von der revisionsrechtlich einwandfreien Primärbegründung des Berufungsgerichts getragen, dass sämtliche von diesen Klägerinnen geltend gemachten Ersatzansprüche jedenfalls verjährt sind.
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- 1. Die hierzu getroffenen tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts , das im Wesentlichen auf die einwandfreien diesbezüglichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteils Bezug nimmt, beruhen entgegen der Ansicht der Klägerinnen nicht auf zulassungsrelevanten, das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG betreffenden Verfahrensfehlern.
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- a) Zwar haben die Klägerinnen - wie sie geltend machen - mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 4. September 2007 vortragen lassen, dass "den Klägerinnen und Zedenten die beklagtenseits herangezogene Medienberichterstattung über die Anklageerhebung nicht bekannt" gewesen sei; so sei ihnen im Oktober 2001 weder bekannt gewesen, dass die Staatsanwaltschaft im Jahr 2000 irgendwelche Vorgänge bei der Beklagten zu 1 untersucht habe, noch hätten sie als "juristisch ungebildete Laien" gewusst, dass das "Ermittlungsverfahren abgeschlossen" gewesen sei.
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- Hierauf lässt sich jedoch der - von den Klägerinnen insoweit geltend gemachte - Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 2. Variante ZPO nicht stützen, weil die Klägerinnen die ihrem Vorbringen entgegenstehenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht - wie es geboten gewesen wäre - mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag (§ 320 ZPO) angegriffen ha- ben und nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine Richtigstellung des Tatbestandes nicht mit Hilfe einer Verfahrensrüge durchgesetzt werden kann (vgl. nur: Senatsurteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, ZIP 2007, 1942 Tz. 24 m.w.Nachw.). Hieran ändert nichts, dass die betreffenden Feststellungen des Berufungsgerichts in den Entscheidungsgründen seines Urteils enthalten sind, da zum Tatbestand insbesondere auch das in den Entscheidungsgründen wiedergegebene tatsächliche Vorbringen gehört (BGH, Urt. v. 29. April 1993 - IX ZR 215/92, ZIP 1993, 930, 931). Da es an einer Berichtigung des Tatbestandes nach § 320 ZPO fehlt, sind die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts für das weitere Verfahren bindend (§ 314 ZPO).
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- b) Entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde hat das Berufungsgericht auch nicht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG den Vortrag der Klägerin übergangen, dass weder in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft noch in Medienberichten über die Anklageerhebung die jeweiligen Adhoc -Mitteilungen erwähnt würden, auf die die Klägerinnen ihre Schadensersatzansprüche stützten und dass hieraus im Übrigen auch keine Kenntnis aller anspruchsbegründenden Tatsachen habe gewonnen werden können.
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- Das Berufungsgericht hat dieses Vorbringen - wenn auch knapp - gewürdigt , indem es ausführt, dass der Umstand, dass die Klägerinnen bzw. die Zedenten aufgrund der Presseberichterstattung über die Anklageerhebung nicht alle Einzelheiten gekannt hätten, nichts daran ändere, dass sie spätestens seit Herbst 2001 "von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt" hätten. Die vom Berufungsgericht ausdrücklich in Bezug genommenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichtsurteils enthalten - unter B. I 4 b, B. 2.3 sowie B. III der Entscheidungsgründe (LGU 18 ff.) - nähere Einzelheiten hinsichtlich der insoweit erforderlichen Kenntniserlangung. Für die Kenntnis im Sinne von § 852 BGB a.F. genügt insbesondere, dass nach der Überzeugung des Tatrichters der Anspruchsberechtigte den Hergang der Schädigung in seinen Grundzügen kennt und weiß, dass der Sachverhalt Anhaltspunkte für eine Ersatzpflicht des Verantwortlichen bietet (BGH, Urt. v. 29. Juni 1989 - III ZR 92/87, WM 1989, 1822, 1826).
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- 2. Entgegen der Ansicht der Klägerinnen liegt auch nicht der Zulassungsgrund der Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr.2, 2. Variante ZPO) vor, weil das Berufungsgericht die Ansicht vertreten hat, die Verjährungsfrist beginne bereits mit Kenntnis von der Anklageerhebung.
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- a) Insoweit hat das Berufungsgericht keinen von höchstrichterlicher oder obergerichtlicher Rechtsprechung abweichenden, die Entscheidung tragenden Rechtssatz aufgestellt. Zwar kann der Verjährungsbeginn bei unübersichtlicher oder zweifelhafter Rechtslage wegen Rechtsunkenntnis hinausgeschoben sein. Das Berufungsgericht vertritt hier indessen aufgrund seiner vertretbaren Würdigung des vorliegenden Einzelfalls die Auffassung, dass - positive - Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen spätestens im Herbst 2001 im Zusammenhang mit der Kenntnis von der Anklageerhebung vorgelegen habe.
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- b) Es liegt auch keine zulassungsrelevante Divergenz des Berufungsurteils zur Rechtsprechung des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vor, weil eine derartige Abweichung begriffsnotwendig voraussetzt, dass die anders lautende Entscheidung bereits bei Erlass des angefochtenen Urteils existent war. Das war hier aber - wie auch die Beschwerde einräumt - nicht der Fall.
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- 3. Im Hinblick auf die abweichende Beurteilung der Verjährungsfrage durch jenen 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München ist auch nicht etwa die Zulassung der Revision wegen Grundsatzbedeutung veranlasst.
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- Anders als die Beschwerde meint, stellt das Berufungsgericht im vorliegenden Fall nicht allein auf den Umstand der Anklageerhebung ab. Vielmehr ändert nach seiner Auffassung die Tatsache, dass die Klägerinnen bzw. die Zedenten aufgrund der Presseberichterstattung über die Anklageerhebung nicht alle Einzelheiten des Ermittlungsverfahrens gekannt hätten, nichts daran, dass sie spätestens im Herbst 2001 gemäß dem Gesetz "von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt" hatten. Nach den - von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen - tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts hatten die Klägerinnen/Zedenten die erforderliche Kenntnis "spätestens mit der Erhebung der Anklage gegen die Beklagten zu 2 und 3 vom 16. Oktober 2001 durch die Staatsanwaltschaft München I". Sie haben nämlich u.a. vorgetragen , dass die Beklagte zu 1 im Mai 2001 einen Geschäftsbericht vorgelegt habe, aus dem ihre finanzielle Belastung durch den "Formel-1-Einstieg" ersichtlich gewesen sei. Aufgrund dessen ist der Tatrichter zu der revisionsrechtlich einwandfreien Überzeugung gelangt, die Klägerinnen/Zedenten hätten bereits spätestens seit der Vorlage jenes Geschäftsberichts Kenntnis von der in der Ad-hoc-Mitteilung vom 22. März 2000 nicht angegebenen Option auf den Erwerb weiterer 25 %, sowie davon gehabt, dass die Beklagte zu 1 im Jahre 2000 statt eines Gewinns einen Verlust von 2,8 Milliarden DM erwirtschaft gehabt habe.
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- 4. Soweit die Beschwerde in den Ausführungen des Berufungsgerichts zum Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist "spätestens im Herbst 2002" einen symptomatischen Rechtsfehler sieht, fehlt es bereits an der erforderlichen Relevanz für den behaupteten Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Dieser Angriff richtet sich lediglich gegen eine nicht entscheidungstragende Alternativerwägung des Berufungsgerichts, weil dieses - wie bereits erwähnt - auf der Grundlage der insoweit in Bezug genommenen, revisionsrechtlich einwandfreien Feststellungen des Landgerichts primär davon ausgegangen ist, dass die Klägerinnen bzw. die Zedenten schon früher - nämlich (spätestens) im Herbst 2001 - "von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt" hatten.
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- Unter Zugrundelegung dieser Feststellungen erweist sich die Primärerwägung , dass die Verjährung spätestens im Herbst 2001 begonnen habe, als zutreffend. Denn die Verjährung nach § 852 Abs. 1 BGB a.F. beginnt mit positiver Kenntnis des Geschädigten von dem Schaden, einschließlich des Schadenshergangs und des Schädigers (vgl. nur BGH, Urt. v. 10. April 1990 - VI ZR 174/89, VersR 1991, 1032). Nach dieser Vorschrift war bei Einreichung der Klage am 31. Dezember 2005 die Verjährung bereits vollendet.
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- III. Auf die Angriffe der Beschwerde gegen die weiteren Hilfserwägungen des Berufungsgerichts kommt es mangels Entscheidungserheblichkeit nicht mehr an.
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- V. Streitwert: 207.058,06 € (Klägerin zu 5: 55.455,91 €; Klägerin zu 10: 62.300,00 €; Klägerin zu 11: 89.302,15€) Goette Kraemer Caliebe Reichart Drescher
LG München I, Entscheidung vom 09.11.2006 - 12 O 25580/05 -
OLG München, Entscheidung vom 17.09.2007 - 21 U 5658/06 -
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Annotations
(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.
(2) Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Der Antrag kann schon vor dem Beginn der Frist gestellt werden. Die Berichtigung des Tatbestandes ist ausgeschlossen, wenn sie nicht binnen drei Monaten seit der Verkündung des Urteils beantragt wird.
(3) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme. Bei der Entscheidung wirken nur diejenigen Richter mit, die bei dem Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung die Stimme des ältesten Richters den Ausschlag. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(4) Die Berichtigung des Tatbestandes hat eine Änderung des übrigen Teils des Urteils nicht zur Folge.
Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.
Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.