Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 7 5 / 1 4
vom
4. September 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Untreue u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der am 5. August 2014
begonnenen Hauptverhandlung in der Sitzung vom 4. September 2014, an denen
teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener
und der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Mosbacher,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom
5. August 2014 -,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom
5. und 21. August 2014 -
als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom
5. August 2014 -
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
der Angeklagte B. persönlich - in der Verhandlung vom
5. August 2014 - ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 7. Februar 2013 werden verworfen.
2. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Untreue in zwanzig tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten, den Angeklagten B. wegen Untreue in elf tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der gegen den Angeklagten B. verhängten Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt und hinsichtlich beider Angeklagter ausgesprochen, dass jeweils drei Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe wegen überlanger Verfahrensdauer als vollstreckt gelten.
2
Von weiteren Vorwürfen der Untreue und des Betruges hat das Landgericht beide Angeklagte aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen freigesprochen.
3
Die Angeklagten rügen mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen und formellen Rechts; die Staatsanwaltschaft erhebt sachlich-rechtliche Beanstandungen.
4
Die Rechtsmittel bleiben erfolglos.

A.


5
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
6
Im Jahr 2006 erbot sich der Angeklagte M. gegenüber der Zeugin J. , ihr aus der Notlage finanzieller Verschuldung zu helfen. Die Zeugin war mit Ausnahme eines ererbten Nachlassanteils von 5/6, zu dem mehrere unbebaute Grundstücke in S. und E. gehörten, sowie eines von ihr allein ererbten und bewohnten Hausgrundstücks in R. vermögenslos. Wegen ihrer bestehenden Bankschulden i. H. von rund 540.000 Euro drohte die Zwangsversteigerung des Hausgrundstücks.
7
Auf Vorschlag des Angeklagten M. beschlossen die Beteiligten , den gesamten ererbten Grundstücksbestand der Zeugin J. in eine gemeinschaftlich gehaltene Gesellschaft einzubringen und mit einem zugunsten der Gesellschaft aufgenommenen Darlehen die Zwangsversteigerung des Hausgrundstücks in R. abzuwenden. Durch lukrativere freihändige Verkäufe aus dem Grundstücksbestand sollte im Anschluss das Darlehen zurückgeführt und gegebenenfalls sogar ein Überschuss erwirtschaftet werden.
8
Vor diesem Hintergrund schlossen die Zeugin J. und der Angeklagte M. am 16. Oktober 2006 einen notariellen Vertrag zur Umgründung einer von M. bereits gehaltenen Gesellschaft in die „J. V. GmbH“ (im Folgenden: „J. GmbH“). Die Zeugin J. hielt 48 % der Gesellschaftsanteile und wurde zur Geschäftsführerin bestellt; 52 % der Anteile übernahm eine von dem Angeklagten M. beherrschte Aktiengesellschaft (die spätere Mo. AG). Mit weiterem notariellem Vertrag vom selben Tag verkaufte die Zeugin J. der J. GmbH ihren ererbten Nachlassanteil zum Preis von 509.266 Euro und erklärte zugleich dessen dingliche Übertragung an die Gesellschaft. Zusätzlich unterbreitete sie dieser ein unwiderrufliches, gegenüber dem später tatsächlich erzielten Kaufpreis deutlich günstigeres notarielles Kaufangebot für das Hausgrundstück in R. zum Preis von 560.000 Euro.
9
Planmäßig erwirkte der Angeklagte M. im Anschluss auf Vermittlung des Angeklagten B. im November 2006 bei der Raiffeisen Bank O. einen Kredit im Umfang von 535.000 Euro zugunsten derJ. GmbH. Damit konnte in der Folge – wie beabsichtigt – die Zwangsversteigerung des Hausgrundstücks in R. verhindert werden.
10
Noch bevor es zu den avisierten freihändigen Verkäufen aus dem Grundstücksbestand kam, bestellte der Angeklagte M. im Frühjahr 2007 aufgrund seiner Entscheidungsmacht als Inhaber der Mehrheitseignerin anstelle der Zeugin J. den Zeugen W. zum neuen Geschäftsführer der J. GmbH. Dieser schloss für die J. GmbH eine Honorarvereinbarung zugunsten der Mehrheitseignerin ab. In rascher Folge setzte der Angeklagte M. sodann nacheinander die geschäftsunerfahrenen Zeugen C. und, darauf folgend, V. als neue Geschäftsführer ein. Alle Personal- und Sachentscheidungen traf er indes allein; er verfügte auch allein über den Zugriff auf die Geschäftskonten.
11
Im Juni 2007 nahm die J. GmbH das notarielle Kaufangebot der Zeugin J. für das Hausgrundstück in R. vom 16. Oktober 2006 an und veräußerte das Grundstück, vertreten durch den hierzu gesondert bevollmächtigten Angeklagten B. , zum Preis von 1,09 Millionen Euro. Mit der ersten Kaufpreisrate tilgten die Angeklagten wie beabsichtigt das der Gesellschaft gewährte Darlehen der Raiffeisen Bank O. . Zu den erhofften Gewinneinnahmen aus der zweiten Kaufpreisrate kam es jedoch vorerst nicht, weil sich die Zeugin J. weigerte, aus dem Haus auszuziehen, weshalb der Restkaufpreis nicht fällig wurde.
12
In der Folge kam es zu den nachfolgenden Straftaten der Angeklagten zu Lasten des Gesellschaftsvermögens:

I.


13
Im Juni/Juli 2007 beschlossen die Angeklagten, die ausstehende Restkaufpreisrate für das Hausgrundstück in R. vorzufinanzieren. Nach Vermittlung des Angeklagten B. gewährte die Raiffeisen Bank O. der J. GmbH ein weiteres Darlehen in Höhe von 200.000 Euro.
14
Weil die Bank jedoch Misstrauen gegen den Angeklagten M. hegte, wurde der Kreditvertrag „mit folgendem Inhalt unterzeichnet: Die Bank stellt einen Kredit (…) auf das Konto Nr. derRaiBa O. zur Verfü- gung“. Es folgte eine weitere Regelung mit dem Wortlaut „Die Überweisung der Geldmittel erfolgt auf das Anderkonto Nr. von Herrn B. bei der Kreissparkasse Mi. (…). Herr B. überwacht die ordnungsgemäße Verwendung der Gelder“. Der Angeklagte B. zeichnete diese Abrede mit „13.8.07 Einverstanden, B. “.
15
Als Verwendungszweck sah der Darlehensvertrag die Vorfinanzierung der zweiten Kaufpreisrate, den Aufbau von Geldvermögen der Zeugin J. und die Deckung deren künftiger Umzugskosten sowie laufender Kosten der J. GmbH vor. Die Raiffeisen Bank O. überwies die Darlehensvaluta auf das hauseigene Geschäftskonto der J. GmbH; 170.000 Euro leitete die damalige Geschäftsführerin C. auf Anweisung des Angeklagten M. auf das Anderkonto des Angeklagten B. weiter.
16
Zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt nach Abschluss des Kreditvertrages, jedoch vor dem 22. August 2007, entschieden sich die Angeklagten , auch Kosten, die zum Darlehenszweck in keinem Zusammenhang standen, aus dem Guthaben des Anderkontos zu begleichen. Aufgrund der dem Angeklagten B. eingeräumten Verfügungsmacht nahmen sie einvernehmlich die nachstehenden Verfügungen zu Lasten des Kontos vor, wobei sie „den Tatentschluss jeweils dann [fassten], wenn Forderungen drängend wurden“.
17
1.-3. Bei drei Gelegenheiten am 10. September 2007, 17. September 2007 und 27. September 2007 überwies der Angeklagte B. im Be- nehmen mit dem Angeklagten M. jeweils 55.000 Euro an die F. AG. Dabei handelte es sich um den Kaufpreis für drei von W. auf Bitten des Angeklagten M. von der F. AG erworbene Unternehmensmäntel. Die F. AG übereignete diese, indem sie das in die Kaufsummen eingepreiste Stammkapital der Gesellschaften, jeweils 50.000 Euro, auf das Anderkonto zurück überwies und die Gesellschaftspapiere herausgab. Der Differenzbetrag von jeweils 5.000 Euro pro Kauf blieb dem Anderkonto als Gewinn der F. AG dauerhaft entzogen.
18
4.-11. Der Angeklagte B. war Aufsichtsrat der BH. AG, die ein im Eigentum der Br. GbR des Zeugen Br. stehendes Hotel in G. betrieb. Im Juni 2007 beschloss die BH. AG, das Hotel künftig durch eine zwischengeschaltete Gesellschaft zu führen. Hierzu gründeten die Angeklagten die „A. H. V. C. GmbH“ (im Folgenden: „A. GmbH“), an der sie durch von ihnen beherrschte weitere Unternehmen jeweils zu 50 % beteiligt waren.
19
Nach Bedarf wurde auch das Guthaben auf dem Anderkonto zur Deckung von Kosten im Zusammenhang mit dem Betrieb der A. GmbH eingesetzt. Ohne werthaltige Rückführungen zahlte der Angeklagte B. am 22. August 2007 und am 3. September 2007 Beträge von 5.000 Euro bzw. 25.000 Euro auf eine Maklerforderung gegen die BH. AG. Am 23. August 2007 überwies er unter Angabe des Verwendungszwecks „Kostenerstattung V. C. “ weitere 20.000 Euro an die Mo. AG,ohne dass insoweit eine tatsächliche Erstattungspflicht der J. V. GmbH bestand. Am 1. Oktober 2007, 9. Oktober 2007, 2. Januar 2008 und 15. Januar 2008 tätigte er Pacht- und am 2. Januar 2008 Nebenkostenzahlungen in Höhe von insgesamt 82.075 Euro an die Br. GbR.
20
Rückzahlungen auf das Anderkonto im Umfang von insgesamt 13.256,23 Euro erfolgten nur gelegentlich und überwiegend im Zusammenhang mit weiteren nicht verfahrensgegenständlichen Zahlungen.

II.


21
Ohne Beteiligung des Angeklagten B. belastete der Angeklagte M. eigenhändig oder durch Anweisung an die jeweiligen formellen Geschäftsführer in den nachstehenden Fällen auch ein Geschäftskonto der J. GmbH bei der Deutschen Bank Mü. zu gesellschaftsfremden Zwecken:
22
1.-4. Auf Anweisung des Angeklagten schloss am 19. Mai2007 W. für die Gesellschaft einen Sponsoringvertrag bis zur Höhe von 100.000 Euro mit der von der Tochter des Angeklagten M. geführten Vo. GmbH. Aufgrund dieses Vertrages zahlte der Angeklagte M. am 19. Juni 2007 einen Betrag von 100 Euro, am 20. Juni 2007 einen Betrag von 2.900 Euro, am 27. Dezember 2007 fünfmal 1.000 Euro und am 2. Januar 2008 einen Betrag von 5.000 Euro an die Vo. GmbH.
23
5.-6. Am 28. Dezember 2007 überwies der Angeklagte M. unter Bezugnahme auf nicht existente Darlehensverträge einen Betrag von 20.000 Euro an die A. GmbH und weitere 30.000 Euro an die Mo. AG.
24
7.-8. Am 13. September 2007 und am 25. September 2007 zahlte der Angeklagte M. Beträge von 5.000 Euro bzw. 4.877 Euro an die Firma Ha. O. . Dem zugrunde lagen Rechnungen der Firma Ha. O. an die Firma N. AG, als deren Vertreter der Angeklagte M. der Firma Ha. O. einen Auftrag zur Errichtung von Sonnenkollektoren- und Wasserenthärtungsanlagen am Haus seiner Tochter erteilt hatte.
25
9. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 18. April 2008 wies der Angeklagte M. den Zeugen V. als Geschäftsführer der J. GmbH an, einen Steuerrückerstattungsbetrag zugunsten der J. GmbH in Höhe von 17.690,90 Euro an die Mo. AG abzutreten. Dem kam der Zeuge V. am 18. April 2008 nach, woraufhin das Finanzamt noch vor dem 6. Mai 2008 den Betrag auf ein Konto der Mo. AG überwies.

B.


26
Von weiteren Vorwürfen des Betruges und der Untreue hat die Strafkammer die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen (nachfolgend B.I.1.-3.) bzw. aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen (nachfolgend B.I.4.) freigesprochen.

I.


27
1. Aufgrund unverändert zugelassener Anklage vom 24. März 2010 lag beiden Angeklagten zur Last, bereits beim Abschluss der notariellen Verträge vom 16. Oktober 2006 betrügerisch zum Nachteil der Zeugin J. gehandelt zu haben, um sich den uneingeschränkten Zugriff auf deren Immobilien zu sichern. Der Zeugin sei vorgetäuscht worden, sie werde ein regelmäßiges Geschäftsführergehalt beziehen und behalte als Geschäftsführerin der Gesellschaft die volle Entscheidungsmacht bezüglich künftiger Grundstücksverkäufe; insbesondere könne der Verlust des Hausgrundstücks in R. verhindert oder der Zeugin jedenfalls ein Wohnrecht erhalten werden.
28
2. Als einheitliches Tatgeschehen (§ 52 StGB) mit den oben unter A.I. bezeichneten Untreuevorwürfen warf die Anklage vom 24. März 2010 beiden Angeklagten außerdem vor, die Vertreter der Raiffeisen Bank O. beim Abschluss des (zweiten) Kreditvertrages am 10. August 2007 darüber getäuscht zu haben, dass das valutierte Darlehen von vorneherein nur privaten Zwecken dienen sollte und die J. GmbH nicht in der Lage sein würde, den Darlehensbetrag zurückzuzahlen. Infolge dessen sei die Raiffeisen BankO. , die bei Kenntnis der wahren Verwendungsabsicht das Darlehen nicht gewährt hätte, in Höhe der valutierten Kreditsumme geschädigt worden.
29
3.-7. Schließlich lag aufgrund dieser Anklage (allein) dem Angeklagten M. zur Last, bei fünf (weiteren) Gelegenheiten jeweils ohne rechtliche Verpflichtung und ohne Bezug zum Gesellschaftszweck der J. GmbH von deren Geschäftskonto weitere Beträge an die Mo. AG gezahlt zu haben, nämlich am 31. Mai 2007 einen Betrag i. H. von 21.000 Euro, am 27. Dezember 2007 sechsmal jeweils 1.785 Euro, am 2. Januar 2008 einen Betrag i. H. von 10.000 Euro, am 18. Januar 2008 zweimal jeweils 1.785 Euro und am 22. Januar 2008 einen Betrag i. H. von 1.875 Euro.
30
8. Aufgrund gesonderter, unverändert zugelassener Anklage vom 12. April 2011 lag beiden Angeklagten zudem der Vorwurf des Betruges im Vorfeld der auf die Übertragung des Erbteils der Zeugin J. folgenden Grundbuchberichtigung zur Last.
31
Bezüglich der am 16. Oktober 2006 vereinbarten und vollzogenen Erbteilsübertragung (s.o. A.) hätten die Angeklagten entweder von vorneherein beabsichtigt oder nach Vertragsschluss vereinbart, sich den Kaufpreis für den Erbteil (insgesamt 509.266 Euro) zu ersparen. Gemäß den Regelungen des Vertrages sei jedoch der notarielle Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs bezüglich der Grundstücksanteile in S. und E. an die vorherige Zahlung des vollen Kaufpreises geknüpft gewesen. Um dennoch ohne Bezahlung die Eintragung der J. GmbH in das Grundbuch zu erreichen, hätten die Angeklagten zwischen dem 26. März 2007 und dem 12. April 2007 dem Notarassessor Fr. verschiedene Unterlagen vorgelegt, aus denen hervorging, dass im November 2006 ein Betrag von ca. 525.000 Euro von der J. GmbH auf ein Konto der Zeugin J. bei deren Gläubigerbank transferiert worden sei. Der Angeklagte M. habe diese Zahlung als Kaufpreiszahlung für den Erbteilskauf deklariert. Tatsächlich habe es sich um die Überweisung der von der Raiffeisen Bank O. zur Verfügung gestellten (ersten) Darlehensvaluta an die Zeugin J. gehandelt, die mit dem Erbteilskauf nicht in Verbindung standen. Weil Fr. die Überweisung nicht als Nachweis der Kaufpreiszahlung für den Erbteilskauf anerkannte, sei der Angeklagte M. an den Notar K. herangetreten. Dieser habe im Vertrauen auf die Richtig- keit der vorgelegten Unterlagen unter Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung am 12. April 2007 die Grundbuchberichtigung zugunsten der J. V. GmbH beantragt, die am 18. April 2007 erfolgte.
32
Die aus dem anschließenden Weiterverkauf zweier Grundstücke am 12. bzw. am 27. April 2007 erlösten, jeweils dem Geschäftskonto der J. GmbH bei der Deutschen Bank gutgeschriebenen 49.264,85 Euro sollten die Angeklagten in der Folge für eigene Zwecke verbraucht haben.

II.


33
1. Bezüglich des Vorwurfs des Betruges (s.o. B.I.1.) hat sich die Strafkammer (unter Bezugnahme auf den unter A. dargestellten Sachverhalt) aufgrund einer umfassenden Würdigung insbesondere der Einlassung des Angeklagten M. und der Angaben der Zeugin J. keine Überzeugung davon verschaffen können, dass die Zeugin J. beim Abschluss der notariellen Verträge vom 16. Oktober 2006 über die Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschaft , ihre Befugnisse als Geschäftsführerin, ihren Anspruch auf Gehalt und den erforderlichen freihändigen Verkauf auch ihres Hausgrundstücks getäuscht worden ist.
34
2. Bezüglich des Vorwurfs des Betruges zum Nachteil der Raiffeisen Bank O. im Rahmen des zweiten Kreditvertrages (s.o. B.I.2.) hat sich die Strafkammer (unter Bezugnahme auf den unter A.I. festgestellten Sachverhalt) keine Überzeugung darüber bilden können, dass die Angeklagten bereits beim Abschluss des Kreditvertrages die Verwendung des Geldes zu privaten Zwecken beabsichtigten.
35
3.-7. Hinsichtlich der weitergehenden Untreuevorwürfe gegen den Angeklagten M. (s.o. B.I.3.-7.) hat die Strafkammer (unter Bezugnahme auf die Feststellungen unter A.II.) zwar die anklagegegenständlichen weiteren Zahlungsvorgänge festgestellt. Indes hat sie nicht ausschließen können, dass jedenfalls diese Zahlungen (auch der Höhe nach) in Erfüllung der von W. für die J. GmbH geschlossenen Honorarvereinbarung (s.o. A.) erfolgten, für deren Sittenwidrigkeit keine Anhaltspunkte bestünden.
36
8. Vom Vorwurf des Betruges zur Erlangung der Grundbuchberichtigung (B.I.8.) hat die Strafkammer die Angeklagten aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen freigesprochen.
37
a) Hierzu hat sie – insoweit vom Vorwurf der Anklage abweichend – im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
38
Nachdem die Angeklagten Käufer für die Grundstücke in S. und E. gefunden hatten, erkannten sie, dass sie wegen der bezeichneten Vertragsklausel ohne Kaufpreiszahlung keine Berichtigung des Grundbuchs zugunsten der J. GmbH erreichen würden und damit auch nicht über die Grundstücke würden verfügen können. Sie beschlossen spätestens im März 2007, den Notar über die Bewirkung der Kaufpreiszahlung zu täuschen, um ihn zu dem Antrag an das Grundbuchamt zu bewegen.
39
Weil der hierzu angefragte Notarassessor Fr. trotz diverser ihm vom Angeklagten M. vorgelegter, eine Kaufpreiszahlung vorgebender Unterlagen die Antragstellung wiederholt abgelehnt hatte, führte der Angeklagte M. am 12. April 2007 mit dem Notar K. ein persönliches Gespräch. In der Folge forderte K. mit dem Hinweis, die Kaufpreiszah- lung sei ausreichend nachgewiesen, Fr. zur Antragstellung auf, was dieser noch am selben Tage tat.
40
b) Die Strafkammer hat den Freispruch beider Angeklagter maßgeblich darauf gestützt, dass die erwirkte Grundbuchberichtigung keinen Vermögenswert besitze, weshalb es schon an einer Vermögensverfügung i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB fehle.
41
Nach den Regelungen des notariellen Vertrages vom 16. Oktober 2006 sei der dingliche Erbteil bereits beim Vertragsschluss auf die J. GmbH übergegangen ; die Grundbuchberichtigung habe nur noch der Wiederherstellung der Grundbuchrichtigkeit gedient. Eine „den Angeklagten bewusste Sittenwidrigkeit“ und eine damit verbundene ihnen „bekannte Nichtigkeit“ des Vertrages erscheine „eher fernliegend“. Auch bezüglich eines festgestellten Verstoßes gegen das Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) sei kein Vorsatz der Angeklagten erkennbar.
42
Ergänzend hat die Strafkammer in tatsächlicher Hinsicht die Kausalität der von den Angeklagten verübten Täuschung für die spätere Grundbuchberichtigung mit Blick auf eine etwaige Bösgläubigkeit K. s verneint und hinsichtlich des Angeklagten M. einen „Rücktritt“ bejaht.

C.


Revision des Angeklagten M.
43
Der Angeklagte M. rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
44
Das Rechtsmittel bleibt erfolglos.

I.


45
1. Die erhobene Inbegriffsrüge erweist sich aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. Februar 2014 zutreffend ausgeführten Gründen als unbegründet.
46
2. Auch die weiteren drei Verfahrensbeanstandungen, mit denen der Angeklagte die Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK (s.u. C.I.2.b), RB S. 2 ff.), des Beweisantragsrechts (s.u. C.I.2.c)) und der gerichtlichen Aufklärungspflicht (s.u. C.I.2.d)) rügt, bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
47
a) Den gemeinsamen Hintergrund dieser Rügen bilden die im Zusammenhang mit den Untreuevorwürfen wegen Zahlungen zugunsten der A. GmbH (Fälle A.I.4.-11. und A.II.5.) und der N. AG (Fälle A.II.7.-8.) unternommenen Aufklärungsbemühungen des Gerichts betreffend verschiedene Buchhaltungs-, Darlehens- und Bürgschaftsunterlagen.
48
Hierzu hat die Revision – einmalig im Rahmen der Rüge der Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK – im Kern folgendes Prozessgeschehen vorgetragen:
49
Nach einer Durchsuchung im hiesigen Verfahren wurden 2008 die gesamten Festplattendaten eines bei dem Angeklagten M. beschlagnahmten Notebooks gesichert. Deren zunächst schlagwortbezogene Auswertung erbrachte keine Hinweise zu einem Darlehensvertrag insbesondere zwischen der J. GmbH und der A. GmbH oder zu deren Buchhaltungsunterlagen.
50
Bei einer weiteren Durchsuchung in einem von der Staatsanwaltschaft Augsburg gegen den Angeklagten M. geführten Ermittlungsverfahren wurden im Oktober 2009 (erneut) die Daten der Festplatte des Notebooks gesichert sowie zwei externe Datenträger beschlagnahmt, jedoch nicht ausgewertet.
51
Nach Anklageerhebungen vom 24. März 2010 und 12. April 2011 und der (gemeinsamen) Eröffnung des Hauptverfahrens am 29. Juni 2011 begann die Hauptverhandlung im hiesigen Verfahren am 19. September 2011. Bemühungen , im Verlauf der Hauptverhandlung Erkenntnisse zu etwaigen Darlehensverträgen der J. GmbH und der N. AG bzw. der A. GmbH zu gewinnen, blieben zunächst erfolglos, weil die Datensicherungen aus der ersten Beschlagnahme nicht mehr vorhanden und die bei der zweiten Durchsuchung gesicherten Daten und Speichermedien dem Angeklagten bereits 2009 ohne Auswertung wieder ausgehändigt worden waren.
52
Am 29. Hauptverhandlungstag beantragte der Angeklagte B. förmlich die Auswertung des bei dem Angeklagten M. im Jahr 2009 sichergestellten Computers bzw. – wie sich aus der Begründung des Antrages ergibt – der daraus erstellten Datensicherung: Es sei über die Behauptung des Angeklagten M. Beweis zu erheben, dieser habe im August 2007 einen von ihm – B. – entworfenen und unterschriebenen Darlehensvertrag zwischen der J. GmbH und der A. GmbH gegengezeichnet und diesen (sodann) zeitnah auf dem Computer abgespeichert. Diesen Antrag „ergänzte“ der Angeklagte B. am 30. Hauptverhandlungstag und „erweiterte“ ihn auf die Behauptung des Vorhandenseins einer Bürgschafts- oder Garantieerklärung der Mo. AG für die genannte Darlehensschuld.
53
Die Strafkammer lehnte am 32. Hauptverhandlungstag die beantragten Beweiserhebungen durch Beschluss ab.
54
Nachdem – zu späteren Zeitpunkten – der Angeklagte M. die ihm 2009 ausgehändigten Datenträger übergeben hatte, wurden die dort gespeicherten Buchhaltungsunterlagen der A. GmbH ausgewertet; die Ergebnisse wurden in die Hauptverhandlung eingeführt.
55
b) Die unter Bezugnahme auf das vorstehende Prozessgeschehen wegen der unterbliebenen bzw. verzögerten Datenauswertung erhobene Rüge der Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK ist unzulässig.
56
Das Revisionsvorbringen genügt, worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 25. Februar 2014 zutreffend hingewiesen hat, nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

57
Der Revisionsführer muss die den Mangel enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau angeben, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (vgl. bereits BGH, Urteil vom 14. Oktober 1952 – 2 StR 306/52, BGHSt 3, 213, 214; Beschluss vom 25. August 1989 – 3 StR 158/89, bei Miebach NStZ 1990, 226, 230 Nr. 24 mwN; Sander/Cirener NStZ-RR 2008, 1 ff.).
58
Die Revision beschränkt demgegenüber die ihr im Rahmen einer Rüge der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung obliegende Darstellung des Verfahrensablaufs (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 18. November 2008 – 1StR 568/08, NStZ-RR 2009, 92 mwN) auf die unmittelbar im Zusammenhang mit den genannten Beweiserhebungen stehenden Verfahrensvorgänge, lässt aber Vortrag dazu vermissen, ob das Verfahren während der Zeiträume, die infolge erneuter Zeugenladung und der Einholung zweier Ergänzungsgutachten verstrichen, durch andere Beweiserhebungen gefördert wurde. Der Senat kann daher aufgrund des Revisionsvortrags nicht beurteilen, ob im Verfahren überhaupt eine relevante Verzögerung eingetreten ist.
59
c) Auch die Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts (§ 244 Abs. 3 StPO) versagt; sie ist ebenfalls unzulässig.
60
aa) Dabei kann der Senat offen lassen, ob dem Angeklagten die Rügeberechtigung fehlte, weil er sich dem von dem Mitangeklagten B. gestellten Beweisantrag in der Hauptverhandlung nicht angeschlossen hatte (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 2. August 2011 – 3 StR 217/11, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Rügerecht 4 und vom 4. Mai 2011 – 5 StR 124/11, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 49; a.A. BGH, Urteile vom 24. Juli 1998 – 3 StR 78/98, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Rügerecht 3 und vom 16. Juni 1983 – 2 StR 837/82, NJW 1983, 2396, 2397).
61
bb) Einer abschließenden Entscheidung hierüber bedarf es jedoch nicht, denn die Rüge ist jedenfalls wegen der Unzulänglichkeiten des Revisionsvortrags unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
62
(1) Die Revision lässt bereits nicht klar erkennen, welche Beweisantragsablehnung sie als fehlerhaft beanstandet.
63
Das geschilderte Prozessgeschehen zur vorangestellten Verzögerungsrüge (s.o. C.I.2.a)), welches die Revision – schon für sich bedenklich – auch zur hier behandelten Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts und der nachfolgend erhobenen Aufklärungsrüge (s.u. C.I.2.d)) vollständig in Bezug nimmt (RB S. 82), enthält Ausführungen zu zwei Antragsschriftsätzen mit verschiedenen Beweisbehauptungen, die einerseits einen von beiden Angeklagten unterschriebenen Darlehensvertrag, andererseits eine Bürgschafts- oder Garantieer- klärung betreffen. Innerhalb weiterer „Prozesstatsachen“, die die Revision (nur) der hier behandelten Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts und der nachfolgend erhobenen Aufklärungsrüge (s.u. C.I.2.d)) gemeinsam voranstellt, beanstandet sie sodann abweichend vom Wortlaut der in Bezug genommenen Antragsschriftsätze die unterbliebene Beweiserhebung zu einem „Entwurf des Darlehensvertrages zwischen der J. V. GmbH und der N. AG“ und einer „eingescannte[n] Fassung des von dem Angeklagten B. unterzeichneten Darlehensvertrags zwischen der J. V. GmbH und der A. GmbH“. In ihren späteren rechtlichen Aus- führungen (nur) zur Verletzung des Beweisantragsrechts nimmt die Revision Bezug auf „das von den Angeklagten behauptete Dokument“ und auf „eine ganze Reihe an Dokumenten“, die bislang nicht Aktenbestandteil seien, „sich aber auf der Sicherungskopie finden lassen“.
64
Im Ergebnis legt die Revision nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit und Klarheit offen, welche Dokumente sich auf den Datenträgern befinden sollen.
65
(2) Durch ihre zur Begründung der behaupteten Verletzung des Beweisantragsrechts gewählte Formulierung, das Vorhandensein der (nicht eindeutig bezeichneten) „Dokumente“ auf der Festplatte könne „nicht ausgeschlossen werden“, wird ein Verfahrensverstoß zudem nicht hinreichend bestimmt be- hauptet. Denn die Revision muss Verfahrensverstöße als Tatsachen, nicht als bloße Möglichkeiten behaupten (BGH, Urteil vom 5. März 1953 – 5 StR 676/52, NJW 1953, 836).
66
(3) Schließlich mangelt es dem umfangreichen Revisionsvorbringen auch an einer die Prüfung überhaupt ermöglichenden Strukturierung.
67
Der Revisionsvortrag muss aus sich heraus so verständlich sein, dass das Revisionsgericht ohne weiteres daran anknüpfen kann (Gericke in KKStPO , 7. Aufl., § 344 Rn. 39 mwN). In diesem Zusammenhang kann es im Einzelfall zwar ausreichen, wenn die Revision auf bereits im Rahmen einer anderen Rüge vorgebrachtes Verfahrensgeschehen verweist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2010 – 3 StR 486/09, StV 2010, 676). Das hier „vollständig“ in Bezug genommene (RB S. 82) Verfahrensgeschehen zur Verzögerungsrüge (s.o. C.I.2.a)) enthält jedoch eine Vielzahl von Verfahrensvorgängen, die – wahlweise – nur für die Verzögerungsrüge oder (jeweils auch oder aus- schließlich) für die (hier behandelte) Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts und die nachfolgend erhobene Aufklärungsrüge (s.u. C.I.2.d)) Bedeutung erlangen. Es ist – worauf bereits der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 25. Februar 2014 hingewiesen hat – nicht Aufgabe des Revisionsgerichts , den Revisionsvortrag aus verschiedenen Unterlagen jeweils an passender Stelle zu ergänzen und dabei den Sachzusammenhang selbst herzustellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. April 2005 – 5 StR 532/04, NStZ 2005, 463; vom 25. September 1986 – 4 StR 496/86, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Formerfordernis 1).
68
(4) Lediglich ergänzend kommt hinzu, dass das im Antragsschriftsatz vom 30. Hauptverhandlungstag in Bezug genommene „Schreiben von B. vom 21.08.2007“ nicht mit vorgelegt worden ist.
69
d) Auch die Rüge der Verletzung der Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO), mit der der Angeklagte die unterbliebene Auswertung der 2009 sichergestellten Datenträger beanstandet, ist aus den unter C.I.2.c)bb)(3) genannten Gründen unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
70
Sie wäre im Übrigen auch unbegründet, denn nachdem die Strafkammer aus dem Vorhandensein von Vertragsentwürfen ausdrücklich nicht auf den Abschluss wirksamer Verträge hat schließen wollen, drängten sich ihr – auch unter Berücksichtigung des von der Revision behaupteten Beweiswerts des Faxund Speicherdatums – Beweiserhebungen zum Vorhandensein weiterer, allenfalls einseitig unterzeichneter Entwürfe oder Erklärungen neben den bereits eingeführten Unterlagen (UA S. 104) nicht auf.

71
In Bezug auf die Buchhaltungsunterlagen der A. H. V. C. GmbH wäre die Rüge überdies ohne Erfolg, weil die betreffende Beweiserhebung nach Übergabe der dem Angeklagten M. 2009 überlassenen Datenträger im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung noch durchgeführt wurde.

II.


72
Auch die näher ausgeführte Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
73
1. Komplex „Anderkonto“
74
a) Ohne Erfolg bleiben die Revisionsangriffe gegen die Beweiswürdigung zu den Untreuevorwürfen betreffend die Verfügungen über das Anderkonto.
75
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, der sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden hat (§ 261 StPO). Die tatsächlichen Schlussfolgerungen des Tatgerichts müssen nicht zwingend sein; es genügt, dass sie möglich sind und das Tatgericht von ihrer Richtigkeit überzeugt ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 1957 – 2 StR 508/56, BGHSt 10, 208, 209 ff.; Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20 f.). Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht übereinstimmt oder sich soweit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (BGH, Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, NStZ 2013, 420 mwN).
76
aa) Die Strafkammer hat ihre Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten M. gegenüber der J. GmbH zutreffend auf dessen rechtsfehlerfrei festgestellte Rolle als faktischer Geschäftsführer dieser Gesellschaft gestützt (vgl. zur Vermögensbetreuungspflicht des faktischen Geschäftsführers BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2012 – 5 StR 407/12; Urteile vom 27. Juni 2005 – II ZR 113/03; vom 25. Februar 2002 – II ZR 196/00; vom 11. Dezember 1997 – 4 StR 323/97).
77
bb) Die Pflichtwidrigkeit der einzelnen Zahlungen hat sie ohne Rechtsfehler aus dem Widerspruch der jeweiligen Zahlungszwecke zum Verwendungszweck aus dem (zweiten) Darlehensvertrag mit der Raiffeisen Bank O. abgeleitet.
78
cc) Auch die Beweiswürdigung zum Vermögensnachteil hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand.
79
(1) Dies gilt insbesondere für die Erwägungen, aufgrund derer die Strafkammer im Komplex A. GmbH (s.o. Fälle A.I.4.-11.) eine Kompensation des durch die Auszahlungen entstandenen Vermögensnachteils durch wirtschaftlich gleichwertige Gegenansprüche oder wegen ausreichend verfügbarer, zum Ausgleich geeigneter und bestimmter finanzieller Mittel der Angeklagten abgelehnt hat (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 13. Dezember 1994 – 1 StR 622/94, NStZ 1995, 233, 234 mwN; Urteile vom 27. Januar 1988 – 3 StR 61/87, wistra 1988, 191; vom 16. Dezember 1960 – 4 StR 401/60, NJW 1961, 685, 686).

80
Der Einlassung der Angeklagten, wonach die Auszahlungen auf der Grundlage wirksamer Darlehensverträge – also unter wirksamer und willentlicher Begründung von Rückzahlungspflichten – erfolgt seien, hat die Strafkammer unter umfassender Würdigung einer Vielzahl von Umständen (Fehlen eines schriftlichen Vertrages, fehlende Vertretungsmacht des Angeklagten M. , fehlende Kenntnis vom behaupteten Darlehen bei der Zeugin C. und den mit der Buchhaltung der A. GmbH betrauten Personen, darlehensuntypische Vertragsbedingungen im Entwurf, fehlende Verbuchung eines Darlehens bei der A. GmbH, fehlende Valutierung der Gesamtsumme, Vornahme der ersten Auszahlung bereits vor dem angeblichen Vertragsschluss) keinen Glauben geschenkt. Der im ergänzenden Schriftsatz vom 13. März 2014 gegen diese Würdigung gerichtete Revisionsangriff basiert auf urteilsfremdem Vorbringen zu abweichenden Buchungszeitpunkten und zu Buchungsfehlern; er bleibt – ebenso wie die auf ihm aufbauende abweichende Beweiswürdigung – im Revisionsverfahren unbeachtlich.
81
(2) Nachdem die Strafkammer weder von der Schaffung wirksamer Rückforderungsansprüche noch von einem ernstlichen Rückzahlungswillen der Angeklagten bezüglich zugunsten der A. GmbH ausbezahlter Beträge ausgegangen ist, waren entgegen der Auffassung der Revision Erörterungen zum Vorhandensein etwaige Rückforderungen deckender Geldmittel bei der A. GmbH nicht mehr veranlasst.
82
b) Auch mit ihren Angriffen gegen die rechtliche Bewertung der Strafkammer deckt die Revision insoweit keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler auf.

83
Entgegen ihrer Auffassung lassen die Urteilsgründe nicht besorgen, dass die Strafkammer die rechtliche Wirksamkeit der Darlehensvereinbarung an deren Schriftform geknüpft hat. Denn ersichtlich hat sie – neben zahlreichen weiteren Umständen (s.o. C.II.1.a)cc)) – das Fehlen eines schriftlichen Vertrages lediglich als (ein) Indiz dafür herangezogen, dass ein wirksamer Vertrag nicht bestand.
84
Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer auch ein tatbestandsausschließendes Einverständnis der J. GmbH in die schädigenden Zahlungen abgelehnt, weil hierzu allein die Zustimmung der vom Angeklagten M. beherrschten Mehrheitsgesellschafterin Mo. AG nicht ausgereicht hätte (BGH, Urteil vom 27. August 2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266 ff.).
85
2. Komplex „Geschäftskonto“
86
Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer auch die Entnahmen des Angeklagten M. vom Geschäftskonto der J. GmbH als Untreuehandlungen bewertet.
87
Ausgehend von dem zutreffenden rechtlichen Maßstab, wonach die Verwendung gesellschaftlicher Geldmittel oder Informationen für gesellschaftsfremde , ausschließlich dem Eigeninteresse dienende Zwecke für den Geschäftsführer eine Treuepflichtverletzung darstellt (vgl. zum formellen Geschäftsführer BGH, Urteil vom 23. September 1985 – II ZR 246/84, NJW 1986, 585; OLG Naumburg NZG 1999, 353 mwN), weil allein das Unternehmensziel, der Gegenstand des Unternehmens und das Unternehmensinteresse ihm gegenüber die maßgeblichen Kriterien für sorgfaltsgemäßes Handeln bilden (vgl. zum formellen Geschäftsführer OLG Naumburg, aaO, mwN; Schneider/Crezelius in Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 64), hat sich die Strafkammer rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass die festgestellten Auszahlungen und Überweisungen vom Geschäftskonto lediglich privaten Zwecken des Angeklagten dienten.
88
Dies gilt insbesondere für die unter A.II.6. und 9. dargelegten Geldflüsse zugunsten der Mo. AG, hinsichtlich derer die Strafkammer – im Unterschied zu anderen Zahlungen, bezüglich derer eine Verurteilung des Angeklagten nicht erfolgt ist (s.o. B.II.1.) – einen konkreten Bezug zu bestehenden Honorarabreden zugunsten der Mo. AG ausgeschlossen hat.
89
Bezüglich der Zahlungen an die Vo. GmbH & Co. KG (Fälle A.II.1.-4.) hat die Strafkammer unter zutreffender Maßstabsetzung geprüft, ob die Zuwendungen zur Förderung von Kunst als „gravierende“ Pflichtverletzungen einzustufen waren (zum Maßstab vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2001 – 1 StR 215/01, NJW 2002, 1585); sie hat dies aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, namentlich der Motive des Angeklagten , des fehlenden Nutzens des Sponsorings für die J. GmbH, der fehlenden Nähe zu deren Unternehmensgegenstand, der fehlenden Angemessenheit im Hinblick auf die schwache Vermögenslage der J. GmbH und der Verwandtschaft zur Nutznießerin als leitendes Motiv der Zahlungen ohne Rechtsfehler bejaht.

III.


90
Auch die Strafzumessung weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
91
Die strafschärfende Berücksichtigung des kollusiven Zusammenwirkens mit dem Mitangeklagten B. begründet keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB). Denn zur Verwirklichung des Untreuetatbestandes genügte es, dass der Angeklagte aufgrund seiner eigenen Sonderstellung als Pflichtenträger und seiner eigenen Pflichtenverletzung den tatbestandsmäßigen Erfolg zumindest mit herbeigeführt hat.

IV.


92
Eine zusätzliche Kompensation für Verfahrensverzögerungen im Revisionsverfahren ist nicht veranlasst.
93
Dabei kann dahinstehen, ob die von der Revision hierzu „vorsorglich“ erhobene Verfahrensrüge mit Blick auf § 345 Abs. 1 StPO verfristet wäre; dem hiergegen gerichteten Einwand der Revision, die Frist sei mangels einer nach der Protokollberichtigung im Hinblick auf § 273 Abs. 4 StPO erforderlichen nochmaligen Urteilszustellung noch nicht in Gang gesetzt, vermag der Senat schon im Hinblick auf die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 23. April 2007 (GSSt 1/06 Rn. 64) nicht zu folgen. Nachdem ausweislich des Revisionsvorbringens die reklamierte Verfahrensverzögerung jedoch erst nach dem Eingang der Revisionsbegründungsschrift eingetreten sein kann, hatte der Senat eine etwaige rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung ohnehin von Amts wegen zu überprüfen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 27. Februar 2014 – 4 StR 575/13 mwN; vom 2. Juli 2013 – 2 StR 179/13 mwN; vom 11. März 2008 – 3 StR 36/08).
94
Indes ist das Beschleunigungsgebot nicht verletzt. Die Revision rügt im Kern eine Untätigkeit der Strafkammer zwischen dem Eingang der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zum Berichtigungsvorhaben am 17. September 2013 und der Berichtigungsentscheidung des Landgerichts vom 23. Oktober 2013. Dieser Zeitraum ist schon deshalb übersetzt, weil – wie die Revision selbst vorträgt – der Verteidigung des Mitangeklagten B. auf deren Ersuchen hin Stellungnahmefrist bis zum 10. Oktober 2013 gewährt worden war; eine Berichtigungsentscheidung konnte jedoch gegenüber beiden Angeklagten nur einheitlich getroffen werden. Der danach verbleibende Zeitraum von dreizehn Tagen begründet keine erhebliche Verzögerung des Verfahrens.

D.


Revision des Angeklagten B.
95
Der Angeklagte B. rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Auch sein Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


96
1. Die von dem Angeklagten erhobene Inbegriffs- und die daneben erhobene Aufklärungsrüge bleiben jeweils aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 25. Februar 2014 zutreffend ausgeführten Gründen erfolglos.
97
Auch die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte die Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit (§ 338 Nr. 6 StPO i.V.m. § 177 GVG) beanstandet (RB S. 2 ff.), bleibt mit Blick auf die vom Generalbundesanwalt gegebene Begründung erfolglos. Zudem weist die getroffene sitzungspolizeiliche Maßnahme keinen Rechtsfehler auf.
98
2. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Verletzung des § 261 StPO i.V.m. § 249 Abs. 2 StPO, mit der der Angeklagte beanstandet, verschiedene in einer Selbstleseliste aufgeführte Urkunden seien nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden, weil das Gericht und die Schöffen deren Inhalt nicht zur Kenntnis genommen hätten.
99
Die Rüge ist unbegründet, denn der behauptete Verfahrensverstoßliegt nicht vor. Vielmehr ergibt sich aus dem (berichtigten) Hauptverhandlungsproto- koll, „dass die Richter und Schöffen die in der Selbstleseliste, die dem Haupt- verhandlungsprotokoll vom 18.05.2012 beigefügt ist, genannten Urkunden (mit Ausnahme der Ziffer 2) gelesen haben“.
100
Für die Überprüfung des behaupteten Verfahrensverstoßes ist allein das berichtigte Protokoll maßgeblich.
101
Die Strafkammer hat das Protokollberichtigungsverfahren, dessen Ablauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 25. Februar 2014 detailliert dargestellt hat, ordnungsgemäß nach Maßgabe der im Beschluss des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 23. April 2007 (GSSt 1/06, BGHSt 51, 298 ff.) entwickelten Anforderungen durchgeführt.
102
Die Unrichtigkeit des früheren Protokolls ist erwiesen. Denn beide Urkundspersonen haben die sichere Erinnerung daran, dass zu Beginn der Hauptverhandlung am 15. Juni 2012 auch die Feststellung gemäß § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO getroffen wurde. Dies ergibt sich – auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens – aus den hierzu vom Vorsitzenden der Strafkammer und der Protokollführerin abgegebenen Erklärungen sowie der ergänzenden Erklärungen der Berichterstatterin und der Beisitzerin. Demgegenüber hat der Angeklagte weder im Rahmen des Berichtigungsverfahrens noch des Revisionsverfahrens substantiiert dargelegt, aus welchen Gründen er oder sein Instanzverteidiger sich im Gegensatz zu den Urkundspersonen der Richtigkeit des zunächst gefertigten Protokolls sicher sind (vgl. hierzu bereits BGH – GSSt – aaO Rn. 63 sowie BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 – 3 StR 485/10, StV 2012, 523 f.). Soweit die Revision sich allgemein auf wissenschaftliche Erkenntnisse über den Verlust von Erinnerungen zu länger zurückliegenden , routinemäßigen Verfahrensabläufen beruft, sind diese Ausführungen nicht geeignet, die die konkreten Besonderheiten gerade dieses Verfahrensablaufs darlegenden Erklärungen der genannten Richter und der Protokollführerin zu entkräften.

II.


103
Die näher ausgeführte Sachrüge deckt keine den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler auf.
104
1. Die zahlreichen Revisionsangriffe gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung zur Verfügungsbefugnis (s.u. D.II.1.a)), zur Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Raiffeisen Bank O. (s.u. D.II.1.b)) und zum Vermögensnachteil (s.u. D.II.1.c)) bleiben ohne Erfolg.
105
a) Es stellt keinen revisiblen Rechtsfehler dar, dass die Strafkammer sich bei der Prüfung der Verfügungsbefugnis des Angeklagten B. nicht explizit mit den von der Revision aufgezeigten abweichenden Interpretationsmöglichkeiten des Darlehensvertrages auseinandergesetzt hat, die der Annahme einer willentlichen Überlassung des Darlehensbetrages durch die Bank an den Angeklagten im Ergebnis entgegen stünden.
106
Die Auslegung von Verträgen ist ein wertender Akt, weil sie unterschiedliche Aspekte in einer richterlichen Feststellung zusammenführt. Deshalb gelten die für die revisionsgerichtliche Kontrolle der tatrichterlichen Beweiswürdigung aufgestellten Regeln (s.o. C.II.1.a)) ebenso für die Würdigung von Erklärungen, Verträgen oder Urkunden durch den Tatrichter. Die revisionsrichterliche Kontrolle beschränkt sich auf die Prüfung, ob ein Verstoß gegen Sprach- und Denkgesetze, Erfahrungssätze oder allgemeine Auslegungsregeln vorliegt (BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 – 5 StR 73/03, NJW 2004, 2248, 2450 mwN; Beschluss vom 12. Februar 2003 – 5 StR 165/02, NJW 2003, 1821 mwN).
107
Solche Verstöße zeigt die Revision jedoch nicht auf.
108
Nach dem festgestellten Vertragsinhalt, der zunächst eine Verfügung der Darlehenssumme auf das Geschäftskonto der J. GmbH und sodann von dort eine „Überweisung der Geldmittel“ auf das Anderkonto vorsah (s.o. A.I.), er- weist sich die von der Strafkammer vorgenommene Auslegung der vertraglichen Bestimmungen, wonach die zweistufige Überweisung des Geldes zunächst an die J. GmbH und von dieser sodann auf das Anderkonto des Angeklagten auch dem Willen der Bank entsprach, nicht nur als nachvollziehbar, sondern sogar als naheliegend. Die Revision erschöpft sich diesbezüglich in einer abweichenden, revisionsrechtlich unbeachtlichen Auslegung des Vertrages.
109
Folgerichtig begründet das Schweigen der Urteilsgründe zu den von der Revision aufgrund ihrer abweichenden Auslegung vermuteten alternativen Motiven der Vertreter der J. GmbH für die Überweisung auf das Anderkonto auch keinen revisionsrechtlich beachtlichen Erörterungsmangel.
110
b) Die von der Revision behaupteten Widersprüche bei der Begründung der Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten bestehen, wie bereits der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 25. Februar 2014 aufgezeigt hat, nicht. Zudem lag aufgrund der Urteilsfeststellungen zur treuhänderischen Abrede zwischen dem Angeklagten B. und der J. V. GmbH die Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten auch der Gesellschaft gegenüber nahe; dass die Strafkammer eine solche abgelehnt hat, beschwert ihn indes nicht.
111
c) Die – dem diesbezüglichen Vorbringen im Rechtsmittel des Angeklagten M. (s.o. C.II.1.a)cc)(1) und (2)) entsprechende – Beanstandung des Schweigens der Urteilsgründe zur Bonität der A. GmbH zeigt aus den bereits dort genannten Gründen keinen Erörterungsmangel auf.
112
2. Auch die rechtlichen Wertungen der Strafkammer halten sachlichrechtlicher Überprüfung stand.
113
Entgegen der Auffassung der Revision bestimmte sich die Verfügungsbefugnis des Angeklagten B. über die Darlehenssumme allein aus den zwischen ihm (Treuhänder) und der Raiffeisen Bank O. (Treugeberin ) vertraglich begründeten Pflichten (UA S. 48), nicht durch den Umfang des bestehenden Kontoführungsvertrages zwischen ihm und der das Anderkonto führenden Kreissparkasse Mi. .

III.


114
Die Strafzumessung weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere lassen die Urteilsausführungen auch keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot besorgen (s.o. C.III.).

E.


Revisionen der Staatsanwaltschaft
115
Auch den Rechtsmitteln der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nur teilweise vertreten werden, bleibt der Erfolg versagt.

I.


116
1. Die Freisprüche beider Angeklagter von den Vorwürfen des Betruges zum Nachteil der Zeugin J. bei Abschluss der Verträge vom 16. Oktober 2006 (B.I.1. und B.II.1.) und zum Nachteil der Raiffeisen Bank O. beim Abschluss des (zweiten) Darlehensvertrages im Jahr 2007 (B.I.2. und B.II.2.) sowie der Freispruch des Angeklagten M. von weiteren Vorwürfen der Untreue zum Nachteil der J. GmbH (B.I.3.-7. und B.II.3.-7.) weisen – auch unter Berücksichtigung des hiergegen gerichteten Revisionsvorbringens – aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 25. Februar 2014 genannten Gründen keine Rechtsfehler auf.
117
2. Auch der Freispruch vom Vorwurf eines Betruges zur Erlangung der Grundbuchberichtigung (B.I.8. und B.II.8.) hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Er wird durch die rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen zum mangelnden Vermögenswert der Grundbuchberichtigung getragen; eines Eingehens auf die ergänzenden tatsächlichen Erwägungen der Strafkammer zur Kausalität der Täuschungshandlung und zu einem etwaigen „Rücktritt“ des An- geklagten M. bedarf es daher nicht mehr.
118
a) Die Wertung der Strafkammer, bei wirksamer Übertragung des Erbteils verkörpere die Grundbuchberichtigung mangels Vermögenswerts keine betrugsrelevante Vermögensverfügung mehr, ist rechtsfehlerfrei.
119
Eine materielle Beeinträchtigung der Rechtsstellung der Zeugin J. als Erbteilsinhaberin kam nicht in Betracht, nachdem sich – wie die Strafkammer zutreffend ausgeführt hat – die gesamte dingliche Rechtsänderung zugunsten der J. GmbH bereits durch die in Ziffer II. a.E. des notariellen Vertrages vom 16. Oktober 2006 erklärte Abtretung (vgl. dazu Mayer in Beck-OK-BGB, § 2371 Rn. 11 mwN; s.a. Stürner in Jauernig, BGB, 15. Aufl., § 2033 Rn. 1 mwN; Otto in jurisPK-BGB, 6. Aufl., § 2033 Rn. 33) vollständig vollzogen hatte.
120
Auch in Bezug auf den schuldrechtlichen Kaufpreisanspruch bewirkte die Grundbuchberichtigung keine schädigende Vermögensverfügung i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB. Denn der Kaufpreisanspruch als solcher blieb durch den Vollzug der Grundbuchberichtigung unberührt.
121
Im Ergebnis zu Recht hat die Strafkammer eine vermögenswerte Position auch nicht darin gesehen, dass mit der Grundbuchberichtigung die vertraglich bestimmte Verknüpfung zwischen dem notariellen Berichtigungsantrag und der vorherigen Zahlung des Kaufpreises hinfällig wurde. Soweit dadurch nach dem Willen der Vertragsparteien – im Sinne eines Zurückbehaltungsrechts – die Durchsetzbarkeit des Kaufpreisanspruchs gesichert werden sollte, mangelte es dieser Sicherheit jedenfalls an Werthaltigkeit. Denn die Verknüpfung hinderte die J. GmbH nicht, die Grundbuchberichtigung auf anderem Wege als über den zur beiderseitigen Interessenwahrung verpflichteten Notar zu betrei- ben. Vielmehr hätte sie den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs auch auf andere Weise direkt gegenüber dem Grundbuchamt erbringen können.
122
b) Die Strafkammer hat sich auch mit der von der Revision reklamierten Möglichkeit auseinandergesetzt, gravierende Mängel – namentlich ein Verstoß gegen das Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB, UA S. 165) und die Sittenwidrigkeit der gesamten Vereinbarung (§ 138 BGB, UA S. 166) – hätten zur Nichtigkeit (auch) der (dinglichen) Erbteilsübertragung geführt, mit der Folge , dass die Zeugin J. im Zeitpunkt der Grundbuchberichtigung Erbteilsinhaberin geblieben wäre. In diesem Fall wäre durch die Eintragung der (dann) nichtberechtigten J. GmbH allerdings eine Vermögensminderung auf Seiten der Zeugin J. eingetreten (vgl. hierzu OLG Stuttgart NStZ 1985, 365; LG Tübingen NStZ-RR 2008, 110, sowie bereits RGSt 66, 371, 373; für die vergleichbare Situation beim Erbschein vgl. RGSt 53, 260, 261 mwN).
123
In diesem Zusammenhang hat die Strafkammer jedoch ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Angeklagten bezüglich der eine etwaige Nichtigkeit begründenden Umstände nicht vorsätzlich handelten. Dies hat sie mit tragfähigen Erwägungen begründet (UA S. 165 f.), die durch das Revisionsvorbringen nicht entkräftet werden. Soweit die Revision zu einer anderen Beurteilung gelangt, weil die Angeklagten – im Wege eines Eingehungsbetruges – bereits beim Vertragsschluss den Willen gehabt haben sollen, den Erbteil ohne Gegenleistung zu erlangen, widerspricht dies den Urteilsfeststellungen.

II.


124
1. Soweit die Angeklagten in den Komplexen A.I. und A.II. wegen Untreuehandlungen verurteilt worden sind, deckt das Revisionsvorbringen ebenfalls keine Rechtsfehler zugunsten der Angeklagten auf.
125
a) Die weit überwiegende Annahme tatmehrheitlicher Begehung begegnet keinen Bedenken.
126
Nach den Urteilsfeststellungen kamen die Angeklagten zunächst allgemein überein, die auf dem Anderkonto ruhenden Geldmittel bei Bedarf zweckfremd zu verwenden (UA S. 48). Sie deckten sodann ab dem 22. August 2007 „in enger Absprache“ finanzielle Engpässe der A. H. V. C. GmbH, wobei sie „den Tatentschluss jeweils dann [fassten], wenn Forderungen drängend wurden“ (UA S. 53).
127
Diese Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Die aus divergierenden Zahlungszeitpunkten und konkret-anlassbezogener Verwendung gezogene Schlussfolgerung der Strafkammer, dass lediglich eine allgemeine Übereinkunft zur Tatbegehung bei Gelegenheit vorlag (vgl. zur bloßen Tatgeneigtheit auch BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 1 StR 386/11) und – im Gegenzug – für jede Tat ein neuer Tatentschluss zu bilden war, hält sich innerhalb des dem Tatrichter gewährten Beurteilungsspielraums und ist daher vom Senat nicht zu beanstanden. Mit ihrem entgegengesetzten Vorbringen zeigt die Revision lediglich unbeachtliche abweichende Schlussfolgerungen , jedoch keine Rechtsfehler auf.
128
Damit fehlte aber bereits der festgestellten generellen Unrechtsvereinbarung der Angeklagten, bei Gelegenheit Gelder vom Anderkonto zur Deckung anderweitiger Kosten einzusetzen, die Qualität einer für die Annahme natürlicher Handlungseinheit erforderlichen einheitlichen Willensbildung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 1. September 1994 – 4 StR 259/94, NStZ 1995, 46, 47).
129
Die vorstehenden Erwägungen treffen auch auf die Bewertung der vom Angeklagten M. allein begangenen Untreuetaten zu Lasten des Geschäftskontos zu. Rechtsfehlerfrei ist die Strafkammer daher nur im Komplex A.II. bezüglich der fünf am 27. Dezember 2007 jeweils zugunsten der Vo. GmbH erfolgten Zahlungen in Höhe von 1.000 Euro von natürlicher Handlungseinheit ausgegangen; die übrigen Taten hat sie jeweils als rechtlich selbständig bewertet (vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Mai 2010 – 4 StR 182/10).
130
b) Auch die Erwägungen, aus denen die Strafkammer in allen Fällen die Annahme eines besonders schweren Falles infolge gewerbsmäßiger Begehung der Untreuetaten (§§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB) abgelehnt hat, halten sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.
131
Gewerbsmäßig handelt, wer sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will (BGH, Beschluss vom 13. September 2011 – 3 StR 231/11, NJW 2012, 325, 328; Beschluss vom 7. September 2011 – 1 StR 343/11, NStZ-RR 2011, 373; Fischer, StGB, 61. Aufl. 2014, Vor § 52 Rn. 61 mwN). Die hierzu im Rahmen der Beweiswürdigung aus insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen – namentlich der Verwendung der Gelder und der teilweisen Ausgleichszahlungen zugunsten der in Anspruch genommenen Konten – gezoge- nen Schlüsse der Strafkammer auf das Fehlen einer einheitlichen Gewinnerzielungsabsicht sind jedenfalls möglich und damit vom Revisionsgericht hinzunehmen. Raum Graf Jäger Cirener Mosbacher

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 04. Sept. 2014 - 1 StR 75/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 04. Sept. 2014 - 1 StR 75/14

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Sept. 2014 - 1 StR 75/14 zitiert 19 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher


(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen W

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 266 Untreue


(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder ein

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 181 Insichgeschäft


Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllu

Strafprozeßordnung - StPO | § 338 Absolute Revisionsgründe


Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswid

Strafprozeßordnung - StPO | § 345 Revisionsbegründungsfrist


(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn d

Strafprozeßordnung - StPO | § 273 Beurkundung der Hauptverhandlung


(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesu

Strafprozeßordnung - StPO | § 249 Führung des Urkundenbeweises durch Verlesung; Selbstleseverfahren


(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind. (2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 177


Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die den zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnungen nicht Folge leisten, können aus dem Sitzungszimmer entfernt sowie zur Ordnungshaft a

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Sept. 2014 - 1 StR 75/14 zitiert oder wird zitiert von 23 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Sept. 2014 - 1 StR 75/14 zitiert 19 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Juni 2005 - II ZR 113/03

bei uns veröffentlicht am 11.08.2023

BUNDESGERICHTSHOF URTEIL IM NAMEN DES VOLKES   Tenor: Auf die Revision des Beklagten zu 1 wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als dieser verurt

Bundesgerichtshof Urteil, 21. März 2013 - 3 StR 247/12

bei uns veröffentlicht am 21.03.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 247/12 vom 21. März 2013 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung am 21. März 2013, an der teilgenommen haben: Präs

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Aug. 2011 - 3 StR 217/11

bei uns veröffentlicht am 02.08.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 217/11 vom 2. August 2011 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen versuchten Totschlags u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Sept. 2011 - 1 StR 343/11

bei uns veröffentlicht am 07.09.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 343/11 vom 7. September 2011 in der Strafsache gegen wegen Betruges u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. September 2011 beschlossen : 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Lan

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2011 - 3 StR 231/11

bei uns veröffentlicht am 13.09.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 231/11 vom 13. September 2011 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ___________________________________ StGB §§ 129, 129b Zur Einordnung einer kriminellen Vereinigung als in- oder ausländi

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juli 2013 - 2 StR 179/13

bei uns veröffentlicht am 02.07.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 179/13 vom 2. Juli 2013 in der Strafsache gegen wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 2

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Mai 2004 - 5 StR 73/03

bei uns veröffentlicht am 13.05.2004

Nachschlagewerk: ja BGHSt : ja Veröffentlichung: ja StGB § 266 Abs. 1 1. Investitionsbeihilfen begründen grundsätzlich keine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB, es sei denn, der Empfänger hat zugleich über den Subventionszwe

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2014 - 4 StR 575/13

bei uns veröffentlicht am 27.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 S t R 5 7 5 / 1 3 vom 27. Februar 2014 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Dez. 2012 - 5 StR 407/12

bei uns veröffentlicht am 13.12.2012

Nachschlagewerk: ja BGHSt : nein Veröffentlichung : ja StGB § 266 Zu den Anforderungen an die Annahme einer faktischen Geschäftsführerstellung gegenüber einem abhängigen Unternehmen. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2012 – 5 StR 407/12 LG B

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Apr. 2005 - 5 StR 532/04

bei uns veröffentlicht am 07.04.2005

5 StR 532/04 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 7. April 2005 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen schweren Bandendiebstahls u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. April 2005 beschlossen: Die Revisionen der Angeklagten

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2012 - 1 StR 386/11

bei uns veröffentlicht am 11.01.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 386/11 vom 11. Januar 2012 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Untreue u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2012 beschlossen : 1. Auf die Revision des Angeklagten R. M. gegen das Urte

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Feb. 2010 - 3 StR 486/09

bei uns veröffentlicht am 18.02.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 486/09 vom 18. Februar 2010 in der Strafsache gegen wegen schwerer Körperverletzung Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 18. Fe

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Apr. 2007 - GSSt 1/06

bei uns veröffentlicht am 23.04.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS GSSt 1/06 vom 23. April 2007 in der Strafsache gegen Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja StPO § 274 1. Durch eine zulässige Berichtigung des Protokolls kann auch zum Nachteil des Beschwerdeführer

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Mai 2011 - 5 StR 124/11

bei uns veröffentlicht am 04.05.2011

5 StR 124/11 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 4. Mai 2011 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Mai 2011 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urtei

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juni 2011 - 3 StR 485/10

bei uns veröffentlicht am 28.06.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 485/10 vom 28. Juni 2011 in der Strafsache gegen wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Gene

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2001 - 1 StR 215/01

bei uns veröffentlicht am 06.12.2001

Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ____________________ StGB § 266 Vergibt der Vorstand einer Aktiengesellschaft aus deren Vermögen Zuwendungen zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen oder Sport, genügt für die Anna

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. März 2008 - 3 StR 36/08

bei uns veröffentlicht am 11.03.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 36/08 vom 11. März 2008 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 11. März 2008 gemäß §§ 44, 46,

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Feb. 2003 - 5 StR 165/02

bei uns veröffentlicht am 12.02.2003

Nachschlagewerk: ja BGHSt : nein Veröffentlichung: ja AÜG § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1; StGB § 263, § 266a Abs. 1 a) Zu den Anforderungen an die Feststellung einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung in Abgrenzung zum Werkvertrag. b) Macht der Ar

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2010 - 4 StR 182/10

bei uns veröffentlicht am 18.05.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 182/10 vom 18. Mai 2010 in der Strafsache gegen wegen Untreue Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 18. Mai 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 04. Sept. 2014 - 1 StR 75/14.

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juli 2019 - 5 StR 195/19

bei uns veröffentlicht am 17.07.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 195/19 vom 17. Juli 2019 in der Strafsache gegen wegen Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2019:170719B5STR195.19.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführ

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Okt. 2018 - 5 StR 477/17

bei uns veröffentlicht am 24.10.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 477/17 vom 24. Oktober 2018 in der Strafsache gegen wegen Betruges ECLI:DE:BGH:2018:241018U5STR477.17.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Oktober 2018, an der

Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 05. Juli 2018 - 2 Rv 4 Ss 332/18

bei uns veröffentlicht am 05.07.2018

Tenor 1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bad Säckingen vom 10.07.2017 wird als unbegründet verworfen. 2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Gründe   I. 1 Der Angeklagte

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2017 - 1 StR 464/17

bei uns veröffentlicht am 20.12.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 464/17 vom 20. Dezember 2017 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Steuerhinterziehung ECLI:DE:BGH:2017:201217B1STR464.17.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und d

Referenzen

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 217/11
vom
2. August 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 2. August 2011 einstimmig

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 16. Februar 2011 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: Das Landgericht hat den Antrag des Angeklagten M. E. auf Einholung eines Sachverständigengutachtens und Einnahme eines richterlichen Augenscheins zur Frage der Einsichtsmöglichkeiten vom Standort der Mu. und E. E. in den Pkw der F. E. mit tragfähiger Begründung abgelehnt. Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt der Angeklagte W. E. , der sich dem Antrag nicht angeschlossen hat, die Ablehnung des Antrags angreifen konnte. Der Senat hält allerdings die Auffassung des 5. Strafsenats für richtig, auch in Fällen einer übereinstimmenden Interessenlage einen die Beweiserhebung nicht selbst beantragenden Mitangeklagten oder sonst Beteiligten auf die Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 StPO zu verweisen, die je nach Fallgestaltung weitergehenden Vortrags im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bedarf, während ihm die Rüge einer Verletzung der Bestimmungen des § 244 Abs. 3 bis 6 StPO dagegen nicht eröffnet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Mai 2011 - 5 StR 124/11, StraFo 2011, 280 f.; anders BGH, Urteil vom 16. Juni 1983 - 2 StR 837/82, BGHSt 32, 10, 12; Urteil vom 24. Juli 1998 - 3 StR 78/98, StraFo 1998, 375, 376, insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 44, 138 ff.; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. 2011, § 244 Rn. 84, § 337 Rn. 18).

Becker von Lienen Schäfer Mayer Menges

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

5 StR 124/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 4. Mai 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Mai 2011

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. Juli 2010, soweit es diesen Angeklagten betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. und den nicht revidierenden Mitangeklagten K. jeweils der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen. Gegen den Angeklagten hat es eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, gegen den Mitangeklagten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt. Beide wurden darüber hinaus zur Zahlung von Schmerzensgeld an den Nebenkläger verurteilt. Die gegen das Urteil gerichtete, mit Verfahrensrügen und der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat – dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend – vollen Erfolg, allerdings mit der Sachrüge.
2
1. Nach den Feststellungen der Schwurgerichtskammer versetzte der Angeklagte dem Mitgefangenen und Nebenkläger S. am Vormittag des 15. März 2009 in einem Kraftsportraum der Justizvollzugsanstalt Hamburg -Fuhlsbüttel mit seiner Gehstütze mehrere kräftige Schläge gegen den Oberkörper. Der Nebenkläger lag dabei auf dem Boden und kämpfte mit dem Mitangeklagten, der ihm mit einer Hantel gegen den Kopf schlug bzw. dies versuchte.
3
Das Landgericht stützt die Feststellungen zur Tat des Angeklagten maßgebend auf die Aussage des Mitgefangenen W. und auf medizinische Befunde, die darauf hindeuten können, dass der Nebenkläger eine Rippenprellung und eine Nierenverletzung mit leichten inneren Blutungen erlitten hat. Hingegen hatte der Nebenkläger die Schläge nicht wahrgenommen. Erstmals am Nachmittag des Tattages hatte er den Mitgefangenen W. und R. über rechtsseitig aufgetretene Rückenschmerzen berichtet (UA S. 16).
4
Die Bekundungen des Zeugen W. hält das Landgericht für glaubhaft. Er habe die Tat bei einer polizeilichen Vernehmung und in der Hauptverhandlung konstant geschildert; soweit „geringe Widersprüche zu früheren Aussagen aufgetreten“ seien, beträfen sie nicht den Kernbereich der Ereignisse und seien „angesichts des Zeitablaufs sowie des sehr kurzen und dynamischen Tatgeschehens nachvollziehbar und natürlich“ (UA S. 33).
5
2. Die durch das Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung begegnet auch eingedenk des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabes (BGH, Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 387 mwN, insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt) durchgreifenden sachlichrechtlichen Bedenken.
6
Namentlich steht die Wertung der Schwurgerichtskammer zur Konstanz der Aussage des Zeugen W. betreffend das Kerngeschehen in deutlichem Widerspruch zum Inhalt einer durch den Zeugen R. (zu einem im Urteil überdies nicht näher bezeichneten Zeitpunkt nach der Tat) gefertigten (UA S. 28) und für das vollzugliche Disziplinarverfahren bestimmten „Aktennotiz“. Darin ist – notwendig aus Anlass von Angaben des Zeugen W. – festgehalten, der Angeklagte habe „eine Krücke geworfen“ (UA S. 29). Das Landgericht spricht diesen Umstand zwar – wenngleich eher beiläufig , aber in Bezug auf den diese Tat nicht selbst wahrnehmenden Nebenkläger als Hilfserwägung nachvollziehbar – hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Angaben des Nebenklägers an, würdigt ihn jedoch nicht in Bezug auf die Aussage des Zeugen W. . Es verhält sich insbesondere nicht dazu, ob und gegebenenfalls wie der Zeuge diesen Widerspruch im Disziplinarverfahren und bei seinen weiteren Vernehmungen erklärt hat. Dessen Bekundungen bei der ersten polizeilichen Vernehmung vom 27. Mai 2009 (vgl. UA S. 16) bleiben im Urteil gänzlich unerwähnt (vgl. UA S. 31).
7
Mit der Entwicklung des Aussageverhaltens des Zeugen W. hätte sich das Landgericht zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit von dessen Angaben im Einzelnen auseinandersetzen müssen. Dies gilt umso mehr, als die allein durch diesen Zeugen beobachtete Tat auch keine unumstößliche Bestätigung in den medizinischen Untersuchungsbefunden und deren rechtsmedizinischer Begutachtung findet (vgl. UA S. 22, 23). Die Verurteilung des Angeklagten ruht damit nicht auf einer hinreichend fundierten Grundlage und kann keinen Bestand haben.
8
3. Eine Revisionserstreckung nach § 357 StPO auf den Mitangeklagten kommt nicht in Betracht. Denn das Urteil weist ihn betreffend nicht dieselbe rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung auf.
9
4. Weil die Revision bereits mit der Sachrüge durchdringt, kann offenbleiben , ob sie in Einklang mit der Auffassung des Generalbundesanwalts aufgrund der erhobenen Beweisantragsrügen zum Erfolg geführt hätte. Bedenklich erscheint insoweit, dass der Beschwerdeführer Ablehnungsbeschlüsse der Schwurgerichtskammer beanstandet, die auf Beweisanträge des Mitangeklagten hin ergangen sind und denen er sich nicht angeschlossen hat. Der Senat muss nicht entscheiden, ob er der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung folgen könnte, wonach allein schon bei übereinstimmender Interessenlage einem die Beweiserhebung nicht selbst beantragen- den Mitangeklagten gleichwohl eine umfassende Rügeberechtigung zugebilligt wird (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1983 – 2 StR 837/82, BGHSt 32, 10, 12; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 84 mwN). Es liegt näher, ihn in diesem Fall auf die Möglichkeit der Aufklärungsrüge zu verweisen, die je nach Fallgestaltung weitergehenden Vortrags im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bedarf und nicht notwendig aufgrund einer Verletzung der Regeln aus § 244 Abs. 3 bis 6 StPO zum Erfolg führt.
10
5. Es steht kein die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründender Tatvorwurf mehr in Frage. Der Senat verweist die Sache deshalb entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1994 – 2 StR 264/94, NJW 1994, 3304, 3305, insoweit in BGHSt 40, 251 nicht abgedruckt; Meyer-Goßner aaO § 354 Rn. 42).
11
Für das weitere Verfahren weist er darauf hin, dass die vom Nichtrevidenten begangene Tat im Vergleich zu der durch den Beschwerdeführer verübten durch einen deutlich höheren Unrechts- und Schuldgehalt geprägt ist, was sich – sofern es in einer neuen Hauptverhandlung abermals zu einem Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung kommen sollte – auch in der konkret verhängten Strafe und in der Bemessung der Schmerzensgeldforderung niederschlagen sollte.
Basdorf Schaal Schneider König Bellay

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 486/09
vom
18. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 18. Februar 2010 einstimmig beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Lübeck vom 5. Juni 2009 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung
des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem
Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.
Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts steht der Zulässigkeit
der Rüge, bei der polizeilichen Vernehmung vom 29. Oktober
2008 sei gegen §§ 136, 136 a StPO verstoßen worden, nicht entgegen,
dass der Beschwerdeführer das 28seitige Protokoll der entsprechenden
Vernehmung nicht auch bei dieser Rüge, sondern nur zu der zuvor erhobenen
Rüge einer Verletzung des § 261 StPO vorgetragen hat.
Sost-Scheible Pfister von Lienen
Hubert Schäfer
5 StR 532/04

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 7. April 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen schweren Bandendiebstahls u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. April 2005

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29. April 2004 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zum Antrag des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: 1. Revision des Angeklagten S Die Begründung der Verfahrensrüge Nr. 2 (RB S. 33), aufgrund der verweigerten Aussetzung habe die Verteidigung das neu hinzugekommene Material nicht zur Kenntnis nehmen und keine Verteidigungsstrategie aufbauen können , legt vor dem Hintergrund der mit zahlreichen nachfolgenden Anträgen geführten Angriffe gegen die Festlegung der Angeklagten als Gesprächsteilnehmer der verlesenen Telefongespräche nicht konkret dar, daß die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden ist (vgl. BGH StV 2000, 248; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 338 Rdn. 59).
Die Ablehnung des Antrags, ein Gutachten eines Stimmsachverständigen einzuholen, belegt die tatsächliche Bedeutungslosigkeit in gerade noch ausreichender Weise (Verfahrensrüge Nr. 4; RB S. 101). Eine ins einzelne gehende Begründung des bisherigen Beweisergebnisses war vorliegend ausnahmsweise entbehrlich, weil es für alle Verfahrensbeteiligten auf der Hand lag.
Der Senat schließt aus, daß eine Behandlung des Inhalts der Einsatzbesprechungen der Observationsbeamten vom 12. und 24. März 2003 als Beweisantrag das Urteil hätte beeinflussen können (Revisionsrüge Nr. 9, RB S. 170 bis 179). Eine durch Observation festzustellende unauffällige Lebensweise des Angeklagten S in diesem Zeitraum ist für die Beweisführung offensichtlich bedeutungslos (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Ablehnung 1).
Soweit mit der Verfahrensrüge Nr. 18 geltend gemacht wird (RB S. 286), die Verlesung der Wortprotokolle der Telefongespräche Nr. 443 und 1490 verstoße gegen § 265 StPO und Art. 6 Abs. 1 MRK, ist die Rüge unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Ihre Begründung nimmt auf die „in diesem Sachzusammenhang ergangenen Anträge der Verteidigung, die Widersprüche und die Gerichtsbeschlüsse“ Bezug, deren Wortlaut in den Rügen Nr. 2 (RB S. 10 bis 33) und Nr. 19 (RB S. 287 bis 330) wiedergegeben seien. Dies reicht zur Begründung nicht aus. Es kann nicht Aufgabe des Revisionsgerichts sein, den Revisionsvortrag aus anderen Unterlagen jeweils an passender Stelle zu ergänzen und dabei auch noch den Sachzusammenhang selbst herzustellen (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Formerfordernis 1). Im übrigen wäre die Rüge auch offensichtlich unbegründet, weil Abschriften der beiden Telefongespräche dem Verteidiger fünf Tage vor deren Verlesung zur Verfügung gestellt worden sind (RB S. 274) und das Landgericht nicht verbindlich zugesagt hat, keine anderen als die schon vor der ausgesetzten Hauptverhandlung benannten Telefongespräche in die Hauptverhandlung einzuführen.
Der Senat kann der Verfahrensrüge Nr. 21, deren Begründung u. a. sinngemäß auf die Ausführungen bei der rechtlichen Würdigung in der Rüge Nr. 20 verweist, nicht die Beanstandung entnehmen, das Landgericht habe es unterlassen , über den bedingten Beweisantrag (RB S. 359) zu entscheiden.
Die Verfahrensrüge Nr. 22 (RB S. 363 f.), mit der beanstandet wird, das Landgericht habe eine Entscheidung über den Antrag unterlassen, einen Techniker des Landeskriminalamts zum Beweis einer mehrfachen Öffnung und einer Änderung des elektronisch gespeicherten Dokument s Gespräch Nr. 220 zu vernehmen, ist unbegründet. Zwar können die Verfahrensbeteiligten nicht wirksam auf die Beachtung der Vorschrift des § 244 Abs. 6 StPO verzichten. Sie können aber erklären, daß sie den Beweisantrag nicht aufrechterhalten (BGHR StPO § 244 Abs. 6 Entscheidung 2; BGH, Urt. vom 22. September 1993 – 2 StR 170/93). Eine solche Erklärung sieht der Senat in dem Verhalten des Angeklagten und seines Verteidigers, die nach Ablehnung einer Vielzahl von Anträgen und der im gleichen Antrag verlangten Inaugenscheinnahme und sachverständigen Begutachtung des aufgezeichneten Gesprächs Nr. 220 der Feststellung des Vorsitzenden, „daß keine weiteren Anträge zu entscheiden sind, weil alle dem Gericht vorgelegten Anträge beschieden sind“ (Prot. Bd. I Bl. 209 R), nicht widersprochen haben. Solches wäre hier aber schon deshalb geboten gewesen, weil auch Verteidiger verpflichtet sind, Mißverständnissen des Gerichts über den Umfang der von ihnen gestellten Anträge entgegenzutreten (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 30 m.w.N.).
2. Revision des Angeklagten M Die Begründung der Verfahrensrüge Nr. 1, die Verteidigung hätte bei rechtzeitiger Bereitstellung des Observationsbandes und aller Telefonprotokolle „die gesamte Verteidigungsstrategie anders mit dem Mandanten planen können“ (RB S. 57), legt nicht konkret dar, daß die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden ist (vgl. BGH StV 2000, 248; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 338 Rdn. 59).
Zur Verfahrensrüge Nr. 4 (RB S. 245 f.), mit der ebenso wie vom Angeklagten S beanstandet wird, das Landgericht habe eine Entscheidung über den Antrag unterlassen, einen Techniker des Landeskriminalamts zu vernehmen , nimmt der Senat auf die Ausführungen zur Verfahrensrüge Nr. 22 dieses Angeklagten Bezug.
3. Revision des Angeklagten K Der Senat weist darauf hin, daß das Landgericht der Aussage des Zeugen L im Kern eine pauschale Selbstbelastung des Angeklagten entnehmen durfte.
Harms Gerhardt Raum Brause Schaal

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 247/12
vom
21. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung am 21. März 2013,
an der teilgenommen haben:
Präsident des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Tolksdorf
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 2. März 2012 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus drei früheren Urteilen und Auflösung dort gebildeter Gesamtstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
2
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Der Angeklagte suchte am Morgen des 6. Mai 2009 einen Autohandel in Duisburg auf, um dessen Inhaber T. unter Verwendung eines Elektroschockgeräts zu berauben. Während vermeintlicher Verkaufsverhandlungen ging der Angeklagte auf den halb abgewandt stehenden T. zu und führte das eingeschaltete Elektroschockgerät in dessen Richtung. Da der Angegriffene sich wehrte, versetzte ihm der Angeklagte im Rahmen eines Kampfes schließlich Kniestöße ins Gesicht, die zu Frakturen des Nasenbeins sowie der Nasenhöhle führten und den Geschädigten kampfunfähig machten. Der Angeklagte entnahm sodann aus dessen Hosentaschen 3.600 €. Zudem nahm er die Jacke des Opfers an sich, in der sich ein Portemonnaie mit Bargeld befand.
4
Der Angeklagte hat sich zum Tatvorwurf nicht eingelassen. Zu seiner Täterschaft hat das Landgericht im Urteil ausgeführt, dass diese sich aus den DNA-Spuren ergebe, die an der Nylonschlaufe und der Batterie des vom Täter mitgebrachten Elektroschockgeräts sowie an einem vom Täter berührten Autoschlüssel festgestellt worden seien. Nach näherer Darstellung der jeweils acht untersuchten Merkmalsysteme hat die Strafkammer den Schluss gezogen, dass der Angeklagte der Spurenverursacher gewesen sei, da das für ihn bestimmte DNA-Identifizierungsmuster statistisch unter mehr als zehn Milliarden Personen kein zweites Mal vorkomme.
5
II. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedarf, dass das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten allein auf die Übereinstimmung von DNA-Merkmalen gestützt hat.
6
Die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatgericht übertragen (§ 261 StPO), das sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden hat. Dazu kann es zu seiner Überzeugungsbildung auch allein ein Beweisanzeichen heranziehen (vgl. hinsichtlich Fingerabdrücken bereits BGH, Urteil vom 11. Juni 1952 - 3 StR 229/52, juris Rn. 4 ff.; zu Schriftsachverständigengutachten BGH, Beschluss vom 24. Juni 1982 - 4 StR 183/82, NJW 1982, 2882, 2883). Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder sich so weit von einer festen Tatsachengrundlage entfernt, dass die gezogenen Schlussfolgerungen sich letztlich als reine Vermutungen erweisen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 6. Dezember 2007 - 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146, 147 mwN; vom 26. Juli 1990 - 4 StR 301/90, BGHR StGB § 306 Beweiswürdigung 3 mwN). Dabei gehören von gesicherten Tatsachenfeststellungen ausgehende statistische Wahrscheinlichkeitsrechnungen zu den Mitteln der logischen Schlussfolgerung, welche dem Tatrichter grundsätzlich ebenso offenstehen wie andere mathematische Methoden (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1989 - 4 StR 419/89, BGHSt 36, 320, 325). Nach diesen Prüfungsmaßstäben ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden.
7
1. Die hier festgestellte Übereinstimmung zwischen den Allelen des Angeklagten und auf Tatortspuren festgestellten Allelen in den acht untersuchten Systemen bietet angesichts der statistischen Häufigkeit des beim Angeklagten gegebenen DNA-Identifizierungsmusters eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Überzeugungsbildung des Tatgerichts.
8
Dabei ist davon auszugehen, dass es sich bei der Merkmalswahrscheinlichkeit (oder Identitätswahrscheinlichkeit) lediglich um einen statistischen Wert handelt. Dieser gibt keine empirische Auskunft darüber, wie viele Menschen tatsächlich eine identische Merkmalkombination aufweisen, sondern sagt lediglich etwas dazu aus, mit welcher Wahrscheinlichkeit aufgrund statistischer, von einer beschränkten Datenbasis ausgehender Berechnungen zu erwarten ist, dass eine weitere Person die gleiche Merkmalkombination aufweist. Diese Wahrscheinlichkeit lässt sich für die Bewertung einer festgestellten Merkmalsübereinstimmung heranziehen. Je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass zufällig eine andere Person identische Merkmale aufweist, desto höher kann das Tatgericht den Beweiswert einer Übereinstimmung einordnen und sich - gegebenenfalls allein aufgrund der Übereinstimmung - von der Täterschaft überzeugen (vgl. einerseits BGH, Urteil vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 324: Wahrscheinlichkeit von 1 : 6.937 reicht allein zum Nachweis der Täterschaft nicht aus; andererseits BGH, Beschluss vom 21. Januar 2009 - 1 StR 722/08, NJW 2009, 1159: Seltenheitswert im Millionenbereich, im konkreten Fall 1 : 256 Billiarden, kann ausreichen; vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ 2012, 403, 404; zur Vaterschaftsfeststellung BGH, Urteil vom 12. Januar 1994 - XII ZR 155/92, NJW 1994, 1348, 1349).
9
Dass sich auch bei einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit (selbst im Milliarden - oder Billionenbereich) wegen der statistischen Herangehensweise die Spurenverursachung durch eine andere Person niemals völlig ausschließen lässt, hindert das Tatgericht nicht daran, seine Überzeugungsbildung gegebenenfalls allein auf die DNA-Spur zu stützen; denn eine mathematische, jede andere Möglichkeit ausschließende Gewissheit ist für die Überzeugungsbildung nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - VI ZR 132/10, juris Rn. 8; Urteil vom 20. September 2011 - 1 StR 120/11, NStZ-RR 2012, 72, 73 mwN). Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt. Ob sich das Tatgericht allein aufgrund einer Merkmalübereinstimmung mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit von der Täterschaft zu überzeugen vermag, ist mithin vorrangig - wie die Beweiswürdigung ansonsten auch - ihm selbst überlassen (vgl. allgemein zur Bewertung des Beweiswerts einer DNA-Analyse durch das Tatgericht BVerfG, Beschluss vom 18. September 1995 - 2 BvR 103/92, NJW 1996, 771, 773 mwN; weitergehend zum Beweiswert BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a., BVerfGE 103, 21, 32). Im Einzelfall kann es revisionsrechtlich sowohl hinzunehmen sein, dass sich das Tatgericht eine entsprechende Überzeugung bildet, als auch, dass es sich dazu aufgrund vernünftiger Zweifel nicht in der Lage sieht.
10
Dem stehen die Urteile des 5. Strafsenats vom 21. August 1990 (5 StR 145/90, BGHSt 37, 157, 159) und 12. August 1992 (5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 322 ff.) nicht entgegen. Zum einen gingen die Entscheidungen insbesondere hinsichtlich der Anzahl der (damals lediglich drei) untersuchten Merkmale und des Stands der Untersuchungsabläufe von anderen Grundlagen aus. Zum anderen ist ihnen kein allgemeiner Rechtssatz zu entnehmen, dass das Ergebnis einer DNA-Analyse niemals allein zur Überzeugungsbildung von der Täterschaft ausreichen könne. Vielmehr weisen die Urteile darauf hin, dass einem Analyseergebnis kein unumstößlicher Beweiswert zukomme, der eine Gesamtschau der gegebenenfalls weiter vorhandenen be- und entlastenden Indizien entbehrlich mache. Dass dem Tatgericht generell versagt ist, dem als bedeutsames Indiz zu wertenden Untersuchungsergebnis die maßgebliche oder alleinige Bedeutung bei der Überzeugungsbildung beizumessen, ergibt sich daraus nicht. Hiervon ist auch der Senat in einer früheren Entscheidung (BGH, Beschluss vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12, BGHR StPO § 261 Identifizierung 21) nicht ausgegangen. Vielmehr hat er im Anschluss an die vorgenannte Rechtsprechung hervorgehoben, dass das Ergebnis eines DNAVergleichsgutachtens lediglich ein Indiz darstelle, das jedoch hinsichtlich der Spurenverursachung keinen zwingenden Schluss erlaube. Dies allein hindert indes das Tatgericht nicht, aus dem Ergebnis einen möglichen Schluss auf die Spurenverursachung und die Täterschaft zu ziehen.
11
2. Das Landgericht hat die Grundlagen zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit in einer Weise dargelegt, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Berechnung auf ihre Plausibilität ermöglicht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12, BGHR StPO § 261 Identifizierung 21 mwN). Dazu sind in den Urteilsgründen tabellarisch die acht untersuchten Merkmalsysteme und die Anzahl der Wiederholungen im Einzelnen aufgeführt worden. Der Senat sieht insofern - auch zur Klarstellung und Präzisierung seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12, aaO; vom 3. Mai 2012 - 3 StR 46/12, BGHR StPO § 261 Identifizierung 23; vom 15. Mai 2012 - 3 StR 164/12) - Anlass zu dem Hinweis, dass eine solche umfangreiche Darstellung grundsätzlich nicht erforderlich ist.
12
Das Tatgericht hat in den Fällen, in dem es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und ob die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291, 296 f.; vom 21. September 2004 - 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326). Dabei dürfen die Anforderungen , welche das Tatgericht an das Gutachten zu stellen hat, nicht mit den sachlichrechtlichen Anforderungen an den Inhalt der Urteilsgründe gleichgesetzt werden. Mögliche Fehlerquellen sind nur zu erörtern, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92, aaO, 297 f.). Dies beeinträchtigt die Rechtsposition des Angeklagten nicht, da er etwaige Fehler des Sachverständigengutachtens sowohl in der Hauptverhandlung als auch mit der Verfahrensrüge im Revisionsverfahren geltend machen kann.
13
Danach reicht es für das Revisionsgericht zur Überprüfung, ob das Ergebnis einer auf einer DNA-Untersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung plausibel ist, im Regelfall aus, wenn das Tatgericht mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob diese unabhängig voneinander vererbbar sind (und mithin die Produktregel anwendbar ist), ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalkombination zu erwarten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ 2012, 403, 404; vom 7. November 2012 - 5 StR 517/12, NStZ 2013, 179; zu ggf. geringeren Anforderungen bei einer Vielzahl weiterer gewichtiger Indizien BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012 - 1 StR 377/12, NStZ 2013, 179, 180). Sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ist zudem darzulegen, inwieweit dies bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war.
14
3. Die weitere Darstellung der Beweiswürdigung ist hier nicht lückenhaft, auch wenn die Urteilsgründe keine ausdrückliche Gesamtwürdigung aller beweiserheblichen Umstände enthalten. Zwar hat das Tatgericht zu beachten, dass die (durch eine DNA-Analyse ermittelte) hohe Wahrscheinlichkeit einer Spurenverursachung durch den Angeklagten eine Würdigung aller Beweisumstände gerade mit Blick auf die bloß statistische Aussagekraft nicht überflüssig macht (vgl. BGH, Urteile vom 27. Juli 1994 - 3 StR 225/94, NStZ 1994, 554, 555; vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 324; zur Vaterschaftsfeststellung BGH, Urteil vom 3. Mai 2006 - XII ZR 195/03, BGHZ 168, 79, 82 f.). Allerdings hängt das Maß der gebotenen Darlegung in den Urteilsgründen von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab; dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt (etwa BGH, Urteil vom 16. März 2004 - 5 StR 490/03, juris Rn. 11). Nach den konkreten Umständen sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, welche den Beweiswert der Merkmalübereinstim- mung schmälern oder allgemein gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechen könnten und daher in der Beweiswürdigung näher zu erörtern gewesen wären.
15
4. Schließlich hat das Landgericht den Zusammenhang zwischen den DNA-Spuren und der Tat ausreichend dargelegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ 2012, 403, 404; vom 23. Oktober 2012 - 1 StR 377/12, NStZ 2013, 179, 180).
PräsBGH Prof. Dr. Tolksdorf Pfister Schäfer ist urlaubsbedingt an der Unterschriftsleistung gehindert. Pfister Mayer Gericke
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Zu den Anforderungen an die Annahme einer faktischen Geschäftsführerstellung
gegenüber einem abhängigen Unternehmen.
BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2012 – 5 StR 407/12
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 13. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Dezember 2012

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten N. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. Dezember 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben, soweit es ihn betrifft; die Feststellungen hierzu – mit Ausnahme derjenigen zum Verhältnis des Angeklagten zur Gesellschafterin der A GmbH – bleiben bestehen.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung hat es von der Gesamtfreiheitsstrafe drei Monate als vollstreckt erkannt. Die Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts errichtete der Angeklag- te die „S. Unternehmensgruppe“, deren Geschäftsgegenstanddie Sanierung und Vermarktung von Immobilien war. Im Tatzeitraum war er Geschäftsführer der V. A. GmbH, die als Komplementärin in verschiedenen und für jedes Bauvorhaben gesondert gegründeten Kommanditgesellschaften (nachfolgend: Bauherren-KG’s) fungierte. Die Bauherren-KG’s beauftragten als Generalübernehmer für Sanierungsarbeiten die A. GmbH, deren bestellte Geschäftsführerin im Tatzeitrum die Mitangeklagte Ne. war. Gesellschafterin der A. GmbH war die C. GmbH mit im Tatzeitraum wechselnden Alleingesellschaftern.
3
Zur Durchführung der Bauvorhaben beauftragte die A. GmbH ihrerseits Generalunternehmer und verschiedene Subunternehmer, wobei sie faktisch als „Schutzschild vor den Bauherren-KG’s“ (UA S. 8) agierte, um die Ansprüche der unbezahlten oder nur zum Teil bezahlten Leistungserbringer abzufangen. Sie erteilte teilweise Aufträge, ohne dass die Absicht bestand, diese vollständig zu bezahlen. Überdies veranlasste die A. GmbH kleine und unerfahrene Handwerksunternehmen dazu, trotz Ausbleibens ihrer Bezahlung weitere Leistungen zu erbringen. Die Bauherren-KG’s finanzierten die Vorhaben durch Darlehen, die auf der Grundlage von Abschlagsrechnungen der A. GmbH direkt an die Generalübernehmerin ausgezahlt wurden. Von diesen Beträgen überwies die Mitangeklagte Ne. auf Veranlassung des Angeklagten und einem gemeinsamen Tatplan entsprechend größere Summen aufgrund rechtsgrundloser Stornierungen der Abschlagsrechnungen direkt an die Bauherren-KG’s. Den Angeklagten war dabei bewusst, dass der stornierte Betrag nicht ausgeglichen werden würde und die Stornierung deshalb einen Verzicht auf die Forderung bedeutete. Durch die so veranlassten Stornierungen geriet die A. GmbH selbst zunehmend in Liquiditätsschwierigkeiten und konnte Handwerksleistungen nicht mehr bezahlen; letztlich führten sechs Stornierungen bzw. Rücküberweisungen der Abschlagsbeträge im Zeitraum vom 13. April 2004 bis 23. August 2005 über einen Betrag von insgesamt mehr als 820.000 € (Taten 1 bis 6, UA S. 11) zur Insolvenz der A. GmbH, was die Angeklagten zumindest billigend in Kauf nahmen.
4
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte faktischer Geschäftsführer der A. GmbH war und seine Vermögensbetreuungspflicht ihr gegenüber verletzt habe, indem er die Mitangeklagte Ne. zu den rechtsgrundlosen Stornierungen (Taten 1 bis 6) angewiesen habe. Er habe „im Einverständnis mit dem jeweiligen Gesellschafter die Stellung des Geschäftsführers tatsächlich eingenommen, indem er den wesentlichen Teil der klassischen Kernbereiche der Unternehmung bestimmt habe“; seine tat- sächliche Verfügungsmacht habe sich daraus ergeben, dass die Mitangeklagte Ne. – wie er gewusst habe – seinen Anweisungen stets loyal gefolgt sei (vgl. UA S. 59).
5
2. Die Verurteilung wegen Untreue hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen tragen nicht die Annahme, dass der Angeklagte gegenüber der A. GmbH vermögensbetreuungspflichtig nach § 266 Abs. 1 StGB war.
6
Grundlage einer Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB kann neben Gesetz, behördlichem Auftrag oder Rechtsgeschäft auch ein sogenanntes „tatsächliches Treueverhältnis" sein. Ein solches „tat- sächliches Treueverhältnis“ kann dadurch begründet sein, dass der Betreffende die organschaftlichen Aufgaben eines Geschäftsführers übernommen und diese ausgeführt hat (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 266 Rn. 40, 42; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 266 Rn. 61, 65). Daneben kann aus einer tatsächlichen Übernahme eines nicht ganz unbedeutenden Pflichtenkreises – ohne dass eine faktische Organstellung vorliegen muss – eine Vermö- gensbetreuungspflicht auch dadurch begründet werden, dass der Betreffende diese Interessen wahrnimmt und der Vermögensinhaber auf die pflichtgemäßeWahrnehmung vertrauen darf (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1999 – 3StR 188/99, NStZ 1999, 558). Dass eine der beiden vorgenannten Voraussetzungen hier vorliegt, belegen die Feststellungen indes nicht.
7
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist als Geschäftsführer auch derjenige anzuerkennen, der die Geschäftsführung mit Einverständnis der Gesellschafter ohne förmliche Bestellung faktisch übernommen hat, tatsächlich ausübt und gegenüber dem formellen Geschäftsführer eine überragende Stellung einnimmt oder zumindest das deutliche Übergewicht hat (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 1952 – 1 StR 153/52, BGHSt 3, 32, 37 f., vom 22. September 1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118, 122, und vom 10. Mai 2000 – 3 StR 101/00, BGHSt 46, 62, 64 f.).
8
Den Urteilsgründen lässt sich zwar entnehmen, dass der Angeklagte tatsächlich einen erheblichen Einfluss gegenüber der bestellten Geschäftsführerin der A. GmbH hatte, die nahezu keine eigenständigen Entscheidungen getroffen hat. Dies reicht aber für sich genommen nicht aus, um eine faktische Organstellung zu begründen. Im vorliegenden Fall fehlten dem Angeklagten nämlich die für eine organschaftliche Stellung typischen Befugnisse. Die Feststellungen ergeben nicht, dass er etwa eine Bankvollmacht hatte, oder im Außenverhältnis Pflichten übernahm, die typischerweise mit der Stellung eines Organs verbunden sind (wie etwa gegenüber Sozialversicherungsträgern oder Finanzbehörden). Sind dem Betreffenden solche Kompetenzen nicht übertragen, spricht dies indiziell gegen die Annahme einer faktischen Geschäftsführung, weil sie zu den Essentialien einer Organstellung zählen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2005 – II ZR 113/03, ZIP 2005, 1414).
9
Die Urteilsgründe legen nicht dar, dass dem Angeklagten entsprechende auf das Außenverhältnis bezogene Befugnisse jedenfalls faktisch übertragen wurden. Die insoweit pauschale Feststellung, der Angeklagte ha- be „im Einvernehmen mit der Gesellschafter-GmbHvon Anfang an die Stellung des Geschäftsführers“ eingenommen (UA S. 12), wird nicht näher begründet. Die Urteilsgründe ergeben zwar, dass der Angeklagte die Geschäftsführerin der A. GmbH eingestellt hat (UA S. 3, 54) und die Gesellschafterin keinen Einfluss auf die Geschäftsführung der A. GmbH genommen , sondern die Mitangeklagte Ne. zu Fragen der Geschäftsfüh- rung auf den Angeklagten verwiesen hat (UA S. 52). Die Feststellungen verhalten sich indes nicht dazu, in welchem Verhältnis der Angeklagte zu der Gesellschafterin der A. GmbH stand und aus welchen Gründen und in welchem Umfang ihm eine derartige Machtposition – möglicherweise auch gegenüber der Gesellschafterin – eingeräumt worden sein soll. Dies wäre auch deshalb erörterungsbedürftig gewesen, weil das Landgericht die Anweisungen des Angeklagten zu den rechtgrundlosen Stornierungen als pflichtwidrig gewertet hat, für die kein Einverständnis der Gesellschafterseite bestanden hat (vgl. UA S. 52).
10
Allerdings hat die Rechtsprechung es im Einzelfall auch ausreichen lassen, wenn der faktische Geschäftsführer den förmlich bestellten Geschäftsführer anweisen kann und er durch ihn die Geschäftspolitik des Unternehmens tatsächlich bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember1997 – 4 StR 323/97, StV 1998, 416; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. Februar 2002 – IIZR 196/00, BGHZ 150, 61). Beruht die Macht des Dritten allein darauf, dass er sich gegenüber dem formellen Geschäftsführer in den wesentlichen unternehmerischen Fragen durchsetzen kann, bedarf das Verhältnis zur Gesellschafterebene vertiefter Betrachtung. Diesem Erfordernis werden die Urteilsgründe gleichfalls nicht gerecht. Dass ein außenstehender Dritter, der weder Mitgesellschafter noch Angestellter ist, sondern vielmehr auf der Seite des – wenngleich wirtschaftlich einflussreichen – Auftraggebers steht, über seine wirtschaftliche Macht als Auftraggeber hinaus ermächtigt ist, die Geschäfte seines Vertragspartners zu führen und damit auch verpflichtet ist, dessen Vermögensinteressen zu schützen, erklärt sich aufgrund der bloß faktischen Einflussnahme nicht selbst. Vielmehr wird in solchen Fällen der Abhängigkeit des Geschäftspartners die übermächtige Vertragsgegenseite häufig die Geschäftstätigkeit des abhängigen Geschäftspartners bestimmen können. Dies genügt aber nicht für die Annahme einer „faktischen Geschäfts- führung“, auch weil ansonsten der Angeklagte gegenläufigen Vermögens- pflichten, nämlich für den Vertragspartner und das eigene Unternehmen, ausgesetzt wäre. Derjenige, der im Rahmen von schuldrechtlichen Bezie- hungen jedoch eigene Interessen im Wirtschaftsleben verfolgt, kann nicht die Vermögensinteressen der anderen Vertragspartei wahrnehmen. Deshalb sollen grundsätzlich auch nur fremdnützig typisierte Schuldverhältnisse mit Geschäftsbesorgungscharakter Treuepflichten begründen können (vgl. LK-Schünemann, aaO Rn. 75 f.; Fischer, aaO Rn. 38 und vgl. auch BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 – 5 StR 73/03; BGHSt 49, 147, 155, und Beschluss vom 2. April 2008 – 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182, 186 f.).
11
Um vorliegend bewerten zu können, dass der Angeklagte im „Einver- nehmen“ mit der Gesellschafterin die Geschäfte für die A. GmbH faktisch geführt hat, hätte es einer eingehenden Darlegung der Hintergründe sowie der Art und des Umfanges dieses „Einvernehmens“ bedurft. Maßgeblichist, dass der Angeklagte in die Gesellschafterebene hinein über ein solches Machtpotential verfügt, das ihn in die Lage versetzt, die Unternehmensentscheidungen zu determinieren. Eine solche weitgehende Beherrschung wird regelmäßig gegeben sein, wenn die Gesellschafterin der A. GmbH für ihn handelt. Dies setzt grundsätzlich entweder eine persönliche Abhängigkeit oder aber ein aus anderen Gründen einverständliches Zusammenwirken mit ihr voraus, die es rechtfertigen, die A. GmbH als gleichsam abhängige und unselbständige Strohmannfirma für das Unternehmen des Angeklagten zu sehen. Nur dann kann dem Angeklagten auch eine weitere Vermögensbetreuungspflicht auferlegt werden (vgl. zu den Pflichtenstellungen im faktischen GmbH-Konzern: BGH, Urteil vom 10. Juli 1996 – 3 StR 50/96, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 25). Ob eine entsprechende Abhängigkeit der Gesellschafterin der A. GmbH oder ein Zusammenwirken mit ihr vorlag, bleibt indes unerörtert und kann ohne nähere Kenntnis der Beziehungen des Angeklagten zur Gesellschafterebene der A. GmbH nicht beurteilt werden.
12
b) Unabhängig davon, ob dem Angeklagten aufgrund der Reichweite seiner Einflussnahme tatsächlich eine faktische Organstellung innerhalb der A. GmbH zukam, genügen die bisher getroffenen Feststellungen auch im Übrigen nicht zur Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht. Zwar knüpft der Treubruchtatbestand des § 266 Abs. 1 StGB nicht an die formale Position als Geschäftsführer, sondern an die tatsächliche Verfügungsmacht über ein bestimmtes Vermögen an, wenn damit ein schützenswertes Vertrauen in die pflichtgemäße Wahrnehmung der Vermögensinteressen verbunden ist (vgl. BGH, Urteile vom 10. Juli 1996 – 3 StR 50/96 aaO, und vom 14. Juli1999 – 3 StR 188/99, NStZ 1999, 558, Fischer aaO Rn. 33). Feststellungen dazu, ob und inwieweit dem Angeklagten das Vermögen der A. GmbH von Sei- ten ihrer Gesellschafterin unterhalb der Geschäftsführerebene „anvertraut“ worden ist und eine Vermögensbetreuungspflicht besteht, hat das Landgericht indes nicht getroffen. Es kann aus den bereits unter a) angeführten Gründen nicht beurteilt werden, ob dem Angeklagten von Gesellschafterebene faktisch eine weitgehende Betriebsführung eingeräumt worden ist oder ob lediglich in einer Vielzahl von Einzelentscheidungen seiner wirtschaftlichen Machtstellung als Organ des praktisch einzigen Geschäftspartners jeweils nachgegeben wurde.
13
3. Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer tatgerichtlicher Sachaufklärung und Prüfung. Die Feststellungen – mit Ausnahme derjenigen zum Verhältnis des Angeklagten zur Gesellschafterin der A. GmbH – können bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann weitere Feststellungen treffen, soweit sie den aufrechterhaltenen nicht widersprechen.
Raum für den wegen Urlaubs Schneider an der Unterschriftsleistung gehinderten RiBGH Schaal Raum Dölp Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

 

Tenor:


Auf die Revision des Beklagten zu 1 wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als dieser verurteilt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

GmbHG § 43 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 2; StGB § 266

 

Tatbestand:

Der Kläger führt im Auftrag der I. in Deutschland den sog. Banksettlement Plan (BSP) durch; im Rahmen dieses vereinheitlichten Systems zur Vereinfachung von Verkauf, Abrechnung und Verwaltung von Flugpassagen zwischen den der I. angehörenden Luftverkehrsgesellschaften und den Verkaufsagenturen oblag dem Kläger u. a. der turnusmäßig einmal im Monat stattfindende Einzug der von den Agenturen aus den Ticketverkäufen vereinnahmten Gelder. Nach den Agenturverträgen waren sämtliche derartigen Einnahmen "Eigentum und Besitz der Fluggesellschaft" und "dem Agenten für oder im Namen der Fluggesellschaft solange zur Verwahrung anvertraut, bis über sie eine zufriedenstellende Rechenschaft abgelegt worden ist und eine Abrechnung stattgefunden hat". Die I. hatte einen solchen Agenturvertrag über den Verkauf von Flugtickets auch mit der B. GmbH (nachfolgend: B. GmbH) abgeschlossen.

Deren Geschäftsführer und zugleich Minderheitsgesellschafter mit einer Beteiligung von 24, 5 % war der Beklagte zu 2; ihre Mehrheitsgesellschafterin mit einem Geschäftsanteil von 51 % war die F. GmbH (nachfolgend: F. GmbH), deren Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Beklagte zu 1 war.

Im Herbst 1993 geriet die B. GmbH in finanzielle Schwierigkeiten, die dazu führten, daß sie abredewidrig die für die I. und deren Mitglieder vereinnahmten Gelder aus Ticketverkäufen zur Deckung ihrer laufenden – die Einnahmen übersteigenden – Ausgaben verwendete; dies verdeckte sie dadurch, daß sie jeweils im Abrechnungszeitpunkt am 15. des Monats anstelle der verbrauchten Einnahmen der abzurechnenden Periode auf ihrem Konto bereits vereinnahmte Gelder des folgenden Abrechnungszeitraums für die turnusmäßige Abbuchung des Klägers bereitstellte. Nach einem Krisengespräch vom 14. Oktober 1993 zwischen den beiden Beklagten und weiteren Hinweisen des Steuerberaters über die immer prekärer werdende finanzielle Lage der B. GmbH erklärte der Beklagte zu 2 zwar zunächst dem Beklagten zu 1 gegenüber die Niederlegung seines Amtes, wurde jedoch in der Folgezeit weiterhin als Geschäftsführer für die B. GmbH tätig. Trotz einer vom Beklagten zu 1 Ende Dezember 1993 zum Zwecke der Abwendung der Überschuldung abgegebenen Rangrücktrittserklärung für Forderungen gegen die B. GmbH sah sich der Beklagte zu 2 am 21. Januar 1994 gezwungen, für die Gesellschaft Konkursantrag zu stellen. Daraufhin stellte die I. unter dem 24. Januar 1994 bei der B. GmbH ihre Tickets sicher und entzog ihr die I.-Verkaufslizenz. Auf Betreiben des Beklagten zu 1 wurde auf einer Gesellschafterversammlung der B. GmbH am 26. Januar 1994 die – später von der Mitgesellschafterin Y. mit Erfolg angefochtene – Abberufung des Beklagten zu 2 als Geschäftsführer und die Bestellung des Beklagten zu 1 zum neuen Geschäftsführer beschlossen. Nachdem der Beklagte zu 1 Ende Januar 1994 die Schließung des Büros der B. GmbH veranlaßt hatte, nahm er am 1. Februar 1994 den Konkursantrag zurück. Am 14. Februar 1994 buchte der Kläger die Forderung aus den Ticketverkäufen für den letzten Abrechnungszeitraum (Januar 1994) in Höhe von 330.295,92 DM vom Konto der B. GmbH ab, jedoch erfolgte bereits eine Woche später die Rückbuchung mangels Deckung des Kontos. Am 21. Februar 1994 wurde schließlich der Beklagte zu 2 wirksam als Geschäftsführer der B. GmbH abberufen und der Beklagte zu 1 zu ihrem neuen Geschäftsführer bestellt.


Der Kläger nimmt wegen der – bislang unbeglichen gebliebenen – Forderung für Januar 1994 beide Beklagten als Gesamtschuldner aus dem Gesichtspunkt einer – angeblich nebentäterschaftlich begangenen – Untreue gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 Abs. 1 StGB auf Schadensersatz in Anspruch; dabei macht er in bezug auf den Beklagten zu 1 geltend, dieser sei als faktischer Geschäftsführer der B. GmbH – neben dem Beklagten zu 2 als ihrem satzungsmäßigen Vertreter – für die Veruntreuung der vereinnahmten Treuhandgelder verantwortlich. Das Landgericht hat der Klage gegen den Beklagten zu 2 stattgegeben, sie jedoch hinsichtlich des Beklagten zu 1 abgewiesen, weil die Voraussetzungen einer faktischen Geschäftsführung nicht vorgelegen hätten. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zu 2 zurückgewiesen, hingegen auf die Berufung des Klägers auch den Beklagten zu 1 antragsgemäß verurteilt und im übrigen die Revision insgesamt nicht zugelassen. Ein dagegen gerichtetes Prozeßkostenhilfegesuch des Beklagten zu 2 hat der Senat – bestandskräftig – zurückgewiesen, während er auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten zu 1 dessen Revision zugelassen hat.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten zu 1 ist begründet und führt – soweit dieser verurteilt worden ist – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat in bezug auf die Verurteilung des Beklagten zu 1 ausgeführt:

Der Beklagte zu 1 hafte dem Kläger gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 2 auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung, weil er spätestens seit Oktober 1993 bis zu seiner Bestellung am 21. Februar 1994 als faktischer Geschäftsführer der B. GmbH anzusehen sei und daher als Nebentäter i. S. des § 266 StGB für die Veruntreuung der der Gesellschaft treuhänderisch anvertrauten Einnahmen aus dem Verkauf der I.-Tickets verantwortlich sei.

Seine Stellung als faktischer Geschäftsführer ergebe sich daraus, daß er als Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der F. GmbH, die als Mehrheitsgesellschafterin die B. GmbH beherrscht habe, selbst dominierenden Einfluß auf die Geschäftsführung der B. GmbH ausgeübt habe; denn er habe "letztlich das Sagen" im Gesamtkonzern gehabt. Faktisch habe er als Geschäftsführer der Mehrheitsgesellschafterin den Beklagten zu 2 als den satzungsmäßig bestellten Vertreter der B. GmbH entmachtet, weil dieser ihn nach dem Krisengespräch vom 14. Oktober 1993 bei allen wesentlichen Geschäftsmaßnahmen, insbesondere Geldbewegungen über 5.000,00 DM, habe informieren müssen; darüber hinaus habe der Beklagte zu 1 später sogar eine andere Person als kommissarischen Geschäftsführer in der B. GmbH eingesetzt. Im übrigen habe sich die B. er Gesellschaft bei den zentralen wirtschaftlichen Entscheidungen wie Preiskalkulation, Werbung und Abrechnung nach den Vorgaben der vom Beklagten zu 1 beherrschten F. er Muttergesellschaft richten müssen, die auch Abbuchungsvollmachten für die Konten der B. GmbH gehabt habe und daher ihre Forderungen intern leicht habe durchsetzen können.

II.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die vom Berufungsgericht aufgeführten Einzelheiten bezüglich des Verhaltens und der Stellung des Beklagten zu 1 nicht die Voraussetzungen erfüllen, unter denen von einem "faktischen Organ" gesprochen werden kann.

1.

Nach der ständigen Senatsrechtsprechung kommt es für die Beurteilung der Frage, ob jemand faktisch wie ein Organmitglied gehandelt und als Konsequenz seines Verhaltens sich wie ein nach dem Gesetz bestelltes Organmitglied zu verantworten hat, auf das Gesamterscheinungsbild seines Auftretens an. Danach ist es allerdings nicht erforderlich, daß der Handelnde die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt. Entscheidend ist vielmehr, daß der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft – über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus – durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat (BGHZ 150, 61, 69 f.; BGHZ 104, 44, 48).

Das hat das Berufungsgericht verkannt. Denn seinen Feststellungen lassen sich lediglich (interne) Einwirkungen und Weisungen des Beklagten zu 1 als Konzernherr "auf" die Geschäftsführung der – von der F. GmbH beherrschten – B. GmbH, nicht hingegen ein – darüber hinaus erforderliches – maßgebliches eigenes Handeln des Beklagten zu 1 mit Außenwirkung für die B. GmbH entnehmen.

So stellen die vom Berufungsgericht besonders hervorgehobenen Maßnahmen, wie die dem Beklagten zu 2 auferlegte Pflicht zur Berichterstattung bei wesentlichen Geschäftsmaßnahmen und Geldbewegungen, die angebliche spätere Entmachtung des Beklagten zu 2 als Geschäftsführer der B. GmbH, ferner die zentrale Steuerung der Werbung, der Preiskalkulation und -festsetzung sowie des Abrechnungssystems der B. GmbH und der weiteren abhängigen Gesellschaften durch die F. GmbH, lediglich gesellschafts- oder konzerninterne Einwirkungen des als Geschäftsführer der Konzernspitze handelnden Beklagten zu 1 dar, die nicht zugleich auch dessen Stellung als faktischer Geschäftsführer bei der Tochtergesellschaft begründen; das gilt selbst dann, wenn durch die Intensität der Einwirkungen der Beklagte zu 2 als deren satzungsmäßiger Geschäftsleiter zu einem "reinen" Befehlsempfänger "degradiert" worden sein sollte (vgl. Senat, BGHZ 150, 61, 69).
Nichts anderes gilt für die Feststellung des Berufungsgerichts, die F. GmbH habe für die Konten der B. GmbH Abbuchungsvollmachten gehabt und habe daher ihre Forderungen intern leicht durchsetzen können.

Auch eine solche Abrechnungsmöglichkeit verdeutlicht schon nach der eigenen Wertung des Berufungsgerichts allenfalls, "daß es sich bei der B. GmbH um eine von der F. GmbH und damit – mittelbar – vom Beklagten zu 1 abhängige Tochterfiliale gehandelt hat". Zwar mag es sein, daß – wie die Revisionserwiderung geltend macht – das Gebrauchmachen von solchen Abbuchungsvollmachten auch bestimmte Außenwirkungen im Verhältnis zur kontoführenden Bank zeitigt; indessen hat das Berufungsgericht nach dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme keine sicheren Feststellungen dazu treffen können, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die F. GmbH (ungerechtfertigt) zu Lasten der B. GmbH Abbuchungen von deren Konten vorgenommen hat. Daß etwa gerade der Beklagte zu 1 persönlich derartige Abbuchungen "per Hand" – noch dazu in einem die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans der B. er GmbH nachhaltig prägenden Maße – getätigt hat, steht ebensowenig fest.

2.

Da mithin ein täterschaftliches Verhalten des Beklagten zu 1 i. S. des § 266 StGB bereits deshalb ausscheidet, weil er auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kein faktischer Geschäftsführer der B. GmbH war, kommt es für den Erfolg der Revision nicht mehr darauf an, ob zudem – wie der Kläger rügt – eine selbständige Tathandlung oder Unterlassung des Beklagten zu 1 im Sinne des Untreuetatbestandes sowie der für § 266 StGB mindestens erforderliche bedingte Vorsatz nicht hinreichend festgestellt worden sind.

III.

Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht im Endergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (vgl. § 561 ZPO).

Zwar ist nach dem Zusammenhang der bisherigen Feststellungen anstelle einer selbständigen nebentäterschaftlichen Untreuehandlung des Beklagten zu 1 dessen Teilnahme als Anstifter oder Gehilfe an der vom Beklagten zu 2 als satzungsmäßigem Geschäftsführer der B. GmbH täterschaftlich begangenen Untreue und damit seine gesamtschuldnerische Verantwortlichkeit für den daraus resultierenden Schaden gemäß § 830 BGB ernsthaft zu erwägen. Jedoch fehlen derzeit ausreichende Feststellungen, um die Verurteilung des Beklagten zu 1 aus diesem – offensichtlich weder von den Parteien noch vom Tatrichter in Betracht gezogenen – anderen rechtlichen Gesichtspunkt aufrechterhalten zu können.

IV.

Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es unter dem Aspekt einer etwaigen Teilnahme des Beklagten zu 1 an der vom Beklagten zu 2 täterschaftlich begangenen unerlaubten Handlung (§ 830 BGB i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB, § 266 StGB) – ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien – die erforderlichen, evtl. auch die den Einwänden der Revision nachgehenden, weiteren Feststellungen treffen kann.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
____________________
Vergibt der Vorstand einer Aktiengesellschaft aus deren Vermögen Zuwendungen
zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen oder Sport, genügt für die Annahme
einer Pflichtwidrigkeit im Sinne des Untreuetatbestandes des § 266 StGB
nicht jede gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung; diese muß vielmehr gravierend
sein.
Ob eine Pflichtverletzung gravierend ist, bestimmt sich aufgrund einer Gesamtschau
insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Kriterien. Bedeutsam sind dabei: Fehlende
Nähe zum Unternehmensgegenstand, Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags
- und Vermögenslage, fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie Vorliegen
sachwidriger Motive, namentlich Verfolgung rein persönlicher Präferenzen.
Jedenfalls dann, wenn bei der Vergabe sämtliche dieser Kriterien erfüllt sind, liegt
eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB vor.
BGH, Urt. vom 6. Dezember 2001 - 1 StR 215/01 - LG Offenburg

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 215/01
vom
6. Dezember 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Untreue u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
4. Dezember 2001 in der Sitzung am 6. Dezember 2001, an denen teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten K.
- in der Verhandlung -,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten S. ,
Justizangestellte und
Justizangestellte
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 29. Dezember 2000 im Ausspruch über die Gesamtgeldstrafen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Untreue in zehn Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 150 DM verurteilt. Den Angeklagten S. hat es wegen Untreue in vier Fällen und wegen Anstiftung zur Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 200 DM verurteilt und ihn wegen eines weiteren Teilkomplexes freigesprochen. Gegen dieses Urteil richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Eine im Revisionsverfahren vorgenommene
Verfahrensbeschränkung führt zur Aufhebung der Gesamtgeldstrafen; im übrigen sind die Revisionen nicht begründet.

A.


Der Angeklagte K. war von 1973 bis Oktober 1998 Vorstandsvorsitzender der Südwestdeutschen Verkehrs AG (künftig: SWEG) mit Sitz in Lahr. Alleinaktionär der Gesellschaft ist das Land Baden-Württemberg. Das Tätigkeitsgebiet des Verkehrsunternehmens erstreckt sich von Lörrach über die Ortenau und das Rhein-Neckar-Gebiet bis nach Bad Mergentheim. Zur wirtschaftlichen Lage hat das Landgericht festgestellt:
Das Stammkapital betrug am 14. September 1971 5.081.000,00 DM. Im Dezember 1991 erfolgte eine Erhöhung auf 10.081.000,00 DM. 1992 und 1993 wies die SWEG ausweislich den Gewinn- und Verlustrechnungen jährliche Fehlbeträge von 10 bzw. 5,4 Mio. DM auf, 1994 wurde dann ein Jahresüberschuß von 253.000,00 DM erwirtschaftet, der 1995 auf 284.000,00 DM und 1996 auf 351.000,00 DM gesteigert werden konnte. 1992 betrug die ausgewiesene Bilanzsumme 166 Mio. DM, 1996 173 Mio. DM. Der nicht durch Eigenkapital gedeckte jährliche Bilanzverlust verringerte sich von 13,5 Mio. DM im Jahr 1992 über 8,6 Mio. DM auf rd. 4 Mio. DM zum Jahresende 1996.
Der Angeklagte S. war seit 1989 Wirtschaftsminister des Landes Baden-Württemberg, wechselte 1992 als Minister ins Verkehrsministerium und wurde ab 1996 nach der Vereinigung zweier Ministerien Umwelt- und Ver-
kehrsminister. In seiner Eigenschaft als Verkehrsminister wurde er turnusmäßig zum 1. Januar 1996 zum Aufsichtsratsvorsitzenden der SWEG gewählt. Von dem Ministeramt trat er im Oktober 1998 zurück und ist heute als Rechtsanwalt in Reutlingen tätig.
Der Angeklagte S. war seit November 1995 auch Präsident des Sportvereins SSV Reutlingen. Der Verein hatte seit 1993 finanzielle Probleme. Bereits in den 80er Jahren hatte der Angeklagte eine Vielzahl von Sponsoren aus dem Bereich der Wirtschaft dazu gebracht, dem Verein Darlehen oder Spenden zukommen zu lassen.

B.


I.


Zu dem Komplex II. 1a bis c (SSV Reutlingen) hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
1. Mitte des Jahres 1995 trat der Angeklagte S. an den Angeklagten K. als Vorstandsvorsitzenden der SWEG heran und forderte ihn zu einer Spende für den SSV Reutlingen auf. Zu dieser Zeit stand bereits fest, daß der Angeklagte S. in absehbarer Zeit turnusmäßig den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden bei der SWEG übernehmen würde. Der Angeklagte K. ließ daraufhin einen Betrag von 25.000 DM von der Hauptkasse der SWEG auf das Konto der Sekretariatskasse überweisen, die überwiegend für Barausgaben für die Mitglieder des Aufsichtsrats und ähnliche Aufwendungen
bestimmt war. Die Sekretariatskasse lief nicht über die Hauptbuchhaltung. Seine Sekretärin hob einen Betrag von 20.000 DM ab und der AngeklagteK. übergab dem Angeklagten S. das Geld, das - wie dieser wuûte - aus dem Vermögen der SWEG stammte, in einem neutralen Briefumschlag in einem Hotel in Reutlingen. Dem Angeklagten S. war bewuût, daû allein seine Aufforderung den Angeklagten K. zu der Spende veranlaûte, weil K. sich ihm als Verkehrsminister und künftigen Vorsitzenden des Aufsichtsrates gewogen zeigen und ihm einen Gefallen erweisen wollte. Der Angeklagte K. lieû zur Verbuchung des Betrages für die Hauptkasse einen Beleg mit dem Vermerk: “Zuwendung für Jugendarbeit des SSV Reutlingen” erstellen. Der Angeklagte S. hinterlegte die 20.000 DM in zwei Briefumschlägen in dem Hotel in Reutlingen, wo sie von einer Mitarbeiterin des Reutlinger Wochenblattes , dessen Anzeigenleiter für die Herausgabe der Stadionzeitung und Werbemaûnahmen verantwortlich war, abgeholt wurde. Die Briefe wurden in den Verlagsräumen in das Fach des SSV Reutlingen gelegt, wo sie von nicht näher festzustellenden Verantwortlichen des Vereins abgeholt wurden. Die weitere Verwendung der Gelder konnte nicht aufgeklärt werden; in den Geschäftsbüchern des Vereins erfolgte keine Verbuchung.
2. Im Januar 1996 war der Angeklagte S. zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats der SWEG gewählt worden. Er erbat vom Angeklagten K. eine weitere Zahlung von 15.000 DM für den Sportverein. Der Angeklagte K. wollte dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden wiederum einen Gefallen erweisen. Die Beschaffung des Betrages erfolgte erneut über das Konto der Sekretariatskasse. Der Angeklagte K. übergab das Geld in bar an den Angeklagten S. in einem Restaurant in Freudenstadt. Auf dem Beleg für die Buchhaltung war als Zweck auch diesmal die Jugendarbeit des SSV Reutlin-
gen vermerkt. Tatsächlich kam der Betrag dem Verein nur auf Umwegen zugute. Der Angeklagte S. schenkte den Betrag einem Gönner des Vereins , der dem Verein Darlehen in groûer Höhe gewährt hatte. Da dieser Förderer sein Engagement 1995 deutlich reduziert hatte, dienten die 15.000 DM dazu , den Mäzen dem Verein gegenüber wieder geneigter zu stimmen.
3. Im Juni 1997 trat der Angeklagte S. an den Angeklagten K. erneut wegen einer Spende von 10.000 DM heran, die auch diesmal vom Angeklagten K. aus der Hauptkasse über das Konto der Sekretariatskasse beschafft wurde. In einem weiteren Vermerk hielt er fest, daû 10.000 DM dem SSV Reutlingen für die Jugendarbeit zugewendet worden seien. Tatsächlich händigte der Angeklagte S. den Betrag einem weiteren Mäzen aus, um diesen dem Verein gegenüber wieder geneigter zu stimmen, da auf ein gewährtes Darlehen vom Verein keine Rückzahlungen geleistet worden waren. Die anderen Funktionäre des Vereins erfuhren von dieser Zahlung nichts, in der Buchhaltung des Vereins ist der Betrag als teilweise Kreditrückführung nicht enthalten.

II.


Den strafrechtlichen Vorwurf der Untreue leitet die Strafkammer hinsichtlich des Angeklagten K. daraus her, daû er seine Befugnisse als Vorstandsvorsitzender der SWEG miûbraucht habe. Er habe die Zahlungen an den SSV Reutlingen aus Mitteln der SWEG nur deshalb getätigt, um dem damaligen Verkehrsminister und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden einen Gefallen zu tun; deshalb sei die von ihm vertretene SWEG bei keiner Geldübergabe in Erscheinung getreten und die Empfänger der Gelder hätten von der
wahren Person des Spenders nichts erfahren. Dem Angeklagten stehe zwar aufgrund seiner Leitungsbefugnis als Vorstand einer Aktiengesellschaft für sein unternehmerisches Handeln ein Ermessensspielraum zu (§ 76 AktG). Dazu könnten auch Spenden der Aktiengesellschaft für wissenschaftliche, künstlerische oder sportliche Zwecke u.a. gehören. Dabei müûten immer die Interessen der Anteilseigner der Gesellschaft gewahrt sein. Dies sei aber nur der Fall, wenn die Zuwendungen einen betrieblichen Bezug hätten.
Der Angeklagte S. sei im Fall II. 1a der Anstiftung zur Untreue schuldig, weil er den Angeklagten K. zu der ersten Zahlung bestimmt habe. Dieser habe sich zu der Zahlung verleiten lassen, weil der seinerzeitige Verkehrsminister und Angeklagte S. als Vorsitzender des Aufsichtsrats vorgesehen und für das Verkehrsunternehmen SWEG von erheblicher Bedeutung gewesen sei. Nachdem der Angeklagte S. Aufsichtsratsvorsitzender geworden war und den Angeklagten K. zu zwei weiteren Zahlungen veranlaût habe, habe er gegen seine Aufsichtsratspflichten nach § 116 AktG verstoûen , indem er kollusiv mit dem Vorstandsvorsitzenden zum Nachteil der Gesellschaft zusammengewirkt habe.

III.


Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten, die Auffassung der Strafkammer , wonach Ausgaben der SWEG für unternehmensfremde Zwecke nur dann statthaft seien, wenn ihnen ein betrieblicher Bezug jedenfalls unter dem Aspekt von ”public relations” für das Unternehmen zukomme, werde dem Geschäftsführungsermessen des Vorstands nicht gerecht. Es sei selbstverständlich , daû eine Aktiengesellschaft unter Werbeaspekten auch hohe Ausgaben
für das Sponsoring von Sportlern oder Sportvereinen tätigen dürfe. Der Aspekt des Vorteils für das Unternehmen sei jedoch nicht allein maûgeblich. Eine Aktiengesellschaft dürfe auch “non-profit-Ausgabenº tätigen, und zwar auch dann, wenn sie nicht nach auûen in Erscheinung trete. Dabei dürften auch persönliche Präferenzen eine Rolle spielen.
Hiervon unabhängig habe jedenfalls die erste Zahlung von 20.000 DM zugunsten des SSV Reutlingen nicht zu einem Vermögensschaden bei der SWEG geführt, weil nach der festgestellten Gesamtsituation die “Landschaftspflegeº im politischen Bereich der Gesellschaft wirtschaftliche Vorteile bringen konnte, die die eingesetzten Mittel aufgewogen oder sogar weit übertroffen hätten.
Die Beanstandungen haben keinen Erfolg.

IV.


Soweit der Angeklagte K. aus dem Vermögen der SWEG Zuwendungen an den SSV Reutlingen getätigt hat, hat die Strafkammer seine Strafbarkeit nach dem Miûbrauchstatbestand des § 266 StGB beurteilt.
Als Vorstandsvorsitzender hatte der Angeklagte K. die Befugnis, über das Vermögen der SWEG zu verfügen. Zwar ist nicht ausdrücklich festgestellt, daû er im Auûenverhältnis alleinvertretungsbefugt war (vgl. § 78 Abs. 2 AktG). Das kann jedoch im Ergebnis dahingestellt bleiben. Die Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten K. im Sinne des Miûbrauchstatbestands und seine Vermögensfürsorgepflicht im Sinne des Treubruchtatbestandes stimmten
hier überein (vgl. BGH NJW 1984, 2539, 2540). Hat er bei im Auûenverhältnis wirksamen Verfügungen gegen seine Vermögensbetreuungspflicht verstoûen, so hätten die Maûnahmen auch einen Verstoû gegen seine Vermögensfürsorgepflicht im Sinne des Treubruchtatbestands dargestellt.
1. Die gesellschaftsrechtlichen internen Pflichten des Vorstands sind von §§ 76, 93 AktG umschrieben. Nach § 76 AktG hat der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten; gemäû § 93 AktG hat er dabei die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Weiter ins einzelne gehende Regelungen enthält das Aktiengesetz dagegen nicht. Satzungsrechtliche Konkretisierungen dieser Pflichten hat das Landgericht nicht festgestellt.

a) Der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zur Frage der Schadensersatzpflicht des Vorstandes gegenüber der Aktiengesellschaft dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte des Gesellschaftsunternehmens einen weiten Handlungsspielraum zugebilligt. Ohne ihn sei eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar (BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95 = BGHZ 135, 244, 253 ªARAG"; Henze NJW 1998, 3309, 3310).

b) Dieser weite Handlungsspielraum gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Vorstand als Ganzes oder einzelne seiner Mitglieder Zuwendungen leisten zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen und Sport.
In der aktienrechtlichen Diskussion ist es heute unumstritten, daû eine Beteiligung am Sozialleben durch mildtätige, politische, kulturelle oder an den Sport gerichtete Zuwendungen auch für Aktiengesellschaften im Rahmen ihrer
Geschäftstätigkeit gesellschaftsrechtlich grundsätzlich zulässig ist (nur beiläufig BGHZ 23, 150, 157; Hüffer, AktG 4. Aufl. § 76 Rdn. 14; Hopt in Groûkomm. AktG 4. Aufl. § 93 Rdn. 120; Mertens in Kölner Kommentar zum AktG 2. Aufl. § 76 Rdn. 32; Fleischer AG 2001, 171, 175; Mertens AG 2000, 157 ff. zur Beteiligung von Aktiengesellschaften an der Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft: ªErinnerung, Verantwortung und Zukunft"; Kind NZG 2000, 567 ff. zur Zulässigkeit von Parteispenden durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft ; H.P. Westermann ZIP 1990, 771 ff.; Vorderwülbecke BB 1989, 505 ff. jeweils m.w.N.). Die Erscheinungsformen dieser Unternehmensförderung werden generell nach dem jeweils primär verfolgten eigennützigen, steuerlichen oder altruistischen Zweck in drei groûe Gruppen eingeteilt.
aa) Beim klassischen Sponsoring werden Geld oder geldwerte Vorteile durch Unternehmen zur Förderung von Personen, Gruppen und/oder Organisationen in sportlichen, kulturellen, kirchlichen oder ähnlichen bedeutsamen gesellschaftspolitischen Bereichen vergeben, damit aber zugleich eigene unternehmensbezogene Ziele der Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit verfolgt. Häufig werden die gegenseitigen Leistungen von Sponsor und Gesponsortem vertraglich vereinbart (Bruhn-Mehlinger, Rechtliche Gestaltung des Sponsoring 2. Aufl. 1995 Bd I S. 3 ff.; Krome DB 1999, 2030).
bb) Dagegen erfolgt die Spendenvergabe an gemeinnützige Organisationen in der Regel ohne die Erwartung auf eine unmittelbare Gegenleistung. Die Gesellschaft kann die Aufwendung jedoch steuerlich absetzen (§ 10b EStG, § 9 KStG oder § 9 Nr. 5 GewStG).
cc) Beim Mäzenatentum erwartet der Mäzen regelmäûig keine Gegenleistung für seine Unterstützung; häufig verzichtet er auch darauf, über seine Förderung öffentlich zu sprechen.

c) Für die Beurteilung der gesellschaftsrechtlich zulässigen Förderaktivitäten eines Unternehmens kommt es nicht auf die Bezeichnung an. Maûgeblich ist, wie sich die Maûnahme aufgrund der gesamten Umstände, unter denen sie vorgenommen wurde, darstellt. Dabei werden insbesondere die Motive der betroffenen Personen oder Organisationen, der Umfang der Leistungen und der Gegenleistungen sowie die Bedingungen, unter denen sie erbracht wurden, eine Rolle spielen (vgl. Bruhn-Mehlinger aaO S. 7).
aa) Welche Geschäftsstrategien der Vorstand einer Aktiengesellschaft bei der Vergabe derartiger Leistungen einschlagen und welche Ziele er zur Förderung des Unternehmenszweckes anstreben darf, regelt das Aktiengesetz nicht im Detail.
Gewinnstreben und Freigebigkeit werden dabei aber nicht stets als sich widersprechende, sondern durchaus als komplementäre Ziele angesehen. Würden unentgeltliche Zuwendungen ausschlieûlich wegen ihrer direkt gewinnsteigernden Zielsetzung zugelassen, so käme der Vorstand nicht umhin, die eigennützige Motivation hinter jeder Fördertätigkeit herauszustellen, weil sich deren vielberufene Werbewirkung keineswegs immer in Mark und Pfennig beziffern und schon gar nicht bilanziell abbilden läût (Fleischer aaO S. 174).
Unternehmen nutzen deshalb heute die Förderung von Kultur- oder Sportveranstaltungen für Werbezwecke, ohne daû der wirtschaftliche Nutzen
im einzelnen genau bestimmt werden kann. Gerade das Sportsponsoring dient zu einem groûen Teil der Imagewerbung von Groûunternehmen (DaimlerBenz , BMW, Deutsche Post und ihr Engagement im Automobilsport; Deutsche Telekom und der Mannschaftsradsport). So erkennt der Bundesgerichtshof unter gesellschaftsrechtlichen Aspekten die Kompetenz des Vorstands des Sportartikelherstellers Adidas für das entgeltliche Sponsoring ausdrücklich an, aufgrund dessen die Gesellschaft durch den Abschluû von Lizenzverträgen mit Sportvereinen deren Namen und Logos verwerten darf, um dann einen Werbeeffekt für die eigenen Produkte zu erzielen (BGHZ 144, 290). Durch das Auftreten eines Unternehmens als Sponsor, etwa des Fuûballvereins ªBayer Leverkusenº, soll die Öffentlichkeitswirksamkeit gerade dieser Dauerverbindung genutzt werden. Auch solche Zuwendungen an Sportvereine, die nicht offen zu Werbezwecken eingesetzt werden, können als verdecktes Sponsoring den ªpublic relationsº dienen, wenn sie nach dem Grundsatz eingesetzt werden : ªTue Gutes und rede darüber" (vgl. Rittner, FS Gessler [1971] S. 139, 155; ähnlich Kind aaO S. 568).
Darüber hinaus kann und darf sich der Vorstand als Träger der Unternehmensfunktion nicht der Einsicht verschlieûen, daû die Aktiengesellschaft für ein dauerhaft erfolgreiches Wirtschaften auf den Rückhalt aller Bezugsgruppen angewiesen ist. Zwischen einem rein altruistischen und einem – langfristig – egoistischen Verhalten, das auf eine für den Erfolg des Unternehmens wesentliche Umweltstabilisierung – ªgood will-Verfestigung" – zielt, wird sich daher kaum je eine scharfe Unterscheidung treffen lassen. Es ist mit den Verhaltenspflichten des Vorstands als eines ordentlichen Geschäftsleiters daher durchaus vereinbar, daû er unentgeltliche Zuwendungen allein mit dem Ziel ausreicht, die soziale Akzeptanz der Aktiengesellschaft zu verbessern, sie als
ªgood corporate citizenº darzustellen und dadurch indirekt ihr wirtschaftliches Fortkommen zu verbessern (vgl. Westermann, ZIP 1990, 771, 774). § 93 Abs. 1 AktG gewährt dabei einen breiten Spielraum unternehmerischen Ermessens dafür, auf welche Art der Vorstand Loyalität für die Gesellschaft und deren gutes Ansehen zu gewinnen trachtet. Ebensowenig wie Werbemaûnahmen für einzelne Produkte unterliegt daher die Frage, welche Form der Imagewerbung für das Gesamtunternehmen als erfolgversprechend anzusehen ist, einer gerichtlichen Kontrolle (Fleischer aaO S. 175). Dem Vorstand ist damit in der Frage, welchen Aufwand er für soziale Zwecke treibt, auf welche Gewinne er aus ethischen Gründen verzichtet und für welche sozialen, politischen und kulturellen Zwecke er Mittel der Gesellschaft einsetzt, ein breiter Ermessensspielraum zuzuerkennen.
bb) Allerdings ergibt sich für die aus der Leitungsbefugnis abgeleitete Vorstandskompetenz zur Ausreichung von Unternehmensspenden kein unbegrenzter Freiraum; vielmehr sind seinem Ermessen äuûere Grenzen gesetzt. Zu erwarten ist, daû der Vorstand auch soziale Entscheidungen mit der Sorgfalt eines pflichtbewuûten Unternehmers trifft und Vermögensopfer mit der Sorgfalt eines Treuhänders erbringt, der über Geld verfügt, das ihm nicht gehört , sondern der juristischen Person. Insbesondere darf er privaten Präferenzen (ªpet charitiesº, vgl. Fleischer aaO S. 179) keinen unangemessenen Raum geben, er hat auch insofern sorgsam zu wirtschaften, und er muû seine Entscheidung jeweils in Abwägung der ihm obliegenden Verantwortung für den Unternehmenserfolg treffen (vgl. BGHZ 135, 244, 253).
cc) Die Abgrenzung, inwieweit im Einzelfall Unternehmensinteressen verfolgt oder ob mit dem Geld der Gesellschaft ausschlieûlich Privatbelange
gefördert werden, obliegt grundsätzlich der Beurteilung des Vorstands. Zwar darf er mit dem Geld der Gesellschaft auch seine eigene politische Überzeugung , private Liebhaberei für Kunst und Wissenschaft oder seine Begeisterung für eine bestimmte Sparte des Sports verfolgen. Hier gilt aber: Je loser die Verbindung zwischen dem Geförderten und dem Unternehmensgegenstand, desto enger ist der Handlungsspielraum des Vorstands und desto gröûer sind die Anforderungen an die interne Publizität. Bei unentgeltlichen, nicht erkennbar mit dem Unternehmensgegenstand zusammenhängenden Zuwendungen an Dritte muû sich der Vorstand an dem möglichen Nutzen orientieren, den ein solches Verhalten der sozialen Akzeptanz ± dem ªstanding" ± des Unternehmens in der allgemeinen oder auch nur in der interessierten Öffentlichkeit sowie dem Ansehen der Unternehmensleitung bei der Belegschaft und dergleichen bringt (Breuer [FAZ Nr. 273 vom 23. November 2000] spricht bei der finanziellen Förderung des Fuûballvereins Eintracht Frankfurt durch die Deutsche Bank vom ªVierklang der Interessen von Aktionären, Mitarbeitern, Kunden und Öffentlichkeit").
dd) Bestehen bei bedeutsameren Zuwendungen Zweifel, ob sie im Interesse des Unternehmens liegen, oder erfüllt das einzelne Vorstandsmitglied damit seine ganz persönlichen Vorlieben oder Interessen, so kann das betroffene Vorstandsmitglied die Entscheidung nicht allein treffen, auch wenn es nach der internen Geschäftsverteilung für die Vergabe von Fördermitteln zuständig wäre (vgl. Hopt aaO § 93 Rdn. 132 ff.). Darüber hinaus ist der Vorstand ± als Kehrseite seines Ermessensspielraums ± gegenüber den anderen Gesellschaftsorganen zur Offenheit verpflichtet, um ihnen Kontroll- und Rügemöglichkeiten zu eröffnen für den Fall, daû ihrer Meinung nach Mittel der Gesellschaft ausschlieûlich für andere als durch den Gesellschaftsgegenstand vor-
gegebene Zwecke verwendet werden (vgl. Westermann aaO S. 776; Mertens FS Goerdeler [1987] S. 349, 358). Dies folgt auch aus dem sich aus § 77 AktG ergebenden Prinzip der Gesamtverantwortung des Vorstandes für die Geschäftsleitung und der nicht delegierbaren Pflicht des Gesamtorgans zur Selbstkontrolle (Hüffer aaO § 77 Rdn. 15, 18).
ee) Hinsichtlich des Spendenvolumens gilt das Gebot der Angemessenheit : Die korporative Freigebigkeit muû sich insgesamt im Rahmen dessen halten, was nach Gröûenordnung und finanzieller Situation des Unternehmens als angemessen angesehen werden kann (vgl. nur Mertens AG 2000 S. 157, 162 Fn. 28). Dafür bieten der Zuschnitt und die Ertragslage der Aktiengesellschaft wichtige Anhaltspunkte. Besondere Beurteilungsschwierigkeiten ergeben sich schlieûlich bei einer angespannten Finanzlage. So wie es in Krisenzeiten nicht tunlich sein kann, den Werbeetat drastisch zu kürzen, wird man vom Vorstand in Verlustjahren weder ökonomisch noch juristisch verlangen können, auf Unternehmensspenden gänzlich zu verzichten. Allerdings ist bei dauerhafter oder längerfristiger Ertragsschwäche eine sorgfältige Prüfung der Spendenpraxis unter dem Gesichtspunkt des Unternehmensinteresses erforderlich.
2. Vergibt der Vorstand aus dem Vermögen einer Aktiengesellschaft Zuwendungen zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen oder Sport, genügt für die Annahme einer Pflichtwidrigkeit im Sinne des Untreuetatbestandes des § 266 StGB nicht jede gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung; diese muû vielmehr gravierend sein.
Ob eine Pflichtverletzung gravierend ist, bestimmt sich aufgrund einer Gesamtschau insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Kriterien. Bedeutsam sind dabei: Fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand, Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage, fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie Vorliegen sachwidriger Motive, namentlich Verfolgung rein persönlicher Präferenzen.
Jedenfalls dann, wenn bei der Vergabe sämtliche dieser Kriterien erfüllt sind, liegt eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB vor.
3. Nach diesen Maûstäben hat der Angeklagte K. mit den Verfügungen im Komplex II. 1a bis c zu Lasten des Vermögens der SWEG seine Befugnisse als Vorstandsvorsitzender in gravierender Weise miûbraucht. Die Zuwendungen waren pflichtwidrig i. S. des § 266 StGB, weil der Angeklagte K. mit der Ausreichung der Zahlungen die Grenzen seines Ermessens nach den oben genannten Kriterien überschritten hat.

a) Es handelte sich um unentgeltliche, nicht erkennbar mit dem Unternehmensgegenstand zusammenhängende Zuwendungen an Dritte. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Zahlungen jedenfalls kein offenes oder verdecktes Sportsponsoring des SSV Reutlingen. Weder wurde eine vertragliche Vereinbarung oder sonstige Abrede über eine Gegenleistung getroffen , noch erbrachte der SSV Reutlingen tatsächlich eine Gegenleistung.
Da das altruistische Motiv der Sportförderung nur äuûerst mittelbar zum Tragen kam, waren die Zuwendungen bereits aus diesem Grund kaum geeignet , zumindest das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit oder bei
interessierten Sportkreisen zu stärken. Nach den festgestellten Umständen ist auch objektiv kein Bezug der Unternehmenstätigkeit der SWEG zum SSV Reutlingen erkennbar.

b) Die mit dem Unternehmensgegenstand nicht zusammenhängenden Zuwendungen waren angesichts der wirtschaftlichen Lage der SWEG sowohl dem Grunde nach als auch in der Höhe nicht angemessen. Das öffentliche Unternehmen erwirtschaftete zwar in den Jahren 1992 bis 1996 Überschüsse, jedoch muûte das Land Baden-Württemberg der SWEG auch in diesen Jahren zum Ausgleich des jährlichen Bilanzverlustes jeweils mehrere Millionen DM zuführen. Diese Spendenpraxis hat auch der Landesrechnungshof im Jahr 1998 beanstandet.

c) Ihrem eigentlichen Sinn nach dienten die Zuwendungen den privaten Interessen des Angeklagten S. , der Verantwortlichen des Vereins angeboten hatte, Gelder von potenten Gönnern zu besorgen. Er verfügte nach eigenem Belieben über die Beträge und verwendete sie ± ohne daû sie in der Buchhaltung des Vereins auftauchten ± zum Stopfen finanzieller Löcher im Fall II. 1a und zur Beeinflussung der Mäzene in den Fällen II. 1b und c. Die Beschaffung und die Verwendung der Zuwendungen gingen damit sogar über die Verfolgung privater Interessen hinaus, denn sie waren durchaus eigennützig, weil sie dazu dienten, die Stellung des Angeklagten S. im Verein und im örtlichen Umfeld als Beschaffer von dringend benötigten Hilfen und damit als möglichem Retter des Vereins zu unterstreichen.
Die Verfügung über das Vermögen des landeseigenen Unternehmens war auch nicht durch das von der Revision für den Fall II. 1a (Zahlung von
20.000 DM) herangezogene Motiv der ªLandschaftspflege im politischen Bereich" gerechtfertigt. Soweit die Revision vorträgt, die erste Spende von 20.000 DM habe dazu gedient, dem Unternehmen das ªWohlwollen des Ministers" zu erhalten, kann dieses ªMotiv" die Pflichtwidrigkeit nicht ausräumen. Der Senat hat nicht zu entscheiden, ob und inwieweit sich ein landeseigenes Unternehmen durch Spenden zugunsten von politischen Parteien oder Politikern überhaupt an der ªpolitischen Landschaftspflege" beteiligen darf. Auf die Beurteilung der Zuwendung bei der Prüfung der Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB kann dieses Motiv hier jedenfalls keinen Einfluû haben. Es gehört zu den ureigenen Aufgaben des Verkehrsministers, selbst wenn er noch nicht Mitglied des Aufsichtsrats ist, die wirtschaftlichen Interessen der SWEG als öffentlichem Verkehrsunternehmen zu wahren. Für ªpolitische Landschaftspflege" gegenüber dem Minister war deshalb kein Raum.

d) Obwohl es offenkundig war, daû die Zuwendungen privaten Zwecken des Angeklagten S. dienten, hat der Angeklagte K. die Angelegenheit lediglich allein entschieden.

e) Die Zuwendungen wurden verschleiert. Sie wurden nicht in einer Art unternehmensintern offengelegt, die eine Kontrolle durch die Gesellschaftsorgane ermöglicht hätte. Die Auszahlung erfolgte nicht auf dem üblichen Weg über die Hauptbuchhaltung, um einen Erklärungsbedarf gar nicht erst aufkommen zu lassen, und auf dem Beleg über die Auszahlung wurde die Verwendung unzutreffend angegeben.
4. Durch die Vermögensverfügung des Angeklagten K. ist der SWEG auch ein Schaden entstanden. Sowohl das Fehlen objektiver Gesichtspunkte
für die Annahme einer der Formen des Sponsoring, erst recht aber die Umstände der Beschaffung und der Verwendung der 45.000 DM schlieûen es aus, daû die Zuwendungen einen ideellen Wert in sich trugen, der für das Unternehmen einen auch nur annähernd gleichwertigen Vermögensvorteil erbracht hat. Der Senat schlieût aus, daû sich aus der Sicht des durchschnittlichen, informierten Betrachters der ªgood willº des Unternehmens verbessert hat. Eher legen die Umstände nahe, daû zu der eingetretenen Vermögensminderung zusätzlich eine vorhersehbare Ansehensminderung eingetreten ist.
5. Bei dieser Sachlage ist auch die Annahme des Landgerichts tragfähig , dem Angeklagten K. sei die Pflichtwidrigkeit seines Handelns und der dadurch bei der SWEG entstandene Schaden bewuût gewesen.

a) Dies belegen die Einlassungen des Angeklagten K. . Er hat eingeräumt , daû es im Kern nicht um eine im Interesse der SWEG vereinbarte offene oder verdeckte Unterstützung des SSV Reutlingen ging, sondern um die Erfüllung privater Interessen des Angeklagten S. . Er hat angegeben, er habe die Zuwendungen allein deshalb veranlaût, weil er dem Vorsitzenden dieses Vereins, der auch Verkehrsminister und aufgrund dieser Position Aufsichtsratsvorsitzender der SWEG wurde, einen persönlichen Gefallen erweisen wollte, damit dieser seine dem Verein gegebenen Zusagen einhalten konnte, Gelder zur Unterstützung bei Mäzenen zu besorgen. Diese Einlassungen rechtfertigen den Schluû, der Angeklagte K. habe gewuût, daû der AngeklagteS. nur deshalb die SWEG eingeschaltet hatte, weil keiner der von ihm sonst angesprochenen potentiellen Mäzene sein Privatvermögen angreifen wollte und er annahm, der Angeklagte K. werde ihm die Bitte nicht abschlagen, die benötigten Gelder aus dem Vermögen der Gesellschaft zu nehmen. Der Ange-
klagte K. stand in einem beruflichen Abhängigkeitsverhältnis zum Angeklagten S. . Als Verkehrsminister und designiertes, später gewähltes Aufsichtsratsmitglied hatte er aufgrund seiner Organstellung und seiner daraus herzuleitenden Kontrollbefugnisse, einschlieûlich der Berufung, der Verlängerung und der Entlassung von Vorstandsmitgliedern, wesentlichen Einfluû auf das Unternehmen.

b) Dies wird auch dadurch belegt, daû der Angeklagte K. die Angelegenheit nicht dem Gesamtvorstand zur Entscheidung vorgelegt oder den Aufsichtsrat angerufen hat. Der Angeklagte K. wuûte, daû er von den übrigen Mitgliedern des Vorstands keine Genehmigung dafür erhalten hätte, zur Erfüllung der privaten Interessen des Angeklagten S. Zuwendungen aus dem Vermögen des Unternehmens auszureichen.
Deshalb wies der Angeklagte K. seine Sekretärin an, die einzelnen Beträge aus der Hauptkasse der SWEG auf das Konto der Sekretariatskasse zu transferieren, um dann nach Barabhebung das Geld in Briefumschlägen an den AngeklagtenS. zu dessen freier Verfügung weiterzugeben. Mit diesem Umweg über die Sekretariatskasse und den unzutreffenden Belegen ªZuwendung für Jugendarbeit des SSV Reutlingen" sorgte er dafür, daû die Vorgänge nicht über die Hauptbuchhaltung liefen und es keinen Erklärungsbedarf gab. Die Vorgänge wurden auch erst durch eine Prüfung des Landesrechnungshofs Baden-Württemberg im Oktober 1997 aufgedeckt. Insbesondere die persönlichen Interessenverflechtungen und die Art und Weise der Geldtransfers erlauben den Schluû, daû es gerade nicht um Werbemaûnahmen oder um Sponsoring ging, sondern um die heimliche Beschaffung von Geldern bei der
SWEG, die möglichst unentdeckt durch die Bücher der Zuwendungsgeberin gehen sollten.

V.


Auch die Verurteilung des Angeklagten S. im Komplex II. 1a bis c (SSV Reutlingen) ist rechtlich nicht zu beanstanden.
1. Der Angeklagte S. hatte noch keine Vermögensbetreuungspflicht für die Gesellschaft, als er den Angeklagten K. im Juni 1995 allein aufgrund seiner Stellung als Minister und zukünftiges Aufsichtsratsmitglied dazu bestimmte, die erste Zahlung in Höhe von 20.000 DM aus dem Vermögen der SWEG an ihn auszubezahlen. Zutreffend hat die Strafkammer den Angeklagten S. im Fall II. 1a deshalb wegen Anstiftung zur Untreue des Angeklagten K. nach §§ 266, 26 StGB verurteilt.
2. Soweit der Angeklagte S. in den Fällen II. 1b und c (zweite und dritte Spende an den SSV Reutlingen) als Aufsichtsratsmitglied der SWEG das Vorstandsmitglied K. veranlaûte, aus dem Vermögen der Gesellschaft Zuwendungen an ihn auszureichen, beurteilt die Kammer seine Strafbarkeit zutreffend nach dem Treubruchtatbestand des § 266 StGB.

a) Als Aufsichtsratsvorsitzender hatte der Angeklagte S. zwar nicht die Rechtsmacht, in der geschehenen Weise über das Vermögen der SWEG zu verfügen. Eine Strafbarkeit aus dem Miûbrauchstatbestand scheidet daher aus. Jedoch verletzte er die aus seiner Stellung als Aufsichtsratsvorsit-
zender folgende Vermögensfürsorgepflicht, indem er den Angeklagten K. zu Untreuehandlungen gegenüber der Gesellschaft bestimmte.
Nach § 111 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen. Nach § 116 AktG gilt für die Sorgfaltspflicht und die Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder § 93 AktG über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder sinngemäû.
Dem Aufsichtsrat obliegt gegenüber der Aktiengesellschaft eine Vermögensfürsorgepflicht (BGH wistra 1999, 418 lfd. Nr. 2; BGHSt 9, 203, 217 zu § 81a GmbHG aF; Tiedemann in FS für Tröndle [1989] S. 319, 327, Schmid in Müller-Gugenberger/Bieneck Wirtschaftsstrafrecht 3. Aufl. § 31 Rdn. 75, 97; vgl. auch Lenckner-Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 266 Rdn. 35a, Schünemann in LK 11. Aufl. § 266 Rdn. 60). Den Umfang dieser Pflichten regelt das Aktiengesetz in § 116 AktG durch einen Verweis auf die sinngemäûe Anwendung der Vorschriften über die Sorgfalt der Vorstandsmitglieder (§ 93 AktG).
Im gegebenen Fall kann dahinstehen, ob die gesellschaftsrechtliche Treupflicht des Aufsichtsrates zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesellschaft bei einer Betätigung auûerhalb der Geschäftssphäre der Gesellschaft und bei Rechtsgeschäften mit ihr nur in einem beschränkten Umfang gilt, weil in Rechnung gestellt werden muû, daû die Tätigkeit dort eine typische Nebentätigkeit ist, so daû Interessenkollisionen mit anderen Tätigkeiten des Aufsichtsratsmitglieds absehbar sind und mitunter zwangsläufig eintreten (Hüffer aaO § 116 Rdn. 1, Tiedemann aaO S. 319, 320, Fleck in FS für Heinsius [1991] S. 89, 90). Denn das Verhalten des Angeklagten S. berührt den eigent-
lichen Aufgabenbereich und die Hauptpflicht des Aufsichtsrates, die gemäû § 111 Abs. 1 AktG in der Überwachung der Geschäftsführung besteht. Grundsätzlich wird danach vom Aufsichtsrat verlangt, fehlerhaftes oder gesellschaftsschädigendes Verhalten des Vorstandes abzuwenden. Die Verpflichtung bezieht sich nicht nur auf abgeschlossene Geschäftsvorgänge, sondern auch auf laufende Geschäfte und Maûnahmen (Henze, Aktienrecht 4. Aufl. Rdn. 620). Zwar mag auch in diesem Zusammenhang nicht eindeutig feststehen, welche Einzelmaûnahmen zu ergreifen sind, ob der Aufsichtsrat etwa Anzeige erstatten muû, wenn er ein strafbares Verhalten des Vorstandes feststellt. Aus der Überwachungspflicht des Aufsichtsrates ergibt sich jedoch notwendig die Pflicht, den Vorstand nicht von sich aus zu Handlungen zu veranlassen, die er aufgrund seiner Überwachungspflicht gerade abwenden müûte (BGH NJW 1980, 1629). Eine Verletzung dieser Pflicht stellt damit den Verstoû gegen eine spezifische Treupflicht im Sinne von § 266 StGB dar (vgl. dazu zuletzt nur BGH wistra 2001 , 304, 305).

b) Der Angeklagte S. verletzte diese Pflicht, als er an das Vorstandsmitglied K. herantrat und ihn vor dem Hintergrund seiner Einwirkungsmöglichkeiten als Aufsichtsratsvorsitzender zu ªSpenden" aus dem Vermögen der SWEG an den SSV Reutlingen aufforderte. Er veranlaûte damit Untreuehandlungen des Vorstands (dazu oben B IV.), die der Angeklagte S. aufgrund seiner Überwachungspflicht als Aufsichtsrat hätte verhindern müssen.
3. Der SWEG entstand durch das vom Angeklagten S. veranlaûte pflichtwidrige Verhalten des Angeklagten K. bei der ersten Zuwendung
an den SSV Reutlingen und durch das eigene pflichtwidrige Verhalten des Angeklagten S. bei der zweiten und dritten Zuwendung auch ein Schaden.
4. Auch der Schluû der Kammer, der Angeklagte S. habe seine Vermögensfürsorgepflicht vorsätzlich verletzt, ist nicht zu beanstanden. Nach ihren Feststellungen war dem Angeklagten bewuût, daû die Leistungen des Vorstands K. keinerlei Bezug zur Geschäftstätigkeit der SWEG hatten und dieser die Zahlungen ausschlieûlich in seinem, des Angeklagten S. , Interesse vornahm. Auch wurde die Übergabe der beträchtlichen Beträge bar und ohne Quittungen abgewickelt, so daû der Geldfluû nicht mehr nachvol lziehbar war. Diese Umstände belegen rechtsfehlerfrei die Annahme, daû der Angeklagte sich der Pflichtwidrigkeit auch seiner eigenen Handlung bewuût war.
5. Der Angeklagte S. erfüllte bei der zweiten und dritten Zuwendung an den SSV Reutlingen durch sein eigenes Handeln sämtliche Tatbestandsmerkmale der Untreue in der Treubruchsalternative und ist bereits deshalb insoweit Täter (Tiedemann aaO S. 322, 325; vgl. auch BGHSt 38, 315, 317). Weil daher eine Zurechnung von Tatbeiträgen des Angeklagten K. nach § 25 Abs. 2 StGB nicht erforderlich ist, kann die Frage dahinstehen, ob sich die Tat des Angeklagten S. im Verhältnis zu der des Angeklagten K. als Mit- oder Nebentäterschaft darstellt. Zwar verwirklichte die Aufforderung des Angeklagten S. daneben in beiden Fällen zugleich den Tatbestand einer Anstiftung des Angeklagten K. zu einer Untreue in der Miûbrauchsalternative. Da aber insoweit jeweils eine Tat i. S. d. § 52 StGB vorliegt, geht diese Anstiftung nach ständiger Rechtsprechung in der Verurteilung wegen täterschaftlichen Handelns auf, das die schwerere Tat darstellt (vgl. BGH
NStZ 2000, 421; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. vor § 25 Rdn. 12).

C.


Die Tatkomplexe II. 4. bis 6. betreffen ausschlieûlich Verfügungen des Angeklagten K. über das Vermögen der SWEG, mit denen er private Zwecke verfolgte.

I.


Das Landgericht hat hierzu folgendes festgestellt:
1. Auf Veranlassung des Angeklagten wurden am 20. Mai 1996 aus Mitteln der SWEG 899,36 DM überwiesen, um die Kosten für die Miete eines Kleinbusses mit Chauffeur zu begleichen, den der Angeklagte bei einem Aufenthalt in Rostock Ende April 1996 zusammen mit seiner Ehefrau und zwei befreundeten Familien ausschlieûlich privat genutzt hatte.
2. Der Angeklagte lieû sämtliche Aufwendungen seiner Sekretärin bei einem privaten Erholungsaufenthalt im Juni 1996 auf Norderney, insgesamt 6.308,50 DM, aus Mitteln der SWEG zahlen.
3. Kosten in Höhe von 892,10 DM für eine Reparatur am privaten Pkw seiner Sekretärin lieû der Angeklagte am 11. November 1996 aus Mitteln der SWEG überweisen.

II.


Die Kammer hat auch in diesen drei Verfügungen des Angeklagten K. ohne Rechtsfehler ein pflichtwidriges Verhalten im Sinne des § 266 StGB gesehen. Sie hat überzeugend dargelegt, weshalb sie den Einlassungen des Angeklagten nicht gefolgt ist, die Kosten für das Mietfahrzeug auf der Reise nach Rostock seien betrieblich veranlaût gewesen. Ebenso ist eine betriebliche Veranlassung für die Übernahme der Kosten des Erholungsurlaubs der Sekretärin und der Reparaturkosten für ihr Fahrzeug selbst dann nicht ersichtlich, wenn die Stellung des Angeklagten K. als Vorstandsvorsitzender berücksichtigt wird.

D.


Die nach der Verfahrenseinstellung verbleibenden Einzelgeldstrafen weisen keinen Rechtsfehler auf.
Auch im Komplex SSV Reutlingen kann die gegen den Angeklagten S. verhängte Einzelstrafe im Fall II.1a (Anstiftung zur Untreue) bestehen bleiben. Zwar hätte das Landgericht den Strafrahmen des § 266 Abs. 1 StGB gemäû § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB mildern müssen. Das Treueverhältnis nach § 266 Abs. 1 StGB ist ein strafbegründendes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB (BGH StV 1995, 73 m.w.N.). Dieses Merkmal fehlte beim Angeklagten S. , der zum Zeitpunkt dieser Tat noch nicht Aufsichtsratsvorsitzender war und damit nicht Täter einer Untreue sein konnte. Aufgrund der besonderen Umstände der Tat durfte die verhängte Strafe jedoch nicht niedriger ausfallen. Der Angeklagte stand zwar zu der ge-
schädigten Gesellschaft nicht in einem spezifischen Treuverhältnis gemäû § 266 StGB, bei der Strafzumessung war jedoch zu berücksichtigen, daû er aufgrund seiner Stellung als Minister dem landeseigenen Unternehmen in besonderer Weise verpflichtet war.
Wegen des Wegfalls von Einzelstrafen aufgrund der Verfahrensbeschränkung ist die Gesamtgeldstrafe aufzuheben. Der Senat hat davon abgesehen , die Gesamtgeldstrafe selbst festzusetzen. Getroffene Feststellungen können bestehen bleiben; ergänzende Feststellungen sind möglich.
Nack Boetticher Schluckebier Kolz Hebenstreit

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.

(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.

(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 S t R 5 7 5 / 1 3
vom
27. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 27. Februar 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 1. März 2012 werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass von den verhängten Strafen jeweils drei Monate als vollstreckt gelten. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Die Rechtsmittel waren als unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Jedoch war die im Revisionsverfahren eingetretene Verfahrensverzögerung zu kompensieren. Dabei hatte der Senat von Amts wegen nur die Verzögerung zu berücksichtigen , die nach Eingang der Revisionsbegründungsschriften Ende Februar 2013 bis zum Eingang der Akten beim Generalbundesanwalt am 18. Dezember 2013 entstanden ist. Zur Geltendmachung eines weiter gehenden Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot etwa zwischen Eingang des schriftlichen Urteils auf der Geschäftsstelle am 16. Mai 2012 bis zur Zustellung des Urteils an die Verteidiger im Januar 2013 hätte es einer Verfahrensrüge bedurft, die in der mit Zustellung des Urteils in Lauf gesetzten Revisionsbegründungsfrist zu erhe- ben gewesen wäre (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2007 - 2 StR 493/06, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 32).
2
Der Schriftsatz des Verteidigers des Angeklagten W. vom 18. Februar 2014 lag dem Senat bei der Beratung vor.
Sost-Scheible Cierniak Franke Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 179/13
vom
2. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Juli 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23. Januar 2012 dahin ergänzt , dass von der verhängten Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten zwei Monate Freiheitsstrafe als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gelten. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten bleibt im Wesentlichen ohne Erfolg; das Urteil war lediglich um eine Kompensation für einen Konventionsverstoß zu ergänzen.
2
Nach Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main am 21. August 2012 ist es zu einer Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) gekommen. Bis zur Rücknahme der von der Staatsanwaltschaft eingelegten Revision am 1. März 2013 und Weiterleitung an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main am 26. März 2013 ist das Verfahren ohne sachlichen Grund nicht gefördert worden. Durch dieses sowie davor liegende Versäumnisse ist eine der Justiz anzulastende, unangemessene Verfahrensverzögerung von über sechs Monaten eingetreten. Diesen Umstand hat der Senat von Amts wegen zu berücksichtigen. Der Erhebung einer Verfahrensrüge bedarf es im vorliegenden Fall nicht, da die Verfahrensverzögerung nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingetreten ist und der Angeklagte diese Gesetzesverletzung nicht form- und fristgerecht rügen konnte (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2011 - 2 StR 302/11, NStZ 2012, 320, 321 mwN). Über die Kompensation kann der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO selbst entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2008 - 3 StR 376/07, NStZ-RR 2008, 208, 209). Auf der Grundlage der Vollstreckungslösung (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, NJW 2008, 860) stellt der Senat fest, dass zwei Monate der verhängten Freiheitsstrafe als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gelten.
3
Der geringe Erfolg der Revision des Angeklagten rechtfertigt keine Kostenermäßigung nach § 473 Abs. 4 StPO.
Fischer Appl Schmitt Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 36/08
vom
11. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 11. März 2008 gemäß §§ 44, 46,
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 28. März 2007 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
Damit ist der Beschluss des Landgerichts Verden vom 20. Juni 2007, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin neu gefasst , dass die Worte "gemeinschaftlichen" und "im minder schweren Fall" entfallen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "gemeinschaftlichen" schweren Raubes "im minder schweren Fall" zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und unter Einbeziehung der Strafe aus einer vorangegangenen gesamtstrafenfähigen Verurteilung auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren erkannt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten bleibt im Wesentlichen ohne Erfolg.
2
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Schuldspruch war allerdings neu zu fassen, weil die Urteilsformel von allem freizuhalten ist, was nicht unmittelbar der Erfüllung ihrer Aufgabe dient, das begangene Unrecht zu kennzeichnen und die im Urteil getroffenen Anordnungen zu verlautbaren. Bezeichnungen der Tat als "gemeinschaftlich" oder "minder schwerer Fall" erübrigen sich danach (BGHSt 27, 287, 289). Im Übrigen war das Urteil lediglich um die Feststellung eines Konventionsverstoßes zu ergänzen (§ 349 Abs. 4 StPO).
3
Nach Eingang der verspäteten Revisionsbegründung und des Wiedereinsetzungsantrages beim Landgericht am 26. Juni 2007 ist es zu einer Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG gekommen. Nachdem die Akten vom Landgericht an die Staatsanwaltschaft übersandt worden waren und der neue, für das Revisionsverfahren mandatierte Verteidiger am 4. Juli 2007 Akteneinsicht genommen hatte, stellte der Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft Verden erst am 11. Januar 2008 den Übersendungsbericht an den General- bundesanwalt fertig; dort gingen die Akten am 23. Januar 2008 ein. Bei einem ordnungsgemäßen Verfahrensgang hätte die Aktenübersendung einschließlich der erforderlichen Vorarbeiten allenfalls zwei Monate benötigen dürfen, so dass es zu einer unangemessenen Verfahrensverzögerung von ca. fünf Monaten gekommen ist. Dies hat der Senat von Amts wegen zu berücksichtigen; der Erhebung einer Verfahrensrüge bedarf es dazu nicht (BGH NStZ 2001, 52; NStZRR 2005, 320).
4
Nach der durch Beschluss des Großen Senats für Strafsachen geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kompensation von rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerungen (BGH, Beschl. vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 = NJW 2008, 860; zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) kann die ausdrückliche Feststellung der Verfahrensverzögerung zu ihrer Kompensation genügen; die Feststellung muss lediglich in den Urteilsgründen deutlich hervortreten (BGH aaO Rdn. 38, 56).
5
So verhält es sich hier. Der Senat kann diese Frage selbst entscheiden, weil es im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt, über die Feststellung der Verfahrensverzögerung hinaus eine weitergehende Kompensation durch den Ausspruch vorzunehmen, dass ein Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt (§ 354 Abs. 1 StPO):
6
Die Verfahrensverzögerung betrug weniger als sechs Monate. Sie geschah erst nach dem Eingang der allein auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revisionsbegründung, so dass eine den Angeklagten besonders belastende Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens sich nur noch darauf beziehen konnte, ob das ihn verurteilende erstinstanzliche Urteil rechtskräftig werden würde. Die Verzögerung des Eintritts der Rechtskraft hat allenfalls eine sehr geringe Belastung für den Angeklagten nach sich gezogen, weil er sich seit dem 23. Juli 2007 in anderer Sache in Strafhaft befindet. Dabei handelt es sich um die Vollstreckung der im angefochtenen Urteil bei der Gesamtstrafenbildung einbezogenen Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln, so dass die verbüßte Haftzeit in vollem Umfang auf die hier zu verbüßende Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnen ist.
7
Nach alledem scheidet eine weitergehende Kompensation als die vom Senat vorgenommene Feststellung der Verfahrensverzögerung aus.
8
Angesichts des nur geringfügigen Teilerfolgs ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die den zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnungen nicht Folge leisten, können aus dem Sitzungszimmer entfernt sowie zur Ordnungshaft abgeführt und während einer zu bestimmenden Zeit, die vierundzwanzig Stunden nicht übersteigen darf, festgehalten werden. Über Maßnahmen nach Satz 1 entscheidet gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in den übrigen Fällen das Gericht.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
GSSt 1/06
vom
23. April 2007
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Durch eine zulässige Berichtigung des Protokolls kann auch zum Nachteil
des Beschwerdeführers einer bereits ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge
die Tatsachengrundlage entzogen werden.
2. Die Urkundspersonen haben in einem solchen Fall vor einer beabsichtigten
Protokollberichtigung zunächst den Beschwerdeführer anzuhören. Widerspricht
er der beabsichtigten Berichtigung substantiiert, sind erforderlichenfalls
weitere Verfahrensbeteiligte zu befragen. Halten die Urkundspersonen
trotz des Widerspruchs an der Protokollberichtigung fest, ist ihre Entscheidung
hierüber mit Gründen zu versehen.
3. Die Beachtlichkeit der Protokollberichtigung unterliegt im Rahmen der erhobenen
Verfahrensrüge der Überprüfung durch das Revisionsgericht. Im
Zweifel gilt insoweit das Protokoll in der nicht berichtigten Fassung.
BGH, Beschluss vom 23. April 2007 - GSSt 1/06 - Landgericht München I
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hat durch den Präsidenten
des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan, die Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof
Nack und Basdorf sowie die Richter am Bundesgerichtshof Häger,
Maatz, Dr. Wahl, Dr. Bode, Prof. Dr. Kuckein, Pfister und Becker am 23. April
2007 beschlossen:
1. Durch eine zulässige Berichtigung des Protokolls kann auch zum Nachteil des Beschwerdeführers einer bereits ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge die Tatsachengrundlage entzogen werden. 2. Die Urkundspersonen haben in einem solchen Fall vor einer beabsichtigten Protokollberichtigung zunächst den Beschwerdeführer anzuhören. Widerspricht er der beabsichtigten Berichtigung substantiiert, sind erforderlichenfalls weitere Verfahrensbeteiligte zu befragen. Halten die Urkundspersonen trotz des Widerspruchs an der Protokollberichtigung fest, ist ihre Entscheidung hierüber mit Gründen zu versehen. 3. Die Beachtlichkeit der Protokollberichtigung unterliegt im Rahmen der erhobenen Verfahrensrüge der Überprüfung durch das Revisionsgericht. Im Zweifel gilt insoweit das Protokoll in der nicht berichtigten Fassung.

Gründe:

I.

1
Die Vorlage des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs an den Großen Senat für Strafsachen betrifft die Frage, ob die Beweiskraft eines berichtigten Hauptverhandlungsprotokolls für das Revisionsgericht auch dann beachtlich ist, wenn aufgrund der Protokollberichtigung einer bereits zulässig erhobenen Verfahrensrüge zum Nachteil des Beschwerdeführers die Tatsachengrundlage entzogen wird.
2
1. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Strafsache gegen F. (1 StR 466/05) über eine Revision des Angeklagten zu entscheiden, die sich zum Beweis eines formal ordnungsgemäß gerügten Verfahrensfehlers auf eine Sitzungsniederschrift beruft, die nach Erhebung der Verfahrensrüge in dem Sinne berichtigt wurde, dass der behauptete Verfahrensfehler in Wirklichkeit nicht geschehen sei.
3
a) Das Landgericht München I hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nrn. 2 und 5 StGB) zu Freiheitsstrafe verurteilt. Er hatte dem Geschädigten in einem Oktoberfestzelt mit einem 1,3 kg schweren gläsernen Krug zweimal wuchtig auf den Hinterkopf und einmal in den Nackenbereich geschlagen. Der Geschädigte wurde erheblich verletzt.
4
b) Der Beschwerdeführer erhebt - neben der Sachbeschwerde - eine Verfahrensrüge. Er beanstandet mit der am 7. Juli 2005 beim Landgericht eingegangenen Revisionsbegründung, der Anklagesatz sei in der Hauptverhandlung nicht verlesen worden (Verstoß gegen § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO). Er beruft sich insoweit auf die negative Beweiskraft der Sitzungsniederschrift, in der die Verlesung des Anklagesatzes - zunächst - nicht beurkundet war. Hier hatte es lediglich geheißen: "Der Vorsitzende stellte weiter fest, dass die Staatsanwaltschaft München I gegen den Angeklagten am 20.01.05 Anklage zum Schwurgericht des Landgericht München I erhoben hat, die mit Eröffnungsbeschluss der Kammer vom 18.02.05 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen wurde."
5
Am 18. August 2005 ergänzten der Strafkammervorsitzende und die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle das Protokoll hinsichtlich des ersten Hauptverhandlungstages dahingehend, dass an der genannten Stelle des Protokolls der Satz angefügt wird: "Der Vertreter der Staatsanwaltschaft verlas den Anklagesatz".
6
Auch in der Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft (§ 347 Abs. 1 Satz 2 StPO) wird unter Vorlage entsprechender dienstlicher Äußerungen von Verfahrensbeteiligten vorgetragen, dass der Anklagesatz in Wirklichkeit verlesen wurde. Zum Beleg erklärte etwa der Berichterstatter der Strafkammer, die Verlesung der rechtlichen Bewertung des Tatgeschehens als versuchter Totschlag habe Unmutsäußerungen im Publikum ausgelöst. Die Urkundsbeamtin verwies auf einen ihr bei der Fertigung der Protokollreinschrift unterlaufenen Übertragungsfehler aus den teilweise stenographischen Aufzeichnungen während der Hauptverhandlung, in denen der Hinweis auf die Verlesung des Anklagesatzes noch enthalten war. Das entsprechende Blatt der vorläufigen Aufzeichnungen ist ihrer dienstlichen Erklärung beigefügt.
7
Die Verteidiger des Angeklagten wurden vor der Protokollberichtigung angehört. Der Verteidiger in der tatrichterlichen Hauptverhandlung, der die Revision nicht selbst begründet hat, äußerte sich dabei wie folgt: "An den entsprechenden Verfahrensabschnitt kann ich mich nicht konkret erinnern; die Verlesung der Anklageschrift stellt einen Routinevorgang dar. Allerdings vermute ich, dass ich mich hieran erinnern könnte, wenn die Anklageschrift nicht verlesen worden wäre, weil dies einen ungewöhnlichen Verfahrensablauf darstellen würde. Auch diese Überlegung führt aber nicht zu einer konkreten Erinnerung. Aufgrund dieses Rückschlusses erscheint es mir aber durchaus möglich, dass die Erinnerung der Urkundspersonen zutreffend ist."
8
2. Der 1. Strafsenat möchte die Revision des Angeklagten verwerfen. Die Verfahrensrüge hält er für unbegründet, da er unter Aufgabe seiner Rechtsprechung zum Verbot der "Rügeverkümmerung" (vgl. BGHSt 34, 11, 12; NStZ 1984, 521; 1986, 374; 1995, 200, 201) die berichtigte Sitzungsniederschrift als im Sinne von § 274 StPO beachtlich erachtet, auch wenn durch die Berichtigung der Rüge die Tatsachengrundlage entzogen wird. Da sich der 1. Strafsenat an der beabsichtigten Entscheidung durch entgegenstehende Rechtsprechung der anderen Strafsenate gehindert sieht, hat er mit Beschluss vom 12. Januar 2006 (NStZ-RR 2006, 112, m. Anm. Fezer StV 2006, 290, Jahn/Widmaier JR 2006, 166 und Lampe NStZ 2006, 366) bei den anderen Strafsenaten gemäß § 132 Abs. 3 GVG angefragt, ob an dieser Rechtsprechung festgehalten wird.
9
Der 2. Strafsenat (Beschl. vom 31. Mai 2006 i.V.m. Beschl. vom 3. Juli 2006 - 2 ARs 53/06 = NStZ-RR 2006, 275) und der 3. Strafsenat (Beschl. vom 22. Februar 2006 - 3 ARs 1/06) haben der vom 1. Strafsenat vertretenen Rechtsansicht zugestimmt und entgegenstehende eigene Rechtsprechung aufgegeben. Der 4. Strafsenat (Beschl. vom 3. Mai 2006 - 4 ARs 3/06 = NStZ-RR 2006, 273) und der 5. Strafsenat (Beschl. vom 9. Mai 2006 - 5 ARs 13/06) haben an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten.
10
3. Daraufhin hat der 1. Strafsenat mit Beschluss vom 23. August 2006 (NJW 2006, 3582 m. Anm. Widmaier) dem Großen Senat gemäß § 132 Abs. 2 und 4 GVG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt: Ist die Beweiskraft (§ 274 StPO) des berichtigten Protokolls für das Revisionsgericht auch dann beachtlich, wenn aufgrund einer Protokollberichtigung hinsichtlich einer vom Angeklagten zulässig erhobenen Verfahrensrüge zu Ungunsten des Angeklagten die maßgebliche Tatsachengrundlage entfällt?
11
4. Der Generalbundesanwalt hält die Vorlegungsfrage für zu eng gefasst; sie sei auf alle Revisionen, insbesondere auch auf diejenigen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers, zu erstrecken.
12
In der Sache selbst tritt der Generalbundesanwalt im Grundsatz der Rechtsansicht des 1. Strafsenats bei, dass die Beweisregel des § 274 StPO auch hinsichtlich eines nachträglich berichtigten Protokolls gelte. Die Vorschrift schaffe keine vom wirklichen Verfahrensgeschehen abweichende formelle bzw. prozessuale Wahrheit; § 274 StPO bezwecke vielmehr nur eine klare Kompetenzverteilung zwischen der Tatsachen- und der Revisionsinstanz in Form des grundsätzlichen Verbots, im Revisionsverfahren die tatrichterliche Hauptverhandlung zu rekonstruieren. Im Interesse einer fairen Verfahrensgestaltung und der Effektivität des Rechtsmittels müsse der Beschwerdeführer jedoch vor der Gefahr fehlerhafter Protokollberichtigungen geschützt werden. Vor der Berichtigung seien daher dienstliche Erklärungen und Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten einzuholen und dem Beschwerdeführer rechtliches Gehör zu gewähren. Verblieben bei der freibeweislichen Überprüfung aus Sicht des Revisionsgerichts konkrete Zweifel an der Korrektheit der Berichtigung, könne es ihr die Beachtung im Sinne von § 274 StPO verwehren.
13
Der Generalbundesanwalt hat beantragt zu beschließen:
a) Die nach Erhebung einer Verfahrensrüge erfolgte Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls ist für das Revisionsgericht grundsätzlich auch dann im Sinne von § 274 StPO beachtlich, wenn dadurch der Verfahrensrüge zu Ungunsten des Revidenten die Tatsachengrundlage entzogen wird.
b) Bestehen aus Sicht des Revisionsgerichts konkrete Anhaltspunkte für eine inhaltliche Unrichtigkeit der Protokollberichtigung , so kann das Revisionsgericht die entscheidungserheblichen Verfahrenstatsachen freibeweislich aufklären.

II.

14
1. Die Vorlegungsvoraussetzungen gemäß § 132 Abs. 2 und 4 GVG sind gegeben. Den Bedenken, die der 4. Strafsenat im Hinblick auf die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfrage im konkreten Fall geäußert hatte (vgl. NStZ-RR 2006, 273), ist der 1. Strafsenat mit ausführlicher Begründung entgegengetreten (vgl. NJW 2006, 3582, 3583, 3586 f.). Dessen Beurteilung ist jedenfalls vertretbar und folglich für den Großen Senat bindend (vgl. BGHSt 41, 187, 194; Franke in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 132 GVG Rdn. 42).
15
2. Die vorgelegte Rechtsfrage ist allerdings auf alle Revisionen - namentlich auf diejenigen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers - zu erweitern. Wenngleich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Entscheidungen über eine Revision anderer Beschwerdeführer als des Angeklagten ersichtlich sind, in denen es auf die relative Unbeachtlichkeit einer Protokollberichtigung angekommen wäre, so sind doch die tragenden Erwägungen in den Entscheidungsgründen davon unabhängig, wer Beschwerdeführer ist (vgl. nur grundlegend BGHSt 2, 125; ebenso schon RGSt 43, 1; OGHSt 1, 277).

III.

16
Im Strafprozessrecht sind Zulässigkeit und Beachtlichkeit einer Protokollberichtigung nicht ausdrücklich geregelt. Auch die Gesetzesmaterialien zur Strafprozessordnung enthalten insoweit keine eindeutigen Hinweise.
17
1. Nach § 274 Satz 1 StPO kann die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten (§ 273 Abs. 1 StPO) nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese wesentlichen Förmlichkeiten betreffenden Inhalt lässt das Gesetz nur den Nachweis der Fälschung zu (§ 274 Satz 2 StPO). Bei § 274 StPO handelt es sich um eine Beweisregel (BGH NJW 2006, 3579, 3581, zur Veröffentlichung in BGHSt 51, 88 bestimmt; Dahs AnwBl. 1950/51, 90 f.; Dallinger NJW 1951, 256, 257; Fahl, Rechtsmißbrauch im Strafprozeß 2004 S. 687 f.), die nach der Fertigstellung des ordnungsgemäß errichteten und von beiden Urkundspersonen unterzeichneten Protokolls (§§ 271, 273 Abs. 4 StPO) gilt. Dies wurde zunächst dahin verstanden, dass den Urkundspersonen - außerhalb des Nachweises der Fälschung - Protokollberichtigungen , soweit es um die wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens geht, von vorneherein versagt sind, und zwar solche zugunsten wie zu Lasten des Beschwerdeführers (in diesem Sinne noch RGSt 8, 141, 143 f.; 17, 346, 348). Die Frage nach der Beachtlichkeit von Protokollberichtigungen würde sich danach nicht stellen.
18
Den Gesetzesmaterialien zur Strafprozessordnung im Zusammenhang mit einer Protokollberichtigung (vgl. Hahn, Materialien zur StPO 2. Aufl. S. 40, 256 ff., 1039, 1394) entnimmt der Große Senat nicht, dass der Gesetzgeber selbst dann jeden Zweifel an der Richtigkeit des - ursprünglichen - Protokollinhalts für unberechtigt hielt, sollte eine Protokollberichtigung aufgrund sicherer Erinnerung der Urkundspersonen erfolgen.
19
2. In die Zivilprozessordnung, die eine der Vorschrift des § 274 StPO vergleichbare Bestimmung (§ 165 ZPO) enthält, ist durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung der Landgerichte und zur Vereinfachung des gerichtlichen Protokolls vom 20. Dezember 1974 (ProtVereinfG, BGBl I 3651) mit § 164 ZPO eine Vorschrift eingefügt worden, nach der - unter Anhörung der Beteiligten - Protokollberichtigungen vorgenommen werden dürfen. Anders als für das Verwaltungs -, Finanz- und Sozialgerichtsverfahren (Art. 3 Nr. 1, Art. 4 Nr. 1, Art. 5 Nr. 2 des ProtVereinfG: jeweils Verweisung auf die §§ 159 bis 165 ZPO) hat der Gesetzgeber, der mit dem Protokollvereinfachungsgesetz von 1974 die Praxis der Zivilgerichte zur Protokollberichtigung (vgl. Zöller, ZPO 10. Aufl. S. 263) auf eine gesetzliche Grundlage gestellt hat (BRDrucks. 551/74 S. 63; BTDrucks. 7/2769 S. 10), diese Vorschrift nicht für den Strafprozess für anwendbar erklärt.

IV.

20
Die Rechtsprechung hat nach anfänglichem Schwanken Protokollberichtigungen im Strafverfahren zugelassen und dies im Wesentlichen damit begründet , dass insoweit eine auslegungsbedürftige Gesetzeslücke bestehe. Umfang und Folgen zulässiger Berichtigungen wurden allerdings nicht einheitlich bestimmt:
21
1. Eine Protokollberichtigung ist jederzeit zulässig und geboten, falls die Urkundspersonen Mängel erkennen (vgl. BGHSt 1, 259, 261; BGH JZ 1952, 281; NStZ 2005, 281, 282; RGSt 19, 367, 370; OGHSt 1, 277, 278; anders noch RGSt 8, 141, 143 f.; 17, 346, 348). Sie ist auch stets beachtlich, wenn sie zugunsten des Beschwerdeführers wirkt (BGHSt 1, 259, 261 f.; RGSt 19, 367, 369 f.; 21, 200, 201; OLG Köln NJW 1952, 758) oder wenn sie - bei einem einheitlichen Vorgang - teilweise zu seinen Gunsten, teilweise zu seinen Ungunsten vorgenommen worden ist (BGHSt aaO; RGSt 56, 29; RG GA 57 [1910], 396; JW 1932, 3109).
22
Nach bisheriger Rechtsprechung ist eine Protokollberichtigung - ebenso wie eine Distanzierung der Urkundspersonen vom Protokollinhalt (vgl. hierzu BGHSt 4, 364; BGH NStZ 1988, 85) - jedoch unbeachtlich, wenn sie einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge die Tatsachengrundlage entzieht (Verbot der Rügeverkümmerung). Dieser Rechtssatz hat eine lange Tradition: Er findet sich - aufbauend auf der Rechtsprechung der preußischen Obergerichte (vgl. RGSt 43, 1, 10) - schon zu Beginn der Reichsgerichtsrechtsprechung (RGSt 2, 76, 77 f.). Er blieb ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts (grundlegend RGSt 43, 1 m.w.N.; ferner RGSt 56, 29; 59, 429, 431; 63, 408, 409 f.) bis zu dem - die umfassende Beachtlichkeit einer Berichtigung bejahenden - Beschluss des Großen Strafsenats für Strafsachen vom 11. Juli 1936 (RGSt 70, 241). Diese Entscheidung darf indessen im Hinblick auf im Zusammenhang mit nationalsozialistischem Gedankengut stehende Formulierungen keine Beachtung finden.
23
Der ursprünglichen Rechtsprechung zum Verbot der Rügeverkümmerung folgten nach 1945 verschiedene Obergerichte, unter anderem der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone (OGHSt 1, 277 [m.w.N. 279]; 3, 83, 84), und schließlich der Bundesgerichtshof. Grundlegend war das Urteil des 3. Strafsenats vom 19. Dezember 1951 (BGHSt 2, 125), das sich im Wesentlichen den in RGSt 43, 1 und OGHSt 1, 277 dargelegten Argumenten anschloss (nachfolgend BGHSt 7, 218, 219; 10, 145, 147; 10, 342, 343; 12, 270, 271; 22, 278, 280; 34, 11, 12; BGHR StPO § 274 Beweiskraft 11; 13; 27; 28; BGH NStE StPO § 344 Nr. 7; NStZ 1984, 521; 1995, 200, 201; 2002, 219; StV 2002, 183; JZ 1952, 281; wistra 1985, 154; Urt. vom 21. Dezember 1966 - 4 StR 404/66). Diese Rechtsprechung steht in Übereinstimmung mit der heute herrschenden Meinung in der strafprozessualen Literatur (vgl. nur Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 271 Rdn. 55 ff. m. zahlr. w. N.).
24
Soweit danach eine Protokollberichtigung für das Revisionsgericht nicht beachtlich ist, führt dies dazu, dass Sachverhalte, die aufgrund der formellen Beweiskraft des - unberichtigten - Protokolls als unwiderlegbar vermutet werden , der Verfahrenswirklichkeit nicht zu entsprechen brauchen (BGHSt 26, 281, 283; 36, 354, 358; RGSt 43, 1, 6).
25
2. Folgende Argumente werden für den Rechtssatz, wonach eine Protokollberichtigung einer Rüge nicht die Tatsachengrundlage entziehen darf, vorgebracht :
26
Mit dem Eingang der Revisionsbegründungsschrift erwerbe der Beschwerdeführer eine prozessuale Befugnis bzw. ein prozessuales Recht auf Beibehaltung der Grundlage seiner Rüge für die Revisionsinstanz, zumal er selbst praktisch keine Möglichkeit habe, die Berichtigung des Protokolls zu erzwingen (BGHSt 2, 125, 126; RGSt 43, 1, 9; 59, 429, 431). Da er zur Begründung seiner Verfahrensrüge nur das Protokoll in der ihm vorliegenden Form verwerten dürfe, müsse ihm das Recht zustehen, sich nachträglichen Änderungen zu seinen Lasten zu widersetzen (OGHSt 1, 277, 280); er müsse auch gegen eine nachträgliche Beseitigung des Mangels durch Protokollberichtigung gesichert sein (BGHSt 2, 125, 127).
27
Der Gesetzgeber habe mit § 274 StPO eine Norm geschaffen, die der Zweckmäßigkeit den Vorrang vor der absoluten Wahrheit einräume (BGHSt 2, 125, 128; 26, 281, 283); das Hauptverhandlungsprotokoll erzeuge gewissermaßen einen Sachverhalt, der kraft gesetzlicher Vorschrift als Tatsache zu behandeln sei ohne Rücksicht darauf, wie der wirkliche Sachverhalt liegen möge (RGSt 43, 1, 6). Der Gesetzgeber habe die mögliche Ausnutzung einer prozessrechtlich zulässigen Befugnis zu wahrheitswidrigen Zwecken gesehen und in Kauf genommen (RG aaO; OGHSt 1, 277, 282). Die Neugestaltung des § 274 StPO sei Sache des Gesetzgebers (BGH, Beschl. vom 30. Mai 2001 - 1 StR 99/01; OGHSt 1, 277, 280).
28
Mit zunehmender Zeit lasse das Erinnerungsvermögen der Urkundspersonen nach. Die Gefahr fehlerhafter Berichtigungen sei nicht auszuschließen (BGHSt 2, 125, 128; RGSt 43, 1, 5; OGHSt 1, 277, 281).
29
Die zeitlich unbeschränkte Berücksichtigung nachträglicher Berichtigungen wäre mit der nach Sinn und Zweck des § 274 StPO zu erhebenden Forderung nach genauester Abfassung der Sitzungsniederschrift nicht vereinbar. Denn die Möglichkeit ihrer jederzeitigen Änderung könne dazu führen, dass ihrer Herstellung weniger Sorgfalt zugewendet werde (BGHSt 2, 125, 127; OGHSt 1, 277, 281).
30
Auch wenn eine Revision nur deshalb erfolgreich sei, weil sie einen Sachverhalt vortrage, der der Verfahrenswirklichkeit nicht entspreche, sei nicht zu besorgen, dass die Gerechtigkeit letztlich Schaden nehme. Denn selbst bei missbräuchlicher Ausübung der durch § 274 StPO gewährten prozessualen Befugnis erreiche der Beschwerdeführer nur, dass der Sachverhalt nochmals unter gewissenhafter Beachtung aller sachlichen und verfahrensrechtlichen Vorschriften erörtert und gerecht entschieden werde (OGHSt 1, 277, 282).
31
3. Das Verbot der Rügeverkümmerung war jedoch in der Rechtsprechung nie unbestritten:
32
Anders als zunächst das Reichsgericht judizierte das Reichsmilitärgericht (RMG 9, 35; 15, 281, 282). Wenngleich es auf der Grundlage einer anderen Prozessordnung - diese ließ gegen das Protokoll auch den Nachweis der Unrichtigkeit zu (§ 335 Satz 2 MStGO) - zu entscheiden hatte, trat es auch auf der Grundlage der Strafprozessordnung den Argumenten des Reichsgerichts entgegen (vgl. RMG 9, 35, 41 ff.). Dessen II. Strafsenat wollte sich der Auffassung des Reichsmilitärgerichts anschließen. In dem von ihm herbeigeführten Beschluss der Vereinigten Strafsenate wurde die bisherige Rechtsprechung des Reichsgerichts jedoch bestätigt (RGSt 43, 1). Nach 1945 hielt zunächst das OLG Braunschweig (HESt 1, 192) eine nachträgliche Protokollberichtigung zum Nachteil des Beschwerdeführers für beachtlich.
33
Auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs finden sich gegen das Verbot der Rügeverkümmerung Vorbehalte: Ob eine Protokollberichtigung einer bereits erhobenen Rüge die Grundlage entziehen darf, wurde vom 1. Strafsenat offen gelassen in NJW 1982, 1057 sowie vom 5. Strafsenat in BGHR StPO § 274 Beweiskraft 22 (vgl. auch BGH [3. Strafsenat] NStZ-RR 1997, 73). Zweifel äußerte der 2. Strafsenat in NJW 2001, 3794, 3796 (kritisch derselbe Senat in diesem Zusammenhang auch in BGHSt 36, 354, 358 f.). Zuletzt sprachen sich definitiv - in obiter dicta - der 2. Strafsenat (BGHR StPO § 274 Beweiskraft 29 m. Anm. Mosbacher JuS 2006, 39, 42 und Park StV 2005, 257) und der 1. Strafsenat (NStZ 2006, 181) für eine Änderung der Rechtsprechung zur Berücksichtigung einer Protokollberichtigung trotz Rügeverlust aus.
34
4. Dieser Kritik am Verbot der Rügeverkümmerung liegen folgende Erwägungen zugrunde:
35
Das Strafverfahrensrecht kenne keine Rechtsnorm, wonach für das Revisionsgericht die Sitzungsniederschrift in ihrer ursprünglichen Fassung, nicht nach ihrer Berichtigung im Sinne von § 274 StPO beachtlich sei. "Ein prozessuales Recht der Prozessbeteiligten, dass etwas nicht Geschehenes beurkundet oder etwas Geschehenes nicht beurkundet wird, gibt es nicht" (RMG 9, 35, 41 f.).
36
Grundsätzlich sei auch für die Revisionsgerichte die wahre Sachlage maßgeblich, wenn prozessual erhebliche Tatsachen der Klärung bedürften (BGHSt 36, 354, 358 f.). Wenn tatsächlich kein Verfahrensfehler gegeben sei, dürften bloße Mängel des Protokolls, welche die Urkundspersonen erkannt und beseitigt hätten, kein Revisionsgrund sein (vgl. BGHR StPO § 274 Beweiskraft 29; BGH NJW 2001, 3794, 3796; RMG 9, 35, 43; OLG Braunschweig HESt 1, 192, 193). Ein Misstrauen in die Redlichkeit der Urkundspersonen sei hingegen nicht gerechtfertigt (BGH NStZ 2006, 181). Eine von der Verfahrenswirklichkeit abweichende prozessuale Wahrheit sei nicht anzuerkennen, da § 274 StPO nicht die Tatsachen verändere, es sich bei der Vorschrift vielmehr nur um eine Beweisregel handele (BGH NJW 2006, 3579, 3581).
37
Bei Berücksichtigung der Protokollberichtigung könnten durch Protokollmängel veranlasste Verfahrensverzögerungen vermieden werden (BGHR StPO § 274 Beweiskraft 29; BGH NStZ 2006, 181). Die Ausweitung der Rechtsprechung zur Lückenhaftigkeit des Protokolls könnte begrenzt werden; die Problematik rechtsmissbräuchlicher Verfahrensrügen würde sich erübrigen (BGHR aaO).

V.

38
Der Große Senat beantwortet die vorgelegte Rechtsfrage wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich und gibt dabei den für eine Änderung der Rechtsprechung zum Verbot der Rügeverkümmerung sprechenden Argumenten den Vorzug:
39
1. Der Grundsatz, wonach einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge durch eine Protokollberichtigung nicht die Tatsachengrundlage zum Nachteil des Beschwerdeführers entzogen werden darf, beruht auf Rechtsprechung und kann durch Rechtsprechung geändert werden; eines Gesetzes bedarf es nicht:
40
a) Die grundsätzlich umfassende Berücksichtigung der nachträglichen Protokollberichtigung widerspricht dem Gesetz nämlich nicht. Zwar lässt § 274 Satz 2 StPO als Gegenbeweis gegen die Beurkundungen des Protokolls nur den Nachweis der Fälschung zu. Eine Berichtigung durch Erklärungen der Urkundspersonen enthält jedoch einen Widerruf der früheren Beurkundung und entzieht ihr, soweit die Berichtigung reicht, die absolute Beweiskraft, so dass es eines Gegenbeweises nicht mehr bedarf (ebenso bereits RGSt 19, 367, 370). Insbesondere auch deswegen hat die Rechtsprechung schon bisher nachträgliche Protokollberichtigungen, die einer Verfahrensrüge erst zum Erfolg verhelfen , für beachtlich gehalten (RG aaO; ähnlich für sich zugunsten des Beschwerdeführers vom Protokollinhalt distanzierende Erklärungen der Urkundspersonen BGHSt 4, 364, 365; BGH NJW 2001, 3794, 3796; NStZ 1988, 85; RGSt 57, 394, 396 f.; OLG Köln NJW 1952, 758).
41
b) Die Annahme, durch den Eingang der Revisionsbegründung werde ein besonderes prozessuales Recht auf Beibehaltung der Tatsachengrundlage für eine Rüge begründet, findet im Gesetz keine Stütze. Der Revisionsführer hat keinen Anspruch darauf, aus tatsächlich nicht gegebenen Umständen Verfahrensvorteile abzuleiten (vgl. BGH NJW 2006, 3579, 3580; Gollwitzer in FS für Gössel S. 543, 558; Lampe NStZ 2006, 366, 367; Lohse in Anwaltskommentar, StPO § 344 Rdn. 18). Ein etwaiges Vertrauen des Beschwerdeführers dahingehend , dass ein - inhaltlich unrichtiges - Protokoll für die Revisionsinstanz allein beachtlich bleibe, ist nicht schützenswert und kann auch nicht auf das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) gestützt werden (a.A. Jahn/Widmaier JR 2006, 166, 169; Krawczyk HRRS 2006, 344, 353). Verfahrensrechte können nur durch den tatsächlichen Verfahrensverlauf verletzt worden sein. Dementsprechend ist nur ein auf dessen Überprüfung bezogener effektiver Rechtsschutz erforderlich. Einen weitergehenden , aus rechtsstaatlichen Prinzipien abzuleitenden Anspruch des Beschwerdeführers , dass zu seinen Gunsten Unwahres unter allen Umständen als wahr fingiert bleiben muss, gibt es nicht. Da ein Recht auf Beibehaltung der Grundlage für eine Rüge weder einfachgesetzlich geregelt noch gar verfas- http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=NJW&B=1950&S=930 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=NJW&B=1951&S=259 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=MDR&B=1951&S=193 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=100&G=StPO&P=274 - 17 - sungsrechtlich verankert ist, gilt für die Zulässigkeit und Beachtlichkeit von Protokollberichtigungen auch kein Gesetzesvorbehalt.
42
2. Auch die Revisionsgerichte sind der Wahrheit verpflichtet; wenn prozessual erhebliche Tatsachen aus der tatrichterlichen Hauptverhandlung der Klärung bedürfen, muss grundsätzlich der wahre Sachverhalt, wie er sich zugetragen hat, maßgeblich sein (vgl. BGHSt 36, 354, 358 f.). Dies spricht entscheidend dafür, die Regelung des § 274 StPO in einer Weise auszulegen, welche die inhaltliche Richtigkeit der Sitzungsniederschrift gewährleistet.
43
a) Allerdings wird dem entgegengehalten, dass § 274 StPO nach dem Willen des Gesetzgebers der Zweckmäßigkeit Vorrang vor der Wahrheit einräume (so BGHSt 2, 125, 128; 26, 281, 283). Dieser Vorrang gilt aber schon jetzt nicht uneingeschränkt. Denn damit wäre der unstreitige Grundsatz nicht vereinbar, dass - wie bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt (IV 1 und V 1a) - Protokollberichtigungen und distanzierende Erklärungen der Urkundspersonen beachtlich sind, wenn sie das Revisionsvorbringen bestätigen (vgl. BGHSt 4, 364; BGH NStZ 1988, 85; RGSt 19, 367, 369 f.; 21, 323, 324 f.; 57, 394, 396 f.; OLG Köln NJW 1952, 758).
44
b) Der Wahrheitspflicht würde nicht dadurch Genüge getan, dass die Wahrheit in eine "materielle" und eine "formelle" bzw. "prozessuale Wahrheit" aufzuspalten wäre. Die Beweisregel des § 274 StPO schafft keinen von der (objektiven ) Wahrheit abweichenden Wahrheitsbegriff (so aber Cüppers NJW 1950, 930, 931 ff.; 1951, 259; Dahs, StraFo 2000, 181, 185; Jahn JuS 2007, 91 Fn. 3; Park StraFo 2004, 335, 337; Schneidewin MDR 1951, 193; vgl. auch RGSt 43, 1, 6). Die Beweiskraft des Protokolls nach § 274 StPO verändert nicht die Tatsachen, macht nicht aus Unwahrheit Wahrheit (vgl. Detter StraFo 2004, 329, 334; ebenso Beulke, Der Verteidiger im Strafverfahren 1980 S. 157, der aber "in diesem Ausnahmefall eine Lüge (für) prozessual zulässig" hält).
45
3. Die Verpflichtung zur Entscheidung auf der Grundlage eines zutreffenden Sachverhalts erhält inzwischen durch das Beschleunigungsgebot und den Gesichtspunkt des Opferschutzes zusätzliches Gewicht.
46
a) Das Bundesverfassungsgericht hat in jüngerer Zeit - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urt. vom 31. Mai 2001 - Nr. 37591/97 - Metzger gegen Deutschland - Rdn. 41 = NJW 2002, 2856, 2857) - mehrfach betont, die durch eine Revisionsentscheidung bedingte zusätzliche Verfahrensdauer sei bei der Berechnung der Überlänge eines Verfahrens zwar nicht stets, aber immer dann zu berücksichtigen, wenn das Revisionsverfahren der Korrektur eines offensichtlich der Justiz anzulastenden Verfahrensfehlers gedient hat (BVerfG NJW 2003, 2897, 2898; 2006, 672, 673; vgl. auch BVerfGK 2, 239, 251 [jeweils 3. Kammer des Zweiten Senats ]). Bei erfolgreichen Verfahrensrügen wäre nach dieser Auffassung wohl regelmäßig eine kompensationspflichtige rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung gegeben; denn Verfahrensfehler kann nur das Gericht begehen (vgl. BGH NJW 2006, 1529, 1533). Gerade auch die nach bisheriger Rechtsprechung zur Urteilsaufhebung führende Fiktion eines Verfahrensfehlers, die allein darauf beruht, dass die Urkundspersonen durch eine unrichtige Sitzungsniederschrift den Anschein eines in Wahrheit nicht vorgefallenen Verfahrensfehlers erweckt haben, fällt in den Verantwortungsbereich der Justiz. Vor diesem Hintergrund ist das Gewicht des für das Verbot der Rügeverkümmerung früher vorgebrachten Arguments, der Beschwerdeführer könne nicht mehr erreichen, als dass der Sachverhalt nochmals unter gewissenhafter Beachtung aller sachlichen und verfahrensrechtlichen Vorschriften erörtert und gerecht entschieden werde (OGHSt 1, 277, 282), stark relativiert.
47
b) Neben der Wahrheitspflicht und dem Beschleunigungsgebot kann auch der Opferschutz gebieten, ein Urteil nicht allein wegen eines fiktiven - unwahren - Sachverhalts aufzuheben. Liegt tatsächlich kein Verfahrensfehler vor und ist das Urteil auch sachlich-rechtlich nicht zu beanstanden, so ist es nicht gerechtfertigt, Opferzeugen nach der "Feuerprobe" (Sowada NStZ 2005, 1, 7) in der ersten Hauptverhandlung nochmals einer konfrontativen Vernehmung zu unterziehen. In diesem Sinne verpflichtet auch der Rahmenbeschluss der Europäischen Union über die Stellung des Opfers im Strafverfahren vom 15. März 2001 (ABlEG Nr. L 82 vom 22. März 2001) in Art. 3 Abs. 2 die Mitgliedstaaten, "die gebotenen Maßnahmen (zu ergreifen), damit ihre Behörden Opfer nur in dem für das Strafverfahren erforderlichen Umfang befragen" (hierzu BGH NJW 2005, 1519, 1520 f.; vgl. auch BTDrucks. 15/1976 S. 8, 19 zu § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG n.F.).
48
4. Ebenso sind mit der Änderung der Rechtsprechung zum Verbot der Rügeverkümmerung der Erfolgsaussicht bewusst unwahrer Verfahrensrügen Grenzen gesetzt.
49
a) Eine veränderte Einstellung der Strafverteidiger zu der Praxis, auf unwahres Vorbringen Verfahrensrügen zu stützen, spricht dafür, die Zurückhaltung bei der Berücksichtigung der Protokollberichtigung aufzugeben, auch wenn mit der Berichtigung einer zulässig erhobenen Rüge die Tatsachengrundlage entzogen wird.
50
aa) Die grundlegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Verbot der Rügeverkümmerung (BGHSt 2, 125) erging in einer Zeit, in der die vom Verteidiger bewusst wahrheitswidrig erhobene Verfahrensrüge nach verbreiteter Ansicht als standeswidrige Verfehlung galt (vgl. Dahs AnwBl. 1950/51, 90: "Die wahrheitswidrige Verfahrensrüge ist eine standesrechtliche Verfehlung" [S. 90]; "… der Anwalt, der die hier wiedergegebenen Grundsätze nicht anerkennt, [muß] mit der Einleitung eines ehrengerichtlichen Verfahrens seitens des Generalstaatsanwalts rechnen" [S. 92]; ferner d. Nachw. b. Tepperwien in FS für Meyer-Goßner S. 595, 598 f.).
51
Heute wird es hingegen schon als "anwaltlicher Kunstfehler" bezeichnet, sich eines Fehlers im Protokoll jedenfalls nicht in der Weise zu bedienen, dass ein anderer Verteidiger die Revision begründet (vgl. hierzu G. Schäfer in FS 50 Jahre BGH S. 707, 726 f. m.w.N.; ders., Die Praxis des Strafverfahrens 6. Aufl. Rdn. 1814; ferner - gestützt auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - Dahs, Handbuch des Strafverteidigers von der 1. Auflage 1969, Rdn. 754, bis zur neuesten 7. Aufl. [ab 4. Auflage Dahs jun.] 2005, Rdn. 918: "… braucht der Verteidiger sich nicht zu scheuen, von dem durch das Protokoll 'geschaffenen' unverrückbaren Tatbestand als 'Wahrheit' auszugehen"). In der Literatur wird sogar postuliert, dass das "Recht der Verteidigung zur 'unwahren Verfahrensrüge' … sakrosankt" sei (Docke/v. Döllen/Momsen StV 1999, 583, 585), sogar die "Pflicht zur Lüge" bestehe (vgl. Dahs StraFo 2000, 181, 185; Leipold NJW-Spezial 2006, 521, 522; in vergleichbarem Sinne auch Sarstedt /Hamm, Die Revision in Strafsachen 6. Aufl. Rdn. 292 ff.).
52
bb) All dies widerstreitet diametral den Vorstellungen, von denen der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung zur Unzulässigkeit der Protokollrüge (BGHSt 7, 162) ausgegangen ist. Hier ist ausgeführt, das Erfordernis der bestimmten Behauptung eines Verfahrensfehlers führe dazu, dass der Verteidiger - unbeschadet der Frage der Standeswidrigkeit seines Verhaltens - jedenfalls "vor seinem Gewissen und nach außen hin die Verantwortung für die Geltendmachung eines jeden Verfahrensmangels übernehmen" muss, "indem er ihn ernstlich behauptet und nicht etwa nur darauf hinweist, daß er sich aus der Niederschrift ergebe"; dieses Erfordernis solle "einem Mißbrauch rein formaler Möglichkeiten entgegenwirken" (BGH aaO 164; hierzu Fahl, Rechtsmißbrauch im Strafprozeß 2004 S. 665 f.; Tepperwien in FS für Meyer-Goßner S. 595, 599).
53
Die veränderte Einstellung auf Seiten der Strafverteidiger hat verdeutlicht , dass sich die mit der Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der Protokollrüge verknüpfte Hoffnung nicht erfüllt hat, auf diese Weise - insbesondere durch den Appell an das Gewissen des die Revision begründenden Verteidigers - bewusst unwahre Verfahrensrügen zu verhindern. Vielmehr hat diese Rechtsprechung den Rat nach sich gezogen, Unwahres ohne weiteres als tatsächlich geschehen zu behaupten; denn die Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO schließe "jeden Formulierungs- oder Formelkompromiß in der Revisionsbegründung aus, zu dem zart besaitete Strafverteidiger - falls es solche gibt - sich durch ihr Gewissen gedrängt sehen könnten. Die Revisionsgerichte ahnden derartige Relikte von Wahrheitsliebe (gemeint: angedeutete Distanzierung vom Protokollinhalt) mit unnachsichtiger Strenge" (Dahs StraFo 2000, 181, 185).
54
Die Änderung des anwaltlichen Ethos ist ein weiteres Argument für die Änderung der Rechtsprechung.
55
b) Die prozessuale Wirksamkeit auch einer bewusst unwahren Verfahrensrüge wurde von der Rechtsprechung trotz erkennbaren Unbehagens und geäußerter Zweifel bis vor kurzem nie verneint (vgl. BGHSt 7, 162, 164; BGHR StPO § 274 Beweiskraft 21; 22; 24; 27; BGH NJW 2001, 3794, 3796; RGSt 43, 1; OGHSt 1, 277, 282; Detter StraFo 2004, 329, 334; Park StraFo 2004, 335, 337; Tepperwien in FS für Meyer-Goßner S. 585). Erst in neuerer Zeit hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die nachgewiesenermaßen wahrheitswidrige Behauptung eines Verfahrensfehlers unter Berufung auf das insoweit fehlerhafte Protokoll dann als rechtsmissbräuchlich missbilligt, wenn der Beschwerdeführer - im Fall der Angeklagtenrevision (auch) der Verteidiger in der Revisionsinstanz - sicher weiß, dass sich der Fehler nicht ereignet hat, und zwar auch dann, wenn er Kenntnis erst im Laufe des Revisionsverfahrens erhält (BGHSt 51, 88 = NJW 2006, 3579 m. Anm. Benthin NJ 2007, 36, Fahl JR 2007, 34, Hollaender JR 2007, 6, Jahn JuS 2007, 91, Lindemann/Reichling StV 2007, 152 und Widmaier NJW 2006, 3587). Der solchermaßen rügevernichtende Missbrauch prozessualer Rechte ist allerdings regelmäßig nicht leicht nachweisbar (BGH NJW 2006, 3579, 3582).
56
5. Eine Änderung der Rechtsprechung zum Verbot der Rügeverkümmerung begegnet zudem der Tendenz zur Ausweitung der Rechtsprechung zu offensichtlichen Mängeln des Protokolls (ebenso BGHR StPO § 274 Beweiskraft 29). Diese Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 2001, 3794; NStZ 2000, 546) geht mittlerweile sehr weit; ihr fehlen - jedenfalls in Grenzfällen - hinreichend klare und verlässliche Konturen. Diese Tendenz ist gerade vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Folgen der relativen Unbeachtlichkeit der Protokollberichtigung als nicht mehr tragbar empfunden werden. In der Literatur wird hierzu vorgebracht , die Senate suchten in Grenzfällen geradezu nach Möglichkeiten der Durchbrechung der formellen Beweiskraft der Sitzungsniederschrift (Detter StraFo 2004, 329, 330; Park StraFo 2004, 335, 338, 340; krit. auch Docke/v. Döllen/Momsen StV 1999, 583 f.; Kuhn NJW-Spezial 2006, 567; Ventzke StV 2004, 300 f.).
57
6. Eine Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt geboten, dass auf diese Weise die Tatgerichte zum Einhalten der Vorschriften über die Protokollführung anzuhalten wären (so aber BGHSt 2, 125, 127; OGHSt 1, 277, 281; Jahn/Widmaier JR 2006, 166 f.; MeyerGoßner DRiZ 1997, 471, 474; Park StraFo 2004, 335, 342; ders. StV 2005, 257, 259). Die Tragfähigkeit einer solchen Argumentation ist schon bislang zweifelhaft ; denn gerade ein Protokoll, das offensichtlich unsorgfältig geführt ist, verliert von vorneherein jede Beweiswirkung und die Revisionsgerichte klären im Freibeweisverfahren, ob ein Verfahrensfehler vorliegt. Im Ergebnis wird bislang gerade derjenige "Tatrichter, der das Hauptverhandlungsprotokoll nachlässig führt, … prämiert" (Ventzke StV 2004, 300, 301).
58
7. Die Berichtigung setzt bei den Urkundspersonen sichere Erinnerung voraus (vgl. nur Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 271 Rdn. 47 ff. m.w.N.). Fehlt es hieran, kann das Protokoll nicht (mehr) berichtigt werden. Ein Argument gegen die umfassende Berücksichtigung einer Berichtigung durch das Revisionsgericht ist die Erfahrung nachlassender Erinnerung grundsätzlich nicht. Dass die Urkundspersonen unbewusst Erinnerungsdefizite mit "Erfahrungswissen" ausfüllen (Jahn/Widmaier JR 2006, 166, 167; vgl. auch BGHSt 2, 125, 128 f.; OGHSt 1, 277, 281; Park StV 2005, 257, 259), liegt gerade bei den in der Literatur für problematisch erachteten Fällen, in denen es um den sachlichen Inhalt nicht regelmäßiger Prozesshandlungen (etwa bei Hinweisen nach § 265 StPO) geht (vgl. Jahn/Widmaier aaO 167 ff.), fern. Häufig kann eine Urkundsperson auch auf andere Unterlagen als Erinnerungsstütze zurückgreifen, wie in dem der Vorlegung zugrunde liegenden Fall die Urkundsbeamtin auf die unmittelbar während der Verhandlung getätigten Aufzeichnungen, die Grundlage der Sitzungsniederschrift waren; oftmals beruhen Protokollmängel auf derartigen Übertragungsfehlern. Schließlich stammt der Hinweis auf das nachlassende Erinnerungsvermögen aus einer Zeit, als es die Vorschrift über die Urteilsabsetzungsfristen (§ 275 Abs. 1 StPO), die insgesamt regelmäßig zu einer zeitlichen Straffung des Verfahrens nach der Hauptverhandlung geführt haben, noch nicht gab.
59
Das Argument, dass dem berichtigten Protokoll schon deshalb ein tatsächlich geringerer Beweiswert zukomme, weil sich die Urkundspersonen zuvor übereinstimmend geirrt haben müssten (vgl. Tepperwien in FS für Meyer-Goßner S. 595, 605), hält der Große Senat nicht für durchgreifend. Dass beide Urkundspersonen bei der Anfertigung des ursprünglichen Protokolls nicht gewissenhaft genug waren, wird nämlich dadurch ausgeglichen, dass besonders hohe Anforderungen an die Sorgfalt bei der Berichtigung gestellt werden. Ein übereinstimmender Irrtum im Sinne einer gemeinsamen Fehlvorstellung der Ur- kundspersonen liegt nach aller forensischer Erfahrung ohnehin nicht vor. Dies würde voraussetzen, dass die Urkundspersonen über die Einzelheiten des Prozessgeschehens und dessen - fehlende - Beurkundung gleich reflektiert hätten. So spricht etwa in dem der Vorlegung zugrunde liegenden Fall nichts dafür, dass der Vorsitzende und die Protokollführerin zunächst bei der Protokollerstellung noch übereinstimmend davon überzeugt waren, der Vertreter der Staatsanwaltschaft habe den Anklagesatz nicht verlesen.

VI.

60
Zusätzliche Gewähr für die Richtigkeit der nachträglichen Änderung der Sitzungsniederschrift bietet eine rechtlich verbindliche Form der Protokollberichtigung , die zu einer im Revisionsverfahren überprüfbaren Entscheidungsgrundlage führt. Dies sichert die Effektivität des Rechtsmittels der Revision (vgl. Jahn/Widmaier JR 2006, 166, 169) und trägt im Fall der Angeklagtenrevision dessen verfassungsrechtlich verbürgtem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) Rechnung. Lässt sich jedoch zuverlässig ausschließen, dass sich die Urkundspersonen an ein der Verfahrenswirklichkeit nicht entsprechendes Prozessgeschehen irrtümlich vermeintlich sicher erinnern, so haben die Argumente, welche das Verbot der Rügeverkümmerung mit dem Schutz des Beschwerdeführers bzw. der prozessualen Waffengleichheit begründen (vgl. Fezer StV 2006, 290, 291; Tepperwien aaO 604), kein Gewicht.
61
1. In Fällen der vorliegenden Art ist zur Sicherung der Effektivität des Rechtsmittels bei der Protokollberichtigung folgendes Verfahren einzuhalten:
62
Wie bereits dargelegt (V 7), setzt die Berichtigung sichere Erinnerung bei den Urkundspersonen voraus. Die Absicht der Berichtigung ist dem Beschwerdeführer - im Fall einer Angeklagtenrevision zumindest dem Revisionsverteidiger - zusammen mit dienstlichen Erklärungen der Urkundspersonen mitzuteilen. Diese Erklärungen haben die für die Berichtigung tragenden Erwägungen zu enthalten, etwa indem sie auf markante Besonderheiten des Falls eingehen, wie hier etwa darauf, dass die Verlesung der rechtlichen Würdigung des Tatgeschehens zu Unmutsäußerungen der Zuhörer führte. Daneben sollten gegebenenfalls während der Hauptverhandlung getätigte Aufzeichnungen, welche den Protokollfehler belegen, in Abschrift übermittelt werden. Dem Beschwerdeführer ist innerhalb angemessener Frist rechtliches Gehör zu gewähren.
63
Widerspricht der Beschwerdeführer daraufhin der beabsichtigten Protokollberichtigung substantiiert, indem er im Einzelnen darlegt, aus welchen Gründen er im Gegensatz zu den Urkundspersonen sicher ist, dass das zunächst gefertigte Protokoll richtig ist, so sind erforderlichenfalls weitere dienstliche Erklärungen und Stellungnahmen der übrigen Verfahrensbeteiligten einzuholen. Auch hierzu ist dem Beschwerdeführer eine angemessene Frist zur Stellungnahme zu gewähren. Halten die Urkundspersonen die Niederschrift weiterhin für inhaltlich unrichtig, so haben sie diese gleichwohl zu berichtigen. In diesem Fall ist ihre Entscheidung über die Protokollberichtigung - dies ergibt sich bereits aus allgemeinen Rechtsgedanken (vgl. § 34 StPO) - mit Gründen zu versehen. Darin sind die Tatsachen anzugeben, welche die Erinnerung der Urkundspersonen belegen. Ferner ist auf das Vorbringen des Beschwerdeführers und gegebenenfalls abweichende Erklärungen der übrigen Verfahrensbeteiligten einzugehen.
64
2. Eine erneute Zustellung des Urteils nach Berichtigung der Sitzungsniederschrift ist nicht erforderlich. Nach § 273 Abs. 4 StPO setzt eine wirksame Zustellung einzig voraus, dass die Niederschrift fertig gestellt ist. Die Fertigstellung erfolgt zu dem Zeitpunkt, zu dem die letzte der beiden erforderlichen Unterschriften geleistet wurde (§ 271 Abs. 1 StPO), selbst wenn die Niederschrift sachlich oder formell fehlerhaft ist oder Lücken aufweist (vgl. Engelhardt in KK-StPO 5. Aufl. § 271 Rdn. 8; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 271 Rdn. 31, § 273 Rdn. 56). Spätere Berichtigungen derartiger Mängel be- rühren den Zeitpunkt der Fertigstellung nicht mehr (vgl. Gollwitzer aaO). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. In seinem Vertrauen, eine bestimmte Verfahrensrüge werde erfolgreich sein, wird der Beschwerdeführer auch sonst nicht geschützt.
65
3. Die Gründe der Berichtigungsentscheidung unterliegen im Rahmen der erhobenen Verfahrensrüge der Überprüfung durch das Revisionsgericht. Tragen sie die Berichtigung, so ist das berichtigte Protokoll zugrunde zu legen. Allerdings kommt dem berichtigten Teil des Protokolls nicht die formelle Beweiskraft des § 274 StPO zu. Nur so ist das Revisionsgericht in der Lage, zum Schutz der Beschwerdeführer die rügevernichtende Protokollberichtigung zu überprüfen. Verbleiben dem Revisionsgericht Zweifel, ob die Berichtigung zu Recht erfolgt ist, kann es den Sachverhalt im Freibeweisverfahren weiter aufklären. Insoweit gelten die Grundsätze, die schon bisher für eine ursprünglich offensichtlich mangelhafte Sitzungsniederschrift zur Anwendung kamen. Verbleiben dem Revisionsgericht auch nach seiner Überprüfung Zweifel an der Richtigkeit des berichtigten Protokolls, hat es seiner Entscheidung das Protokoll in der ursprünglichen Fassung zugrunde zu legen. Hirsch Rissing-van Saan Nack Basdorf Häger Maatz Wahl Bode Kuckein Pfister Becker

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 485/10
vom
28. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am 28. Juni
2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 8. Juli 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte verurteilt worden ist in den Fällen - II. 2. bis 7. der Urteilsgründe wegen sechs Fällen des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, - II. 17. bis 25. der Urteilsgründe wegen neun Fällen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge, - II. 26. der Urteilsgründe wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, - II. 30. der Urteilsgründe wegen Erwerbs einer Schusswaffe zum Zwecke der Überlassung an einen Nichtberechtigten in Tateinheit mit Erwerb und Besitz von halbautomatischen Kurzwaffen,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen - bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen (Fälle II. 2. bis 7. der Urteilsgründe), - bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 26. der Urteilsgründe), - Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln , jeweils in nicht geringer Menge, in zwölf Fällen (Fälle II. 14. bis 25. der Urteilsgründe), - Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge, in drei Fällen (Fälle II. 8. bis 10. der Urteilsgründe), - zweier Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln oder Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln , jeweils in nicht geringer Menge (Fälle II. 11. und 12. der Urteilsgründe), - Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge, in drei Fällen (Fälle II. 27. bis 29. der Urteilsgründe), - zweier Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fälle II. 1. und 13. der Urteilsgründe) sowie - Erwerbs einer Schusswaffe zum Zwecke der Überlassung an einen Nichtberechtigen in Tateinheit mit "Erwerb und Besitz von halbautomatischen Kurzwaffen" (Fall II. 30. der Urteilsgründe) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Ferner hat es zu seinen Lasten 10.000 € für verfallen erklärt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.

I.


2
1. Der Schuldspruch wegen sechs Fällen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 BtMG) in den Fällen II. 2. bis 7. der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

3
a) Nach den Feststellungen betrieb der Angeklagte ab September 2008 zusammen mit seiner Ehefrau, seinem Sohn und zwei weiteren Personen insgesamt drei Indoor-Plantagen zur Erzeugung von Marihuana für den gewinnbringenden Verkauf. In der von Ende September 2008 bis Ende März 2009 bestehenden Plantage in H. fanden insgesamt drei Ernten statt, und zwar im Dezember 2008 sowie im Februar und im März 2009; der Gesamtertrag belief sich auf 5,1 kg. Die Pflanzen in der ab Dezember 2008 unterhaltenen Plantage in N. waren zum Zeitpunkt der Festnahme des Angeklagten am 28. April 2009 noch nicht erntereif. In der ab Januar 2009 betriebenen Plantage in Ha. fand bis 28. April 2009 eine Ernte statt, die 4,5 kg erbrachte; weitere 3 kg abgeerntete Pflanzenteile nebst einer Generation noch nicht abgeernteter Pflanzen wurden dort sichergestellt. Wie das Landgericht weiter feststellt, hat der Angeklagte aus dem Gesamtertrag - ca. 13 kg - 6 kg am 13. April 2009 an den Zeugen W. verkauft (vgl. Fall II. 30. der Urteilsgründe ); 7 kg hat er in mehreren Einzelmengen an den Zeugen We. veräußert.
4
b) Ungeachtet dessen, dass ein Verkauf der insgesamt geernteten ca. 13 kg Marihuana nicht mit einer Sicherstellung von 3 kg hiervon in Einklang gebracht werden kann, erschließt sich aus dem Gesamtzusammenhang, dass die dem Zeugen W. am 13. April 2009 verkaufte Menge aus mehreren Ernten herrührte.
5
Zwar geht das Landgericht im Ansatz zutreffend davon aus, dass gesonderte Anbauvorgänge, die auf gewinnbringende Veräußerung der dadurch erzeugten Betäubungsmittel abzielen, grundsätzlich als für sich selbständige, zueinander in Tatmehrheit stehende Taten des Handeltreibens zu bewerten sind (vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2005 - 3 StR 106/05, NStZ 2005, 650; Weber , BtMG, 3. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 516; § 29 Rn. 109). Anderes gilt indes, soweit der Täter - wie hier hinsichtlich des Verkaufs an den Zeugen W. festgestellt - mehrere der durch die einzelnen Anbauvorgänge erzielten Erträge in einem einheitlichen Umsatzgeschäft veräußert. Dies führt jedenfalls zu einer Teilidentität der jeweiligen tatbestandlichen Ausführungshandlungen und verknüpft so die einzelnen Fälle des Handeltreibens zur Tateinheit (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 2003 - 4 StR 130/03; Weber aaO vor §§ 29 ff. Rn. 521, 563). Sammelt der Täter darüber hinaus mehrere Ernten zu einem Gesamtvorrat an, bevor er mit dem Verkauf beginnt, so verbindet dies alle hierauf bezogenen Einzelakte des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit mit der Folge einer materiellrechtlich einheitlichen, auch die zu Grunde liegenden Anbauvorgänge umfassenden Tat (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2002 - 4 StR 233/02, NJW 2003, 300; Beschluss vom 25. Juni 1998 - 1 StR 68/98, NStZ-RR 1999, 250; Weber aaO vor §§ 29 ff. Rn. 514 f.).
6
c) Eine Berichtigung des Schuldspruchs ist dem Senat schon wegen der aufgezeigten Widersprüche nicht möglich. Der neue Tatrichter wird deshalb insgesamt neue Feststellungen zu den jeweiligen Erntemengen und ihrer Verwendung zu treffen haben.
7
2. Auch der Schuldspruch wegen neun Fällen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG), in den Fällen II. 17. bis 25. der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
a) Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte zwischen Ende Oktober 2008 und Ende April 2009 insgesamt 18 kg Marihuana an den Zeugen We. . Es stammte "aus Einfuhren", die der Angeklagte entweder selbst tätigte oder durch den Zeugen R. tätigen ließ. Die Veräußerung geschah "in Portionen" von 1 bis 2 kg, also in mindestens neun Fällen.
9
b) Die Zahl der Einfuhren lässt das Landgericht offen. Hierzu nähere Feststellungen zu treffen wäre es indes gehalten gewesen, denn allein der Umstand , dass der Angeklagte das eingeführte Marihuana in neun Einzelakten verkauft hat, trägt noch nicht die Annahme des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in neun Fällen. Beschafft sich der Täter eine einheitliche Rauschgiftmenge zur gewinnbringenden Weiterveräußerung, so verwirklicht er den Tatbestand des Handeltreibens vielmehr auch dann nur einmal, wenn er sie in mehreren Teilmengen absetzt, denn Akte des Handeltreibens, die sich auf dieselbe Rauschgiftmenge beziehen, bilden eine Bewertungseinheit (BGH, Beschluss vom 4. April 2006 - 3 StR 91/06, NStZ 2007, 102; Weber aaO vor §§ 29 ff. Rn. 487, 489, 492). Dass der Angeklagte die verkauften "Portionen" jeweils gesondert eingeführt hätte, legen die Feststellungen nicht nahe.
10
3. Im Fall II. 26. der Urteilsgründe tragen die Feststellungen nicht die Annahme der Qualifikation des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG).
11
a) Danach führte der Angeklagte am 3. November 2008 in seinem Pkw 995 g Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf und 336 Cannabispflanzen für seine Plantage in H. aus den Niederlanden nach Deutschland ein. Dabei führte er im leeren Airbag-Fach des Pkw einen ohne weiteres erreichbaren Schlagring mit.
12
b) Bewaffnetes Handeltreiben nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt voraus , dass der Täter die Schusswaffe oder den Gegenstand bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich ihrer jederzeit bedienen kann (BGH, Urteil vom 15. November 2007 - 4 StR 435/07, BGHSt 52, 89; Urteil vom 28. Februar 1997 - 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8). Ausreichend, aber auch erforderlich ist das aktuelle Bewusstsein des Bewaffnetseins (BGH, Urteil vom 21. März 2000 - 1 StR 441/99, NStZ 2000, 433; Weber aaO § 30a Rn. 128). Zu dieser subjektiven Tatseite ist indes nichts festgestellt. Vielmehr lassen die weiteren Darlegungen darauf schließen, dass sich das Landgericht außerstande gesehen hat, die Einlassung des Angeklagten zu widerlegen, er habe den Schlagring als Geschenk für den Lieferanten in die Niederlande mitgenommen , ihn dann aber vergessen und auf der Rückfahrt nicht mehr an ihn gedacht.
13
c) Nicht tragfähig ist die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte sei sich jedenfalls bei seiner Anfahrt aus Deutschland zum Zwecke des Erwerbs der Betäubungsmittel der Zugriffsmöglichkeit auf den Schlagring bewusst gewesen. Handelt der Täter in mehreren Einzelakten, so reicht es zwar aus, wenn er die Tatbestandsmerkmale der Qualifikation nur bei einem Einzelakt verwirklicht (BGH, Urteil vom 21. März 2000 - 1 StR 441/99, NStZ 2000, 433; Urteil vom 28. Februar 1997 - 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8). Ein dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz vorgelagertes Handeln des Täters ist Teilakt des Handeltreibens jedoch erst dann, wenn die Tat damit wenigstens in das Versuchsstadium eingetreten ist; die Bewaffnung nur während einer Vorbereitungshandlung genügt für § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht (Weber aaO § 30a Rn. 152). Allein mit dem Antritt einer Fahrt in der Absicht, am Zielort Betäubungsmittel zu erwerben , setzt der Täter aber grundsätzlich noch nicht zu einem konkretisierbaren Umsatzgeschäft an. Etwas anderes kann etwa dann gelten, wenn dem Täter dort ein zuverlässiger Händler bekannt ist (Weber aaO § 29 Rn. 351, 541; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Mai 1996 - 1 StR 245/96, NStZ 1996, 507). Solche besonderen Umstände des Einzelfalles hat das Landgericht indes nicht festgestellt.
14
4. Auch der Schuldspruch wegen Erwerbs einer Schusswaffe zwecks Überlassung an einen Nichtberechtigen (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG) in Tateinheit mit "Erwerb und Besitz von halbautomatischen Kurzwaffen" (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG) im Fall II. 30. der Urteilsgründe wird von den Feststellungen nicht getragen.
15
a) Danach bat der Angeklagte Anfang April 2009 den Zeugen We. , ihm eine Schusswaffe zu besorgen. We. erwarb hierauf eine Pistole Walther P1, einen Revolver HS Kal. 22 Single Action und einen Revolver ME 33 Magnum und veräußerte diese Waffen an den Angeklagten. Die Pistole verkaufte der Angeklagte an den Zeugen W. weiter, als dieser am 13. April 2009 die erworbenen 6 kg Marihuana (Fälle II. 2. bis 7. der Urteilsgründe) mit der Bahn nach Hause bringen wollte. Die beiden Revolver verwahrte er in einem Hohlraum in der Decke seiner Wohnung.
16
b) Der Tatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG setzt voraus, dass der Täter bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs der Waffe die Absicht hat, sie an einen Nichtberechtigten weiterzugeben (MünchKommStGB/Heinrich, § 52 WaffG Rn. 15). Dies ist hinsichtlich der Pistole Walther P1 nicht festgestellt und kann nach dem dargelegten Geschehensablauf auch nicht dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnommen werden. Danach käme insoweit - tateinheitlich zu Erwerb und Besitz gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG - lediglich Überlassen einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe nach § 52 Abs. 3 Nr. 7 WaffG in Betracht (MünchKommStGB/Heinrich aaO Rn. 83 f.,

145).


17
Desweiteren handelt es sich bei den Revolvern nicht um halbautomatische Kurzwaffen im Sinne von § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG, denn diese werden nach Abgabe eines Schusses nicht selbsttätig, sondern nur durch Einsatz körperlicher Kraft erneut schussbereit. Anlage 1 zum WaffG Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 2.2 stellt dies auch für den Typ Double Action wie den Revolver ME 33 Magnum klar. In Betracht kommt damit insoweit nur Erwerb einer Schusswaffe tateinheitlich in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit deren Besitz (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG; vgl. MünchKommStGB/Heinrich aaO Rn. 147, 159 mwN).
18
c) In Anbetracht der ausgesprochenen - im Verhältnis zum Strafrahmen des § 52 Abs. 1 WaffG erheblichen - Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten kann das Urteil auf den Rechtsfehlern beruhen. Es ist nicht auszuschließen , dass das Landgericht zu einer milderen Strafe gelangt wäre, hätte es hinsichtlich der Pistole nur § 52 Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 3 Nr. 7 WaffG und hinsichtlich der Revolver tateinheitlich hierzu nur § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG angewandt.

II.


19
Im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Näherer Erörterung bedarf lediglich die Rüge des Beschwerdeführers, ihm sei entgegen § 258 Abs. 2 und 3 StPO weder das letzte Wort gewährt worden noch sei er befragt worden, ob er selbst noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe.
20
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
21
a) In der Hauptverhandlung am 8. Juli 2010 wurde die Beweisaufnahme zunächst im allseitigen Einverständnis geschlossen. Nach den Schlussanträgen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigerin hatte der Angeklagte das letzte Wort. Der Angeklagte wurde befragt, ob er selbst noch etwas zur Verteidigung anzuführen habe; "er erklärte sich". Nach Unterbrechung trat die Strafkammer nochmals in die Beweisaufnahme ein. Sie beschloss eine Teileinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO und gab einen rechtlichen Hinweis zu zwei der später abgeurteilten Taten. Im Anschluss daran wurde die Beweisaufnahme erneut geschlossen. Zum weiteren Verfahrensgang ist in dem am 24. August 2010 fertiggestellten - vom Beschwerdeführer zur Grundlage seiner Rüge genommenen - Hauptverhandlungsprotokoll vermerkt: "Die Staatsanwältin, die Verteidigerin und der Angeklagte wiederholten ihre Anträge." Nach Beratung verkündete die Strafkammer sodann das Urteil.
22
b) Nach Eingang der Revisionsbegründung gaben der Vorsitzende und die Urkundsbeamtin am 5. November 2010 zu der Rüge dienstliche Äußerungen dahingehend ab, der Angeklagte sei nach der erneuten Schließung der Beweisaufnahme ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er nochmals das letzte Wort habe. Er habe jedoch ebenso wie die Staatsanwältin und die Verteidigerin keine weiteren Ausführungen gemacht, weshalb im Protokoll missverständlich festgehalten worden sei, dass alle Genannten ihre Anträge wiederholt hätten. Mit Beschluss vom gleichen Tag berichtigten der Vorsitzende und die Urkundsbeamtin das Protokoll ohne Anhörung des Beschwerdeführers insoweit wie folgt:
23
"Die Beweisaufnahme wurde wieder geschlossen. Die Staatsanwältin und die Verteidigerin wiederholten ihre Anträge. Der Angeklagte hatte erneut das letzte Wort. Er machte keine weiteren Ausführungen."
24
2. Die Rüge bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
25
a) Allerdings sieht sich der Senat anders als der Generalbundesanwalt nicht in der Lage, den Wortlaut des Protokolls in der am 24. August 2010 fertig gestellten Fassung dahin auszulegen, der Angeklagte habe nach der erneuten Schließung der Beweisaufnahme nochmals das letzte Wort gehabt. Zwar sind auch diesbezügliche Protokollvermerke auslegungsfähig, weshalb es nicht entscheidend darauf ankommt, ob der Verfasser dem Gesetzeswortlaut entsprechend den Begriff "letztes Wort" verwendet hat (BGH, Urteil vom 20. März 1959 - 4 StR 416/58, BGHSt 13, 53, 59 f.). Stets muss der Vermerk jedoch hinreichend deutlich machen, dass das Gericht den Angeklagten befragt und ihm Gelegenheit gegeben hat, sich als letzter der Beteiligten zu äußern. Aus der vom Landgericht hier gewählten Formulierung kann der Senat dies nicht ableiten.
26
b) Der Senat folgt auch nicht der Auffassung des Generalbundesanwalts , das Verfahrensgeschehen könne jedenfalls im Freibeweis anhand der dienstlichen Äußerungen ermittelt werden, weil das (unberichtigte) Protokoll insoweit widersprüchlich sei, als es einerseits festhalte, der Angeklagte habe "sich erklärt", andererseits bekunde, er habe seinen "Antrag" wiederholt. Dabei kann offen bleiben, ob hierin überhaupt eine die Frage der Erteilung des letzten Wortes berührende Widersprüchlichkeit des Protokolls zu sehen ist. Denn nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 StR 158/10, StV 2010, 675; Beschluss vom 28. Januar 2010 - 5 StR 169/09, NJW 2010, 2068), der sich der Senat anschließt, ist es dem Revisionsgericht grundsätzlich verwehrt, den tatgerichtlichen Verfahrensablauf anhand dienstlicher Erklärungen im Wege des Freibeweises darauf zu überprüfen, ob die für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen wesentlichen Förmlichkeiten beobachtet worden sind. Diese können nach § 274 Satz 1 StPO allein durch das Protokoll bewiesen werden; als Gegenbeweis lässt § 274 Satz 2 StPO nur den Nachweis der Fälschung zu. Insbesondere angesichts der nunmehr durch die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (Beschluss vom 23. April 2007 - GSSt 1/06, BGHSt 51, 298) bestätigten Möglichkeit, auch noch nach Erhebung einer ordnungsgemäßen Verfahrensrüge das Protokoll zu berichtigen , selbst wenn dieser dadurch die Tatsachengrundlage entzogen wird, besteht grundsätzlich kein Raum mehr dafür, zum Nachteil des Angeklagten freibeweislich über die Beobachtung der wesentlichen Förmlichkeiten zu befinden. Denn gegenüber einem den Maßstäben des Großen Senats (aaO Rn. 61 ff.) genügenden förmlichen Berichtigungsverfahren bietet das Freibeweisverfahren nur geringere verfahrensrechtliche Sicherungen für die Ermittlung des wahren Sachverhalts (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 StR 158/10, StV 2010,

675).


27
c) Indes ergibt sich aus dem nunmehr berichtigten Protokoll, dass der vom Beschwerdeführer behauptete Verfahrensverstoß nicht vorgelegen hat.
28
Unbeachtlich ist allerdings der Berichtigungsbeschluss des Landgerichts vom 5. November 2010, denn mangels Anhörung des Beschwerdeführers ist er nicht in einem Verfahren ergangen, das den im Beschluss des Großen Senats (aaO) niedergelegten Grundsätzen genügt. Dasselbe gilt für die vom Landgericht am 21. März 2011 - nach Rückgabe der Sache durch den Senat - beschlossene gleichlautende Protokollberichtigung, die unberücksichtigt ließ, dass der Beschwerdeführer der Maßnahme am 15. März 2011 widersprochen hatte. Indes hat das Landgericht schließlich am 17. Mai 2011, wiederum mit demselben Wortlaut, einen weiteren Berichtigungsbeschluss gefasst, der nach Überprüfung durch den Senat auf einem den genannten Vorgaben entsprechenden Verfahren beruht.
29
Angesichts der sich aus den dienstlichen Äußerungen vom 5. November 2010 ergebenden sicheren Erinnerung der Urkundspersonen bedurfte es der vom Beschwerdeführer vermissten Erklärungen des beisitzenden Richters und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft nicht mehr. Insbesondere hat der Beschwerdeführer auch in seinem erneuten Widerspruch vom 11. Mai 2011 nicht substantiiert dargelegt, aus welchen Gründen er sich im Gegensatz zu den Urkundspersonen der Richtigkeit des zunächst gefertigten Protokolls sicher ist (vgl. BGH - GSSt - aaO Rn. 63). Hierzu hätte er den ihm erinnerlichen Verfahrensablauf näher schildern und sich auch dazu erklären müssen, auf welchen tatsächlichen Vorgängen der von ihm für richtig gehaltene Vermerk, er sei bei seinem Antrag geblieben, beruht.
30
d) Die Bedenken des Beschwerdeführers gegen die Zulässigkeit der Wiederholung eines zunächst wegen eines Verfahrensfehlers ohne Wirkung gebliebenen Berichtigungsverfahrens teilt der Senat nicht. Der von der Rechtsprechung und der Literatur vereinzelt vertretenen, aber nicht näher begründeten Auffassung, eine solche Vorgehensweise verstoße gegen das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren (OLG Hamm, Beschluss vom 10. März 2009 - 5 Ss 506/08, StV 2009, 349; Beschluss vom 12. Oktober 2010 - 3 RVs 49/10, StV 2011, 272; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 271 Rn. 26a), kann sich der Senat jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht anschließen. Rechtsfehlerhaft und damit nach den Maßstäben der genannten Entscheidung des Großen Senats unbeachtlich waren die Berichtigungsbeschlüsse des Landgerichts vom 5. November 2010 und vom 21. März 2011 wegen eines Verstoßes gegen das Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers auf Gewährung des rechtlichen Gehörs. Die ordnungsgemäße Neuvornahme einer an einem solchen Mangel leidenden, aber im Übrigen statthaften strafprozessualen Maßnahme führt für sich allein weder zu einer unangemessenen Benachteiligung des Beschuldigten noch zu einer unzumutbaren Erschwerung seiner Möglichkeiten , zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Strafverfahrens Einfluss zu nehmen. Die allgemeine Zulässigkeit einer solchen Verfahrensweise ergibt sich nicht zuletzt aus der gesetzlichen Regelung der Anhörungsrüge. Dafür, dass das Tatgericht bei einer Protokollberichtigung, die einer Verfahrensrüge nachträglich die tatsächliche Grundlage entzieht, abweichend auf insgesamt nur einen "Versuch" beschränkt bleiben sollte, findet sich keine überzeugende Begründung. Die Schranken für eine erfolgreiche revisionsrechtliche Verfahrensrüge erhöhen sich nicht dadurch, dass nicht schon das erste, sondern erst ein weiteres Protokollberichtigungsverfahren zur Rügeverkümmerung führt.
31
Zwar hat auch der Bundesgerichtshof in einem Einzelfall von der Rücksendung der Akten an das Tatgericht zum Zwecke der Einleitung eines Protokollberichtigungsverfahrens mit der Begründung abgesehen, dies käme einer Verletzung des Rechts des Angeklagten auf ein faires Verfahren gleich (Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 StR 158/10, StV 2010, 675). Dies betraf jedoch nicht wie hier die Wiederholung eines wegen Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs wirkungslosen Berichtigungsverfahrens, sondern die abweichende Fallgestaltung , dass das Tatgericht bereits von der Staatsanwaltschaft die Gelegenheit zur Protokollberichtigung erhalten, hiervon aber abgesehen hatte. In einer solchen Situation liegt es nahe, dass der Angeklagte die nochmalige Rückgabe der Sache als unzulässigen Druck auf die allein verantwortlichen Urkundspersonen missverstehen könnte, das Protokoll doch noch zu seinem Nachteil zu ändern.

III.


32
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
33
Bei der Bemessung der Einzelstrafen hat das Landgericht die festgestellte Aufklärungshilfe des Angeklagten in der Weise strafmildernd berücksichtigt, dass es die Untergrenze des Strafrahmens nach § 31 Nr. 1 BtMG aF, § 49 Abs. 2 StGB und dessen Obergrenze nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG in der ab 1. September 2009 geltenden Fassung in Verbindung mit § 49 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 StGB bestimmt hat. Damit hat es gegen § 2 Abs. 3 StGB verstoßen, denn diese Vorschrift gestattet es nicht, dem Täter günstige Elemente aus Gesetzen verschiedener Gültigkeit zu kombinieren, sondern verlangt einen Gesamtvergleich der jeweiligen Fassungen anhand des konkreten Falles (Fischer, StGB, 58. Aufl., § 2 Rn. 9). Das Landgericht hätte deshalb im Einzelfall entscheiden müssen, ob die neue oder die alte Regelung der Rechtsfolgen einer Aufklärungs- bzw. Präventionshilfe in ihrer Gesamtheit die für den Angeklagten günstigere Gesetzeslage darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 2010 - 3 StR 65/10, NStZ 2010, 523).
34
Soweit die Einzelstrafen nicht ohnehin in Wegfall kommen, schließt der Senat allerdings aus, dass das angefochtene Urteil zum Nachteil des Angeklagten auf diesem Rechtsfehler beruht.
Becker Pfister Schäfer
Mayer Menges
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
1. Investitionsbeihilfen begründen grundsätzlich keine Vermögensbetreuungspflicht
im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB, es sei denn,
der Empfänger hat zugleich über den Subventionszweck hinausgehende
Vermögensinteressen des Subventionsgebers zu
beachten.
2. In einem Konzern verletzen die Vorstandsmitglieder der beherrschenden
Aktiengesellschaft jedenfalls dann ihre Vermögensbetreuungspflicht
gegenüber einer abhängigen GmbH, wenn
deren Vermögenswerte in einem solchen Umfang ungesichert
im Konzern angelegt werden, daß im Fall ihres Verlustes die
Erfüllung von Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft oder
deren Existenz gefährdet wäre.
3. Zur Bestimmung des Schuldumfangs bei Untreue durch existenzgefährdenden
Eingriff.
BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 - LG Bremen
5 StR 73/03 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 13. Mai 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Untreue
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 6. und 13. Mai 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Prof. Dr. W ,
Rechtsanwalt Dr. G
als Verteidiger des Angeklagten Dr. H ,
Rechtsanwalt Prof. Dr. S
als Verteidiger des Angeklagten Sc ,
Rechtsanwalt J
als Verteidiger des Angeklagten Sm ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 13. Mai 2004 für Recht erkannt:
I. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 21. Dezember 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
III. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die drei Angeklagten jeweils wegen gemein- schaftlicher Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren – vom Generalbundesanwalt vertretenen und zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten – Revisionen mit der Sachrüge allein den Rechtsfolgenausspruch. Alle Rechtsmittel haben Erfolg.

A.


Das Landgericht hat jeweils ein Vergehen der Untreue darin gesehen, daß die Angeklagten als Mitglieder des Vorstands der B V V - AG (BVV AG) Gelder ihrer beiden ostdeutschen Tochtergesellschaften in den – dann später in Konkurs gefallenen – Konzernverbund überführt haben.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts war die B V AG (BV AG) ein Werftenverbund mit dem Schwerpunkt Schiffbau. Im Jahr 1992 erfolgte eine Umstrukturierung, in deren Gefolge die B V AG ihre operativen Funktionen aufgab und in die B V V AG umfirmierte. Der Angeklagte Dr. H war von 1987 bis zum 15. November 1995 zunächst Vorsitzender des Vorstands der BV AG sowie dann der BVV AG. Der Angeklagte Sc war als Mitglied des Vorstands der BVV AG ab Ende 1993 für das Ressort Controlling, der Angeklagte Sm ab August 1993 als Mitglied des Vorstands der BVV AG für den Bereich Schiffbau und später (ab September 1995) auch für den Bereich Finanzen zuständig.
Ab 1991 verhandelte die BV AG mit der Treuhandanstalt über den Erwerb ostdeutscher Werften. Tatsächlich ging es um zwei Werften aus dem D M - und Sch . Nach der Privatisierung der ostdeutschen Werftindustrie sollten aus dem ehemaligen Kombinat die M W in Wismar (MTW) und die V in Stralsund (VWS) herausgelöst und an die BV AG veräußert werden. Eigner der beiden Werften war letztlich – über ein zwischengeschaltetes Konstrukt von Beteiligungsgesellschaften – die Treuhandanstalt, der als einer dem Bundesminister der Finanzen unterstellten Anstalt des öffentlichen Rechts die Aufgabe zukam, die ostdeutschen Betriebe zu privatisieren.
Der Angeklagte Dr. H war von Anfang an in die Verhandlungen mit der Treuhandanstalt einbezogen. Die Treuhandanstalt verfolgte bei den Privatisierungsverhandlungen das Ziel, Arbeitsplätze zu sichern und an den Standorten moderne konkurrenzfähige Werften entstehen zu lassen. Nachdem sich weitere Interessenten zurückgezogen hatten, wurden die Verhandlungen über einen Erwerb mit der BV AG intensiviert, wobei auch eine Reihe externer Berater hinzugezogen wurde. Am 11. August 1992 kam es dann zum Verkauf der MTW, am 18. Februar 1993 zum Verkauf der VWS. Beide Ostwerften waren zu diesem Zeitpunkt jeweils als GmbH im Handelsregister eingetragen.
Mit notariell beurkundetem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 11. August 1992 (KAV) wurden die Geschäftsanteile der MTW an die BV AG übertragen. Als Erwerberin übernahm die BV AG dabei eine Garantie, 3110 Arbeitsplätze bis 31. Dezember 1995 zu sichern (§ 9.2 KAV) und bis dahin die Werft nicht stillzulegen (§ 10 KAV). Darüber hinaus sollten näher beschriebene Investitionen im Umfang von etwa 560 Mio. DM in das Anlagevermögen erfolgen (§ 8 KAV), wobei Modifikationen der geplanten Vorhaben bei Einhaltung der Wertgrenze zulässig sein sollten. Die Treuhandanstalt verpflich-
tete sich in dem Vertrag außer zum Ausgleich von Altkrediten auch zur Zahlung eines Gesamtausgleichsbetrages in Höhe von 680 Mio. DM. In dem Gesamtausgleichsbetrag war ein Investitionszuschuß in Höhe von 340 Mio. DM enthalten. Weiterhin sollten durch den – in drei Raten bis Ende 1993 zu erbringenden – Gesamtausgleichsbetrag drohende Verluste aus laufenden Geschäften (nicht kostendeckende Schiffbauverträge), die Kosten für einen als erforderlich angesehenen Personalabbau (Sozialpläne) und für weitere erwartete Einbußen abgegolten werden (§ 5 KAV).
Mit notariell beurkundetem Kauf- und Übertragungsvertrag (KÜV) vom 18. Februar 1993 erwarben zwei Gesellschaften, an denen die – mittlerweile umfirmierte – BVV AG maßgeblich beteiligt war, die Geschäftsanteile der VWS. Auch in diesem Vertrag übernahmen die Erwerber die Garantie für den Erhalt von mindestens 2200 Arbeitsplätzen (§ 11 KÜV) und sicherten den Bestand der Werft bis Ende 1997 zu (§ 12.3 KÜV). Die Käufer verpflichteten sich zu Investitionen bis 2005 in Höhe von insgesamt 640 Mio. DM in das Anlagevermögen (§ 10.1 KÜV). Daneben sah dieser Vertrag – anders als der KAV – eine Verpflichtung der Käufer vor, die Volkswerft als eigenes Profitcenter zu führen und die der Volkswerft zugedachten Beihilfen ausschließlich für diese zu verwenden (§ 12.2 KÜV). Die Treuhandanstalt verpflichtete sich in der Vereinbarung zu einer Entschuldung von Altkrediten und zur Zahlung eines Gesamtausgleichsbetrages in Höhe von 585 Mio. DM. Neben einer Kompensation für drohende Verluste aus laufenden Geschäften und personellen Umstrukturierungen enthielt dieser Betrag auch einen Investitionszuschuß in Höhe von 380 Mio. DM (§ 4 KÜV). Weiterhin begründete der Vertrag auch Einstandspflichten der Treuhandanstalt für Forderungen gegen andere ehemals kombinatsabhängige Unternehmenseinheiten. Im Laufe des Jahres 1994 erwarb die H H , eine Tochter der BVV AG, 89 % der Anteile an der VWS; 11 % der Anteile hielt die Stadt Stralsund.
Beide Verträge (KAV und KÜV) sahen einen Genehmigungsvorbehalt im Hinblick auf die Zustimmung der Europäischen Kommission vor. Diese legte Wert darauf, daß keine sogenannten Spill over Effekte eintreten würden , sich also die Beihilfeleistungen der Treuhandanstalt nicht zugleich als Subventionen für die im Westen gelegenen Betriebsstätten der BVV AG auswirken würden. Um dem Anliegen der Kommission Rechnung zu tragen, einigte man sich darauf, daß vierteljährlich entsprechende „Spill over Berichte“ zu fertigen seien, die zudem von einem Wirtschaftsprüfer einmal jährlich testiert werden mußten. In der Folgezeit wurden entsprechende Berichte dann auch durch die beiden Ostwerften vorgelegt.
Die BVV AG befand sich – bedingt durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Schiffbau – seit 1992 ständig in einer angespannten finanziellen Situation. Um die Liquiditätsstruktur innerhalb des Konzerns zu optimieren, war ein zentrales Cash-Management-System in der Planung. Dadurch sollten zunächst Finanzüberhänge innerhalb des Konzerns genutzt und so die Aufnahme von Bankkrediten reduziert werden. Aufgrund eines Vorstandsbeschlusses im Herbst 1992 wurde ein zentrales automatisches CashManagement für sämtliche Tochtergesellschaften eingeführt. Dieses richtete die BVV AG aufgrund eines auch mit der Commerzbank als Hausbank geschlossenen Vertrages im Herbst 1993 zunächst nur unter den westdeutschen Tochterunternehmen ein, während die MTW und VWS nicht einbezogen waren. Danach wurde bei der BVV AG ein Zielkonto gebildet, auf das von den Konten der Tochterunternehmen Guthaben automatisch abgebucht wurden. Gleichzeitig erfolgte von dem Zielkonto ein Ausgleich entsprechender Debetsalden der Tochterunternehmen.
Die beiden Ostwerften verfügten auch aufgrund der erhaltenen Leistungen über erhebliche Liquiditätsreserven. Zunächst wurden freie Gelder der MTW als Festgeldanlage an den Treasury der BVV AG ausgereicht. Die
Treuhandanstalt, die von der Anlage dieser Gelder im Treasury Kenntnis er- langt hatte, stimmte der Ausleihung der Gelder unter der Bedingung zu, daß ihre jederzeitige Rückzahlbarkeit gesichert sein mußte. Die Gelder wurden zum 31. März 1994 vereinbarungsgemäß zurückgeführt. Gleiches gilt auch für eine – wesentlich geringere – Anlage der VWS im Treasury.
Das Jahr 1993 hatte den höchsten Verlust der Konzerngeschichte erbracht ; die Banken kürzten die Kreditlinien. Im Verlauf des Jahres 1994 wurde die Liquidität im Konzern zunehmend schwächer. Bereits am 5. April 1994 überwies die MTW 70 Mio. DM, am 8. April 1994 weitere 40 Mio. DM als Festgeld an die BVV AG. Nach der Freigabe eines erheblichen Betrages durch die EU-Kommission legte die MTW im Mai 1994 zusätzlich 220 Mio. DM bei der BVV AG an.
Nachdem sich eine zunächst ins Auge gefaßte Kapitalerhöhung nicht realisieren ließ, beschloß der Vorstand in seiner Sitzung Mitte Juli 1994 ein Sanierungskonzept, das auch die Veräußerung von Firmenanteilen vorsah. Im Zusammenhang mit der Neuordnung der Finanzplanung sollten nun die bislang hiervon ausgenommenen Ostwerften in das automatische CashManagement -System einbezogen werden. Nach internen Unstimmigkeiten innerhalb der Konzernführung wies schließlich der Vorstand der BVV AG die MTW an, sich an dem Cash-Management-System zu beteiligen. Daraufhin kam es im September 1994 zu einer Vereinbarung, welche die MTW verpflichtete , freie Mittel auf das bei der Commerzbank geführte Konto zu übertragen , über das automatisch eine Saldenkonzentration innerhalb des Konzerns bewirkt wurde. Von Seiten der VWS wurde zunächst hinhaltender Widerstand gegen eine Einbeziehung in das Cash-Management-System geleistet. Aufgrund einer Gesellschafterweisung trat schließlich auch die VWS dem Cash-Management-System bei.
Nach anfänglichen Erfolgen bei der finanziellen Konsolidierung des Gesamtkonzerns gab es im Verlauf des Jahres 1995 weitere Rückschläge wegen Forderungsausfällen und der nicht kostendeckenden Fertigstellung von Schiffbauvorhaben. Die Sanierungsvorhaben scheiterten ebenso wie die in Aussicht genommene Veräußerung von steuerlichen Verlustvorträgen in der Gesamthöhe von etwa 3 Mrd. DM. Den Angeklagten war die sich verschärfende wirtschaftliche Situation und insbesondere die dramatische Liquiditätslage bekannt. Dies war Gegenstand einer Vorstandssitzung am 7. August 1995, die – unter Einbeziehung des Aufsichtsrats – in der Folgezeit zu Bemühungen führte, weitere Kredite zu erlangen. Ende August 1995 kam es zur Vereinbarung eines Konsortialkredits in Höhe von insgesamt 300 Mio. DM, an dem mehrere Banken beteiligt waren. Als Sicherheiten wurden die wesentlichen im Konzern noch vorhandenen freien Vermögenswerte verpfändet. Die VWS nahm dabei auf Geheiß der Konzernmutter aus dem Gesamtkredit ein Teildarlehen in Höhe von 68 Mio. DM auf.
In seiner Sitzung im September 1995 billigte der Aufsichtsrat die Kreditaufnahme. Zugleich entband er auf dessen Anerbieten den Angeklagten Dr. H von seinem Amt als Vorstandsvorsitzender, wobei dieser das Amt kommissarisch weiterführen sollte, bis ein Nachfolger gefunden sei.
Trotz des Konsortialkredits kam es im Herbst 1995 zu einer weiteren Verschlechterung der Liquiditätssituation der BVV AG. Diese wurde unter anderem auch durch negative Meldungen in den Medien über die Finanzsituation des Gesamtkonzerns ausgelöst, weil nunmehr etliche Zulieferer nur noch gegen Vorkasse lieferten. Noch im Oktober 1995 wurden von der EUKommission aus dem Gesamtausgleichsbetrag 194 Mio. DM freigegeben, die auf Konten der MTW ausgezahlt wurden und sofort in das CashManagement -System einflossen. Zugleich nahm die MTW auf Veranlassung
der Konzernleitung einen sogenannten Bauzeitenkredit in Höhe von 80 Mio. DM auf.
Der Aufsichtsrat beschloß aufgrund der anhaltenden schwierigen finanziellen Situation in seiner Sitzung vom 15. November 1995 die sofortige Entbindung des Angeklagten Dr. H von seinen Pflichten als Vorstandsvorsitzender und übertrug zugleich diese Funktion dem Angeklagten Sm . Ende 1995 kam es durch die Commerzbank und das Land Bremen zu einer neuerlichen Kreditvergabe von über 384 Mio. DM. Im Dezember 1995 traten erneut Liquiditätslücken auf. Schließlich verschärfte sich die Situation im Januar 1996 drastisch. Eine Sanierung kam nicht mehr zustande. Am 21. Februar 1996 wurde für die BVV AG ein Vergleichsantrag gestellt. Am 1. Mai 1996 kam es durch das Amtsgericht Bremen zur Eröffnung des Anschlußkonkursverfahrens.
Im Februar 1996 waren Gelder der Ostwerften in erheblichem Umfang im Gesamtkonzern angelegt oder – als Transferleistungen im CashManagement -System – von anderen Tochterunternehmen beansprucht. So flossen bei der MTW insgesamt etwa 590 Mio. DM auf diese Weise ab; bei der VWS, die bis zum 31. Dezember 1995 nur noch das Cash-ManagementSystem bediente und keine Festgeldanlagen mehr unterhielt, betrug dieser Betrag etwa 260 Mio. DM. Anfang 1996 schieden die beiden Ostwerften aus dem Cash-Management-System aus. Bemühungen der aus der Treuhandanstalt hervorgegangenen Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), die Festgeldanlagen zurückzuerlangen, scheiterten ebenso wie die Versuche, die Einlagen im Cash-Management-System nachträglich besichern zu lassen. Die Ausfälle von MTW und VWS wurden im Konkurs der BVV AG zur Konkurstabelle anerkannt.

II.


Das Landgericht hat in dem Verhalten der Angeklagten jeweils eine Untreue zum Nachteil der beiden Ostwerften gesehen. Nach Auffassung des Landgerichts traf die Angeklagten als Organe der Muttergesellschaft (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB) eine Vermögensbetreuungspflicht hinsichtlich des Vermögens der beiden Tochtergesellschaften. Aus dem Gesamtzusammenhang der vertraglichen Regelungen, die durch massive Unterstützungsleistungen der Treuhandanstalt geprägt seien, ergebe sich, daß die Angeklagten als Organe der Muttergesellschaft sämtliche Vermögenswerte der Ostwerften in diesen Unternehmen hätten belassen müssen. Indem den Ostwerften die finanziellen Mittel durch die Anlage im Treasury entzogen worden seien, hätten die Angeklagten gegen diese Pflicht verstoßen. Dabei soll es nach Meinung des Landgerichts nicht darauf ankommen, ob diese Finanzmittel aus den Gesamtausgleichsbeträgen oder dem übrigen Vermögen der Werften stammen. Die Pflichtverletzung der Angeklagten sei darin zu sehen, daß Vermögenswerte der Ostwerften ungesichert angelegt worden seien. Spätestens ab 30. Juni 1994 seien die Gelder der Ostwerften nicht mehr gesichert gewesen. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt liege ein Nachteil im Sinne einer schadensgleichen Vermögensgefährdung vor. Diese Gefährdung habe sich bis zum Konkurs der Muttergesellschaft weiter vertieft, in dem die Tochtergesellschaften nur noch auf eine Konkursquote in Höhe von 5 % hoffen könnten.
Hilfsweise stützt das Landgericht seine Verurteilung auf die Vermögensbetreuungspflicht des beherrschenden Unternehmens. Es nimmt dabei Bezug auf ein im Laufe der Hauptverhandlung ergangenes Urteil des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Urt. vom 17. September 2001 – II ZR 178/99), der in dem Zivilverfahren – nur MTW betreffend – eine Haftung von Vorstandsmitgliedern nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 266 StGB unter dem
Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs dem Grunde nach für möglich erachtet hat (teilweise abgedruckt in BGHZ 149, 10 ff.).
Das Landgericht hat bei sämtlichen Angeklagten für jede der beiden Taten zu Lasten der MTW und der VWS eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt. Aus diesen Einzelstrafen hat es jeweils aufgrund des sehr engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren gebildet und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe bei sämtlichen Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt.

B.


Die Revisionen der Angeklagten führen zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Die auf den Strafausspruch beschränkten Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben ebenfalls Erfolg.

I.


Das landgerichtliche Urteil ist auf die Sachrügen der Angeklagten aufzuheben , weil die getroffenen Feststellungen die Verurteilungen wegen Untreue nicht tragen. Die Annahme der Strafkammer, die Verträge über den Kauf der Ostwerften begründeten eine Vermögensbetreuungspflicht der Angeklagten im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Eine Vermögensbetreuungspflicht setzt voraus, daß die Angeklagten als Organe der BVV AG aufgrund der jeweiligen Verträge über den Unternehmenskauf der Ostwerften (KAV und KÜV) zur Wahrung von deren Vermögensinteressen verpflichtet waren. Das Landgericht ist durch Ausle-
gung der beiden Verträge zu der Auffassung gelangt, diese begründeten ein Verbot, Vermögenswerte der Ostwerften an die Muttergesellschaft zu übertragen. Dieses Ergebnis hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Seine durch Würdigung der vorhandenen Beweismittel gewonnene Überzeugung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Es kann eine solche Entscheidung nur auf Rechtsfehler überprüfen, insbesondere darauf, ob die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, die Beweismittel nicht ausschöpft oder Verstöße gegen Denk- oder Erfahrungssätze aufweist (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; BGH NStZ-RR 2000, 171; BGH NStZ 2001, 491, 492; 2002, 48). Die Auslegung von Verträgen ist ein wertender Akt, weil sie unterschiedliche Aspekte in einer richterlichen Feststellung zusammenführt. Deshalb gelten die vorgenannten Grundsätze ebenso für die Würdigung von Erklärungen, Verträgen oder Urkunden durch den Tatrichter. Auch insoweit beschränkt sich die revisionsrichterliche Kontrolle auf die Prüfung, ob ein Verstoß gegen Sprachund Denkgesetze, Erfahrungssätze oder allgemeine Auslegungsregeln vorliegt (BGH NJW 2003, 1821; vgl. auch BGHSt 37, 55, 61; 21, 371, 372).
Bei Anwendung dieser Maßstäbe ergibt sich folgendes: Das Landgericht berücksichtigt weder zureichend die Rechtslage innerhalb des Konzerns noch entspricht das Ergebnis der allgemein anerkannten Auslegungsregel einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung, durch die eine Abrede auf einen vertretbaren Sinngehalt zurückzuführen ist (vgl. BGHZ 131, 136, 138).
aa) Das Landgericht hat sich insbesondere nicht ausreichend mit den gesellschaftsrechtlichen Grundlagen auseinandergesetzt. Der Alleingesellschafter oder einverständlich handelnde Gesellschafter sind nämlich grund-
sätzlich berechtigt, auch formlos der Tochtergesellschaft Vermögenswerte zu entziehen. Die Gesellschaft hat gegenüber ihren Gesellschaftern keinen Anspruch auf Gewährleistung ihres Bestands. Die Gesellschafter können die Existenz der Gesellschaft – sei es im Rahmen einer freiwilligen Liquidation, sei es im Rahmen eines Insolvenzverfahrens – beenden (BGHZ 151, 181,

186).


Dieses prägende Prinzip, daß es der Konzernmutter – unter noch zu erörternden Einschränkungen – jedenfalls im Grundsatz möglich sein muß, der Gesellschaft Vermögenswerte zu entziehen, hat der Tatrichter bei seiner Auslegung nicht hinreichend bedacht. Ungeachtet der Frage, ob eine vom Landgericht angenommene umfassende Bindung sämtlicher Vermögenswerte der Ostwerften überhaupt zulässig sein könnte, hat es dabei ersichtlich übersehen, daß es sich bei der Auslegung der Verträge vom aufgezeigten gesetzlichen Leitbild entfernt hat.
bb) Daneben läßt die Auslegung des Landgerichts vertragliche Einzelabreden außer Betracht. Beide Veräußerungsverträge enthielten Regelungen über ein Gewinnbezugsrecht, das mit Wirksamkeit der Anteilsabtretung ab 1. Januar 1992 (§ 2.2 KAV) bzw. ab 1. Januar 1993 (§ 1.4 und § 1.5 KÜV) der Käuferin zustehen sollte. Ein solches ausdrücklich vereinbartes Gewinnbezugsrecht ist mit dem vom Landgericht angenommenen Grundgedanken, sämtliche Vermögenswerte der Ostwerften sollten auch dort verbleiben, nicht vereinbar. Das den Erwerbern zustehende Gewinnbezugsrecht weist vielmehr darauf hin, daß ihnen – und letztlich damit der BVV AG als Konzernmutter – die notwendige unternehmerische Freiheit zugestanden werden sollte, die für die reale Wahrnehmung einer Gewinnchance erforderlich war. Der notwendige wirtschaftliche Entscheidungsspielraum umfaßte dabei auch das Finanzmanagement des Gesamtkonzerns, das – jedenfalls idealty-
pisch – für sämtliche Beteiligte zunächst nur Zins- bzw. Liquiditätsvorteile hätte erbringen können.
Hierfür sprechen im übrigen auch weitere – vom Landgericht nicht erörterte – Vertragsbestimmungen in den beiden Erwerbsverträgen. Die Veräußerung der beiden Ostwerften an einen relativ großen Konzern, dessen Tätigkeitsschwerpunkt im Bereich des Schiffbaus lag, erfolgte auch vor dem Hintergrund, Synergieeffekte zu nutzen. Dieser Gesichtspunkt, formuliert als Verpflichtung der BVV AG, alle Synergieeffekte zu nutzen, kommt in beiden Verträgen (§ 10.1 KAV; § 12.1 KÜV) eindeutig zum Ausdruck. Daß vom Willen der Vertragsparteien dabei auch Geldanlagen umfaßt waren, zeigt im übrigen die nachfolgende Entwicklung. Die BvS hatte Kenntnis sowohl von den Geldanlagen als auch von der späteren Einbeziehung der Ostwerften in das Cash-Management-System. Sie hatte hiergegen nur unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Gefährdung der Anlagen Bedenken, nicht jedoch gegen den Transfer der Gelder an sich. Nur hierauf kann es aber für die Frage der Vertragsauslegung ankommen. Wenn die BvS prinzipiell eine Verlagerung von Vermögenswerten für zulässig hielt, dann spricht dies dafür, daß durch den Vertrag eine solche Praxis nicht generell ausgeschlossen sein sollte; denn die Praxis der Vertragsdurchführung bildet ein gewichtiges Kriterium für die Auslegung des Vertrages (vgl. BGH NJW 2003, 1821, 1822; NJW 1988, 2878, 2879 m.w.N.).
cc) Das Landgericht mißt im Rahmen der Vertragsauslegung den von den Erwerbern übernommenen Pflichten einen nicht mehr interessengerechten Bedeutungsgehalt zu. Sämtliche von der BVV AG bzw. ihren zwischengeschalteten Töchtern übernommenen Sonderpflichten (Fortführungspflicht , Arbeitsplatzgarantie und Investitionsverpflichtung) sind umsetzbar, ohne daß damit eine völlige Bindung des Vermögens der Ostwerften verbunden sein müßte. Zwar sind diese Sonderpflichten vorrangig, weil Konzernin-
teressen niemals geeignet sein können, die Verletzung vertraglicher Pflichten im Außenverhältnis zu rechtfertigen. Dies erschöpft jedoch die im Rahmen der Vertragsauslegung zu beachtende Bewertung der gegenseitigen Interessen nicht. Ein vom Landgericht angenommenes Verbot des Transfers von Vermögenswerten der Ostwerften ist nämlich keine zwangsläufige Notwendigkeit , um die Erfüllung dieser Pflichten sicherzustellen. Auch hier gilt vielmehr , daß der jeweilige Vertragspartner eigenverantwortlich zu entscheiden hat, wie er diese Pflichten erfüllt. Eine Vertragsauslegung, die das Interesse auch der Erwerberseite angemessen berücksichtigt, dürfte deshalb die unternehmerische Freiheit des Erwerbers nicht weiter einschränken, als dies durch die Art der vertraglichen Pflichten unumgänglich ist.
dd) Schließlich führen auch die Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Vorlage der „Spill over Berichte“ nicht zu einer anderen Betrachtung. Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob diese Abreden – weil sie jedenfalls von Seiten der BVV AG ohne Anerkennung einer Rechtspflicht jeweils erstellt wurden – überhaupt geeignet waren, die vertraglichen Vereinbarungen zu modifizieren. Die „Spill over Berichte“ bezogen sich nämlich allein auf die von der Treuhandanstalt bzw. ihrer Rechtsnachfolgerin BvS erbrachten Leistungen, die im Ergebnis Subventionen waren. Selbst wenn man insoweit von einer vertraglichen Verpflichtung ausginge, diese Leistungen nur zugunsten der Ostwerften zu verwenden, könnte dies nicht die wesentlich weitergehende Vermögensbindung, von der das Landgericht ausgeht, rechtfertigen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind nämlich – allein schon durch die betragsmäßige Festlegung – Subventionsleistungen und sonstige Vermögenswerte der Ostwerften ohne weiteres trennbar. Wieso dann für die letztgenannten Vermögenswerte ebenfalls ein unbedingtes Transferverbot gelten soll, ist nicht nachvollziehbar. Dies zeigt im übrigen auch die vertragliche Regelung des § 12.2 KÜV. Diese Vorschrift schreibt lediglich fest, daß die Investitionsbeihilfen ausschließlich für die VWS ver-
wendet werden müssen. Diese vertragliche Regelung, die vor dem Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt schon bekannten Bedenken der Europäischen Kommission zu möglichen Spill over Effekten zu sehen ist, legt vielmehr den Gegenschluß nahe, daß andere Vermögenswerte an die in den alten Bundesländern gelegenen Konzernteile überführt werden durften.

b) Das Landgericht kann sich für seine Rechtsauffassung nicht auf das Urteil des 3. Strafsenats vom 20. Mai 1996 (NJW 1997, 66 ff.) stützen. Zwar liegt auch jener Entscheidung ein Vertrag über die Veräußerung eines Treuhandunternehmens zugrunde. Der Bundesgerichtshof findet dort jedoch eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB nicht in einer Auslegung des (vergleichbaren) Erwerbsvertrages, sondern in der dominierenden Stellung des Alleingesellschafters, der faktisch das erworbene Unternehmen gelenkt hat.

c) Da sich die vom Landgericht angenommene Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Ostwerften nicht aus den Verträgen herleiten läßt, entfällt die Grundlage für den Schuldspruch wegen Untreue gemäß § 266 StGB: Das Landgericht hat die Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des Treubruchtatbestandes (§ 266 Abs. 1 StGB) aus der vertraglichen Pflichtenbindung hergeleitet. Wenn diese Pflichtenbindung unzutreffend definiert ist, dann setzt sich dieser Mangel zwingend fort in der Bestimmung der Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB, die letztlich eine gesteigerte Pflichtenbindung aus dem Vertragsverhältnis darstellt (vgl. BGHSt 28, 20, 23 ff.; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 266 Rdn. 23).
2. Eine Treupflichtverletzung im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB kann auch anderweitig aus den Regelungen der Erwerbsverträge nicht hergeleitet werden. Die dort zugesicherten Gesamtausgleichsbeträge (680 Mio. DM
KAV; 585 Mio. DM – KÜV) stellen gleichfalls kein Treugut im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB dar. Hinsichtlich der im KAV oder KÜV vereinbarten Gesamtausgleichsbeträge ist nach den unterschiedlichen Leistungsarten zu differenzieren, die jeweils in einem einheitlichen Gesamtbetrag zusammengefaßt sind.

a) Soweit Teilbeträge einen Ausgleich für drohende Verluste aus vereinigungsbedingten Verlustgeschäften oder Aufwendungen aus Sozialplänen darstellen sollen, kommen die hierfür angesetzten anteiligen Beträge als Treugut nicht in Betracht. Insoweit bilden diese Beträge einen Ausgleich für bereits eingetretene oder bevorstehende Vermögenseinbußen. Mit ihrer Zahlung sollten die Ostwerften auf einen ausgeglichenen Anfangsstatus gebracht werden, um jedenfalls nicht verschuldet auf den Erwerber überzugehen. Daraus wird auch deutlich, daß damit kein Raum für einen treuhänderischen Umgang der Empfänger mit diesen Geldern bestand. Mit dem Eingang der Zahlung war der eingetretene oder bereits bilanziell eingestellte Verlust rechnerisch ausgeglichen. Eine irgendwie geartete Sonderverpflichtung an diesen ins allgemeine Firmenvermögen eingeflossenen Zahlungen ist nicht erkennbar.

b) Eine privatrechtliche Bindung besteht unzweifelhaft hinsichtlich der Anteile in dem Gesamtausgleichsbetrag, die als Investitionsbeihilfen ausgewiesen sind. Beide Verträge enthalten feste Höchstbeträge für einen Investitionszuschuß (340 Mio. DM – § 5 I.1.h KAV; 380 Mio. DM – § 4.2.6 KÜV). Diese Zusicherungen waren jeweils an eine Investitionsverpflichtung ins Anlagevermögen gekoppelt, die in den Anlagen zu beiden Verträgen näher spezifiziert war. Ihrem Charakter nach waren diese Investitionsbeihilfen Subventionen , die auszuzahlen waren, soweit die Ostwerften die in den Vertragsanlagen beschriebenen Leistungen erbracht hatten. Die Käufer verpflichteten sich dabei in den Erwerbsverträgen, die Werften zu veranlassen,
den aufgeführten Investitionen nachzukommen. Solche Investitionspflichten, die mit Förderleistungen bezuschußt werden, stellen zwar zweifelsfrei vertragliche Pflichten dar. Dies bedeutet indes nicht, daß diese bloß vertraglichen Pflichten notwendig gleichzeitig eine spezifische Treupflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB beinhalten, die darauf gerichtet sein muß, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen.
aa) Der Bundesgerichtshof hat eine solche besondere Pflichtenstellung im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB bei Subventionen grundsätzlich verneint. Der Empfänger solcher staatlichen Leistungen nehme durch die Zuwendung noch nicht Vermögensinteressen der öffentlichen Hand wahr. Diesem fehle im allgemeinen eine besondere, enge Beziehung zu den staatlichen Vermögensinteressen. Die Wahrnehmung der Vermögensinteressen der öffentlichen Hand obliege vielmehr den Amtsträgern oder solchen Personen , denen der Staat die Zuteilung übertragen hat (BGH LM StGB § 266 Nr. 16; BGHZ 149, 10, 23). Dem letzten Empfänger der staatlichen Gelder fehle danach diese enge Beziehung zu den staatlichen Vermögensinteressen ; deren Wahrung sei für ihn nicht die wesentliche Verpflichtung, die ihm aus seinem mit dem Staat abgeschlossenen Rechtsgeschäft erwachse, es sei denn, daß besondere Umstände vorlägen (BGH LM aaO).
Zwar erwägt der II. Zivilsenat hinsichtlich der Investitionsbeihilfen dann eine gesteigerte Vermögensbetreuungspflicht, wenn die zweckgerichtete Verwendung der Subventionsmittel die wesentliche Pflicht aus dem mit der öffentlichen Hand geschlossenen Vertrag ist (BGHZ 149, 10, 24). Danach soll im Blick auf die besondere Bedeutung des Fortbestands der Werften hier eine gesteigerte Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB anzunehmen sein. Dies bleibt im Ergebnis jedoch offen, weil nach der vertraglichen Ausgestaltung diese Pflicht nicht die BVV AG betraf, sondern MTW selbst.

bb) Eine Treupflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB liegt bei der hier gegebenen Sachverhaltskonstellation nicht vor.
(1) Eine Treupflichtverletzung im Sinne des § 266 Abs.1 StGB setzt regelmäßig ein Rechtsverhältnis voraus, das auf die Betreuung fremder Vermögensangelegenheiten gerichtet ist (vgl. BGH NJW 1983, 461; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 11, 14, 16). Eine solche Treuebeziehung wird sich prinzipiell bei fremdnützigen Schuldverhältnissen ergeben. Deshalb wird die Treupflicht auch als „fremdnützig typisiertes Schuldverhältnis“ verstanden (vgl. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 266 Rdn. 23a). Es wird sogar verlangt, daß die Treupflicht eine Art Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (vgl. BGH GA 1977, 18,

19).


Anders ist es beim Subventionsempfänger. Dieser wird nicht fremdnützig tätig. Vielmehr wird nach der Zielsetzung der Subventionsleistung die eigene Wertschöpfung des Empfängers gefördert. Insoweit nimmt er kein fremdes, sondern letztlich ein eigenes Geschäft wahr. Damit unterscheidet sich der Subventionsempfänger grundlegend von der Person des über die Subventionsgewährung entscheidenden Amtsträgers. Dieser steht nach ständiger Rechtsprechung in einem Treueverhältnis, weil er über die Mittelvergabe als staatliche Aufgabe entscheidet. Deshalb nimmt er – anders als der Empfänger der Subvention – eine fremde Aufgabe wahr (BGH NJW 2003, 2179; 2001, 2411).
(2) Die vorliegende Sachverhaltsgestaltung legt es auch nicht nahe, einen besonderen Ausnahmefall anzunehmen, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Einzelfall eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB begründen könnte. Da sich die Treupflicht
grundsätzlich auf ein fremdes Geschäft bezieht, kommt bei dem Subventionsempfänger die Annahme einer Treupflicht ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn er zugleich Vermögensinteressen seines Treugebers zu beachten hat (vgl. BGH GA 1977, 18, 19). Dies kann dann der Fall sein, wenn der Subventionsgeber an dem subventionierten Objekt eigene finanzielle Interessen verfolgt, etwa im Sinne einer Beteiligung an dort zu erwartenden Einnahmen.
Das vom II. Zivilsenat in der genannten Entscheidung in den Vordergrund gestellte Wesentlichkeitselement liefe letztlich darauf hinaus, eine Subvention nach ihrer Größenordnung und wirtschaftlichen Bedeutung zu beurteilen. Inwieweit ein Subventionsziel aus sozial-, kultur- oder wirtschaftspolitischen Gründen mehr oder weniger bedeutsam ist, erscheint jedoch für die Frage von untergeordneter Bedeutung, ob die Subventionsgewährung fremdnützige Elemente aufweist.
Im vorliegenden Fall sind solche Gesichtspunkte auch nicht ersichtlich. Die Förderung der Ostwerften erfolgte allein aus wirtschafts- und strukturpolitischen Überlegungen, was sich schon daraus ergibt, daß die Gewinnbezugsrechte ausschließlich den Anteilserwerbern zustehen sollten. Ein Interesse an konkreten Investitionsmaßnahmen ist gleichfalls nicht erkennbar. Zwar sahen § 8.1 KAV und § 10.1 KÜV konkrete Investitionsmaßnahmen vor. Mit diesen verfolgte die Treuhand aber keine über den allgemeinen Vertragszweck – die Herstellung der Lebensfähigkeit der Werften – hinausgehende Ziele. Den Unternehmen war es vielmehr sogar ausdrücklich gestattet, die in der Anlage vorgesehenen Maßnahmen im Einzelfall auszutauschen und durch wertmäßig gleichartige zu ersetzen (§ 10.1 KÜV; § 8.1 KAV).
(3) Eine Strafbarkeitslücke entsteht hierdurch nicht. Die zweckwidrige Verwendung einer Subvention ist pönalisiert durch die Strafbestimmung des
§ 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Zwar ist diese Vorschrift erst durch das Gesetz zu dem Übereinkommen vom 26. Juli 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EG-Finanzschutzgesetz – EGFinSchG) vom 10. September 1998 (BGBl II 2322) am 22. September 1998 in Kraft getreten und erfaßt mithin die hier zu beurteilenden Tathandlungen nicht mehr. Die Gesetzesnovellierung offenbart jedoch, daß der Gesetzgeber – vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – eine zweckwidrige Verwendung von Subventionsleistungen grundsätzlich nicht als Untreue gemäß § 266 StGB angesehen hat. Anderenfalls hätte es einer Neuregelung nicht bedurft (vgl. BT-Drucks. 13/10425, S. 6).
3. Nach den bislang getroffenen Feststellungen des Landgerichts kommt allerdings in Betracht, daß eine Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB unter dem Gesichtspunkt eines existenzgefährdenden Eingriffs gegeben sein könnte.

a) Den Angeklagten als Organen (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB) der Alleingesellschafterin BVV AG kann nämlich gegenüber dem beherrschten Unternehmen insoweit eine Treupflicht zukommen, als sie dem beherrschten Unternehmen nicht Vermögenswerte in einem Umfang entziehen durften, welcher die Existenzfähigkeit des Unternehmens gefährdete.
aa) Allerdings können der Gesellschaft mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter grundsätzlich Vermögenswerte entzogen werden, weil die Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern keinen Anspruch auf ihren ungeschmälerten Bestand hat. Deshalb sind solche Verfügungen, die in Übereinstimmung mit dem Vermögensinhaber erfolgen, grundsätzlich nicht pflichtwidrig im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB (vgl. BGHZ 151, 181, 186 f.; BGH wistra 2003, 344, 346 f.; NJW 2003, 2996, 2998). In der zivil- wie auch
strafgerichtlichen Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, daß es Fallkonstellationen gibt, in denen der Geschäftsführer als der für das Vermögen einer Gesellschaft Treupflichtige seine Pflichten nach § 266 Abs. 1 StGB auch dann verletzt, wenn er mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter handelt. Insoweit gibt es einen Bereich, der einer Dispositionsmöglichkeit der Gesellschafter entzogen ist, weil Interessen anderer oder öffentliche Interessen berührt sind.
Der Zweck einer Kapitalgesellschaft erschöpft sich nämlich nicht in einer bloßen Vermögensanlage für die Gesellschafter. Jedenfalls wenn die Gesellschaft eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen hat, handelt sie unter eigener Rechtspersönlichkeit als Wirtschaftssubjekt im Geschäftsverkehr und wird Träger von Rechten und Pflichten. Dies läßt gleichzeitig Schutzerfordernisse entstehen, die sicherstellen, daß die Gesellschaft die Essentialien einhält, die für das Funktionieren des Wirtschaftskreislaufs unerläßlich sind und auf die der Rechtsverkehr vertrauen können muß. Dementsprechend hat die Rechtsprechung eine Vermögensverfügung dann gegenüber der Gesellschaft als treuwidrig und wirkungslos angesehen, wenn die Verfügung geeignet ist, das Stammkapital der Gesellschaft zu beeinträchtigen (BGHSt 35, 333, 336 f.; BGH NJW 2003, 2996, 2998; 1997, 66, 68 f.; jeweils m.w.N.). Gleiches gilt, wenn durch die Vermögensverfügung eine konkrete und unmittelbare Existenzgefährdung einträte, weil der GmbH ihre Produktionsgrundlagen entzogen würden oder ihre Liquidität gefährdet wäre (BGH aaO; vgl. BGH wistra 2003, 344, 346 f.).
bb) Eine entsprechende Pflicht, die Gesellschaft nicht existenzbedrohend zu beeinträchtigen, trifft nicht nur den Geschäftsführer als das vertretungsberechtigte Organ, sondern in gleicher Weise den beherrschenden Alleingesellschafter (vgl. BGHZ 149, 10, 17 f.). Den Gesellschaftern steht innerhalb wie außerhalb der Liquidation nur der Zugriff auf den zur Erfüllung
der Gesellschaftsverbindlichkeiten nicht benötigten Überschuß zu. Das System der auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung beruht auf der unausgesprochenen, für das Recht der Kapitalgesellschaft jedoch grundlegenden Voraussetzung, daß das Gesellschaftsvermögen das zur Erfüllung der im Namen der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten benötigt wird, in der Gesellschaft zum Zweck der Befriedigung ihrer Gläubiger verbleiben muß und damit der – im Recht der GmbH im übrigen sehr weitgehenden – Dispositionsbefugnis der Gesellschafter entzogen ist (BGHZ 151, 181, 186 f.). Es ist ihnen nicht erlaubt, der Gesellschaft Vermögen zu entziehen , das sie für die Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt.
cc) Aufgrund dieser Pflichtenstellung der Alleingesellschafterin hat der II. Zivilsenat in dem parallelen Zivilverfahren eine gegen die Gesellschafterin persönlich gerichtete Ausfallhaftung unter dem Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs bejaht (vgl. BGHZ 149, 10, 17 f.). Als Alleingesellschafterin treffe die BVV AG nämlich die Pflicht, das Vermögen von MTW insoweit zu betreuen, als sie bei ihren Dispositionen über Vermögenswerte der MTW durch angemessene Rücksichtnahme auf deren Eigeninteresse an der Aufrechterhaltung ihrer Fähigkeit, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen , darauf zu achten hatte, daß sie die Existenz der MTW nicht gefährdete (BGH aaO). Dabei lehnt sich der II. Zivilsenat an die strafrechtliche Judikatur (BGHSt 35, 333 = NJW 1989, 112) an, die zu den – oben aufgezeigten – Grenzen der Verfügungsbefugnis des Gesellschafters entwickelt wurde. Aus zivilrechtlicher Sicht begründet diese Rechtsprechung eine Ausfallhaftung des in diesem Sinne rechtswidrig handelnden Alleingesellschafters gegenüber dem Gläubiger der Gesellschaft; sie greift dabei aber auf die anerkannten Grenzen der Verfügungsbefugnis des Alleingesellschafters zurück. Dies verdeutlichen auch die später ergangenen Entscheidungen (BGHZ 150, 61 ff.; 151, 181 ff.), in denen das Rechtsinstitut des existenzvernichtenden Eingriffs weiter entwickelt wurde (vgl. Benecke BB 2003, 1190 ff.).
Soweit dabei in der strafgerichtlichen Entscheidungspraxis der Begriff des existenzgefährdenden Eingriffs verwandt wird (vgl. BGH wistra 2003, 344, 346; NJW 2003, 2996, 2998), bedeutet dies keinen wesentlichen Unterschied in den Anwendungsvoraussetzungen. Die terminologische Abweichung erklärt sich vielmehr daraus, daß für den strafrechtlichen Schadensoder Nachteilsbegriff die schadensgleiche Gefährdung ausreicht (vgl. BGHSt 44, 376, 384 ff. m.w.N.), während im Zivilrecht der Gefährdungsgedanke in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt. Hat sich die Gefahr nämlich letztlich dann doch nicht verwirklicht, besteht zivilrechtlich kein ausgleichsfähiger Schaden.
dd) Jedenfalls bei der hier gegebenen Sachverhaltskonstellation kann die den Alleingesellschafter gegenüber der Gesellschaft obliegende Pflicht, ihr das zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten erforderliche Kapital zu belassen , auch eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB darstellen. Der Senat kann dabei offenlassen, ob allein die gebotene Rücksichtnahme des Alleingesellschafters auf das Eigeninteresse der GmbH schon für die Erfüllung des Treuebruchtatbestandes ausreichen kann (so BGHZ 149, 10, 17 f.). Insoweit könnte fraglich sein, inwieweit diese Pflicht schon die Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen betrifft oder nicht vielmehr nur die Schranke eigener Dispositionsfreiheit aufzeigt.
Der vorliegende Fall weist nämlich folgende Besonderheit auf, die jedenfalls eine Vermögensbetreuungspflicht begründete. Die Vermögenswerte der Ostwerften befanden sich innerhalb des Konzerns. Diese standen entweder als Festgeldanlagen dem Konzern bzw. seinen Tochtergesellschaften zur Verfügung oder waren in das Cash-Management-System einbezogen, was materiell die Gewährung eines Darlehens bedeutete (vgl. Burgard, Gesellschaftsrecht in der Diskussion Bd. 6, 2002, S. 48 f.). Damit befanden sich die Gelder in der ausschließlichen Einflußsphäre des Konzerns. Insoweit war
die BVV AG, die als Alleingesellschafterin über die Gelder nur in den oben gesteckten Schranken verfügen durfte, rechtlich gehalten, eine andauernde Sicherung der Gelder zu gewährleisten.
Jedenfalls in dieser Sachverhaltsgestaltung kommt die besondere, auf die Wahrung fremder Vermögensinteressen gerichtete Betreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB zum Ausdruck. Zwar ist die Errichtung eines entsprechenden Cash-Management-Systems nicht an sich pflichtwidrig. Werden automatisch ohne Rücksicht auf bestehende Verbindlichkeiten Gelder in dieses System eingespeist, löst dies dann gesteigerte Sicherungspflichten aus, wenn auf diese Weise Vermögenswerte das Unternehmen verlassen und innerhalb des Konzerns transferiert werden (vgl. Vetter, Gesellschaftsrecht in der Diskussion Bd. 6, S. 94 f.). Erreicht der Vermögenstransfer ein solches Ausmaß, daß die Erfüllung der eigenen Verbindlichkeiten des einlegenden Konzernmitglieds im Falle eines Verlusts der Gelder gefährdet wäre, dann trifft die Muttergesellschaft eine Vermögensbetreuungspflicht , die Rückzahlung der Gelder – etwa durch ausreichende Besicherung – zu gewährleisten. Sie hat dann die wirtschaftlichen Eigeninteressen ihrer Tochtergesellschaft (und deren Gläubiger) zu wahren. Diese Pflicht der Konzernmutter wird den Angeklagten nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB als Mitgliedern des Organs der Muttergesellschaft zugerechnet. Sie haften deshalb strafrechtlich, soweit die von ihnen geleitete Konzernmutter eine ordnungsgemäße Sicherung der Einzahlungen der Tochtergesellschaften VWS und MTW unterlassen hat.

b) Etwaige Untreuehandlungen in Gestalt von jeweils existenzgefährdenden Eingriffen in das Vermögen der Tochtergesellschaften sind von der Anklage erfaßt. Diese schildert im Anklagesatz die tatsächlichen Voraussetzungen der Tatbestandsverwirklichung in dieser Form. Sie weist zudem in der rechtlichen Würdigung ausdrücklich auf diesen Begründungsansatz hin.
Insofern scheidet im vorliegenden Fall ein Freispruch aus. Zwar hat das Landgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – nicht geprüft, ob unter diesem Gesichtspunkt eine Strafbarkeit wegen Untreue gegeben wäre. Dies hätte jedoch seiner Kognitionspflicht unterlegen, zumal das Landgericht die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen hat.

c) Es kann hier dahinstehen, ob die bislang getroffenen Feststellungen eine Untreuehandlung unter dem Gesichtspunkt des existenzgefährdenden Eingriffs tragen könnten. Dem Senat ist bei der hier gegebenen Verfahrenskonstellation jedenfalls eine Durchentscheidung zum Schuldspruch verschlossen. Dies ergibt sich aus einer von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrüge , mit der die Verletzung der Hinweispflicht nach § 265 StPO gerügt wird.
aa) Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zugrunde: Im Blick auf die mittlerweile ergangene Entscheidung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 17. September 2001 in dem parallel geführten Zivilverfahren haben die Verteidiger der drei Angeklagten einen rechtlichen Hinweis für den Fall erbeten, daß das Landgericht die Vermögensbetreuungspflicht nicht ausschließlich aus den Erwerbsverträgen ableiten sollte, und für diesen Fall weitere Ausführungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht angekündigt. Dem ging eine Erklärung des Vorsitzenden voraus, wonach als selbständige Grundlage einer möglichen Vermögensbetreuungspflicht nur die Privatisierungsverträge und deren Auslegung untersucht würden; die gesellschafterliche Treupflicht und die tatsächliche Ausübung der Leitungsmacht im faktischen Konzern seien dagegen nicht geprüft worden.
bb) Gegen die Hinweispflicht hat das Landgericht – entgegen der Auffassung der Revisionen der Angeklagten – im vorliegenden Fall nicht verstoßen , weil es die Vermögensbetreuungspflicht tragend allein auf die Er-
werbsverträge gestützt hat. Der vom Landgericht gesetzte Vertrauenstatbestand muß indes im Revisionsverfahren fortwirken. Den Angeklagten, die entsprechendes Verteidigungsvorbringen mit Rücksicht auf den gerichtlichen Hinweis unterlassen haben, ist die Möglichkeit zu erhalten, sich zu dem Vorwurf eines existenzgefährdenden Eingriffs gegenüber den Tochterunternehmen in einer neuen Hauptverhandlung umfassend zu verteidigen. Der neue Tatrichter wird dabei festzustellen haben, ob und gegebenenfalls wann die von den Ostwerften angelegten Gelder konkret in einem Maße gefährdet waren , daß von einem Nachteil im Sinne des § 266 StGB auszugehen ist. Zugleich wird zu klären sein, inwieweit die Angeklagten von der Gefährdung der Anlagen Kenntnis erlangt hatten.

d) Der neue Tatrichter wird weiterhin in den Blick zu nehmen haben, daß die BVV AG bei der VWS zwar – durch eine hundertprozentige Tochter – die unternehmerische Führung übernehmen sollte (Ziff. 3 der Präambel des KÜV) aber niemals – anders bei MTW – selbst 100 % der Anteile der VWS hielt. Nach den Urteilsfeststellungen war die Stadt Stralsund Inhaberin einer Minderheitsbeteiligung in Höhe von 11 % des Stammkapitals (UA S. 154, 488). Deshalb wird in einer neuen Hauptverhandlung zweierlei zu beachten sein:
aa) Zunächst ist zu klären, ob die Minderheitsgesellschafterin überhaupt informiert wurde und ob gegebenenfalls zwischen den Gesellschaftern Einverständnis hergestellt wurde. Sollte eine entsprechende Billigung der Festgeldanlagen oder der Einbeziehung der freien Gelder in das CashManagement -System bestanden haben, ergeben sich keine Unterschiede zu dem vorstehend Ausgeführten (vgl. BGH ZIP 2002, 848, 850). Für die einverständlich handelnden Gesellschafter gelten nämlich dieselben Grundsätze wie für den Alleingesellschafter (vgl. BGHZ 151, 181, 186).
bb) Läßt sich kein Einverständnis mit der Stadt Stralsund feststellen, entfiele grundsätzlich jede Befugnis der Muttergesellschaft, auf Vermögen der Tochtergesellschaft ohne gesellschaftsrechtliche Legitimation zuzugreifen. Unter dieser Prämisse sind die Vermögenstransfers zu beurteilen. Anlagen in dem Cash-Management-System sind deshalb nur zulässig, wenn dies aufgrund der Interessenlage des Tochterunternehmens aus unternehmerischen Gründen jedenfalls noch als vertretbar erscheint. Kann dies aufgrund fehlender Sicherheiten bei den einzelnen Anlagen trotz einer möglicherweise adäquaten Verzinsung nicht angenommen werden, liegt gegebenenfalls schon in der Veranlassung zur Kapitaleinlage eine Anstiftung zur Untreue. Dies wird insbesondere für die Kreditaufnahme der VWS in Höhe von 68 Mio. DM im Zusammenhang mit dem Konsortialkredit über 300 Mio. DM vom September 1995 gelten. Insofern läßt sich nach den bisherigen Feststellungen aus der Sicht der VWS kein wirtschaftlich nachvollziehbares Motiv für eine Kreditaufnahme in dieser Größenordnung erkennen.
Als Mehrheitsgesellschafterin hatte die BVV AG gegenüber der VWS als ihrer Tochtergesellschaft gleichermaßen eine Vermögensbetreuungspflicht hinsichtlich der im Cash-Management-System angelegten Gelder. Insoweit liegt – wie oben ausgeführt – eine pflichtwidrige Handlung vor, wenn die angelegten Gelder unmittelbar und konkret gefährdet sind und für die Begleichung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr zur Verfügung stehen.

e) Sollte der neue Tatrichter unter den oben genannten Voraussetzungen zu dem Ergebnis gelangen, daß existenzgefährdende Eingriffe zu Lasten der Tochtergesellschaften erfolgt sind und den Angeklagten dies auch bewußt war, so liegt die Annahme einer mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft nahe (vgl. BGHSt 40, 218, 236 ff.; 45, 270, 296 ff.; BGH NJW 2004, 375, 378, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). Die Ange-
klagten haben nach den bisherigen Feststellungen aufgrund ihrer Leitungs- macht im Konzern sowohl die Festanlagen größerer Gelder als auch insbesondere das Cash-Management-System in den wesentlichen Grundsätzen installiert, wobei die maßgeblichen Entscheidungen im Vorstand getroffen oder dort jedenfalls zustimmend zur Kenntnis genommen wurden. Dies würde eine gemeinsame (mittäterschaftliche) strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten als Mitglieder des Organs der Konzernmutter begründen (vgl. BGHSt 37, 106, 123 ff.; 48, 77, 89 ff.), ohne daß es darauf ankäme, ob sie von den einzelnen Kapitaltransfers Kenntnis erlangt haben. Sämtliche Einlagen der beiden Ostwerften, die auf der Grundlage des von den Angeklagten zu verantwortenden Systems in den Konzernverbund überführt worden wären, würden dadurch zu einer einheitlichen Handlung zusammengefaßt. Dann wären – auch wenn beide Ostwerften geschädigt sein sollten – die Angeklagten wegen eines einzigen Vergehens der Untreue zu bestrafen.
Für die Abgrenzung, ob die Angeklagten sich wegen Tuns oder Unterlassens strafbar gemacht haben, kann es von Bedeutung sein, ab wann eine schadensgleiche Gefährdung der Einlagen vorgelegen hat und die Angeklagten dies auch erkannt haben. Bestand zum Zeitpunkt der von den Angeklagten vorgenommenen maßgeblichen Weichenstellungen noch keine entsprechende Gefährdungslage, sondern trat diese erst später ein, kann dies für ein Unterlassen im Sinne des § 13 StGB sprechen. Denn dann läge der Unrechtsschwerpunkt darauf, daß die Angeklagten keine Sicherungsmaßnahmen ergriffen oder notfalls den Kapitaltransfer insgesamt nicht abgebrochen hätten.

II.


Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben gleichfalls Erfolg.
Der Senat besorgt, daß das Landgericht betreffend alle drei Angeklagte Gesichtspunkte der Findung der schuldangemessenen Strafe mit solchen der Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung vermengt hat. Anlaß zu dieser Besorgnis gibt – neben der außergewöhnlich straffen Zusammenführung zweier Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und neun Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren – insbesondere die Erwägung, es erscheine „vertretbar, bei allen Angeklagten auf Freiheitsstrafen zu erkennen, die noch eine Strafaussetzung zur Bewährung ermöglichten“. Der Tatrichter hat zunächst die schuldangemessene Strafe zu finden; erst wenn sich ergibt, daß die der Schuld entsprechende Strafe innerhalb der Grenzen des § 56 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB liegt, ist Raum für die Prüfung, ob auch die sonstigen Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung gegeben sind (BGHSt 29, 319, 321; 32, 60, 65; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 29; BGH NStZ 2001, 311; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 815; Häger in LK 11. Aufl. vor § 38 Rdn. 38). Da nicht auszuschließen ist, daß schon die verhängten Einzelstrafen in der vorgenannten Weise beeinflußt sind, hebt der Senat – auch auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft – die Strafaussprüche umfassend auf.

III.


Der neue Tatrichter wird für den Fall eines Schuldspruches im Hinblick auf die Bestimmung der Schadenshöhe folgendes zu bedenken haben:
1. Nach der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs begründet der Fall eines existenzvernichtenden Eingriffs in dem beschriebenen Sinne eine Ausfallhaftung des Gesellschafters gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft. Maßgebliche Erwägung ist dabei, daß durch einen entsprechenden Eingriff das Haftungsprivileg des Gesellschafters (§ 13
Abs. 2 GmbHG) entfällt, weil er die Rechtsform der GmbH mißbraucht hat. Die Notwendigkeit der Trennung des Vermögens der Gesellschaft von dem übrigen Vermögen der Gesellschafter und die strikte Bindung des ersteren zur – vorrangigen – Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger besteht während der gesamten Lebensdauer der GmbH. Beide – Absonderung und Zweckbindung – sind unabdingbare Voraussetzungen dafür, daß die Gesellschafter die Beschränkung ihrer Haftung auf das Gesellschaftsvermögen in Anspruch nehmen können (BGHZ 151, 181, 186 f.). Wer der Gesellschaft erst Vermögen entzieht und die Gläubiger dann auf dieses Vermögen verweisen will, setzt sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten. Er muß deshalb für die ungedeckten Schulden der Gesellschaft einstehen und kann vom Gläubiger direkt in Anspruch genommen werden. Als ein auf richterrechtlicher Lückenschließung beruhender Haftungsdurchgriff ist er aber subsidiär gegenüber dem im Gesellschaftsrecht vorgesehenen gesetzlichen Ausgleichssystem der §§ 30, 31 GmbHG (Röhricht, Gesellschaftsrecht in der Diskussion Bd. 6, S. 27 ff.). Ob dieser Anspruch dann in seinem Umfang den gesamten Betrag erfaßt, den der Gesellschafter der Gesellschaft entzogen hat, oder ob er sich auf den Anteil beschränkt, den der Gesellschafter nicht hätte entnehmen dürfen, ist in der gesellschaftsrechtlichen Diskussion umstritten (vgl. Vetter ZIP 2003, 601, 603 ff. m.w.N.). Für die strafrechtliche Beurteilung kann dies freilich dahinstehen.
2. Die gesellschaftsrechtlichen Grundsätze sind nämlich nur dem Grunde nach auf das Strafrecht übertragbar, nicht jedoch was die Bestimmung des Schuldumfangs anbelangt. Das Rechtsinstitut einer Ausfallhaftung ist wegen seiner andersartigen Zielrichtung nicht ohne weiteres geeignet, Anhaltspunkte für die Bestimmung des strafrechtlich relevanten Schadens zu liefern. Der durch die Verletzung des Untreuetatbestands begründete Unrechtsgehalt muß danach bestimmt werden, welche Vermögenseinbuße der Täter dem geschützten Vermögen pflichtwidrig zugefügt hat. Dies kann nur
im Rahmen einer wertenden Betrachtung erfolgen. Da der Entzug von Ver- mögenswerten nicht schlechthin, sondern nur insoweit pflichtwidrig ist, als die Erfüllung von Verbindlichkeiten nicht mehr gewährleistet ist, kann sich der Nachteil im Sinne des Untreuetatbestandes nach § 266 StGB auch nur darauf beziehen. Der neue Tatrichter wird deshalb festzustellen haben, welcher Anteil des den Ostgesellschaften letztlich verloren gegangenen Vermögens für die Erfüllung bestehender Verbindlichkeiten benötigt worden wäre.
Harms Häger Raum Brause Schaal
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung: ja

a) Zu den Anforderungen an die Feststellung einer unerlaubten
Arbeitnehmerüberlassung in Abgrenzung zum Werkvertrag.

b) Macht der Arbeitgeber gegenüber der sozialversicherungsrechtlichen
Einzugsstelle falsche Angaben über die
Verhältnisse seiner Arbeitnehmer, so begeht er einen
Betrug nach § 263 StGB; eine Strafbarkeit nach § 266a
Abs. 1 StGB tritt dahinter zurück.
BGH, Beschl. vom 12. Februar 2003 - 5 StR 165/02
LG Kleve –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 12. Februar 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Februar 2003

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 26. April 2001 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten D wegen Steuerhinterziehung in 49 Fällen, Betrugs in 47 Fällen und Bankrotts zu einer Gesamt- freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten K hat es wegen Beihilfe zum Betrug in drei Fällen mit einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen belegt. Gegen dieses Urteil wenden sich beide Angeklagten mit ihren Revisionen, die im vollen Umfang Erfolg haben.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte D als faktischer Geschäftsführer der J D GmbH und später der Kl GmbH tätig. Der Angeklagte D hatte in dem Zeitraum zwischen April 1994 und Oktober 1998 gegenüber dem Sozialversicherungsträger wie auch gegenüber dem Finanzamt zu niedrige Lohnsummen seiner Arbeitnehmer angegeben oder deren Beschäftigungsverhältnisse ganz verschwiegen. Dadurch wurden Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge hinterzogen. Weiterhin beauftragte der Angeklagte bei etlichen Bauvorhaben
mehrere holländische Firmen, die alle von B T kontrolliert wurden. Nach den Feststellungen des Landgerichts war dieser in den Niederlanden als Arbeitnehmerüberlasser (sogenannter Koppelbaas) tätig. Der Angeklagte D ging mit den holländischen Firmen sogenannte „Nachunternehmerwerkverträge“ ein. Drei dieser Verträge schloß der Angeklagte D mit dem Mitangeklagten K , der für die holländische Firma P handelte, bei der er als Baustellenleiter und Kolonnenführer für 30 Eisenflechter beschäftigt war. Durch die Vereinbarungen sollten aber nur unzulässige Arbeitnehmerüberlassungen verdeckt werden, die zwischen dem Angeklagten und T tatsächlich abgewickelt wurden.
Die J D GmbH war nach den Feststellungen des Landgerichts bereits längere Zeit vor Konkursantragstellung überschuldet gewesen, spätestens nachdem die Verbindlichkeiten aus den verdeckten Arbeitnehmerüberlassungen entstanden waren. Eine tägliche Kassenbuchkontrolle wurde nicht vorgenommen; ebensowenig existierten Unterschriften im Kassenbuch oder Quittungen.
Das Landgericht hat wegen der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung den Angeklagten D jeweils wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verurteilt. Der Angeklagte D sei im Hinblick auf die entliehenen Arbeitnehmer als Arbeitgeber anzusehen. Er habe sowohl die sozialversicherungsrechtliche Einzugstelle als auch das Finanzamt über diese zusätzlich ihm zuzurechnenden Arbeitnehmer im unklaren gelassen. Der Mitangeklagte K habe durch die Unterzeichnung der Scheinverträge an den betrügerischen Machenschaften gegenüber der Sozialkasse mitgewirkt. Hierin hat das Landgericht die Beihilfe zum Betrug in drei Fällen gesehen.
Für seine Firma hätte der Angeklagte D für die von den holländischen Firmen erbrachten Leistungen aus deren Rechnungen keine Vorsteuern abziehen dürfen. Deshalb hat das Landgericht den Angeklagten D insoweit wegen der unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung 1996
und der unrichtigen Voranmeldungen für etliche Monate des Jahres 1997 wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Wegen der verspäteten Konkursanmeldung hat es den Angeklagten eines Vergehens nach §§ 84, 64 GmbHG für schuldig befunden – ohne dies zu tenorieren – und ihn ferner im Hinblick auf die unzureichende Führung des Kassenbuchs gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 5 StGB wegen Bankrotts verurteilt. Hinsichtlich der vom Angeklagten D der Einzugstelle bezüglich der von der J D und der Kl GmbH Beschäftigten mitgeteilten unrichtigen Lohnsummen hat es jeweils monatlich Vergehen des Betrugs, im Hinblick auf die gleichermaßen falschen Angaben gegenüber dem Finanzamt jeweils monatlich ein Vergehen der Lohnsteuerhinterziehung angenommen.

II.


Die Revisionen der Angeklagten sind begründet und führen zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils.
1. Die Verurteilungen wegen Umsatzsteuerhinterziehung sowie wegen Betrugs und Lohnsteuerhinterziehung im Hinblick auf die Beschäftigten der holländischen Firmen begegnen durchgreifenden Bedenken. Damit können auch hinsichtlich der Angelegenheit K die drei ausgeurteilten Beihilfehandlungen nicht bestehenbleiben.

a) Die Beweiswürdigung, aufgrund derer das Landgericht zu der Überzeugung gelangt ist, die formularmäßig abgefaßten und unterschriebenen Nachunternehmerverträge seien nur zum Schein abgeschlossen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die hierauf gestützte Schlußfolgerung des Landgerichts, es läge zwischen den holländischen Firmen und den Unternehmen des Angeklagten D eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung vor, ist gleichfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
aa) Allerdings obliegt es grundsätzlich allein dem Tatrichter, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung zu verschaffen. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Das Revisionsgericht kann eine solche Entscheidung nur auf Rechtsfehler überprüfen, insbesondere darauf, ob die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, die Beweismittel nicht ausschöpft , Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze aufweist (ständige Rechtsprechung vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; BGH NStZ – RR 2000, 171 f.; BGH NStZ 2001, 491, 492; BGH NStZ 2002, 48). Gleiches gilt für die Bewertung von Erklärungen, Verträgen oder Urkunden durch den Tatrichter. Auch insoweit beschränkt sich die revisionsrichterliche Kontrolle auf eine Prüfung, ob ein Verstoß gegen Sprach- und Denkgesetze, Erfahrungssätze oder allgemeine Auslegungsregeln vorliegt (vgl. BGHSt 37, 55, 61; 21, 371, 372; vgl. auch Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 337 Rdn. 32).
bb) Die vom Landgericht getroffenen Erwägungen zur Auslegung der zwischen dem Angeklagten D und den holländischen Firmen geschlossenen Verträge sind nicht frei von Rechtsfehlern. Zur Abgrenzung von Arbeitnehmerüberlassungs- und Werkverträgen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung allgemeine Grundsätze entwickelt (vgl. BAG NJW 1984, 2912; BAG BB 1990, 1343; BFHE 163, 365, 370 f.; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch 9. Aufl. S. 1240 ff.). Danach ist es ein Indiz für das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung, wenn die jeweiligen Arbeitnehmer in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert sind. Dies gilt insbesondere, soweit die Gruppe der für den Auftraggeber tätigen Arbeitnehmer nicht ihrerseits hierarchisch strukturiert sind. Weiterhin kann maßgeblich sein, welche Risikoverteilung der Vertrag vorsieht. Das läßt sich daran erkennen, wer das Risiko eines zufälligen Untergangs der Leistung und von Gewährleistungspflichten trägt. Schließlich kann auch die Beschreibung der vertraglichen Leistung einen Anhalt bieten. Soweit die bloße Tätigkeit im Vordergrund steht, die letztlich nur durch eine Anzahl von Arbeitskräften erfüllt werden kann, über die
der Auftraggeber selbst nicht verfügt, mag das für eine Arbeitnehmerüberlassung sprechen. Umgekehrt wird eine möglichst genaue Festlegung des Arbeitsergebnisses das Vorliegen eines Werkvertrages nahelegen (vgl. zu dem Kriterienkatalog Ignor in Ignor/Rixen, Handbuch Arbeitsstrafrecht 2002 Rdn. 123 ff.).
Die vorgenannten Gesichtspunkte sind allerdings lediglich Indizien, die überdies ein unterschiedliches Gewicht haben können. Maßgeblich für die Einordnung im Strafverfahren bleibt der nach strafprozessualen Grundsätzen festzustellende Wille der Vertragsparteien. Soll der Auftragnehmer einen bestimmten in einem baulichen Werk verkörperten Erfolg erbringen, liegt ein Werkvertrag vor. Ist dagegen lediglich eine durch Arbeitskraft zu erbringende Tätigkeit geschuldet, wird von einem Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis auszugehen sein. Diese Grenzziehung hat das Landgericht nicht zureichend beachtet.
(1) Es begegnet schon durchgreifenden Bedenken, daß das Landgericht als wesentliches Indiz für eine Arbeitnehmerüberlassung den Umstand gewertet hat, daß die niederländischen Arbeitnehmer in Einzelfällen von dem Angeklagten D in dessen Büro Lohn erhalten hätten. Dieser Gesichtspunkt ist für die Entscheidung nicht tragfähig, weil sowohl bei einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag als auch bei einem werkvertraglichen Subunternehmerverhältnis die einzelnen Arbeitnehmer des eingesetzten Fremdbetriebes von dem Verleiher bezahlt werden. Deshalb entspricht auch bei einer Arbeitnehmerüberlassung die Bezahlung der Leiharbeitnehmer durch den Entleiher nicht der vertraglichen Struktur eines Arbeitnehmerüberlassungsverhältnisses. Vielmehr hätte – was das Landgericht ersichtlich übersehen hat – die direkte Auszahlung über den Angeklagten D als eine von den Vertragsstrukturen abweichende technische Verkürzung des Leistungsweges gewertet werden müssen, die für die eigentliche Qualifizierung des Vertragsverhältnisses unergiebig ist.
(2) Ein für die Auslegung zentrales Abgrenzungskriterium ist die Be- handlung von Gewährleistungsfällen. Da hieraus deutlich wird, wie die Parteien selbst das Vertragsverhältnis verstanden haben, ist die Abwicklung von Störungsfällen für die Abgrenzung zwischen einem Werk- und einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag von erheblicher Bedeutung. Ob der Auftragnehmer einen konkreten auf das Bauwerk bezogenen Erfolg oder lediglich die Zurverfügungstellung von Arbeitnehmern schuldet, hat ganz wesentliche Konsequenzen für die Behandlung von Gewährleistungsfällen. Während nämlich der keinen werkvertraglichen Erfolg schuldende Arbeitnehmerüberlasser lediglich für die grundsätzliche berufliche Qualifikation einzustehen hat (vgl. BGH NJW 1971, 1129), haftet der Werkunternehmer für das Arbeitsergebnis an sich. Da die berufliche Qualifikation bei den von Bauhelfern zu bewältigenden einfachen Arbeiten nur eine völlig untergeordnete Rolle spielt, wird gerade die Praxis, wie die Vertragsparteien mit einer Mängelrüge des Bauherrn praktisch verfahren sind, relativ sichere Rückschlüsse auf den von den Vertragsparteien tatsächlich gewollten Inhalt des Rechtsverhältnisses zulassen.
Nach den Feststellungen sind jedenfalls in einem bedeutsamen Fall Mängeleinbehalte in Höhe von 27.000,00 DM vom Hauptunternehmer gegenüber dem Betrieb des Angeklagten D erfolgt. Vom Angeklagten D wurde dieser Einbehalt an das holländische Unternehmen weitergegeben , obwohl die Überlassung der Arbeitnehmer eigentlich beanstandungsfrei erfolgt war. Die Vornahme des Einbehalts auf der Seite des Angeklagten D und andererseits die Hinnahme des Einbehalts durch das holländische Unternehmen weisen darauf hin, daß ein Erfolg geschuldet sein könnte. Dies hätte das Landgericht jedenfalls als gewichtigen für einen Werkvertrag sprechenden Gesichtspunkt in die gebotene Gesamtabwägung einstellen müssen, weil mit dem Wesen eines Arbeitnehmerüberlassungsverhältnisses ein solcher Einbehalt nicht vereinbar wäre.
(3) Nicht nachvollziehbar ist, inwieweit eine gemeinsame Kalkulation mit dem Kolonnenführer der holländischen Firmen wie auch der Zuschlagsatz von 5 % für eine Arbeitnehmerüberlassung sprechen sollen. Beide Gesichtspunkte stehen in keinerlei innerem Zusammenhang mit einer Arbeitnehmerüberlassung , weil der Überlasser gerade keinen Erfolg erbringen muß. Zudem entspricht es in der Baubranche ständiger Praxis, daß Bauunternehmen regelmäßig zusammen als Haupt- und Subunternehmer auftreten und insoweit auch gemeinsam kalkulieren. Hierfür könnte auch der Hauptunternehmer -Zuschlag in Höhe von 5 % sprechen. Ein solcher Zuschlag wird typischerweise für den Koordinierungsaufwand und das Gewährleistungsrisiko des Hauptunternehmers bezahlt. Er weist damit ebenfalls eher auf ein werkvertragliches Subunternehmerverhältnis hin als auf eine Arbeitnehmerüberlassung , weil die Arbeitnehmerüberlassung eine an sich andere Leistung darstellt und der Zuschlag nahelegt, daß im Verhältnis Haupt- und Subunternehmer jeweils eine gleichartige Leistung, nämlich eine Werkleistung zu erbringen war.
(4) Demgegenüber stellt das Landgericht den Gesichtspunkt in den Vordergrund, daß die schriftlichen Verträge nur sehr lückenhaft ausgefüllt waren. Dieser Aspekt mag zwar einen möglichen Schluß im Hinblick auf die Annahme eines Scheinvertrages zulassen. Welches Gewicht ein solcher Gesichtspunkt hat, hängt jedoch von den näheren Umständen ab, die das Landgericht nicht erörtert. Eine solche Praxis könnte auch durch eine intensive Zusammenarbeit bedingt sein. Daraus ließe sich auch erklären, daß nur rudimentäre schriftliche Vereinbarungen vorlagen und zwischen den Parteien im wesentlichen mündliche Abreden getroffen wurden. Zudem wird sich der Leistungsumfang regelmäßig aus dem zwischen dem Angeklagten D und seinem Hauptunternehmer geschlossenen Vertrag ergeben. Detaillierte Abreden über die Gewährleistung – worauf das Landgericht sich maßgeblich stützt – sind schon deshalb nicht veranlaßt, wenn – wie hier – die VOB/B vereinbart ist, weil diese grundsätzlich nur als Ganzes Vertragsbestandteil werden kann (vgl. BGHZ 96, 129; BGH NJW 1987, 2373).

b) Durchgreifenden Bedenken begegnen die Verurteilungen wegen Hinterziehung von Umsatzsteuern auch aus einem weiteren Grund. Das Landgericht hatte eine Hinterziehungshandlung durch den Angeklagten D darin gesehen, daß hier Arbeitnehmerüberlassungen vorgelegen hät- ten und bei der Tätigkeit der niederländischen Arbeitnehmer es sich nicht um einen „mehrwertsteuerpflichtigen Vorgang“ gehandelt habe. Es stellt ersichtlich allein auf das in diesen Fällen durch § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingierte Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher ab. Damit übersieht das Landgericht aber, daß auch von seinem Rechtsstandpunkt aus ein allerdings unwirksames Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis zwischen den niederländischen Firmen und der vom Angeklagten vertretenen D GmbH bestand. Für diese Leistung wurde tatsächlich eine Vergütung berechnet und bezahlt, die 95 % des Auftragsvolumens betrug. Aufgrund der gewerblichen Art und Weise der Leistungsbewirkung kann an der Unternehmereigenschaft der Arbeitnehmerüberlasserin nach § 2 Abs. 1 UStG aber kein Zweifel bestehen.
Die Leistungen, hinsichtlich derer die Vorsteuern abgezogen wurden, sind auch im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ausgeführt. Ob das zugrundeliegende Vertragsverhältnis zivilrechtlich wirksam ist, ist nach § 41 AO unerheblich (BGHR AO § 41 Abs. 1 Durchführung, tatsächliche 1; siehe auch BFH BStBl. II 1993, 384, 386). Für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung kommt es lediglich auf die tatsächliche Leistungsbewirkung an (vgl. BGHR UStG § 10 Entgelt 1), die hier vorliegt. Die erbrachte Leistung ist ausreichend identifizierbar (BFH aaO).
Abgesehen davon, daß in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt wird, welchen Wortlaut die Abrechnungen mit den niederländischen Unternehmen hatten, sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die jeweiligen Rechnungen Scheinrechnungen sein könnten. Die rechtlich bloß unzutreffende Bezeichnung des zugrundeliegenden Leistungsvorgangs (hier: Werkvertrag anstatt Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) ist deshalb solange unschädlich,
als die Leistung in ihrem wirtschaftlichen Gepräge erfaßt werden kann, zumal für die umsatzsteuerrechtliche Bewertung nicht auf das Verpflichtungs-, sondern auf das Erfüllungsgeschäft abzustellen ist (BGHR UStG § 10 Entgelt 1). Im übrigen unterfallen der deutschen Umsatzsteuer sowohl Werkleistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3a Abs. 2 Nr. 1c UStG) als auch solche Leistungen , die auf die Gestellung von Personal gerichtet sind (i. V. m. § 3a Abs. 4 Nr. 7 UStG). Werden sie gegenüber einem anderen Unternehmen ausgeführt, ist dieses zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die Umsatzsteuer in einer entsprechenden Rechnung (§ 14 UStG) ordnungsgemäß ausgewiesen ist (vgl. Cissée in Bunjes/Geist, UStG 6. Aufl. § 15 Rdn. 4).
Ob die Rechnungen von dem Angeklagten D selbst gefertigt wurden, ist unerheblich, wenn er – was hier naheliegt – von den holländischen Firmen damit betraut war. Die Erstellung der Rechnungen kann auch durch einen beauftragten Dritten erfolgen (vgl. Zeuner in Bunjes/Geist aaO § 14 Rdn. 7). Entscheidend ist, daß die Rechnung den notwendigen Inhalt im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 UStG aufweist, und für den Vorsteuerabzug, daß die Leistung tatsächlich ausgeführt wurde (BFH aaO). Da keine näheren Einzelheiten über das Abrechnungsverfahren in den Urteilsgründen mitgeteilt werden, bleibt auch die Möglichkeit offen, daß eine Abwicklung im Gutschriftsverfahren (§ 14 Abs. 5 UStG) erfolgt ist. Auch ein solches zulässiges Abrechnungsverfahren kann eine taugliche Grundlage für den Vorsteuerabzug sein.

c) Ungeachtet dessen halten die Verurteilungen auch schon deshalb rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil die Anforderungen an den subjektiven Tatbestand unzureichend belegt sind. Eine Haftung des Angeklagten für die Sozialversicherungsabgaben besteht aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG, wonach bei einer unwirksamen Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer begründet wird. Erst an dieses fingierte Arbeitsverhältnis knüpfen sich dann die sozialversicherungsrechtlichen Erklärungspflichten. Hinsichtlich
der Lohnsteuer würde eine eigenständige Anmeldepflicht des Entleihers allenfalls in Betracht kommen, soweit dieser selbst Arbeitslohn bezahlt hat (BFHE 135, 501; 163, 365). Im übrigen haftet der Entleiher nur nach § 42d Abs. 6 EStG (vgl. ferner zur grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung innerhalb der EU: BFH DStRE 2003, 156 ff.). Um ihre strafbewehrten Pflichten erkennen zu können, müßten die Angeklagten sowohl den Fiktionstatbestand zumindest seinem ungefähren Inhalt nach als auch die daraus resultierenden rechtlichen Folgen wenigstens annäherungsweise gekannt haben (vgl. BGH, Beschl. v. 27. November 2002 – 5 StR 127/02 zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). Das Landgericht leitet dies aus den unzureichend ausgefüllten formularmäßigen Werkverträgen her, die es für vorgeschoben hält. Dies läßt zwar möglicherweise Rückschlüsse auf eine Verdeckungsabsicht hinsichtlich des wahren Rechtsgeschäfts, aber keine Rückschlüsse darauf zu, daß die Angeklagten von einer eigenen Erklärungspflicht des Angeklagten D gewußt haben. Selbst wenn die Vertragsparteien von einer unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung ausgegangen sein sollten, kann dies auch der Vermeidung straf-, bußgeld- (§§ 15, 15a, 16 AÜG) oder zivilrechtlicher Nachteile gedient haben. Abgesehen davon, daß für die unzureichend ausgefüllten Formulare auch – wie oben ausgeführt – andere Erklärungsmöglichkeiten in Betracht kommen, ist der vom Landgericht gezogene Schluß so zweifelhaft und beruht auf einer derart unzulänglichen Tatsachengrundlage, daß die Schlußfolgerung des Landgerichts sich nur als Annahme und bloße Vermutung erweist . Hierauf kann sich eine richterliche Überzeugung nicht rechtsfehlerfrei stützen (vgl. BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 26).
Ein Motiv, ein solches Vertragsverhältnis einzugehen, ist insbesondere aus der Sicht des Angeklagten D unklar. Wenn ihm bewußt gewesen sein sollte, daß dies mit erheblichen lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Haftungsrisiken verbunden ist, liegt es von seinem Standpunkt aus umso näher, gerade diese Gefahr zu vermeiden und einen Werkvertrag abzuschließen. Eine wesentlich andere Risikostruktur wäre damit für ihn
nicht verbunden gewesen. Speziell bei technisch eher einfachen Werklei- stungen, die allein vom Arbeitseinsatz geprägt sind, liegen Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag im wirtschaftlichen Ergebnis sehr nahe beieinander. Es ist letztlich eine Frage der Gestaltung der Rahmenbedingungen, ob der Erfolg oder der dem Erfolg zugrundeliegende Arbeitseinsatz den Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung bilden soll. Kennt der Betreffende die mit einer unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung verbundenen Risiken, wird er gerade bestrebt sein, diese Risiken nicht eintreten zu lassen, insbesondere wenn sie – wie hier durch geringfügige Modifikationen des Vertragswerkes – wirtschaftlich vermeidbar sind.
2. Keinen Bestand haben auch die Verurteilungen wegen verspäteter Konkursantragstellung gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 2, § 64 Abs. 1 GmbHG sowie gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Das Landgericht, das die Straftat nach § 84 GmbHG im Schuldspruch nicht ausgewiesen, hierfür aber gleichwohl eine Einzelstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe verhängt hat, stellt insoweit hinsichtlich beider Taten für die Feststellung der Überschuldung auf die Verbindlichkeiten ab, die aus den abgeurteilten Hinterziehungshandlungen von Sozialversicherungsbeiträgen, Lohn- und Umsatzsteuer herrühren. Da insoweit die Urteilsgründe rechtsfehlerbehaftet sind, kann im Revisionsverfahren nicht einmal dem Grunde nach von einem Bestand entsprechender öffentlich-rechtlicher Abgabeverpflichtungen ausgegangen werden. Damit wirkt sich dieser Mangel auch auf diese Verurteilungen aus, die schon aus diesem Grunde aufzuheben sind.
Im übrigen begegnet eine Verurteilung auch deshalb rechtlichen Bedenken , weil das Landgericht allein die bloße Existenz der von ihm festgestellten Abgabenschulden als maßgeblich erachtet hat. Dies ist aber nur angängig , soweit es sich um die Abgabenschulden der genannten Firmen handelt. Bezieht sich dagegen die Verbindlichkeit auf eine Haftung aus der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung, reicht dies nicht aus. Damit läßt das Landgericht unbeachtet, daß die Feststellung der Überschuldung nach bilan-
ziellen Grundsätzen erfolgen muß. Verbindlichkeiten sind deshalb bei der Prüfung einer Überschuldenssituation nicht schon dann anzusetzen, wenn sie abstrakt entstanden sind, sondern erst, wenn eine Inanspruchnahme aus ihnen droht. Vielmehr gilt auch hier der allgemeine Grundsatz, daß eine Verbindlichkeit erst dann zu bilanzieren ist, wenn ihr Bestand hinreichend wahrscheinlich ist und die ernsthafte Gefahr einer Geltendmachung besteht (vgl. Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG 17. Aufl. § 42 Rdn. 189 und § 64 Rdn. 25 jeweils mit weiteren Nachweisen). Wird durch Straftaten eines jedenfalls faktischen Geschäftsführers eine betriebliche Schadensersatzpflicht begründet, ist eine Rückstellung dann geboten, wenn der Geschäftsführer davon ausgehen muß, daß sein Verhalten entdeckt wird und er mit einer Inanspruchnahme rechnen muß (BFH BStBl II 1993, 153, 154). Jedenfalls solange er mit einer Kenntniserlangung durch den Gläubiger nicht zu rechnen braucht, kommt eine bilanzielle Rückstellung für solche Verbindlichkeiten nicht in Betracht (vgl. BFH BStBl II 1991, 802, 804). Deshalb dürfen lediglich abstrakt bestehende Verbindlichkeiten nicht für die Begründung einer Überschuldung herangezogen werden.
3. Aufzuheben waren auch die Verurteilungen wegen Lohnsteuerhinterziehung und Betrugs, soweit die Mitarbeiter der J D und der Kl GmbH betroffen sind. Die Urteilsgründe genügen insoweit nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 StPO, weil sie keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Schuldfeststellung enthalten.

a) Was die Verkürzung der Sozialbeiträge anbelangt, ist allerdings der rechtliche Ansatz des Landgerichts zutreffend, das von einem Betrug gemäß § 263 StGB ausgeht. Den einzelnen Arbeitgeber trifft nach § 28a SGB IV eine Meldepflicht, wonach er die für die Bemessung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags maßgeblichen – im Gesetz im einzelnen aufgeführten – Anknüpfungstatsachen hinsichtlich aller bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer der Einzugsstelle gegenüber mitzuteilen hat. Verletzt der Arbeitgeber diese Verpflichtung, indem er bewußt unwahre oder unvollständige Angaben
macht, die zu einem geringeren Gesamtsozialversicherungsbeitrag im Sinne des § 28d SGB IV führen würden, stellt dies eine Tathandlung im Sinne des § 263 StGB dar.
Dabei wird der Straftatbestand des Betrugs auch nicht von dem Straftatbestand des Vorenthaltens von Arbeitsentgelten gemäß § 266a Abs. 1 StGB verdrängt, der im übrigen lediglich das Vorenthalten des Arbeitnehmerbeitrages unter Strafe stellt. Im Hinblick auf die allein einer Strafbarkeit unterfallenden Arbeitnehmerbeiträge stellt dann die Vorschrift des § 266a Abs. 1 StGB einen Auffangtatbestand dar. Dieser wurde durch das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 15. Mai 1986 (BGBl I 721) unter anderem auch deshalb geschaffen, weil der Betrugstatbestand einen ausreichenden strafrechtlichen Schutz der Sozialversicherungssysteme aufgrund seiner tatbestandlichen Struktur nicht gewährleisten konnte (vgl. Regierungsbegründung BT-Drs. 10/318, S. 27). Zielrichtung war dabei eine Verstärkung der strafrechtlichen Sicherung, nicht aber – was dann hinsichtlich der Arbeitgeberanteile die Folge wäre – deren Einschränkung. Liegt eine Tathandlung im Sinne des § 263 StGB vor, verbleibt es deshalb grundsätzlich bei einer Strafbarkeit nach dieser Bestimmung. Für eine gleichzeitige Anwendung des § 266a Abs. 1 StGB ist kein Raum, wenn lediglich derjenige Teil des Arbeitnehmeranteils vorenthalten wird, der schon aufgrund der Täuschungshandlung zu niedrig bestimmt ist. Da in diesen Fällen der Betrug gemäß § 263 StGB sich als die wegen ihrer erweiterten Qualifizierungstatbestände schärfere Strafnorm darstellt, tritt § 266a Abs. 1 StGB insoweit zurück (Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 266a Rdn. 37; Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 266a Rdn. 20; Lenckner/Perron in Schönke /Schröder, StGB 26. Aufl. § 266a Rdn. 28; kritisch Gribbohm in LK 11. Aufl. § 266a Rdn. 110). Allerdings hat der Bundesgerichtshof in früheren Entscheidungen zum alten Rechtszustand (BGHSt 32, 236, 240 f.) wegen des unterschiedlichen Schutzgutes der Vorgängerstraftatbestände, die eine treuwidrige Nichtweiterleitung der einbehaltenen Lohnteile unter Strafe gestellt hatten, Tateinheit angenommen. Nach neuem Recht, das nicht mehr den
Einbehalt von Lohnbestandteilen voraussetzt (vgl. BGHSt 47, 318, 319) und dem mithin der untreueähnliche Strafzweck fehlt, ist diese Auffassung nicht mehr aufrechtzuerhalten (vgl. auch Franzheim wistra 1987, 313, 315 f.). Demnach findet, falls über die Falschmeldung hinaus keine weiteren Gelder zurückgehalten werden, der Straftatbestand des § 266a Abs. 1 StGB nur Anwendung, wenn keine Strafbarkeit nach § 263 StGB gegeben ist. Eine Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB wird regelmäßig in den Fällen in Betracht kommen, in denen zwar die jeweiligen Arbeitnehmer zutreffend gemeldet , die einzelnen Beiträge nicht oder zumindest nicht vollständig abgeführt wurden.

b) Sowohl hinsichtlich der Verurteilungen wegen Betrugs als auch wegen Lohnsteuerhinterziehung erschöpfen sich die Urteilsgründe lediglich in der Mitteilung der jeweiligen Verkürzungsbeträge, die zwischen 200,00 DM und 22.000,00 DM schwanken. Es wird weder festgestellt, hinsichtlich welcher Arbeitnehmer welche unrichtigen Angaben gegenüber den Sozialversicherungsträgern gemacht wurden noch wann und auf welchen abgaberelevanten Zeitraum diese Angaben sich bezogen. Eine solche pauschale Darstellung reicht grundsätzlich nicht aus, weil sie dem Revisionsgericht keine Prüfung ermöglicht, ob der Tatrichter von zutreffenden Besteuerungsgrundlagen ausgegangen ist (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 9 m. w. N.). Für Straftaten, die im Zusammenhang mit der Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen stehen, gelten prinzipiell dieselben Grundsätze (BGHR StGB § 266a Sozialabgaben 4).
Allerdings hat der Bundesgerichtshof Vereinfachungen in der Darstellung dann zugelassen, wenn der Angeklagte sachkundig und geständig ist (BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 3, 5, 8). Dies entbindet den Tatrichter indes nicht von seiner Aufgabe, genaue Feststellungen dazu zu treffen, welches steuerlich bzw. sozialversicherungsrechtlich erhebliche Verhalten zu einer Abgabenverkürzung geführt hat.
Schon daran fehlt es hier. Das Landgericht zählt insoweit lediglich allgemein auf, welche Tathandlungen hier in Betracht kommen (völliges Verschweigen , zu geringe Lohnsumme, fälschliche Meldung als Geringbeschäftigter ), ohne sie konkret für die jeweils ausgeurteilte Tat zu bezeichnen. Hinsichtlich der Verurteilungen wegen Lohnsteuerhinterziehung teilt das Landgericht nicht einmal mit, ob und wann der Angeklagte D überhaupt nach § 41a EStG Lohnsteueranmeldungen gegenüber dem Finanzamt abgegeben hat, die gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehen (vgl. Schmidt/Drenseck, EStG 21. Aufl. § 41a Rdn. 3). Vielmehr benennt das Landgericht lediglich dem Finanzamt vorenthaltene Beträge, die nicht abgeführt wurden. Maßgeblich für den Verkürzungserfolg im Sinne des § 370 Abs. 1 AO ist aber die zu geringe Festsetzung der Lohnsteuer, nicht ihre unzureichende Bezahlung.

III.


Für die neue Hauptverhandlung merkt der Senat noch folgendes an:
1. Ein Betrug zu Lasten des Sozialversicherungsträgers setzt voraus, daß dessen entsprechender Anspruch noch werthaltig gewesen wäre. Dies bedarf angesichts der angespannten wirtschaftlichen Situation beider Betriebe , die schließlich auch insolvent wurden, näherer Erörterung. Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB liegt nämlich nicht vor, wenn der Sozialversicherungsträger aufgrund der schlechten Finanzlage des Unternehmens seinen Beitragsanspruch auch bei zutreffender Meldung der Beschäftigungsverhältnisse nicht hätte realisieren können (vgl. BGH wistra 1993, 17; wistra 1986, 170 f.). In diesen Fällen wird allerdings im Rahmen des dann wiederauflebenden Straftatbestands des § 266a Abs. 1 StGB zu prüfen sein, ob die Begleichung jedenfalls der Arbeitnehmerbeiträge nicht wenigstens schon bei verdichteten Anzeichen künftiger Zahlungsschwierigkeiten rechtzeitig hätte sichergestellt werden können (vgl. BGHSt 47, 318).
2. Sollte der neue Tatrichter wiederum von einer verdeckten Arbeit- nehmerüberlassung ausgehen und einen Betrug zu Lasten der Sozialkassen wie auch eine (Lohn)Steuerhinterziehung im Hinblick auf die entliehenen Arbeitnehmer bejahen, dann wird mit denselben Taten zu Lasten der Arbeitnehmer der J D und Kl GmbH nur eine tateinheitliche Verurteilung (§ 52 StGB) in Betracht kommen. Die Anmeldepflichten gegenüber der sozialversicherungsrechtlichen Einzugsstelle sowie gegenüber dem Finanzamt bestehen nämlich einheitlich, gleichgültig, ob sie aus einem rechtlich bestehenden oder aus einem nach § 10 Abs. 1 AÜG fingierten Arbeitsverhältnis herrühren.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 386/11
vom
11. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Untreue u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2012 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten R. M. gegen das
Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. Februar 2011
wird das Urteil, soweit es ihn betrifft,

a) im Schuldspruch wie folgt abgeändert:
Die bisherigen Fälle B.5 Ziffer 141-143; 144-150; 160-161;
164-165; 166-169; 171-173; 178-183; 184-187; 193-199;
200-209; 210-212; 213-217 und 219-221; 240-249; 263266
; 276-280; 281-285; 286-289; 290-291 und 293-294;
324-327; 333-336; 337-341; 342-347; 348-354; 375-380;
381-386 der Urteilsgründe werden zu jeweils einem Fall zusammengefasst.
Der Senat stellt klar, dass der Angeklagte
damit
(1) der Untreue in Tateinheit mit Bestechlichkeit im geschäftlichen
Verkehr in 796 Fällen,
(2) der Urkundenfälschung in 49 Fällen,
(3) der Steuerhinterziehung in acht Fällen
schuldig ist.

b) Im Strafausspruch wird das vorbezeichnete Urteil wie folgt
abgeändert:
(1) In den bisherigen Fällen B.5 Ziffer 141-143; 164-165;
263-266; 276-280; 290-291 und 293-294; 324-327; 333-
336; 342-347; 348-354; 381-386 wird der Angeklagte zu
einer Freiheitsstrafe von jeweils sechs Monaten,
(2) in den bisherigen Fällen B.5 Ziffer 144-150; 166-169;
171-173; 178-183; 184-187; 200-209; 213-217 und 219221
; 281-285; 286-289; 337-341; 375-380 zu einer Freiheitsstrafe
von jeweils sieben Monaten,
(3) in den bisherigen Fällen B.5 Ziffer 160-161; 193-199;
210-212; 240-249 zu einer Freiheitsstrafe von jeweils
acht Monaten
verurteilt. Die in diesen Fällen darüber hinaus festgesetzten
Einzelstrafen entfallen.
2. Auf die Revision der Angeklagten G. M. wird
das vorbenannte Urteil, soweit es sie betrifft, dahingehend abgeändert
, dass diese der Beihilfe zur Untreue in Tateinheit mit
Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in 31 Fällen und der
Beihilfe zur Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr schuldig
ist. Soweit die Angeklagte der Beihilfe zur Bestechlichkeit im
geschäftlichen Verkehr schuldig ist, wird eine Einzelstrafe von
fünf Tagessätzen zu je einem Euro festgesetzt.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
4. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihres jeweiligen
Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten R. M. wegen Untreue in Tateinheit mit Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in 900 Fällen, wegen Urkundenfälschung in 49 Fällen und Steuerhinterziehung in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Angeklagte G. M. hat es wegen 31 Fällen der Beihilfe zur Untreue in Tateinheit mit Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in 136 Fällen sowie wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen zu jeweils 65 Euro verurteilt.
2
Hiergegen richten sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten R. M. und G. M. . Von der Angeklagten G. M. wird darüber hinaus das Verfahren beanstandet. Die Rechtsmittel erzielen lediglich den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind die Revisionen unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
3
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Der Angeklagte R. M. war ein Redaktionsleiter bei der Firma S. AG. In dieser Funktion war er u.a. in die externe Vergabe von Aufträ- gen für sog. „Druckvorstufenarbeiten“ im Rahmen der Erstellung von Katalo- gen und Broschüren eingebunden. Die in Aussicht genommenen Lieferantenfirmen richteten ihre Angebote an die S. AG. Der Angeklagte R. M. sorgte für die Erteilung der Aufträge auf der Grundlage dieser Angebote und nach Leistungserbringung für die Bezahlung der Rechnungen der Lieferanten. Zum Zwecke der eigenen Bereicherung hatte er unter Ausnutzung unzureichender Kontrollmechanismen das folgende System entwickelt, in das im Zeitraum von April 2005 bis Februar 2010 vier Lieferanten eingebunden waren: Er forderte die Lieferanten auf, ihm per Telefax die Angebote vorab privat nach Hause zu übermitteln. Auf ihm so übermittelte Angebote setzte er nach eigenem Gutdünken einen Aufschlagsbetrag und übermittelte die so modifizierten Angebote an den jeweiligen Lieferanten zurück. Die Lieferanten richteten so- dann absprachegemäß ihre „offiziellen“, um den Aufschlagsbetrag erhöhten Angebote an die S. AG.
5
Einem der Lieferanten, der früheren Angeklagten A. , teilte er seit dem 9. April 2009 die Aufschlagsbeträge teilweise mit Hilfe seiner Ehefrau, der Angeklagten G. M. , in 31 von dieser verfassten E-Mails mit. In den Fällen B.5 Ziffer 141-143; 144-150; 160-161; 164-165; 166169 ; 171-173; 178-183; 184-187; 193-199; 200-209; 210-212; 213-217 und 219-221; 240-249; 263-266; 276-280; 281-285; 286-289; 290-291 und 293-294; 324-327; 333-336; 337-341; 342-347; 348-354; 375-380; 381-386 der Urteilsgründe teilte die Angeklagte G. M. den Aufschlagsbetrag für mehrere Angebote in jeweils einer E-Mail mit.
6
Ziel des Angeklagten R. M. war es, sämtliche durch die Beauftragung und Bezahlung der Lieferanten zu den überhöhten Preisen „erwirt- schafteten“ Aufschläge abzuschöpfen. Er rief bei drei Lieferanten Aufschlags- beträge in zusammengefassten größeren Geldbeträgen ab. Die Zahlungen erfolgten seitens der Lieferanten durch Überweisung auf ein Konto des früheren Angeklagten Sp. , der die eingegangenen Geldbeträge meist zeitnah an den Angeklagten R. M. transferierte. Den Zahlungen war vorangegangen , dass der Angeklagte R. M. den Lieferanten 49 fingierte Rechnungen unter der Einzelfirma „ Sp. , Druckvermittlung, “ ausgestellt, mit dem Namenszug „ Sp. “ unterzeichnet und den Lieferanten übermittelt hatte. Über die Erstellung der Rechnungen und deren Fälschung war der frühere Angeklagte Sp. nicht informiert.
7
Weitere Aufschlagsbeträge schöpfte der Angeklagte R. M. bei den Lieferanten durch Sachleistungen ab. Bei der Lieferantenfirma T. GmbH ging er darüber hinaus so vor, dass er in Absprache mit deren Geschäftsführerin ein Arbeitsverhältnis zwischen einer von deren Sohn geführten Gesellschaft und der Angeklagten G. M. fingierte und monatliche Gehaltszahlungen auf deren privates Girokonto bezahlen ließ. Die Angeklagte G. M. unterstützte ihn in näher bezeichneter Weise bei der Begründung des fingierten Arbeitsverhältnisses und stellte ihr Girokonto für die Gehaltszahlungen bereit.
8
Der S. AG entstand durch die Vorgehensweise des Angeklagten R. M. ein Schaden von insgesamt mindestens rund 470.000 Euro.
9
Von dem Angeklagten R. M. in Form von „Schmiergeldern“ erzielte Einkünfte verschwieg dieser in seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2005 bis 2008. Darüber hinaus gab er keine Umsatzsteuererklärungen ab. Hierdurch wurden Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag sowie Umsatzsteuer in einer Gesamthöhe von etwa 220.000 Euro verkürzt.
10
2. Das Landgericht hat bei dem Angeklagten R. M. jeden Ein- zelfall des „Anbringens des Aufschlagsbetrags“ einschließlich der „Rücküber- mittlung des modifizierten Angebots“ als eigene Tathandlung des „Forderns eines Vorteils“ i.S.d. § 299 Abs. 1, 1. Alt. StGB und als erste Teilhandlung der Untreue gewertet. Wegen der teilweisen Überschneidung der Ausführungshandlungen ist es im Verhältnis der Untreue zur Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr von Tateinheit ausgegangen. In der durch die spätere Annahme von Geld- und Sachleistungen ebenfalls erfüllten Tatbestandsalternative des „Annehmens eines Vorteils“ i.S.d. § 299 Abs. 1, 3. Alt. StGB hat es jeweils mit- bestrafte Nachtaten erblickt. Die durch die Nichtabgabe von Umsatzsteuererklärungen und die Abgabe unvollständiger Einkommensteuererklärungen herbeigeführten Steuerverkürzungen hat es als Steuerhinterziehung in acht Fällen gewertet.
11
3. Bei der Angeklagten G. M. hat das Landgericht jede ihrer E-Mails als eigenständige Beihilfehandlung zu 136 Straftaten des Angeklagten R. M. der Untreue in Tateinheit mit Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gewertet. Die Anzahl der Haupttaten hat es anhand der beaufschlagten Angebote bestimmt. Die im Zusammenhang mit dem fingierten Arbeitsverhältnis erbrachten Tatbeiträge hat das Landgericht als Beihilfe zur Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr angesehen.
12
II. Zur Revision des Angeklagten R. M. :
13
In den bisherigen Fällen B.5 Ziffer 141-143; 144-150; 160-161; 164-165; 166-169; 171-173; 178-183; 184-187; 193-199; 200-209; 210-212; 213-217 und 219-221; 240-249; 263-266; 276-280; 281-285; 286-289; 290-291 und 293-294; 324-327; 333-336; 337-341; 342-347; 348-354; 375-380; 381-386 (insgesamt 129 Fälle) der Urteilsgründe hält die konkurrenzrechtliche Bewertung durch das Landgericht sachrechtlicher Überprüfung nicht stand. Dies führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs, den der Senat insgesamt klarstellend neu fasst, und zur Festsetzung jeweils neuer Einzelstrafen.
14
1. Die Annahme von Tatmehrheit hinsichtlich der Untreue- und Bestechlichkeitsvorwürfe ist in den vorgenannten Fällen rechtsfehlerhaft.
15
a) Der Tatbeitrag des Angeklagten R. M. bestand in diesen Fällen darin, seine Ehefrau 25 E-Mails, die jeweils mehrere Aufschlagsbeträge (insgesamt 129) enthielten, an die frühere Angeklagte A. schreiben zu lassen. Damit bildete für ihn jede der 25 E-Mails den Beginn einer einheitlichen Treupflichtverletzungshandlung (zum Beginn der Treupflichtverletzung vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2009 - 2 StR 339/08 Rn. 21; BGH, Urteil vom 11. Mai 2001 - 3 StR 549/00 Rn. 10). Auch das Fordern eines Vorteils i.S.d. § 299 Abs. 1, 1. Alt. StGB ging auf die jeweilige E-Mail zurück.
16
b) Der Angeklagte R. M. ist daher insoweit - ohne dass der Schuldumfang verändert ist - lediglich wegen 25 begangener Straftaten der Untreue und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr schuldig. Der Schuldspruch ist deshalb entsprechend zu ändern (§ 354 Abs. 1 StPO analog). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte R. M. nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Der Senat fasst den Schuldspruch klarstellend neu, wobei er gemäß § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO im Interesse der Klarheit und Verständlichkeit der Urteilsformel davon absieht, die gleichartige Tateinheit im Tenor zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2008 - 5 StR 594/07 Rn. 11 mwN).
17
2. Einer weitergehenden Änderung des Schuldspruchs bedurfte es nicht.
18
a) Soweit die Revision vorbringt, das Gericht habe den räumlichen und situativen Zusammenhang in den Fällen übersehen, in denen der Angeklagte R. M. an einem Tag mehrere Angebotserhöhungen vornahm, wes- wegen es „unvertretbar“ erscheine, dass das Gericht auch in diesen Fällen je- des Angebot als eigene Tat wertete, vermag sie nicht durchzudringen.
19
Eine natürliche Handlungseinheit verlangt neben weiteren Voraussetzungen jedenfalls auch, dass die einzelnen Betätigungen auf einer einzigen Willensentschließung beruhen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 1. September 1994 - 4 StR 259/94, NStZ 1995, 46, 47 mwN). Hier ist schon nicht erkennbar , dass den an einem Tag vorgenommenen Angebotserhöhungen eine über eine allgemeine Tatgeneigtheit hinausgehende einheitliche Willensentschließung zugrunde lag, da der Angeklagte nicht jedes ihm in das Haus gefaxte An- gebot „automatisch“ mit einem Aufschlagversah. Vielmehr musste er hinsichtlich jedes Angebots nach dessen Überprüfung eine gesonderte Entscheidung darüber treffen, ob ein Angebot überhaupt mit einem Aufschlag erhöht werden sollte und, wenn ja, in welcher Höhe (UA S. 128).
20
b) Auch die Auffassung, die ausgeurteilten Untreuestraftaten würden durch Bestechungstaten miteinander verklammert, teilt der Senat nicht; für eine über den dargestellten Umfang hinausgehende Schuldspruchänderung ist daher kein Raum.
21
Voraussetzung für die sog. Klammerwirkung ist, dass zwischen wenigstens einem der an sich selbständigen Delikte und dem sie verbindenden, sich über einen gewissen Zeitraum hinziehenden (Dauer-)Delikt zumindest annähernde Wertgleichheit besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 19. April 2011 - 3 StR 230/10 Rn. 17 mwN). Die Klammerwirkung bleibt daher aus, wenn das (Dauer-)Delikt in seinem strafrechtlichen Unwert, wie er in der Strafandrohung seinen Ausdruck findet, deutlich hinter den während seiner Begehung zusätz- lich verwirklichten Gesetzesverstößen zurückbleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2010 - 5 StR 464/10 Rn. 3).
22
Danach scheidet vorliegend eine Verklammerung mehrerer jeweils durch eine Angebotserhöhung verwirklichter Untreuestraftaten durch Delikte der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr aus. Die Obergrenze des Strafrahmens für die Straftaten der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr bleibt deutlich hinter derjenigen der Untreuestraftaten zurück. Gründe, die eine nicht von den Strafrahmen bestimmte Gewichtung gebieten könnten, sind nicht ersichtlich.
23
Die Taten der Untreue stehen deshalb - jeweils in Tateinheit mit Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr - in Realkonkurrenz (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2007 - 3 StR 320/07; weitere Nachweise zur Rspr. bei Rissing-van Saan in LK, 12. Aufl. § 52 Rn. 30).
24
c) Der Senat sieht im Ergebnis auch keinen Wertungsfehler darin, dass das Landgericht die Urkundenfälschungen als gegenüber der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr rechtlich selbständige Straftaten gewertet hat. Die tatbestandlichen Ausführungshandlungen der Urkundenfälschungen in Form der Erstellung und Übermittlung der unechten Rechnungen waren nicht, auch nicht in Teilbereichen, identisch mit Empfangnahmen der Rechnungsbeträge auf dem Konto des früheren Angeklagten Sp. . Diese Zahlungseingänge erscheinen auch nicht als ein mit dem Versenden der dazugehörigen Rechnungen einheitliches, zusammengehöriges Tun des AngeklagtenR. M. . Die Annahme natürlicher Handlungseinheiten (vgl. hierzu nur Fischer, StGB, 59. Aufl., vor § 52 Rn. 3 m. zahlr. wN) scheidet damit von vorneherein aus.
25
3. Die Änderung des Schuldspruchs zieht eine Änderung der Einzelstrafen nach sich; der Gesamtstrafenausspruch hat Bestand.
26
a) Soweit der Senat mehrere von der Strafkammer als rechtlich selbständig gewertete Taten zu jeweils einer Tat zusammengefasst hat, hat er die höchste der von der Strafkammer hierfür verhängten Einzelstrafen als Strafe für die neue einheitliche Tat bestätigt (§ 354 Abs. 1 StPO analog); denn es ist ausgeschlossen , dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung geringere Einzelstrafen verhängt hätte.
27
b) Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat trotz des Wegfalls der vom Landgericht ausgesprochenen Einzelstrafen Bestand. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht die Gesamtstrafe, in die fast 800 weitere Einzelfreiheitsstrafen zwischen sechs und elf Monaten für weitere Fälle der Untreue in Tateinheit mit Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, darüber hinaus Einzelfreiheitsstrafen von jeweils sechs Monaten für 49 Fälle der Urkundenfälschung sowie Geldstrafen für die Steuerhinterziehungsdelikte eingeflossen sind, milder bemessen hätte, wenn es die Konkurrenzverhältnisse in den o.g. Fällen richtig beurteilt hätte. Allein durch die geänderte rechtliche Würdigung wird der Schuldumfang jeweils nicht entscheidend berührt.
28
4. Die weitergehende Revision des Angeklagten R. M. wird aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts verworfen, § 349 Abs. 2 StPO. Die Verurteilung des insoweit geständigen Angeklagten wegen Steuerhinterziehung wird von den hierzu (noch) ausreichenden Feststellungen getragen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08; BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2000 - 5 StR 399/00).
29
III. Zur Revision der Angeklagten G. M. :
30
Die Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen unbegründet. Die Prüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge ergibt keine durchgreifenden Rechtsfehler (§ 349 Abs. 2 StPO).
31
Ergänzend bemerkt der Senat:
32
a) Zutreffend hat das Landgericht jede von der Angeklagten G. M. geschriebene E-Mail, in der sie der früheren Angeklagten A. Aufschlagsbeträge mitteilte, als eigenständige Beihilfehandlung zu den Straftaten des Angeklagten R. M. , hier in Form der Untreue in Tateinheit mit Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, gewertet, denn mit jeder E-Mail wurde jeweils eine selbständige Haupttat des Angeklagten R. M. gefördert. Dass die Angeklagte G. M. nicht, wie vom Landgericht angenommen, 136, sondern lediglich 31 Haupttaten des Angeklagten R. M. förderte, wirkt sich bei ihr nicht auf die Anzahl der verwirklichten Beihilfetaten aus. Jedoch war der Schuldspruch dahingehend zu berichtigen, dass sie insoweit in 31 Fällen der Beihilfe zur Untreue in Tateinheit mit Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr schuldig ist.
33
b) Soweit das Landgericht verabsäumt hat, für die Tat der Beihilfe zur Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (Unterstützungshandlungen hinsichtlich des fingierten Arbeitsverhältnisses) eine Einzelstrafe festzusetzen, setzt der Senat diese entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf das gesetzliche Mindestmaß (§ 40 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 StGB) von fünf Tagessätzen zu je einem Euro fest. Hierdurch ist die Beschwerdeführerin nicht beschwert. Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 182/10
vom
18. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. Mai 2010 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 14. Januar 2010 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Untreue in 107 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wird. Die Einzelstrafe von einem Jahr (Fall 19 der Urteilsgründe ) sowie die beiden Einzelstrafen von je acht Monaten (Fälle 22 sowie 68 der Urteilsgründe) entfallen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 110 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, ihm die Ausübung des Berufs eines Rechtsanwalts für die Dauer von drei Jahren verboten und ihn auf sein Anerkenntnis hin verurteilt, an die Adhäsionsklägerin einen Betrag in Höhe von 172.301,68 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachbeschwerde den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Die Verfahrensrüge hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 21. April 2010 keinen Erfolg.

II.


3
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehen die Fälle 18 und 19, 21 und 22 sowie 67 und 68 nicht in Realkonkurrenz.
4
a) Nach den Feststellungen überwies der Angeklagte am 10. Oktober 2006 von demselben Girokonto bei der Sparkasse E. zweimal jeweils 8.000 € auf sein eigenes Konto und verbrauchte das Geld für sich (Taten 18 und 19). Am 25. Oktober 2006 sowie am 15. Juni 2007 hob er von diesem Konto jeweils Geld zum persönlichen Verbrauch ab und veranlasste zugleich je eine Überweisung zu eigenen Zwecken (Taten 21 und 22 sowie 67 und 68).
5
b) Danach stehen die jeweils am selben Tag vorgenommenen Überweisungen bzw. Barabhebungen jedenfalls in natürlicher Handlungseinheit. Eine solche liegt vor, wenn zwischen einer Mehrheit strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters auch für einen Dritten objektiv als einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint, und wenn die einzelnen Betätigungen auf einer einzigen Willensentschließung beruhen (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 1. September 1994 – 4 StR 259/94, NStZ 1995, 46 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Barabhebungen bzw. Überweisungen erfolgten jeweils am selben Tag und betrafen auch jeweils das- selbe Girokonto der Geschädigten bei der Sparkasse E. , was nahe legt, dass der Angeklagte die Verfügungen jeweils zusammen erledigte und nicht auf Grund eines neuen Tatentschlusses handelte.
6
2. Auch unter Berücksichtigung von § 265 StPO kann der Senat die erforderliche Änderung des Schuldspruchs selbst vornehmen; der Angeklagte ist in vollem Umfang geständig.
7
Drei Einzelstrafen von einem Jahr bzw. zweimal acht Monaten müssen entfallen; die drei weiteren Einzelstrafen in jeweils gleicher Höhe hat der Senat aufrechterhalten. Angesichts der Zahl und der Summe der Einzelstrafen kann sicher ausgeschlossen werden, dass die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses der betreffenden Einzeltaten niedriger ausgefallen wäre.

III.


8
Wegen des lediglich geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig , den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
RiBGH Athing ist im Ernemann Cierniak Ruhestand und daher an der Unterschrift gehindert Ernemann Mutzbauer Franke

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 231/11
vom
13. September 2011
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
Zur Einordnung einer kriminellen Vereinigung als in- oder ausländische bzw. als
solche innerhalb oder außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
BGH, Beschluss vom 13. September 2011 - 3 StR 231/11 - LG München I
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 13. September 2011 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 5. April 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in zwei Fällen und Geldwäsche in neun Fällen, jeweils in Tateinheit mit "Bildung krimineller Vereinigungen" (zutreffend: mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts entstand in der ehemaligen Sowjetunion eine kriminelle Subkultur, die nach ihrer eigenen Ideologie, den sogenannten "Diebesregeln", lebt. Dieses System dehnte sich nach Westen aus und etablierte sich teilweise auch in Deutschland. Die Verbandsstruktur ist regional organisiert und überregional koordiniert. An oberster Stufe steht jeweils ein "Dieb im Gesetz", der diese Stellung mittels "Krönung" durch alle "Diebe im Gesetz" in Moskau erhält. Diesem wird ein bestimmtes Gebiet zugewiesen, in dem sich kein anderer "Dieb im Gesetz" ansiedeln darf. Organisatorische Aufgaben übernehmen als seine unmittelbaren Vertrauenspersonen "Nahestehende" , unter denen "Statthalter" oder "Kassenhalter" stehen, welche die untergeordneten Mitglieder zu leiten und Beiträge zur Gemeinschaftskasse einzusammeln und abzuführen haben. Die Willensbildung unterliegt verbindlichen, in der Organisation anerkannten Regeln. Die Verhaltensregeln gebieten den Mitgliedern eine Abschottung nach außen sowie Solidarität nach innen und untersagen jegliche Kooperation mit staatlichen Behörden. Verstöße werden abgestuft sanktioniert. Im Konfliktfall werden höhere Autoritätsstufen angerufen; deren "Schiedssprüche" erkennen die Mitglieder als bindend an und machen sie zur Maxime ihres Handelns. Verbindlich festgelegte Zielsetzung der Organisation ist, bestimmte Straftaten zu begehen und einen Teil der hieraus gewonnenen Erlöse in die Gemeinschaftskasse ("Abschtschjak") zu zahlen. Diese dient der Bereicherung der höherrangigen Mitglieder sowie allgemein der Unterstützung der Mitglieder in besonderen Situationen, etwa im Falle einer Inhaftierung.
3
Spätestens im Juni 2005 begründeten die "Diebe im Gesetz" K. und L. S. eine nach den dargelegten Regeln agierende, europaweit tätige Gruppierung aus georgischstämmigen Mitgliedern, die Diebstähle organisierte und die Beute an Hehler weiterverkaufte. Auf der untersten Ebene standen die tatausführenden Diebe, die ihren Unterhalt aus organisierten, von mehreren Mitgliedern durchgeführten gemeinsamen Ladendiebstählen bestritten. Diebesbeute waren hochwertige Gegenstände des täglichen Gebrauchs wie etwa Zigaretten, Drogerieartikel, Designerkleidung und elektronische Geräte. Die Mitglieder hatten in der Regel monatlich 50 € in den "Abschtschjak" zu zahlen. Die Vereinigung, die "Diebesregeln" und der "Abschtschjak" waren oberste Maximen des Handelns des Einzelnen. In verschiedenen deutschen Städten waren regionale Kassenhalter eingesetzt. Die an die Gemeinschaftskasse abgeführten Gelder und die darüber geführten Einzahlungslisten wurden letztlich zu K. S. nach Spanien gebracht. Die Vereinigung in Deutschland war grundsätzlich autonom, bei Konflikten oder bei groben Regelverstößen griffen allerdings die Brüder S. ein.
4
Der Angeklagte war zumindest seit Mitte 2009 bis zu seiner Festnahme am 15. März 2010 innerhalb der Organisation Statthalter für D. . Er hatte Kontakt zur Führungsebene und konnte K. S. bei Bedarf telefonisch erreichen. Spätestens ab September 2009 schloss er sich mit weiteren Mitgliedern zusammen, um Diebesgut von Mitgliedern aus M. bei Hehlern in D. gewinnbringend abzusetzen. So organisierte er im September /Oktober 2009 sowie im Dezember 2009 jeweils den Transport von Diebesgut von M. nach D. und den Verkauf an einen dortigen Hehler. Überdies transferierte er zwischen dem 18. August 2009 und dem 20. Februar 2010 in neun Fällen Einnahmen in Höhe von insgesamt 1.700 €, die andere Mitglieder der Organisation durch Diebstähle oder den Verkauf von Diebesgut erzielt hatten, in Kenntnis ihrer Herkunft nach Georgien.

I.

5
Das Urteil hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung (§ 129 Abs. 1 StGB) und wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in zwei Fällen (§ 260a Abs. 1 StGB) verurteilt hat. Die Feststellungen belegen zwar, dass sich der Angeklagte als Mitglied an einer kriminellen Vereinigung beteiligte, nicht aber - worauf bereits der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat -, dass es sich bei der Vereinigung um eine solche im Inland nach § 129 Abs. 1 StGB handelte. Auch fehlen tragfähige Feststellungen für ein gewerbsmäßiges Handeln des Angeklagten im Sinne des § 260a Abs. 1 StGB. Im Einzelnen:
6
1. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend die Voraussetzungen für eine Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB als erfüllt angesehen; denn nach den Feststellungen ist ein auf eine gewisse Dauer angelegter, freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen gegeben, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa BGH, Urteile vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, NJW 2011, 542, 544 mwN; vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216, 221). Näherer Erörterung bedürfen allein die folgenden Gesichtspunkte:
7
a) Die erforderliche Unterordnung der Mitglieder unter den Gesamtwillen der Vereinigung liegt nach den Feststellungen vor:
8
aa) Insoweit ist für eine Vereinigung wesentlich die subjektive Einbindung der Beteiligten in die kriminellen Ziele der Organisation und in deren entsprechende Willensbildung unter Zurückstellung individueller Einzelmeinungen; denn nur ein derartiger Gruppenwille schafft die spezifischen Gefahren einer für die Vereinigung typischen, vom Willen des Einzelnen losgelösten Eigendynamik zur Begehung von Straftaten. Innerhalb der Vereinigung müssen deshalb bestimmte, von ihren Mitgliedern anerkannte Entscheidungsstrukturen bestehen ; dieser organisierten Willensbildung müssen sich die Mitglieder als für alle verbindlich unterwerfen. Die Art und Weise der Willensbildung ist allerdings gleichgültig; die für alle Mitglieder verbindlichen Regeln können etwa dem De- mokratieprinzip entsprechen oder auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam aufgebaut sein (st. Rspr.; vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216, 221 ff. mwN).
9
bb) Diese Voraussetzungen sind in den Urteilsgründen dargetan. Die Mitglieder der Gruppierung verband nicht allein der Wille, gemeinsam Straftaten zu begehen; sie unterwarfen sich auch nicht lediglich je für sich der autoritären Führung der Brüder S. . Vielmehr bestanden verbindliche Regeln , nach denen die Mitglieder der Organisation ihr Handeln ausrichteten, und solche, die der Konfliktbewältigung innerhalb der Organisation dienten. Diese Regeln wurden von den Mitgliedern übereinstimmend anerkannt; diese stellten insoweit ihre Einzelmeinungen zurück und ordneten sich dem entsprechenden Gruppenwillen unter.
10
cc) Es ist deshalb nicht entscheidungserheblich, ob im vorliegenden Fall eine tatsächliche Konstellation gegeben ist, bei der nach der neueren Rechtsprechung des Senats (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216, 228 ff.) geringere Anforderungen an die tatrichterlichen Feststellungen bezüglich des voluntativen Elements der Vereinigung zu stellen sind. Mit Blick auf die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts merkt der Senat dazu allerdings an:
11
Die Anforderungen an die tatrichterlichen Feststellungen zum Willenselement sind dann geringer, wenn die Mitglieder der Organisation eine über den bloßen Zweckzusammenhang der Begehung von Straftaten hinausreichende Zielsetzung verfolgen und die für Vereinigungen typische Eigendynamik vor allem dadurch in Gang gesetzt wird, dass die Beteiligten sich in der Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Ziels verbunden fühlen, wie dies typischerweise bei politisch, ideologisch, religiös oder weltanschaulich motivier- ter Kriminalität der Fall ist (BGH aaO). Diese Voraussetzungen werden durch die Feststellungen nicht belegt. Die Organisation war hier im Kern allein auf die Begehung von Eigentums- und Vermögensdelikten sowie die dadurch ermöglichte Finanzierung einer Gemeinschaftskasse gerichtet, die wiederum der Bereicherung der Führungsebene und der materiellen Unterstützung der Mitglieder in bestimmten Situationen diente; die Vereinigung war somit durch wirtschaftliche , nicht aber durch politisch-ideologische Zielsetzungen der Beteiligten geprägt. Der Umstand, dass sich die Vereinigungsmitglieder nach außen abgrenzten und die Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen ablehnten, ist für kriminelle Organisationen jeglicher Art nicht ungewöhnlich. Ihm kommt deshalb im hier relevanten Zusammenhang keine erhebliche Bedeutung zu. Dieser Gesichtspunkt reicht insbesondere nicht aus, um darin bereits eine eigene, über den auf Straftaten ausgerichteten Zweckzusammenhang der Vereinigung hinausgehende Ideologie in dem dargelegten Sinne zu sehen.
12
b) Die Organisation war darauf ausgerichtet, Straftaten, vor allem Eigentums - und Vermögensdelikte, zu begehen, mit denen - obwohl die einzelnen festgestellten Taten isoliert betrachtet überwiegend eher dem unteren Bereich der Kriminalität zuzurechnen sind - eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbunden war (BGH, Urteil vom 22. Februar 1995 - 3 StR 583/94, BGHSt 41, 47, 51; Beschluss vom 4. August 1995 - StB 31/95, NJW 1995, 2117, 2118). Für diese Beurteilung ist nicht lediglich auf die einzelne Straftat oder die jeweilige Strafandrohung abzustellen; vielmehr ist eine Gesamtwürdigung der begangenen und/oder geplanten Straftaten unter Einbeziehung aller Umstände vorzunehmen, die für das Maß der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit von Bedeutung sein können. Hierzu gehören insbesondere auch die Auswirkungen der Straftaten (BGH, Urteil vom 22. Februar 1995 - 3 StR 583/94, BGHSt 41, 47, 51). Ins Gewicht fällt deshalb neben der Höhe der Erlö- se, die etwa allein der Angeklagte mit seinen Straftaten im September/Oktober und im Dezember 2009 erzielte, insbesondere die organisierte, planmäßige und überregionale Vorgehensweise der Vereinigungsmitglieder. Diese Umstände belegen ohne Weiteres eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit.
13
c) Da nach den Feststellungen die Brüder S. als "Diebe im Gesetz" in der Organisation an oberster Stufe standen und der Wille der Organisation demzufolge unabhängig von den übrigen "Dieben im Gesetz" gebildet wurde, stellte die ihnen untergeordnete Gruppierung eine eigenständige Vereinigung dar. Es bedarf daher keiner näheren Betrachtung, wie die Versammlung der verschiedenen "Diebe im Gesetz" zu bewerten ist und ob diese etwa als eine übergeordnete Dach-Vereinigung anzusehen sein könnte (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 30. März 2001 - StB 4/01 u.a., BGHSt 46, 349, 354; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129 Rn. 23).
14
2. Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich jedoch nicht, dass es sich bei der von den Brüdern S. geführten Organisation um eine Vereinigung im Inland nach § 129 Abs. 1 StGB handelte.
15
a) Die Kriterien, an denen die Einordnung einer Organisation als in- oder ausländische Vereinigung - im letzten Fall zudem als Vereinigung innerhalb oder außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union - auszurichten ist, sind gesetzlich nicht bestimmt und in der Gesetzesbegründung bei Einführung des § 129b StGB nicht näher erörtert worden (vgl. etwa BT-Drucks. 14/7025 S. 1, 6). In der Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - StB 5/10, BGHR StGB § 129 Gruppenwille 6) und dem Schrifttum (vgl. etwa Stein, GA 2005, 433, 443; Zöller, Terrorismusstrafrecht, 2009, S. 523; Nehring, Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland, 2007, S. 177 ff.; LK/Krauß, aaO § 129 Rn. 36 ff.) sind sie verschiedentlich angedeutet bzw. erörtert worden, indessen noch nicht abschließend geklärt. Hierzu gilt:
16
Vereinigungen, die den §§ 129 ff. StGB unterfallen, können in einer kaum überschaubaren Vielzahl von tatsächlichen Organisationsformen auftreten. So werden etwa Gruppierungen mit wirtschaftlichen Zielsetzungen ebenso erfasst wie solche, die politische, ideologische oder religiöse Zwecke verfolgen. Bezüglich der Größe der Vereinigung ist lediglich die Mindestzahl von drei Mitgliedern bestimmt, es kommen deshalb sowohl Vereinigungen mit relativ wenigen als auch solche mit außerordentlich zahlreichen Mitgliedern in Betracht. Weder die Organisationsform noch die Art der Willensbildung ist im Einzelnen festgelegt. Nicht zuletzt sind die Gruppierungen etwa im Bereich der Organisierten Kriminalität, aber auch des Terrorismus zunehmend länderübergreifend organisiert; ihre Aktionsfelder betreffen häufig die Gebiete mehrerer Staaten. Vor diesem Hintergrund erscheint eine abstrakte Umschreibung der maßgeblichen Gesichtspunkte, die für die Einordnung derartiger Vereinigungen als inoder ausländisch - und im letztgenannten Fall als solche innerhalb oder außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union - den Anspruch der Verbindlichkeit für alle denkbaren Einzelfälle erheben könnte, weder möglich noch sachgerecht. Mit Blick auf die Unterschiedlichkeit und Komplexität der in Betracht zu ziehenden Fallgestaltungen liegt es näher, die geographische Zuordnung einer Vereinigung von einer an den konkreten Einzelfallumständen orientierten Gesamtbetrachtung abhängig zu machen. Dabei sind regelmäßig namentlich die folgenden Kriterien von Bedeutung:
17
aa) Als wesentliches Zuordnungskriterium ist der Schwerpunkt der Organisationsstruktur anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - StB 5/10, BGHR StGB § 129 Gruppenwille 6; s. auch Art. 4 Unterabsatz 1 der Gemeinsamen Maßnahme vom 21. Dezember 1998 betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in den Mitgliedstaaten der Eu- ropäischen Union, ABl. L 351 vom 29. Dezember 1998, S. 1: "Ort…, an dem die Vereinigung ihre Operationsbasis hat"; vgl. hierzu Stein, GA 2005, 433, 443). Dieser Schwerpunkt der organisatorischen Strukturen ist seinerseits anhand verschiedener Merkmale zu ermitteln (vgl. Zöller, Terrorismusstrafrecht, 2009, S. 523). Er kann sich insbesondere aus dem Ort ergeben, an dem gleichsam "die Verwaltung geführt wird" (s. Nehring, Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland, 2007, S. 178). Anhaltspunkt dafür kann die Konzentration personeller und/oder sachlicher Ressourcen sein, beispielsweise für Organisationszwecke genutzte Gebäude, Ausbildungsstätten oder Material, wie Tatwerkzeuge, Unterlagen oder auch Datenverarbeitungsanlagen.
18
bb) Ferner ist in den Blick zu nehmen, wo nach den Strukturen der Vereinigung deren Gruppenwille gebildet wird, d.h. wo der durch die entscheidungsbefugten Organe der Vereinigung gebildete Verbandswille zustande kommt und erstmals durch konkrete Umsetzungsakte nach außen in Erscheinung tritt (Zöller aaO S. 523; Nehring aaO S. 178). Auch kann zu berücksichtigen sein, an welchem Ort sich die Vereinigung gegründet hat. Demgegenüber sind die Staatsangehörigkeit der Mitglieder und deren bloßer Wohnsitz regelmäßig nicht von entscheidendem Belang (BGH, Beschluss vom 5. Januar 1982 - StB 53/81, BGHSt 30, 328, 331 f.).
19
cc) Daneben kann das eigentliche Aktionsfeld Bedeutung erlangen, mithin der Ort, an dem die Straftaten, auf deren Begehung die Zwecke oder Tätigkeit der Vereinigung gerichtet sind, begangen werden sollen bzw. begangen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - StB 5/10, BGHR StGB § 129 Gruppenwille 6; vgl. auch Art. 4 Unterabsatz 1 der Gemeinsamen Maßnahme vom 21. Dezember 1998 betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ABl. L 351 vom 29. Dezember 1998, S. 1: "Ort…, an dem die Vereinigung ihre strafba- ren Tätigkeiten ausübt"; vgl. hierzu Stein, GA 2005, 433, 443). Dabei sind gegebenenfalls sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort in die Bewertung einzustellen. Allerdings genügt es für die Einordnung einer Gruppierung als inländische oder EU-Vereinigung nicht, dass sie auf dem jeweiligen Gebiet lediglich Straftaten begeht oder begehen will. Erforderlich ist vielmehr zumindest, dass in Deutschland bzw. dem Bereich der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch Organisationsstrukturen bestehen und die Vereinigungsmitglieder nicht nur zur Vorbereitung und Begehung der Straftaten, auf die die Vereinigung gerichtet ist, in die betreffende Region einreisen und sich dort aufhalten.
20
b) Nach diesen Maßstäben wies die Organisation der GebrüderS. auf der Grundlage der bisherigen Urteilsfeststellungen keine ausreichende räumlich-organisatorische Inlandsverankerung auf. Weder befand sich der Schwerpunkt der Organisationsstrukturen im Inland, noch war das Aktionsfeld der Vereinigung auf Deutschland beschränkt. Der "Dieb im Gesetz" K. S. , der im Konfliktfall die maßgebliche Autorität und mithin für die Bildung des Gruppenwillens von entscheidender Bedeutung war, lebte nicht in Deutschland. Die Weiterleitung der für die Organisation gesammelten Gelder und der darüber geführten Listen an ihn nach Spanien ist ein Indiz dafür, dass dort wesentliche Aufgaben betreffend die Organisation bzw. "Verwaltung" der Vereinigung vorgenommen wurden. Da die Vereinigung - etwa durch Statt- und Kassenhalter - regional organisiert war, liegt es nahe, dass neben der "Verwaltung" in Spanien auch in weiteren Staaten außerhalb Deutschlands Organisationsstrukturen bestanden. Die Vereinigungsmitglieder wurden europaweit tätig. Der Umstand, dass die Strukturen und Aktivitäten der Vereinigung teilweise in die Bundesrepublik Deutschland hineinreichten, genügt nicht, um die Gruppierung als inländische anzusehen. Schließlich wurde die Vereinigung nicht in Deutschland, sondern in Moskau gegründet.
21
c) Die in Deutschland agierende Gruppierung ist auch nicht als eigenständige inländische Vereinigung im Sinne einer Teilorganisation zu werten. Eine solche eigenständige Vereinigung setzt nach der neueren Rechtsprechung des Senats, an der festzuhalten ist, voraus, dass die Gruppierung für sich genommen alle für eine Vereinigung notwendigen personellen, organisatorischen , zeitlichen und voluntativen Voraussetzungen erfüllt. Dazu muss sie ein ausreichendes Maß an organisatorischer Selbstständigkeit aufweisen und insbesondere einen eigenen, von der ausländischen (Haupt-)Organisation unabhängigen Willensbildungsprozess vollziehen (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, NJW 2011, 542, 544 f.). Daran fehlt es hier. Im Konfliktfall oder bei groben Verstößen gegen die Regeln der Vereinigung schalteten sich die Gebrüder S. in ihrer Eigenschaft als "Anführer" der Vereinigung ein. Angesichts der gerade bei Fragen von besonderer Bedeutung von diesen "Dieben im Gesetz" abhängigen Willensbildung vollzog sich der Willensbildungsprozess somit nicht vollständig im Inland. Die in die Gemeinschaftskasse eingezahlten Gelder wurden nach Spanien weitergeleitet, über ihre Verwendung wurde somit ebenfalls nicht vollständig im Inland entschieden. Die Gruppierung war deshalb in Deutschland nur in begrenztem, für die Annahme einer eigenständigen Vereinigung nicht ausreichendem Umfang autonom.
22
3. Die getroffenen Feststellungen belegen auch nicht die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei nach § 260a Abs. 1 StGB in den Fällen B. II. 2. a. der Urteilsgründe.
23
a) Die erhöhte Strafbarkeit wegen gewerbsmäßigen Handelns setzt voraus , dass der Täter sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende , nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will (vgl. Fischer , StGB, 58. Aufl., Vor § 52 Rn. 62). Die Gewerbsmäßigkeit, die ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB darstellt (BGH, Beschluss vom 11. Januar 2005 - 1 StR 547/04, wistra 2005, 177), erfordert stets Eigennützigkeit; es genügt nicht, wenn eine fortdauernde Einnahmequelle allein für Dritte geschaffen werden soll (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 543/07, NStZ 2008, 282 f. zu § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB). Ein bloß mittelbarer Vorteil des Täters reicht zur Begründung der Gewerbsmäßigkeit nur aus, wenn er ohne Weiteres darauf zugreifen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Mai 2009 - 4 StR 10/09, wistra 2009, 351;vom 5. Juni 2008 - 1 StR 126/08, NStZ-RR 2008, 282; vom 16. April 2008 - 5 StR 615/07, wistra 2008, 342, 343) oder sich selbst geldwerte Vorteile aus den Taten über Dritte verspricht (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 543/07, NStZ 2008, 282 f.; Urteil vom 1. Juli 1998 - 1 StR 246/98, BGHR StGB § 261 Strafzumessung 2).
24
b) Den Urteilsfeststellungen ist nicht hinreichend zu entnehmen, dass das deliktische Handeln des Angeklagten auf die Erlangung eines derartigen eigenen Vorteils gerichtet war. Danach beging er die Straftaten vielmehr in der Absicht, anderen Mitgliedern der Vereinigung und der Vereinigung als solcher eine fortdauernde Einnahmequelle zu schaffen. Dass er selbst direkt auf die Einnahmen der Vereinigung zugreifen konnte oder tatsächlich aufgrund der Hehlereitaten einen bestimmten geldwerten Vorteil aus der Gemeinschaftskasse erwartete, ergibt sich nicht. Die in die Gemeinschaftskasse eingezahlten Gelder wurden zu K. S. nach Spanien gebracht. Allein die Möglichkeit, in Zukunft möglicherweise unter gewissen, noch unbestimmten Umständen selbst vom Inhalt der Gemeinschaftskasse zu profitieren, reicht für die Annahme gewerbsmäßigen Handelns nicht aus.

II.


25
1. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des gesamten Urteils. Zwar hat das Landgericht für sich betrachtet rechtsfehlerfrei die neun Taten der Geldwäsche nach § 261 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 1 StGB festgestellt; diese Delikte stehen jedoch jeweils in Tateinheit mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an einer kriminellen Vereinigung , so dass sich die Urteilsaufhebung auf sie zu erstrecken hat (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 - 3 StR 135/01, juris Rn. 18; Urteile vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, NStZ 1997, 276; vom 7. Juli 2011 - 5 StR 561/10, juris Rn. 30; KK-Kuckein, 6. Aufl., § 353 Rn. 12; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 353 Rn. 7a; zur Tateinheit mit dem Vereinigungsdelikt s. etwa BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 290).
26
Die Änderung des Schuldspruchs durch den Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO dahin, dass der Angeklagte in diesen Fällen wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung im Ausland bzw. wahlweise wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung im Inland oder im Ausland, dies jeweils in Tateinheit mit Geldwäsche nach § 129 Abs. 1, § 129b Abs. 1, § 261 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar ist, scheidet aus; denn es fehlt an der möglicherweise gemäß § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB zur Verfolgung des Vereinigungsdelikts erforderlichen Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz.
27
a) Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung sind insoweit allein die schriftlichen Urteilsgründe. Die örtliche Einordnung der Vereinigung als inländische , solche in dem Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder solche außerhalb dieses Bereichs ist sowohl für den Schuldspruch als auch für die Frage von Bedeutung, ob eine Verfolgungsermächtigung als Verfahrensvoraussetzung erforderlich ist. Die Bildung einer richterlichen Überzeugung zu dieser doppelrelevanten Tatsache im Wege des Freibeweises durch den Senat - etwa auf der Grundlage des sonstigen Akteninhalts - scheidet deshalb aus (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 337 Rn. 6).
28
b) In den Fällen, in denen ausreichend sichere Feststellungen zur örtlichen Einordnung der Vereinigung vor dem Hintergrund der aufgezeigten Vielgestaltigkeit der Erscheinungsformen nicht getroffen werden können, kommt auch eine wahlweise Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer inländischen oder ausländischen kriminellen oder terroristischen Vereinigung in Betracht. Vor allem mit Blick darauf, dass nach § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB die §§ 129, 129a StGB auch bei einer Vereinigung im Ausland grundsätzlich uneingeschränkt gelten, mithin insbesondere der gesetzlich vorgesehene Strafrahmen nicht davon abhängt, ob die Tat sich auf eine in- oder ausländische Vereinigung bezieht, sieht der Senat keinen Anlass, die rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit der §§ 129, 129a StGB einerseits und des § 129b StGB andererseits in Zweifel zu ziehen. Eine Verurteilung auf alternativer Tatsachengrundlage setzt nach den in der Rechtsprechung anerkannten allgemeinen Grundsätzen aber voraus, dass innerhalb des durch § 264 StPO gezogenen Rahmens die angeklagte Tat nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten nicht so eindeutig aufzuklären ist, dass ein bestimmter Tatbestand festgestellt werden kann, aber sicher festzustellen ist, dass der Angeklagte einen von mehreren Tatbeständen verwirklicht hat, und andere, straflose Hand- lungen ausgeschlossen sind (Fischer, StGB, 58. Aufl., § 1 Rn. 19 mwN). Hieraus folgt insbesondere, dass das Tatgericht die Voraussetzungen einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung sowie eine strafbare Tathandlung des Angeklagten sicher feststellen muss; nicht aufklärbar darf allein die geographische Einordnung der Vereinigung sein.
29
Die bisherigen Urteilsfeststellungen, welche die geographische Einordnung der Vereinigung nicht näher in den Blick nehmen, lassen es jedoch zumindest als möglich erscheinen, dass die Vereinigung ihren Schwerpunkt außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union hatte. So ergibt sich aus den bisherigen Feststellungen etwa nicht, wo sich der mit seinem Bruder an der Spitze der Organisation stehende "Dieb im Gesetz" L. S. befand und die Vereinigung betreffende Handlungen vornahm. Ferner wurde die Vereinigung europaweit tätig, ohne dass das Landgericht diese Feststellung näher konkretisiert und etwa auf das Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschränkt hat. Damit bleibt offen, in welchen anderen europäischen Staaten die Vereinigung Straftaten organisierte, ob diese möglicherweise teilweise außerhalb der Europäischen Union lagen und welchen Umfang die Organisation außerhalb Deutschlands und der Europäischen Union hatte. Da sämtliche vom Angeklagten transferierten Gelder nach Georgien flossen, ist überdies nicht völlig auszuschließen, dass möglicherweise auch dort nicht unerhebliche Organisationsstrukturen bestanden. Schließlich ist unklar, was Hintergrund für Geldgeschenke an "Diebe im Gesetz" in Moskau war und ob sich daraus weitere Erkenntnisse über die Organisationsstruktur ergeben könnten.
30
Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Verfolgbarkeit des Vereinigungsdelikts nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB hier von einer entsprechenden Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz abhängt. Diese liegt bisher nicht vor; damit fehlt es für diesen Fall an einer Verfahrensvoraussetzung, so dass eine Wahlfeststellung ausscheidet.
31
2. Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung darauf hin, dass die bisherigen Feststellungen zu der Vereinigung als solcher und ihrer Gründung in Moskau teilweise nicht ohne Weiteres nachvollziehbar erscheinen. Danach agiert die Vereinigung der Gebrüder S. einerseits europaweit; andererseits erhält ein "Dieb im Gesetz" nach seiner "Krönung" ein eigenes Gebiet zugewiesen, in dem ihm gestattet ist, durch kriminelle Handlungen jedweder Art Geld zu verdienen, und in dem sich kein anderer "Dieb im Gesetz" ansiedeln darf. Danach wäre naheliegend die Gruppierung um die Brüder S. die einzige Vereinigung der "Diebe im Gesetz" in Europa. Dem könnten allerdings die sonstigen Urteilsgründe widersprechen, denen zu entnehmen ist, dass es mehrere "Diebe im Gesetz" gibt, ohne dass festgestellt ist, dass sich deren Organisationen über Europa hinaus ausgebreitet haben. Somit bleibt offen, wo sich die diesen zugewiesenen Gebiete befinden sollen.
Becker Pfister Schäfer
Mayer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 343/11
vom
7. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. September 2011 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 12. Januar 2011 im Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet
verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 123 Fällen und wegen Untreue zu vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt sowie hinsichtlich zweier Beträge festgestellt, dass nur deswegen nicht auf (erweiterten) Verfall erkannt werde, weil Ansprüche Geschädigter (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB und § 73d Abs. 1 Satz 3 StGB) entgegenstehen. Seine hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat im tenorierten Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Der Schuldspruch und die Feststellungen nach § 111i StPO begegnen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 1. August 2011 zutreffend dargelegten Gründen keinen revisionsgerichtlichen Bedenken. Indes können die verhängten Einzelstrafen und damit der Gesamtstrafausspruch keinen Bestand haben. Der näheren Erörterung bedarf insofern Folgendes:
3
1. Hinsichtlich der Straftaten des Betruges hat die Strafkammer zutreffend jeweils den für besonders schwere Fälle erhöhten Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt (a); die Erwägungen zur konkreten Strafhöhenbestimmung weisen jedoch Rechtsfehler auf (b).
4
a) Die Annahme besonders schwerer Fälle des Betruges i.S.d. § 263 Abs. 3 StGB wird von den Feststellungen getragen und ist rechtfehlerfrei.
5
aa) Nach den Feststellungen war der Angeklagte alleiniger Vorstand des Bundes für Kinderhilfe e.V. (BfK) mit Sitz in Augsburg, für den er zahlende Spender mit „nicht vollumfassend die Realität“ widerspiegelnden (UA S. 50) Be- hauptungen werben ließ, die vor allem dahin gingen, der BfK vermittle Patenschaften für hilfsbedürftige Kinder in der Dritten Welt. Für einen monatlichen Bei- trag von 30 € könne eine solche Patenschaft, für einen Betrag von 15 € monatlich eine Teilpatenschaft übernommen werden. Derart geworbene „Paten“ zahl- ten im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben entsprechende Beträge auf Konten des BfK. Tatsächlich war lediglich ein minimaler Geldfluss an soziale Projekte in Thailand feststellbar, überwiegend wurde das Geld - soweit nicht für Verwaltungsaufwendungen verbraucht - auf einem Konto des BfK belassen. Der Angeklagte handelte, um „dem BfK durch die Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen und sodann mit dem einge- nommenen Geld nach eigenem Gutdünken zu verfahren“ (UA S. 11 = UA S. 54).
6
bb) Dies belegt die Annahme gewerbsmäßigen Handelns (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB). Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Hierfür reicht aus, dass sich der Täter mittelbare Vorteile aus den Tathandlungen verspricht, etwa wenn die Vermögensvorteile - wie hier - an einen von ihm beherrschten Verein fließen; insoweit ist erforderlich, dass der Täter ohne weiteres auf diese Vorteile zugreifen kann (BGH, Beschluss vom 26. Mai 2009 - 4 StR 10/09; BGH, Beschluss vom 5. Juni 2008 - 1 StR 126/08). Eines tatsächlichen Zugriffs bedarf es hierfür allerdings nicht, auch wenn ein solcher angesichts der festgestellten Barabhebungen von Konten des BfK naheliegt; die diesbezügliche Einlassung des Ange- klagten, er habe 45.000 € an ihm namentlich nicht näher bekannte Damen in Thailand übergeben, hat die Strafkammer als unzutreffende Schutzbehauptung gewertet (UA S. 195 ff.). Maßgeblich und ausreichend ist vielmehr eine dahingehende Absicht. Diese hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei festgestellt, dass nämlich der Angeklagte handelte, um mit dem gesammelten Geld, auf das er jederzeit und unmittelbar Zugriff nehmen konnte, „nach eigenem Gutdünken zu verfahren“ (UA S. 54). Liegt ein derartiges Gewinnstreben vor, ist schon die erste der ins Auge gefassten Tathandlungen als gewerbsmäßig anzusehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 11. September 2003 - 4 StR 193/03). Die Strafkammer hat auch bedacht, dass die Indizwirkung des Regelbeispiels durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11 mwN), und dies rechtsfehlerfrei verneint (UA S. 207).
7
cc) Die Feststellungen belegen überdies, dass der Angeklagte in der Absicht handelte, eine große Anzahl von Menschen - nämlich sogar in mehr als den 123 festgestellten Einzelfällen - in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB), ohne dass hierzu abschließender Klärung bedarf, wann eine große Zahl von Menschen vorliegt (zum Meinungsstand vgl. z.B. Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 263 Rn. 188d). Denn jedenfalls bei der hier gegebenen Anzahl ist dieses Merkmal erfüllt. Besteht diese Absicht, so kann schon die erste Tat als besonders schwerer Fall eingestuft werden (BGH, Beschluss vom 9. November 2000 - 3 StR 371/00).
8
b) Soweit die Strafkammer jedoch für das Finden einer Strafe innerhalb des rechtsfehlerfrei bestimmten Strafrahmens zu Lasten des Angeklagten be- rücksichtigt hat, dass er „im Verlaufe des über fünf Monate dauernden Prozesses keinerlei Einsicht“ hat erkennen lassen, dass „er möglicherweise in fehlerhafter Weise agiert“ hat, und bis zum Schluss darauf beharrte, „alles besser zu wis- sen und nichts falsch gemacht zu haben“ (UA S. 208), lässt dies besorgen - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat -, dass prozessual zulässiges Verteidigungsverhalten zu Unrecht strafschärfend berücksichtigt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2010 - 3 StR 192/10; BGH, Beschluss vom 9. Mai 2007 - 1 StR 199/07 jew. mwN). Zwar kann ein Verhalten des Täters nach der Tat strafschärfend wirken, wenn es trotz der ihm zustehenden Verteidigungsfreiheit auf Rechtsfeindschaft, seine Gefährlichkeit oder die Gefahr künftiger Rechtsbrüche hinweist oder andere mit der Tat zusammenhängende ungünstige Schlüsse auf seine Persönlichkeit zulässt (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1981 - 3 StR 61/81; BGH, Urteil vom 24. Juli 1985 - 3 StR 127/85) oder wenn die Grenzen angemessener Verteidigung eindeutig überschritten sind und das Vorbringen des Angeklagten eine selbständige Rechtsgutsverletzung enthält (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 2004 - 4 StR 576/03; zum Ganzen auch Stree/ Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 46 Rn. 41 mwN; Schäfer/Sander/ van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 378 ff.). Dafür ist hier jedoch nichts dargetan oder ersichtlich. Schon aus diesem Grund können die Einzelstrafen von je zehn Monaten für die 123 Fälle des Betruges keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen , dass diese bei rechtsfehlerfreier Strafzumessung niedriger ausgefallen wä- ren, wenngleich die Verhängung noch geringerer Einzelstrafen angesichts des festgestellten Tatbildes und der Verwirklichung von zwei Regelbeispielen des § 263 Abs. 3 StGB (vgl. hierzu Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO, Rn. 401) wenig nahe liegend erscheint.
9
2. Auch die hinsichtlich der ausgeurteilten Untreue verhängte Einzelstrafe begegnet aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen rechtlichen Bedenken.
10
Zwar belegen die Feststellungen, wonach der Angeklagte für den BfK als dessen Vereinsvorstand eine von ihm zuvor privat ersteigerte, überwiegend marode und unbewohnbare sowie für Zwecke des Vereins ungeeignete Immobilie erwarb, die Annahme eines vom Angeklagten pflichtwidrig herbeigeführten Vermögensschadens jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des persönlichen Schadenseinschlags (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 14. April 2011 - 1 StR 458/10 mwN). Sie tragen indes nicht die Einschätzung des Landgerichts, der Angeklagte habe einen Vermögensschaden großen Ausmaßes herbeigeführt (§§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB).
11
Nach den Urteilsgründen ersteigerte der Angeklagte die Immobilie im Feb- ruar 2008 für 175.000 € und veräußerte sie im Dezember 2008 für 230.000 € an den BfK, wobei der Wert eines dem Angeklagten zusätzlich eingeräumten, lebenslangen Wohn- und Nutzungsrechtes an Teilen des Gebäudes mit rund 45.000 € in Ansatz gebracht wurde. Zugleich teilt die Strafkammer mit, dass ein - im Auftrag des Angeklagten erstelltes - Gutachten den Wert der veräußerten Immobilie mit 350.000 € beziffert habe. Die Strafkammer setzt sich mit diesem Gutachten nicht näher auseinander, etwa mit der naheliegenden Frage, ob es sich um ein unbeachtliches Gefälligkeitsgutachten gehandelt haben könnte (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2008 - 3 StR 394/07). Auch Feststellungen zur Frage einer zumutbaren Verwertbarkeit der Immobilie enthält das Urteil nicht. Damit bleibt die auch ansonsten für die Strafzumessung als verschuldete Auswirkung der Tat (§ 46 Abs. 2 StGB) bestimmende (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 - 1 StR 458/10 mwN) Höhe des dem geschädigten Verein tatsächlich verbleibenden Schadens unklar.
12
3. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich. Einer Aufhebung der von den Rechtsfehlern insgesamt nicht betroffenen Feststellungen bedarf es nicht. Das neue Tatgericht wird ergänzende , zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen (zum Beispiel zu Verwertbarkeit oder Wert der dem BfK gegen Zahlung übertragenen Immobilie) treffen können.
13
4. Die Abfassung der Urteilsgründe gibt überdies Anlass zu dem Hinweis, dass es sich ab einem gewissen Umfang zwar empfiehlt, die abgeurteilten Taten in einer Art Vorspann zusammenzufassen, dieser aber nicht geeignet ist, die Übersichtlichkeit zu erhöhen, wenn er nur um wenige Seiten kürzer ist, als die nachfolgende Darstellung der zu den einzelnen Taten getroffenen Feststellungen oder mit diesen über ganze Absätze hinweg wortgleich ist. Die schriftlichen Urteilsgründe sollen auch nicht in der Art eines Protokolls die Einlassung des Angeklagten oder eines jeden einzelnen Zeugen referieren, zumal wenn sich diese - wie hier - hinsichtlich ihres entscheidungserheblichen Aussageinhalts unschwer zusammenfassen lassen. Denn die Urteilsgründe sollen dem Leser ermöglichen, die die Entscheidung tragenden Feststellungen ohne aufwändige eigene Bemühungen zu erkennen. Dementsprechend soll die Beweiswürdigung lediglich belegen , warum bedeutsame tatsächliche Umstände so wie geschehen festgestellt wurden. Nur soweit hierfür erforderlich, sind Angaben des Angeklagten, Zeugen- aussagen und sonst angefallene Erkenntnisse heranzuziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 423/10 mwN).
Nack Wahl Elf Jäger Sander