Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juli 2019 - 5 StR 195/19

bei uns veröffentlicht am17.07.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 195/19
vom
17. Juli 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:170719B5STR195.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 17.Juli 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, analog § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 28. November 2018 im Adhäsionsausspruch dahin abgeändert, dass Zinsen seit dem 1. September 2018 zu zahlen sind.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten sowie die dem Neben- und Adhäsionskläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Brandstiftung mit Todesfolge, mit zwei tateinheitlichen Mordversuchen, mit gefährlicher Körperverletzung und mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die Verfahrensrügen haben aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen keinen Erfolg. Der Erörterung bedarf nur die Rüge der Ver- letzung von § 163a Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO. Diese ist unzulässig.
3
a) Nach dem Rügevortrag wurde der Angeklagte nach der Tat von der Polizei zunächst als Zeuge vernommen. Nachdem sich der Angeklagte hierbei in erhebliche Widersprüche verwickelt hatte und weitere für seine Täterschaft sprechende Tatsachen bekannt geworden waren, wurde die Vernehmung zum Zwecke eines Telefonats mit der Staatsanwaltschaft unterbrochen. Während der Pause gab der Angeklagte wahrheitswidrig gegenüber dem bei ihm verbliebenen Vernehmungsbeamten an, der Brand sei womöglich durch das versehentliche Umwerfen eines Kerzenständers durch ihn entstanden. Nach kurzer Fortsetzung der Zeugenvernehmung wurde der Angeklagte nunmehr als Beschuldigter belehrt und festgenommen. Am Rande der Beschuldigtenvernehmung am selben Tag hielt der Polizeibeamte dem Angeklagten in einer weiteren Vernehmungspause diese Angaben vor und konfrontierte ihn mit der anderweitig erlangten Erkenntnis, dass in dem Kerzenständer keine Kerzen angebracht gewesen seien. Daraufhin legte der Angeklagte ein Geständnis ab. Eine qualifizierte Belehrung erfolgte zu keinem Zeitpunkt.
4
b) Der Revisionsvortrag ist unvollständig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen müssen so vollständig und genau dargelegt werden, dass das Revisionsgericht allein aufgrund dieser Darlegung das Vorhandensein eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind oder bewiesen werden (BGH, Urteil vom 4. September 2014 – 1 StR 75/14, StraFo 2015, 70 mwN).
5
Die Prüfung, ob ein Verwertungsverbot vorliegt, kann jedoch nicht erfolgen , weil der Beschwerdeführer nicht vorträgt, wie es zu der vom Angeklagten in der Vernehmungspause abgegebenen Einlassung gekommen ist. Sofern der beim Angeklagten verbliebene Polizeibeamte keine gezielte Befragung durchgeführt , sondern lediglich passiv eine Spontanäußerung entgegengenommen hätte, wären die Verwertbarkeit dieser Äußerung und deren Vorhalt bei der spä- teren Beschuldigtenvernehmung auch dann rechtlich unbedenklich, wenn der Angeklagte schon zuvor als Beschuldigter hätte belehrt werden müssen (vgl. BGH, Urteile vom 27. Juni 2013 – 3 StR 435/12, BGHSt 58, 301, 305; vom 27. September 1989 – 3 StR 188/89, NStZ 1990, 43; Beschluss vom 9. Juni 2009 – 4 StR 170/09, NStZ 2009, 702).
6
2. Auf die Sachrüge war jedoch im Adhäsionsausspruch der Zeitpunkt der Verzinsung zu ändern. Zinsbeginn der ab Rechtshängigkeit beantragten Zinsen ist der Tag nach Eingang der Adhäsionsantragsschrift bei Gericht (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2018 – 4 StR 292/18, NStZ-RR 2019, 96).
7
3. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.
Mutzbauer König Berger RiBGH Köhler ist wegen Mosbacher Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 7 5 / 1 4
vom
4. September 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Untreue u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der am 5. August 2014
begonnenen Hauptverhandlung in der Sitzung vom 4. September 2014, an denen
teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener
und der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Mosbacher,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom
5. August 2014 -,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom
5. und 21. August 2014 -
als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom
5. August 2014 -
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
der Angeklagte B. persönlich - in der Verhandlung vom
5. August 2014 - ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 7. Februar 2013 werden verworfen.
2. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Untreue in zwanzig tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten, den Angeklagten B. wegen Untreue in elf tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der gegen den Angeklagten B. verhängten Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt und hinsichtlich beider Angeklagter ausgesprochen, dass jeweils drei Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe wegen überlanger Verfahrensdauer als vollstreckt gelten.
2
Von weiteren Vorwürfen der Untreue und des Betruges hat das Landgericht beide Angeklagte aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen freigesprochen.
3
Die Angeklagten rügen mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen und formellen Rechts; die Staatsanwaltschaft erhebt sachlich-rechtliche Beanstandungen.
4
Die Rechtsmittel bleiben erfolglos.

A.


5
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
6
Im Jahr 2006 erbot sich der Angeklagte M. gegenüber der Zeugin J. , ihr aus der Notlage finanzieller Verschuldung zu helfen. Die Zeugin war mit Ausnahme eines ererbten Nachlassanteils von 5/6, zu dem mehrere unbebaute Grundstücke in S. und E. gehörten, sowie eines von ihr allein ererbten und bewohnten Hausgrundstücks in R. vermögenslos. Wegen ihrer bestehenden Bankschulden i. H. von rund 540.000 Euro drohte die Zwangsversteigerung des Hausgrundstücks.
7
Auf Vorschlag des Angeklagten M. beschlossen die Beteiligten , den gesamten ererbten Grundstücksbestand der Zeugin J. in eine gemeinschaftlich gehaltene Gesellschaft einzubringen und mit einem zugunsten der Gesellschaft aufgenommenen Darlehen die Zwangsversteigerung des Hausgrundstücks in R. abzuwenden. Durch lukrativere freihändige Verkäufe aus dem Grundstücksbestand sollte im Anschluss das Darlehen zurückgeführt und gegebenenfalls sogar ein Überschuss erwirtschaftet werden.
8
Vor diesem Hintergrund schlossen die Zeugin J. und der Angeklagte M. am 16. Oktober 2006 einen notariellen Vertrag zur Umgründung einer von M. bereits gehaltenen Gesellschaft in die „J. V. GmbH“ (im Folgenden: „J. GmbH“). Die Zeugin J. hielt 48 % der Gesellschaftsanteile und wurde zur Geschäftsführerin bestellt; 52 % der Anteile übernahm eine von dem Angeklagten M. beherrschte Aktiengesellschaft (die spätere Mo. AG). Mit weiterem notariellem Vertrag vom selben Tag verkaufte die Zeugin J. der J. GmbH ihren ererbten Nachlassanteil zum Preis von 509.266 Euro und erklärte zugleich dessen dingliche Übertragung an die Gesellschaft. Zusätzlich unterbreitete sie dieser ein unwiderrufliches, gegenüber dem später tatsächlich erzielten Kaufpreis deutlich günstigeres notarielles Kaufangebot für das Hausgrundstück in R. zum Preis von 560.000 Euro.
9
Planmäßig erwirkte der Angeklagte M. im Anschluss auf Vermittlung des Angeklagten B. im November 2006 bei der Raiffeisen Bank O. einen Kredit im Umfang von 535.000 Euro zugunsten derJ. GmbH. Damit konnte in der Folge – wie beabsichtigt – die Zwangsversteigerung des Hausgrundstücks in R. verhindert werden.
10
Noch bevor es zu den avisierten freihändigen Verkäufen aus dem Grundstücksbestand kam, bestellte der Angeklagte M. im Frühjahr 2007 aufgrund seiner Entscheidungsmacht als Inhaber der Mehrheitseignerin anstelle der Zeugin J. den Zeugen W. zum neuen Geschäftsführer der J. GmbH. Dieser schloss für die J. GmbH eine Honorarvereinbarung zugunsten der Mehrheitseignerin ab. In rascher Folge setzte der Angeklagte M. sodann nacheinander die geschäftsunerfahrenen Zeugen C. und, darauf folgend, V. als neue Geschäftsführer ein. Alle Personal- und Sachentscheidungen traf er indes allein; er verfügte auch allein über den Zugriff auf die Geschäftskonten.
11
Im Juni 2007 nahm die J. GmbH das notarielle Kaufangebot der Zeugin J. für das Hausgrundstück in R. vom 16. Oktober 2006 an und veräußerte das Grundstück, vertreten durch den hierzu gesondert bevollmächtigten Angeklagten B. , zum Preis von 1,09 Millionen Euro. Mit der ersten Kaufpreisrate tilgten die Angeklagten wie beabsichtigt das der Gesellschaft gewährte Darlehen der Raiffeisen Bank O. . Zu den erhofften Gewinneinnahmen aus der zweiten Kaufpreisrate kam es jedoch vorerst nicht, weil sich die Zeugin J. weigerte, aus dem Haus auszuziehen, weshalb der Restkaufpreis nicht fällig wurde.
12
In der Folge kam es zu den nachfolgenden Straftaten der Angeklagten zu Lasten des Gesellschaftsvermögens:

I.


13
Im Juni/Juli 2007 beschlossen die Angeklagten, die ausstehende Restkaufpreisrate für das Hausgrundstück in R. vorzufinanzieren. Nach Vermittlung des Angeklagten B. gewährte die Raiffeisen Bank O. der J. GmbH ein weiteres Darlehen in Höhe von 200.000 Euro.
14
Weil die Bank jedoch Misstrauen gegen den Angeklagten M. hegte, wurde der Kreditvertrag „mit folgendem Inhalt unterzeichnet: Die Bank stellt einen Kredit (…) auf das Konto Nr. derRaiBa O. zur Verfü- gung“. Es folgte eine weitere Regelung mit dem Wortlaut „Die Überweisung der Geldmittel erfolgt auf das Anderkonto Nr. von Herrn B. bei der Kreissparkasse Mi. (…). Herr B. überwacht die ordnungsgemäße Verwendung der Gelder“. Der Angeklagte B. zeichnete diese Abrede mit „13.8.07 Einverstanden, B. “.
15
Als Verwendungszweck sah der Darlehensvertrag die Vorfinanzierung der zweiten Kaufpreisrate, den Aufbau von Geldvermögen der Zeugin J. und die Deckung deren künftiger Umzugskosten sowie laufender Kosten der J. GmbH vor. Die Raiffeisen Bank O. überwies die Darlehensvaluta auf das hauseigene Geschäftskonto der J. GmbH; 170.000 Euro leitete die damalige Geschäftsführerin C. auf Anweisung des Angeklagten M. auf das Anderkonto des Angeklagten B. weiter.
16
Zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt nach Abschluss des Kreditvertrages, jedoch vor dem 22. August 2007, entschieden sich die Angeklagten , auch Kosten, die zum Darlehenszweck in keinem Zusammenhang standen, aus dem Guthaben des Anderkontos zu begleichen. Aufgrund der dem Angeklagten B. eingeräumten Verfügungsmacht nahmen sie einvernehmlich die nachstehenden Verfügungen zu Lasten des Kontos vor, wobei sie „den Tatentschluss jeweils dann [fassten], wenn Forderungen drängend wurden“.
17
1.-3. Bei drei Gelegenheiten am 10. September 2007, 17. September 2007 und 27. September 2007 überwies der Angeklagte B. im Be- nehmen mit dem Angeklagten M. jeweils 55.000 Euro an die F. AG. Dabei handelte es sich um den Kaufpreis für drei von W. auf Bitten des Angeklagten M. von der F. AG erworbene Unternehmensmäntel. Die F. AG übereignete diese, indem sie das in die Kaufsummen eingepreiste Stammkapital der Gesellschaften, jeweils 50.000 Euro, auf das Anderkonto zurück überwies und die Gesellschaftspapiere herausgab. Der Differenzbetrag von jeweils 5.000 Euro pro Kauf blieb dem Anderkonto als Gewinn der F. AG dauerhaft entzogen.
18
4.-11. Der Angeklagte B. war Aufsichtsrat der BH. AG, die ein im Eigentum der Br. GbR des Zeugen Br. stehendes Hotel in G. betrieb. Im Juni 2007 beschloss die BH. AG, das Hotel künftig durch eine zwischengeschaltete Gesellschaft zu führen. Hierzu gründeten die Angeklagten die „A. H. V. C. GmbH“ (im Folgenden: „A. GmbH“), an der sie durch von ihnen beherrschte weitere Unternehmen jeweils zu 50 % beteiligt waren.
19
Nach Bedarf wurde auch das Guthaben auf dem Anderkonto zur Deckung von Kosten im Zusammenhang mit dem Betrieb der A. GmbH eingesetzt. Ohne werthaltige Rückführungen zahlte der Angeklagte B. am 22. August 2007 und am 3. September 2007 Beträge von 5.000 Euro bzw. 25.000 Euro auf eine Maklerforderung gegen die BH. AG. Am 23. August 2007 überwies er unter Angabe des Verwendungszwecks „Kostenerstattung V. C. “ weitere 20.000 Euro an die Mo. AG,ohne dass insoweit eine tatsächliche Erstattungspflicht der J. V. GmbH bestand. Am 1. Oktober 2007, 9. Oktober 2007, 2. Januar 2008 und 15. Januar 2008 tätigte er Pacht- und am 2. Januar 2008 Nebenkostenzahlungen in Höhe von insgesamt 82.075 Euro an die Br. GbR.
20
Rückzahlungen auf das Anderkonto im Umfang von insgesamt 13.256,23 Euro erfolgten nur gelegentlich und überwiegend im Zusammenhang mit weiteren nicht verfahrensgegenständlichen Zahlungen.

II.


21
Ohne Beteiligung des Angeklagten B. belastete der Angeklagte M. eigenhändig oder durch Anweisung an die jeweiligen formellen Geschäftsführer in den nachstehenden Fällen auch ein Geschäftskonto der J. GmbH bei der Deutschen Bank Mü. zu gesellschaftsfremden Zwecken:
22
1.-4. Auf Anweisung des Angeklagten schloss am 19. Mai2007 W. für die Gesellschaft einen Sponsoringvertrag bis zur Höhe von 100.000 Euro mit der von der Tochter des Angeklagten M. geführten Vo. GmbH. Aufgrund dieses Vertrages zahlte der Angeklagte M. am 19. Juni 2007 einen Betrag von 100 Euro, am 20. Juni 2007 einen Betrag von 2.900 Euro, am 27. Dezember 2007 fünfmal 1.000 Euro und am 2. Januar 2008 einen Betrag von 5.000 Euro an die Vo. GmbH.
23
5.-6. Am 28. Dezember 2007 überwies der Angeklagte M. unter Bezugnahme auf nicht existente Darlehensverträge einen Betrag von 20.000 Euro an die A. GmbH und weitere 30.000 Euro an die Mo. AG.
24
7.-8. Am 13. September 2007 und am 25. September 2007 zahlte der Angeklagte M. Beträge von 5.000 Euro bzw. 4.877 Euro an die Firma Ha. O. . Dem zugrunde lagen Rechnungen der Firma Ha. O. an die Firma N. AG, als deren Vertreter der Angeklagte M. der Firma Ha. O. einen Auftrag zur Errichtung von Sonnenkollektoren- und Wasserenthärtungsanlagen am Haus seiner Tochter erteilt hatte.
25
9. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 18. April 2008 wies der Angeklagte M. den Zeugen V. als Geschäftsführer der J. GmbH an, einen Steuerrückerstattungsbetrag zugunsten der J. GmbH in Höhe von 17.690,90 Euro an die Mo. AG abzutreten. Dem kam der Zeuge V. am 18. April 2008 nach, woraufhin das Finanzamt noch vor dem 6. Mai 2008 den Betrag auf ein Konto der Mo. AG überwies.

B.


26
Von weiteren Vorwürfen des Betruges und der Untreue hat die Strafkammer die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen (nachfolgend B.I.1.-3.) bzw. aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen (nachfolgend B.I.4.) freigesprochen.

I.


27
1. Aufgrund unverändert zugelassener Anklage vom 24. März 2010 lag beiden Angeklagten zur Last, bereits beim Abschluss der notariellen Verträge vom 16. Oktober 2006 betrügerisch zum Nachteil der Zeugin J. gehandelt zu haben, um sich den uneingeschränkten Zugriff auf deren Immobilien zu sichern. Der Zeugin sei vorgetäuscht worden, sie werde ein regelmäßiges Geschäftsführergehalt beziehen und behalte als Geschäftsführerin der Gesellschaft die volle Entscheidungsmacht bezüglich künftiger Grundstücksverkäufe; insbesondere könne der Verlust des Hausgrundstücks in R. verhindert oder der Zeugin jedenfalls ein Wohnrecht erhalten werden.
28
2. Als einheitliches Tatgeschehen (§ 52 StGB) mit den oben unter A.I. bezeichneten Untreuevorwürfen warf die Anklage vom 24. März 2010 beiden Angeklagten außerdem vor, die Vertreter der Raiffeisen Bank O. beim Abschluss des (zweiten) Kreditvertrages am 10. August 2007 darüber getäuscht zu haben, dass das valutierte Darlehen von vorneherein nur privaten Zwecken dienen sollte und die J. GmbH nicht in der Lage sein würde, den Darlehensbetrag zurückzuzahlen. Infolge dessen sei die Raiffeisen BankO. , die bei Kenntnis der wahren Verwendungsabsicht das Darlehen nicht gewährt hätte, in Höhe der valutierten Kreditsumme geschädigt worden.
29
3.-7. Schließlich lag aufgrund dieser Anklage (allein) dem Angeklagten M. zur Last, bei fünf (weiteren) Gelegenheiten jeweils ohne rechtliche Verpflichtung und ohne Bezug zum Gesellschaftszweck der J. GmbH von deren Geschäftskonto weitere Beträge an die Mo. AG gezahlt zu haben, nämlich am 31. Mai 2007 einen Betrag i. H. von 21.000 Euro, am 27. Dezember 2007 sechsmal jeweils 1.785 Euro, am 2. Januar 2008 einen Betrag i. H. von 10.000 Euro, am 18. Januar 2008 zweimal jeweils 1.785 Euro und am 22. Januar 2008 einen Betrag i. H. von 1.875 Euro.
30
8. Aufgrund gesonderter, unverändert zugelassener Anklage vom 12. April 2011 lag beiden Angeklagten zudem der Vorwurf des Betruges im Vorfeld der auf die Übertragung des Erbteils der Zeugin J. folgenden Grundbuchberichtigung zur Last.
31
Bezüglich der am 16. Oktober 2006 vereinbarten und vollzogenen Erbteilsübertragung (s.o. A.) hätten die Angeklagten entweder von vorneherein beabsichtigt oder nach Vertragsschluss vereinbart, sich den Kaufpreis für den Erbteil (insgesamt 509.266 Euro) zu ersparen. Gemäß den Regelungen des Vertrages sei jedoch der notarielle Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs bezüglich der Grundstücksanteile in S. und E. an die vorherige Zahlung des vollen Kaufpreises geknüpft gewesen. Um dennoch ohne Bezahlung die Eintragung der J. GmbH in das Grundbuch zu erreichen, hätten die Angeklagten zwischen dem 26. März 2007 und dem 12. April 2007 dem Notarassessor Fr. verschiedene Unterlagen vorgelegt, aus denen hervorging, dass im November 2006 ein Betrag von ca. 525.000 Euro von der J. GmbH auf ein Konto der Zeugin J. bei deren Gläubigerbank transferiert worden sei. Der Angeklagte M. habe diese Zahlung als Kaufpreiszahlung für den Erbteilskauf deklariert. Tatsächlich habe es sich um die Überweisung der von der Raiffeisen Bank O. zur Verfügung gestellten (ersten) Darlehensvaluta an die Zeugin J. gehandelt, die mit dem Erbteilskauf nicht in Verbindung standen. Weil Fr. die Überweisung nicht als Nachweis der Kaufpreiszahlung für den Erbteilskauf anerkannte, sei der Angeklagte M. an den Notar K. herangetreten. Dieser habe im Vertrauen auf die Richtig- keit der vorgelegten Unterlagen unter Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung am 12. April 2007 die Grundbuchberichtigung zugunsten der J. V. GmbH beantragt, die am 18. April 2007 erfolgte.
32
Die aus dem anschließenden Weiterverkauf zweier Grundstücke am 12. bzw. am 27. April 2007 erlösten, jeweils dem Geschäftskonto der J. GmbH bei der Deutschen Bank gutgeschriebenen 49.264,85 Euro sollten die Angeklagten in der Folge für eigene Zwecke verbraucht haben.

II.


33
1. Bezüglich des Vorwurfs des Betruges (s.o. B.I.1.) hat sich die Strafkammer (unter Bezugnahme auf den unter A. dargestellten Sachverhalt) aufgrund einer umfassenden Würdigung insbesondere der Einlassung des Angeklagten M. und der Angaben der Zeugin J. keine Überzeugung davon verschaffen können, dass die Zeugin J. beim Abschluss der notariellen Verträge vom 16. Oktober 2006 über die Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschaft , ihre Befugnisse als Geschäftsführerin, ihren Anspruch auf Gehalt und den erforderlichen freihändigen Verkauf auch ihres Hausgrundstücks getäuscht worden ist.
34
2. Bezüglich des Vorwurfs des Betruges zum Nachteil der Raiffeisen Bank O. im Rahmen des zweiten Kreditvertrages (s.o. B.I.2.) hat sich die Strafkammer (unter Bezugnahme auf den unter A.I. festgestellten Sachverhalt) keine Überzeugung darüber bilden können, dass die Angeklagten bereits beim Abschluss des Kreditvertrages die Verwendung des Geldes zu privaten Zwecken beabsichtigten.
35
3.-7. Hinsichtlich der weitergehenden Untreuevorwürfe gegen den Angeklagten M. (s.o. B.I.3.-7.) hat die Strafkammer (unter Bezugnahme auf die Feststellungen unter A.II.) zwar die anklagegegenständlichen weiteren Zahlungsvorgänge festgestellt. Indes hat sie nicht ausschließen können, dass jedenfalls diese Zahlungen (auch der Höhe nach) in Erfüllung der von W. für die J. GmbH geschlossenen Honorarvereinbarung (s.o. A.) erfolgten, für deren Sittenwidrigkeit keine Anhaltspunkte bestünden.
36
8. Vom Vorwurf des Betruges zur Erlangung der Grundbuchberichtigung (B.I.8.) hat die Strafkammer die Angeklagten aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen freigesprochen.
37
a) Hierzu hat sie – insoweit vom Vorwurf der Anklage abweichend – im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
38
Nachdem die Angeklagten Käufer für die Grundstücke in S. und E. gefunden hatten, erkannten sie, dass sie wegen der bezeichneten Vertragsklausel ohne Kaufpreiszahlung keine Berichtigung des Grundbuchs zugunsten der J. GmbH erreichen würden und damit auch nicht über die Grundstücke würden verfügen können. Sie beschlossen spätestens im März 2007, den Notar über die Bewirkung der Kaufpreiszahlung zu täuschen, um ihn zu dem Antrag an das Grundbuchamt zu bewegen.
39
Weil der hierzu angefragte Notarassessor Fr. trotz diverser ihm vom Angeklagten M. vorgelegter, eine Kaufpreiszahlung vorgebender Unterlagen die Antragstellung wiederholt abgelehnt hatte, führte der Angeklagte M. am 12. April 2007 mit dem Notar K. ein persönliches Gespräch. In der Folge forderte K. mit dem Hinweis, die Kaufpreiszah- lung sei ausreichend nachgewiesen, Fr. zur Antragstellung auf, was dieser noch am selben Tage tat.
40
b) Die Strafkammer hat den Freispruch beider Angeklagter maßgeblich darauf gestützt, dass die erwirkte Grundbuchberichtigung keinen Vermögenswert besitze, weshalb es schon an einer Vermögensverfügung i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB fehle.
41
Nach den Regelungen des notariellen Vertrages vom 16. Oktober 2006 sei der dingliche Erbteil bereits beim Vertragsschluss auf die J. GmbH übergegangen ; die Grundbuchberichtigung habe nur noch der Wiederherstellung der Grundbuchrichtigkeit gedient. Eine „den Angeklagten bewusste Sittenwidrigkeit“ und eine damit verbundene ihnen „bekannte Nichtigkeit“ des Vertrages erscheine „eher fernliegend“. Auch bezüglich eines festgestellten Verstoßes gegen das Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) sei kein Vorsatz der Angeklagten erkennbar.
42
Ergänzend hat die Strafkammer in tatsächlicher Hinsicht die Kausalität der von den Angeklagten verübten Täuschung für die spätere Grundbuchberichtigung mit Blick auf eine etwaige Bösgläubigkeit K. s verneint und hinsichtlich des Angeklagten M. einen „Rücktritt“ bejaht.

C.


Revision des Angeklagten M.
43
Der Angeklagte M. rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
44
Das Rechtsmittel bleibt erfolglos.

I.


45
1. Die erhobene Inbegriffsrüge erweist sich aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. Februar 2014 zutreffend ausgeführten Gründen als unbegründet.
46
2. Auch die weiteren drei Verfahrensbeanstandungen, mit denen der Angeklagte die Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK (s.u. C.I.2.b), RB S. 2 ff.), des Beweisantragsrechts (s.u. C.I.2.c)) und der gerichtlichen Aufklärungspflicht (s.u. C.I.2.d)) rügt, bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
47
a) Den gemeinsamen Hintergrund dieser Rügen bilden die im Zusammenhang mit den Untreuevorwürfen wegen Zahlungen zugunsten der A. GmbH (Fälle A.I.4.-11. und A.II.5.) und der N. AG (Fälle A.II.7.-8.) unternommenen Aufklärungsbemühungen des Gerichts betreffend verschiedene Buchhaltungs-, Darlehens- und Bürgschaftsunterlagen.
48
Hierzu hat die Revision – einmalig im Rahmen der Rüge der Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK – im Kern folgendes Prozessgeschehen vorgetragen:
49
Nach einer Durchsuchung im hiesigen Verfahren wurden 2008 die gesamten Festplattendaten eines bei dem Angeklagten M. beschlagnahmten Notebooks gesichert. Deren zunächst schlagwortbezogene Auswertung erbrachte keine Hinweise zu einem Darlehensvertrag insbesondere zwischen der J. GmbH und der A. GmbH oder zu deren Buchhaltungsunterlagen.
50
Bei einer weiteren Durchsuchung in einem von der Staatsanwaltschaft Augsburg gegen den Angeklagten M. geführten Ermittlungsverfahren wurden im Oktober 2009 (erneut) die Daten der Festplatte des Notebooks gesichert sowie zwei externe Datenträger beschlagnahmt, jedoch nicht ausgewertet.
51
Nach Anklageerhebungen vom 24. März 2010 und 12. April 2011 und der (gemeinsamen) Eröffnung des Hauptverfahrens am 29. Juni 2011 begann die Hauptverhandlung im hiesigen Verfahren am 19. September 2011. Bemühungen , im Verlauf der Hauptverhandlung Erkenntnisse zu etwaigen Darlehensverträgen der J. GmbH und der N. AG bzw. der A. GmbH zu gewinnen, blieben zunächst erfolglos, weil die Datensicherungen aus der ersten Beschlagnahme nicht mehr vorhanden und die bei der zweiten Durchsuchung gesicherten Daten und Speichermedien dem Angeklagten bereits 2009 ohne Auswertung wieder ausgehändigt worden waren.
52
Am 29. Hauptverhandlungstag beantragte der Angeklagte B. förmlich die Auswertung des bei dem Angeklagten M. im Jahr 2009 sichergestellten Computers bzw. – wie sich aus der Begründung des Antrages ergibt – der daraus erstellten Datensicherung: Es sei über die Behauptung des Angeklagten M. Beweis zu erheben, dieser habe im August 2007 einen von ihm – B. – entworfenen und unterschriebenen Darlehensvertrag zwischen der J. GmbH und der A. GmbH gegengezeichnet und diesen (sodann) zeitnah auf dem Computer abgespeichert. Diesen Antrag „ergänzte“ der Angeklagte B. am 30. Hauptverhandlungstag und „erweiterte“ ihn auf die Behauptung des Vorhandenseins einer Bürgschafts- oder Garantieerklärung der Mo. AG für die genannte Darlehensschuld.
53
Die Strafkammer lehnte am 32. Hauptverhandlungstag die beantragten Beweiserhebungen durch Beschluss ab.
54
Nachdem – zu späteren Zeitpunkten – der Angeklagte M. die ihm 2009 ausgehändigten Datenträger übergeben hatte, wurden die dort gespeicherten Buchhaltungsunterlagen der A. GmbH ausgewertet; die Ergebnisse wurden in die Hauptverhandlung eingeführt.
55
b) Die unter Bezugnahme auf das vorstehende Prozessgeschehen wegen der unterbliebenen bzw. verzögerten Datenauswertung erhobene Rüge der Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK ist unzulässig.
56
Das Revisionsvorbringen genügt, worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 25. Februar 2014 zutreffend hingewiesen hat, nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

57
Der Revisionsführer muss die den Mangel enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau angeben, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (vgl. bereits BGH, Urteil vom 14. Oktober 1952 – 2 StR 306/52, BGHSt 3, 213, 214; Beschluss vom 25. August 1989 – 3 StR 158/89, bei Miebach NStZ 1990, 226, 230 Nr. 24 mwN; Sander/Cirener NStZ-RR 2008, 1 ff.).
58
Die Revision beschränkt demgegenüber die ihr im Rahmen einer Rüge der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung obliegende Darstellung des Verfahrensablaufs (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 18. November 2008 – 1StR 568/08, NStZ-RR 2009, 92 mwN) auf die unmittelbar im Zusammenhang mit den genannten Beweiserhebungen stehenden Verfahrensvorgänge, lässt aber Vortrag dazu vermissen, ob das Verfahren während der Zeiträume, die infolge erneuter Zeugenladung und der Einholung zweier Ergänzungsgutachten verstrichen, durch andere Beweiserhebungen gefördert wurde. Der Senat kann daher aufgrund des Revisionsvortrags nicht beurteilen, ob im Verfahren überhaupt eine relevante Verzögerung eingetreten ist.
59
c) Auch die Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts (§ 244 Abs. 3 StPO) versagt; sie ist ebenfalls unzulässig.
60
aa) Dabei kann der Senat offen lassen, ob dem Angeklagten die Rügeberechtigung fehlte, weil er sich dem von dem Mitangeklagten B. gestellten Beweisantrag in der Hauptverhandlung nicht angeschlossen hatte (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 2. August 2011 – 3 StR 217/11, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Rügerecht 4 und vom 4. Mai 2011 – 5 StR 124/11, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 49; a.A. BGH, Urteile vom 24. Juli 1998 – 3 StR 78/98, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Rügerecht 3 und vom 16. Juni 1983 – 2 StR 837/82, NJW 1983, 2396, 2397).
61
bb) Einer abschließenden Entscheidung hierüber bedarf es jedoch nicht, denn die Rüge ist jedenfalls wegen der Unzulänglichkeiten des Revisionsvortrags unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
62
(1) Die Revision lässt bereits nicht klar erkennen, welche Beweisantragsablehnung sie als fehlerhaft beanstandet.
63
Das geschilderte Prozessgeschehen zur vorangestellten Verzögerungsrüge (s.o. C.I.2.a)), welches die Revision – schon für sich bedenklich – auch zur hier behandelten Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts und der nachfolgend erhobenen Aufklärungsrüge (s.u. C.I.2.d)) vollständig in Bezug nimmt (RB S. 82), enthält Ausführungen zu zwei Antragsschriftsätzen mit verschiedenen Beweisbehauptungen, die einerseits einen von beiden Angeklagten unterschriebenen Darlehensvertrag, andererseits eine Bürgschafts- oder Garantieer- klärung betreffen. Innerhalb weiterer „Prozesstatsachen“, die die Revision (nur) der hier behandelten Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts und der nachfolgend erhobenen Aufklärungsrüge (s.u. C.I.2.d)) gemeinsam voranstellt, beanstandet sie sodann abweichend vom Wortlaut der in Bezug genommenen Antragsschriftsätze die unterbliebene Beweiserhebung zu einem „Entwurf des Darlehensvertrages zwischen der J. V. GmbH und der N. AG“ und einer „eingescannte[n] Fassung des von dem Angeklagten B. unterzeichneten Darlehensvertrags zwischen der J. V. GmbH und der A. GmbH“. In ihren späteren rechtlichen Aus- führungen (nur) zur Verletzung des Beweisantragsrechts nimmt die Revision Bezug auf „das von den Angeklagten behauptete Dokument“ und auf „eine ganze Reihe an Dokumenten“, die bislang nicht Aktenbestandteil seien, „sich aber auf der Sicherungskopie finden lassen“.
64
Im Ergebnis legt die Revision nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit und Klarheit offen, welche Dokumente sich auf den Datenträgern befinden sollen.
65
(2) Durch ihre zur Begründung der behaupteten Verletzung des Beweisantragsrechts gewählte Formulierung, das Vorhandensein der (nicht eindeutig bezeichneten) „Dokumente“ auf der Festplatte könne „nicht ausgeschlossen werden“, wird ein Verfahrensverstoß zudem nicht hinreichend bestimmt be- hauptet. Denn die Revision muss Verfahrensverstöße als Tatsachen, nicht als bloße Möglichkeiten behaupten (BGH, Urteil vom 5. März 1953 – 5 StR 676/52, NJW 1953, 836).
66
(3) Schließlich mangelt es dem umfangreichen Revisionsvorbringen auch an einer die Prüfung überhaupt ermöglichenden Strukturierung.
67
Der Revisionsvortrag muss aus sich heraus so verständlich sein, dass das Revisionsgericht ohne weiteres daran anknüpfen kann (Gericke in KKStPO , 7. Aufl., § 344 Rn. 39 mwN). In diesem Zusammenhang kann es im Einzelfall zwar ausreichen, wenn die Revision auf bereits im Rahmen einer anderen Rüge vorgebrachtes Verfahrensgeschehen verweist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2010 – 3 StR 486/09, StV 2010, 676). Das hier „vollständig“ in Bezug genommene (RB S. 82) Verfahrensgeschehen zur Verzögerungsrüge (s.o. C.I.2.a)) enthält jedoch eine Vielzahl von Verfahrensvorgängen, die – wahlweise – nur für die Verzögerungsrüge oder (jeweils auch oder aus- schließlich) für die (hier behandelte) Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts und die nachfolgend erhobene Aufklärungsrüge (s.u. C.I.2.d)) Bedeutung erlangen. Es ist – worauf bereits der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 25. Februar 2014 hingewiesen hat – nicht Aufgabe des Revisionsgerichts , den Revisionsvortrag aus verschiedenen Unterlagen jeweils an passender Stelle zu ergänzen und dabei den Sachzusammenhang selbst herzustellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. April 2005 – 5 StR 532/04, NStZ 2005, 463; vom 25. September 1986 – 4 StR 496/86, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Formerfordernis 1).
68
(4) Lediglich ergänzend kommt hinzu, dass das im Antragsschriftsatz vom 30. Hauptverhandlungstag in Bezug genommene „Schreiben von B. vom 21.08.2007“ nicht mit vorgelegt worden ist.
69
d) Auch die Rüge der Verletzung der Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO), mit der der Angeklagte die unterbliebene Auswertung der 2009 sichergestellten Datenträger beanstandet, ist aus den unter C.I.2.c)bb)(3) genannten Gründen unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
70
Sie wäre im Übrigen auch unbegründet, denn nachdem die Strafkammer aus dem Vorhandensein von Vertragsentwürfen ausdrücklich nicht auf den Abschluss wirksamer Verträge hat schließen wollen, drängten sich ihr – auch unter Berücksichtigung des von der Revision behaupteten Beweiswerts des Faxund Speicherdatums – Beweiserhebungen zum Vorhandensein weiterer, allenfalls einseitig unterzeichneter Entwürfe oder Erklärungen neben den bereits eingeführten Unterlagen (UA S. 104) nicht auf.

71
In Bezug auf die Buchhaltungsunterlagen der A. H. V. C. GmbH wäre die Rüge überdies ohne Erfolg, weil die betreffende Beweiserhebung nach Übergabe der dem Angeklagten M. 2009 überlassenen Datenträger im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung noch durchgeführt wurde.

II.


72
Auch die näher ausgeführte Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
73
1. Komplex „Anderkonto“
74
a) Ohne Erfolg bleiben die Revisionsangriffe gegen die Beweiswürdigung zu den Untreuevorwürfen betreffend die Verfügungen über das Anderkonto.
75
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, der sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden hat (§ 261 StPO). Die tatsächlichen Schlussfolgerungen des Tatgerichts müssen nicht zwingend sein; es genügt, dass sie möglich sind und das Tatgericht von ihrer Richtigkeit überzeugt ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 1957 – 2 StR 508/56, BGHSt 10, 208, 209 ff.; Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20 f.). Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht übereinstimmt oder sich soweit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (BGH, Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, NStZ 2013, 420 mwN).
76
aa) Die Strafkammer hat ihre Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten M. gegenüber der J. GmbH zutreffend auf dessen rechtsfehlerfrei festgestellte Rolle als faktischer Geschäftsführer dieser Gesellschaft gestützt (vgl. zur Vermögensbetreuungspflicht des faktischen Geschäftsführers BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2012 – 5 StR 407/12; Urteile vom 27. Juni 2005 – II ZR 113/03; vom 25. Februar 2002 – II ZR 196/00; vom 11. Dezember 1997 – 4 StR 323/97).
77
bb) Die Pflichtwidrigkeit der einzelnen Zahlungen hat sie ohne Rechtsfehler aus dem Widerspruch der jeweiligen Zahlungszwecke zum Verwendungszweck aus dem (zweiten) Darlehensvertrag mit der Raiffeisen Bank O. abgeleitet.
78
cc) Auch die Beweiswürdigung zum Vermögensnachteil hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand.
79
(1) Dies gilt insbesondere für die Erwägungen, aufgrund derer die Strafkammer im Komplex A. GmbH (s.o. Fälle A.I.4.-11.) eine Kompensation des durch die Auszahlungen entstandenen Vermögensnachteils durch wirtschaftlich gleichwertige Gegenansprüche oder wegen ausreichend verfügbarer, zum Ausgleich geeigneter und bestimmter finanzieller Mittel der Angeklagten abgelehnt hat (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 13. Dezember 1994 – 1 StR 622/94, NStZ 1995, 233, 234 mwN; Urteile vom 27. Januar 1988 – 3 StR 61/87, wistra 1988, 191; vom 16. Dezember 1960 – 4 StR 401/60, NJW 1961, 685, 686).

80
Der Einlassung der Angeklagten, wonach die Auszahlungen auf der Grundlage wirksamer Darlehensverträge – also unter wirksamer und willentlicher Begründung von Rückzahlungspflichten – erfolgt seien, hat die Strafkammer unter umfassender Würdigung einer Vielzahl von Umständen (Fehlen eines schriftlichen Vertrages, fehlende Vertretungsmacht des Angeklagten M. , fehlende Kenntnis vom behaupteten Darlehen bei der Zeugin C. und den mit der Buchhaltung der A. GmbH betrauten Personen, darlehensuntypische Vertragsbedingungen im Entwurf, fehlende Verbuchung eines Darlehens bei der A. GmbH, fehlende Valutierung der Gesamtsumme, Vornahme der ersten Auszahlung bereits vor dem angeblichen Vertragsschluss) keinen Glauben geschenkt. Der im ergänzenden Schriftsatz vom 13. März 2014 gegen diese Würdigung gerichtete Revisionsangriff basiert auf urteilsfremdem Vorbringen zu abweichenden Buchungszeitpunkten und zu Buchungsfehlern; er bleibt – ebenso wie die auf ihm aufbauende abweichende Beweiswürdigung – im Revisionsverfahren unbeachtlich.
81
(2) Nachdem die Strafkammer weder von der Schaffung wirksamer Rückforderungsansprüche noch von einem ernstlichen Rückzahlungswillen der Angeklagten bezüglich zugunsten der A. GmbH ausbezahlter Beträge ausgegangen ist, waren entgegen der Auffassung der Revision Erörterungen zum Vorhandensein etwaige Rückforderungen deckender Geldmittel bei der A. GmbH nicht mehr veranlasst.
82
b) Auch mit ihren Angriffen gegen die rechtliche Bewertung der Strafkammer deckt die Revision insoweit keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler auf.

83
Entgegen ihrer Auffassung lassen die Urteilsgründe nicht besorgen, dass die Strafkammer die rechtliche Wirksamkeit der Darlehensvereinbarung an deren Schriftform geknüpft hat. Denn ersichtlich hat sie – neben zahlreichen weiteren Umständen (s.o. C.II.1.a)cc)) – das Fehlen eines schriftlichen Vertrages lediglich als (ein) Indiz dafür herangezogen, dass ein wirksamer Vertrag nicht bestand.
84
Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer auch ein tatbestandsausschließendes Einverständnis der J. GmbH in die schädigenden Zahlungen abgelehnt, weil hierzu allein die Zustimmung der vom Angeklagten M. beherrschten Mehrheitsgesellschafterin Mo. AG nicht ausgereicht hätte (BGH, Urteil vom 27. August 2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266 ff.).
85
2. Komplex „Geschäftskonto“
86
Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer auch die Entnahmen des Angeklagten M. vom Geschäftskonto der J. GmbH als Untreuehandlungen bewertet.
87
Ausgehend von dem zutreffenden rechtlichen Maßstab, wonach die Verwendung gesellschaftlicher Geldmittel oder Informationen für gesellschaftsfremde , ausschließlich dem Eigeninteresse dienende Zwecke für den Geschäftsführer eine Treuepflichtverletzung darstellt (vgl. zum formellen Geschäftsführer BGH, Urteil vom 23. September 1985 – II ZR 246/84, NJW 1986, 585; OLG Naumburg NZG 1999, 353 mwN), weil allein das Unternehmensziel, der Gegenstand des Unternehmens und das Unternehmensinteresse ihm gegenüber die maßgeblichen Kriterien für sorgfaltsgemäßes Handeln bilden (vgl. zum formellen Geschäftsführer OLG Naumburg, aaO, mwN; Schneider/Crezelius in Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 64), hat sich die Strafkammer rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass die festgestellten Auszahlungen und Überweisungen vom Geschäftskonto lediglich privaten Zwecken des Angeklagten dienten.
88
Dies gilt insbesondere für die unter A.II.6. und 9. dargelegten Geldflüsse zugunsten der Mo. AG, hinsichtlich derer die Strafkammer – im Unterschied zu anderen Zahlungen, bezüglich derer eine Verurteilung des Angeklagten nicht erfolgt ist (s.o. B.II.1.) – einen konkreten Bezug zu bestehenden Honorarabreden zugunsten der Mo. AG ausgeschlossen hat.
89
Bezüglich der Zahlungen an die Vo. GmbH & Co. KG (Fälle A.II.1.-4.) hat die Strafkammer unter zutreffender Maßstabsetzung geprüft, ob die Zuwendungen zur Förderung von Kunst als „gravierende“ Pflichtverletzungen einzustufen waren (zum Maßstab vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2001 – 1 StR 215/01, NJW 2002, 1585); sie hat dies aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, namentlich der Motive des Angeklagten , des fehlenden Nutzens des Sponsorings für die J. GmbH, der fehlenden Nähe zu deren Unternehmensgegenstand, der fehlenden Angemessenheit im Hinblick auf die schwache Vermögenslage der J. GmbH und der Verwandtschaft zur Nutznießerin als leitendes Motiv der Zahlungen ohne Rechtsfehler bejaht.

III.


90
Auch die Strafzumessung weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
91
Die strafschärfende Berücksichtigung des kollusiven Zusammenwirkens mit dem Mitangeklagten B. begründet keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB). Denn zur Verwirklichung des Untreuetatbestandes genügte es, dass der Angeklagte aufgrund seiner eigenen Sonderstellung als Pflichtenträger und seiner eigenen Pflichtenverletzung den tatbestandsmäßigen Erfolg zumindest mit herbeigeführt hat.

IV.


92
Eine zusätzliche Kompensation für Verfahrensverzögerungen im Revisionsverfahren ist nicht veranlasst.
93
Dabei kann dahinstehen, ob die von der Revision hierzu „vorsorglich“ erhobene Verfahrensrüge mit Blick auf § 345 Abs. 1 StPO verfristet wäre; dem hiergegen gerichteten Einwand der Revision, die Frist sei mangels einer nach der Protokollberichtigung im Hinblick auf § 273 Abs. 4 StPO erforderlichen nochmaligen Urteilszustellung noch nicht in Gang gesetzt, vermag der Senat schon im Hinblick auf die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 23. April 2007 (GSSt 1/06 Rn. 64) nicht zu folgen. Nachdem ausweislich des Revisionsvorbringens die reklamierte Verfahrensverzögerung jedoch erst nach dem Eingang der Revisionsbegründungsschrift eingetreten sein kann, hatte der Senat eine etwaige rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung ohnehin von Amts wegen zu überprüfen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 27. Februar 2014 – 4 StR 575/13 mwN; vom 2. Juli 2013 – 2 StR 179/13 mwN; vom 11. März 2008 – 3 StR 36/08).
94
Indes ist das Beschleunigungsgebot nicht verletzt. Die Revision rügt im Kern eine Untätigkeit der Strafkammer zwischen dem Eingang der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zum Berichtigungsvorhaben am 17. September 2013 und der Berichtigungsentscheidung des Landgerichts vom 23. Oktober 2013. Dieser Zeitraum ist schon deshalb übersetzt, weil – wie die Revision selbst vorträgt – der Verteidigung des Mitangeklagten B. auf deren Ersuchen hin Stellungnahmefrist bis zum 10. Oktober 2013 gewährt worden war; eine Berichtigungsentscheidung konnte jedoch gegenüber beiden Angeklagten nur einheitlich getroffen werden. Der danach verbleibende Zeitraum von dreizehn Tagen begründet keine erhebliche Verzögerung des Verfahrens.

D.


Revision des Angeklagten B.
95
Der Angeklagte B. rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Auch sein Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


96
1. Die von dem Angeklagten erhobene Inbegriffs- und die daneben erhobene Aufklärungsrüge bleiben jeweils aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 25. Februar 2014 zutreffend ausgeführten Gründen erfolglos.
97
Auch die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte die Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit (§ 338 Nr. 6 StPO i.V.m. § 177 GVG) beanstandet (RB S. 2 ff.), bleibt mit Blick auf die vom Generalbundesanwalt gegebene Begründung erfolglos. Zudem weist die getroffene sitzungspolizeiliche Maßnahme keinen Rechtsfehler auf.
98
2. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Verletzung des § 261 StPO i.V.m. § 249 Abs. 2 StPO, mit der der Angeklagte beanstandet, verschiedene in einer Selbstleseliste aufgeführte Urkunden seien nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden, weil das Gericht und die Schöffen deren Inhalt nicht zur Kenntnis genommen hätten.
99
Die Rüge ist unbegründet, denn der behauptete Verfahrensverstoßliegt nicht vor. Vielmehr ergibt sich aus dem (berichtigten) Hauptverhandlungsproto- koll, „dass die Richter und Schöffen die in der Selbstleseliste, die dem Haupt- verhandlungsprotokoll vom 18.05.2012 beigefügt ist, genannten Urkunden (mit Ausnahme der Ziffer 2) gelesen haben“.
100
Für die Überprüfung des behaupteten Verfahrensverstoßes ist allein das berichtigte Protokoll maßgeblich.
101
Die Strafkammer hat das Protokollberichtigungsverfahren, dessen Ablauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 25. Februar 2014 detailliert dargestellt hat, ordnungsgemäß nach Maßgabe der im Beschluss des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 23. April 2007 (GSSt 1/06, BGHSt 51, 298 ff.) entwickelten Anforderungen durchgeführt.
102
Die Unrichtigkeit des früheren Protokolls ist erwiesen. Denn beide Urkundspersonen haben die sichere Erinnerung daran, dass zu Beginn der Hauptverhandlung am 15. Juni 2012 auch die Feststellung gemäß § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO getroffen wurde. Dies ergibt sich – auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens – aus den hierzu vom Vorsitzenden der Strafkammer und der Protokollführerin abgegebenen Erklärungen sowie der ergänzenden Erklärungen der Berichterstatterin und der Beisitzerin. Demgegenüber hat der Angeklagte weder im Rahmen des Berichtigungsverfahrens noch des Revisionsverfahrens substantiiert dargelegt, aus welchen Gründen er oder sein Instanzverteidiger sich im Gegensatz zu den Urkundspersonen der Richtigkeit des zunächst gefertigten Protokolls sicher sind (vgl. hierzu bereits BGH – GSSt – aaO Rn. 63 sowie BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 – 3 StR 485/10, StV 2012, 523 f.). Soweit die Revision sich allgemein auf wissenschaftliche Erkenntnisse über den Verlust von Erinnerungen zu länger zurückliegenden , routinemäßigen Verfahrensabläufen beruft, sind diese Ausführungen nicht geeignet, die die konkreten Besonderheiten gerade dieses Verfahrensablaufs darlegenden Erklärungen der genannten Richter und der Protokollführerin zu entkräften.

II.


103
Die näher ausgeführte Sachrüge deckt keine den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler auf.
104
1. Die zahlreichen Revisionsangriffe gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung zur Verfügungsbefugnis (s.u. D.II.1.a)), zur Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Raiffeisen Bank O. (s.u. D.II.1.b)) und zum Vermögensnachteil (s.u. D.II.1.c)) bleiben ohne Erfolg.
105
a) Es stellt keinen revisiblen Rechtsfehler dar, dass die Strafkammer sich bei der Prüfung der Verfügungsbefugnis des Angeklagten B. nicht explizit mit den von der Revision aufgezeigten abweichenden Interpretationsmöglichkeiten des Darlehensvertrages auseinandergesetzt hat, die der Annahme einer willentlichen Überlassung des Darlehensbetrages durch die Bank an den Angeklagten im Ergebnis entgegen stünden.
106
Die Auslegung von Verträgen ist ein wertender Akt, weil sie unterschiedliche Aspekte in einer richterlichen Feststellung zusammenführt. Deshalb gelten die für die revisionsgerichtliche Kontrolle der tatrichterlichen Beweiswürdigung aufgestellten Regeln (s.o. C.II.1.a)) ebenso für die Würdigung von Erklärungen, Verträgen oder Urkunden durch den Tatrichter. Die revisionsrichterliche Kontrolle beschränkt sich auf die Prüfung, ob ein Verstoß gegen Sprach- und Denkgesetze, Erfahrungssätze oder allgemeine Auslegungsregeln vorliegt (BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 – 5 StR 73/03, NJW 2004, 2248, 2450 mwN; Beschluss vom 12. Februar 2003 – 5 StR 165/02, NJW 2003, 1821 mwN).
107
Solche Verstöße zeigt die Revision jedoch nicht auf.
108
Nach dem festgestellten Vertragsinhalt, der zunächst eine Verfügung der Darlehenssumme auf das Geschäftskonto der J. GmbH und sodann von dort eine „Überweisung der Geldmittel“ auf das Anderkonto vorsah (s.o. A.I.), er- weist sich die von der Strafkammer vorgenommene Auslegung der vertraglichen Bestimmungen, wonach die zweistufige Überweisung des Geldes zunächst an die J. GmbH und von dieser sodann auf das Anderkonto des Angeklagten auch dem Willen der Bank entsprach, nicht nur als nachvollziehbar, sondern sogar als naheliegend. Die Revision erschöpft sich diesbezüglich in einer abweichenden, revisionsrechtlich unbeachtlichen Auslegung des Vertrages.
109
Folgerichtig begründet das Schweigen der Urteilsgründe zu den von der Revision aufgrund ihrer abweichenden Auslegung vermuteten alternativen Motiven der Vertreter der J. GmbH für die Überweisung auf das Anderkonto auch keinen revisionsrechtlich beachtlichen Erörterungsmangel.
110
b) Die von der Revision behaupteten Widersprüche bei der Begründung der Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten bestehen, wie bereits der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 25. Februar 2014 aufgezeigt hat, nicht. Zudem lag aufgrund der Urteilsfeststellungen zur treuhänderischen Abrede zwischen dem Angeklagten B. und der J. V. GmbH die Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten auch der Gesellschaft gegenüber nahe; dass die Strafkammer eine solche abgelehnt hat, beschwert ihn indes nicht.
111
c) Die – dem diesbezüglichen Vorbringen im Rechtsmittel des Angeklagten M. (s.o. C.II.1.a)cc)(1) und (2)) entsprechende – Beanstandung des Schweigens der Urteilsgründe zur Bonität der A. GmbH zeigt aus den bereits dort genannten Gründen keinen Erörterungsmangel auf.
112
2. Auch die rechtlichen Wertungen der Strafkammer halten sachlichrechtlicher Überprüfung stand.
113
Entgegen der Auffassung der Revision bestimmte sich die Verfügungsbefugnis des Angeklagten B. über die Darlehenssumme allein aus den zwischen ihm (Treuhänder) und der Raiffeisen Bank O. (Treugeberin ) vertraglich begründeten Pflichten (UA S. 48), nicht durch den Umfang des bestehenden Kontoführungsvertrages zwischen ihm und der das Anderkonto führenden Kreissparkasse Mi. .

III.


114
Die Strafzumessung weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere lassen die Urteilsausführungen auch keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot besorgen (s.o. C.III.).

E.


Revisionen der Staatsanwaltschaft
115
Auch den Rechtsmitteln der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nur teilweise vertreten werden, bleibt der Erfolg versagt.

I.


116
1. Die Freisprüche beider Angeklagter von den Vorwürfen des Betruges zum Nachteil der Zeugin J. bei Abschluss der Verträge vom 16. Oktober 2006 (B.I.1. und B.II.1.) und zum Nachteil der Raiffeisen Bank O. beim Abschluss des (zweiten) Darlehensvertrages im Jahr 2007 (B.I.2. und B.II.2.) sowie der Freispruch des Angeklagten M. von weiteren Vorwürfen der Untreue zum Nachteil der J. GmbH (B.I.3.-7. und B.II.3.-7.) weisen – auch unter Berücksichtigung des hiergegen gerichteten Revisionsvorbringens – aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 25. Februar 2014 genannten Gründen keine Rechtsfehler auf.
117
2. Auch der Freispruch vom Vorwurf eines Betruges zur Erlangung der Grundbuchberichtigung (B.I.8. und B.II.8.) hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Er wird durch die rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen zum mangelnden Vermögenswert der Grundbuchberichtigung getragen; eines Eingehens auf die ergänzenden tatsächlichen Erwägungen der Strafkammer zur Kausalität der Täuschungshandlung und zu einem etwaigen „Rücktritt“ des An- geklagten M. bedarf es daher nicht mehr.
118
a) Die Wertung der Strafkammer, bei wirksamer Übertragung des Erbteils verkörpere die Grundbuchberichtigung mangels Vermögenswerts keine betrugsrelevante Vermögensverfügung mehr, ist rechtsfehlerfrei.
119
Eine materielle Beeinträchtigung der Rechtsstellung der Zeugin J. als Erbteilsinhaberin kam nicht in Betracht, nachdem sich – wie die Strafkammer zutreffend ausgeführt hat – die gesamte dingliche Rechtsänderung zugunsten der J. GmbH bereits durch die in Ziffer II. a.E. des notariellen Vertrages vom 16. Oktober 2006 erklärte Abtretung (vgl. dazu Mayer in Beck-OK-BGB, § 2371 Rn. 11 mwN; s.a. Stürner in Jauernig, BGB, 15. Aufl., § 2033 Rn. 1 mwN; Otto in jurisPK-BGB, 6. Aufl., § 2033 Rn. 33) vollständig vollzogen hatte.
120
Auch in Bezug auf den schuldrechtlichen Kaufpreisanspruch bewirkte die Grundbuchberichtigung keine schädigende Vermögensverfügung i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB. Denn der Kaufpreisanspruch als solcher blieb durch den Vollzug der Grundbuchberichtigung unberührt.
121
Im Ergebnis zu Recht hat die Strafkammer eine vermögenswerte Position auch nicht darin gesehen, dass mit der Grundbuchberichtigung die vertraglich bestimmte Verknüpfung zwischen dem notariellen Berichtigungsantrag und der vorherigen Zahlung des Kaufpreises hinfällig wurde. Soweit dadurch nach dem Willen der Vertragsparteien – im Sinne eines Zurückbehaltungsrechts – die Durchsetzbarkeit des Kaufpreisanspruchs gesichert werden sollte, mangelte es dieser Sicherheit jedenfalls an Werthaltigkeit. Denn die Verknüpfung hinderte die J. GmbH nicht, die Grundbuchberichtigung auf anderem Wege als über den zur beiderseitigen Interessenwahrung verpflichteten Notar zu betrei- ben. Vielmehr hätte sie den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs auch auf andere Weise direkt gegenüber dem Grundbuchamt erbringen können.
122
b) Die Strafkammer hat sich auch mit der von der Revision reklamierten Möglichkeit auseinandergesetzt, gravierende Mängel – namentlich ein Verstoß gegen das Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB, UA S. 165) und die Sittenwidrigkeit der gesamten Vereinbarung (§ 138 BGB, UA S. 166) – hätten zur Nichtigkeit (auch) der (dinglichen) Erbteilsübertragung geführt, mit der Folge , dass die Zeugin J. im Zeitpunkt der Grundbuchberichtigung Erbteilsinhaberin geblieben wäre. In diesem Fall wäre durch die Eintragung der (dann) nichtberechtigten J. GmbH allerdings eine Vermögensminderung auf Seiten der Zeugin J. eingetreten (vgl. hierzu OLG Stuttgart NStZ 1985, 365; LG Tübingen NStZ-RR 2008, 110, sowie bereits RGSt 66, 371, 373; für die vergleichbare Situation beim Erbschein vgl. RGSt 53, 260, 261 mwN).
123
In diesem Zusammenhang hat die Strafkammer jedoch ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Angeklagten bezüglich der eine etwaige Nichtigkeit begründenden Umstände nicht vorsätzlich handelten. Dies hat sie mit tragfähigen Erwägungen begründet (UA S. 165 f.), die durch das Revisionsvorbringen nicht entkräftet werden. Soweit die Revision zu einer anderen Beurteilung gelangt, weil die Angeklagten – im Wege eines Eingehungsbetruges – bereits beim Vertragsschluss den Willen gehabt haben sollen, den Erbteil ohne Gegenleistung zu erlangen, widerspricht dies den Urteilsfeststellungen.

II.


124
1. Soweit die Angeklagten in den Komplexen A.I. und A.II. wegen Untreuehandlungen verurteilt worden sind, deckt das Revisionsvorbringen ebenfalls keine Rechtsfehler zugunsten der Angeklagten auf.
125
a) Die weit überwiegende Annahme tatmehrheitlicher Begehung begegnet keinen Bedenken.
126
Nach den Urteilsfeststellungen kamen die Angeklagten zunächst allgemein überein, die auf dem Anderkonto ruhenden Geldmittel bei Bedarf zweckfremd zu verwenden (UA S. 48). Sie deckten sodann ab dem 22. August 2007 „in enger Absprache“ finanzielle Engpässe der A. H. V. C. GmbH, wobei sie „den Tatentschluss jeweils dann [fassten], wenn Forderungen drängend wurden“ (UA S. 53).
127
Diese Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Die aus divergierenden Zahlungszeitpunkten und konkret-anlassbezogener Verwendung gezogene Schlussfolgerung der Strafkammer, dass lediglich eine allgemeine Übereinkunft zur Tatbegehung bei Gelegenheit vorlag (vgl. zur bloßen Tatgeneigtheit auch BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 1 StR 386/11) und – im Gegenzug – für jede Tat ein neuer Tatentschluss zu bilden war, hält sich innerhalb des dem Tatrichter gewährten Beurteilungsspielraums und ist daher vom Senat nicht zu beanstanden. Mit ihrem entgegengesetzten Vorbringen zeigt die Revision lediglich unbeachtliche abweichende Schlussfolgerungen , jedoch keine Rechtsfehler auf.
128
Damit fehlte aber bereits der festgestellten generellen Unrechtsvereinbarung der Angeklagten, bei Gelegenheit Gelder vom Anderkonto zur Deckung anderweitiger Kosten einzusetzen, die Qualität einer für die Annahme natürlicher Handlungseinheit erforderlichen einheitlichen Willensbildung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 1. September 1994 – 4 StR 259/94, NStZ 1995, 46, 47).
129
Die vorstehenden Erwägungen treffen auch auf die Bewertung der vom Angeklagten M. allein begangenen Untreuetaten zu Lasten des Geschäftskontos zu. Rechtsfehlerfrei ist die Strafkammer daher nur im Komplex A.II. bezüglich der fünf am 27. Dezember 2007 jeweils zugunsten der Vo. GmbH erfolgten Zahlungen in Höhe von 1.000 Euro von natürlicher Handlungseinheit ausgegangen; die übrigen Taten hat sie jeweils als rechtlich selbständig bewertet (vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Mai 2010 – 4 StR 182/10).
130
b) Auch die Erwägungen, aus denen die Strafkammer in allen Fällen die Annahme eines besonders schweren Falles infolge gewerbsmäßiger Begehung der Untreuetaten (§§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB) abgelehnt hat, halten sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.
131
Gewerbsmäßig handelt, wer sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will (BGH, Beschluss vom 13. September 2011 – 3 StR 231/11, NJW 2012, 325, 328; Beschluss vom 7. September 2011 – 1 StR 343/11, NStZ-RR 2011, 373; Fischer, StGB, 61. Aufl. 2014, Vor § 52 Rn. 61 mwN). Die hierzu im Rahmen der Beweiswürdigung aus insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen – namentlich der Verwendung der Gelder und der teilweisen Ausgleichszahlungen zugunsten der in Anspruch genommenen Konten – gezoge- nen Schlüsse der Strafkammer auf das Fehlen einer einheitlichen Gewinnerzielungsabsicht sind jedenfalls möglich und damit vom Revisionsgericht hinzunehmen. Raum Graf Jäger Cirener Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 435/12
vom
27. Juni 2013
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
Der hohe Rang der Selbstbelastungsfreiheit gebietet es, dass auch Spontanäußerungen
- zumal zum Randgeschehen - nicht zum Anlass für sachaufklärende Nachfragen
genommen werden, wenn der Beschuldigte nach Belehrung über seine Rechte
nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO die Konsultation durch einen benannten Verteidiger
begehrt und erklärt, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen.
BGH, Urteil vom 27. Juni 2013 - 3 StR 435/12 - LG Lüneburg
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
28. Mai 2013 in der Sitzung am 27. Juni 2013, an denen teilgenommen haben:
Präsident des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Tolksdorf
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Bundesanwalt - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 26. April 2012, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung zweier vorangegangener Urteile zur Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich die Revision des Beschwerdeführers, mit der er eine Verfahrensbeanstandung erhebt und die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
2
Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensbeanstandung Erfolg.

I.


3
Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
4
Der Angeklagte wurde etwa drei Wochen nach der verfahrensgegenständlichen Tat wegen des dringenden Verdachts des versuchten Totschlags vorläufig festgenommen. Am nächsten Tag wurde er um ca. 13.30 Uhr der Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Uelzen vorgeführt, die ihm den Haftbefehl eröffnete und ihn ordnungsgemäß, unter anderem nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO, belehrte. Der Angeklagte erklärte, dass er seinen Verteidiger Rechtsanwalt K. beigeordnet bekommen wolle. Die Ermittlungsrichterin unterbrach daraufhin die Vernehmung und versuchte um 13.35 Uhr, den Verteidiger telefonisch zu erreichen. Dort meldete sich ein Anrufbeantworter mit der Ansage, dass das Büro während der Mittagspause von 13.00 bis 15.00 Uhr nicht besetzt sei. Sie kehrte in das Vernehmungszimmer zurück und teilte dem Angeklagten mit, dass sie seinen Verteidiger nicht habe erreichen können. Der Angeklagte erklärte nunmehr, er wolle sich zur Sache nicht äußern, und fügte spontan hinzu , er kenne - den im Haftbefehl genannten, ausschließlich in das Tatvorgeschehen verwickelten - S. , habe mit diesem aber nichts zu tun. Die Ermittlungsrichterin fragte daraufhin, ob er gesehen habe, wie S. auf den Fußweg uriniert habe, was zu einer der Tat vorgelagerten Auseinandersetzung zwischen S. und dem Tatopfer geführt hatte, aus der heraus sich im weiteren das eigentliche Tatgeschehen entwickelte. Der Angeklagte verneinte. Sodann fragte die Ermittlungsrichterin weiter, wie das Tatopfer verletzt worden sei. Der Angeklagte ließ sich im Folgenden umfassend zur Sache ein und räumte auf weitere Nachfragen ein, das Opfer zwei Mal gegen den Kopf getreten zu haben. Im Haftprüfungstermin vom 18. August 2011 revidierte der Angeklagte - nunmehr anwaltlich beraten - sein Geständnis und gab an, er könne sich nicht erinnern, ob er das Opfer getreten habe.
5
In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Zum Inhalt seiner Angaben im Ermittlungsverfahren hat das Landgericht die Ermittlungsrichterin und den Protokollführer vernommen; der Verteidiger hat unter Hinweis darauf, dass die Angaben des Angeklagten im Termin zur Haftbefehlsverkündung wegen Belehrungsmängeln unverwertbar seien, sowohl der Vernehmung der Ermittlungsrichterin als auch der Verwertung ihrer Aussage widersprochen. Die Strafkammer hat den Verwertungswiderspruch zurückgewiesen und die Einlassung des Angeklagten anlässlich der Haftbefehlsverkündung im Urteil gegen ihn verwertet.

II.


6
1. Die von der Revision zulässig erhobene Verfahrensrüge zeigt auf, dass bei der Vernehmung des Angeklagten durch die Ermittlungsrichterin in unzulässiger Weise in dessen Rechte, sich nicht zur Sache äußern zu müssen und vor der Vernehmung einen Verteidiger zu befragen (§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO), eingegriffen worden ist. Im Einzelnen:
7
a) Nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO ist der Beschuldigte zu Beginn seiner Vernehmung über sein Schweigerecht zu belehren und darauf hinzuweisen, dass er jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger befragen kann. Beide Rechte des Beschuldigten hängen eng zusammen und sichern seine verfahrensmäßige Stellung - als Beteiligter und nicht als Objekt des Verfahrens - in ihren Grundlagen. Die Verteidigerkon- sultation hat dabei insbesondere auch den Zweck, dass sich der Beschuldigte beraten lassen kann, ob er von seinem Schweigerecht Gebrauch machen will oder nicht (BGH, Urteile vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 126/92, BGHSt 38, 372, 373 und vom 22. November 2001 - 1 StR 220/01, BGHSt 47, 172, 174).
8
Die Belehrungspflichten des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO schützen mithin die Selbstbelastungsfreiheit, die im Strafverfahren von überragender Bedeutung ist: Der Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten (nemo tenetur se ipsum accusare), zählt zu den Grundprinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Er ist verfassungsrechtlich abgesichert durch die gemäß Art. 1, 2 Abs. 1 GG garantierten Grundrechte auf Achtung der Menschenwürde sowie auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1981 - 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37, 43 ff.) und gehört zum Kernbereich des von Art. 6 MRK garantierten Rechts auf ein faires Strafverfahren (EGMR, Urteil vom 5. November 2002 - 48539/99 - Fall Allan v. Großbritannien , StV 2003, 257, 259; BGH, Beschluss vom 31. März 2011 - 3 StR 400/10, NStZ 2011, 596, 597). Aus diesem Grund wiegt ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht schwer (BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 - 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 221; Urteil vom 22. November 2001 - 1 StR 220/01, BGHSt 47, 172, 174).
9
b) Einen Verfahrensverstoß stellt es aber auch dar, wenn der Beschuldigte vor seiner ersten Vernehmung zwar nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt worden ist, ihm die Rechte, die Gegenstand der Belehrung sind, aber verwehrt werden: Entscheidet sich der Beschuldigte, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen, ist dies von den Ermittlungsbehörden grundsätzlich zu respektieren (BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 - 3 StR 104/07, BGHSt 52, 11, 19); stetige Nachfragen ohne zureichenden Grund können das Schweigerecht ent- werten (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1009).
10
Gleiches gilt, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger zu konsultieren wünscht (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 126/92, BGHSt 38, 372). Insoweit ist anerkannt, dass die Vernehmung sogleich zu unterbrechen ist, um eine Kontaktaufnahme zu einem Verteidiger zu ermöglichen (BGH, Urteile vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 126/92, BGHSt 38, 372, 373 und vom 12. Januar 1996 - 5 StR 756/94, BGHSt 42, 15, 18 f.; Geppert in Festschrift Otto, 2007, S. 913, 917 mwN; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 136 Rn. 10 mwN); der Beschuldigte darf nicht bedrängt werden, weitere Angaben zu machen (BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2003 - 1 StR 380/03, NStZ 2004, 450, 451 und vom 10. Januar 2006 - 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1009 f.).
11
c) Allerdings kann die Vernehmung auch ohne vorherige Konsultation fortgesetzt werden, wenn der Beschuldigte dem in freier Entscheidung zustimmt (BGH, Urteil vom 21. Mai 1996 - 1 StR 154/96, BGHSt 42, 170; LR/Gleß, StPO, 26. Aufl., § 136 Rn. 101; Geppert, aaO, S. 918), wobei eine solche Zustimmung auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden kann (vgl. Klein, Inhalt und Reichweite der Belehrungsvorschrift des § 136 StPO, 2005, S. 145 f.; LR/Gleß aaO; aA BGH, Urteil vom 12. Januar 1996 - 5 StR 756/94, BGHSt 42, 15). Dieses kann grundsätzlich etwa darin zu sehen sein, dass sich der Beschuldigte von sich aus spontan zur Sache äußert, obwohl eine Verteidigerkonsultation noch nicht möglich war.
12
Bei der Prüfung, ob in Spontanäußerungen des Beschuldigten zugleich die eigenverantwortliche und von einem freien Willensentschluss getragene Zustimmung zu einer solchen Fortsetzung der Vernehmung zu sehen ist, muss aber der enge Zusammenhang zwischen dem Schweigerecht und dem Recht auf Verteidigerkonsultation in den Blick genommen werden. Dient die Ermöglichung der Beratung durch einen Verteidiger gerade dazu, eine sachgerechte Entscheidung des Beschuldigten über den Umgang mit seinem Schweigerecht zu ermöglichen, sind an das Vorliegen einer - noch dazu konkludent erklärten - Zustimmung zur Fortsetzung der Vernehmung hohe Anforderungen zu stellen. Insoweit ist die bloße Entgegennahme spontaner Äußerungen regelmäßig unbedenklich ; diese und die spätere Verwertung solcher Angaben sind auch bei einem nicht über seine Rechte belehrten Beschuldigten zulässig, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Belehrungspflicht des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO - und damit letztlich die dadurch geschützten Beschuldigtenrechte - gezielt umgangen werden sollten, um den Betroffenen zu einer Selbstbelastung zu verleiten (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 4 StR 170/09, NJW 2009, 3589 mwN). Der hohe Rang der Selbstbelastungsfreiheit gebietet es indes , dass auch Spontanäußerungen - zumal zum Randgeschehen - nicht zum Anlass für sachaufklärende Nachfragen genommen werden, wenn der Beschuldigte nach Belehrung über seine Rechte nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO die Konsultation durch einen benannten Verteidiger begehrt und erklärt, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen.
13
d) Nach diesen Maßgaben erweist sich das Vorgehen der Ermittlungsrichterin als verfahrensfehlerhaft.
14
aa) Zwar unterbrach sie zunächst prozessordnungsgemäß die Vernehmung , um den vom Angeklagten gewünschten Verteidiger zu erreichen und so eine Konsultation durch diesen zu ermöglichen. Angesichts des kurzen Zeitraums , in dem der Verteidiger wegen der Mittagspause seiner Kanzlei unerreichbar war, bestand indes auch unter Berücksichtigung eines Interesses der Ermittlungsbehörden, möglichst frühzeitig Angaben des Beschuldigten zu erhal- ten (vgl. dazu Geppert, aaO, S. 914) - dem hier angesichts der etwa drei Wochen zurückliegenden Tat und des Umstandes, dass bereits ein Haftbefehl ergangen war, allerdings ohnehin keine hohe Bedeutung zukommt - kein nachvollziehbarer Grund, mit der Vernehmung nicht bis nach der Mittagspause zuzuwarten. Es waren in der Zwischenzeit auch weder weitere Erkenntnisse erlangt worden noch war eine neue prozessuale Situation eingetreten, aufgrund derer zu erwarten gewesen wäre, dass sich die Auffassung des Beschuldigten geändert haben könnte (vgl. zu diesen Kriterien bei der Fortsetzung der Vernehmung eines Beschuldigten, der sich auf sein Schweigerecht berufen hat BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1009). Es hätte damit bereits jetzt Veranlassung bestanden, die unterbrochene Vernehmung nicht fortzusetzen.
15
Die Fortführung der Vernehmung ohne vorherige Verteidigerkonsultation war auch nicht deshalb zulässig, weil der Angeklagte dem zugestimmt hätte: Eine ausdrückliche Zustimmung hat er nicht erteilt. Von einer konkludent erklärten kann hier ebenfalls nicht ausgegangen werden, weil er sich nach der Mitteilung über die Versuche, den gewählten Verteidiger zu erreichen, ausdrücklich auf sein Schweigerecht berufen hat. In diesem Moment hätte die Ermittlungsrichterin die Vernehmung nicht fortsetzen dürfen.
16
bb) Dem steht nicht entgegen, dass der Angeklagte im Anschluss an seine Erklärung, er wolle nichts zur Sache sagen, spontan erklärte, er kenne S. , habe mit ihm aber nichts zu tun.
17
Diese Äußerung betraf lediglich seine Beziehung zu einer am Vorgeschehen der Tat beteiligten Person; er machte keine Angaben zu deren Verhalten und keine zum eigentlichen Tatgeschehen. Die zu seiner Überführung verwertete Einlassung gab er erst ab, nachdem die Ermittlungsrichterin ihm - von seiner Äußerung ausgehend - gezielte Nachfragen zum Verhalten von S. und zum Tatgeschehen gestellt hatte. Damit ging die Ermittlungsrichterin über die bloße Entgegennahme seiner Äußerung hinaus; dies stellt nach den dargelegten Maßstäben einen unzulässigen Eingriff in die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten dar.
18
Seine Äußerung kann hier auch nicht dahin verstanden werden, dass er in freier Entscheidung seinen unmittelbar zuvor zum Ausdruck gebrachten Entschluss , sich nicht zur Sache einzulassen, revidiert hätte. Seine Angaben waren inhaltlich vom Tatvorwurf so weit entfernt, dass ihnen nicht die konkludente Erklärung entnommen werden konnte, er wolle entgegen seiner zuvor ausdrücklich geäußerten Absicht doch umfassend aussagen.
19
Jedenfalls hätte es der Ermittlungsrichterin in dieser Situation - wollte sie nicht den Eindruck erwecken, die Berufung des Angeklagten auf sein Schweigerecht zu übergehen - aufgrund ihrer verfahrensrechtlichen Fürsorgepflicht oblegen, durch ausdrückliche Befragung zu klären, ob der Angeklagte nunmehr gleichwohl bereit war, Angaben zur Sache zu machen, gegebenenfalls auch ohne vorherige Verteidigerkonsultation (Geppert, aaO, S. 922). Auch dies ist nicht geschehen.
20
2. Der aufgezeigte Verstoß bei der Vernehmung des Angeklagten führt zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich seiner Angaben anlässlich der Haftbefehlsverkündung.
21
Zwar zieht nach ständiger Rechtsprechung nicht jedes Verbot, einen Beweis zu erheben, ohne Weiteres auch ein Beweisverwertungsverbot nach sich. Vielmehr ist je nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Interessen zu ent- scheiden. Bedeutsam sind dabei insbesondere die Art und der Schutzzweck des etwaigen Beweiserhebungsverbots sowie das Gewicht des in Rede stehenden Verfahrensverstoßes, das seinerseits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 117/12, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). Ein Verwertungsverbot liegt jedoch stets dann nahe, wenn die verletzte Verfahrensvorschrift dazu bestimmt ist, die Grundlagen der verfahrensrechtlichen Stellung des Beschuldigten im Strafverfahren zu sichern (BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 - 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 219 ff.; Urteil vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 126/92, BGHSt 38, 372, 373 f.).
22
So verhält es sich hier. Die von § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO geschützten Beschuldigtenrechte gehören - wie dargelegt - zu den wichtigsten verfahrensrechtlichen Prinzipien. Durch sie wird sichergestellt, dass der Beschuldigte nicht nur Objekt des Strafverfahrens ist, sondern zur Wahrung seiner Rechte auf dessen Gang und Ergebnis Einfluss nehmen kann (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 126/92, BGHSt 38, 372, 374). Der Beschuldigte ist bei seiner ersten Vernehmung in besonderem Maße der Gefahr ausgesetzt, sich unbedacht selbst zu belasten. In dieser Situation ist er oft unvorbereitet, ohne Ratgeber und auch sonst von der vertrauten Umgebung abgeschnitten. Nicht selten ist er durch die Ereignisse verwirrt und durch die ungewohnte Umgebung bedrückt oder verängstigt. Seine ersten Angaben entfalten zudem - wie nicht zuletzt der vorliegende Fall zeigt - selbst bei einer späteren Änderung des Aussageverhaltens eine faktische Wirkung, die für den weiteren Verlauf des Verfahrens von erheblicher Bedeutung ist (BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 - 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 221 f.). Diese zum Schweigerecht des Beschuldigten entwickelten Grundsätze gelten für die Belehrung über das Vertei- digerkonsultationsrecht entsprechend (BGH, Urteil vom 22. November 2001 - 1 StR 220/01, BGHSt 47, 172, 174).
23
Der Annahme eines nach diesen Maßstäben gegebenen Beweisverwertungsverbotes steht nicht entgegen, dass der Angeklagte aufgrund der eingangs der Vernehmung ordnungsgemäß erteilten Belehrung zunächst Kenntnis sowohl von seinem Schweige- als auch von seinem Verteidigerkonsultationsrecht erlangt hatte (vgl. dazu BGH, aaO und BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2003 - 1 StR 380/03, NStZ 2004, 450, 451). Grundsätzlich mag der Beschuldigte , der in Kenntnis seiner Rechte gleichwohl Angaben zu Sache macht, weniger schutzbedürftig sein. Der aufgezeigte enge Zusammenhang zwischen dem Verteidigerkonsultations- und dem Schweigerecht erfordert hier jedoch die Annahme eines hohen Schutzniveaus: Der Angeklagte hatte mit seinem Wunsch nach Verteidigerkonsultation zum Ausdruck gebracht, dass er der Beratung bedurfte. Als diese nicht möglich war, verweigerte er Angaben zur Sache , was zum Abbruch der Vernehmung hätte führen müssen.
24
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen und dem Revisionsvorbringen zum Gang der Vernehmung ist zudem nicht ersichtlich, dass sich der Angeklagte im Zeitpunkt seiner ihn belastenden Einlassung dieser Belehrung noch bewusst war, etwa weil er differenziert damit umgegangen wäre. Vielmehr befand er sich im Unklaren darüber, ob und gegebenenfalls wann sein Verteidiger erreichbar sein würde, und konnte er die wiederholten Nachfragen der Ermittlungsrichterin dahingehend verstehen, dass seinem geäußerten Wunsch, sich jedenfalls nicht ohne vorherige Befragung seines Verteidigers zur Sache einzulassen, nicht entsprochen werden würde. Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn der Angeklagte erneut über seine Rechte belehrt wor- den wäre (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. Januar 2013 - 1 StR 560/12, NStZ 2013, 299, 300). Das ist indes nicht geschehen.
25
Schließlich sprechen auch die Schwere des Tatvorwurfs und der Grundsatz , dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle bedeutsamen Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, nicht gegen die Annahme eines Beweisverwertungsverbots; insoweit ist in die Abwägung auch einzustellen, dass die Wahrheit nicht um jeden Preis erforscht werden muss (BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 - 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 220 mwN).
26
3. Das Urteil beruht auf der Verwertung der Angaben des Angeklagten aus seiner Vernehmung anlässlich der Haftbefehlsverkündung. Ausweislich der Urteilsgründe hat keiner der Zeugen bekundet, dass der Angeklagte auf das Opfer eingetreten habe; die Strafkammer hat sich diese Überzeugung vielmehr aufgrund der Verwertung seiner Einlassung im Ermittlungsverfahren gebildet.
27
Der Verteidiger musste in der Hauptverhandlung nicht auch der Vernehmung des Protokollführers und der Verwertung von dessen Aussage widersprechen. Der erhobene Verwertungswiderspruch bezüglich der Aussage der Ermittlungsrichterin bezog sich nach seiner Begründung eindeutig auf das Beweisthema - Angaben des Angeklagten in seiner Beschuldigtenvernehmung -, so dass für die Verfahrensbeteiligten ungeachtet des protokolliertenWortlauts des Widerspruchs kein Zweifel bestehen konnte, dass auch der Verwertung etwaiger Angaben des später vernommenen Protokollführers zu diesem Beweisthema widersprochen werden sollte (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2003 - 5 StR 307/03, BGHR StPO § 136 Abs. 1 Verteidigerbefragung

7).


Tolksdorf Hubert Schäfer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 170/09
vom
9. Juni 2009
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
Zur Belehrungspflicht bei sog. Spontanäußerungen eines Verdächtigen
BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 – 4 StR 170/09 – LG Paderborn
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. Juni 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 19. Dezember 2008 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass von der Strafe ein Jahr und drei Monate vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Erörterung bedarf lediglich die Verfahrensrüge, soweit die Revision mit ihr beanstandet, die Strafkammer habe Angaben des Angeklagten gegenüber der Polizei, insbesondere solche aus Anlass seiner Vernehmung am 22. August 2008, verwertet, ohne dass dieser gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt worden sei.
3
1. Die Revision trägt hierzu folgenden Verfahrensablauf vor:
4
Noch in der Tatnacht habe der Angeklagte in Begleitung seiner Ehefrau die Polizeiwache in D. aufgesucht, um sich zu stellen. Ohne vorherige Belehrung über seine Rechte als Beschuldigter habe er die Tat zugegeben, woraufhin er wegen des dringenden Verdachts eines Tötungsdelikts vorläufig festgenommen worden sei. Er sei dann mit einem Polizei-Pkw zur Kreispolizeibehörde in H. gebracht worden und habe auf der Fahrt gegenüber den Polizeibeamten Einzelheiten des Tatgeschehens geschildert. Erst dort seien ihm nach ärztlicher Feststellung seiner Vernehmungsfähigkeit von den Kriminalbeamten L. und R. unter erneuter Eröffnung des Tatvorwurfs seine Rechte als Beschuldigter erläutert worden. Der Angeklagte habe daraufhin erklärt, den Polizeibeamten doch schon alles gesagt zu haben; er wolle jetzt keine Aussage mehr machen, sondern alles über seinen Anwalt regeln. Von dem Kriminalbeamten L. sinngemäß darauf hingewiesen, eine mögliche Aussage könne auch seiner Entlastung dienen und entlastende Angaben könnten bei der - zum damaligen Zeitpunkt noch andauernden - Spurensuche am Tatort berücksichtigt werden, habe der Angeklagte geäußert, dann könne er auch jetzt einfach alles erzählen. Die umfangreichen Angaben des Angeklagten wurden sodann von den vernehmenden Beamten in einem Vermerk niedergelegt.
5
Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten, er habe den Geschädigten zu keinem Zeitpunkt lebensbedrohlich verletzen wollen, sondern sich lediglich gegen dessen Schläge und Tritte gewehrt, als widerlegt angesehen. Seine Überzeugung, der Angeklagte habe mit seinem Messer zielgerichtet und deshalb zumindest mit bedingtem Tötungsvorsatz auf den Oberkörper des Geschädigten eingestochen, hat es auch auf die Bekundungen der in der Hauptverhandlung vernommenen Kriminalbeamtin R. gestützt. Diese hat in der Hauptverhandlung u.a. über die in ihrem Vermerk niedergelegten Angaben des Angeklagten vom 22. August 2008 ausgesagt. Insoweit hat der Angeklagte der Vernehmung widersprochen und einen Gerichtsbeschluss herbeigeführt.
6
2. Allerdings hätte der Angeklagte, wie die Revision zutreffend ausführt, nicht erst durch die Kriminalbeamten L. und R. , sondern schon zu einem früheren Zeitpunkt gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt werden müssen.
7
Gegen die Verwertung der Aussage der Kriminalbeamtin R. auch hinsichtlich der Angaben des Angeklagten in der Beschuldigtenvernehmung vom 22. August 2008 bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
a) Die Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO soll sicherstellen, dass ein Beschuldigter nicht im Glauben an eine vermeintliche Aussagepflicht Angaben macht und sich damit unfreiwillig selbst belastet (vgl. BGHSt [GS] 42, 139, 147; BayObLG NStZ-RR 2001, 49, 51). Für den Fall der von einem Polizeibeamten durchgeführten Befragung von Auskunftspersonen ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum einen die Stärke des Tatverdachts , den der Beamte gegenüber dem Befragten hegt, bedeutsam für die Entscheidung, von welchem Zeitpunkt an die Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO erforderlich ist (BGHSt 38, 214, 227 f.). Hierbei hat der Beamte einen Beurteilungsspielraum, den er freilich nicht mit dem Ziel missbrauchen darf, den Zeitpunkt der erforderlichen Belehrung möglichst weit hinauszuschieben (BGH aaO; vgl. auch BGH NStZ 1983, 86). Daneben ist zum anderen von Bedeutung, wie sich das Verhalten des Beamten aus Sicht des Befragten darstellt. Polizeiliche Verhaltensweisen wie die Mitnahme eines Befragten zur Polizeiwache, die Durchsuchung seiner Wohnung oder seine vorläufige Festnahme belegen dabei schon ihrem äußeren Befund nach, dass der Polizeibeamte dem Befragten als Beschuldigten begegnet, mag er dies auch nicht zum Ausdruck bringen (BGHSt 38, 214, 228; 51, 367, 370 f.).
9
Ob die vorstehend dargelegten Grundsätze ohne Einschränkung auch dann gelten, wenn der Polizeibeamte keine gezielte Befragung durchführt, sondern lediglich passiv spontane Äußerungen eines Dritten entgegennimmt, mit denen sich dieser selbst belastet, ist in der Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt. Eine Verwertbarkeit solcher Äußerungen trotz fehlender Belehrung über die Beschuldigtenrechte wird in der Regel für zulässig gehalten, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Belehrungspflichten nach § 136 Abs. 1 Satz 2, 163 a Abs. 2 Satz 2 StPO gezielt umgangen wurden, um den Betroffenen zu einer Selbstbelastung zu verleiten (BGH NStZ 1983, 86; BGH NJW 1990, 461; vgl. auch BayObLG aaO; OLG Oldenburg NStZ 1995, 412; Gleß in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 136 a Rn. 16; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 136 a Rn. 4).
10
b) Dieses erschiene jedoch zumindest dann bedenklich, wenn sich - wie hier von der Verteidigung behauptet - Polizeibeamte von einem Tatverdächtigen nach pauschalem Geständnis einer schweren Straftat und der unmittelbar darauf erfolgten Festnahme über eine beträchtliche Zeitspanne Einzelheiten der Tat berichten ließen, ohne den von ihnen ersichtlich als Beschuldigten behandelten Täter auf sein Aussageverweigerungsrecht hinzuweisen. Ein solches Verhalten käme einer gezielten Umgehung zumindest äußerst nahe.
11
Einer näheren Aufklärung des Verhaltens der Polizeibeamten im Freibeweisverfahren bedarf es jedoch nicht, da das Urteil auf einem etwaigen Verfahrensverstoß nicht beruht. Die Angaben des Angeklagten gegenüber den Poli- zeibeamten bis zu seiner Ankunft in der Kreispolizeibehörde H. hat das Landgericht der Urteilsfindung nicht zu Grunde gelegt.
12
3. Gegen die Verwertung der Aussage der Zeugin R. bestehen zumindest im Ergebnis keine Bedenken.
13
a) Zwar hätte der Angeklagte - den Verfahrensverstoß unterstellt - zu Beginn seiner Beschuldigtenvernehmung durch die Kriminalbeamten L. und R. am 22. August 2008 zusammen mit der Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO darauf hingewiesen werden müssen, dass wegen der bis dahin unterbliebenen Belehrung die zuvor gemachten Angaben unverwertbar seien (sog. qualifizierte Belehrung; vgl. BGH StV 2007, 450, 452, insoweit in BGHSt 51, 369 nicht abgedruckt; Senatsbeschluss NStZ 2009, 281). Daraus, dass dies nicht geschehen ist, würde jedoch nicht ohne Weiteres folgen, dass auch die Angaben, die der Angeklagte nach erfolgter Belehrung über seine Rechte als Beschuldigter gegenüber den beiden Vernehmungsbeamten gemacht hat, einem Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot unterlagen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll die in einem solchen Fall erforderliche (qualifizierte) Belehrung verhindern, dass ein Beschuldigter auf sein Aussageverweigerungsrecht nur deshalb verzichtet, weil er möglicherweise glaubt, eine frühere, unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht aus § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO zustande gekommene Selbstbelastung nicht mehr aus der Welt schaffen zu können. Da der Verstoß gegen die Pflicht zur qualifizierten Belehrung nicht dasselbe Gewicht wie der Verstoß gegen die Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO hat, ist in einem solchen Fall die Verwertbarkeit der weiteren Aussagen nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung durch Abwägung im Einzelfall zu ermitteln (BGH StV 2007, 450, 452; Senatsbeschluss aaO). Die Abwägung ist unter Berücksichtigung des Interesses an der Sachaufklärung einerseits sowie des Gewichts des Verfahrensverstoßes andererseits vorzunehmen (Senatsbeschluss aaO m.w.Nachw.). Sie ergibt hier, dass das Landgericht an einer Verwertung nicht gehindert war.
14
b) Eine bewusste Umgehung der Belehrungspflichten auf der Polizeiwache in D. sowie auf dem Transport des Angeklagten nach H. ist nicht ersichtlich und wird auch von der Revision nicht behauptet. Es spricht auch nichts dafür, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Belehrung über seine Rechte als Beschuldigter annahm, er könne von seinen Angaben gegenüber den im Polizei-Pkw anwesenden Beamten nicht mehr abrücken. Die anfänglich fehlende Aussagebereitschaft des Angeklagten sowie sein Hinweis auf die von ihm gewünschte Einschaltung eines Rechtsanwalts sind für eine solche Annahme ebenso wenig tragfähig wie seine Bemerkung, "dann könne er auch alles erzählen". Vielmehr rechtfertigt das von der Revision mitgeteilte Verfahrensgeschehen die Annahme des Landgerichts, wonach die Vernehmungsbeamten dieser Äußerung des Angeklagten dessen freiwilligen Entschluss entnehmen durften, nunmehr umfassend auszusagen.
15
Zu einer solchen Aussage ist der Angeklagte auch nicht in unzulässiger Weise gedrängt worden. Weder die Strafprozessordnung noch der verfassungsrechtlich verankerte Grundsatz eines fairen Verfahrens verbieten es, eine Vernehmung im Anschluss an eine anfängliche Aussageverweigerung fortzusetzen, solange nicht mit verbotenen Mitteln auf die Willensfreiheit des zu Vernehmenden und die Durchsetzbarkeit seines Aussageverweigerungsrechts eingewirkt wird (BGHSt 42, 170). Solche Mittel haben die Vernehmungsbeamten nicht eingesetzt. Die Bemerkung des Kriminalbeamten L. zur möglicherweise entlastenden Wirkung einer Aussage, verbunden mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Verifikation von Einzelheiten während der noch andauernden Spurensuche am Tatort, stellte ersichtlich keine Irreführung dar. Es handelte sich vielmehr um einen neutralen, nach Lage der Dinge zumindest nicht fern liegenden Hinweis auf die möglichen Nachteile des Schweigens. Der Angeklagte, der sich einem schweren Tatvorwurf ausgesetzt sah, war so in der Lage, die möglichen Vorteile einer Verteidigung durch Einlassung zur Sache zu erfassen und zwischen Aussage und Schweigen eine informierte Entscheidung zu treffen (vgl. dazu Gleß in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 136 Rn. 34).
Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Franke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 292/18
vom
5. Dezember 2018
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2018:051218B4STR292.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu Ziffer 2. auf dessen Antrag, sowie nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Dezember 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 22. Dezember 2017, soweit es ihn betrifft, im Adhäsionsausspruch dahin abgeändert, dass Zinsen seit dem 27. September 2017 zu zahlen sind. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten sowie die dem Neben- und Adhäsionskläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt , deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat es ihn verurteilt, an den Neben- bzw. Adhäsionskläger für die Zeit vom 26. September 2017 bis zum 10. Oktober 2017 Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem als Schmerzensgeld anerkannten Betrag von 4.000 EUR zu zahlen. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg und führt zur Abänderung des Adhäsionsausspruchs im Zinsbeginn; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Angeklagte hat Anspruch auf Prozesszinsen aus dem von ihm anerkannten Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 4.000 EUR gemäß § 404 Abs. 2 StPO, § 291 Satz 1 BGB, § 187 Abs. 1 BGB analog erst ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs folgenden Tag (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2015 – 4 StR 411/15; BGH, Beschlüsse vom 19. Juli 2018 – 5 StR 277/18 und vom 20. März 2018 – 5 StR 52/18; Beschlüsse vom 17. Oktober 2018 – 2 StR 357/18 und 2 StR 259/18; Folgetagslösung; siehe auch BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 555/16; Urteil vom 24. Januar 1990 – VIII ZR 296/88, NJW-RR 1990, 518, 519; BAG, Urteil vom 11. Oktober 2017 – 5 AZR 621/16, NJW 2018, 1707, 1709). Soweit der Senat im Hinblick auf anders lautende Entscheidungen des 1. und des 3. Strafsenats (vgl. Beschlüsse vom 8. Dezember 2016 – 1 StR 351/16, StV 2017, 321, 322; und vom 15. April 2014 – 3 StR 69/14, Rn. 2) erwogen hat, seine Rechtsauffassung zu überdenken (vgl. Senat, Urteil vom 25. Oktober 2018 – 4 StR 239/18, Rn. 21), hält er hieran nicht fest, zumal der 1. und der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mitgeteilt haben, an ihrer entgegen stehenden Rechtsprechung nicht festhalten zu wollen.
3
Rechtshängigkeit ist vorliegend mit Adhäsionsantragsstellung am 26. September 2017 eingetreten, so dass Prozesszinsen ab dem 27. September 2017 zu zahlen sind. Der Senat hat die Entscheidung daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO abgeändert.
4
2. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.
Sost-Scheible Cierniak Bender
RiBGH Dr. Quentin Bartel ist erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.