Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Sept. 2011 - 1 StR 343/11

bei uns veröffentlicht am07.09.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 343/11
vom
7. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. September 2011 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 12. Januar 2011 im Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet
verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 123 Fällen und wegen Untreue zu vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt sowie hinsichtlich zweier Beträge festgestellt, dass nur deswegen nicht auf (erweiterten) Verfall erkannt werde, weil Ansprüche Geschädigter (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB und § 73d Abs. 1 Satz 3 StGB) entgegenstehen. Seine hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat im tenorierten Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Der Schuldspruch und die Feststellungen nach § 111i StPO begegnen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 1. August 2011 zutreffend dargelegten Gründen keinen revisionsgerichtlichen Bedenken. Indes können die verhängten Einzelstrafen und damit der Gesamtstrafausspruch keinen Bestand haben. Der näheren Erörterung bedarf insofern Folgendes:
3
1. Hinsichtlich der Straftaten des Betruges hat die Strafkammer zutreffend jeweils den für besonders schwere Fälle erhöhten Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt (a); die Erwägungen zur konkreten Strafhöhenbestimmung weisen jedoch Rechtsfehler auf (b).
4
a) Die Annahme besonders schwerer Fälle des Betruges i.S.d. § 263 Abs. 3 StGB wird von den Feststellungen getragen und ist rechtfehlerfrei.
5
aa) Nach den Feststellungen war der Angeklagte alleiniger Vorstand des Bundes für Kinderhilfe e.V. (BfK) mit Sitz in Augsburg, für den er zahlende Spender mit „nicht vollumfassend die Realität“ widerspiegelnden (UA S. 50) Be- hauptungen werben ließ, die vor allem dahin gingen, der BfK vermittle Patenschaften für hilfsbedürftige Kinder in der Dritten Welt. Für einen monatlichen Bei- trag von 30 € könne eine solche Patenschaft, für einen Betrag von 15 € monatlich eine Teilpatenschaft übernommen werden. Derart geworbene „Paten“ zahl- ten im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben entsprechende Beträge auf Konten des BfK. Tatsächlich war lediglich ein minimaler Geldfluss an soziale Projekte in Thailand feststellbar, überwiegend wurde das Geld - soweit nicht für Verwaltungsaufwendungen verbraucht - auf einem Konto des BfK belassen. Der Angeklagte handelte, um „dem BfK durch die Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen und sodann mit dem einge- nommenen Geld nach eigenem Gutdünken zu verfahren“ (UA S. 11 = UA S. 54).
6
bb) Dies belegt die Annahme gewerbsmäßigen Handelns (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB). Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Hierfür reicht aus, dass sich der Täter mittelbare Vorteile aus den Tathandlungen verspricht, etwa wenn die Vermögensvorteile - wie hier - an einen von ihm beherrschten Verein fließen; insoweit ist erforderlich, dass der Täter ohne weiteres auf diese Vorteile zugreifen kann (BGH, Beschluss vom 26. Mai 2009 - 4 StR 10/09; BGH, Beschluss vom 5. Juni 2008 - 1 StR 126/08). Eines tatsächlichen Zugriffs bedarf es hierfür allerdings nicht, auch wenn ein solcher angesichts der festgestellten Barabhebungen von Konten des BfK naheliegt; die diesbezügliche Einlassung des Ange- klagten, er habe 45.000 € an ihm namentlich nicht näher bekannte Damen in Thailand übergeben, hat die Strafkammer als unzutreffende Schutzbehauptung gewertet (UA S. 195 ff.). Maßgeblich und ausreichend ist vielmehr eine dahingehende Absicht. Diese hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei festgestellt, dass nämlich der Angeklagte handelte, um mit dem gesammelten Geld, auf das er jederzeit und unmittelbar Zugriff nehmen konnte, „nach eigenem Gutdünken zu verfahren“ (UA S. 54). Liegt ein derartiges Gewinnstreben vor, ist schon die erste der ins Auge gefassten Tathandlungen als gewerbsmäßig anzusehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 11. September 2003 - 4 StR 193/03). Die Strafkammer hat auch bedacht, dass die Indizwirkung des Regelbeispiels durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11 mwN), und dies rechtsfehlerfrei verneint (UA S. 207).
7
cc) Die Feststellungen belegen überdies, dass der Angeklagte in der Absicht handelte, eine große Anzahl von Menschen - nämlich sogar in mehr als den 123 festgestellten Einzelfällen - in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB), ohne dass hierzu abschließender Klärung bedarf, wann eine große Zahl von Menschen vorliegt (zum Meinungsstand vgl. z.B. Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 263 Rn. 188d). Denn jedenfalls bei der hier gegebenen Anzahl ist dieses Merkmal erfüllt. Besteht diese Absicht, so kann schon die erste Tat als besonders schwerer Fall eingestuft werden (BGH, Beschluss vom 9. November 2000 - 3 StR 371/00).
8
b) Soweit die Strafkammer jedoch für das Finden einer Strafe innerhalb des rechtsfehlerfrei bestimmten Strafrahmens zu Lasten des Angeklagten be- rücksichtigt hat, dass er „im Verlaufe des über fünf Monate dauernden Prozesses keinerlei Einsicht“ hat erkennen lassen, dass „er möglicherweise in fehlerhafter Weise agiert“ hat, und bis zum Schluss darauf beharrte, „alles besser zu wis- sen und nichts falsch gemacht zu haben“ (UA S. 208), lässt dies besorgen - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat -, dass prozessual zulässiges Verteidigungsverhalten zu Unrecht strafschärfend berücksichtigt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2010 - 3 StR 192/10; BGH, Beschluss vom 9. Mai 2007 - 1 StR 199/07 jew. mwN). Zwar kann ein Verhalten des Täters nach der Tat strafschärfend wirken, wenn es trotz der ihm zustehenden Verteidigungsfreiheit auf Rechtsfeindschaft, seine Gefährlichkeit oder die Gefahr künftiger Rechtsbrüche hinweist oder andere mit der Tat zusammenhängende ungünstige Schlüsse auf seine Persönlichkeit zulässt (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1981 - 3 StR 61/81; BGH, Urteil vom 24. Juli 1985 - 3 StR 127/85) oder wenn die Grenzen angemessener Verteidigung eindeutig überschritten sind und das Vorbringen des Angeklagten eine selbständige Rechtsgutsverletzung enthält (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 2004 - 4 StR 576/03; zum Ganzen auch Stree/ Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 46 Rn. 41 mwN; Schäfer/Sander/ van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 378 ff.). Dafür ist hier jedoch nichts dargetan oder ersichtlich. Schon aus diesem Grund können die Einzelstrafen von je zehn Monaten für die 123 Fälle des Betruges keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen , dass diese bei rechtsfehlerfreier Strafzumessung niedriger ausgefallen wä- ren, wenngleich die Verhängung noch geringerer Einzelstrafen angesichts des festgestellten Tatbildes und der Verwirklichung von zwei Regelbeispielen des § 263 Abs. 3 StGB (vgl. hierzu Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO, Rn. 401) wenig nahe liegend erscheint.
9
2. Auch die hinsichtlich der ausgeurteilten Untreue verhängte Einzelstrafe begegnet aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen rechtlichen Bedenken.
10
Zwar belegen die Feststellungen, wonach der Angeklagte für den BfK als dessen Vereinsvorstand eine von ihm zuvor privat ersteigerte, überwiegend marode und unbewohnbare sowie für Zwecke des Vereins ungeeignete Immobilie erwarb, die Annahme eines vom Angeklagten pflichtwidrig herbeigeführten Vermögensschadens jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des persönlichen Schadenseinschlags (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 14. April 2011 - 1 StR 458/10 mwN). Sie tragen indes nicht die Einschätzung des Landgerichts, der Angeklagte habe einen Vermögensschaden großen Ausmaßes herbeigeführt (§§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB).
11
Nach den Urteilsgründen ersteigerte der Angeklagte die Immobilie im Feb- ruar 2008 für 175.000 € und veräußerte sie im Dezember 2008 für 230.000 € an den BfK, wobei der Wert eines dem Angeklagten zusätzlich eingeräumten, lebenslangen Wohn- und Nutzungsrechtes an Teilen des Gebäudes mit rund 45.000 € in Ansatz gebracht wurde. Zugleich teilt die Strafkammer mit, dass ein - im Auftrag des Angeklagten erstelltes - Gutachten den Wert der veräußerten Immobilie mit 350.000 € beziffert habe. Die Strafkammer setzt sich mit diesem Gutachten nicht näher auseinander, etwa mit der naheliegenden Frage, ob es sich um ein unbeachtliches Gefälligkeitsgutachten gehandelt haben könnte (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2008 - 3 StR 394/07). Auch Feststellungen zur Frage einer zumutbaren Verwertbarkeit der Immobilie enthält das Urteil nicht. Damit bleibt die auch ansonsten für die Strafzumessung als verschuldete Auswirkung der Tat (§ 46 Abs. 2 StGB) bestimmende (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 - 1 StR 458/10 mwN) Höhe des dem geschädigten Verein tatsächlich verbleibenden Schadens unklar.
12
3. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich. Einer Aufhebung der von den Rechtsfehlern insgesamt nicht betroffenen Feststellungen bedarf es nicht. Das neue Tatgericht wird ergänzende , zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen (zum Beispiel zu Verwertbarkeit oder Wert der dem BfK gegen Zahlung übertragenen Immobilie) treffen können.
13
4. Die Abfassung der Urteilsgründe gibt überdies Anlass zu dem Hinweis, dass es sich ab einem gewissen Umfang zwar empfiehlt, die abgeurteilten Taten in einer Art Vorspann zusammenzufassen, dieser aber nicht geeignet ist, die Übersichtlichkeit zu erhöhen, wenn er nur um wenige Seiten kürzer ist, als die nachfolgende Darstellung der zu den einzelnen Taten getroffenen Feststellungen oder mit diesen über ganze Absätze hinweg wortgleich ist. Die schriftlichen Urteilsgründe sollen auch nicht in der Art eines Protokolls die Einlassung des Angeklagten oder eines jeden einzelnen Zeugen referieren, zumal wenn sich diese - wie hier - hinsichtlich ihres entscheidungserheblichen Aussageinhalts unschwer zusammenfassen lassen. Denn die Urteilsgründe sollen dem Leser ermöglichen, die die Entscheidung tragenden Feststellungen ohne aufwändige eigene Bemühungen zu erkennen. Dementsprechend soll die Beweiswürdigung lediglich belegen , warum bedeutsame tatsächliche Umstände so wie geschehen festgestellt wurden. Nur soweit hierfür erforderlich, sind Angaben des Angeklagten, Zeugen- aussagen und sonst angefallene Erkenntnisse heranzuziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 423/10 mwN).
Nack Wahl Elf Jäger Sander

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(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.

(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 126/08
vom
5. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Juni 2008 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 14. September 2007 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Ergänzend zum Vorbringen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 15. April 2008 bemerkt der Senat: Die Annahme gewerbsmäßigen Handelns (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB) in den Fällen 11 bis 51 der Feststellungen ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach diesen wollte der Angeklagte durch die Betrugstaten zwar der "V. Bauträgergesellschaft mbH" und der "G. Hausverwaltungs- und Vermietungsgesellschaft mbH" eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang verschaffen. Für Gewerbsmäßigkeit reicht es aber aus, wenn der Täter sich mittelbare Vorteile aus den Tathandlungen verspricht, insbesondere wenn die Vermögensvorteile an eine von ihm beherrschte Gesellschaft fließen (vgl. BGH NStZ 1998, 622). Insoweit ist erforderlich, dass der Täter ohne weiteres auf diese Vorteile zugreifen kann (vgl. BGH, Beschl. vom 16. April 2008 - 5 StR 615/07). Dies versteht sich für den Angeklagten, der nach den Feststellungen beide Gesellschaften als faktischer Geschäftsführer allein beherrschte, von selbst. Nack Boetticher Kolz Elf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 193/03
vom
11. September 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. September 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 12. November 2002 im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Ver- handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und die Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision, die sie - wie die Revisionsbegründung deutlich macht - trotz des umfassend gestellten Aufhebungsantrages wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3). Das auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen schlug der hochverschuldete Angeklagte der M. K. GmbH & Co KG, dessen Geschäftsführer er gut kannte, die Beteiligung an einem Kunststoffhandelsgeschäft vor. Mit dem einzusetzenden Geld sollten
angeblich sogenannte „Streckengeschäfte“ mit solventen Partnern und sicherer Gewinnaussicht finanziert werden. Den Gewinn veranschlagte der Angeklagte auf 10 %; er sollte zwischen ihm und der M. K. GmbH & Co KG hälftig geteilt werden. Im Vertrauen auf die Angaben des aus seiner früheren Tätigkeit in der Kunststoffbranche als seriöser Geschäftsmann bekannten Angeklagten leistete die M. K. GmbH & Co KG vier Zahlungen über insgesamt 475.000 DM, und zwar jeweils auf Anforderung des Angeklagten Einzelbeträge von 50.000 DM am 14. Februar 2000, 160.000 DM am 21. Februar 2000, 80.000 DM am 1. März 2000 und 185.000 DM am 21. Juni 2000. Tatsächlich schloß der Angeklagte kein Geschäft der bezeichneten Art ab, sondern verwendete entsprechend seinem Tatplan den überwiegenden Teil des Geldes zur Abdeckung von Verbindlichkeiten aus seiner früheren Unternehmertätigkeit. Rückzahlungen an die M. K. GmbH & Co KG leistete er nicht (Fall 1). Noch während die M. K. GmbH & Co KG auf Rückzahlung der eingesetzten Gelder drängte, spiegelte der Angeklagte dem Inhaber einer für ihn tätigen Gebäudereinigungsfirma ebenfalls die Möglichkeit einer kurzfristigen Geldanlage mit einer Verzinsung von 10 % vor. Im Vertrauen auf die Angaben des kompetent und seriös wirkenden Angeklagten stellte dieser am 2. November 2000 einen Betrag von 10.000 DM zur Verfügung. Die Rückzahlung nebst 1.000 DM Gewinn wurde für den 1. Februar 2001 vereinbart. Auch hier investierte der Angeklagte das Geld nicht, sondern verwendete es entsprechend seiner vorgefaßten Absicht zur Deckung seiner laufenden Lebenshaltungskosten (Fall 2).
2. Das Landgericht hat - infolge der wirksamen Beschränkung des Rechtmittels auf den Rechtsfolgenausspruch für den Senat bindend (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 267) - die betrügerische Erlangung der Zahlungen im Fall 1 rechtlich als eine Handlung bewertet und hierfür eine Einzelfreiheitsstrafe von
einem Jahr und sechs Monaten festgesetzt. Im Fall 2 hat es eine Einzelfrei- heitsstrafe von sechs Monaten verhängt. Hierbei hat es jeweils das Vorliegen besonders schwerer Fälle im Sinne des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 1 und 2 StGB verneint und ausgeführt, es sei insoweit maßgeblich darauf abzustellen, ob das gesamte Tatbild unter Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle derart abweiche, daß „die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten“ erscheine. Gewerbsmäßig habe der Angeklagte nicht gehandelt, denn er habe „mit den Taten allein weder seinen Lebensunterhalt verdient“, noch sei er in der planmäßigen Absicht vorgegangen , sich durch die wiederholte Tatbestandsverwirklichung eine laufende Einnahmequelle von einiger Dauer zu verschaffen. Vielmehr seien die Taten „Ausdruck des Wunsches des Angeklagten, sich wieder kurzzeitig Luft vor allzu drängenden Altgläubigern zu verschaffen und durch neue Schulden alte drängende Verbindlichkeiten begleichen zu können“ (UA 17). Auch die Höhe des Schadens rechtfertige nicht die Annahme eines besonders schweren Falles. Insoweit müsse zu Gunsten des Angeklagten insbesondere sein vorbehaltloses Geständnis in der Hauptverhandlung, seine Bereitschaft zur Schadenswiedergutmachung , die Verwendung der Gelder zur Schuldentilgung und namentlich im Fall 1 berücksichtigt werden, daß die „schwer verständliche Leichtgläubigkeit der Anlegerfirma in Verbindung mit einer nicht unerheblichen Geldgier“ die Tat wesentlich erleichtert habe (UA 18). Bei einer Gesamtwürdigung reiche daher zur Ahndung jeweils der Regelstrafrahmen aus.
3. Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Sie lassen bereits besorgen, daß das Landgericht bei der Beurteilung der Frage, ob die Betrugstaten des Angeklagten als besonders schwere Fälle im Sinne des § 263 Abs. 3 Satz 2 StGB zu qualifizieren sind, von einem fehlerhaften rechtlichen Ansatz ausgegangen ist. Nach § 263 Abs. 3 StGB in der Fassung des 6. Strafrechtsreformgesetzes wird ein besonders schwerer Fall durch die Verwirklichung eines der in Satz 2 Nrn. 1 bis 5 bezeichneten Regelbeispiele indiziert. Sind die Voraussetzungen eines Regelbeispiels gegeben, so bestimmt sich der „Regelstrafrahmen“ nach dem erhöhten Strafrahmen; einer zusätzlichen Prüfung, ob dessen Anwendung im Vergleich zu den im Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle geboten erscheint, bedarf es hier nicht. Die vom Landgericht in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung betraf - soweit überhaupt einschlägig - die Regelung des § 263 Abs. 3 StGB a.F., die keine Regelbeispiele, sondern einen unbenannten besonders schweren Fall zum Gegenstand hatte und die zudem gegenüber § 263 Abs. 3 StGB in der geltenden Fassung ein höheres Mindeststrafmaß (ein Jahr statt nunmehr sechs Monate Freiheitsstrafe) vorsah.

b) Zwar kann die Indizwirkung des Regelbeispiels durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet werden, die für sich allein oder in ihrer Gesamtheit so schwer wiegen, daß die Anwendung des Strafrahmens für besonders schwere Fälle unangemessen erscheint (vgl. BGH NStZ 1999, 244, 245; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 46 Rdnr. 91 m.w.N.). Das Landgericht hat - was rechtlich nicht zu beanstanden ist - im Fall 1 ersichtlich das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 1. Alt StGB (Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes) als erfüllt angesehen. Die von ihm vorgenommene Gesamtwürdigung ist jedoch - ungeachtet des aufgezeigten verfehlten Ansatzes - ebenfalls nicht frei von rechtlichen Mängeln.

Sie ist einerseits in einem wesentlichen Punkt lückenhaft. Das Landgericht hat nämlich - wie die Revision zu Recht rügt - bei der Abwägung, ob ein besonders schwerer Fall vorliegt, nicht erkennbar berücksichtigt, daß der Angeklagte schon 1997 und 1998 wegen einschlägiger Straftaten zu Bewährungsstrafen verurteilt worden war und damit die hier abgeurteilten Taten jeweils unter laufender Bewährung, die Tat zu Fall 1 sogar unter laufender Bewährung aus beiden Vorverurteilungen, begangen hat. Diese Umstände hätten hier schon deshalb besonderer Erörterung bedurft, da der Angeklagte seinen eigenen Angaben zufolge bereits die den genannten Vorverurteilungen zugrundeliegenden Betrugstaten „in dem Bemühen (beging), Altschulden zu stopfen“ (UA 8).
Des weiteren ist der vom Landgericht herangezogene strafmildernde Umstand, die Tatbegehung sei - namentlich im Fall 1 - durch die „schwer verständliche“ Leichtgläubigkeit und „nicht unerhebliche Geldgier“ der Geschädigten erleichtert worden, nicht ohne weiteres mit den getroffenen Feststellungen in Einklang zu bringen. Danach verfügte der Angeklagte als langjähriger Marketingleiter eines namhaften Unternehmens der Kunststoffbranche „über vielfältige Kontakte als seriöser Geschäftsmann“, beschloß diese für seine Zwecke auszunutzen und vertraute darauf, von den Kunden, die ihn seit langem kannten, auf diesem Gebiet „als kompetent und seriös akzeptiert zu werden“ (UA 8/9). Die den Anlegern zugesagten Gewinnmargen lagen zudem gegenüber vergleichbaren Fällen eher im unteren Bereich.

c) Das Urteil kann schließlich im Rechtsfolgenausspruch auch deshalb keinen Bestand haben, weil die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte
habe bei den ausgeurteilten Taten jeweils nicht gewerbsmäßig gehandelt, rechtlicher Überprüfung nicht standhält. Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Liegt ein derartiges Gewinnstreben vor, ist schon die erste der ins Auge gefaßten Tathandlungen als gewerbsmäßig anzusehen (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ 1995, 85 sowie Tröndle/Fischer aaO vor § 52 Rdn. 37 m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist weder erforderlich, daß der Täter beabsichtigt , seinen Lebensunterhalt „allein“ oder auch nur überwiegend durch die Begehung von Straftaten zu bestreiten (vgl. Tröndle/Fischer aaO), noch steht der Annahme der Gewerbsmäßigkeit entgegen, daß er in dem Bestreben handelt , mit dem erlangten Geld alte Verbindlichkeiten abzutragen (vgl. BGH NJW 1998, 2913, 2914 sowie hierzu auch BGH, Urteil vom 25. Juni 2003 - 1 StR 469/02). Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt es daher nahe, daß der Angeklagte jedenfalls im Fall 1 gewerbsmäßig handelte, zumal er - wie das Landgericht an anderer Stelle ausgeführt hat - von vorneherein beabsichtigte, den als zahlungsbereit eingeschätzten Geschäftsführer der Geschädigten als „Finanzierungsquelle“ einzusetzen, um von ihm soviel Geld zu erhalten, wie jeweils zur Schuldentilgung notwendig war (UA 15/16). Aufgrund des gegebenen zeitlichen Zusammenhanges kann der Senat nicht ausschließen, daß der Angeklagte auch im Fall 2 in Fortsetzung des einmal gefaßten Entschlusses, sich durch die Begehung von Betrugsstraftaten eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, gehandelt hat.
Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung der erneuten Verhandlung und Entscheidung.
Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 116/11
vom
5. Mai 2011
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
Soweit dazu Anlass besteht, müssen die Urteilsgründe ergeben, ob Steuern in
großem Ausmaß i.S.d. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nach BGHSt 53, 71 (Betragsgrenzen
50.000 Euro bzw. 100.000 Euro) verkürzt sind. Sie müssen auch
ergeben, weshalb trotz des Vorliegens dieses Regelbeispiels ein besonders
schwerer Fall des § 370 Abs. 3 AO nicht angenommen wird (Fortführung von
BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71).
BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11 - LG Bochum
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Mai 2011 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 1. Oktober 2010 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt , deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Die auf die - zunächst allgemeine - Sachrüge gegründete Revision des Angeklagten ist unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils auch unter Berücksichtigung der Gegenerklärung des Angeklagten vom 23. März 2011 auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 28. Februar 2011 keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


3
Grundlage der Verurteilung sind nicht zur Umsatzsteuer erklärte, durch Scheinrechnungen abgedeckte Schwarzein- und -verkäufe von Telefonkarten in der Zeit von Juli 2007 bis Oktober 2008. Dazu hatte der Angeklagte zwei Unternehmen gegründet, die er - weil er selbst über keine Arbeitserlaubnis verfügte - mit Hilfe von Strohleuten führte. Insgesamt hinterzog er Umsatzsteuern in Höhe von insgesamt 2.287.737 €. Bei den 16 Taten reichen die jeweiligen Hin- terziehungsbeträge von 19.918 € bis zu 203.952 €. Bei 13 Taten liegt der Hinterziehungsbetrag über 100.000 €, acht dieser Taten wurden nach dem 1. Januar 2008 begangen. Auch in diesen Fällen hat die Strafkammer der Strafzumessung den Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO zugrunde gelegt und Einzelstrafen von acht Monaten bis zu einem Jahr und vier Monaten verhängt.
4
Die Strafkammer hat nicht erörtert, ob der Angeklagte aus grobem Eigennutz handelte (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung) und - insbesondere - ob er bei den Taten nach dem 31. Dezember 2007 (gemäß der von da an geltenden Fassung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) - Steuern in großem Ausmaß verkürzte.

II.


5
Die Strafzumessung ist, soweit es die nach dem 31. Dezember 2007 begangenen Taten betrifft, in mehrfacher Hinsicht - zugunsten des Angeklagten - rechtsfehlerhaft. Es liegt ein Begründungsmangel vor, weil die Strafkammer nicht geprüft hat, ob bei Hinterziehungsbeträgen ab 100.000 € das gesetzliche Merkmal „in großem Ausmaß“ (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) gegeben war. Aber selbst dann, wenn die Strafkammer richtigerweise das Regelbeispiel in diesen Fällen bejaht hätte, wäre die Nichtannahme eines besonders schweren Falles hier ein Wertungsfehler. Dadurch ist der Angeklagte jedoch nicht beschwert.
6
1. Die Strafzumessung genügt nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen des § 267 Abs. 3 Satz 3 StPO.
7
Nach dieser Bestimmung müssen die Urteilsgründe „auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt“. Zwei Prüfungsschritte sind danach erforderlich:
8
a) Besteht Anlass, dass die im Straftatbestand aufgeführten Merkmale eines Regelbeispiels erfüllt sind, dann müssen die Urteilsgründe zunächst erkennen lassen, dass die rechtlichen Voraussetzungen des entsprechenden Merkmals geprüft wurden. Dieser erste Prüfungsschritt betrifft die Subsumtion unter ein gesetzliches Merkmal, die der vollen rechtlichen Prüfung durch das Revisionsgericht unterliegt.
9
b) Wird trotz Bejahung des Merkmals gleichwohl von der Regelwirkung abgesehen, so ist die Wahl des (milderen) Strafrahmens nachvollziehbar darzulegen. Dieser zweite Prüfungsschritt ist Teil der zuvorderst dem Tatrichter obliegenden Strafrahmenwahl, die nur eingeschränkt der revisionsgerichtlichen Prüfung zugänglich ist.
10
Insoweit gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: Zwar kann die indizielle Bedeutung des Regelbeispiels durch andere Strafzumessungsfaktoren kompensiert werden, doch müssen diese dann so schwer wiegen , dass die Anwendung des erschwerten Strafrahmens unangemessen erscheint. Ob dies so ist, kann der Strafrichter erst nach umfassender Abwägung aller Umstände entscheiden. Dabei dürfen jedenfalls die Umstände, welche das Regelbeispiel begründen, nicht unberücksichtigt bleiben; diese müssen vielmehr zunächst im Vordergrund der Abwägung stehen (BGH, Urteil vom 12. November 1996 - 1 StR 470/96; siehe auch Urteile vom 17. September 1997 - 2 StR 390/97; 9. August 2000 - 3 StR 133/00; 11. September 2003 - 4 StR 193/03, NStZ 2004, 265; 31. März 2004 - 2 StR 482/03, NJW 2004, 2394, 2395).
11
c) Die Wahl des erhöhten Strafrahmens bedarf hingegen - grundsätzlich - keiner weiteren Begründung, wenn das gesetzliche Merkmal des Regelbeispiels eines besonders schweren Falles erfüllt ist. Denn dann besteht eine gesetzliche Vermutung für einen gegenüber dem Normaltatbestand erhöhten Unrechts- und Schuldgehalt (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 603 mwN).
12
2. Das bedeutet für das gesetzliche Merkmal „in großem Ausmaß“ des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO:
13
a) Der Senat hat mit Urteil vom 2. Dezember 2008 (1 StR 416/08, BGHSt 53, 71) das Merkmal „großes Ausmaß“ ausgelegt und dafür folgende Betragsgrenzen bestimmt: Beschränkt sich das Verhalten des Täters darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, dann ist das Merkmal bei einer Verkürzung in Höhe von 100.000 € erfüllt (Rn. 39, 41). Wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt hat, liegt die Betragsgrenze bei 50.000 € (Rn. 37).
14
b) Diese Bestimmung der Betragsgrenzen durch den Senat hat der Gesetzgeber in den Beratungen zu dem Entwurf des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes (BT-Drucks. 17/4182 und 17/4802) aufgegriffen. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drucks. 17/5067 neu) ist zur Bestimmung der Betragsgrenze, ab welchem bei einer Selbstanzeige Straffreiheit nicht eintritt, unter Bezugnahme auf das Senatsurteil BGHSt 53, 71 ausgeführt (S. 21): „Die Betragshöhe orientiert sich an der Rechtsprechung des BGH zu dem Regelbeispiel des § 370 Absatz 3 Nummer 1 AO, wo das Merkmal großen Ausmaßes bei 50 000 Euro als erfüllt angesehen wird“. Damit hat der Gesetzgeber ersichtlich die Auslegung des Regelbeispiels durch den Senat gebilligt.
15
c) Jedenfalls in den Fällen, bei denen durch die nach dem 31. Dezember 2007 begangenen Taten Steuern in Höhe von 100.000 € und darüber verkürzt wurden, hätte die Strafkammer deshalb die Voraussetzungen des Regelbeispiels des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 als erfüllt ansehen müssen. Zudem hätten die Feststellungen zum Zusammenwirken innerhalb der Tätergruppe Anlass geben können, auch das Regelbeispiel Nr. 5 des § 370 Abs. 3 Satz 2 AO (Handeln als Mitglied einer Bande zur fortgesetzten Begehung von Steuerhinterziehungen ) zu prüfen.
16
3. Indem die Strafkammer das Regelbeispiel nicht geprüft hat, hat es sich den Blick dafür verstellt, bei der Wahl des Strafrahmens zu erörtern, ob die indizielle Bedeutung des Regelbeispiels durch andere - für den Angeklagten sprechende - Strafzumessungsfaktoren kompensiert wurde. Milderungsgründe, die so schwer wiegen könnten, dass die Anwendung des erschwerten Strafrahmens unangemessen erscheint, sind hier nicht in ausreichendem Maße dargetan.
17
a) Nach der Bewertung der Strafkammer „werden die Steuerschäden durch die Tatsache relativiert, dass ein Großteil durch die Angeklagten sowie die Firma L. wieder gut gemacht worden“ ist. Die vom Angeklagten „hinterzogenen Umsatzsteuern wurden mittlerweile vollständig beglichen“. Es bleibt allerdings offen, woher die Geldmittel hierzu stammen. Nach den Fest- stellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten und zu seinem Gewinn (mitgeteilt wird von der Strafkammer ein Rohertrag von 2 %; die Summe der für den Tatzeitraum aufgeführten Einkäufe liegt allerdings über den Erlösen während dieser Zeit) aus dem inkriminierten Handel mit Telefonkarten erscheint es ohne nähere Darlegungen kaum nachvollziehbar, dass er selbst zur Schadenswiedergutmachung in der Lage war. Im Übrigen ändert die Bezahlung der geschuldeten hinterzogenen Steuern nichts an der Indizwirkung der Überschreitung der 100.000 €-Grenze für besonders schwere Fälle. Denn hierbei ist schon berücksichtigt, dass es lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs kommt (Senat aaO Rn. 39).
18
b) Hier kommt indes erschwerend hinzu (vgl. Senat aaO Rn. 47), dass der Angeklagte besondere unternehmerische Strukturen aufgebaut hat, um seinen durchgehend steuerunehrlichen Handel zu betreiben, eingebunden in das „Tarnsystem“ eines grenzüberschreitenden, steuerunehrlichen Unterneh- mensgeflechts.
19
c) Dass die Nichtannahme des besonders schweren Falles selbst bei Bejahung des Merkmals „großes Ausmaß“ ein Wertungsfehler wäre, zeigt sich auch daran, dass ohne nähere Differenzierung zwischen den Tatbeteiligten neben dem Angeklagten fünf weitere Personen - rechtskräftig - ebenfalls nur aus dem Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO zu Bewährungsstrafen verurteilt wurden. Zwei dieser Verurteilten hinterzogen - gemeinsam - sogar 4.797.032 € an Umsatzsteuern. Sie wurden jeweils zu zwei Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt , deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
20
4. Offen bleiben kann, ob - was freilich nahe liegt - ein weiterer Wertungsfehler darin liegt, dass sich sowohl die Einzelstrafen, wie auch die Ge- samtstrafe erheblich nach unten von ihrer Bestimmung lösen, gerechter Schuldausgleich zu sein.
21
Zur Bedeutung des Hinterziehungsbetrags für die Strafhöhenbemessung ist in der oben genannten Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drucks. 17/5067 neu, S. 21) ausgeführt: „Bei den Beratungen der geplanten Maßnahmen zur Verhinderung der Steuerhinterziehung waren sich alle Fraktionen in der Bewertung einig, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt sei und entsprechend bekämpft werden müsse. Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP haben dabei betont … Eine Aussetzung der Freiheitsstrafe auf Bewährung bei Hinterziehung in Millionenhöhe sei nach einer Entscheidung des BGH nicht mehr möglich“.

III.


22
Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
23
1. Bei der Staatsanwaltschaft - auch im Rahmen der Dienstaufsicht - hätte deshalb Anlass bestehen können zu prüfen, ob Handlungsbedarf gemäß Nr. 147 Abs. 1 Satz 3 RiStBV besteht. Eine etwaige Verständigung gemäß § 257c StPO hätte dem nicht entgegengestanden. Denn auch dann darf das Ergebnis nicht unterhalb „der Grenze dessen liegen, was noch als schuldan- gemessene Sanktion hingenommen werden kann“ (BGH, Beschluss vom 3. März 2005 - GSSt 1/04, BGHSt 50, 41, 50).
24
2. Erörtert das Gericht vor Beginn der Hauptverhandlung mit den Beteiligten den Stand des Verfahrens, so ist der wesentliche Inhalt dieser Erörterung aktenkundig zu machen (§§ 202a, 212 StPO). Über diese Gespräche hat der Vorsitzende zu Beginn der Hauptverhandlung auch zu berichten (§ 243 Abs. 4 Satz 1 StPO) und dies ins Protokoll aufzunehmen (§ 273 Abs. 1a Satz 2 StPO). In den Urteilsgründen ist mitzuteilen, wenn der Verurteilung eine Verständigung gemäß § 257c StPO zugrunde lag267 Abs. 3 Satz 5 StPO). Im Protokoll ist aber auch zu vermerken, wenn dem Urteil keine Verständigung vorausging (§ 273 Abs. 1a Satz 3 StPO). Der Staatsanwalt ist gegebenenfalls gehalten, durch entsprechende Anregungen an das Gericht auf die Vermeidung von Protokollierungsfehlern oder -lücken hinzuwirken (vgl. Nr. 127 Abs. 1 Satz 1 RiStBV). Nack Wahl Rothfuß Hebenstreit Graf

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 371/00
vom
9. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. November 2000
einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 16. März 2000 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu der Begründung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Das Landgericht hat die 27 Betrugstaten des Angeklagten jeweils als besonders schwere Fälle des Betruges gemäß § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB angesehen und dabei auch das dort in Satz 2 Nr. 2 Alternative 2 aufgeführte Regelbeispiel angenommen. Dazu ist erforderlich, daß der Täter in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen. Dem könnten Bedenken insoweit entgegenstehen, als in 18 der 27 Fälle juristische Personen (regelmäßig Handelsgesellschaften in der Form der GmbH) vom Angeklagten geschädigt worden sind.
Bei den durch das 6. StrRG eingefügten Regelbeispielen in § 263 Abs. 3 Satz 2 StGB wollte der Gesetzgeber an Umstände anknüpfen, die nach Rechtsprechung oder Literatur bereits auf der Grundlage des bis dahin geltenden Rechts als besonders schwere Fälle gewertet werden konnten und auch aus anderen Strafzumessungsvorschriften bekannt waren. Hinsichtlich des Regelbeispiels "Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten einer großen Zahl von Menschen" ist in der Gesetzesbegründung auf § 283 a Satz 2 Nr. 2, § 283 d Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB Bezug genommen worden (BTDrucks. 13/8587 S. 42). Nach diesen Vorschriften liegt ein besonders schwerer Fall des Bankrotts oder der Schuldnerbegünstigung in der Regel vor, wenn der Täter "viele Personen in die Gefahr des Verlustes ... ihrer Vermögenswerte ... bringt". Trotz dieser Bezugnahme in der Entstehungsgeschichte kann der Begriff Mensch nicht dahin ausgelegt werden, daß unter ihn neben natürlichen Personen auch juristische Personen fallen. Insoweit ist der Gesetzeswortlaut die Grenze der Auslegung. Die Absicht, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von juristischen Personen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen , könnte daher - von Sonderfällen, etwa einer Ein-Mann-GmbH, abgesehen - das benannte Regelbeispiel für den Betrug im besonders schweren Fall nicht erfüllen. Das Regelbeispiel ist indes nicht erst erfüllt, wenn eine große Zahl von Menschen in die Gefahr geraten ist, ihr Vermögen zu verlieren, sondern bereits dann, wenn der Täter in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in diese Gefahr zu bringen. Die Annahme des besonders schweren Falles ist in aller Regel bereits dann gerechtfertigt , wenn der Täter eine Person in wirtschaftliche Not bringt (so die Stellungnahme des Bundesrats - BTDrucks. 13/8587 S. 64). Bei entsprechender Absicht reicht bereits die einmalige Tatbegehung zur Erfüllung des Regelbei- spiels aus (so die Bundesregierung in ihrer die Bedenken des Bundesrates aufnehmenden Stellungnahme - BTDrucks. 13/8587 S. 85). Daß der Angeklagte diese Absicht hatte, ist dem Urteil zu entnehmen. Danach wollte der Angeklagte unter der Vortäuschung seiner Zahlungsbereitschaft im gesamten Bundesgebiet Warenbestellungen aufgeben und die gelieferten Waren schnellstmöglich weiterverkaufen. Nach diesem Plan ist der Angeklagte vorgegangen. Es versteht sich von selbst, daß dabei auch eine Vielzahl natürlicher Personen als Opfer in Betracht kam und sich die Absicht des Angeklagten auch darauf erstreckte. Kutzer Miebach Winkler Pfister von Lienen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 192/10
vom
4. August 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
4. August 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 11. Januar 2010 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Entscheidung zur teilweisen Vorwegvollstreckung der Strafe getroffen. Die auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Während der Schuldspruch rechtlicher Nachprüfung standhält, muss der Rechtsfolgenausspruch aufgehoben werden.
3
Das Landgericht hat einen minder schweren Fall des bewaffneten Handeltreibens abgelehnt. Als für den Angeklagten sprechend hat es das Teilgeständnis gewertet, zugleich aber diesen Umstand relativiert, da der Angeklagte einerseits nur das gestanden habe, was man ihm ohnehin hätte nachweisen können; "zum anderen hat er, durch die Beweisaufnahme widerlegt, versucht, seine Tat ansonsten wie auch die ihr vorausgehenden Umstände wider besseres Wissen mit falschen Angaben zu verharmlosen bzw. zu beschönigen" (UA S. 26). Das Landgericht hat weiterhin dargelegt, die mildernden Umstände wögen nicht so schwer, dass sie angesichts der schärfenden Aspekte den Regelstrafrahmen als unangemessen erscheinen lassen würden, und hat dazu abschließend ausgeführt: "Insbesondere konnte bzw. wollte der Angeklagte die positiven und aus Sicht der Kammer grundsätzlich besonders gewichtigen mildernden Gesichtspunkte eines umfassenden Geständnisses sowie einer qualifizierten Aufklärungshilfe nicht für sich in Anspruch nehmen. Indem er bis zuletzt seine Tat fälschlich erheblich relativierte, hat er Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines Willens zur Verantwortungsübernahme geweckt" (UA S. 28).
4
Während die erstgenannte Urteilspassage noch dahin verstanden werden kann, dass das Landgericht einen grundsätzlich für den Angeklagten sprechenden Umstand (Geständnis) in seiner Tragweite nur etwas einschränken wollte, ist dies bei der zweiten Erwägung nicht mehr möglich. Vielmehr ist zu besorgen, dass das Landgericht hier das Verteidigungsverhalten des Angeklagten rechtsfehlerhaft zu dessen Nachteil gewertet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1995 - 3 StR 177/95, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 16 mwN). Dies führt zur Aufhebung der Strafe, da der Senat diese unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände auch nicht als "angemessen" im Sinne von § 354 Abs. 1a StPO ansehen kann.
5
Die Unterbringung nach § 64 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil der hierfür notwendige Hang zum Rauschmittelkonsum nicht belegt ist. Das Landgericht hat sich nicht damit auseinandergesetzt, dass der Angeklagte nach den Feststellungen seit Januar 2009 keine Drogen mehr konsumiert und deshalb im Zeitpunkt der Hauptverhandlung schon ein Jahr abstinent gelebt hat. Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 199/07
vom
9. Mai 2007
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Mai 2007 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 6. November 2006 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Ergänzend bemerkt der Senat: Das Landgericht hat dem Angeklagten eine Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren versagt. Es hat das Vorliegen besonderer Umstände (§ 56 Abs. 2 StGB) u.a. mit der Begründung verneint, der Angeklagte, der die Taten in der Hauptverhandlung bestritt, habe "weder Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt noch Reue erkennen lassen" und "sich auch nicht darum bemüht, den von ihm angerichteten Schaden ... wiedergutzumachen." Diese Erwägungen sind rechtsfehlerhaft, denn dem Angeklagten durften nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlende Reue und fehlende Bemühungen um Schadenswiedergutmachung nicht zum Vorwurf gemacht werden, da er sich mit dem vom Landgericht vermissten Verhalten in Widerspruch zu seiner Verteidigungsstrategie hätte setzen müssen (vgl. BGH StV 1993, 591; wistra 2001, 96 m.w.N.).
Gleichwohl hat der Strafausspruch Bestand. Der Senat kann offen lassen, ob das Landgericht mit der Erwägung, der Angeklagte habe bei den Taten "in einer Art rechtsfreiem Raum ohne Bindung an gesetzliche Regelungen nach eigenem Gutdünken" gehandelt, die Strafaussetzung zusätzlich unter dem Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung (§ 56 Abs. 3 StGB) versagen konnte. Jedenfalls ist die verhängte Rechtsfolge unter Berücksichtigung aller für die Strafzumessung erheblichen Umstände, insbesondere auch sämtlicher zu Gunsten des Angeklagten zu bedenkender Gesichtspunkte, angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO. Dabei fällt vor allem auch ins Gewicht, dass das Landgericht den Angeklagten, der bei der räuberischen Erpressung einen Schlagstock bei sich führte, zu Unrecht nicht aus dem Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB - Mindeststrafe drei Jahre - bestraft hat; dass der Angeklagte sich als Türsteher betätigt hatte, kann ihn insoweit nicht entlasten. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 576/03
vom
8. April 2004
in der Strafsache
gegen
wegen schweren räuberischen Diebstahls
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. April 2004,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17. September 2003 im Strafausspruch mit den Feststellungen - ausgenommen diejenigen zur voll erhaltenen Schuldfähigkeit - aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten des schweren räuberischen Diebstahls für schuldig befunden und ihn unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem rechtskräftigen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Verfahrensrüge, mit der der Beschwerdeführer eine Verletzung des § 59 StPO geltend macht, greift – wie der Generalbundesanwalt bereits in sei-
ner Antragsschrift vom 8. Januar 2004 dargelegt hat, nicht durch. Ebenso erweisen sich die sachlich-rechtlichen Angriffe der Revision zum Schuldspruch entsprechend der Antragsschrift des Generalbundesanwalts als unbegründet.
Dagegen hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die wegen schweren räuberischen Diebstahls verhängte Strafe von sechs Jahren Freiheitsstrafe dem Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB entnommen. Einen minder schweren Fall des § 252 i.V.m. § 250 Abs. 3 StGB hat es verneint. Dabei hat es sowohl für die Strafrahmenwahl als auch für die Strafbemessung im engeren Sinne zu Gunsten des Angeklagten allein berücksichtigt , daß er "wegen eines Gewaltdeliktes noch nicht vorbestraft ist". Demgegenüber hat es zwar zu Recht als strafschärfend berücksichtigt, daß der Angeklagte in der Vergangenheit mehrfach wegen Vermögensdelikten verurteilt worden ist und er sich trotz seiner Inhaftierungen nicht von der Begehung weiterer Straftaten hat abhalten lassen. Zur Aufhebung des Strafausspruchs führt hingegen, daß die Strafkammer "zudem" zu seinen Lasten gewertet hat, daß er in der Hauptverhandlung den ihn belastenden Kaufhausdetektiv Thomas M. " als einen dreisten Lügner bezeichnet (hat), ohne daß für diese Beschimpfung die geringste Notwendigkeit bestand" (UA 7). Diese Erwägung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken; denn die Urteilsgründe stellen nicht klar, ob die Strafkammer hierbei bedacht hat, daß das Prozeßverhalten eines Angeklagten, mit dem er den Angaben eines Belastungszeugen entgegentritt, bei der Strafzumessung nicht ohne weiteres zu seinen Lasten berücksichtigt werden darf (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 4).
Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Angeklagter im Rahmen seiner Verteidigung einen Belastungszeugen als unglaubwürdig hinstellen, ohne für
den Fall des Mißerfolgs schon deshalb eine schärfere Bestrafung befürchten zu müssen (BGHR aaO Verteidigungsverhalten 1). Jedoch kann im Einzelfall ein Angriff des Angeklagten auf die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen strafschärfendes Gewicht erlangen, wenn er die Grenze angemessener Verteidigung eindeutig überschreitet und sein Vorbringen eine selbständige Rechtsgutsverletzung enthält (BGHR aaO Verteidigungsverhalten 19). Hinweise auf eine besondere Rechtsfeindschaft oder Gefährlichkeit oder eine hiernach unzulässige Herabwürdigung des Zeugen können allein dem Umstand, daß der Angeklagte den Zeugen der Lüge bezichtigt hat, nicht ohne weiteres entnommen werden (vgl. BGH StV 1994, 424; BGH, Beschluß vom 2. Mai 2000 - 1 StR 136/00). Inwieweit solche Angriffe, die die Ehre eines Zeugen berühren, erlaubt sind, beurteilt sich nach § 193 StGB (vgl. BGHSt 14, 48, 51; BGHR aaO Verteidigungsverhalten 14 m.w.N.; BGH StV 1985, 146, 147).
Bei der Beurteilung der Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens können die Umstände des Einzelfalles nicht außer Betracht bleiben. Insoweit ist hier zu berücksichtigen, daß der Angeklagte von vornherein den Vorwurf, in dem Kaufhaus einen Kindercomputer entwendet und den dort tätigen Detektiv, den Zeugen Thomas M., anschließend mit seiner geladenen Schreckschußpistole bedroht zu haben, detailliert bestritten hat. Die ihm drohende Verurteilung wegen eines Verbrechens zu einer hohen Freiheitsstrafe hing nach der Beweislage von der Aussage des ihn belastenden Detektivs ab. Angesichts der konkreten Verfahrenssituation, auf die es bei der Beurteilung zulässigen Verteidigungsverhaltens ankommt (vgl. BVerfG NJW 1991, 29), konnte es aus der Sicht des Angeklagten erforderlich erscheinen, seiner bestreitenden Einlassung dadurch besondere Überzeugungskraft zu verleihen, daß er den Belastungszeugen der Lüge bezichtigte. Daß er sich dazu einer scharfen Aus-
drucksweise bediente, rechtfertigt für sich regelmäßig noch keine andere Bewertung , wenn sich der Vorwurf gegen einen Zeugen auf die Aussage zur verfahrensgegenständlichen Tat bezieht und nicht etwa einen vom maßgeblichen "Streitstoff" losgelösten allgemeinen Angriff auf die Ehre des Zeugen beinhaltet (vgl. BVerfG NJW 1991, 2074, 2076). Letzteres ist in der Rechtsprechung beispielsweise in der Bezeichnung eines als Zeuge vernommenen Polizeibeamten als "bedenkenloser Berufslügner" gesehen worden (Hans. OLG Hamburg NStZ-RR 1997, 103 f.). Daß es sich hier so verhält, kann den Urteilsgründen indes nicht entnommen werden. Selbst wenn das Prozeßverhalten des Angeklagten zu beanstanden wäre, ergäbe sich daraus hier noch nicht ohne weiteres ein bestimmender Strafschärfungsgrund, der - wie es das Landgericht getan hat - mit demselben Gewicht in die Strafzumessung einzustellen wäre wie etwa die strafrechtliche Vorbelastung des Angeklagten.
Mit dieser Rechtsprechung wird der berechtigte Anspruch eines Zeugen, ehrverletzenden Äußerungen des Angeklagten im Strafverfahren nicht schutzlos ausgeliefert zu sein, nicht unangemessen eingeschränkt. Vielmehr ist es Aufgabe des Vorsitzenden im Rahmen seiner Sachleitung, den Zeugen gegen unsachliche Angriffe zu schützen und den Angeklagten in einem solchen Fall zur Mäßigung anzuhalten.
Auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht der Strafausspruch, da das Landgericht sowohl die Strafrahmenwahl als auch die Strafbemessung im engeren Sinne ausdrücklich mit dem Verhalten des Angeklagten in der Hauptverhandlung begründet hat. Über die Strafe ist deshalb neu zu befinden.
Maatz Kuckein Athing
Ernemann Sost-Scheible

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 458/10
vom
14. April 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
Adhäsionskläger:
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. April 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 25. Januar 2010 mit den jeweils zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben
a) hinsichtlich der Fälle II.B.38, II.D.36 und II.D.42 der Urteilsgründe im Schuld- und Strafausspruch,
b) hinsichtlich aller anderen Fälle im Einzelstrafausspruch,
c) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und
d) soweit ein Schadensersatzanspruch der Adhäsionskläger als dem Grunde nach gerechtfertigt festgestellt wurde. 2. Von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge wird abgesehen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden als unbegründet verworfen. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 56 Fällen, wegen Betruges in 81 Fällen, wegen versuchten Betruges in zwei Fällen und wegen Beihilfe zum versuchten Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Angeklagte B. hat das Landgericht wegen gewerbsund bandenmäßigen Betruges in 56 Fällen, wegen Betruges in 78 Fällen und wegen versuchten Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Jeweils ein Jahr der verhängten Strafen wurde als Entschädigung für eine überlange Verfahrensdauer als vollstreckt erklärt.
2
Daneben hat das Landgericht gegen die Angeklagten für die Dauer von drei Jahren ein Berufsverbot für den Beruf eines Vermittlers bzw. Verkäufers von Diamanten verhängt und festgestellt, dass die von drei Adhäsionsklägern geltend gemachten Ansprüche dem Grunde nach gerechtfertigt seien.
3
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revisionen. Diese haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


4
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Die Angeklagten, die sich während ihrer Tätigkeit als Verkäufer für Diamanten bei einer Diamantenhandelsfirma der rechtskräftig verurteilten Eheleu- te W. kennengelernt hatten, machten sich im Jahr 2000 mit einer eigenen Firma, der Firma H&W mit Sitz in R. ( ) selbständig und verkauften (arbeitsteilig und untereinander abgestimmt) im Zeitraum von September 2000 bis Januar 2003 in 78 Fällen Diamanten minderer Qualität zu überhöhten Preisen an Privatanleger und versuchten dies in zwei weiteren Fällen. Zur Vorbereitung dieser Geschäfte wurde den Kunden zunächst ein kleiner, weißer, hochwertiger Diamant angeboten, verbunden mit der Garantie, diesen gegen Rückzahlung des Kaufpreises zuzüglich eines Bonus (bis 10%) binnen weniger Monate zu- rück zu nehmen („Opening“). Kunden, die die Werthaltigkeit dieser Diamanten andernorts überprüfen ließen, wurde die Angemessenheit des Kaufpreises bestätigt. Sodann wurden den Kunden - zumeist gegen Verrechnung des für die nunmehr zurückgenommenen hochwertigen Diamanten gezahlten Kaufpreises zuzüglich der vereinbarten Boni - größere Diamanten geringerer Qualität aus der gelblichen und bräunlichen Farbskala zu deutlich überhöhten Preisen ver- kauft („Loading“). Die Angeklagten oder die von ihnen eingesetzten und ent- sprechend instruierten Verkäufer gaben dabei bewusst wahrheitswidrig an, es handle sich um zur Wertanlage geeignete Diamanten, die sie oder von ihnen einzuschaltende Auktionshäuser mit erheblichen Gewinnen (zum Teil an angeblich bereits bekannte Interessenten) weiterveräußern würden. Anderslautende Angaben in schriftlichen Verkaufsunterlagen wurden jeweils entkräftet.
6
Nach umfangreichen Ermittlungsmaßnahmen (Durchsuchungen) wegen des Verdachts des Betruges wurde der Betrieb der Firma H&W - wie auch der Betrieb eines Juweliergeschäfts der Angeklagten in Offenburg - bis Mitte des Jahres 2003 endgültig eingestellt. Der Angeklagte H. war vom 17. Januar 2003 bis 19. Februar 2003 in Untersuchungshaft. Ab der zweiten Hälfte des Jahres 2003 waren die Angeklagten als Telefonverkäufer für Diamanten bei einer in Karlsruhe ansässigen Firma tätig, bevor sie Anfang des Jahres 2004 beschlossen, gemeinsam und unter Beteiligung der Zeugin Hu. das bei der Firma H&W praktizierte Geschäftsmodell fortzusetzen und erneut in der vorbeschriebenen Weise Diamanten zu veräußern. Den Sitz der von ihnen zu diesem Zweck neu gegründeten HBS ( ) verlegten sie mit Blick auf die in Deutschland geführten Ermittlungsverfahren nach Frankreich (angeblicher Unternehmenssitz in Paris, , tatsächlicher Sitz im Elsass). Sie wandten sich - größtenteils unter Verwendung von Falschnamen - bis zu deren Auflösung Ende des Jahres 2006 in den 59 der Verurteilung zugrundeliegenden Fällen (von denen drei dem Angeklagten H. allein zur Last gelegt werden) ausschließlich an Kunden aus Österreich oder der deutschsprachigen Schweiz. In dieser Zeit überließ der Angeklagte H. darüber hinaus in zwei Fällen gegen Zahlung von mindestens 30.000 € Kundenadressen an seinen Schwager, der- wie der Angeklagte wusste - ebenfalls mittels Täuschung minderwertige Diamanten zu überhöhten Preisen an Privatleute verkaufte und der - was der Angeklagte billigend in Kauf nahm - dies sodann bei mehreren ihm genannten Kunden der Firma HBS auch versuchte.
7
Auf Anraten ihrer Verteidiger und aufgrund einer Durchsuchung bei einem ihrer deutschen Lieferanten lösten die Angeklagten die Firma HBS Ende des Jahres 2006 auf. Sie kamen kurz darauf aber mit anderweitig rechtskräftig Verurteilten überein, Diamantenverkäufe nach gleichem Muster mittels einer anderen, ebenfalls in Frankreich ansässigen Firma fortzusetzen, was sie in der Folgezeit bis zur erneuten Festnahme des Angeklagten H. dann auch taten. Diesbezüglich wurde das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
8
Insgesamt erzielten die Angeklagten mit Verkäufen über die Firma H&W Einnahmen in Höhe von knapp 4 Mio. € (ca. 1 Mio. € davon in den 80 verfahrensgegenständlichen Fällen), mit Verkäufen über die Firma HBS rund 2,5 Mio. € (rund 1,1 Mio. € davon in den 59 verfahrensgegenständlichen Fällen ). Die Angeklagten haben vorgetragen, die hieraus erzielten und hälftig ge- teilten Gewinne (bei Firma HBS mindestens 700.000 €) vollständig verbraucht zu haben.
9
2. Die Strafkammer hat alle festgestellten Fälle des Verkaufs farbiger Di- amanten („Loading“-Geschäfte) als Betrug bzw. versuchten Betrug gewertet. In Bezug auf die im Zusammenhang mit der Firma HBS stehenden Fälle liege gewerbs- und bandenmäßiger Betrug (begangen zusammen mit der Zeugin Hu. ) vor, zu dem sich die Angeklagten „anlässlich eines Treffens, vermutlich in der Wohnung der Zeugin Hu. , jedenfalls aber in der Bundesrepublik Deutschland“ (UA S. 87) verabredet hatten.
10
Ein Schaden der getäuschten Kunden liege darin, dass die farbigen Diamanten - außer in den Fällen II.B.38, II.D.36 und II.D.42 der Urteilsgründe - nicht zu der von den Geschädigten angestrebten Kapitalanlage geeignet gewesen seien, die Geschädigten also täuschungsbedingt ein aliud gegenüber dem vertraglich vorausgesetzten Gegenstand erworben hätten. Es habe sich um schwer verkäufliche Massenware gehandelt, die in der Schmuckbranche kaum Beachtung finde und für die ein geregelter Markt - insbesondere für den Verkauf von Privat - nicht existiere. Ein Wiederverkauf der Diamanten sei den Geschädigten - wenn überhaupt - nur mit erheblichem zeitlichem und finanziellem Aufwand möglich. Dies begründe einen Schaden in Höhe der Kaufsumme. Bei der Strafzumessung hat die Strafkammer basierend auf einem Sachverständi- gengutachten den maximal zu realisierenden Gegenwert der veräußerten Diamanten strafmildernd berücksichtigt.
11
In den Fällen II.B.38, II.D.36 und II.D.42 der Urteilsgründe hat das Landgericht zugunsten der Angeklagten angenommen, dass die veräußerten Diamanten von besserer Qualität und deshalb grundsätzlich zu Anlagezwecken geeignet gewesen seien; sie seien allerdings den verlangten Kaufpreis nicht wert gewesen (UA S. 59, 127, 135). Die Käufer seien über Wiederverkaufsmöglichkeiten und über den unter dem Kaufpreis liegenden Wert der Diaman- ten getäuscht worden (UA S. 219). Es bestehe eine „nicht vertragsimmanente Verlustgefahr“ (UA S. 293).

II.


12
Ein Prozesshindernis besteht nicht. Aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen ist deutsches Strafrecht auch in den im Zusammenhang mit der Firma HBS stehenden Fällen anwendbar.
13
Es kann dahinstehen, ob sich dies - entgegen anderslautender, im Auftrag der Angeklagten erstellter Rechtsgutachten - aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB i.V.m. § 146 des Österreichischen Strafgesetzbuches bzw. Art. 146 des Schweizerischen Strafgesetzbuches ergibt. Letztgenannte Norm setzt zwar ein arglistiges Irreführen des Betrogenen voraus, was aber nach der dazu ergangenen Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts nicht erfordert, dass das Täuschungsopfer die größtmögliche Sorgfalt walten ließ und alle erdenklichen ihm zur Verfügung stehenden Vorkehrungen getroffen hatte. Der strafrechtliche Schutz nach Art. 146 des Schweizer Strafgesetzbuches entfällt nicht bei jeder Fahrlässigkeit des Opfers, sondern nur in Ausnahmefällen, in denen das Opfer die angesichts der konkreten und seiner persönlichen Umstände angemesse- nen, grundlegendsten Vorsichtsmaßregeln leichtfertig nicht beachtet, was das betrügerische Verhalten des Täters in den Hintergrund treten lässt (Schweizer Bundesgericht, Urteil vom 15. Dezember 2008, BGE 135 IV 79, 81 mwN). Hier war das Vorgehen der Angeklagten immerhin darauf ausgerichtet, leichtfertiges und auf mangelndem Fachwissen beruhendes Anlageverhalten der Geschädigten skrupellos auszunutzen und - insbesondere durch die „Loading“-Geschäfte - besonderes Vertrauen zu wecken, aufgrund dessen voraussehbar eine (zeitnahe) Überprüfung der Diamanten unterblieb. So war das von den Angeklagten errichtete Lügengebäude so raffiniert abgestimmt, dass sich auch ein kritisches Opfer täuschen lassen konnte (vgl. Schweizer Bundesgericht, Urteile vom 4. Juni 1996, BGE 122 IV 197, 205 und vom 25. Oktober 2001, BGE 128 IV 18, 20; vgl. auch Arzt in Niggli/Wiprächtiger, Basler Kommentar zum Strafrecht , 2. Aufl., Art. 146 StGB Rn. 71 ff.).
14
Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ergibt sich jedenfalls - worauf die Strafkammer mit Blick auf eine vorherige Stellungnahme der Staatsanwaltschaft hinreichend deutlich gemäß § 265 StPO hingewiesen hatte - aus §§ 3, 9 Abs. 1 StGB, da ein inländischer Tatort besteht. Unabhängig davon, dass ein Tatort für jeden der mittäterschaftlich agierenden Angeklagten dort begründet ist, wo einer von ihnen gehandelt hat, auch wenn sich das Handeln auf Tatbeiträge beschränkt, die - wie hier etwa der Erwerb der gegenständlichen Diamanten in Deutschland - für sich gesehen nur Vorbereitungshandlungen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2009 - 1 StR 705/08 mwN, NStZ-RR 2009, 197), ist hier deutsches Strafrecht schon deswegen anwendbar, weil sich die Angeklagten nach den Feststellungen der Strafkammer jedenfalls in Deutschland (UA S. 87) zur Begehung des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges (also eines Verbrechens, § 263 Abs. 5 StGB) verabredet hatten. Diese selbständig gemäß § 30 Abs. 2 StGB mit Strafe bedrohte Vorbereitungshandlung begründet einen inländischen Tatort, auch wenn die Strafbarkeit nach § 30 Abs. 2 StGB als gegenüber der Ausführung der verabredeten Tat subsidiär zurücktritt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 1992 - 2 StR 442/92, NJW 1993, 1405). Einer Strafbarkeit nach § 30 Abs. 2 StGB steht nicht entgegen, dass Zeit, Ort und Modalitäten der geplanten Straftaten im Einzelnen noch offen blieben, denn die Verabredung eines Verbrechens setzt nur voraus, dass sie - wie hier - in ihren wesentlichen Grundzügen konkretisiert ist (BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - 3 StR 140/07, NStZ 2007, 697). Einer Bandenabrede als Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 30 Abs. 2 StGB stünde es hier ferner nicht entgegen, wenn die Zeugin Hu. - ohne deren erklärte Mitwirkungsbereitschaft sich die Angeklagten nur zu mittäterschaftlichem Handeln, nicht aber zu einer bandenmäßigen Begehungsweise verabreden konnten - bei allen zu begehenden Taten nur Gehilfin hätte sein sollen. Denn Mitglied einer Bande kann auch derjenige sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen (BGH, Beschluss vom 19. April 2006 - 4 StR 395/05, NStZ 2007, 33). Es bedarf daher keiner abschließenden Erörterung, ob die Urteilsfeststellungen (abweichend zu den Feststellungen und Wertungen im Urteil betreffend die Zeugin Hu. ) auch die Annahme von deren mittäterschaftlicher Beteiligung trügen. Dem stünde jedenfalls nicht entgegen, dass sie in eigener Person keine tatbestandliche Ausführungshandlung vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 1992 - 2 StR 442/92, NStZ 1993, 180). Vielmehr reicht für eine Tatbeteiligung als Mittäter ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag aus, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränken kann (BGH, Urteil vom 25. Oktober 1994 - 4 StR 173/94, NStZ 1995, 120).

III.


15
In den Fällen II.B.38, II.D.36 und II.D.42 der Urteilsgründe ist das angefochtene Urteil auf die Sachrüge aufzuheben.
16
Die Feststellungen in den Urteilsgründen tragen eine Verurteilung wegen Betruges (§ 263 StGB) nicht, denn sie belegen keine zu einer schädigenden Vermögensverfügung führende Täuschungshandlung. Die in diesen Fällen zugunsten der Angeklagten angenommene Eignung der Diamanten als Wertanlage impliziert, dass ein in den Diamanten verkörperter materieller, potentiell steigender Wert tatsächlich realisierbar war oder ist. Insofern hätte es näherer Erörterung bedurft, ob die Anleger ihre Entscheidung auf eine bestimmte, in Wahrheit aber nicht gegebene Wiederverkaufsmöglichkeit stützten oder ob es ihnen ausreichend war, dass die Diamanten - wovon die Strafkammer ebenfalls ausging - „auch auf einer Auktion angenommen werden könnten“ (UA S. 219). Dies ist hier auch deshalb bedeutsam, weil die Geschädigten in den genannten Fällen „Aussicht“ hatten, „ihr Geld wieder zu erhalten“ (UA S. 293), und Weiterverkäufe zumindest „bei besonders insistierenden Geschädigten“ (UA S. 293) tatsächlich (wenn auch zum Nachteil neuer Geschädigter) erfolgten. Allein das Fordern eines bestimmten, überhöhten Preises enthält für sich genommen noch keine Täuschung, insbesondere beinhaltet es grundsätzlich - vom hier nicht vorliegenden Fall tax- oder listenmäßig festgelegter Preise abgesehen - nicht die Behauptung der Angemessenheit oder Üblichkeit des geforderten Preises. Vereinbarungen über den Austausch von Gütern und Leistungen unterliegen der Vertragsfreiheit. Grundsätzlich darf jeder Teilnehmer am Geschäftsverkehr seine bessere Information oder überlegene Sachkenntnis zu seinem Vorteil ausnutzen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni 1989 - 2 StR 252/89, NJW 1990, 2005; OLG Stuttgart, wistra 2003, 276; OLG München, wistra 2010, 37). Insofern hätte es näherer Darlegungen bedurft, worin in diesen Fällen eine Täuschung der jeweiligen Anleger begründet sein soll, etwa weil diese nach allgemeinen Marktgepflogenheiten oder aufgrund der besonderen Umstände der Vertragsanbahnung darauf vertrauen durften, die Angeklagten würden nur den listen-, tax- oder handelsüblichen Preis verlangen oder der Aufschlag zum Einkaufspreis oder zu einem zu ermittelnden (Verkehrs-)Wert würde eine bestimmte Marge nicht überschreiten.
17
Da der Senat nicht ausschließen kann, dass weitere, eine Verurteilung wegen Betruges tragende Feststellungen getroffen werden können, verweist er die Sache unter Aufhebung der den genannten Fällen zugrunde liegenden Feststellungen an einen neuen Tatrichter zurück (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Senat hat erwogen, ob die im Falle einer Verurteilung in Betracht kommenden Einzelstrafen bei der neu zu bildenden Gesamtstrafe ins Gewicht fallen könnten oder ob in den genannten Fällen eine Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO in Betracht käme. Die Entscheidung hierüber kann indes dem neuen Tatrichter überlassen bleiben.

IV.


18
Zu Recht beanstanden die Revisionen mit jeweils zulässig erhobener Verfahrensrüge die Zurückweisung eines gegen einen Sachverständigen gerichteten Ablehnungsgesuchs (nachfolgend 1. und 2.). Dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs (nachfolgend 3.). Die weitergehende Sachrüge und die weitergehenden Verfahrensrügen sind demgegenüber unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO (dazu nachfolgend 4.).
19
1. Der Rüge einer Verletzung des § 74 StPO liegt Folgendes zugrunde:
20
Die Strafkammer hatte sich zur Bestimmung des Wertes der verfahrensgegenständlichen Diamanten des Sachverständigen P. (ein von der Industrie - und Handelskammer öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schmuck, insbesondere für Diamanten und Farbsteine) bedient, der sich ob des Umstands, dass er die Diamanten nicht aus ihrer Verblisterung entnommen hat, Beanstandungen der Verteidigung ausgesetzt sah, die sich insoweit auf eine von ihr schriftlich befragte Sachverständige aus Graz berief. An diese wandte sich der Sachverständige P. sodann mit einem auf den 22. Mai 2009 datierten Schreiben, in dem er anfragte, ob sie zustimme, dass eine Bewertung (im Unterschied zu einer Graduierung) verblisterter Farbdiamanten auch dann möglich sei, wenn diese nicht aus der Verpackung genommen werden. Weiter heißt es in dem Schreiben:
21
„In diesem Zusammenhang ist es vielleicht noch hilfreich zu wissen, dass Herr S. [Verteidiger des Angeklagten H. ] früher durch Anlagebetrüger geschädigte Privatpersonen in Zivilverfahren vertreten hat, inzwischen jedoch die Seiten gewechselt hat und seit einiger Zeit potenzielle, zum Teil bandenmäßige Diamant-Anlagebetrüger verteidigt.“
22
Die nach Bekanntwerden dieses Vorgangs von der Verteidigung angebrachten Ablehnungsgesuche gegen den Sachverständigen P. hat die Strafkammer zurückgewiesen und - soweit hier relevant - ausgeführt: Weder die Kontaktaufnahme des Sachverständigen als solche (es sei ihm um eine „fachliche Klärung unter Darlegung seines Standpunkts“ gegangen), noch der Um- stand, dass er diese erst auf Nachfrage offenbarte, begründe die Besorgnis der Befangenheit. Die vorzitierte Formulierung sei „nicht zu beanstanden“, weil sie ohne rechtliche Würdigung auf Umstände hinweise, die zutreffend seien (den Angeklagten liegen Betrugstaten zur Last und der angesprochene Verteidiger vertritt in anderen Verfahren Mandanten, denen bandenmäßige Betrugstaten im Diamantenbereich vorgeworfen werden). Ein konkreter Bezug zum vorliegenden Verfahren werde nicht hergestellt. Die Ausführungen des Sachverständigen seien für die Klärung der „erbetenen fachlichen Ergänzung zwar nicht geboten“ gewesen, das Vorgehen müsse allerdings vor dem Hintergrund einer von der Verteidigung geführten Korrespondenz gesehen werden, in der ihm ein nicht sachverständigen Grundsätzen entsprechendes Vorgehen vorgeworfen werde, was dem Sachverständigen Anlass zu einer Richtigstellung gab. Die zitierte Passage sei daher „auch als auf seinen eigenen Ruf bezogene Gegendarstellung zu verstehen“. Anhaltspunkte für schwerwiegende Zerwürfnisse oder tiefgreifende Animositäten zwischen Verteidigung und dem Sachverständigen gebe es nicht, solche habe auch die Verteidigung nicht vorgetragen. Im Übrigen sei die angeschriebene Sachverständige nicht als Gutachterin eingeschaltet oder benannt worden.
23
2. Die Zurückweisung der Ablehnungsgesuche ist rechtsfehlerhaft. Das festgestellte Verhalten des Sachverständigen P. ist geeignet, bei einem vernünftigen Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
24
a) Ein Sachverständiger kann gemäß § 74 Abs. 1 StPO aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. So kann ein Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden , wenn er durch mündliche oder schriftliche Äußerungen den Eindruck der Voreingenommenheit hervorgerufen hat. Bei der Beurteilung der Ablehnung von Sachverständigen ist das Revisionsgericht an die Tatsachen gebunden, die der Tatrichter seiner Entscheidung zu Grunde gelegthat (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2007 - 1 StR 331/07 mwN, NStZ 2008, 50; BGH,Urteil vom 2. August 1995 - 2 StR 221/94, BGHSt 41, 206, 211). Es entscheidet - ohne eigene Ermittlungen - als Rechtsfrage, ob die Strafkammer über das Ablehnungsgesuch ohne Verfahrensfehler und mit ausreichender Begründung befunden hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. September 2007 - 1 StR 407/07, NStZ 2008, 229; BGH, Beschluss vom 23. März 1994 - 2 StR 67/94, NStZ 1994, 388; bei Becker NStZ-RR 2002, 66 mwN).
25
b) In den Ablehnungsgesuchen haben die Angeklagten Umstände angeführt , die von ihrem Standpunkt aus bei verständiger Würdigung Anlass geben konnten, an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu zweifeln. Dies wird hier weder durch eine Stellungnahme des betroffenen Sachverständigen (deren Erholung vor der Entscheidung über den Befangenheitsantrag - wie regelmäßig - zweckmäßig gewesen wäre; vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2007 - 1 StR 331/07, NStZ 2008, 50) noch durch die in den Zurückweisungsbeschlüssen genannten Gründe entkräftet.
26
Zwar geht die Strafkammer zutreffend davon aus, dass weder auf die von der Verteidigung behaupteten Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen noch auf den Umstand, dass der Sachverständige eine wissenschaftliche Meinung vertritt, die sich zum Nachteil des Angeklagten auswirken könnte, ein Befangenheitsantrag gestützt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2006 - 2 StR 436/06; BGH, Beschluss vom 20. November 2001 - 1 StR 470/01; BGH, Urteil vom 2. August 1995 - 2 StR 221/94). Indes erschließt sich dem Senat ein Bezug zwischen vorangehenden Äußerungen der Verteidigung über die gutachterliche Tätigkeit des Sachverständigen und dem vom Sachverständigen im Zusammenhang mit seiner Anfrage als „hilfreich“ bezeichneten Hinweis im Schreiben vom 22. Mai 2009 nicht; dieser enthält keine sachliche Richtigstellung. Unabhängig davon, dass der „Hinweis“ in seinem Tatsachen- kern zwar nichts Unzutreffendes enthält, ist nicht ersichtlich, welche Rolle der Mandatsstruktur eines Verteidigers bei der Wertbestimmung von Diamanten zukommen könnte. Der „Hinweis“ ist in seinem Kontext geeignet, den Eindruck zu erwecken, als stellte der Sachverständige demgegenüber einen solchen Zusammenhang her. Dem kommt vorliegend deswegen besondere Bedeutung zu, weil (wovon die Strafkammer auch im Urteil ausgeht) speziell die in Rede stehende Bewertung von Farbdiamanten - anders als etwa bei typisierten Analyseverfahren oder wissenschaftlich objektivierten Untersuchungsverfahren - nicht unwesentlich Ausfluss der auf persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen basierenden Sachkunde des jeweiligen Sachverständigen ist. Deshalb ist hier ein strenger Maßstab an die Unbefangenheit des Sachverständigen anzulegen. Die beanstandeten, außerhalb eigener wissenschaftlicher Publikationen erfolgten Äußerungen des Sachverständigen können aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Angeklagten Zweifel begründen, ob der Sachverständige , der auf seinem Fachgebiet ein besonderes, nicht allgemein verfügbares Wissen besitzt und mit dieser Sachkunde das Gericht bei der Wahrheitserforschung im zu entscheidenden Fall unterstützen soll, die ihm obliegende Aufgabe unvoreingenommen und unparteiisch erfüllen werde.
27
3. Der aufgezeigte Verstoß gegen § 74 StPO führt in den verbleibenden Fällen (s.o. III.) zur Aufhebung des Strafausspruchs.
28
a) Die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Vermögensschaden entstanden ist, bestimmt sich auch in Fällen sogenannten Anlagebetrugs grundsätzlich anhand der Differenz zwischen dem vereinbarten oder dem gezahlten Preis und dem nach allgemeinen Kriterien zu bestimmenden (Markt)Wert des Anlageobjekts (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1983 - 1 StR 550/82, NStZ 1983, 313). An einem Schaden fehlt es, soweit die Vermögensminderung durch den wirtschaftlichen Wert des Erlangten ausgeglichen wird. Bei der deshalb - wie stets - gebotenen Gesamtsaldierung ist jedoch auch der subjektive Wert des Erlangten für den Verletzten zu berücksichtigen. Ist nach dem Urteil eines sachlichen Beurteilers eine (möglicherweise sogar objektiv gleichwertige) Gegenleistung des Täuschenden bei normativer Betrachtung unter Berücksichtigung der individuellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse und Verhältnisse des Geschädigten sowie der von ihm verfolgten Zwecke subjektiv wertlos, begründet dies einen Vermögensschaden in voller Höhe des zur Erlangung der Gegenleistung aufgewandten (sog. persönlicher Schadenseinschlag, st. Rspr. seit BGH, Beschluss vom 16. August 1961 - 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321; vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. Juni 2006 - 1 StR 245/09, wistra 2010, 407; Tiedemann in LK-StGB, 11. Aufl., § 263 Rn. 178; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 263 Rn. 121). Insofern kann als Schaden die gesamte Leistung des Tatopfers dann anzusehen sein, wenn ein Anleger über Eigenart und Risiko des Geschäftes derart getäuscht worden ist, dass er etwas völlig anderes erwirbt, als er erwerben wollte („aliud”), die empfangene Gegenleistung für ihn mithin in vollem Umfang unbrauchbar ist (BGH, Beschluss vom 28. Juni 1983 - 1 StR 576/82, BGHSt 32, 22; Beschluss vom 14. Juli 2010 - 1 StR 245/09; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 263 Rn. 127 mwN).
29
So verhält es sich hier, weil nach den Feststellungen der Strafkammer die verfahrensgegenständlichen Farbdiamanten von so geringer Qualität waren , dass sie - entgegen den Angaben der Angeklagten - nicht zur Kapital-, Wert- oder Geldanlage geeignet waren. Eine den von den Geschädigten gezahlten Kaufpreis erbringende Weiterverkaufsmöglichkeit bestand für derartige Diamanten nicht. Da die Anleger - wie den Angeklagten bekannt war und was diese bewusst für ihre Täuschungshandlung ausnutzten - ausschließlich aus Gründen der möglichst gewinnbringenden Kapitalanlage Diamanten erwerben wollten, besteht aus der Sicht eines objektiven Betrachters auch keine andere Verwendung, die den Kaufpreis aufwiegen könnte.
30
Ihre diesbezügliche Überzeugung stützt die Strafkammer - insoweit rechtsfehlerfrei - auf frühere Einlassungen der Angeklagten, die Angaben eines sachverständigen Zeugen und weiterer Zeugen sowie die schriftlichen Unterlagen der Firmen H&W und HBS, in denen die Diamanten als nicht zur Geldanla- ge geeignete „Sammlerstücke“ bezeichnet werden. Insoweit lediglich darüber hinaus und „unabhängig davon“ (UA S. 215) rekurriert die Strafkammer auf die Angaben des Sachverständigen P. . Der Senat kann daher ausschließen, dass die den Schuldspruch tragenden Erwägungen der Strafkammer auf den Angaben des Sachverständigen P. beruhen. Sie sind rechtsfehlerfrei.
31
b) Indes kann der Strafausspruch keinen Bestand haben.
32
Die Strafkammer legt - zutreffend - als strafzumessungsrelevanten Vermögensschaden die Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und einem auch ohne Vorhandensein eines geregelten Marktes ermittelbaren objektiven Wert der Farbdiamanten zugrunde. Letzteren hat sie jedoch (als absoluten Wert oder mittels eines Zuschlags) „den Ausführungen des Sachverständigen P. entnommen“ (UA S. 215) und sich „von der Richtigkeit der Bewertungen des Sachverständigen P. “ insoweit überzeugt, als dieser Abweichungen zu anderen als den von ihm dargelegten Bewertungsparametern und -ergebnissen nachvollziehbar habe erläutern können (UA S. 220 ff.). Damit stützt die Strafkammer ihre Strafzumessungserwägungen maßgeblich auf die Bewertung jenes Sachverständigen, der begründeten Anlass zu Zweifeln an seiner Unbefangenheit hat aufkommen lassen. Dies betrifft auch die Fälle, in denen die Strafkammer als Basis für die Errechnung eines „Mindestschadens“ den von den Angeklagten bezahlten Einkaufspreis annimmt, den sie - entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen (UA S. 217) - für eher hoch ansieht. Der Strafausspruch ist daher aufzuheben und die Sache unter Aufhebung der diesbezüglichen Feststellungen an das Landgericht zurückzuverweisen.
33
Zur Bestimmung der für die Strafzumessung bestimmenden Höhe des dem Geschädigten tatsächlich verbleibenden Schadens als verschuldete Auswirkung der Tat (§ 46 Abs. 2 StGB) ist auch in Fällen eines subjektiven Schadenseinschlags der in dem Erlangten verkörperte Gegenwert zu berücksichtigen , den der Geschädigte mit zumutbarem Einsatz realisieren kann (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2008 - 3 StR 420/08, NStZ 2009, 150; BGH, Urteil vom 7. März 2006 - 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10; BGH, Urteil vom 7. März 2006 - 1 StR 385/05, NStZ-RR 2006, 206; BGH, Beschluss vom 6. September 2000 - 3 StR 326/00, NStZ-RR 2001, 41; BGH, Beschluss vom 6. Juni2000 - 1 StR 161/00, NStZ-RR 2000, 331). Normative Gesichtspunkte können zwar bei der Feststellung eines Schadens eine Rolle spielen, sie dürfen aber, soll der Charakter des § 263 StGB als Vermögens- und Erfolgsdelikt gewahrt bleiben, wirtschaftliche Überlegungen nicht verdrängen (vgl. für § 266 StGB: BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170 Rn. 114). § 263 StGB schützt das Vermögen, nicht die Dispositionsfreiheit. Dass hier ein Weiterverkauf unmöglich gewesen wäre oder mit im Einzelfall zumutbarem Aufwand keinerlei Veräußerungserlöse hätten erzielt werden kön- nen, lässt sich den Ausführungen im Urteil (wonach ein Verkauf „allenfalls [also immerhin] an Juweliere oder Händler zum Großhandelspreis möglich“ sei, UA S. 235) nicht mit hinreichender Klarheit entnehmen. Sollte sich der neue Tatrichter - gegebenenfalls sachverständig beraten - hiervon nicht überzeugen können, wird es einer Neubewertung der gegenständlichen Diamanten bedürfen. Der neue Tatrichter ist dabei nicht gehalten, einen theoretisch maximal zu erzielenden Veräußerungserlös anzunehmen, wenn dieser nur mit für den jeweiligen Anleger unzumutbarem Aufwand realisierbar wäre.
34
4. Die weitergehende Sachrüge und die weitergehenden Verfahrensrügen zeigen aus den vom Generalbundesanwalt aufgezeigten Gründen keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Der Erörterung bedarf insoweit lediglich Folgendes:
35
a) Soweit die Revision rügt, dass bei der Verlesung der beiden - zugelassenen - Anklagesätze entgegen § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO einzelne Spalten oder Zeilen darin enthaltener Tabellen nicht verlesen wurden, diese vielmehr in ein vor dem Abschluss der Vernehmung der Angeklagten zur Sache durchgeführtes Selbstleseverfahren (§ 249 Abs. 2 StPO) gegeben wurden, bleibt ihr der Erfolg versagt.
36
Zwar sind die Regelungen über das Selbstleseverfahren auf die Verlesung des Anklagesatzes nicht übertragbar (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 - GSSt 1/10, Rn.17, NStZ 2011, 297). Der Senat kann aber ausschließen, dass das Urteil hierauf beruht, da der Zweck der Verlesung des Anklagesatzes nicht beeinträchtigt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 - 1 StR 494/99, NStZ 2000, 214). Durch die verlesenen Teile der Anklagesätze waren die dem Angeklagten zur Last liegenden Taten hinreichend umgrenzt; das Verlesen der allgemeinen Schilderung der für alle Fälle gleichartigen Tatausführung ist hierzu ausreichend (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2011, 1 StR 260/09, Rn.15). Die Informationsfunktion gegenüber den Angeklagten und deren Verteidigern war gewahrt; diesen waren die Anklagen vollumfänglich zugestellt worden (§ 201 Abs. 1 Satz 1 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 - GSSt 1/10, Rn. 25, aaO). Auch die Unterrichtung der Öffentlichkeit wurde - unbeschadet der Frage, wann andernfalls ein Urteil hierauf beruhen könnte - durch das Nichtverlesen einzelner, für das Verständnis der den Angeklagten zur Last liegenden Taten nicht erforderlicher oder förderlicher Einzelheiten (Zertifikationsnummern , Herkunft der Diamanten, Einzelpreisaufschläge u. dgl.) nicht beeinträchtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 - GSSt 1/10, Rn. 29/30, aaO). Es ist nach dem Verfahrensgang ferner nicht zu besorgen, einzelne Prozessbeteiligte - insbesondere Schöffen - könnten das hinsichtlich der „weiteren Details der beiden Anklagesätze“ (Protokollband Bl. 27) angeord- nete Selbstleseverfahren als Beweisaufnahme verstanden haben.
37
b) Die Rüge, mit der die Revision der Angeklagten B. einen Verstoß gegen § 257c Abs. 4 Satz 4, § 265 Abs. 2 StPO und gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens deswegen geltend macht, weil die Strafkammer - ohne darauf hinzuweisen - einen außerhalb der Hauptverhandlung für den Fall des Geständnisses gemachten Vorschlag einer Strafobergrenze erheblich überschritten hat (Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten statt fünf Jahren und neun Monaten), dringt nicht durch.
38
§ 257c StPO ist schon deswegen nicht verletzt, weil eine Verständigung nicht zustande gekommen ist. Auch eines Hinweises gemäß oder entsprechend § 265 Abs. 2 StPO bedurfte es nicht. Die Angeklagte hat (anders als in der BGH, Beschluss vom 26. September 2001 - 1 StR 147/01, zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellation) weder vor noch nach dem gerichtlichen Vorschlag ein Geständnis abgelegt. Eine Hinweispflicht mit Blick auf den Grundsatz des fairen Verfahrens ergibt sich hier auch nicht daraus, dass zum Zeitpunkt der Verständigungsbemühungen in einer vorangehenden, dann aber ausgesetzten Hauptverhandlung ein Teil der Beweisaufnahme (zu einem Teilkomplex) bereits durchgeführt war, dass der Vorsitzende den Inhalt des abgelehnten Verständigungsvorschlags zu Beginn der Hauptverhandlung erneut verlas und dass die Verurteilung (nach Abtrennung und Teileinstellung) weniger Taten umfasst, als sie dem Verständigungsvorschlag zugrunde lagen. Eine bestimmte „Obergrenze“ für den Fall streitiger Hauptverhandlung wurde nicht zugesagt. Die Ange- klagte konnte nicht darauf vertrauen, die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer werde sich - abweichend zu § 261 StPO - nach Durchführung der insgesamt erforderlichen Beweisaufnahme an dem für den Fall des Geständnisses genannten Strafrahmen orientieren und diesen um nicht mehr als eine bestimmte, gar mathematisch zu bestimmende Größe überschreiten. Es liegt auf der Hand, dass sich nach umfangreicher Beweiserhebung in einer langen Hauptverhandlung ein zunächst gewonnener Eindruck von Tat und Täter im Einzelfall entscheidend zum Vor- oder zum Nachteil des Angeklagten verändern kann und demzufolge einem für den Fall eines Geständnisses vor oder zu Beginn einer Hauptverhandlung in den Raum gestellten Strafrahmen für die Strafzumessung nach langer streitiger Hauptverhandlung in der Regel keine Bedeutung mehr zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 400/10, wistra 2011, 139). Bindende (§ 257c StPO) oder sonst Vertrauen begründende Zusagen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 1989 - 2 StR 66/89, NStZ 1989, 438 mit Anm. Strate ebda.) können nur Bestand haben, wenn die daran geknüpften Voraussetzungen auch tatsächlich eintreten. Es ist fernliegend, dass sich aus einem „nicht angenommenen Angebot“ gleichwohl Ansprüche auf bestimmte Rechtsfolgen ableiten lassen sollten (BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2010 - 2 StR 354/10, wistra 2011, 28).
39
c) Zu der von der Revision beanstandeten Behandlung von Beweisanträgen , die Fragen der Bewertung der Diamanten, also den schon aus anderen Gründen aufzuhebenden Strafausspruch betreffen, merkt der Senat an:
40
Wird zum Beweis einer einem Sachverständigenbeweis zugänglichen Behauptung (hier zu Verkaufspreisen fantasiefarbiger Diamanten in Österreich) die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, kann dieser Antrag nicht mit der Begründung als „ungeeignet“ zurückgewiesen werden, der im Antrag benannte Sachverständige sei für die erforderliche Begutachtung ungeeignet. Es obläge vielmehr (allein) dem Gericht, wenn der Beweisantrag nicht aus anderen Gründen zurückzuweisen ist, selbst einen geeigneten Sachverständigen zu bestimmen (§ 73 StPO; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Januar 2003 - 1 StR 357/02 mwN). Ein derartiger Beweisantrag kann auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der zu begutachtende Gegenstand liege dem Sachverständigen nicht vor, sondern sei in amtlicher Verwahrung. Anders als in Fällen, in denen zur Gutachtenserstellung erforderliche Tatsachen nicht bekannt sind (hierzu BGH, Urteil vom 14. Juni 1960 - 1 StR 73/60, NJW 1960, 1582) oder nicht beschafft werden können (BGH, Urteil vom 10. Juli 2003 - 3 StR 130/03, NStZ 2003, 611), wären hier die Vorlage der zu begutachtenden Diamanten an einen Sachverständigen und damit die Gutachtenserstellung ohne Weiteres möglich gewesen. Können einem Sachverständigen die zur Gutachtenserstellung erforderlichen tatsächlichen Grundlagen unschwer vom erkennenden Gericht zur Verfügung gestellt werden, ist ein Sachverständigenbeweis nicht völlig ungeeignet i.S.d. § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO. Entsprechendes gilt für die Vorlage in amtlicher Verwahrung befindlicher Gegenstände an (sachverständige) Zeugen.

V.


41
Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich. Demgegenüber kann der Maßregelausspruch (Berufsverbot, § 70 StGB) bestehen bleiben. Gegen die ihn tragenden Erwä- gungen (Missbrauch des Berufs zur Begehung einer Vielzahl erheblicher Straftaten , Gefahr weiterer erheblicher Straftaten, Verhältnismäßigkeit) ist rechtlich nichts zu erinnern (zum Ganzen vgl. Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 70 Rn. 5 ff.). Sie würden durch einen möglichen Wegfall von drei Einzelstrafen und durch einen durch eine Neubewertung der Diamanten nicht ausschließbar geringeren Schuldumfang nicht entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2000 - 3 StR 53/00).
42
Indes sind die Adhäsionsentscheidungen in Übereinstimmung mit den - den Adhäsionsklägern zur Kenntnis gebrachten (§ 406 Abs. 5 StPO) - Anträgen des Generalbundesanwalts aufzuheben. Der Senat sieht von einer Entscheidung über die auf Schadensersatz gerichteten (§ 406 Abs. 1 Satz 6 StPO) Adhäsionsanträge ab, weil diese auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Adhäsionskläger zur Erledigung im Strafverfahren ungeeignet sind (§ 406 Abs. 1 Satz 4 StPO).
43
Es bedarf dazu keiner abschließenden Entscheidung, ob im Lichte des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI des Rates der Europäischen Union vom 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren (ABl. 2001 L 82 S. 1) und nach der zum 1. September 2004 in Kraft getretenen Neufassung der Vorschriften über das Adhäsionsverfahren durch das Opferrechtsreformgesetz (BGBl. I 2004, S. 1354), mit der der Gesetzgeber die Durchführung des Adhäsionsverfahrens zum Regelfall der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche erklärt hat (vgl. auch BVerfG NJW 2007, 1670, 1671 mwN), uneingeschränkt daran festzuhalten ist, dass einem Adhäsionsantrag die Eignung zur Erledigung im Strafverfahren fehlt, wenn zur Überprüfung der geltend gemachten Ansprüche komplizierte Rechtsfragen des internationalen Privatrechts zu entscheiden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2002 - 3 StR 395/03, wistra 2003, 151; OLG Hamburg, wistra 2006, 37; Grau/Blechschmidt/Frick, NStZ 2010, 662; Haller, NJW 2011, 970). Denn die Anwendung dieses Rechts durch die Strafkammer begegnet vorliegend durchgreifenden Bedenken. Soweit die Strafkammer hinsichtlich der in der Schweiz bzw. in Österreich wohnhaften und geschäftsansässigen Adhäsionskläger, die dort von den von Frankreich aus über die Firma HBS agierenden Angeklagten kontaktiert wurden, zutreffend auf Art. 40 Abs. 1 EGBGB rekurriert, hat sie keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die zur Anwendung deutschen Rechts führen. Handlungsort i.S.d. Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ist der Ort, an dem eine unerlaubte Handlung ganz oder teilweise ausgeführt wird; Orte, an denen bloße Vorbereitungshandlungen vorgenommen werden, sind kollisionsrechtlich irrelevant (siehe nur Junker in MünchKomm-BGB, 5. Aufl., Art. 40 EGBGB Rn. 25 mwN). Die erforderlichen weiteren Feststellungen und eine dann u.U. gebotene Ermittlung und Anwendung ausländischen Zivilrechts würde hier einen Abschluss des ohnehin bereits sehr lange andauernden Strafverfahrens erheblich verzögern (§ 406 Abs. 1 Satz 5 StPO).
Nack Hebenstreit Graf
Jäger Sander

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 394/07
vom
3. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Volksverhetzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
21. Februar 2008 in der Sitzung am 3. April 2008, an denen teilgenommen haben
:
Richter am Bundesgerichtshof
Becker
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 21. Februar 2008 -
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor in der Verhandlung vom 21. Februar 2008,
Justizangestellte in der Sitzung vom 3. April 2008
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 7. März 2007 in den Fällen II. 3., 4., 6., 7. und 8. der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts machte sich der Angeklagte , der seit seinem 14. Lebensjahr in politisch rechtsgerichteten Organisationen und Parteien aktiv und seit dem Jahre 1998 Mitglied des Bundesvorstands der NPD ist, im Jahre 1993 mit dem Handel von CDs unter dem Namen "P. Liste" selbstständig. Seit dem Jahre 1996 bestritt er seinen Lebensunterhalt ausschließlich mit dieser Tätigkeit. Im Januar 1998 brachte er sein Unternehmen in die der NPD nahestehende "D. Verlags Gesellschaft mbH" ein. Dort war er zunächst als Produktionsleiter angestellt und für alle Artikel verantwortlich, die der Verlag vertrieb; seit dem Jahre 2004 ist er einer von zwei Geschäftsführern. Der Angeklagte hatte bei der Auswahl der CDs freie Hand und trug die Verantwortung für die rechtliche Seite der Produktionen. Dabei war ihm klar, dass sich die von dem Verlag unter seiner Leitung vertriebenen Liedtexte teilweise am Rande der Legalität bewegten. Anlässlich einer Durchsuchung der Räumlichkeiten der "D. Verlags Gesellschaft mbH" im März 2003 wurden insgesamt 250 verschiedene CDs sichergestellt; ihr Inhalt wurde in der Folgezeit überprüft.
2
Hinsichtlich acht dieser CDs hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Sie hat dem Angeklagten vorgeworfen, er habe sich der Volksverhetzung in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Gewaltdarstellung, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, der Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen sowie des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen schuldig gemacht.
3
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen. Es hat dies damit begründet, dass teilweise schon die Voraussetzungen des objektiven Tatbestands der jeweils in Betracht kommenden Strafvorschriften nicht gegeben seien ; teilweise hat es angenommen, der Angeklagte habe nicht vorsätzlich gehandelt bzw. sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden.
4
Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom Generalbundesanwalt - mit Ausnahme des Falles II. 5. der Urteilsgründe - vertretene Rechtsmittel hat einen Teilerfolg.
5
II. Die Revision ist nicht begründet, soweit sie sich gegen den Freispruch des Angeklagten in den Fällen II. 1., 2. und 5. der Urteilsgründe wendet.
6
1. Im Fall II. 1. der Urteilsgründe hat das Landgericht ohne Rechtsfehler den objektiven Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) verneint; denn der Text des Liedes "Geh uns aus dem Weg" auf der CD "Eiserne Jugend" der Gruppe "Foierstoss" wendet sich nicht gegen ein Angriffsobjekt im Sinne der genannten Vorschrift.
7
Die Norm setzt voraus, dass sich der Inhalt einer Schrift, der nach § 11 Abs. 3 StGB CDs gleich stehen, gegen einen Teil der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe richtet. Unter einem - im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden - Teil der Bevölkerung ist eine von der übrigen Bevölkerung auf Grund gemeinsamer äußerer oder innerer Merkmale politischer, nationaler, ethnischer, rassischer, religiöser, weltanschaulicher, sozialer, wirtschaftlicher, beruflicher oder sonstiger Art unterscheidbare Gruppe von Personen zu verstehen, die zahlenmäßig von einiger Erheblichkeit und somit individuell nicht mehr unterscheidbar sind (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 130 Rdn. 4). Dass es sich bei den mit den Bezeichnungen "Linke und Antifa-Brut" sowie "Rote Flut" angesprochenen Personenkreisen nicht um abgrenzbare Bevölkerungsgruppen in diesem Sinne handelt , hat das Landgericht mit revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Interpretation des Liedtextes dargelegt.
8
a) Die Auslegung des Inhalts einer Schrift im Sinne des § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB hat sich wegen des Charakters der Vorschrift als Verbreitungsdelikt an seinem objektiven Sinngehalt, Zweck und Erklärungswert zu orientieren, wie sie von einem verständigen, unvoreingenommenen Durchschnittsleser oder -hörer aufgefasst werden. Ob die Schrift die inhaltlichen Anforderungen des objektiven Tatbestands erfüllt, muss sich demnach in erster Linie aus ihr selbst ergeben. Umstände, die in der Schrift selbst keinen Niederschlag gefunden haben, bleiben grundsätzlich außer Betracht. Insbesondere subjektive Zielsetzungen, Mo- tive, Absichten, Vorstellungen oder Neigungen des Täters müssen zumindest "zwischen den Zeilen" erkennbar sein (vgl. Miebach/Schäfer in MünchKomm StGB § 130 Rdn. 57). Lässt eine Äußerung mehrere Deutungen zu, von denen nur eine strafbar ist, so darf die zur Bestrafung führende Interpretation nur zugrunde gelegt werden, wenn die anderen Deutungsmöglichkeiten, insbesondere solche, die mit der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) vereinbar wären, mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen werden können (vgl. BVerfG NJW 1994, 2943).
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b) Bei einer diesen Maßstäben entsprechenden Auslegung des Inhalts der CD ergibt sich, dass kein ausreichend eingrenzbarer Bevölkerungsteil angegriffen wird.
10
Zwar kann grundsätzlich auch eine politische Gruppierung taugliches Ziel eines Angriffs im Sinne des § 130 Abs. 2 StGB sein (vgl. von Bubnoff in LK 11. Aufl. § 130 Rdn. 9). Bei nicht näher spezifizierten Sammelbegriffen wie "Rote" oder "Linke" ist der bezeichnete Personenkreis jedoch so groß und unüberschaubar und umfasst derart zahlreiche, sich teilweise deutlich unterscheidende politische Richtungen und Einstellungen, dass seine Abgrenzung auf Grund bestimmter Merkmale von der Gesamtbevölkerung nicht möglich ist (vgl. BGHR StGB § 130 Nr. 1 Bevölkerungsteil 1).
11
Ähnliches gilt im Ergebnis für die Bezeichnung "Antifa-Brut". Der Begriff "Antifa" bezeichnet nach allgemeinem Verständnis je nach Zusammenhang linke , linksradikale und/oder autonome Gruppierungen oder Organisationen, die sich das Ziel gesetzt haben, Nationalismus oder Rassismus zu bekämpfen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein auch nur annähernd homogenes Gebilde. Vielmehr ist die Ablehnung von Faschismus, Rassismus und Nationalismus häufig nur der kleinste gemeinsame Nenner, der zwischen den unter- schiedlichen Gruppierungen konsensfähig ist. Treffen sich indes ansonsten politisch -ideologisch ganz unterschiedlich geprägte Personengruppen lediglich in einem gemeinsamen Ziel, so reicht allein dies grundsätzlich nicht aus, um sie als abgrenzbaren Teil der Bevölkerung im Sinne des § 130 Abs. 1 und 2 StGB ansehen zu können; denn die Personenmehrheit ist in diesen Fällen nicht in einem Maße durch gemeinsame individuelle Merkmale geprägt, das sie nach außen als Einheit erscheinen lässt und eine hinreichend sichere Unterscheidung von der übrigen Bevölkerung ermöglicht.
12
Die besonderen Umstände des vorliegenden Falles führen nicht zu einem abweichenden Ergebnis; denn auch dem Kontext, etwa dem Inhalt der übrigen Lieder der CD, sind bei sachgerechter Interpretation keine Gesichtspunkte zu entnehmen, die zu einer hinreichenden Eingrenzbarkeit des angegriffenen Personenkreises führen könnten.
13
2. Auch im Fall II. 2. der Urteilsgründe ist der Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) in Tateinheit mit Gewaltdarstellung (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 und 4 StGB) bezüglich der Texte der Lieder auf der CD "Spirit of 88/White Power Skinheads" der Band "Spreegeschwader" im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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a) Hinsichtlich des Liedes "Ignoranten" liegen - entgegen der Ansicht des Landgerichts, das zur Begründung des Freispruchs auf einen Tatbestandsbzw. unvermeidbaren Verbotsirrtum des Angeklagten abgestellt hat - bereits die Voraussetzungen des objektiven Tatbestands der Norm nicht vor; denn es fehlt an der in allen Alternativen der Vorschrift vorausgesetzten besonderen Intensität des Angriffs.
15
aa) Mit dem Text des genannten Liedes wird zunächst nicht zum Hass gegen einen Teil der Bevölkerung oder eine im Gesetz näher bezeichnete Gruppe von Personen aufgestachelt. Hierunter ist ein Verhalten zu verstehen, das auf die Gefühle oder den Intellekt eines anderen einwirkt und objektiv geeignet sowie subjektiv bestimmt ist, eine emotional gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende, feindselige Haltung gegen den betreffenden Bevölkerungsteil oder die betreffende Gruppe zu erzeugen oder zu verstärken (vgl. BGHSt 40, 97, 102; 46, 212, 217). Der Liedtext enthält zwar abfällige Äußerungen über Türken, Albaner und Russen, denen vor allem die Beherrschung der Schulen und die Begehung bestimmter Arten von Straftaten vorgeworfen wird. Wenn auch Hetze, die sich gegen Ausländer richtet, bei entsprechendem Gewicht regelmäßig tatbestandsrelevant sein kann (vgl. Miebach /Schäfer, aaO § 130 Rdn. 32), so ist hier jedoch die erforderliche besonders intensive Form der Einwirkung (vgl. BGHSt 21, 371, 372) auch unter Beachtung des zu berücksichtigenden Kontextes nicht gegeben.
16
bb) Daneben wird auch nicht zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen die genannten Angriffsobjekte aufgefordert. Dies setzt ein über das bloße Befürworten hinausgehendes, ausdrückliches oder konkludentes Einwirken auf andere mit dem Ziel voraus, in ihnen den Entschluss zu diskriminierenden Handlungen hervorzurufen, die den elementaren Geboten der Menschlichkeit widersprechen (vgl. Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 130 Rdn. 5 b; von Bubnoff, aaO § 130 Rdn. 19). Hierunter fallen etwa Gewalttätigkeiten im Sinne des § 125 StGB, Freiheitsberaubungen, gewaltsame Vertreibungen, Pogrome, die Veranstaltung von Hetzjagden gegen Ausländer und sonstige im Widerspruch zu elementaren Geboten der Menschlichkeit stehende Behandlungen aller Art (vgl. Miebach/Schäfer, aaO § 130 Rdn. 35). Ein derartiger Appellcharakter ist dem Text des genannten Liedes nicht zu entnehmen.
17
cc) Schließlich wird auch nicht die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen , dass eines der genannten Angriffsobjekte beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet wird. Beschimpfen ist eine nach Inhalt oder Form besonders verletzende Äußerung der Missachtung (vgl. BGHSt 46, 212, 216). Unter Verächtlichmachen ist jede auch bloß wertende Äußerung zu verstehen , durch die jemand als der Achtung der Staatsbürger unwert oder unwürdig hingestellt wird (vgl. BGHSt 3, 346, 348). Verleumden erfordert das wider besseres Wissen aufgestellte oder verbreitete Behaupten einer Tatsache, die geeignet ist, die betroffene Gruppe in ihrer Geltung und in ihrem Ansehen herabzuwürdigen (vgl. Fischer, aaO § 130 Rdn. 11). Ein Angriff gegen die Menschenwürde anderer, der sich durch eine dieser Handlungen ergeben muss, setzt voraus, dass sich die feindselige Handlung nicht nur gegen einzelne Persönlichkeitsrechte wie etwa die Ehre richtet, sondern den Menschen im Kern seiner Persönlichkeit trifft, indem er unter Missachtung des Gleichheitssatzes als minderwertig dargestellt und ihm das Lebensrecht in der Gemeinschaft bestritten wird (vgl. BVerfG NJW 2001, 61, 63). Ein noch weiter gehender Angriff etwa auf das biologische Lebensrecht an sich ist nicht erforderlich (vgl. BayObLG NStZ 1994, 588, 589). Auch insoweit kommen grundsätzlich entsprechend intensive ausländerfeindliche Parolen in Betracht (vgl. die Beispiele bei Miebach/Schäfer, aaO § 130 Rdn. 44 m. w. N.).
18
Derart besonders qualifizierte Beeinträchtigungen, die durch ein gesteigertes Maß an Gehässigkeit und Rohheit gekennzeichnet sein müssen, und durch die die Angehörigen des betreffenden Bevölkerungsteils oder der betreffenden Gruppe in ihren grundlegenden Lebensrechten als gleichwertige Persönlichkeiten in der Gemeinschaft verletzt werden und der unverzichtbare Bereich ihres Persönlichkeitskerns sozial abgewertet wird (vgl. BGHSt 36, 83, 90), liegen hier indes nicht vor. Der Gehalt des Textes zielt vielmehr in erster Linie auf das Anprangern eines von den Interpreten postulierten Unverständnisses gegenüber dem vermeintlich legitimen Anliegen ausländerfeindlicher Bevölkerungskreise und eine - wenn auch durchaus massive - Kundgabe der Missbilligung bestimmter behaupteter Zustände.
19
b) Bezüglich des Liedes "Mörder in der Nacht" hat das Landgericht die Verwirklichung des objektiven Tatbestands von § 131 StGB ohne Rechtsfehler verneint, da dem Text keine eindeutig gewaltverherrlichende Aussage zu entnehmen ist.
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3. Der Freispruch des Angeklagten im Fall II. 5. der Urteilsgründe vom Vorwurf der Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen (§ 166 Abs. 1 und 2 StGB) ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
21
Das Landgericht hat den objektiven Tatbestand des § 166 StGB rechtsfehlerfrei mit der Begründung verneint, es fehle an einer ausreichenden Tathandlung , weil dem Angeklagten nicht nachzuweisen gewesen sei, dass er die CD "Der Untermensch" der Gruppe "Camulos" - deren Texte in mehreren Liedern allerdings die inhaltlichen Voraussetzungen des § 166 StGB erfüllen - tatsächlich verbreitet, das heißt, sie ihrer Substanz nach einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht (vgl. BGH NJW 1999, 1979, 1980 zu § 184 StGB m. w. N.) habe. Das Landgericht hat lediglich festgestellt, dass im Lager des Verlags eine CD aufbewahrt wurde. Das bloße Vorrätighalten einer Schrift ist gemäß § 166 StGB indes ebenso wenig mit Strafe bedroht wie der Versuch des Verbreitens (§ 166 Abs. 1 und 2, § 23 Abs. 2, § 12 Abs. 1 und 2 StGB).
22
Soweit das Landgericht im Übrigen in Bezug auf eine mögliche Strafbarkeit wegen Volksverhetzung den Vorsatz des Angeklagten nicht festzustellen vermocht hat, begegnet dies aus den vom Generalbundesanwalt in seiner An- tragsschrift zutreffend dargelegten Gründen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
23
III. Demgegenüber hält das Urteil sachlichrechtlicher Prüfung in den Fällen II. 3., 4., 6., 7. und 8. der Urteilsgründe nicht stand.
24
1. Bei dem Freispruch des Angeklagten im Fall II. 3. der Urteilsgründe vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) im Zusammenhang mit dem Text des Liedes "Rote raus" auf der CD "Herz des Reiches" der Gruppe "Panzerfaust" hat das Landgericht weder den objektiven noch den subjektiven Tatbestand der Vorschrift mit einer rechtlich tragfähigen Begründung ausgeschlossen.
25
a) Entgegen der Meinung der Strafkammer wird mit dem in dem Lied verwendeten Ausdruck "Kommunisten" ein Teil der Bevölkerung im Sinne des Tatbestandes der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 und 2 StGB bezeichnet. Im Gegensatz zu der "Antifa"-Bewegung, in der weltanschaulich unterschiedlich geprägte Gruppierungen lediglich durch ein gemeinsames Ziel vereint sind, verbindet Kommunisten - bei durchaus unterschiedlicher Ausrichtung in Einzelfragen - eine gemeinsame weltanschauliche, politisch-ideologische Grundüberzeugung. Diese gibt der Personenmehrheit ein insgesamt gemeinschaftliches Gepräge, das sie - trotz im Randbereich vorhandener Berührungspunkte und Überschneidungen mit sonstigen, insbesondere politisch linksgerichteten Gruppierungen - in ausreichender Weise von der übrigen Bevölkerung unterscheidbar macht.
26
b) Der Text des Liedes enthält einen Angriff gegen die Menschenwürde anderer, der darin liegt, dass die Kommunisten als Teil der Bevölkerung böswillig verächtlich gemacht werden. In ihm heißt es auszugsweise: "Blöder als die Polizei erlaubt/ Dreckiger als das dreckigste Schwein/ Du stinkst mehr als ein Hundehaufen/ Dein Gehirn ist erbsenklein/ Du bist ein Kommunist und deine Ideen gehören auf den Mist/ Nie wieder werdet ihr unser Volk zerspalten/ Unser Heimat vergewaltigen". Der Refrain lautet: "Rote raus, Rote raus, Rote raus/ Das ist unsre Heimat, hier sind wir zu haus/ Rote raus, Rote raus, Rote raus/ Ihr lächerlichen Kasper, wir lachen euch bloß aus". Bei sachgerechter Auslegung werden hierdurch in eindeutiger Weise Kommunisten nicht nur in einzelnen Persönlichkeitsrechten wie ihrer Ehre getroffen, sondern darüber hinausgehend in besonders gehässiger und roher Weise sozial abgewertet und im Kern ihrer Persönlichkeit verletzt.
27
c) Soweit das Landgericht ausgeführt hat, eine Strafbarkeit des Angeklagten scheide daneben jedenfalls aus subjektiven Gründen aus, da ihm "als Laien" kein Vorsatz nachgewiesen werden könne, wenn selbst die Strafkammer den Text für rechtlich noch vertretbar erachte, hat es die Voraussetzungen vorsätzlichen Handelns verkannt.
28
aa) Das Landgericht hätte, wollte es den Vorsatz des Angeklagten verneinen , aufgrund der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen darlegen müssen, was der Angeklagte im Einzelnen nicht in sein Wissen und Wollen aufgenommen hat. Da im Rahmen des § 130 StGB bedingter Vorsatz ausreicht, kommt es darauf an, ob der Täter das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt (vgl. Fischer, aaO § 15 Rdn. 9 ff.).
29
bb) Dem Landgericht oblag es deshalb, unter Anlegung dieser Maßstäbe zu prüfen, ob der Angeklagte zumindest bedingt vorsätzlich davon ausging, dass in dem betreffenden Lied Kommunisten als Teil der Bevölkerung böswillig verächtlich gemacht werden. Hierfür reichte allein der Hinweis darauf nicht aus, dass die Strafkammer selbst die Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Norm verneint hat. Vielmehr musste sie die maßgebende Vorstellung des Täters zum Zeitpunkt der Begehung der Tat feststellen und würdigen. Dabei war darauf Bedacht zu nehmen, dass der Vorsatz auf der Wissensseite als intellektuelles Element erfordert, dass der Täter sich zurzeit der Handlung des Vorliegens aller Umstände des äußeren Tatbestands bewusst ist.
30
Namentlich bei normativ geprägten Tatbestandsmerkmalen braucht der Täter im Übrigen nicht die aus den Gesetzesbegriffen folgende rechtliche Wertung nachzuvollziehen; insofern genügt die Parallelwertung in der Laiensphäre, die voraussetzt, dass der Täter die Tatsachen kennt, die dem normativen Begriff zugrunde liegen, und auf der Grundlage dieses Wissens den sozialen Sinngehalt des Tatbestandsmerkmals richtig begreift (vgl. Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 15 Rdn. 9, 14).
31
2. Im Fall II. 4. der Urteilsgründe hat das Landgericht zum Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) festgestellt, dass der Angeklagte in den Räumen der "D. Verlags Gesellschaft mbH" zu Verkaufszwecken die CD "Stimme des Volkes 26.03.1999" lagerte. Diese enthielt die Aufnahme einer aus Liedern und Textbeiträgen bestehenden Sendung von "Radio Germania", einem politisch rechtsgerichteten Sender. In zwei Liedern wird unter Anknüpfung an den Sprachgebrauch des Dritten Reiches die Parole der Hitlerjugend "Blut und Ehre" gebraucht. Dem Angeklagten war im Jahre 1999 in einem Gespräch von dem Verantwortlichen des Senders mitgeteilt worden, dass alle Sendungen anwaltlich begutachtet und für unbedenklich gehalten worden seien. Daneben wird von dem Sprecher zu Beginn der Sendung darauf hingewiesen, dass die Sendung "wie immer auch dieses Mal von unseren Rechtsanwälten als strafrecht- lich nicht relevant und ohne Verstöße gegen die Jugendschutzordnung gewertet worden" sei.
32
a) Die Strafkammer hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei angenommen, dass der objektive Tatbestand des § 86 a Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt ist; denn der Angeklagte hielt mit der beschriebenen CD einen Gegenstand zum Zwecke der Verbreitung vorrätig, der ein Kennzeichen einer nationalsozialistischen Organisation im Sinne von § 86 a Abs. 2 Satz 1, § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB enthielt.
33
b) Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht darauf abgestellt , dem Angeklagten könne nicht nachgewiesen werden, er habe gewusst, dass die Verwendung des Begriffspaares "Blut und Ehre" zweifelsfrei auf die Parole der Hitlerjugend hinweise; es fehle somit an der subjektiven Tatseite. Gehe man stattdessen von einem Verbotsirrtum aus, sei dieser unvermeidbar gewesen. Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
34
aa) Zwar können Fehlvorstellungen oder -bewertungen über normative Tatbestandsmerkmale je nach dem Stand der (Un-)Kenntnis des Täters zu einem den Vorsatz und damit die Strafbarkeit ausschließenden Tatbestandsirrtum (§§ 15, 16 StGB) oder zu einem vermeidbaren oder unvermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 StGB) führen, wobei die sachgerechte Einordnung derartiger Irrtümer unter Rückgriff auf wertende Kriterien und differenzierte Betrachtungen vorzunehmen ist (vgl. BGH NStZ 2006, 214, 217). Insoweit kann das Vertrauen des Täters in juristische Auskünfte sowohl im Rahmen des Tatbestandsvorsatzes Bedeutung erlangen als auch sich im Bereich der Schuld auf die Strafbarkeit auswirken (vgl. Kirch-Heim/Samson, wistra 2008, 81). Durch die vom Landgericht getroffenen Feststellungen wird indes weder tragfähig belegt, dass der An- geklagte ohne Vorsatz handelte, noch dass ihm bei Begehung der Tat die Einsicht fehlte, Unrecht zu tun.
35
bb) Weder die pauschale Auskunft des für den Radiosender Verantwortlichen über eine anwaltliche Begutachtung noch der ebenso substanzlose Hinweis des Sprechers zu Beginn der Sendung enthält einen irgendwie näher fassbaren konkreten Hinweis auf eine Strafnorm oder gar ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal. Die Feststellungen lassen deshalb nicht erkennen, wieso der Angeklagte allein aufgrund dieser Auskünfte nicht zumindest im Sinne bedingten Vorsatzes wusste und wollte, dass in den betreffenden Liedern mit der Losung "Blut und Ehre" die Parole der Hitlerjugend wiedergegeben wurde. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte aufgrund seines politischen Werdegangs und seiner über viele Jahre ausgeübten beruflichen Tätigkeit mit dem Vokabular politisch rechtsgerichteter Kreise in hohem Maße vertraut war.
36
cc) Auch ein Verbotsirrtum des Angeklagten ist nicht ausreichend belegt. Wenn der Täter einen in seiner Bedeutung zutreffend erkannten Umstand rechtlich unrichtig subsumiert, kann seine Fehlvorstellung zwar als sog. Subsumtionsirrtum im Rahmen der Schuld Bedeutung gewinnen (vgl. Lackner/Kühl, aaO § 15 Rdn. 14). Hierzu lassen die Urteilsgründe jedoch jegliche näheren Ausführungen vermissen. Der - rechtsfehlerhaften - Annahme eines Tatbestandsirrtums wird vielmehr ohne nähere Begründung diejenige eines Verbotsirrtums "nachgeschoben". Da der Täter bereits dann ausreichende Unrechtseinsicht hat, wenn er bei Begehung der Tat mit der Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun, und dies billigend in Kauf nimmt (vgl. BGHSt 4, 1, 4; 27, 196, 202; BGH NStZ 1996, 236, 237; 338), hier dem Angeklagten aber bewusst war, dass er sich in einem rechtlichen Grenzbereich bewegte, liegt es zumindest nicht nahe, dass er aufgrund der pauschalen Hinweise über das Unrecht seines Tuns irrte.
37
dd) Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht weiter angenommen, ein etwaiger Verbotsirrtum sei unvermeidbar gewesen; hierfür bilden die getroffenen Feststellungen keine ausreichende Grundlage.
38
Die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums setzt voraus, dass der Täter alle seine geistigen Erkenntniskräfte eingesetzt und etwa aufkommende Zweifel durch Nachdenken oder erforderlichenfalls durch Einholung verlässlichen und sachkundigen Rechtsrats beseitigt hat (vgl. BGHSt 21, 18, 20). Dabei müssen sowohl die Auskunftsperson als auch die Auskunft aus der Sicht des Täters verlässlich sein; die Auskunft selbst muss zudem einen unrechtsverneinenden Inhalt haben. Eine Auskunft ist in diesem Sinne nur dann verlässlich, wenn sie objektiv, sorgfältig, verantwortungsbewusst und insbesondere nach pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage erteilt worden ist (vgl. Vogel in LK 12. Aufl. § 17 Rdn. 78, 85). Bei der Auskunftsperson ist dies der Fall, wenn sie die Gewähr für eine diesen Anforderungen entsprechende Auskunftserteilung bietet (vgl. BGHSt 40, 257, 264).
39
Hinzu kommt, dass der Täter nicht vorschnell auf die Richtigkeit eines ihm günstigen Standpunkts vertrauen und seine Augen nicht vor gegenteiligen Ansichten und Entscheidungen verschließen darf. Maßgebend sind die jeweils konkreten Umstände, insbesondere seine Verhältnisse und Persönlichkeit; daher sind zum Beispiel sein Bildungsstand, seine Erfahrung und seine berufliche Stellung zu berücksichtigen (vgl. Fischer, aaO § 17 Rdn. 8).
40
Das Vertrauen auf eingeholten rechtsanwaltlichen Rat vermag somit nicht in jedem Fall einen unvermeidbaren Verbotsirrtum des Täters zu begründen. Wendet sich dieser an einen auf dem betreffenden Rechtsgebiet versierten Anwalt, so hat er damit zwar vielfach das zunächst Gebotene getan (vgl. BGHR StGB § 17 Vermeidbarkeit 3). Jedoch ist weiter erforderlich, dass der Täter auf die Richtigkeit der Auskunft nach den für ihn erkennbaren Umständen vertrauen darf. Dies ist nicht der Fall, wenn die Unerlaubtheit des Tuns für ihn bei auch nur mäßiger Anspannung von Verstand und Gewissen leicht erkennbar ist oder er nicht mehr als eine Hoffnung haben kann, das ihm bekannte Strafgesetz greife hier noch nicht ein. Daher darf der Täter sich auf die Auffassung eines Rechtsanwalts etwa nicht allein deswegen verlassen, weil sie seinem Vorhaben günstig ist (vgl. BGH, Beschl. vom 12. Juni 1985 - 3 StR 82/85). Eher zur Absicherung als zur Klärung bestellte Gefälligkeitsgutachten scheiden als Grundlage unvermeidbarer Verbotsirrtümer aus (vgl. Fischer, aaO § 17 Rdn. 9 a). Auskünfte , die erkennbar vordergründig und mangelhaft sind oder nach dem Willen des Anfragenden lediglich eine "Feigenblattfunktion" (vgl. Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 17 Rdn. 18) erfüllen sollen, können den Täter ebenfalls nicht entlasten (vgl. BGH NStZ 2000, 307, 309). Insbesondere bei komplexen Sachverhalten und erkennbar schwierigen Rechtsfragen ist regelmäßig ein detailliertes, schriftliches Gutachten erforderlich, um einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zu begründen (vgl. Kirch-Heim/Samson, aaO 81, 85).
41
Vor diesem Hintergrund genügen die getroffenen Feststellungen nicht ansatzweise, um die Unvermeidbarkeit eines etwaigen Verbotsirrtums zu belegen. Dem Angeklagten oblag bereits aufgrund seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als der für das Verlagsprogramm verantwortlichen Person eine besondere Erkundigungs- und Prüfungspflicht, an die strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGHSt 37, 55, 66). Dies gilt erst recht im Hinblick auf die sonstigen besonderen Umstände des vorliegenden Falles. So war dem selbst mit den einschlägigen Rechtsfragen vertrauten Angeklagten bewusst, dass er sich in einem rechtlichen Grenzbereich bewegte und die Gefahr der Erfüllung von Straftatbeständen aufgrund des Inhalts der von der "D. Verlags Gesellschaft mbH" angebotenen und vertriebenen CDs nahe lag.
42
Der Angeklagte durfte sich somit allein auf die pauschale mündliche Auskunft eines Dritten über eine anwaltliche Begutachtung ebenso wenig verlassen wie auf die Aussage des Sprechers zu Beginn der Sendung. Beide Hinweise boten keinerlei Gewähr für eine hinreichende inhaltliche Verlässlichkeit; denn sie ließen weder einen Schluss auf den Umfang noch auf die Sorgfältigkeit der rechtlichen Überprüfung zu. Die Auskunft hätte sich zudem inhaltlich darauf richten müssen, dass das beabsichtigte Handeln kein Unrecht ist (vgl. Vogel, aaO § 17 Rdn. 19). Hinsichtlich der Aussage durch den Verantwortlichen des Senders verhalten sich die Urteilsgründe indes noch nicht einmal dazu, ob sich die anwaltliche Begutachtung auf alle oder nur auf einzelne nach dem Strafgesetzbuch in Betracht kommenden Strafvorschriften bezog und auch etwa die einschlägigen Normen des Jugendschutzgesetzes (vgl. §§ 15, 27 JuSchG) umfasste.
43
3. Der Freispruch des Angeklagten im Fall II. 6. der Urteilsgründe vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) bezüglich des Liedes "Stinkendes Leben" auf der CD "Das rechte Wort" der Gruppe "Patriot 19/8 & Sleipnir" kann ebenfalls keinen Bestand haben.
44
a) Die in dem Lied angesprochene Gruppe der "Punker" stellt einen Teil der Bevölkerung im Sinne der genannten Vorschrift dar (vgl. Lenckner/Sternberg-Lieben, aaO § 130 Rdn. 4; Miebach/Schäfer, aaO § 130 Rdn. 25). Punker sind aufgrund einer etwa in ihrem Lebensstil und äußeren Erscheinungsbild zu Tage tretenden weltanschaulichen Überzeugung, die trotz unterschiedlicher Präferenzen im Einzelnen nach außen genügende Gemeinsamkeiten erkennen lässt, als Personenmehrheit von der übrigen Bevölkerung in ausreichendem Maße abgrenzbar.
45
b) Entgegen der Auffassung der Strafkammer wird in dem genannten Lied die Menschenwürde der Punker dadurch angegriffen, dass sie beschimpft und böswillig verächtlich gemacht werden. Mit dem Text der Kehrreime "Du bist ein Punk, du bist so krank/ bist so abnorm und nie in Form/ benimmst dich wie das letzte Schwein/ Gefällt es dir, Abschaum zu sein?" und "Die Zeit ist reif für Deutschlands Segen/ Die Zukunft liegt in unserer Hand/ Wir werden sie von den Straßen fegen/ Und frei und sauber sei das Land" sowie weiteren ähnlichen Passagen wird die Missachtung von Punkern in besonders gravierender Form zum Ausdruck gebracht; diese werden im Kern ihrer Persönlichkeit getroffen und verletzt. Soweit die Strafkammer in diesem Zusammenhang gemeint hat, nur eine Beeinträchtigung der Ehre feststellen zu können, und zur Begründung ausgeführt hat, die Bezeichnung "Schwein" sei im heutigen Sprachgebrauch üblich und werde teilweise auch in populären Liedern wie "Männer sind Schweine" der Gruppe "Die Ärzte" gebraucht, hat sie in besonderer Weise die sich bei verständiger Würdigung aufdrängende Bedeutung des hier relevanten Textes verkannt. In diesem geht es im Gegensatz zu dem von der Strafkammer als Vergleich bemühten Lied nicht um eine satirische Überspitzung bestimmter menschlicher Verhaltensweisen und Eigenschaften; vielmehr wird in eindeutiger Weise das Recht von Punkern auf Anerkennung als Persönlichkeiten in der Gemeinschaft besonders gehässig und roh verletzt und der unverzichtbare Bereich ihres Persönlichkeitskerns sozial abgewertet.
46
c) Mit dem Inhalt des letzten Kehrreims wird daneben auch zu Gewaltund Willkürmaßnahmen gegen Punker aufgefordert, da zumindest konkludent auf andere mit dem Ziel eingewirkt wird, in ihnen den Entschluss zu Gewalttätigkeiten und ähnlichen Handlungen hervorzurufen. Diesem appellativen Charakter des Textes steht nicht entgegen, dass vordergründig die Formulierung "Wir werden sie von der Straße fegen" benutzt wird. Bei sachgerechter Bewertung ergibt sich, dass die Zielrichtung der Aussage nicht dahin geht, eigene Handlungen oder Absichten der Interpreten darzustellen; vielmehr ist die eigentliche Intention erkennbar darauf gerichtet, andere zu animieren, Gewalt- oder Willkürmaßnahmen zu verüben bzw. sich solchen anzuschließen.
47
d) Soweit die Strafkammer daneben unter Hinweis auf eine Unbedenklichkeitserklärung des Rechtsanwalts N. , deren näherer Inhalt in den Feststellungen nicht mitgeteilt wird, den Vorsatz des Angeklagten verneint hat, hält dies aus den dargelegten Gründen rechtlicher Prüfung nicht stand. Der Schluss des Landgerichts von dieser nicht näher spezifizierten Auskunft darauf, dass der Angeklagte sich in einer Fehlvorstellung über bestimmte Merkmale des gesetzlichen Tatbestands befand, entbehrt auch hier einer tragfähigen Grundlage.
48
e) Aus denselben Gründen ist die den Ausführungen über einen Tatbestandsirrtum ohne weitere Begründung folgende Annahme eines Verbotsirrtums rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer hat auch in diesem Fall nicht dargelegt, über welches normative Tatbestandsmerkmal sich der Angeklagte in einer Weise im Irrtum befunden haben soll, die seine Unrechtseinsicht ausschloss.
49
f) Schließlich reichen die Ausführungen des Landgerichts nicht aus, um die Unvermeidbarkeit eines etwaigen Verbotsirrtums zu begründen. Allein das Vertrauen in eine inhaltlich nicht näher konkretisierte anwaltliche Auskunft kann bei sachgerechter Bewertung der sonstigen Umstände des vorliegenden Falles bei Anwendung der dargelegten Maßstäbe nicht zu der Annahme führen, der Angeklagte habe seine eventuelle Fehlvorstellung nicht durch die genügende Anspannung seines Gewissens vermeiden können.
50
4. Der Freispruch im Fall II. 7. der Urteilsgründe vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) im Zusammenhang mit dem Text des Liedes "Bunthaarige Schweine" auf der CD "Totgesagte leben länger" der Gruppe "Doitsche Patrioten" begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
51
a) Der Text des Liedes richtet sich wie im Fall zuvor bei verständiger Auslegung gegen Punker und damit gegen einen genügend abgrenzbaren Teil der Bevölkerung. Dem steht nicht entgegen, dass die Punker hier nicht ausdrücklich als solche bezeichnet sind; denn eine derartige namentliche Benennung ist jedenfalls dann entbehrlich, wenn sich aus dem Inhalt der Schrift ausreichend deutlich ergibt, welcher bestimmte Bevölkerungsteil Ziel des Angriffs ist. Dies ist hier der Fall. In dem Text des Liedes werden mehrere typische Äußerlichkeiten und Verhaltensweisen genannt, die Punkern zuzuordnen sind und deren Erscheinungsbild bestimmen. Dies lässt den zweifelsfreien Schluss darauf zu, dass hier die betreffende Personenmehrheit als Angriffsobjekt umschrieben ist.
52
b) Mit Formulierungen wie "Hallo du kleines Arschgesicht/ Ich find dich einfach widerlich/ Wie oft willst du denn noch erwachen/ Bestell dir lieber gleich nen Sarg", "Bunthaarige Schweine/ Dreckig eklig und verkeimt/ Ziehst du hier nicht gleich Leine/ Nutz ich die Gunst der Zeit" oder "Vielleicht hast du es nicht ganz geschnallt/ Verpiss dich bevor es knallt" wird sowohl die Menschenwürde der Punker dadurch angegriffen, dass sie böswillig verächtlich gemacht werden, als auch zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie aufgefordert.
53
c) Soweit die Strafkammer den Vorsatz des Angeklagten verneint hat, weil er gewusst habe, dass zu der CD ein Gutachten der Rechtsanwältin P. existiere, das zu dem Ergebnis gekommen sei, die Texte seien strafrechtlich unbedenklich, hält dies aus den bereits ausgeführten Gründen rechtlicher Überprüfung nicht stand. Auch in diesem Fall wird der Inhalt des Gutachtens in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt; danach kannte der Angeklagte nur dessen pauschales Ergebnis. Somit wird die Folgerung der Strafkammer, er habe sich über einzelne Tatbestandsmerkmale im Irrtum befunden, von den Feststellungen nicht getragen.
54
d) Entsprechendes gilt für die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums. Dessen Voraussetzungen sind den Feststellungen nicht zu entnehmen. Auch insoweit gelten die obigen Ausführungen entsprechend. Darüber hinaus wäre hier in die rechtliche Bewertung die Kenntnis des Angeklagten davon einzubeziehen gewesen, dass in zumindest einem früheren Fall (Fall II. 2. der Urteilsgründe ) trotz eines Gutachtens von Rechtsanwältin P. , welches zu dem Ergebnis gekommen war, die auf der CD befindlichen und von ihr geprüften Texte seien erlaubt, die CD im Nachhinein bezüglich dreier Lieder durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert wurde, was zu einer Neuauflage führte, in der die beanstandeten Lieder durch andere ersetzt wurden. Der Angeklagte hatte somit begründeten Anlass, an der Verlässlichkeit der Auskunft zu zweifeln und durfte auch aus diesem Grunde nicht ohne Weiteres auf das pauschale Ergebnis der entsprechenden Begutachtung vertrauen.
55
5. Soweit die Strafkammer im Fall II. 8. der Urteilsgründe den Angeklagten vom Vorwurf des Verbreitens von Propagandamaterial verfassungswidriger Organisationen (§ 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB) freigesprochen hat, hält das Urteil revisionsrechtlicher Prüfung schließlich ebenfalls nicht stand.
56
a) Das Landgericht hat zunächst den objektiven Tatbestand der Vorschrift mit rechtsfehlerfreien Erwägungen bejaht. Dabei hat es zutreffend ausgeführt , den Texten der Lieder "Doitschland" und "Unter dem Krakenkreuz" sei bei einer Auslegung aus verständiger Sicht zu entnehmen, dass der Ausdruck "Krakenkreuz" als Synonym für "Hakenkreuz" gebraucht und damit eindeutig an nationalsozialistische Zielsetzungen angeknüpft werde.
57
b) Das Landgericht hat jedoch die - bereits als solche nicht nahe liegende - Einlassung des Angeklagten, der angegeben hat, er habe die CD als "reine Spaß-CD" bewertet, mit der ein besonderer Typ Skinheads satirisch habe dargestellt werden sollen, für nicht widerlegt angesehen und deshalb den Vorsatz des Angeklagten verneint. Die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite geht von einem unzutreffenden Verständnis der Liedtexte aus und erweist sich als lücken- und damit sachlichrechtlich fehlerhaft.
58
aa) Die Interpretation des Textes der einzelnen Lieder durch das Landgericht begegnet durchgreifenden Bedenken, soweit es verschiedene Passagen als geeignet angesehen hat, Zweifel aufkommen zu lassen, ob mit den Liedtexten politische Ziele verfolgt werden sollten. Hierfür hat es etwa die Textstelle "Doitschland ich lieb dich so/ das ist keine Banane und keine Schokolade/ ich vermisse meine Heimat und das finde ich sehr schade" benannt. Insoweit hätte sich die Strafkammer jedenfalls mit der nahe liegenden Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass die Begriffe "Banane" und "Schokolade" in der rechtsextremen Szene als Synonyme für Menschen mit dunkler Hautfarbe und südländischer Herkunft gebraucht werden. In diesem Zusammenhang wäre zu würdigen gewesen, dass der Angeklagte mit der politisch rechtsgerichteten Terminologie in besonderer Weise vertraut war, was nahe legt, dass ihm der Gehalt der dargestellten Textpassage in Form einer rassistischen Ausrichtung der Texte ohne Weiteres klar war.
59
bb) Das Landgericht hat sich daneben nicht erkennbar damit auseinandergesetzt , dass - für den Angeklagten nach den Umständen ebenfalls augen- fällig - durch das Propagieren des "Marschierens unter dem Krakenkreuz" zur Machtübernahme als Entsprechung zum Marschieren der vormaligen NSDAP unter dem Hakenkreuz mit dem Ziel der Machtergreifung in besonderer Weise an die nationalsozialistische Terminologie und Ideologie angeknüpft wird. Den Urteilsgründen ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass der Angeklagte den objektiven Bedeutungsgehalt dieser eindeutigen Passage nicht erkannte und damit nicht einverstanden war. Becker Miebach von Lienen Hubert Schäfer

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 458/10
vom
14. April 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
Adhäsionskläger:
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. April 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 25. Januar 2010 mit den jeweils zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben
a) hinsichtlich der Fälle II.B.38, II.D.36 und II.D.42 der Urteilsgründe im Schuld- und Strafausspruch,
b) hinsichtlich aller anderen Fälle im Einzelstrafausspruch,
c) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und
d) soweit ein Schadensersatzanspruch der Adhäsionskläger als dem Grunde nach gerechtfertigt festgestellt wurde. 2. Von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge wird abgesehen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden als unbegründet verworfen. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 56 Fällen, wegen Betruges in 81 Fällen, wegen versuchten Betruges in zwei Fällen und wegen Beihilfe zum versuchten Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Angeklagte B. hat das Landgericht wegen gewerbsund bandenmäßigen Betruges in 56 Fällen, wegen Betruges in 78 Fällen und wegen versuchten Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Jeweils ein Jahr der verhängten Strafen wurde als Entschädigung für eine überlange Verfahrensdauer als vollstreckt erklärt.
2
Daneben hat das Landgericht gegen die Angeklagten für die Dauer von drei Jahren ein Berufsverbot für den Beruf eines Vermittlers bzw. Verkäufers von Diamanten verhängt und festgestellt, dass die von drei Adhäsionsklägern geltend gemachten Ansprüche dem Grunde nach gerechtfertigt seien.
3
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revisionen. Diese haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


4
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Die Angeklagten, die sich während ihrer Tätigkeit als Verkäufer für Diamanten bei einer Diamantenhandelsfirma der rechtskräftig verurteilten Eheleu- te W. kennengelernt hatten, machten sich im Jahr 2000 mit einer eigenen Firma, der Firma H&W mit Sitz in R. ( ) selbständig und verkauften (arbeitsteilig und untereinander abgestimmt) im Zeitraum von September 2000 bis Januar 2003 in 78 Fällen Diamanten minderer Qualität zu überhöhten Preisen an Privatanleger und versuchten dies in zwei weiteren Fällen. Zur Vorbereitung dieser Geschäfte wurde den Kunden zunächst ein kleiner, weißer, hochwertiger Diamant angeboten, verbunden mit der Garantie, diesen gegen Rückzahlung des Kaufpreises zuzüglich eines Bonus (bis 10%) binnen weniger Monate zu- rück zu nehmen („Opening“). Kunden, die die Werthaltigkeit dieser Diamanten andernorts überprüfen ließen, wurde die Angemessenheit des Kaufpreises bestätigt. Sodann wurden den Kunden - zumeist gegen Verrechnung des für die nunmehr zurückgenommenen hochwertigen Diamanten gezahlten Kaufpreises zuzüglich der vereinbarten Boni - größere Diamanten geringerer Qualität aus der gelblichen und bräunlichen Farbskala zu deutlich überhöhten Preisen ver- kauft („Loading“). Die Angeklagten oder die von ihnen eingesetzten und ent- sprechend instruierten Verkäufer gaben dabei bewusst wahrheitswidrig an, es handle sich um zur Wertanlage geeignete Diamanten, die sie oder von ihnen einzuschaltende Auktionshäuser mit erheblichen Gewinnen (zum Teil an angeblich bereits bekannte Interessenten) weiterveräußern würden. Anderslautende Angaben in schriftlichen Verkaufsunterlagen wurden jeweils entkräftet.
6
Nach umfangreichen Ermittlungsmaßnahmen (Durchsuchungen) wegen des Verdachts des Betruges wurde der Betrieb der Firma H&W - wie auch der Betrieb eines Juweliergeschäfts der Angeklagten in Offenburg - bis Mitte des Jahres 2003 endgültig eingestellt. Der Angeklagte H. war vom 17. Januar 2003 bis 19. Februar 2003 in Untersuchungshaft. Ab der zweiten Hälfte des Jahres 2003 waren die Angeklagten als Telefonverkäufer für Diamanten bei einer in Karlsruhe ansässigen Firma tätig, bevor sie Anfang des Jahres 2004 beschlossen, gemeinsam und unter Beteiligung der Zeugin Hu. das bei der Firma H&W praktizierte Geschäftsmodell fortzusetzen und erneut in der vorbeschriebenen Weise Diamanten zu veräußern. Den Sitz der von ihnen zu diesem Zweck neu gegründeten HBS ( ) verlegten sie mit Blick auf die in Deutschland geführten Ermittlungsverfahren nach Frankreich (angeblicher Unternehmenssitz in Paris, , tatsächlicher Sitz im Elsass). Sie wandten sich - größtenteils unter Verwendung von Falschnamen - bis zu deren Auflösung Ende des Jahres 2006 in den 59 der Verurteilung zugrundeliegenden Fällen (von denen drei dem Angeklagten H. allein zur Last gelegt werden) ausschließlich an Kunden aus Österreich oder der deutschsprachigen Schweiz. In dieser Zeit überließ der Angeklagte H. darüber hinaus in zwei Fällen gegen Zahlung von mindestens 30.000 € Kundenadressen an seinen Schwager, der- wie der Angeklagte wusste - ebenfalls mittels Täuschung minderwertige Diamanten zu überhöhten Preisen an Privatleute verkaufte und der - was der Angeklagte billigend in Kauf nahm - dies sodann bei mehreren ihm genannten Kunden der Firma HBS auch versuchte.
7
Auf Anraten ihrer Verteidiger und aufgrund einer Durchsuchung bei einem ihrer deutschen Lieferanten lösten die Angeklagten die Firma HBS Ende des Jahres 2006 auf. Sie kamen kurz darauf aber mit anderweitig rechtskräftig Verurteilten überein, Diamantenverkäufe nach gleichem Muster mittels einer anderen, ebenfalls in Frankreich ansässigen Firma fortzusetzen, was sie in der Folgezeit bis zur erneuten Festnahme des Angeklagten H. dann auch taten. Diesbezüglich wurde das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
8
Insgesamt erzielten die Angeklagten mit Verkäufen über die Firma H&W Einnahmen in Höhe von knapp 4 Mio. € (ca. 1 Mio. € davon in den 80 verfahrensgegenständlichen Fällen), mit Verkäufen über die Firma HBS rund 2,5 Mio. € (rund 1,1 Mio. € davon in den 59 verfahrensgegenständlichen Fällen ). Die Angeklagten haben vorgetragen, die hieraus erzielten und hälftig ge- teilten Gewinne (bei Firma HBS mindestens 700.000 €) vollständig verbraucht zu haben.
9
2. Die Strafkammer hat alle festgestellten Fälle des Verkaufs farbiger Di- amanten („Loading“-Geschäfte) als Betrug bzw. versuchten Betrug gewertet. In Bezug auf die im Zusammenhang mit der Firma HBS stehenden Fälle liege gewerbs- und bandenmäßiger Betrug (begangen zusammen mit der Zeugin Hu. ) vor, zu dem sich die Angeklagten „anlässlich eines Treffens, vermutlich in der Wohnung der Zeugin Hu. , jedenfalls aber in der Bundesrepublik Deutschland“ (UA S. 87) verabredet hatten.
10
Ein Schaden der getäuschten Kunden liege darin, dass die farbigen Diamanten - außer in den Fällen II.B.38, II.D.36 und II.D.42 der Urteilsgründe - nicht zu der von den Geschädigten angestrebten Kapitalanlage geeignet gewesen seien, die Geschädigten also täuschungsbedingt ein aliud gegenüber dem vertraglich vorausgesetzten Gegenstand erworben hätten. Es habe sich um schwer verkäufliche Massenware gehandelt, die in der Schmuckbranche kaum Beachtung finde und für die ein geregelter Markt - insbesondere für den Verkauf von Privat - nicht existiere. Ein Wiederverkauf der Diamanten sei den Geschädigten - wenn überhaupt - nur mit erheblichem zeitlichem und finanziellem Aufwand möglich. Dies begründe einen Schaden in Höhe der Kaufsumme. Bei der Strafzumessung hat die Strafkammer basierend auf einem Sachverständi- gengutachten den maximal zu realisierenden Gegenwert der veräußerten Diamanten strafmildernd berücksichtigt.
11
In den Fällen II.B.38, II.D.36 und II.D.42 der Urteilsgründe hat das Landgericht zugunsten der Angeklagten angenommen, dass die veräußerten Diamanten von besserer Qualität und deshalb grundsätzlich zu Anlagezwecken geeignet gewesen seien; sie seien allerdings den verlangten Kaufpreis nicht wert gewesen (UA S. 59, 127, 135). Die Käufer seien über Wiederverkaufsmöglichkeiten und über den unter dem Kaufpreis liegenden Wert der Diaman- ten getäuscht worden (UA S. 219). Es bestehe eine „nicht vertragsimmanente Verlustgefahr“ (UA S. 293).

II.


12
Ein Prozesshindernis besteht nicht. Aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen ist deutsches Strafrecht auch in den im Zusammenhang mit der Firma HBS stehenden Fällen anwendbar.
13
Es kann dahinstehen, ob sich dies - entgegen anderslautender, im Auftrag der Angeklagten erstellter Rechtsgutachten - aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB i.V.m. § 146 des Österreichischen Strafgesetzbuches bzw. Art. 146 des Schweizerischen Strafgesetzbuches ergibt. Letztgenannte Norm setzt zwar ein arglistiges Irreführen des Betrogenen voraus, was aber nach der dazu ergangenen Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts nicht erfordert, dass das Täuschungsopfer die größtmögliche Sorgfalt walten ließ und alle erdenklichen ihm zur Verfügung stehenden Vorkehrungen getroffen hatte. Der strafrechtliche Schutz nach Art. 146 des Schweizer Strafgesetzbuches entfällt nicht bei jeder Fahrlässigkeit des Opfers, sondern nur in Ausnahmefällen, in denen das Opfer die angesichts der konkreten und seiner persönlichen Umstände angemesse- nen, grundlegendsten Vorsichtsmaßregeln leichtfertig nicht beachtet, was das betrügerische Verhalten des Täters in den Hintergrund treten lässt (Schweizer Bundesgericht, Urteil vom 15. Dezember 2008, BGE 135 IV 79, 81 mwN). Hier war das Vorgehen der Angeklagten immerhin darauf ausgerichtet, leichtfertiges und auf mangelndem Fachwissen beruhendes Anlageverhalten der Geschädigten skrupellos auszunutzen und - insbesondere durch die „Loading“-Geschäfte - besonderes Vertrauen zu wecken, aufgrund dessen voraussehbar eine (zeitnahe) Überprüfung der Diamanten unterblieb. So war das von den Angeklagten errichtete Lügengebäude so raffiniert abgestimmt, dass sich auch ein kritisches Opfer täuschen lassen konnte (vgl. Schweizer Bundesgericht, Urteile vom 4. Juni 1996, BGE 122 IV 197, 205 und vom 25. Oktober 2001, BGE 128 IV 18, 20; vgl. auch Arzt in Niggli/Wiprächtiger, Basler Kommentar zum Strafrecht , 2. Aufl., Art. 146 StGB Rn. 71 ff.).
14
Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ergibt sich jedenfalls - worauf die Strafkammer mit Blick auf eine vorherige Stellungnahme der Staatsanwaltschaft hinreichend deutlich gemäß § 265 StPO hingewiesen hatte - aus §§ 3, 9 Abs. 1 StGB, da ein inländischer Tatort besteht. Unabhängig davon, dass ein Tatort für jeden der mittäterschaftlich agierenden Angeklagten dort begründet ist, wo einer von ihnen gehandelt hat, auch wenn sich das Handeln auf Tatbeiträge beschränkt, die - wie hier etwa der Erwerb der gegenständlichen Diamanten in Deutschland - für sich gesehen nur Vorbereitungshandlungen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2009 - 1 StR 705/08 mwN, NStZ-RR 2009, 197), ist hier deutsches Strafrecht schon deswegen anwendbar, weil sich die Angeklagten nach den Feststellungen der Strafkammer jedenfalls in Deutschland (UA S. 87) zur Begehung des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges (also eines Verbrechens, § 263 Abs. 5 StGB) verabredet hatten. Diese selbständig gemäß § 30 Abs. 2 StGB mit Strafe bedrohte Vorbereitungshandlung begründet einen inländischen Tatort, auch wenn die Strafbarkeit nach § 30 Abs. 2 StGB als gegenüber der Ausführung der verabredeten Tat subsidiär zurücktritt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 1992 - 2 StR 442/92, NJW 1993, 1405). Einer Strafbarkeit nach § 30 Abs. 2 StGB steht nicht entgegen, dass Zeit, Ort und Modalitäten der geplanten Straftaten im Einzelnen noch offen blieben, denn die Verabredung eines Verbrechens setzt nur voraus, dass sie - wie hier - in ihren wesentlichen Grundzügen konkretisiert ist (BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - 3 StR 140/07, NStZ 2007, 697). Einer Bandenabrede als Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 30 Abs. 2 StGB stünde es hier ferner nicht entgegen, wenn die Zeugin Hu. - ohne deren erklärte Mitwirkungsbereitschaft sich die Angeklagten nur zu mittäterschaftlichem Handeln, nicht aber zu einer bandenmäßigen Begehungsweise verabreden konnten - bei allen zu begehenden Taten nur Gehilfin hätte sein sollen. Denn Mitglied einer Bande kann auch derjenige sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen (BGH, Beschluss vom 19. April 2006 - 4 StR 395/05, NStZ 2007, 33). Es bedarf daher keiner abschließenden Erörterung, ob die Urteilsfeststellungen (abweichend zu den Feststellungen und Wertungen im Urteil betreffend die Zeugin Hu. ) auch die Annahme von deren mittäterschaftlicher Beteiligung trügen. Dem stünde jedenfalls nicht entgegen, dass sie in eigener Person keine tatbestandliche Ausführungshandlung vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 1992 - 2 StR 442/92, NStZ 1993, 180). Vielmehr reicht für eine Tatbeteiligung als Mittäter ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag aus, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränken kann (BGH, Urteil vom 25. Oktober 1994 - 4 StR 173/94, NStZ 1995, 120).

III.


15
In den Fällen II.B.38, II.D.36 und II.D.42 der Urteilsgründe ist das angefochtene Urteil auf die Sachrüge aufzuheben.
16
Die Feststellungen in den Urteilsgründen tragen eine Verurteilung wegen Betruges (§ 263 StGB) nicht, denn sie belegen keine zu einer schädigenden Vermögensverfügung führende Täuschungshandlung. Die in diesen Fällen zugunsten der Angeklagten angenommene Eignung der Diamanten als Wertanlage impliziert, dass ein in den Diamanten verkörperter materieller, potentiell steigender Wert tatsächlich realisierbar war oder ist. Insofern hätte es näherer Erörterung bedurft, ob die Anleger ihre Entscheidung auf eine bestimmte, in Wahrheit aber nicht gegebene Wiederverkaufsmöglichkeit stützten oder ob es ihnen ausreichend war, dass die Diamanten - wovon die Strafkammer ebenfalls ausging - „auch auf einer Auktion angenommen werden könnten“ (UA S. 219). Dies ist hier auch deshalb bedeutsam, weil die Geschädigten in den genannten Fällen „Aussicht“ hatten, „ihr Geld wieder zu erhalten“ (UA S. 293), und Weiterverkäufe zumindest „bei besonders insistierenden Geschädigten“ (UA S. 293) tatsächlich (wenn auch zum Nachteil neuer Geschädigter) erfolgten. Allein das Fordern eines bestimmten, überhöhten Preises enthält für sich genommen noch keine Täuschung, insbesondere beinhaltet es grundsätzlich - vom hier nicht vorliegenden Fall tax- oder listenmäßig festgelegter Preise abgesehen - nicht die Behauptung der Angemessenheit oder Üblichkeit des geforderten Preises. Vereinbarungen über den Austausch von Gütern und Leistungen unterliegen der Vertragsfreiheit. Grundsätzlich darf jeder Teilnehmer am Geschäftsverkehr seine bessere Information oder überlegene Sachkenntnis zu seinem Vorteil ausnutzen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni 1989 - 2 StR 252/89, NJW 1990, 2005; OLG Stuttgart, wistra 2003, 276; OLG München, wistra 2010, 37). Insofern hätte es näherer Darlegungen bedurft, worin in diesen Fällen eine Täuschung der jeweiligen Anleger begründet sein soll, etwa weil diese nach allgemeinen Marktgepflogenheiten oder aufgrund der besonderen Umstände der Vertragsanbahnung darauf vertrauen durften, die Angeklagten würden nur den listen-, tax- oder handelsüblichen Preis verlangen oder der Aufschlag zum Einkaufspreis oder zu einem zu ermittelnden (Verkehrs-)Wert würde eine bestimmte Marge nicht überschreiten.
17
Da der Senat nicht ausschließen kann, dass weitere, eine Verurteilung wegen Betruges tragende Feststellungen getroffen werden können, verweist er die Sache unter Aufhebung der den genannten Fällen zugrunde liegenden Feststellungen an einen neuen Tatrichter zurück (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Senat hat erwogen, ob die im Falle einer Verurteilung in Betracht kommenden Einzelstrafen bei der neu zu bildenden Gesamtstrafe ins Gewicht fallen könnten oder ob in den genannten Fällen eine Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO in Betracht käme. Die Entscheidung hierüber kann indes dem neuen Tatrichter überlassen bleiben.

IV.


18
Zu Recht beanstanden die Revisionen mit jeweils zulässig erhobener Verfahrensrüge die Zurückweisung eines gegen einen Sachverständigen gerichteten Ablehnungsgesuchs (nachfolgend 1. und 2.). Dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs (nachfolgend 3.). Die weitergehende Sachrüge und die weitergehenden Verfahrensrügen sind demgegenüber unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO (dazu nachfolgend 4.).
19
1. Der Rüge einer Verletzung des § 74 StPO liegt Folgendes zugrunde:
20
Die Strafkammer hatte sich zur Bestimmung des Wertes der verfahrensgegenständlichen Diamanten des Sachverständigen P. (ein von der Industrie - und Handelskammer öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schmuck, insbesondere für Diamanten und Farbsteine) bedient, der sich ob des Umstands, dass er die Diamanten nicht aus ihrer Verblisterung entnommen hat, Beanstandungen der Verteidigung ausgesetzt sah, die sich insoweit auf eine von ihr schriftlich befragte Sachverständige aus Graz berief. An diese wandte sich der Sachverständige P. sodann mit einem auf den 22. Mai 2009 datierten Schreiben, in dem er anfragte, ob sie zustimme, dass eine Bewertung (im Unterschied zu einer Graduierung) verblisterter Farbdiamanten auch dann möglich sei, wenn diese nicht aus der Verpackung genommen werden. Weiter heißt es in dem Schreiben:
21
„In diesem Zusammenhang ist es vielleicht noch hilfreich zu wissen, dass Herr S. [Verteidiger des Angeklagten H. ] früher durch Anlagebetrüger geschädigte Privatpersonen in Zivilverfahren vertreten hat, inzwischen jedoch die Seiten gewechselt hat und seit einiger Zeit potenzielle, zum Teil bandenmäßige Diamant-Anlagebetrüger verteidigt.“
22
Die nach Bekanntwerden dieses Vorgangs von der Verteidigung angebrachten Ablehnungsgesuche gegen den Sachverständigen P. hat die Strafkammer zurückgewiesen und - soweit hier relevant - ausgeführt: Weder die Kontaktaufnahme des Sachverständigen als solche (es sei ihm um eine „fachliche Klärung unter Darlegung seines Standpunkts“ gegangen), noch der Um- stand, dass er diese erst auf Nachfrage offenbarte, begründe die Besorgnis der Befangenheit. Die vorzitierte Formulierung sei „nicht zu beanstanden“, weil sie ohne rechtliche Würdigung auf Umstände hinweise, die zutreffend seien (den Angeklagten liegen Betrugstaten zur Last und der angesprochene Verteidiger vertritt in anderen Verfahren Mandanten, denen bandenmäßige Betrugstaten im Diamantenbereich vorgeworfen werden). Ein konkreter Bezug zum vorliegenden Verfahren werde nicht hergestellt. Die Ausführungen des Sachverständigen seien für die Klärung der „erbetenen fachlichen Ergänzung zwar nicht geboten“ gewesen, das Vorgehen müsse allerdings vor dem Hintergrund einer von der Verteidigung geführten Korrespondenz gesehen werden, in der ihm ein nicht sachverständigen Grundsätzen entsprechendes Vorgehen vorgeworfen werde, was dem Sachverständigen Anlass zu einer Richtigstellung gab. Die zitierte Passage sei daher „auch als auf seinen eigenen Ruf bezogene Gegendarstellung zu verstehen“. Anhaltspunkte für schwerwiegende Zerwürfnisse oder tiefgreifende Animositäten zwischen Verteidigung und dem Sachverständigen gebe es nicht, solche habe auch die Verteidigung nicht vorgetragen. Im Übrigen sei die angeschriebene Sachverständige nicht als Gutachterin eingeschaltet oder benannt worden.
23
2. Die Zurückweisung der Ablehnungsgesuche ist rechtsfehlerhaft. Das festgestellte Verhalten des Sachverständigen P. ist geeignet, bei einem vernünftigen Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
24
a) Ein Sachverständiger kann gemäß § 74 Abs. 1 StPO aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. So kann ein Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden , wenn er durch mündliche oder schriftliche Äußerungen den Eindruck der Voreingenommenheit hervorgerufen hat. Bei der Beurteilung der Ablehnung von Sachverständigen ist das Revisionsgericht an die Tatsachen gebunden, die der Tatrichter seiner Entscheidung zu Grunde gelegthat (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2007 - 1 StR 331/07 mwN, NStZ 2008, 50; BGH,Urteil vom 2. August 1995 - 2 StR 221/94, BGHSt 41, 206, 211). Es entscheidet - ohne eigene Ermittlungen - als Rechtsfrage, ob die Strafkammer über das Ablehnungsgesuch ohne Verfahrensfehler und mit ausreichender Begründung befunden hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. September 2007 - 1 StR 407/07, NStZ 2008, 229; BGH, Beschluss vom 23. März 1994 - 2 StR 67/94, NStZ 1994, 388; bei Becker NStZ-RR 2002, 66 mwN).
25
b) In den Ablehnungsgesuchen haben die Angeklagten Umstände angeführt , die von ihrem Standpunkt aus bei verständiger Würdigung Anlass geben konnten, an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu zweifeln. Dies wird hier weder durch eine Stellungnahme des betroffenen Sachverständigen (deren Erholung vor der Entscheidung über den Befangenheitsantrag - wie regelmäßig - zweckmäßig gewesen wäre; vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2007 - 1 StR 331/07, NStZ 2008, 50) noch durch die in den Zurückweisungsbeschlüssen genannten Gründe entkräftet.
26
Zwar geht die Strafkammer zutreffend davon aus, dass weder auf die von der Verteidigung behaupteten Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen noch auf den Umstand, dass der Sachverständige eine wissenschaftliche Meinung vertritt, die sich zum Nachteil des Angeklagten auswirken könnte, ein Befangenheitsantrag gestützt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2006 - 2 StR 436/06; BGH, Beschluss vom 20. November 2001 - 1 StR 470/01; BGH, Urteil vom 2. August 1995 - 2 StR 221/94). Indes erschließt sich dem Senat ein Bezug zwischen vorangehenden Äußerungen der Verteidigung über die gutachterliche Tätigkeit des Sachverständigen und dem vom Sachverständigen im Zusammenhang mit seiner Anfrage als „hilfreich“ bezeichneten Hinweis im Schreiben vom 22. Mai 2009 nicht; dieser enthält keine sachliche Richtigstellung. Unabhängig davon, dass der „Hinweis“ in seinem Tatsachen- kern zwar nichts Unzutreffendes enthält, ist nicht ersichtlich, welche Rolle der Mandatsstruktur eines Verteidigers bei der Wertbestimmung von Diamanten zukommen könnte. Der „Hinweis“ ist in seinem Kontext geeignet, den Eindruck zu erwecken, als stellte der Sachverständige demgegenüber einen solchen Zusammenhang her. Dem kommt vorliegend deswegen besondere Bedeutung zu, weil (wovon die Strafkammer auch im Urteil ausgeht) speziell die in Rede stehende Bewertung von Farbdiamanten - anders als etwa bei typisierten Analyseverfahren oder wissenschaftlich objektivierten Untersuchungsverfahren - nicht unwesentlich Ausfluss der auf persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen basierenden Sachkunde des jeweiligen Sachverständigen ist. Deshalb ist hier ein strenger Maßstab an die Unbefangenheit des Sachverständigen anzulegen. Die beanstandeten, außerhalb eigener wissenschaftlicher Publikationen erfolgten Äußerungen des Sachverständigen können aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Angeklagten Zweifel begründen, ob der Sachverständige , der auf seinem Fachgebiet ein besonderes, nicht allgemein verfügbares Wissen besitzt und mit dieser Sachkunde das Gericht bei der Wahrheitserforschung im zu entscheidenden Fall unterstützen soll, die ihm obliegende Aufgabe unvoreingenommen und unparteiisch erfüllen werde.
27
3. Der aufgezeigte Verstoß gegen § 74 StPO führt in den verbleibenden Fällen (s.o. III.) zur Aufhebung des Strafausspruchs.
28
a) Die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Vermögensschaden entstanden ist, bestimmt sich auch in Fällen sogenannten Anlagebetrugs grundsätzlich anhand der Differenz zwischen dem vereinbarten oder dem gezahlten Preis und dem nach allgemeinen Kriterien zu bestimmenden (Markt)Wert des Anlageobjekts (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1983 - 1 StR 550/82, NStZ 1983, 313). An einem Schaden fehlt es, soweit die Vermögensminderung durch den wirtschaftlichen Wert des Erlangten ausgeglichen wird. Bei der deshalb - wie stets - gebotenen Gesamtsaldierung ist jedoch auch der subjektive Wert des Erlangten für den Verletzten zu berücksichtigen. Ist nach dem Urteil eines sachlichen Beurteilers eine (möglicherweise sogar objektiv gleichwertige) Gegenleistung des Täuschenden bei normativer Betrachtung unter Berücksichtigung der individuellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse und Verhältnisse des Geschädigten sowie der von ihm verfolgten Zwecke subjektiv wertlos, begründet dies einen Vermögensschaden in voller Höhe des zur Erlangung der Gegenleistung aufgewandten (sog. persönlicher Schadenseinschlag, st. Rspr. seit BGH, Beschluss vom 16. August 1961 - 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321; vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. Juni 2006 - 1 StR 245/09, wistra 2010, 407; Tiedemann in LK-StGB, 11. Aufl., § 263 Rn. 178; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 263 Rn. 121). Insofern kann als Schaden die gesamte Leistung des Tatopfers dann anzusehen sein, wenn ein Anleger über Eigenart und Risiko des Geschäftes derart getäuscht worden ist, dass er etwas völlig anderes erwirbt, als er erwerben wollte („aliud”), die empfangene Gegenleistung für ihn mithin in vollem Umfang unbrauchbar ist (BGH, Beschluss vom 28. Juni 1983 - 1 StR 576/82, BGHSt 32, 22; Beschluss vom 14. Juli 2010 - 1 StR 245/09; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 263 Rn. 127 mwN).
29
So verhält es sich hier, weil nach den Feststellungen der Strafkammer die verfahrensgegenständlichen Farbdiamanten von so geringer Qualität waren , dass sie - entgegen den Angaben der Angeklagten - nicht zur Kapital-, Wert- oder Geldanlage geeignet waren. Eine den von den Geschädigten gezahlten Kaufpreis erbringende Weiterverkaufsmöglichkeit bestand für derartige Diamanten nicht. Da die Anleger - wie den Angeklagten bekannt war und was diese bewusst für ihre Täuschungshandlung ausnutzten - ausschließlich aus Gründen der möglichst gewinnbringenden Kapitalanlage Diamanten erwerben wollten, besteht aus der Sicht eines objektiven Betrachters auch keine andere Verwendung, die den Kaufpreis aufwiegen könnte.
30
Ihre diesbezügliche Überzeugung stützt die Strafkammer - insoweit rechtsfehlerfrei - auf frühere Einlassungen der Angeklagten, die Angaben eines sachverständigen Zeugen und weiterer Zeugen sowie die schriftlichen Unterlagen der Firmen H&W und HBS, in denen die Diamanten als nicht zur Geldanla- ge geeignete „Sammlerstücke“ bezeichnet werden. Insoweit lediglich darüber hinaus und „unabhängig davon“ (UA S. 215) rekurriert die Strafkammer auf die Angaben des Sachverständigen P. . Der Senat kann daher ausschließen, dass die den Schuldspruch tragenden Erwägungen der Strafkammer auf den Angaben des Sachverständigen P. beruhen. Sie sind rechtsfehlerfrei.
31
b) Indes kann der Strafausspruch keinen Bestand haben.
32
Die Strafkammer legt - zutreffend - als strafzumessungsrelevanten Vermögensschaden die Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und einem auch ohne Vorhandensein eines geregelten Marktes ermittelbaren objektiven Wert der Farbdiamanten zugrunde. Letzteren hat sie jedoch (als absoluten Wert oder mittels eines Zuschlags) „den Ausführungen des Sachverständigen P. entnommen“ (UA S. 215) und sich „von der Richtigkeit der Bewertungen des Sachverständigen P. “ insoweit überzeugt, als dieser Abweichungen zu anderen als den von ihm dargelegten Bewertungsparametern und -ergebnissen nachvollziehbar habe erläutern können (UA S. 220 ff.). Damit stützt die Strafkammer ihre Strafzumessungserwägungen maßgeblich auf die Bewertung jenes Sachverständigen, der begründeten Anlass zu Zweifeln an seiner Unbefangenheit hat aufkommen lassen. Dies betrifft auch die Fälle, in denen die Strafkammer als Basis für die Errechnung eines „Mindestschadens“ den von den Angeklagten bezahlten Einkaufspreis annimmt, den sie - entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen (UA S. 217) - für eher hoch ansieht. Der Strafausspruch ist daher aufzuheben und die Sache unter Aufhebung der diesbezüglichen Feststellungen an das Landgericht zurückzuverweisen.
33
Zur Bestimmung der für die Strafzumessung bestimmenden Höhe des dem Geschädigten tatsächlich verbleibenden Schadens als verschuldete Auswirkung der Tat (§ 46 Abs. 2 StGB) ist auch in Fällen eines subjektiven Schadenseinschlags der in dem Erlangten verkörperte Gegenwert zu berücksichtigen , den der Geschädigte mit zumutbarem Einsatz realisieren kann (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2008 - 3 StR 420/08, NStZ 2009, 150; BGH, Urteil vom 7. März 2006 - 1 StR 379/05, BGHSt 51, 10; BGH, Urteil vom 7. März 2006 - 1 StR 385/05, NStZ-RR 2006, 206; BGH, Beschluss vom 6. September 2000 - 3 StR 326/00, NStZ-RR 2001, 41; BGH, Beschluss vom 6. Juni2000 - 1 StR 161/00, NStZ-RR 2000, 331). Normative Gesichtspunkte können zwar bei der Feststellung eines Schadens eine Rolle spielen, sie dürfen aber, soll der Charakter des § 263 StGB als Vermögens- und Erfolgsdelikt gewahrt bleiben, wirtschaftliche Überlegungen nicht verdrängen (vgl. für § 266 StGB: BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170 Rn. 114). § 263 StGB schützt das Vermögen, nicht die Dispositionsfreiheit. Dass hier ein Weiterverkauf unmöglich gewesen wäre oder mit im Einzelfall zumutbarem Aufwand keinerlei Veräußerungserlöse hätten erzielt werden kön- nen, lässt sich den Ausführungen im Urteil (wonach ein Verkauf „allenfalls [also immerhin] an Juweliere oder Händler zum Großhandelspreis möglich“ sei, UA S. 235) nicht mit hinreichender Klarheit entnehmen. Sollte sich der neue Tatrichter - gegebenenfalls sachverständig beraten - hiervon nicht überzeugen können, wird es einer Neubewertung der gegenständlichen Diamanten bedürfen. Der neue Tatrichter ist dabei nicht gehalten, einen theoretisch maximal zu erzielenden Veräußerungserlös anzunehmen, wenn dieser nur mit für den jeweiligen Anleger unzumutbarem Aufwand realisierbar wäre.
34
4. Die weitergehende Sachrüge und die weitergehenden Verfahrensrügen zeigen aus den vom Generalbundesanwalt aufgezeigten Gründen keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Der Erörterung bedarf insoweit lediglich Folgendes:
35
a) Soweit die Revision rügt, dass bei der Verlesung der beiden - zugelassenen - Anklagesätze entgegen § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO einzelne Spalten oder Zeilen darin enthaltener Tabellen nicht verlesen wurden, diese vielmehr in ein vor dem Abschluss der Vernehmung der Angeklagten zur Sache durchgeführtes Selbstleseverfahren (§ 249 Abs. 2 StPO) gegeben wurden, bleibt ihr der Erfolg versagt.
36
Zwar sind die Regelungen über das Selbstleseverfahren auf die Verlesung des Anklagesatzes nicht übertragbar (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 - GSSt 1/10, Rn.17, NStZ 2011, 297). Der Senat kann aber ausschließen, dass das Urteil hierauf beruht, da der Zweck der Verlesung des Anklagesatzes nicht beeinträchtigt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 - 1 StR 494/99, NStZ 2000, 214). Durch die verlesenen Teile der Anklagesätze waren die dem Angeklagten zur Last liegenden Taten hinreichend umgrenzt; das Verlesen der allgemeinen Schilderung der für alle Fälle gleichartigen Tatausführung ist hierzu ausreichend (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2011, 1 StR 260/09, Rn.15). Die Informationsfunktion gegenüber den Angeklagten und deren Verteidigern war gewahrt; diesen waren die Anklagen vollumfänglich zugestellt worden (§ 201 Abs. 1 Satz 1 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 - GSSt 1/10, Rn. 25, aaO). Auch die Unterrichtung der Öffentlichkeit wurde - unbeschadet der Frage, wann andernfalls ein Urteil hierauf beruhen könnte - durch das Nichtverlesen einzelner, für das Verständnis der den Angeklagten zur Last liegenden Taten nicht erforderlicher oder förderlicher Einzelheiten (Zertifikationsnummern , Herkunft der Diamanten, Einzelpreisaufschläge u. dgl.) nicht beeinträchtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2011 - GSSt 1/10, Rn. 29/30, aaO). Es ist nach dem Verfahrensgang ferner nicht zu besorgen, einzelne Prozessbeteiligte - insbesondere Schöffen - könnten das hinsichtlich der „weiteren Details der beiden Anklagesätze“ (Protokollband Bl. 27) angeord- nete Selbstleseverfahren als Beweisaufnahme verstanden haben.
37
b) Die Rüge, mit der die Revision der Angeklagten B. einen Verstoß gegen § 257c Abs. 4 Satz 4, § 265 Abs. 2 StPO und gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens deswegen geltend macht, weil die Strafkammer - ohne darauf hinzuweisen - einen außerhalb der Hauptverhandlung für den Fall des Geständnisses gemachten Vorschlag einer Strafobergrenze erheblich überschritten hat (Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten statt fünf Jahren und neun Monaten), dringt nicht durch.
38
§ 257c StPO ist schon deswegen nicht verletzt, weil eine Verständigung nicht zustande gekommen ist. Auch eines Hinweises gemäß oder entsprechend § 265 Abs. 2 StPO bedurfte es nicht. Die Angeklagte hat (anders als in der BGH, Beschluss vom 26. September 2001 - 1 StR 147/01, zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellation) weder vor noch nach dem gerichtlichen Vorschlag ein Geständnis abgelegt. Eine Hinweispflicht mit Blick auf den Grundsatz des fairen Verfahrens ergibt sich hier auch nicht daraus, dass zum Zeitpunkt der Verständigungsbemühungen in einer vorangehenden, dann aber ausgesetzten Hauptverhandlung ein Teil der Beweisaufnahme (zu einem Teilkomplex) bereits durchgeführt war, dass der Vorsitzende den Inhalt des abgelehnten Verständigungsvorschlags zu Beginn der Hauptverhandlung erneut verlas und dass die Verurteilung (nach Abtrennung und Teileinstellung) weniger Taten umfasst, als sie dem Verständigungsvorschlag zugrunde lagen. Eine bestimmte „Obergrenze“ für den Fall streitiger Hauptverhandlung wurde nicht zugesagt. Die Ange- klagte konnte nicht darauf vertrauen, die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer werde sich - abweichend zu § 261 StPO - nach Durchführung der insgesamt erforderlichen Beweisaufnahme an dem für den Fall des Geständnisses genannten Strafrahmen orientieren und diesen um nicht mehr als eine bestimmte, gar mathematisch zu bestimmende Größe überschreiten. Es liegt auf der Hand, dass sich nach umfangreicher Beweiserhebung in einer langen Hauptverhandlung ein zunächst gewonnener Eindruck von Tat und Täter im Einzelfall entscheidend zum Vor- oder zum Nachteil des Angeklagten verändern kann und demzufolge einem für den Fall eines Geständnisses vor oder zu Beginn einer Hauptverhandlung in den Raum gestellten Strafrahmen für die Strafzumessung nach langer streitiger Hauptverhandlung in der Regel keine Bedeutung mehr zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 400/10, wistra 2011, 139). Bindende (§ 257c StPO) oder sonst Vertrauen begründende Zusagen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 1989 - 2 StR 66/89, NStZ 1989, 438 mit Anm. Strate ebda.) können nur Bestand haben, wenn die daran geknüpften Voraussetzungen auch tatsächlich eintreten. Es ist fernliegend, dass sich aus einem „nicht angenommenen Angebot“ gleichwohl Ansprüche auf bestimmte Rechtsfolgen ableiten lassen sollten (BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2010 - 2 StR 354/10, wistra 2011, 28).
39
c) Zu der von der Revision beanstandeten Behandlung von Beweisanträgen , die Fragen der Bewertung der Diamanten, also den schon aus anderen Gründen aufzuhebenden Strafausspruch betreffen, merkt der Senat an:
40
Wird zum Beweis einer einem Sachverständigenbeweis zugänglichen Behauptung (hier zu Verkaufspreisen fantasiefarbiger Diamanten in Österreich) die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, kann dieser Antrag nicht mit der Begründung als „ungeeignet“ zurückgewiesen werden, der im Antrag benannte Sachverständige sei für die erforderliche Begutachtung ungeeignet. Es obläge vielmehr (allein) dem Gericht, wenn der Beweisantrag nicht aus anderen Gründen zurückzuweisen ist, selbst einen geeigneten Sachverständigen zu bestimmen (§ 73 StPO; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Januar 2003 - 1 StR 357/02 mwN). Ein derartiger Beweisantrag kann auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der zu begutachtende Gegenstand liege dem Sachverständigen nicht vor, sondern sei in amtlicher Verwahrung. Anders als in Fällen, in denen zur Gutachtenserstellung erforderliche Tatsachen nicht bekannt sind (hierzu BGH, Urteil vom 14. Juni 1960 - 1 StR 73/60, NJW 1960, 1582) oder nicht beschafft werden können (BGH, Urteil vom 10. Juli 2003 - 3 StR 130/03, NStZ 2003, 611), wären hier die Vorlage der zu begutachtenden Diamanten an einen Sachverständigen und damit die Gutachtenserstellung ohne Weiteres möglich gewesen. Können einem Sachverständigen die zur Gutachtenserstellung erforderlichen tatsächlichen Grundlagen unschwer vom erkennenden Gericht zur Verfügung gestellt werden, ist ein Sachverständigenbeweis nicht völlig ungeeignet i.S.d. § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO. Entsprechendes gilt für die Vorlage in amtlicher Verwahrung befindlicher Gegenstände an (sachverständige) Zeugen.

V.


41
Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich. Demgegenüber kann der Maßregelausspruch (Berufsverbot, § 70 StGB) bestehen bleiben. Gegen die ihn tragenden Erwä- gungen (Missbrauch des Berufs zur Begehung einer Vielzahl erheblicher Straftaten , Gefahr weiterer erheblicher Straftaten, Verhältnismäßigkeit) ist rechtlich nichts zu erinnern (zum Ganzen vgl. Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 70 Rn. 5 ff.). Sie würden durch einen möglichen Wegfall von drei Einzelstrafen und durch einen durch eine Neubewertung der Diamanten nicht ausschließbar geringeren Schuldumfang nicht entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2000 - 3 StR 53/00).
42
Indes sind die Adhäsionsentscheidungen in Übereinstimmung mit den - den Adhäsionsklägern zur Kenntnis gebrachten (§ 406 Abs. 5 StPO) - Anträgen des Generalbundesanwalts aufzuheben. Der Senat sieht von einer Entscheidung über die auf Schadensersatz gerichteten (§ 406 Abs. 1 Satz 6 StPO) Adhäsionsanträge ab, weil diese auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Adhäsionskläger zur Erledigung im Strafverfahren ungeeignet sind (§ 406 Abs. 1 Satz 4 StPO).
43
Es bedarf dazu keiner abschließenden Entscheidung, ob im Lichte des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI des Rates der Europäischen Union vom 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren (ABl. 2001 L 82 S. 1) und nach der zum 1. September 2004 in Kraft getretenen Neufassung der Vorschriften über das Adhäsionsverfahren durch das Opferrechtsreformgesetz (BGBl. I 2004, S. 1354), mit der der Gesetzgeber die Durchführung des Adhäsionsverfahrens zum Regelfall der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche erklärt hat (vgl. auch BVerfG NJW 2007, 1670, 1671 mwN), uneingeschränkt daran festzuhalten ist, dass einem Adhäsionsantrag die Eignung zur Erledigung im Strafverfahren fehlt, wenn zur Überprüfung der geltend gemachten Ansprüche komplizierte Rechtsfragen des internationalen Privatrechts zu entscheiden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2002 - 3 StR 395/03, wistra 2003, 151; OLG Hamburg, wistra 2006, 37; Grau/Blechschmidt/Frick, NStZ 2010, 662; Haller, NJW 2011, 970). Denn die Anwendung dieses Rechts durch die Strafkammer begegnet vorliegend durchgreifenden Bedenken. Soweit die Strafkammer hinsichtlich der in der Schweiz bzw. in Österreich wohnhaften und geschäftsansässigen Adhäsionskläger, die dort von den von Frankreich aus über die Firma HBS agierenden Angeklagten kontaktiert wurden, zutreffend auf Art. 40 Abs. 1 EGBGB rekurriert, hat sie keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die zur Anwendung deutschen Rechts führen. Handlungsort i.S.d. Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ist der Ort, an dem eine unerlaubte Handlung ganz oder teilweise ausgeführt wird; Orte, an denen bloße Vorbereitungshandlungen vorgenommen werden, sind kollisionsrechtlich irrelevant (siehe nur Junker in MünchKomm-BGB, 5. Aufl., Art. 40 EGBGB Rn. 25 mwN). Die erforderlichen weiteren Feststellungen und eine dann u.U. gebotene Ermittlung und Anwendung ausländischen Zivilrechts würde hier einen Abschluss des ohnehin bereits sehr lange andauernden Strafverfahrens erheblich verzögern (§ 406 Abs. 1 Satz 5 StPO).
Nack Hebenstreit Graf
Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 423/10
vom
13. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. September 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Nürnberg-Fürth vom 9. Februar 2010 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Die Jugendkammer hat festgestellt:
2
Der später Geschädigte hatte eine tätliche Auseinandersetzung mit einem Freund des Angeklagten, die dieser zunächst aus einiger Entfernung beobachtete. Er wollte dann den Geschädigten kampfunfähig machen, näherte sich ihm von der Seite und stach ihm mit bedingtem Tötungsvorsatz wuchtig ein Messer in den Bauch. Obwohl lebensgefährlich verletzt, bemerkte der Geschädigte den Stich zunächst nicht und kämpfte sogar weiter. Zufällig kam kurz darauf eine Polizeistreife, die seine lebensrettende Behandlung veranlasste. Der Angeklagte war nach dem Stich geflüchtet. Er ging - wie sich zeigte, zutreffend - davon aus, dass die "Wirkung auf den Geschädigten alsbald einsetzen würde". Ob er dem Geschädigten weitere Stiche hätte versetzen können, bleibt ausdrücklich offen.
3
Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wegen versuchtem Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe verurteilt.
4
Seine auf die entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht ausgeführte Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge gestützte Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
5
1. Näher auszuführen ist dies nur, soweit ein strafbefreiender Rücktritt (§ 24 StGB) verneint ist.
6
a) Da offen bleibt, ob weitere Stiche möglich gewesen wären, liegt kein fehlgeschlagener Versuch vor.
7
b) Der Angeklagte hat keine Rettungsmaßnahmen ergriffen. Im rechtlichen Ansatz zutreffend geht die Jugendkammer davon aus, aus diesem Grund komme kein Rücktritt in Betracht, da hier ein beendeter Versuch vorliege. Der Versuch sei deshalb beendet, weil der Angeklagte davon ausging, dass er sein Ziel, die Kampfunfähigkeit des Geschädigten, erreicht habe (gemeint: dass er davon ausging, dass dies demnächst eintreten werde). Dies ist allerdings unzutreffend. Ob ein Versuch beendet ist oder nicht, richtet sich nicht nach der Vorstellung des Täters über ein außertatbestandsmäßiges Handlungsziel, sondern über den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs (Rücktrittshorizont). Auch bei Erreichung des außertatbestandsmäßigen Ziels kann ein unbeendeter Versuch vorliegen, so dass bloßes Aufgeben weiterer Tatausführung für Rücktritt genügte (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 ff).
8
c) Dennoch hat das Urteil im Ergebnis Bestand. Der Angeklagte hatte eine mögliche tödliche Wirkung des Stichs billigend in Kauf genommen. Daher legt die Feststellung, der Angeklagte habe bei seiner Flucht unmittelbar nach dem Stich mit dessen baldiger Wirkung gerechnet, die Annahme nahe, er habe (auch) den baldigen Tod des Geschädigten für möglich gehalten. Zumindest wird aber deutlich, dass der Angeklagte jedenfalls keine gegenteiligen Erwägungen angestellt hat, er sich also - allenfalls - überhaupt keine Vorstellungen darüber gemacht hat, ob der Geschädigte sterben könne oder nicht, sodass jedenfalls deshalb beendeter Versuch vorliegt (BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - 1 StR 59/08, NStZ 2009, 264, 266; BGH, Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 306), von dem der Angeklagte nicht zurückgetreten ist.
9
2. Auch im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keine Rechtsfehler ergeben, die sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben.
10
Der Senat sieht jedoch Anlass zu folgenden Hinweisen:
11
a) Zum Schuldspruch:
12
Die Jugendkammer hat festgestellt, dass sich der Angeklagte "wie er erkannte und worauf es ihm ankam, von diesem unbemerkt", dem Geschädigten seitlich genähert hatte, um auf ihn einzustechen. Dies legt die Annahme von Heimtücke (§ 211 StGB) nahe. Es beschwert den Angeklagten jedoch nicht, dass die Jugendkammer diese Möglichkeit gleichwohl nicht geprüft hat.
13
b) Zum Strafausspruch:
14
Der bei der Tat über 20 Jahre alte Angeklagte hat nach dem Hauptschulabschluss den Beruf eines Metallbearbeiters erlernt, den er seither erfolgreich (monatliches Nettogehalt zuletzt zwischen 1.800 und 1.900 €) ausübt. Dementsprechend geht die Jugendkammer davon aus, dass der Angeklagte "in der be- ruflichen Entwicklung einem Erwachsenen gleichsteht". Dennoch wendet sie Jugendstrafrecht an.
15
(1) Begründet ist dies an erster Stelle damit, dass der Angeklagte noch bei seinen Eltern lebt und keine eigene Familie hat. Hiergegen bestehen Bedenken. Heranwachsende mit eigener Familie sind seltene Ausnahmen. Nach dem Maßstab der Jugendkammer hätten fast alle Heranwachsenden Reifedefizite.
16
(2) Weiter stützt die Jugendkammer ihr Ergebnis darauf, dass der Angeklagte zeitweise eine Förderschule besucht hatte. Selbst wenn dies auf früher vorhandene Defizite hinweisen mag, liegt nahe, dass diese inzwischen behoben sind, wenn sie sich nicht mehr erkennbar auswirken.
17
(3) Letztlich hebt die Jugendkammer noch darauf ab, dass der Angeklagte von seinem Einkommen gerne Kleidung ("Klamotten") einkauft, Diskotheken besucht und sich oft mit Computerspielen beschäftigt. Auch dabei handelt es sich schwerlich um Hinweise auf "Auffälligkeiten in der geistigen und sittlichen Entwicklung" (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2003 - 1 StR 507/02, NStZ-RR 2003, 186, 187; Urteil vom 18. April 1984 - 2 StR 103/84, NStZ 1984, 467 mwN), sondern, soweit überhaupt auf diesen Kreis beschränkt, eher um typische Verhaltensweisen jüngerer Menschen.
18
Auch in ihrer Gesamtschau haben die genannten Gesichtspunkte jedenfalls nicht solches Gewicht, dass kein Raum mehr für die Ausübung des in diesem Zusammenhang bestehenden weiten tatrichterlichen Ermessens (BGH, Urteil vom 11. März 2003 - 1 StR 507/02) bestünde, sondern, wie die Jugendkammer meint, "zwingend" Jugendstrafrecht anzuwenden sei.
19
All dies beschwert jedoch den Angeklagten ebenfalls nicht.
20
c) Zur Abfassung der Urteilsgründe:
21
Die schriftlichen Urteilsgründe sollen nicht - etwa zum Vortatgeschehen - eine Vielzahl von Details aneinanderreihen, deren Bedeutung für den Schuldoder Strafausspruch kaum erkennbar ist. Ebenso wenig sollte etwa die Aussage des Angeklagten in der Art eines Protokolls und wiederholt unter Mitteilung des jeweiligen Fragestellers Satz für Satz referiert werden. Die Urteilsgründe sollen dem Leser ermöglichen, die die Entscheidung tragenden Feststellungen ohne aufwändige eigene Bemühungen zu erkennen. Dementsprechend soll die Beweiswürdigung lediglich belegen, warum bedeutsame tatsächliche Umstände so wie geschehen festgestellt wurden. Nur soweit hierfür erforderlich, sind Angaben des Angeklagten, Zeugenaussagen und sonst angefallene Erkenntnisse heranzuziehen. Urteilsgründe, die sich demgegenüber mit vielen sonstigen Erkenntnissen befassen, können den Blick für das Wesentliche verstellen und damit letztlich sogar den Bestand des Urteils gefährden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2009 - 1 StR 357/09; Beschluss vom 4. März 2009 - 1 StR 27/09, insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2009, 701; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 StR 470/06, NStZ 2007, 720; BGH, Beschluss vom 4. September 1997 - 1 StR 487/97, NStZ 1998, 51 mwN).
Nack Wahl Elf Jäger Sander