Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 28. Jan. 2013 - 9 S 2423/12

bei uns veröffentlicht am28.01.2013

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 4. Dezember 2012 - 5 K 3056/12 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Untersagung, das Ergebnis einer amtlichen Kontrolle des Betriebs des Antragstellers am 13. September 2012 im Internetauftritt des Antragsgegners weiterhin zu veröffentlichen, unwirksam wird, wenn der Antragsteller nicht bis 1. März 2013 ein gerichtliches Hauptsacheverfahren eingeleitet hat oder sich ein anhängig gemachtes Hauptsacheverfahren (durch Zurücknahme oder auf andere Weise) in der Hauptsache ohne Sachentscheidung erledigt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtschutz gegen eine Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Verstößen, welche anlässlich einer Betriebskontrolle in seiner Speisegaststätte in .... von Bediensteten des Antragsgegners am 13.09.2012 festgestellt wurden. Die vor Ort mündlich angeordnete Schließung der Betriebsräume zur Durchführung einer fachgerechten Reinigung wurde unter dem 18.09.2012 schriftlich bestätigt. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch. Nachdem eine Nachkontrolle am 20.09.2012 keine Beanstandungen mehr ergeben hatte, wurde der Betrieb der Gaststätte wieder gestattet. Bereits unter dem 17.09.2012 hatte der Antragsgegner angekündigt, dass gemäß § 40 Abs. 1a LFGB eine Veröffentlichung der festgestellten Verstöße im Internet beabsichtigt sei. Hierzu nahm der anwaltlich vertretene Antragsteller mit Schreiben vom 05.10.2012 Stellung. Unter dem 09.10.2012 kündigte der Antragsgegner an, das Ergebnis der amtlichen Kontrolle frühestens ab dem 18.10.2012 zu veröffentlichen. Diese Frist wurde telefonisch nochmals bis 22.10.2012 verlängert. Mit Schreiben vom 19.10.2012 teilte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit, sobald die Antragsschrift für das Eilverfahren fertiggestellt sei, würde man diese dem Antragsgegner vorab per Telefax, spätestens am 22.10.2012, zukommen lassen. In der am 22.10.2012 erfolgten Veröffentlichung auf der Homepage des ...-...-... wurde unter Nennung des Namens, der Anschrift und des Betreibers der Gaststätte in der Rubrik Sachverhalt/Grund der Beanstandung angegeben: „Mängel bei der Betriebshygiene, ekelerregende Herstellungs- oder Behandlungsverfahren.“ In der Folge wurde der Eintrag um den Hinweis ergänzt: „Nachkontrolle am 20.09.2012: Mängel beseitigt“. Mit Schreiben vom 15.11.2012 forderte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers den Antragsgegner erfolglos auf, die Eintragung zu entfernen. Am 23.11.2012 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Karlsruhe um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 04.12.2012 hat das Verwaltungsgericht dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, in seinem Internetauftritt das Ergebnis einer amtlichen Kontrolle des Betriebs des Antragstellers am 13.09.2012 weiterhin zu veröffentlichen. Zur Begründung hat es maßgeblich darauf abgestellt, dass an der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung erhebliche Zweifel bestünden, weil § 40 Abs. 1a LFGB nach seinem Wortlaut die Benennung eines konkreten beanstandeten Lebensmittels erfordere, woran es vorliegend fehle. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, mit der er auch geltend macht, dass es an einem Anordnungsgrund fehle, da es der Antragsteller versäumt habe, vorbeugenden Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Hilfsweise beantragt er, den Antrag des Antragstellers mit der Maßgabe abzulehnen, dass die Veröffentlichung um konkret benannte, von den Verstößen betroffene Lebensmittel ergänzt werde.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Antragsteller im Hinblick auf seinen Antrag nach § 123 VwGO sowohl einen Anordnungsgrund wie auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO). Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht durch § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die Beschwerde war daher mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe zurückzuweisen, welche die Vorläufigkeit der einstweiligen Anordnung und die Möglichkeit einer abschließenden Klärung in dem - bisher nicht anhängig gemachten - Hauptsacheverfahren sicherstellen soll (vgl. Puttler in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Auflage 2010, Rn. 116 zu § 123).
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. Der Antragsteller begehrt bei sachdienlicher Auslegung die Unterlassung einer Internetveröffentlichung. An diesem Gegenstand hat sich im Beschwerdeverfahren dadurch nichts geändert, dass der Antragsgegner in Vollziehung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses die Interneteintragung am 19.12.2012 einstweilen gelöscht hat.
An der Statthaftigkeit des Antrags bestehen keinen Zweifel. Der Antragsteller macht in der Hauptsache einen Unterlassungsanspruch geltend, der mit einer Leistungsklage (vgl. § 43 Abs. 2, § 111 und § 113 Abs. 4 VwGO), nicht mit einer Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 1. Alternative VwGO durchzusetzen ist. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der Veröffentlichung des Ergebnisses der Kontrolle im Internet nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 LVwVfG handelt. Die Veröffentlichung dient lediglich der Information der Öffentlichkeit (vgl. BT-Drucks. 17/7374, S. 1 und 12); sie ist somit nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet, sodass ihr das Merkmal der Regelung im Sinne des § 35 Satz 1 LVwVfG fehlt (vgl. Wollenschläger, DÖV 7, 10 f.; Wehlau, in: Voit, Lebensmittelinformation zwischen Aufklärung und Skandalisierung, 2012, S. 51 ff., 59; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, Einf. Rn. 71). Damit liegt keine Anfechtungssituation vor, für die im einstweiligen Rechtsschutz der Vorrang der Verfahren nach § 80, § 80a VwGO gemäß § 123 Abs. 5 VwGO gelten würde (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2011, Rn. 4 zu § 123).
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch begründet. Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund (a) und einen Anordnungsanspruch (b) glaubhaft gemacht hat.
a) Im vorliegenden Fall besteht die Gefahr, dass im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Bereits der 10. Senat des beschließenden Gerichtshofs hat überzeugend ausgeführt, dass das Verwaltungshandeln durch amtliche Information irreversibel ist und dass daran bei Fehlinformationen auch spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen oder sonstige Korrekturen nichts ändern, da die faktischen Wirkungen von Information regelmäßig nicht mehr eingefangen und umfassend beseitigt werden können (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13.09.2010 - 10 S 2/10 -, VBlBW 2011, 72, 73; Wollenschläger, DÖV 2013, 7, 13). Eine Verbraucherinformation zu - angeblichen - Rechtsverstößen eines Unternehmens kann für dieses existenzgefährdend oder sogar existenzvernichtend wirken. Die öffentliche Zugänglichmachung von Verbraucherinformationen verdrängt außerdem, soweit es sich um personenbezogene Informationen handelt, die datenschutzrechtliche Zweckbindung (§ 18 Abs. 4 Landesdatenschutzgesetz) und ermöglicht dem Empfänger der Information deren Verwendung für beliebige Zwecke (vgl. VGH Bad.-Württ., a.a.O., m.w.N.).
Der danach bei amtlichen Verbraucherinformationen über Rechtsverstöße von Lebensmittelunternehmen auch angesichts deren Prangerwirkung regelmäßig anzunehmende Anordnungsgrund entfällt entgegen der Auffassung des Antragsgegners im vorliegenden Fall nicht deshalb, weil es in der Zeit vom 22.10.2012 bis zum 19.12.2012 bereits zu einer Veröffentlichung des Ergebnisses der Kontrolle vom 13.09.2012 gekommen ist, nachdem der Antragsteller - möglicherweise aus ihm zuzurechnenden Gründen - nicht rechtzeitig um vorbeugenden Rechtsschutz nachgesucht hat. Denn mit Blick auf die verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) führt der Umstand, dass die zwischenzeitliche Veröffentlichung einschließlich der dadurch ausgelösten Presseberichterstattung offenbar bereits nachteilige Folgen für die Reputation seines Gaststättenbetriebs gezeitigt hat, nicht automatisch dazu, dass der Antragsteller nunmehr auch in der Zukunft die weitere Veröffentlichung und alle damit verbundenen Folgewirkungen hinzunehmen hat. Denn mit einer Fortsetzung der Veröffentlichung wird die von ihr ausgehende Prangerwirkung perpetuiert und - auch mit Blick auf den mittlerweile gewachsenen Bekanntheitsgrad des erst seit dem 01.09.2012 geltenden § 40 Abs. 1a LFGB und der entsprechenden Internetseiten - ausgeweitet und vertieft. Dabei ist nicht auszuschließen, dass gerade die Fortdauer der Beeinträchtigung dazu führt, dass diese in eine Gefährdung der Existenz des Betriebs des Antragstellers umschlägt. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht den Gerichten aufgegeben hat, wegen der Besonderheiten der Verbreitung von Informationen über das Internet - insbesondere die schnelle und praktisch permanente Verfügbarkeit der Information für jeden, der an ihr interessiert ist, einschließlich der - über Suchdienste erleichterten - Kombinierbarkeit mit anderen relevanten Informationen - den mit einer Anprangerung in diesem Medium verbundenen nachteiligen Wirkungen für grundrechtlich geschützte Belange ein gesteigertes Augenmerk zu widmen (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 09.10.2001 - 1 BvR 622/01 -, BVerfGE 104, 65, 72 f. - Schuldnerspiegel im Internet).
b) Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Regelungen des vorläufigen Rechtsschutzes - wie § 123 VwGO - gehalten, der besonderen Bedeutung der betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Daraus folgt die Verpflichtung, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes jedenfalls dann auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen, wenn diese Versagung zu schweren und unzumutbaren Nachteilen führt. Dies bedeutet auch, dass die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen muss, wenn dazu Anlass besteht. Dann verlangt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beispielsweise, dass sich die Gerichte auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit berechtigten Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit und damit Gültigkeit von entscheidungserheblichen Normen und ihrer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung auseinandersetzen. Diese Anforderungen belasten die Gerichte nicht unzumutbar, weil ihnen ein anderes Verfahren offensteht, wenn sie - beispielsweise wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit - es für untunlich halten, Rechtsfragen vertiefend zu behandeln. Sie können dann ihre Entscheidung auf der Grundlage einer Folgenabwägung ohne Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache treffen (zum Ganzen BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 25.07.1996 - 1 BvR 638/96 -, NVwZ 1997, 479, 480, m.w.N.).
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Ausgehend davon ergibt sich der Anordnungsanspruch des Antragstellers aufgrund einer Folgenabwägung. Mit der gegenständlichen Veröffentlichung im Internet wird ohne Zweifel in Grundrechte des Antragstellers eingegriffen, die auch vor Beeinträchtigungen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt) schützen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.2012 - 6 C 9/11 -, BVerwGE 141, 329, 332 Rn. 22 m.w.N.). Betroffen sind insoweit die Schutzbereiche des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG; vgl. Becker, NJW 2011, 490, 492; Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 ff., 45 f.) und der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.05.2010 - L 10 P 10/10 B ER -, Juris Rn. 33; Wollenschläger, a.a.O., 37 ff.), ggf. auch des Rechts auf Wahrung von Betriebsgeheimnissen (Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 12 Abs. 1 GG; vgl. Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2009, § 6 Rn. 8 m.w.N.) oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG). Bei einer Versagung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Fortführung der Veröffentlichung müsste der Antragsteller mit Blick auf die genannten Grundrechte schwerwiegende und ggf. existenzielle Nachteile befürchten. Von der deshalb grundsätzlich bereits im Eilverfahren gebotenen eingehenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung, ob ihm der in der Hauptsache geltend zu machende Unterlassungsanspruch zusteht, nimmt der Senat indes Abstand. Denn diese Prüfung wirft vor allem im Hinblick auf die der Veröffentlichung zugrunde liegende Befugnisnorm des § 40 Abs. 1a Nr. 2 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs vom 07.09.2005 in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation vom 15.03.2012, BGBl I S. 776 - LFGB - zahlreiche, zum Teil komplexe und in Rechtsprechung und Literatur kontrovers beurteilte Rechtsfragen auf, die einer vertiefenden Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müssen (aa). Die danach angezeigte Abwägung der gegenläufigen Interessen im Einzelfall fällt zu Lasten des Antragsgegners aus (bb).
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aa) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Rechtsgrundlage in den genannten Grundrechten des Antragstellers (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.2012, a.a.O., 332 Rn. 22; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.11.2006 - 1 S 2321/05 -, VBlBW 2007, 340). Der Anspruch setzt voraus, dass sich die Veröffentlichung als rechtswidriger Eingriff in diese Grundrechte darstellt (vgl. BVerwG, a.a.O.). Als den Eingriff rechtfertigende Befugnisnorm kommt allein § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB in Betracht, worauf der Antragsgegner die Veröffentlichung auch ausdrücklich stützt. Allerdings begegnet die bundesgesetzliche Regelung im Hinblick auf ihre - von den Beteiligten konträr beurteilte - Vereinbarkeit mit Unions- und Verfassungsrecht erheblichen Bedenken.
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(1) Nach § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht besteht, dass
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1. …
2. gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist.
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Zweck der Vorschrift ist es, den Verbraucher unabhängig vom Vorliegen einer Gesundheitsgefahr von Amts wegen über in der Vergangenheit liegende, herausgehobene Verstöße gegen dem Verbraucherschutz dienende Vorschriften zu informieren. Damit zielt die Bestimmung nicht auf eine Warnung der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren ab; sie bezweckt vielmehr neben einem vorsorgenden Gesundheitsschutz (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 LFGB) vor allem eine Verbesserung der aktiven Information der Öffentlichkeit und damit der Transparenz staatlichen Handelns, um dem Verbraucher eine verlässliche Grundlage für eigenverantwortliche Konsumentscheidungen auf dem Markt zu bieten (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a) LFGB sowie BT-Drucks. 17/7374, S. 12, 20, 25, 27; Erlass des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg vom 28.08.2012, Az 36-5470.00/31-8302.25, S. 3; Wollenschläger, DÖV 2013, 7, 9; ders., VerwArch 102 (2011), 20 ff., 25; Schoch, NVwZ 2012, 1497, 1502). Der mit der Vorschrift ersichtlich angestrebte „Prangereffekt“ dürfte mit Blick auf das Verhalten des/der Lebensmittelunternehmer(s) sowohl eine spezial- wie eine generalpräventive Komponente aufweisen (vgl. Niedersächs. OVG, Beschluss vom 18.01.2013 - 13 ME 267/12 -, Juris Rn. 9; vgl. auch Wollenschläger, a.a.O., 24 f.).
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Gegen die Vereinbarkeit der Vorschrift mit Unionsrecht sind vor allem im Schrifttum mit Blick auf Art. 10 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 01.02.2002, S. 1, im Folgenden Verordnung (EG) Nr. 178/2002) Einwände erhoben worden. Nach dieser Vorschrift unternehmen, wenn ein hinreichender Verdacht besteht, dass ein Lebensmittel oder Futtermittel ein Risiko für die Gesundheit von Mensch oder Tier mit sich bringen kann, die Behörden unbeschadet der geltenden nationalen oder Gemeinschaftsbestimmungen über den Zugang zu Dokumenten je nach Art, Schwere und Ausmaß des Risikos geeignete Schritte, um die Öffentlichkeit über die Art des Gesundheitsrisikos aufzuklären; dabei sind möglichst umfassend das Lebensmittel oder Futtermittel oder die Art des Lebensmittels oder Futtermittels, das möglicherweise damit verbundene Risiko und die Maßnahmen anzugeben, die getroffen wurden oder getroffen werden, um dem Risiko vorzubeugen, es zu begrenzen oder auszuschalten.
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Art. 10 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 trifft nach einer von Schoch (NVwZ 2012, 1497, 1503) als herrschende Meinung bezeichneten Auffassung eine abschließende Regelung im Sinne einer Vollharmonisierung der Regelungen zur Information der Öffentlichkeit über Beanstandungen von Lebens- und Futtermitteln, über die nationales Recht nicht hinausgehen darf. Zur Begründung wird auf den Wortlaut des Art. 10 sowie auf Art. 4 und den Erwägungsgrund 22 der VO (EG) Nr. 178/2002 und Art. 7 Verordnung (EG) Nr. 882/2004 hingewiesen. Hiernach verstoße die behördliche Information der Öffentlichkeit über Futtermittel und Lebensmittel unterhalb der Schwelle des Gesundheitsrisikos gegen Unionsrecht (zum Verhältnis des Risikobegriffs in Art. 3 Nr. 9 VO (EG) Nr. 178/2002 zum Gefahrbegriff des deutschen Rechts vgl. Seemann, Behördliche Produktinformation im europäischen und deutschen Lebensmittelrecht, 2008, 39 f.). Da § 40 Abs. 1a LFGB eine Information der Öffentlichkeit unterhalb dieser Schwelle vorsehe (die Information dürfte sich regelmäßig auf zwischenzeitlich beseitigte Mängel beziehen), würde die Sperrwirkung des Art. 10 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 greifen und zur Unanwendbarkeit der Vorschrift führen (vgl. Grube, LMuR 2011, 21 ff.; Becker, ZLR 2011, 391, 402; Grube/Immel, ZLR 2011, 175, 190; Voit, LMuR 2012, 9, 15 ff.; Michl/Meyer, ZLR 2012, 557, 558, 565; zu Bedenken vgl. auch VG München, Beschluss vom 03.12.2012 - M 18 E 12.5736 - Juris, Rn. 41 ff.).
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Nach der Gegenmeinung enthält Art. 10 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 keine Aussage zum Verbraucherschutz und belässt deshalb dem nationalen Gesetzgeber die volle Regelungskompetenz. Europarechtlich legitimiert werde die Verbraucherinformation durch Art. 8, 17 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (vgl. Schoch, NVwZ 2012, 1497, 1503 ff.; Seemann, a.a.O., 171 f.; VG Regenburg, Beschluss vom 23.10.2012 - RO 5 E 12.1580 -, Juris, Rn. 63 ff.; VG München Beschluss vom 13.09.2012 - M 22 E 12.4275 -, Juris Rn. 82 ff. ; Boch, LFGB, in: Das Deutsche Bundesrecht, Mai 2012, Nr. IV K 7, § 40 Rn. 18; zum Meinungsstand vgl. auch Wollenschläger, DÖV 2013, 7, 8 mit Fußnote 3).
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Zur Klärung der kontrovers erörterten Frage der Sperrwirkung des Art. 10 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ist dem Europäischen Gerichtshof vom Landgericht München ein Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt worden (vgl. den Beschluss vom 05.12.2011 - 15 O 9353/09 -, LMuR 1/2012, 32; Rechtssache C-636/11 Berger). Das Ersuchen bezieht sich zwar auf § 40 Abs. 1 Nr. 4 LFGB, das dort gegenständliche Problem der amtlichen Information unterhalb der Schwelle des gesundheitlichen Risikos stellt sich indes auch bei § 40 Abs. 1a LFGB. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs steht aus.
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(2) Darüber hinaus werden gegen die Bestimmung auch verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben.
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(a) Insoweit wird bezweifelt, ob die Regelung den rechtstaatlichen Geboten der Normenklarheit und Bestimmtheit noch gerecht wird.
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§ 40 Abs. 1a LFGB setzt tatbestandlich voraus, dass in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt gegen sonstige Vorschriften verstoßen wurde und dass ein Bußgeld von mindestens 350,-- EUR zu erwarten ist. Insbesondere die Anknüpfung an ein zu erwartendes Bußgeld in bestimmter Höhe wirft die Frage auf, ob damit die Einschreitschwelle noch hinreichend präzise und für den Betroffenen erkennbar beschrieben wurde (zu den Anforderungen etwa bei Eingriffen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vgl. BVerfG, Urteile vom 11.03.2008 - 1 BvR 2074/05 u.a. -, BVerfGE 120, 378, 401 ff., 407 ff., und vom 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, 186 ff.; BVerwG, Urteil vom 25.01.2012, a.a.O., 341 Rn. 39).
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Bedenken unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Bestimmtheit werden darauf gestützt, dass es für die von der Behörde anzustellende Prognose über die Verhängung eines Bußgelds in bestimmter Höhe an einem objektiven und transparenten Maßstab - etwa in Gestalt eines Bußgeldkatalogs - fehle, um zumindest über einen Rahmen für die Zuordnung festgestellter Verstöße zur Höhe des Bußgelds zu verfügen (vgl. Grube/Immel, ZLR 2011, 175, 192; Kühne/Preuß, ZLR 2012, 284, 298 ff.; VG München Beschluss vom 03.12.2012 - M 18 E 12.5736 -, Juris). Die daraus folgende Gefahr einer stark unterschiedlichen Gewichtung der Verstöße und damit einer uneinheitlichen Veröffentlichungspraxis der zahlreichen Behörden werde dadurch verstärkt, dass die Prognose über das Gewicht eines Verstoßes noch durch den Umstand erschwert werde, dass die Bußgeldhöhe auch von subjektiven Faktoren bzw. persönlichen Umständen abhängt (z.B. vorsätzliche oder fahrlässige Begehung, Schuldeinsicht, wiederholte Begehung, Einkommen des Betroffenen usw.; vgl. VG München, a.a.O., Rn. 46; Kühne/Preuß, ZLR 2012, 284, 298 f.). Nicht zuletzt mit Blick darauf, dass die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit und die Festsetzung der Höhe grundsätzlich im Ermessen der Bußgeldbehörde steht, stellt sich die Frage, ob die Bestimmung der Einschreitschwelle hier nicht zu weitgehend der freien, für den Bürger nicht vorhersehbaren Entscheidung der Exekutive überlassen wird (vgl. Kühne/Preuß, ZLR 2012, 284, 299; Grube/Immel, ZLR 2011, 644, 648 f.).
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(b) Schließlich hat der Senat Zweifel, ob § 40 Abs. 1a LFGB dem Gebot der Verhältnismäßigkeit genügt. Dieses verlangt, dass ein Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist (BVerfG, Urteil vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07 -, BVerfGE 120, 274, 318 f.; Urteil vom 11.03.2008, a.a.O., S. 427).
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(aa) Unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit fällt dabei ins Auge, dass § 40 Abs. 1a LFGB keine Regelung hinsichtlich der Dauer der Veröffentlichung vorsieht. Dass die vom Gesetzgeber mit der Veröffentlichungspflicht verfolgten Ziele eine zeitlich unbegrenzte Veröffentlichung von Verstößen gegen dem Verbraucherschutz dienende Vorschriften erfordern, kann ausgeschlossen werden. Als milderes Mittel dürfte insoweit durch das Gesetz selbst oder auf dessen Grundlage eine Löschungsfrist vorzusehen sein (vgl. BayVGH, Beschluss vom 09.01.2012 - 12 CE 11.2700 -, Juris Rn. 41 - zur Veröffentlichung von Berichten der Heimaufsicht; Wollenschläger, a.a.O., 47). Die mit Blick auf diese „offensichtliche gesetzgeberische Lücke“ im Erlasswege in Baden-Württemberg getroffene Festlegung, wonach die Eintragungen etwaiger Verstöße nach einem Jahr zu löschen seien (vgl. Erlass des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg vom 25.07.2012, a.a.O., S. 7), ist lediglich verwaltungsintern bindend und könnte einen festzustellenden verfassungsrechtlichen Mangel des Gesetzes nicht heilen.
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(bb) Das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne verlangt, dass die Schwere der gesetzgeberischen Grundrechtsbeschränkung bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe steht. In dem Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht des Staates zum Rechtsgüterschutz und dem Interesse des Einzelnen an der Wahrung seiner von der Verfassung verbürgten Rechte ist es dabei zunächst Aufgabe des Gesetzgebers, in abstrakter Weise einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu erreichen. Dies kann dazu führen, dass Grundrechtseingriffe einer bestimmten Eingriffsintensität erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorgesehen werden dürfen. Entsprechende Eingriffsschwellen sind durch eine gesetzliche Regelung zu gewährleisten (vgl. BVerfG, Urteil vom 11.03.2008, a.a.O., 428 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 25.01.2012, a.a.O., 343 f. Rn. 47 ; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2003 - 1 S 377/02 -, VBlBW 2004, 20, 25).
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Hiervon ausgehend wird im Schrifttum eingewandt, Berichte aus der Praxis ließen - auch angesichts von Bußgeldtatbeständen, deren Höchstgrenze bei 50.000,- EUR liege - ein Bußgeld in Höhe von 350,- EUR eher als „Bagatelle“ erscheinen. Deshalb stelle sich die Frage, ob die relativ niedrige Eingriffsschwelle für eine Veröffentlichungspflicht angesichts der aus der Prangerwirkung folgenden Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung noch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genüge (vgl. Grube/Immel, ZLR 2012, 109, 117; Kühne/Preuß, ZLR 2012, 284, 299; Schoch, NVwZ 2012, 1497, 1502). Ferner wird darauf hingewiesen, dass die festgestellten Verstöße im Zeitpunkt der Veröffentlichung regelmäßig bereits abgeschlossen und die entsprechenden Mängel behoben sind (vgl. Kühne/Preuß, ZLR 2012, 284, 307). Zu den Vorkehrungen, die geboten sind, um das Ausmaß des Grundrechtseingriffs im Interesse des betroffenen Betriebs zu begrenzen, dürfte daher auch die Normierung einer Pflicht der Behörde gehören, in die Veröffentlichung unverzüglich auch den Hinweis auf die Tatsache und den Zeitpunkt der Mängelbeseitigung aufzunehmen (zur Hinweispflicht vgl. auch Niedersächs. OVG, Beschluss vom 18.01.2013, a.a.O., Rn. 9).
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Im Zentrum der verfassungsrechtlichen Kritik an der gesetzlichen Regelung steht schließlich, dass § 40 Abs. 1a LFGB eine zwingende Pflicht zur Veröffentlichung vorsieht. Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, der im Normtext wie in den Materialien Ausdruck findet, muss bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Veröffentlichung erfolgen, ohne dass - etwa im Rahmen einer behördlichen Ermessensentscheidung - die für sie streitenden Interessen der Öffentlichkeit mit gegenläufigen Belangen der betroffenen Unternehmen abzuwägen sind. In der amtlichen Begründung heißt es hierzu:
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Die Geschehnisse im Zusammenhang mit Dioxin in Futtermitteln von Ende 2010/Anfang 2011 bestätigen die bereits in der Vergangenheit insbesondere im Zusammenhang mit kennzeichnungsrechtlichen Verstößen im Bereich der Käseimitate sowie die des so genannten Analogschinkens gesammelten Erfahrungen, dass bei den Behörden vor Ort trotz der im Juli 2009 eingeführten Verbesserungen der Abwägungsklausel des bisherigen § 40 Abs. 1 S. 3 LFGB (vgl. BGBl. I S. 2205) teilweise immer noch Unklarheiten bestehen, in welchen Fällen eine Information der Öffentlichkeit angezeigt ist. Daher ist es notwendig, im Gesetz selbst durch die Schaffung eines neuen § 40 Abs. 1 a klarzustellen, dass bestimmte herausgehobene Rechtsverstöße unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 LFGB zu veröffentlichen sind. Nach dem neu eingefügten § 40 Abs. 1 a muss eine Namensnennung bei Feststellung dieser enumerativ aufgeführten Rechtsverstöße nunmehr zwingend - ohne dass den zuständigen Behörden ein (gebundenes) Ermessen zusteht - erfolgen (BT-Drucks. 17/7374, S. 20; ähnlich S. 12).
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Die zwingende Veröffentlichungspflicht der Behörde weckt Zweifel, ob der Gesetzgeber noch einen angemessenen Ausgleich zwischen dem öffentlichen Interesse an der Information und dem grundrechtlichen Geheimhaltungsinteresse hergestellt hat (vgl. Schoch, NVwZ 2012, 1497, 1501 f.; Kühne/Preuß, ZLR 2012, 284, 307 f.; Becker, ZLR 2011, 391, 416 f.; VG München, Beschluss vom 03.12.2012, a.a.O., Rn. 47). Dies gilt vor allem deshalb, weil sich die verfassungsrechtliche Konfliktlage unterscheidet von dem Fall behördlicher Warnungen vor produktbezogenen Gesundheitsgefahren. Dort wird angesichts der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abgeleiteten staatlichen Schutzpflicht für Leib und Leben dem Gesundheitsschutz des Verbrauchers in der Abwägung mit dem grundrechtlichen geschützten Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens grundsätzlich ein Vorrang zukommen. Ein entsprechendes verfassungsrechtliches Gewicht kommt dem mit § 40 Abs. 1a LFGB primär verfolgten Ziel des „schlichten“ Verbraucherschutzes nicht zu (zur Verbraucherinformation als eigenständigem Instrument des Verbraucherschutzes Wollenschläger, VerwArch 102 (2011), 20 ff., 24 ff.). Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sind die festgestellten Mängel regelmäßig beseitigt, sodass auch von einem konkreten gesundheitlichen Risiko nicht auszugehen sein dürfte (vgl. Wollenschläger, DÖV 2003, 7, 14). Deshalb bestehen mit Blick auf den gesetzlichen Ausschluss der Möglichkeit, die widerstreitenden Belange im Einzelfall abzuwägen, selbst bei Einbeziehung der generalpräventiven Wirkung der Information Bedenken, ob der wegen ihrer öffentlichen Prangerwirkung mit der Veröffentlichungspflicht verbundene schwerwiegende Grundrechtseingriff noch in einem angemessenen Verhältnis zu den mit der Regelung verfolgten Gemeinwohlinteressen steht (vgl. Joh/Krämer/Teu-fer/Unland, ZLR 2012, 420, 429 f., 444; Kühne/Preuß, ZLR 2012, 284, 307 f.; Schoch, NVwZ 2012, 1497, 1501 f.). Dies gilt umso mehr, als die Vorschrift nicht einmal Raum lässt, um besonderen Fallgestaltungen oder Härten Rechnung zu tragen und so ein bei der Preisgabe personen- und unternehmenbezogener Informationen im konkreten Einzelfall drohendes Übermaß abzuwehren (a.A. offenbar Niedersächs. OVG, Beschluss vom 18.01.2013, a.a.O., Juris Rn. 8)
30 
(3) Nach alledem wirft die der gegenständlichen Veröffentlichung zugrundeliegende Bestimmung zahlreiche komplexe unions- und verfassungsrechtliche Fragen auf. Die zur verlässlichen Ermittlung der Erfolgsaussichten der Hauptsache notwendige Durchdringung dieser Fragen würde den Rahmen des vorliegenden Verfahrens nach § 123 VwGO sprengen. Lediglich ergänzend bemerkt der Senat, dass sich die in Rechtsprechung und Schrifttum gegen die Vorschrift erhobenen Einwände nicht auf die vorstehend behandelten Punkte beschränken.
31 
bb) Die danach gebotene Abwägung der im vorliegenden Fall berührten Interessen unter Berücksichtigung der Folgen, die sich voraussichtlich an die Gewährung oder Versagung des beantragten vorläufigen Rechtsschutzes knüpfen würden, führt zum Überwiegen des Interesses des Antragstellers an einer weiteren Untersagung der Veröffentlichung.
32 
Von Bedeutung ist dabei nach der Ansicht des Senats, dass im Falle der erneuten Veröffentlichung wegen deren Prangerwirkung die Gefahr einer erheblichen und irreparablen Verletzung der Grundrechte des Antragstellers besteht. Insoweit ist neben dem Aspekt der Beeinträchtigung seines Rechts auf Schutz seiner personen- und betriebsbezogenen Daten dem Gesichtspunkt der Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz maßgebliche Bedeutung beizumessen. Der Senat geht dabei davon aus, dass bei einer Wiedereinstellung des Ergebnisses der Kontrolle in das Internet das Risiko besteht, dass der Antragsteller beim weiteren Betrieb seiner Gaststätte in einem Umfang Einkommensverluste erleidet, dass von einer unzumutbaren, selbst bei einem Erfolg einer Klage im Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig zu machenden Beeinträchtigung seiner grundrechtlichen Belange ausgegangen werden muss. Dies gilt umso mehr, als sich der Antragsteller nach der Darstellung des Antragsgegners ohnehin bereits in einer wirtschaftlich angespannten Situation befinden soll.
33 
Auf der anderen Seite verkennt der Senat nicht, dass anlässlich der Kontrolle am 13.09.2012 gravierende Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften festgestellt wurden, sodass nach Aktenlage insoweit vor allem angesichts der vom Antragsgegner vorgelegten Lichtbild-Dokumentation am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 40 Abs.1a LFGB keine durchgreifenden Zweifel bestehen. Allerdings hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 19.12.2012 ausgeführt, dass der Antragsgegner aufgrund einer Nachkontrolle vom 20.09.2012 in der Veröffentlichung selbst davon ausgeht, dass die festgestellten Mängel beseitigt sind, und dass er nicht substantiiert in Frage gestellt hat, dass im Betrieb des Antragstellers die Hygienevorschriften mittlerweile eingehalten werden. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass eine Veröffentlichung zum Schutz des Verbrauchers vor Gesundheitsgefahren erforderlich ist. Im Übrigen steht dem Antragsgegner ungeachtet der Bestimmung des § 40 Abs. 1a LFGB das vorhandene Instrumentarium des Lebensmittelrechts zur Durchsetzung lebensmittel- und hygienerechtlicher Anforderungen zu (vgl. insbesondere § 39 Abs. 2 LFGB). Weder dem Transparenzinteresse des Verbrauchers als Markteilnehmer an der Veröffentlichung abgeschlossener Rechtsverstöße noch der vom Antragsgegner in der Beschwerdebegründung ins Feld geführten generalpräventiven Wirkung der Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB kommt angesichts der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Antragstellers ein Gewicht zu, das die Veröffentlichung bis zur Klärung des gegenständlichen Anspruchs in einem Hauptsacheverfahren rechtfertigen könnte.
34 
3. Danach bleibt auch der auf Zulassung einer Veröffentlichung unter Benennung konkreter Lebensmittel gerichtete Hilfsantrag ohne Erfolg. Zugrunde liegt ihm die von mehreren Verwaltungsgerichten - wie auch vom Verwaltungsgericht Karlsruhe in dem angefochtenen Beschluss - behandelte Frage, ob § 40 Abs. 1a LFGB generell zu einer Information der Öffentlichkeit über Verstöße eines Lebensmittelunternehmens gegen Hygienevorschriften ermächtigt oder lediglich zu solchen Veröffentlichungen, die einen Bezug zu konkreten Lebensmitteln aufweisen (vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 07.11.2012 - 2 K 2430/12 -, Juris: Befugnis nur zur „Produktwarnung“; VG Trier, Beschluss vom 28.11.2012 - 1 L 1339/12.TR -, Juris; VG Regensburg, Beschluss vom 21.12.2012 - RO 5 E 12.1897 -, Juris; a.A. VG Karlsruhe, Beschluss vom 17.12.2012 - 1 K 2767/12 - sowie die ausführliche Beschwerdebegründung). Auf diese ausschließlich den Anwendungsbereich der Bestimmung betreffende Frage kam es nach den vorstehenden Darlegungen nicht an.
35 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
36 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 3, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 GKG. In Anlehnung an Nr. 25.2 und Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327) hat der Senat den Auffangwert angesetzt und von einer Reduzierung des Betrags im Eilverfahren abgesehen.
37 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 28. Jan. 2013 - 9 S 2423/12

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Referenzen - Gesetze

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 146


(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80a


(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde 1. auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,2. auf Ant

Zivilprozessordnung - ZPO | § 294 Glaubhaftmachung


(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. (2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 45 Klage und Widerklage, Hilfsanspruch, wechselseitige Rechtsmittel, Aufrechnung


(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine

Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch


Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB

Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB | § 39 Maßnahmen der für die Überwachung von Lebensmitteln, Futtermitteln und Bedarfsgegenständen im Sinne von § 2 Absatz 6 Satz 1 Nummer 1 zuständigen Behörden


(1) Die für die Überwachung von Lebensmitteln, Futtermitteln und Bedarfsgegenständen im Sinne von § 2 Absatz 6 Satz 1 Nummer 1 zuständigen Behörden treffen die Maßnahmen, die nach den Artikeln 137 und 138 der Verordnung (EU) 2017/625 erforderlich sin

Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB | § 1 Zweck des Gesetzes


(1) Zweck des Gesetzes ist es, 1. vorbehaltlich der Absätze 2 und 4 bei Lebensmitteln, Futtermitteln, Mitteln zum Tätowieren, kosmetischen Mitteln und Bedarfsgegenständen den Schutz der Endverbraucher durch Vorbeugung gegen eine oder Abwehr einer Gef

Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB | § 40 Information der Öffentlichkeit


(1) Die zuständige Behörde soll die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels und des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt od

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 111


Ist bei einer Leistungsklage ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht durch Zwischenurteil über den Grund vorab entscheiden. Das Gericht kann, wenn der Anspruch für begründet erklärt ist, anordnen, daß über den Betrag zu verha

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 28. Jan. 2013 - 9 S 2423/12 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

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Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 07. Nov. 2012 - 2 K 2430/12

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Tenor 1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, in ihrem Internetauftritt das Ergebnis einer amtlichen Kontrolle des Betriebs der Antragstellerin am ... zu veröffentlichen.2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 25. Jan. 2012 - 6 C 9/11

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Tatbestand 1 Die Klägerin wendet sich gegen eine offene Videoüberwachung der Reeperbahn in Hamburg durch eine vor dem von ihr bewohnten Haus aufgestellte Kamera. Die Ree

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 24. Nov. 2006 - 1 S 2321/05

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Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Juli 2004 - 18 K 1474/04 - geändert. Dem Beklagten wird untersagt, zu behaupten oder zu verbreiten: 1. Ein ehemaliger Minister habe auf einer Veranst
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Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 18. März 2014 - 1 K 13.01466

bei uns veröffentlicht am 18.03.2014

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. 3. Die Klägerin kann die Vollstrec

Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 09. Juli 2015 - RN 5 K 14.1110

bei uns veröffentlicht am 09.07.2015

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht Regensburg Aktenzeichen: RN 5 K 14.1110 Im Namen des Volkes Urteil vom 09.07.2015 5. Kammer Sachgebiets-Nr: 420 Hauptpunkte: Zum Begriff der „nicht zulässi

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 21. März 2018 - 1 BvF 1/13

bei uns veröffentlicht am 21.03.2018

Tenor 1. § 40 Absatz 1a des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB), eingeführt durch Artikel 2 Nummer 2 des Gesetzes zur Änderung des Rechts der Verbraucher-information vom 15. März 2012

Verwaltungsgericht Münster Beschluss, 10. Juni 2016 - 9 L 754/16

bei uns veröffentlicht am 10.06.2016

Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der durch die Anrufung des Landgerichts Stuttgart – 36 O 5/16 KfH - entstandenen Mehrkosten. Der Streitwert wird auf 1.000.000,- Euro festgesetzt. 1G

Referenzen

(1) Die zuständige Behörde soll die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels und des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, und, wenn dies zur Gefahrenabwehr geeigneter ist, auch unter Nennung des Inverkehrbringers, nach Maßgabe des Artikels 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 informieren. Eine Information der Öffentlichkeit in der in Satz 1 genannten Art und Weise soll vorbehaltlich des Absatzes 1a auch erfolgen, wenn

1.
der hinreichende Verdacht besteht, dass ein Mittel zum Tätowieren, ein kosmetisches Mittel oder ein Bedarfsgegenstand ein Risiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringen kann,
2.
der hinreichende Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen dienen, verstoßen wurde,
3.
im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von einem Erzeugnis eine Gefährdung für die Sicherheit und Gesundheit ausgeht oder ausgegangen ist und aufgrund unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnis oder aus sonstigen Gründen die Unsicherheit nicht innerhalb der gebotenen Zeit behoben werden kann,
4.
ein nicht gesundheitsschädliches, aber zum Verzehr ungeeignetes, insbesondere ekelerregendes Lebensmittel in nicht unerheblicher Menge in den Verkehr gelangt oder gelangt ist oder wenn ein solches Lebensmittel wegen seiner Eigenart zwar nur in geringen Mengen, aber über einen längeren Zeitraum in den Verkehr gelangt ist,
4a.
der durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Täuschung dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß verstoßen wurde,
5.
Umstände des Einzelfalles die Annahme begründen, dass ohne namentliche Nennung des zu beanstandenden Erzeugnisses und erforderlichenfalls des Wirtschaftsbeteiligten oder des Inverkehrbringers, unter dessen Namen oder Firma das Erzeugnis hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, erhebliche Nachteile für die Hersteller oder Vertreiber gleichartiger oder ähnlicher Erzeugnisse nicht vermieden werden können.
In den Fällen des Satzes 2 Nummer 3 bis 5 ist eine Information der Öffentlichkeit zulässig nach Abwägung der Belange der Betroffenen mit den Interessen der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung.

(1a) Die zuständige Behörde informiert die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 38 Absatz 2a Satz 2 auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Artikel 37 Absatz 4 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2017/625, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass

1.
in Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten wurden oder
2.
ein nach Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht zugelassener oder verbotener Stoff in dem Lebensmittel oder Futtermittel vorhanden ist oder
3.
gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.
Verstöße gegen bauliche Anforderungen, die keine Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirken, sowie Aufzeichnungs- oder Mitteilungspflichten, die keine Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirken, bleiben nach Satz 1 Nummer 3 außer Betracht. Bei Verstößen gegen hygienische Anforderungen kann abweichend von Satz 1 in der Information der Name des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmers sowie der Betrieb, in dem der Verstoß festgestellt wurde, genannt werden. Während eines laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens dürfen Informationen nach Satz 1 nur im Benehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft herausgegeben werden, wenn hierdurch nicht der mit dem Verfahren verfolgte Untersuchungszweck gefährdet wird.

(2) Eine Information der Öffentlichkeit nach Absatz 1 durch die Behörde ist nur zulässig, wenn andere ebenso wirksame Maßnahmen, insbesondere eine Information der Öffentlichkeit durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer oder den Wirtschaftsbeteiligten, nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden oder die Endverbraucher nicht erreichen. Unbeschadet des Satzes 1 kann die Behörde ihrerseits die Öffentlichkeit auf

1.
eine Information der Öffentlichkeit oder
2.
eine Rücknahme- oder Rückrufaktion
durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer oder den sonstigen Wirtschaftsbeteiligten hinweisen. Die Behörde kann unter den Voraussetzungen des Satzes 1 auch auf eine Information der Öffentlichkeit einer anderen Behörde hinweisen, soweit berechtigte Interessen der Endverbraucher in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich berührt sind.

(3) Bevor die Behörde die Öffentlichkeit nach den Absätzen 1 und 1a informiert, hat sie den Hersteller oder den Inverkehrbringer anzuhören, sofern hierdurch die Erreichung des mit der Maßnahme verfolgten Zwecks nicht gefährdet wird. Satz 1 gilt nicht in einem Fall des Absatzes 2 Satz 2 oder 3.

(4) Stellen sich die von der Behörde an die Öffentlichkeit gegebenen Informationen im Nachhinein als falsch oder die zu Grunde liegenden Umstände als unrichtig wiedergegeben heraus, so ist dies unverzüglich öffentlich bekannt zu machen, sofern der betroffene Wirtschaftsbeteiligte dies beantragt oder dies zur Wahrung erheblicher Belange des Gemeinwohls erforderlich ist. Sobald der der Veröffentlichung zu Grunde liegende Mangel beseitigt worden ist, ist in der Information der Öffentlichkeit unverzüglich hierauf hinzuweisen. Die Bekanntmachungen nach Satz 1 und Satz 2 sollen in derselben Weise erfolgen, in der die Information der Öffentlichkeit ergangen ist.

(4a) Die Information nach Absatz 1a ist einschließlich zusätzlicher Informationen nach Absatz 4 sechs Monate nach der Veröffentlichung zu entfernen.

(5) Abweichend von Absatz 1 ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zuständige Behörde, soweit ein nicht im Inland hergestelltes Erzeugnis erkennbar nicht im Inland in den Verkehr gebracht worden ist und

1.
ein Fall des Absatzes 1 Satz 1 vorliegt aufgrund
a)
einer Meldung nach Artikel 50 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eines anderen Mitgliedstaates oder der Europäischen Kommission oder
b)
einer sonstigen Mitteilung eines anderen Mitgliedstaates, eines Drittlandes oder einer internationalen Organisation oder
2.
ein Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 vorliegt aufgrund einer sonstigen Mitteilung eines anderen Mitgliedstaates, der Europäischen Kommission, eines Drittlandes oder einer internationalen Organisation.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn
1.
ein Erzeugnis, das durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln im Sinne von § 312c Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeboten wird, nicht erkennbar im Inland hergestellt wurde und
2.
ein Inverkehrbringer mit Sitz im Inland nicht erkennbar ist.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Ist bei einer Leistungsklage ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht durch Zwischenurteil über den Grund vorab entscheiden. Das Gericht kann, wenn der Anspruch für begründet erklärt ist, anordnen, daß über den Betrag zu verhandeln ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde

1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,
2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.

(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.

(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die zuständige Behörde soll die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels und des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, und, wenn dies zur Gefahrenabwehr geeigneter ist, auch unter Nennung des Inverkehrbringers, nach Maßgabe des Artikels 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 informieren. Eine Information der Öffentlichkeit in der in Satz 1 genannten Art und Weise soll vorbehaltlich des Absatzes 1a auch erfolgen, wenn

1.
der hinreichende Verdacht besteht, dass ein Mittel zum Tätowieren, ein kosmetisches Mittel oder ein Bedarfsgegenstand ein Risiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringen kann,
2.
der hinreichende Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen dienen, verstoßen wurde,
3.
im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von einem Erzeugnis eine Gefährdung für die Sicherheit und Gesundheit ausgeht oder ausgegangen ist und aufgrund unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnis oder aus sonstigen Gründen die Unsicherheit nicht innerhalb der gebotenen Zeit behoben werden kann,
4.
ein nicht gesundheitsschädliches, aber zum Verzehr ungeeignetes, insbesondere ekelerregendes Lebensmittel in nicht unerheblicher Menge in den Verkehr gelangt oder gelangt ist oder wenn ein solches Lebensmittel wegen seiner Eigenart zwar nur in geringen Mengen, aber über einen längeren Zeitraum in den Verkehr gelangt ist,
4a.
der durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Täuschung dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß verstoßen wurde,
5.
Umstände des Einzelfalles die Annahme begründen, dass ohne namentliche Nennung des zu beanstandenden Erzeugnisses und erforderlichenfalls des Wirtschaftsbeteiligten oder des Inverkehrbringers, unter dessen Namen oder Firma das Erzeugnis hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, erhebliche Nachteile für die Hersteller oder Vertreiber gleichartiger oder ähnlicher Erzeugnisse nicht vermieden werden können.
In den Fällen des Satzes 2 Nummer 3 bis 5 ist eine Information der Öffentlichkeit zulässig nach Abwägung der Belange der Betroffenen mit den Interessen der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung.

(1a) Die zuständige Behörde informiert die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 38 Absatz 2a Satz 2 auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Artikel 37 Absatz 4 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2017/625, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass

1.
in Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten wurden oder
2.
ein nach Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht zugelassener oder verbotener Stoff in dem Lebensmittel oder Futtermittel vorhanden ist oder
3.
gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.
Verstöße gegen bauliche Anforderungen, die keine Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirken, sowie Aufzeichnungs- oder Mitteilungspflichten, die keine Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirken, bleiben nach Satz 1 Nummer 3 außer Betracht. Bei Verstößen gegen hygienische Anforderungen kann abweichend von Satz 1 in der Information der Name des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmers sowie der Betrieb, in dem der Verstoß festgestellt wurde, genannt werden. Während eines laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens dürfen Informationen nach Satz 1 nur im Benehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft herausgegeben werden, wenn hierdurch nicht der mit dem Verfahren verfolgte Untersuchungszweck gefährdet wird.

(2) Eine Information der Öffentlichkeit nach Absatz 1 durch die Behörde ist nur zulässig, wenn andere ebenso wirksame Maßnahmen, insbesondere eine Information der Öffentlichkeit durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer oder den Wirtschaftsbeteiligten, nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden oder die Endverbraucher nicht erreichen. Unbeschadet des Satzes 1 kann die Behörde ihrerseits die Öffentlichkeit auf

1.
eine Information der Öffentlichkeit oder
2.
eine Rücknahme- oder Rückrufaktion
durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer oder den sonstigen Wirtschaftsbeteiligten hinweisen. Die Behörde kann unter den Voraussetzungen des Satzes 1 auch auf eine Information der Öffentlichkeit einer anderen Behörde hinweisen, soweit berechtigte Interessen der Endverbraucher in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich berührt sind.

(3) Bevor die Behörde die Öffentlichkeit nach den Absätzen 1 und 1a informiert, hat sie den Hersteller oder den Inverkehrbringer anzuhören, sofern hierdurch die Erreichung des mit der Maßnahme verfolgten Zwecks nicht gefährdet wird. Satz 1 gilt nicht in einem Fall des Absatzes 2 Satz 2 oder 3.

(4) Stellen sich die von der Behörde an die Öffentlichkeit gegebenen Informationen im Nachhinein als falsch oder die zu Grunde liegenden Umstände als unrichtig wiedergegeben heraus, so ist dies unverzüglich öffentlich bekannt zu machen, sofern der betroffene Wirtschaftsbeteiligte dies beantragt oder dies zur Wahrung erheblicher Belange des Gemeinwohls erforderlich ist. Sobald der der Veröffentlichung zu Grunde liegende Mangel beseitigt worden ist, ist in der Information der Öffentlichkeit unverzüglich hierauf hinzuweisen. Die Bekanntmachungen nach Satz 1 und Satz 2 sollen in derselben Weise erfolgen, in der die Information der Öffentlichkeit ergangen ist.

(4a) Die Information nach Absatz 1a ist einschließlich zusätzlicher Informationen nach Absatz 4 sechs Monate nach der Veröffentlichung zu entfernen.

(5) Abweichend von Absatz 1 ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zuständige Behörde, soweit ein nicht im Inland hergestelltes Erzeugnis erkennbar nicht im Inland in den Verkehr gebracht worden ist und

1.
ein Fall des Absatzes 1 Satz 1 vorliegt aufgrund
a)
einer Meldung nach Artikel 50 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eines anderen Mitgliedstaates oder der Europäischen Kommission oder
b)
einer sonstigen Mitteilung eines anderen Mitgliedstaates, eines Drittlandes oder einer internationalen Organisation oder
2.
ein Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 vorliegt aufgrund einer sonstigen Mitteilung eines anderen Mitgliedstaates, der Europäischen Kommission, eines Drittlandes oder einer internationalen Organisation.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn
1.
ein Erzeugnis, das durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln im Sinne von § 312c Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeboten wird, nicht erkennbar im Inland hergestellt wurde und
2.
ein Inverkehrbringer mit Sitz im Inland nicht erkennbar ist.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine offene Videoüberwachung der Reeperbahn in Hamburg durch eine vor dem von ihr bewohnten Haus aufgestellte Kamera. Die Reeperbahn wurde seit März 2006 durch 12 Videokameras offen polizeilich überwacht. Die verwendeten Kameras können um 360Grad geschwenkt und variabel geneigt werden, verfügen über eine Zoomfunktion und wurden in der Polizeieinsatzzentrale (PEZ) der Beklagten gesteuert. Dort wurden die Bilder auf eine Monitorwand übertragen, die aus 12 Bildschirmen für die einzelnen Kamerastandorte und einem größeren, mittig angeordneten Bildschirm bestand, auf dem jeweils ein Kamerabild als Großbild aufgeschaltet werden konnte. Die Videobilder wurden durch Mitarbeiter der PEZ täglich 24 Stunden lang überwacht. Zum Schutz der während des Schwenkens erfassten Privatbereiche wurde eine sog. "Schwarzschaltung" etabliert.

2

Die Klägerin ist Mieterin einer Wohnung im zweiten Obergeschoss des Gebäudes mit der Straßenbezeichnung ... Eine der Kameras wurde gegenüber diesem Gebäude an einem Pfahl auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in ungefähr 4 m Höhe befestigt und erfasste in ihrem Schwenkbereich auch das Wohnhaus der Klägerin einschließlich der von ihr bewohnten Räume.

3

Mit Schreiben vom 27. März 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, Videoaufnahmen durch die Fenster ihrer Wohnung mittels mechanischer Sperren an der Videokamera vor ihrem Haus (z.B. durch Verhüllen mit einer Mülltüte) unmöglich zu machen. Zur Begründung berief sie sich auf ihr Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG). Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 29. März 2006 unter Hinweis auf die bereits praktizierte "Schwarzschaltung" zum Schutz privater Bereiche ab.

4

In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht der Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Videokamera freizuschalten, soweit sie die Wohnung der Klägerin erfasste. Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht der Beklagten mit Urteil vom 24. Mai 2007 untersagt, die "Schwarzschaltung" der Videokamera aufzuheben, soweit diese die Wohnung der Klägerin erfasst hat. Soweit die Klägerin ergänzend beantragt hat, der Beklagten eine dauerhafte "Schwarzschaltung" auch hinsichtlich des Eingangsbereichs ihres Hauses aufzugeben, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen, weil der Eingangsbereich nicht vom Schutzbereich des Wohnungsgrundrechts aus Art. 13 GG umfasst werde.

5

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Videoüberwachung des Eingangsbereichs des Wohnhauses ... und des öffentlichen Straßenraums durch die auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in Höhe dieses Hauses angebrachte Videokamera a) nach außen erkennbar unmöglich zu machen, hilfsweise b) zu unterlassen. Mit Urteil vom 22. Juni 2010 hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte verurteilt, die Videoüberwachung des Eingangsbereichs zu unterlassen. Soweit sich die Klägerin auch gegen eine Überwachung des öffentlichen Straßenraums wandte, hat es die Berufung hingegen zurückgewiesen. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht u.a. ausgeführt: Die Überwachung greife zwar in das Grundrecht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ein. Jedoch stelle die Regelung des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG eine verfassungsmäßige Ermächtigungsgrundlage dar. Die Norm entspreche dem Gebot der Normenklarheit und Bestimmtheit. Dies gelte sowohl mit Blick auf den Gesetzeszweck als auch den sachlich-zeitlichen und sachlich-räumlichen Anwendungsbereich. Dem Land Hamburg stehe die Gesetzgebungskompetenz zu. Soweit die Norm des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG die Verhütung von Straftaten bezwecke, sei die Gesetzgebungskompetenz des Landes Hamburg deshalb zu bejahen, weil die der Landesgesetzgebung unterliegende Gefahrenabwehr den Bereich der Straftatenverhütung umfasse. Die Gesetzgebungskompetenz stehe dem Land Hamburg aber auch insoweit zu, als die Norm des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG das Ziel einer Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten umfasse. Eine solche Strafverfolgungsvorsorge sei Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens und gehöre deshalb gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zur konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Der Bund habe zwar in der Strafprozessordnung Regelungen über Bildaufnahmen zum Zwecke der Strafverfolgung getroffen (§§ 100h, 163f, 81b StPO). Diese Regelungen seien aber mit Bezug auf eine offene Videoüberwachung nicht abschließend. Die Norm des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG sei verhältnismäßig. Die Regelung sei zur Erreichung des Gesetzeszwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Beklagte habe von der Norm rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Die Videoüberwachung sei formell rechtmäßig und die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG seien erfüllt. Auch habe die Beklagte das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

6

Die Beklagte hat im Revisionsverfahren mitgeteilt: Um das Urteil des Oberverwaltungsgerichts umzusetzen und die Hauseingänge von der Überwachung auszunehmen, seien die verpixelten Bereiche deutlich ausgeweitet und damit der räumliche Überwachungsbereich der Kameras erheblich eingeschränkt worden. In der Folge sei die Zahl der Einsätze, die durch die Videoüberwachung ausgelöst worden seien, merklich zurückgegangen. Deshalb sei die anlasslose Dauerüberwachung der Reeperbahn nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG mit Ablauf des 15. Juli 2011 eingestellt und die Kameras senkrecht nach unten ausgerichtet worden. Sie sollten nur noch auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 HmbPolDVG eingesetzt werden, nämlich wenn bei öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen mit Straftaten zu rechnen sei.

7

Zur Begründung ihrer vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ausgeführt: Ihr Unterlassungsbegehren sei nicht in der Hauptsache erledigt. Die Überwachung auf der Grundlage von § 8 Abs. 3 HmbPolDVG könne jederzeit wiederaufgenommen werden, zumal die Beklagte tatsächlich zumindest zwei Kameras weiterhin ständig einsetze. Im Übrigen könne das Rechtsschutzbedürfnis für die Unterlassungsklage nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte die Rechtsgrundlage für die Überwachung auswechsele. In der Sache sei das Berufungsgericht zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Videoüberwachung in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreife. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz könne dieser Eingriff aber nicht auf die Rechtsgrundlage des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG gestützt werden. Das Land habe diese Vorschrift bereits aus formellen Gründen nicht erlassen dürfen, weil ihm die hierfür erforderliche Gesetzgebungskompetenz fehle. Durch die §§ 100h i.V.m. 163f StPO habe der Bundesgesetzgeber nicht nur den Bereich der verdeckten, sondern auch der offenen Videoüberwachung geregelt und damit abschließend von seiner Befugnis zur Normsetzung Gebrauch gemacht. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO. Die Formulierung, wonach Bildaufnahmen "auch ohne Wissen der Betroffenen" angefertigt werden könnten, lasse erkennen, dass die Regelung auch Bildaufnahmen umfasse, die mit Wissen der Betroffenen angefertigt würden. Diese Auslegung werde durch die Gesetzesbegründung und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt. In der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/5846 S. 39) werde betont, dass das Wissen der Betroffenen die Überwachung nicht unzulässig mache. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 12. August 2010 (2 BvR 1447/10) klargestellt, dass sich die aus § 100h StPO vermittelte Befugnis weder auf Observationszwecke noch auf Einzelaufnahmen beschränke, sondern auch Videoaufzeichnungen umfasse. Einer landesgesetzlichen Regelung stehe im Übrigen auch § 81b StPO entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19. Oktober 1982 - BVerwG 1 C 114.79 - BVerwGE 66, 202 <204> = Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 32) diene die Erhebung erkennungsdienstlicher Unterlagen nach § 81b Alt. 2 StPO nicht der Aufklärung eines konkreten Strafverfahrens, sondern - ähnlich wie die Bildaufzeichnung nach § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG - der vorsorgenden Bereitstellung sächlicher Hilfsmittel für die Strafaufklärung.

8

Die Vorschrift des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG verletze auch den Wesentlichkeitsgrundsatz. Angesichts der Intensität des vorliegenden Eingriffs zähle es zu den wesentlichen normativen Grundlagen, dass die Videoüberwachung nur für Fälle der Straßenkriminalität sowie an Kriminalitätsbrennpunkten anwendbar sei. Diese einschränkenden Merkmale seien aber nicht in der Norm selbst geregelt. Insofern verletze die Regelung den Grundsatz der Bestimmtheit. Sie verstoße zudem gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; insoweit fehle es an der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.

9

Schließlich fehle es an einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage für die Bildaufzeichnung und -speicherung. Insbesondere sei die in § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG geregelte Speicherfrist von einem Monat nicht erforderlich.

10

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. Mai 2007 und das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2010 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch die auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in Höhe des Hauses ... angebrachte Videokamera zu unterlassen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch die auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in Höhe des Hauses ... angebrachte Videokamera bis zu deren Abschaltung rechtswidrig gewesen ist.

11

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Sie ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig geworden. Die Hauptsache habe sich erledigt. Die Videoüberwachung auf der Grundlage des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG sei eingestellt. Die beiden von der Klägerin erwähnten Kameras dienten nicht der dauernden Überwachung der Reeperbahn, sondern in einem Fall, gestützt auf das Hausrecht, der Überwachung eines Polizeikommissariats, im anderen Fall der Verkehrsüberwachung. Für den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag fehle das berechtigte Interesse. Im Übrigen habe das Oberverwaltungsgericht die Klage in dem jetzt noch streitigen Umfang zu Recht abgewiesen.

13

Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, für den Erlass des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG habe eine Gesetzgebungskompetenz des Landes bestanden.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet; das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht, soweit es die Klage abgewiesen hat. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Unterlassungsklage zwar als zulässig angesehen (1.), in dem ausgesprochenen Umfang aber als unbegründet abgewiesen (2.).

15

1. Die Klage ist mit dem Hauptantrag weiterhin zulässig. Das mit ihm verfolgte Unterlassungsbegehren hat sich nicht in der Hauptsache mit der Folge erledigt, dass das Rechtsschutzinteresse der Klägerin entfallen wäre.

16

Streitgegenstand der allgemeinen Leistungsklage ist der auf einen bestimmten Lebenssachverhalt gestützte Anspruch auf Verurteilung des Beklagten zur Vornahme der begehrten Handlung oder zur Unterlassung der beanstandeten Handlung. Die beanstandete Handlung, die die Beklagte unterlassen soll, ist hier eine Maßnahme nach § 8 Abs. 3 des Hamburgischen Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (HmbPolDVG) vom 2. Mai 1991 (HmbGVBl S. 187), nämlich die ohne konkreten Anlass vorgenommene und dauernde Videoüberwachung der Reeperbahn. Das Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei unterscheidet in seinem § 8 zwischen der Überwachung von Ansammlungen und Veranstaltungen aus konkretem Anlass (§ 8 Abs. 1 HmbPolDVG) und der anlasslosen dauernden Überwachung von bestimmten, durch die Begehung von Straftaten gekennzeichneten Orten (§ 8 Abs. 3 HmbPolDVG). Beide Maßnahmen unterscheiden sich nach ihren rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen. Das Unterlassungsbegehren knüpft an die Maßnahme an, die die Beklagte bisher betrieben hat und deren Fortsetzung oder Wiederholung unterbleiben soll. Das ist hier allein eine Maßnahme nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG, die damit zugleich den Lebenssachverhalt darstellt, auf den der Anspruch gestützt ist.

17

Obwohl die Beklagte nach ihrem Vortrag die Videokameras abgeschaltet hat, die der dauernden anlasslosen Videoüberwachung der Reeperbahn dienen, hat sich dadurch nicht das Begehren der Klägerin erledigt, eine solche Überwachung der Reeperbahn durch die Kamera zu unterlassen, die vor dem Haus postiert ist, in dem die Klägerin wohnt.

18

Die Hauptsache des Rechtsstreits hat sich objektiv erledigt, wenn der Kläger infolge eines nachträglich eingetretenen Ereignisses sein Klagebegehren nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg weiterverfolgen kann, seinem Klagebegehren vielmehr rechtlich oder tatsächlich die Grundlage entzogen worden ist. Es muss eine Lage eingetreten sein, die eine Entscheidung über seinen Klageanspruch erübrigt oder ausschließt. Das ist der Fall, wenn das Rechtsschutzziel in dem Prozess nicht mehr zu erlangen ist, weil es entweder außerhalb des Prozesses bereits erreicht ist oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann (vgl. Beschluss vom 15. August 1988 - BVerwG 4 B 89.88 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 82).

19

Die Klägerin hat ihr Rechtsschutzziel - was hier allein in Betracht zu ziehen ist - nicht bereits erreicht. Das wäre nur der Fall, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die beanstandete Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch die inmitten stehende Videokamera ausgeschlossen ist. Tatsächlich wäre dies der Fall, wenn die Videokamera abgebaut ist; rechtlich wäre dies der Fall, wenn die Beklagte sich gegenüber der Klägerin in rechtlich verbindlicher Weise verpflichtet hätte, die Videokamera nicht mehr für die streitige Maßnahme einer anlasslosen Dauerüberwachung der Reeperbahn einzusetzen. Die bloße Mitteilung über die rein faktische Abschaltung der Videokamera genügt hingegen nicht, zumal die Kamera ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus Gründen technischer Unzweckmäßigkeit außer Betrieb genommen wurde. Jedenfalls solange eine Wiederholungsgefahr als materiell-rechtliche Voraussetzung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs noch gegeben ist, erledigt sich die Unterlassungsklage nicht in der Hauptsache.

20

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin beruft sich zwar zu Recht auf eine von der Beklagten ausgehende Wiederholungsgefahr (a)) für einen Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung (b)). Dieser Eingriff ist jedoch im streitigen Umfang durch § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG gerechtfertigt (c)), und die angegriffene Maßnahme der Beklagten hält sich auch nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen der Vorinstanz in diesem gesetzlichen Rahmen (d)). Der Klägerin steht somit der von ihr verfolgte Unterlassungsanspruch nicht zu.

21

a) Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (Urteil vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 7 C 20.04 - Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 78 S. 12, 17) liegt vor. Dass weitere Eingriffe drohen, kann ohne weiteres angenommen werden, wenn bereits eine Beeinträchtigung stattgefunden hat. Im Regelfall wird die Behörde ihre Maßnahmen für rechtmäßig halten und keinen Anlass sehen, von ihr Abstand zu nehmen. Sie wird sie in der Zukunft aufrechterhalten und in diesem Sinne wiederholen wollen (Urteil vom 15. Dezember 2005 a.a.O. S. 17). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die anlasslose offene Überwachung der Reeperbahn und insbesondere des Abschnittes vor der Wohnung der Klägerin nicht aufgegeben, weil sie sich deren Rechtsstandpunkt zu eigen gemacht hätte, sondern weil sie den damit verbundenen Aufwand nicht mehr für gerechtfertigt gehalten hat. Aus der Sicht der Klägerin kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte ihre Rechtsansicht einmal wieder ändern könnte und sie dann ohne gerichtliche Entscheidung dem rechtlichen Eingriff erneut ausgesetzt wäre.

22

b) Als Rechtsgrundlage für ihren Unterlassungsanspruch kommen die Grundrechte der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in Betracht. Die Grundrechte schützen den Bürger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt). Infolgedessen kann der Bürger, wenn ihm - wie dies hier von der Klägerin geltend gemacht wird - eine derartige Rechtsverletzung droht, unmittelbar gestützt auf das jeweils berührte Grundrecht Unterlassung verlangen, sofern ihm das einfache Gesetzesrecht keinen solchen Anspruch vermittelt (Urteile vom 14. Dezember 1973 - BVerwG 4 C 50.71 - BVerwGE 44, 235 <243> = Buchholz 445.4 § 29 WHG Nr. 2; vom 21. September 1984 - BVerwG 4 C 51.80 - NJW 1985, 1481 und vom 18. April 1985 - BVerwG 3 C 34.84 - BVerwGE 71, 183 <189, 199> = Buchholz 418.32 AMG Nr. 11).

23

Den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung berührt auch die beobachtende und observierende Tätigkeit der Polizei (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320 <342> ). Das gilt nicht nur für die Anfertigung von Bildaufnahmen im Straßenverkehr (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 u.a. - BVerfGE 120, 378 <397 ff.> ; Kammerbeschluss vom 11. August 2009 - 2 BvR 941/08 - DVBl 2009, 1237 und Nichtannahmebeschluss vom 12. August 2010 - 2 BvR 1447/10 - DAR 2010, 574 ), sondern auch für eine offene Videoüberwachung des öffentlichen Raums (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - DVBl 2007, 497 ).

24

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung greift die Videoüberwachung jedenfalls insoweit in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ein, als sie mittels Bildaufzeichnung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG erfolgt. Dies wäre zwar möglicherweise anders zu beurteilen, wenn die aufgezeichneten Bilder unmittelbar nach der Aufzeichnung wieder gelöscht würden (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O. S. 397). So liegt es hier aber nicht. Wie sich aus § 8 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG ergibt, soll das aufgezeichnete Bildmaterial mindestens einen Monat lang aufbewahrt werden. Eine derartige Speicherung von Bildmaterial greift insbesondere dann in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, wenn das Bildmaterial zur Vorbereitung von belastenden Maßnahmen gegen Personen dienen soll, die in dem von der Überwachung erfassten Bereich bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen zeigen, und zugleich abschreckend wirken und insofern das Verhalten der Betroffenen lenken soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 a.a.O.). Dies ist hier der Fall. Das Berufungsgericht legt die Vorschrift des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG in Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung (BüDrucks 18/1487 S. 15) dahingehend aus, dass die Bildaufzeichnung und Speicherung sowohl der Straftatverhütung durch Abschreckung als auch der Strafverfolgungsvorsorge durch vorbereitende Verschaffung von Beweismaterial dienen soll. Die Bildaufzeichnung greift deshalb in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein (einhellige Meinung in Rechtsprechung und Literatur, vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 21. Juli 2003 -1 S 377/02 - NVwZ 2004, 498; VG Halle, Beschluss vom 17. Januar 2000 - 3 B 121/99 HAL - LKV 2000, 164; Kloepfer/Breitkreutz, DVBl 1998, 1149 <1152>; Roggan, NVwZ 2001, 134 <135>; Fischer, VBlBW 2002, 89 <92>; Collin, JuS 2006, 494; Ellermann, Die Polizei 2006, 271 f.; Saurer, DÖV 2008, 17 <19>; Maximini, Polizeiliche Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze zur Kriminalitätsprävention, S. 89; Schnabel, NVwZ 2010, 1457).

25

Da das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur den Schutz der Privat- und Intimsphäre gewährleistet, sondern auch den informationellen Schutzinteressen desjenigen Rechnung trägt, der sich in die Öffentlichkeit begibt, entfällt der Eingriff in den Schutzbereich nicht dadurch, dass lediglich Daten über Verhaltensweisen im öffentlichen Raum erhoben werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 a.a.O.). Es ist auch nicht als eine einen Eingriff ausschließende Einwilligung in die Informationserhebung zu werten, wenn sich die Betroffenen in den Erfassungsbereich der Videokameras begeben, obwohl sie aufgrund der angebrachten Hinweisschilder wissen, dass sie gefilmt werden. Das Unterlassen eines ausdrücklichen Protests kann nicht mit einer Einverständniserklärung gleichgesetzt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 a.a.O.).

26

Greift mithin die Videoüberwachung jedenfalls in ihrer Aufzeichnungsform in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ein, kann dahinstehen, ob auch die bloße Bildübertragung einen solchen Eingriff bewirkt. Die Frage, ob die bloße Bildübertragung (das sog. Kamera-Monitor-Prinzip) in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift, wäre zwar dann zu klären, wenn § 8 Abs. 3 HmbPolDVG die Bildübertragung an andere Voraussetzungen geknüpft hätte als die Bildaufzeichnung oder es hier sogar - wie in dem Fall, der dem Beschluss des VG Halle vom 17. Januar 2000 (a.a.O.) zugrunde lag - ausschließlich um eine Bildübertragung ginge. Dies ist aber bei § 8 Abs. 3 HmbPolDVG - im Gegensatz zu den entsprechenden Regelungen einiger anderer Bundesländer (vgl. dazu: Lang, Die Polizei 2006, 265 <266>) - nicht der Fall. § 8 Abs. 3 HmbPolDVG regelt die Videoüberwachung als einheitliche Beobachtung nebst Speicherung (vgl. Zöller, NVwZ 2005, 1235).

27

c) Der Eingriff ist jedoch im streitigen Umfang durch § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG gerechtfertigt. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird nicht schrankenlos gewährleistet. Beschränkungen bedürfen aber einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die dem verfassungsrechtlichen Gebot der Normenklarheit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen muss (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <44> ). Eine solche gesetzliche Grundlage liegt in § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG. Die Freie und Hansestadt Hamburg besaß zum Erlass dieser Norm die Gesetzgebungsbefugnis (aa)). Die Norm ist ausreichend bestimmt (bb)) und verhältnismäßig (cc)).

28

aa) Die formelle Rechtmäßigkeit des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG setzt voraus, dass die Beklagte für diese Regelung die Gesetzgebungskompetenz hatte. Nach Art. 70 Abs. 1 GG verfügen die Länder über das Recht der Gesetzgebung, soweit die Gesetzgebungsbefugnis nicht dem Bund zugewiesen ist. Zu den bei den Ländern verbleibenden Materien gehört u.a. das Recht der Gefahrenabwehr. Das Berufungsgericht hat § 8 Abs. 3 HmbPolDVG dahingehend ausgelegt, dass diese Regelung sowohl der Verhütung von Straftaten (aaa)) als auch der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten (Strafverfolgungsvorsorge) (bbb)) dient (Berufungsurteil S. 29).

29

aaa) Zur Aufgabe der Gefahrenabwehr gehört auch die Gefahrenvorsorge, bei der bereits im Vorfeld konkreter Gefahren staatliche Aktivitäten entfaltet werden, um die Entstehung von Gefahren zu verhindern bzw. eine wirksame Bekämpfung sich später realisierender, momentan aber noch nicht konkret drohender Gefahren zu ermöglichen. Die Gefahrenvorsorge umfasst auch die Verhütung von noch nicht konkret drohenden Straftaten (Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl. 2011, § 1 Rn. 10). Der mit § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG verfolgte Zweck, Straftaten der Straßenkriminalität zu verhüten oder - wenn sie drohen - ihre Abwehr vorzubereiten, ist - wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat - dem Bereich der Gefahrenabwehr zuzuordnen und unterfällt damit aufgrund von Art. 70 GG der Gesetzgebungskompetenz der Länder. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt die Verhütung von Straftaten in der Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Gefahrenabwehr, und zwar auch dann, wenn sie vorbeugend für den Zeitraum vor dem Beginn einer konkreten Straftat vorgesehen wird. Wie weit der Gesetzgeber eine derartige Maßnahme in das Vorfeld künftiger Rechtsgutverletzung verlegen darf, ist eine Frage des materiellen Rechts, berührt aber nicht die Gesetzgebungskompetenz des Landes (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 - BVerfGE 113, 348 <368>).

30

Soweit an öffentlich zugänglichen Orten wiederholt Straftaten begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist, dient die offene Beobachtung dieser Orte mittels Bildübertragung und -aufzeichnung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG der Verhinderung von Straftaten. Die offene ausgewiesene Beobachtung soll potentielle Straftäter von vornherein von der Begehung einer Straftat abschrecken und diese dadurch verhindern. Zur Abschreckung gehört die Bildaufzeichnung. Sie erhöht die Effektivität der Abschreckung, weil der potentielle Täter damit rechnen muss, dass seine Tat aufgezeichnet wird und die Aufzeichnung nicht nur für seine Identifizierung, sondern auch als Beweismittel in einem Strafverfahren zur Verfügung stehen wird. Die Beobachtung ermöglicht es zudem den damit betrauten Beamten, sich anbahnende Gefahrenlagen, aus denen sich typischerweise Straftaten entwickeln können, rechtzeitig zu erkennen und Beamte vor Ort gezielt einzusetzen.

31

bbb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Videoüberwachung allerdings nicht auf die Ziele beschränkt, Straftaten zu verhüten und deren Abwehr vorzubereiten, sondern sie soll daneben auch der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten dienen. Diesem Ziel dient die Datenspeicherung, also die Bildaufzeichnung einschließlich der einmonatigen anlasslosen Aufbewahrung. Bei der Strafverfolgungsvorsorge handelt es sich um eine Kategorie des Sicherheitsrechts, die von der Gefahrenvorsorge ebenso wie von der Strafverfolgung zu unterscheiden ist (a1)). Sie gehört - wie die Vorinstanz ebenfalls zu Recht ausgeführt hat - zu demjenigen Teil der konkurrierenden Gesetzgebung aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (b1)), von der der Bund noch nicht abschließend Gebrauch gemacht hat (c1)).

32

a1) Unter Strafverfolgungsvorsorge versteht das Berufungsgericht - in Anlehnung an den in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HmbPolDVG genannten Gesetzeszweck - die "Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten" (Berufungsurteil S. 20 und 29). Sie dient der zukünftigen Durchführung der Strafverfolgung in Bezug auf mögliche spätere bzw. später bekannt werdende Straftaten. Ihrer sich nach der Zielrichtung der Maßnahme bestimmenden Abgrenzung von der Gefahrenvorsorge steht nicht im Wege, dass im Einzelfall ein polizeiliches Handeln sowohl unter dem Gesichtspunkt der Strafverfolgungsvorsorge wie auch dem der Gefahrenvorsorge in Betracht kommt (Schenke, a.a.O. § 1 Rn. 11).

33

b1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Strafverfolgungsvorsorge kompetenzmäßig dem "gerichtlichen Verfahren" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zuzuordnen, nämlich der Sicherung von Beweismitteln für ein künftiges Strafverfahren (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 369; vgl. auch Schenke, a.a.O. § 2 Rn. 30). Daran ändert der Umstand nichts, dass im Unterschied zur Strafverfolgung die Strafverfolgungsvorsorge ebenso wie die Gefahrenvorsorge präventiv ansetzt. Zwar fehlt es im Zeitpunkt der Überwachungsmaßnahme, anders als bei der Strafverfolgung im herkömmlichen Sinne, an einer bereits begangenen Straftat. Die Verfolgungsvorsorge erfolgt in zeitlicher Hinsicht präventiv, betrifft aber gegenständlich das repressiv ausgerichtete Strafverfahren. Die Daten werden zu dem Zweck der Verfolgung einer in der Zukunft möglicherweise verwirklichten konkreten Straftat und damit letztlich nur zur möglichen Verwertung in einem künftigen Strafverfahren erhoben. Eine Verwertung der erhobenen Daten für diesen Zweck kommt erst in Betracht, wenn tatsächlich eine Straftat begangen wurde und daraus strafprozessuale Konsequenzen gezogen werden. Die der Verfolgungsvorsorge zugeordneten Daten und Informationen sind insofern dazu bestimmt, in ungewisser Zukunft in ein Ermittlungs- und Hauptverfahren einzufließen. Es geht - jenseits eines konkreten Anfangsverdachts - um die Beweisbeschaffung zur Verwendung in künftigen Strafverfahren, nicht um eine präventive Datenerhebung zur Verhütung von Straftaten. Eine solche Verfolgungsvorsorge gehört zum gerichtlichen Verfahren im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 370 f.).

34

Die Zuordnung der Strafverfolgungsvorsorge zur Sachmaterie "gerichtliches Verfahren" innerhalb der konkurrierenden Gesetzgebung wird schließlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass das davon umfasste strafrechtliche Ermittlungsverfahren erst später beginnt. Sowohl im gerichtlichen Hauptverfahren als auch im vorgelagerten Ermittlungsverfahren geht es um die Aufklärung eines konkreten Straftatverdachts gegen einen konkreten Beschuldigten. Dies bedeutet indes nicht, dass nur für Maßnahmen nach Vorliegen eines Anfangsverdachts die kompetenzrechtliche Zuordnung zum gerichtlichen Verfahren erfolgen kann. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG enthält keine Einschränkungen dahingehend, dass vorsorgende Maßnahmen, die sich auf die Durchführung künftiger Strafverfahren beziehen, von der Zuweisung zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nicht erfasst sein sollen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. - BVerfGE 103, 21 <30>). Die Ungewissheit, ob die vorsorglich gespeicherten Daten für ein späteres Strafverfahren tatsächlich benötigt werden, kann sich bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme auswirken, steht aber der Zuordnung der Regelungen zur Gesetzgebungskompetenz für das gerichtliche Verfahren nicht entgegen (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 371).

35

c1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind die Länder nach Art. 72 Abs. 1 GG von der Gesetzgebung ausgeschlossen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Inwieweit bundesgesetzliche Regelungen erschöpfend sind, kann nicht allgemein, sondern nur anhand der einschlägigen Bestimmungen und des jeweiligen Sachbereichs festgestellt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834/02 u.a. - BVerfGE 109, 190 <229>). Es ist in erster Linie auf das Bundesgesetz selbst, sodann auf den hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, ferner auf die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien abzustellen (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Oktober 1998 - 1 BvR 2306/96 u.a. - BVerfGE 98, 265 <300 f.>). Der Bund macht von seiner Kompetenz nicht nur dann Gebrauch, wenn er eine Regelung getroffen hat. Vielmehr kann auch das absichtsvolle Unterlassen eine Sperrwirkung für die Länder erzeugen (BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 1972 - 1 BvR 111/68 - BVerfGE 32, 319 <327 f.>; Urteil vom 27. Oktober 1998 a.a.O. S. 300). Zu einem erkennbar gewordenen Willen des Bundesgesetzgebers, zusätzliche Regelungen auszuschließen, darf sich ein Landesgesetzgeber nicht in Widerspruch setzen, selbst wenn er das Bundesgesetz für unzureichend hält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 1972 a.a.O. S. 327; Beschluss vom 28. November 1973 - 2 BvL 42/71 - BVerfGE 36, 193 <211 f.>; Beschluss vom 13. Februar 1974 - 2 BvL 11/73 - BVerfGE 36, 314 <320>; Beschluss vom 12. Dezember 1991 - 2 BvL 8/89 - BVerfGE 85, 134 <147>; Urteil vom 27. Oktober 1998 a.a.O. S. 300; Urteil vom 10. Februar 2004 a.a.O. S. 230).

36

Der hamburgische Gesetzgeber war durch die Vorgaben des Bundes nicht gehindert, die in § 8 Abs. 3 HmbPolDVG enthaltene Regelung über die offene anlasslose Videobeobachtung zu erlassen. Eine möglicherweise abschließende Regelung der polizeilichen Befugnisse - sog. Kodifikationsprinzip - beinhaltet die Strafprozessordnung gemäß § 6 EGStPO hinsichtlich der bei Bestehen eines Anfangsverdachts im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO einsetzenden Strafverfolgung. Die Regelungen des Bundes auf dem Gebiet der Strafverfolgungsvorsorge hingegen sind nicht in einer vergleichbaren Weise dicht, dass sie abschließend wirken. § 6 EGStPO erstreckt sich nicht auf die Strafverfolgungsvorsorge, denn es geht insoweit nicht um Maßnahmen, die vom Bestehen eines Anfangsverdachts einer Straftat abhängen. Dies ist anders zu sehen, soweit der Bundesgesetzgeber strafprozessuale Ermächtigungen zur Strafverfolgungsvorsorge geschaffen hat, wie z.B. in § 81b Alt. 2 StPO, § 81g StPO und § 484 StPO. Die davon erfassten Maßnahmen können nicht zugleich auf landespolizeigesetzliche Ermächtigungsgrundlagen gestützt werden; Spielraum bleibt allenfalls für landesgesetzliche Zuständigkeitsregelungen. Der Bundesgesetzgeber hat aber keine allgemeine abschließende Regelung hinsichtlich der Strafverfolgungsvorsorge getroffen. So bestimmt denn auch § 484 Abs. 4 StPO ausdrücklich, dass sich die Verwendung personenbezogener Daten, die für Zwecke künftiger Strafverfahren in Dateien der Polizei gespeichert sind oder werden, grundsätzlich nach den Polizeigesetzen richtet. Ausgenommen hiervon wird nur die Verwendung für Zwecke eines Strafverfahrens. Zu beachten ist zudem, dass selbst in Fällen, in denen der Bundesgesetzgeber polizeiliche Befugnisse auf dem Gebiet der Strafverfolgungsvorsorge normiert hat, dies nicht ausschließt, dass der Landesgesetzgeber entsprechende Befugnisse zum Zwecke der mit der Strafverfolgungsvorsorge häufig parallel laufenden Gefahrenvorsorge vorsieht (Schenke, a.a.O. § 2 Rn. 30).

37

§ 8 Abs. 3 HmbPolDVG dient neben der Gefahrenabwehr gleichrangig der Strafverfolgungsvorsorge in einem Sachbereich, für den der Bund seine Gesetzgebungskompetenz noch nicht mit einer die Länder ausschließenden Wirkung in Anspruch genommen hat. Die Vorschrift dient namentlich durch die Bildaufzeichnung der Gewinnung von Beweismitteln in künftigen Strafverfahren. Dass die Bildaufzeichnungen aufbewahrt werden können, wenn sie zur Verfolgung von Straftaten benötigt werden (§ 8 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 HmbPolDVG), macht die Bildaufzeichnung selbst noch nicht zu einer Maßnahme der Strafverfolgung. Mit dieser Bestimmung hat der Gesetzgeber nur in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise eine künftige Verwendung der gewonnenen Daten geregelt, ohne dass aus diesem einen zugelassenen Verwendungszweck auf den ausschließlichen oder überwiegenden Zweck der offenen Beobachtung mittels Bildübertragung und -aufzeichnung geschlossen werden könnte. Ausweislich der Aufgabenzuweisung in § 1 Abs. 1 Satz 2 HmbPolDVG hat der Gesetzgeber die Erhebung von Daten allgemein und damit auch die Bildaufzeichnung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG zur Verhütung von Straftaten und zur Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten (vorbeugende Bekämpfung von Straftaten) zugelassen. Die offene Beobachtung und damit unmittelbar verbunden die Bildaufzeichnung setzt zu einem Zeitpunkt ein, zu dem nicht feststeht, ob und gegebenenfalls welche Straftat beobachtet und aufgezeichnet werden wird. Beobachtung und Aufzeichnung treffen Vorsorge für den Fall, dass eine Straftat im überwachten Bereich geschieht, für deren künftige Verfolgung auf die gewonnenen Daten zurückgegriffen werden kann. Die Bildaufzeichnung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG berührt zwar in gewisser Weise den Regelungsbereich des § 81b Alt. 2 StPO, der die Aufnahme von Lichtbildern eines Beschuldigten für Zwecke künftiger Strafverfolgung ermöglicht. § 81b Alt. 2 StPO regelt aber nicht abschließend, unter welchen Voraussetzungen Bilder für Zwecke künftiger Strafverfolgung angefertigt werden dürfen. Aus dem Regelungsinhalt des § 81b Alt. 2 StPO tritt kein Wille des Bundesgesetzgebers hervor, landesrechtliche Regelungen auszuschließen, die nach dem Muster des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG gestaltet sind. Diese weisen erhebliche tatbestandliche Besonderheiten auf. Die dauernde Überwachung von Schwerpunkten der Kriminalität ohne konkreten Anlass entfaltet in örtlicher und zeitlicher Hinsicht eine Breitenwirkung, die auf eine substantiell abweichende polizeitaktische Zweckbestimmung verweist, zumal sie funktional mit der Verhütung von Straftaten verknüpft ist. Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, die landesrechtliche Norm des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG unterlaufe eine bestimmte bundesrechtliche Eingriffsschwelle und verfälsche so die konzeptionelle Entscheidung, die der Bundesgesetzgeber mit § 81b Alt. 2 StPO getroffen habe. Dasselbe gilt mit Blick auf § 100h und § 163f StPO. Bei der Observation nach diesen Bestimmungen handelt es sich um eine verdeckte, auf bestimmte Zielpersonen fokussierte Ermittlungsmaßnahme, die im Hinblick auf ihr äußeres Gepräge, ihren Einsatzzweck und die grundrechtliche Betroffenheit der observierten Person bedeutsame Unterschiede zur offenen Beobachtung von Kriminalitätsschwerpunkten mittels Bildübertragung und -aufzeichnung aufweist. Zwar hat der Bundesgesetzgeber in § 100h StPO klargestellt, dass die an sich verdeckt gedachte Observation nicht abgebrochen werden muss, wenn der Betroffene sie gewahr wird. Das rückt die Observation aber nicht in bedeutsamer Weise der offenen Videoüberwachung näher.

38

Die Vorschriften des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei genügen - soweit es für die offene Beobachtung mittels Bildübertragung und -aufzeichnung auf sie ankommt - dem verfassungsrechtlichen Gebot hinreichender Bestimmtheit.

39

Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass der betroffene Bürger sich auf belastende Maßnahmen einstellen kann, dass die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfindet und dass die Gerichte die Rechtskontrolle durchführen können. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 375 ff.). Für Ermächtigungen zu Überwachungsmaßnahmen verlangt das Bestimmtheitsgebot zwar nicht, dass die konkrete Maßnahme für den Betroffenen vorhersehbar ist, wohl aber, dass die betroffene Person grundsätzlich erkennen kann, bei welchen Anlässen und unter welchen Voraussetzungen ein Verhalten mit dem Risiko der Überwachung verbunden ist (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O S. 376). Da bei Maßnahmen zur Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten oder zur Verhütung von Straftaten das Risiko einer Fehlprognose besonders hoch ist, sind bei entsprechenden Regelungen besonders hohe Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz zu stellen (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O S. 377 f.). Ermächtigt eine gesetzliche Regelung zu einem Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, so hat das Gebot der Bestimmtheit und Klarheit auch die bereichsspezifische Funktion, eine Umgrenzung des Anlasses der Maßnahme und auch des möglichen Verwendungszwecks der betroffenen Information sicherzustellen (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O. S. 408). Ist der Zweck nicht festgelegt, entsteht das Risiko einer Nutzung der Daten für Zwecke, für die sie nicht erhoben wurden (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O S. 408). Die Norm des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG genügt auch diesen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen.

40

bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Verhütung von Straftaten einschließlich der Vorbereitung ihrer Abwehr als auch die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten gleichermaßen und gleichrangige Ziele der Videoüberwachung (Berufungsurteil S. 20 ff.). Ebenfalls hinreichend bestimmt geregelt sind insbesondere in den §§ 14 ff. HmbPolDVG die Zwecke, für die die gewonnenen Daten künftig verwendet und weiter übermittelt werden dürfen, sowie die Voraussetzungen, die hierbei einzuhalten sind.

41

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Regelung des räumlichen Anwendungsbereichs des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG bundesrechtlich nicht beanstandet werden. Er bezieht sich nach dem Wortlaut der Vorschrift auf öffentlich zugängliche Orte, soweit dort wiederholt Straftaten begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Vorschrift anhand des Regelungszusammenhangs und der Entstehungsgeschichte dahin ausgelegt, dass mit dieser Umschreibung Schwerpunkte der Straßenkriminalität gemeint sind. Dass diese Begriffe ihrerseits wiederum auslegungsbedürftig sind, nimmt der Norm nicht die hinreichende Bestimmtheit. Wie die Überlegungen des Oberverwaltungsgerichts zeigen, ist eine solche Auslegung möglich, ohne dass dabei die bundesrechtlichen Grenzen überschritten werden müssten, die der Bestimmtheitsgrundsatz einer noch möglichen Auslegung zieht.

42

cc) Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG wahrt den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Dieser verlangt, dass ein Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient (aaa)) und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen (bbb)) ist (BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07 u.a. - BVerfGE 120, 274 <318 f.). Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt auch die Regelung über die Aufbewahrungsdauer der Bildaufnahmen (ccc)).

aaa) Die anlasslose Videoüberwachung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG dient einem legitimen Zweck. Die damit beabsichtigte Gefahrenvorsorge dient dem Schutz von Personen und Sachen auf der Reeperbahn. Die Beklagte hat dargetan, dass es immer wieder zu Rechtsbeeinträchtigungen insbesondere durch gewaltbereite Besucher kommt. Die Videoanlage ermöglicht die rasche Erkennung von Gefahrensituationen und daran anknüpfend den schnellen Einsatz von Polizeibeamten zur Abwehr der Gefahr. Die außerdem bezweckte Strafverfolgungsvorsorge ermöglicht die Aufbereitung von Beweismitteln für den Fall geschehener Rechtsverletzungen und deren Verwendung für die Strafverfolgung. Dies sichert den staatlichen Strafverfolgungsanspruch.

44

bbb) Die als Mittel für diese Zwecke eingesetzte Videoüberwachung ist gleichermaßen geeignet (a1), erforderlich (b1) und angemessen (c1).

45

a1) Dass eine Videoüberwachung dazu geeignet ist, die Abwehr drohender Straftaten der Straßenkriminalität vorzubereiten, liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf der Hand. Durch das aufgezeichnete und gespeicherte Bildmaterial können Straftaten erkannt und ggf. Täter ermittelt werden. Durch die offene Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahme können potentielle Straftäter wirksam abgeschreckt werden. Keinesfalls sind Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Videoüberwachung zur Erreichung dieser Ziele evident ungeeignet sein könnte (Berufungsurteil S. 34).

46

b1) Das eingesetzte Mittel ist auch erforderlich. Insbesondere ist ein milderes, gleichermaßen wirksames Mittel als die Videoüberwachung des öffentlichen Raums zur Gefahrenvorsorge auf der Reeperbahn nicht ersichtlich. Der stattdessen erwägenswerte größere Personaleinsatz der Polizei trifft auf Finanzierungsgrenzen. Die technische Beschaffenheit der Kameras - Zoomfunktion und Anbringung in 4 m Höhe - verhilft zu einer größeren Übersicht als der stattdessen vorstellbare Einsatz von Polizeibeamten auf der Reeperbahn selbst. Ein Flaschenverbot würde zwar die Gefahr von Verletzungen durch deren Verwendung als Waffen vermindern. Allerdings müsste dieses Verbot überwacht und durchgesetzt werden, was ebenfalls den Personaleinsatz erhöhen würde.

47

c1) Der vom Gesetzgeber ermöglichte Eingriff ist auch nicht unverhältnismäßig im engeren Sinn. Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit dürfen nicht in unangemessenem Verhältnis zu den Zwecken stehen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient. Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person führen zwar dazu, dass der Einzelne Einschränkungen seiner Grundrechte hinzunehmen hat, wenn überwiegende Allgemeininteressen dies rechtfertigen. Der Gesetzgeber muss aber zwischen Allgemein- und Individualinteressen einen angemessenen Ausgleich herstellen. Dabei spielt auf grundrechtlicher Seite eine Rolle, unter welchen Voraussetzungen welche und wie viele Grundrechtsträger wie intensiven Beeinträchtigungen ausgesetzt sind. Maßgebend sind also insbesondere die Gestaltung der Einschreitschwellen, die Zahl der Betroffenen und die Intensität der Beeinträchtigungen (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 382). Die anlasslose Überwachung des öffentlichen Straßenraums stellt einen erheblichen Grundrechtseingriff dar, insbesondere für Menschen, die aus persönlichen oder beruflichen Gründen gezwungen sind, sich dieser Beobachtung häufig auszusetzen. Der mit § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG verfolgte Gesetzeszweck der Gefahrenvorsorge und der Strafverfolgungsvorsorge dient jedoch in ebenso großem Maße nicht nur dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit, sondern auch dem Individualrechtsschutz, insofern damit Eingriffe in hochwertige Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit abgewehrt werden sollen. Als Anwohnerin kommt die Klägerin somit - gewollt oder ungewollt - selbst in den Genuss der Schutzwirkung der Kameraüberwachung.

48

Die Regelung des § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG verletzt deshalb nicht die Angemessenheit, weil ihr ein Ausnahmecharakter zukommt. Die Überwachung ist nämlich nur zulässig, soweit am Einsatzort wiederholt Straftaten begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist. Dies verhindert eine grenzenlose Ausdehnung der Überwachung auf beliebige Teile des Hamburger Stadtgebietes und somit ein andernfalls drohendes Übermaß an Überwachung. Gemildert wird in diesem Zusammenhang das Gewicht des staatlichen Eingriffs durch die Offenheit seiner Durchführung und durch die Begrenzung der Beobachtungen auf das Verhalten von Menschen in der Öffentlichkeit.

49

ccc) Die Eingriffsschwere wird durch die Möglichkeit der Behörden verstärkt, die erhobenen Daten - wie in § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG vorgesehen - zu Zwecken der Gefahrenvorsorge und der Strafverfolgungsvorsorge für einen Monat oder zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder von Straftaten sogar darüber hinaus zu speichern. Die Verwertung in anderen Zusammenhängen ist ein eigenständiger Eingriff (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvF 3/92 - BVerfGE 110, 33 <68 f.>). Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG sind Bild- und Tonaufzeichnungen, in Dateien suchfähig gespeicherte personenbezogene Daten sowie zu einer Person suchfähig angelegte Akten spätestens einen Monat nach der Datenerhebung zu löschen oder zu vernichten (Satz 3). Dies gilt nicht, wenn die Daten zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder von Straftaten benötigt werden oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person künftig Straftaten begehen wird, und die Aufbewahrung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erforderlich ist (Satz 4). Diese Regelungen genügen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

50

Die grundsätzliche Aufbewahrungsfrist in § 8 Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG von einem Monat nach Speicherung genügt den Bearbeitungsanforderungen bei der Auswertung eines täglichen Datenvolumens von 24 Stunden Beobachtungszeit aus mehreren Kameras. Der Gesetzgeber hat insofern in nachvollziehbarer Weise darauf hingewiesen, dass Straftaten zum Teil erst verzögert angezeigt und eine schnelle Löschung die Aufklärung des angezeigten Sachverhaltes unnötig erschweren würde (BüDrucks 18/1487 S. 15). Sie belastet den Einzelnen in vertretbarem Maße, insbesondere weil er nicht in individualisierter Weise mit den Aufnahmen festgehalten wird, sondern als Teil einer grundsätzlich anonymen Menge von Passanten auf der Reeperbahn. Die Begrenzung der Aufbewahrungsfrist auf einen Monat verhindert ferner - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - dass eine Sammlung nicht anonymisierter Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken entstehen kann (Berufungsurteil S. 37).

51

Die Regelung wird nicht durch die in § 8 Abs. 1 Satz 4 HmbPolDVG vorgesehene Möglichkeit einer zeitlich darüber hinaus gehenden Aufbewahrung für Zwecke der Strafverfolgung oder der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung unverhältnismäßig. Liegt ein entsprechender Tatverdacht vor, überwiegt das staatliche Verfolgungsinteresse das Interesse der Betroffenen an der sofortigen Löschung der erhobenen Bilddaten.

52

Verhältnismäßig im engeren Sinne ist schließlich die durch § 8 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG eröffnete Möglichkeit, die im Zuge der offenen Videoüberwachung erhobenen Bilddaten zu einer Person auch dann länger als einen Monat aufzubewahren, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person künftig Straftaten begehen wird, und die Aufbewahrung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erforderlich ist. Insofern schlägt entscheidend zu Buche, dass der Gesetzgeber die Eingriffsvoraussetzungen von zwei Seiten her eng ausgestaltet hat, indem er einerseits eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt und andererseits nicht jedes, sondern nur ein auf Straftaten von erheblicher Bedeutung gerichtetes Bekämpfungsinteresse für die weitere Aufbewahrung genügen lässt. Im Hinblick auf den hohen Rang der staatlichen Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität und die von dieser für die Allgemeinheit wie den einzelnen Grundrechtsträger ausgehenden Gefahren liegt darin keine unangemessene Verkürzung der grundrechtlichen Schutzansprüche der Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.

53

d) Die getroffene Maßnahme der Videobeobachtung hält sich nach den insoweit revisionsrechtlich nicht überprüfbaren Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts schließlich innerhalb der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage. Im Falle einer Wiederinbetriebnahme der Anlage hätte die Beklagte freilich zu überprüfen, ob sie die verfolgten Schutzzwecke quantitativ auch erreichen würde, wenn sie die durch das Oberverwaltungsgericht rechtskräftig aufgegebenen Verpixelungen der Kameras einhält.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Die zuständige Behörde soll die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels und des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, und, wenn dies zur Gefahrenabwehr geeigneter ist, auch unter Nennung des Inverkehrbringers, nach Maßgabe des Artikels 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 informieren. Eine Information der Öffentlichkeit in der in Satz 1 genannten Art und Weise soll vorbehaltlich des Absatzes 1a auch erfolgen, wenn

1.
der hinreichende Verdacht besteht, dass ein Mittel zum Tätowieren, ein kosmetisches Mittel oder ein Bedarfsgegenstand ein Risiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringen kann,
2.
der hinreichende Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen dienen, verstoßen wurde,
3.
im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von einem Erzeugnis eine Gefährdung für die Sicherheit und Gesundheit ausgeht oder ausgegangen ist und aufgrund unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnis oder aus sonstigen Gründen die Unsicherheit nicht innerhalb der gebotenen Zeit behoben werden kann,
4.
ein nicht gesundheitsschädliches, aber zum Verzehr ungeeignetes, insbesondere ekelerregendes Lebensmittel in nicht unerheblicher Menge in den Verkehr gelangt oder gelangt ist oder wenn ein solches Lebensmittel wegen seiner Eigenart zwar nur in geringen Mengen, aber über einen längeren Zeitraum in den Verkehr gelangt ist,
4a.
der durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Täuschung dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß verstoßen wurde,
5.
Umstände des Einzelfalles die Annahme begründen, dass ohne namentliche Nennung des zu beanstandenden Erzeugnisses und erforderlichenfalls des Wirtschaftsbeteiligten oder des Inverkehrbringers, unter dessen Namen oder Firma das Erzeugnis hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, erhebliche Nachteile für die Hersteller oder Vertreiber gleichartiger oder ähnlicher Erzeugnisse nicht vermieden werden können.
In den Fällen des Satzes 2 Nummer 3 bis 5 ist eine Information der Öffentlichkeit zulässig nach Abwägung der Belange der Betroffenen mit den Interessen der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung.

(1a) Die zuständige Behörde informiert die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 38 Absatz 2a Satz 2 auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Artikel 37 Absatz 4 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2017/625, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass

1.
in Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten wurden oder
2.
ein nach Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht zugelassener oder verbotener Stoff in dem Lebensmittel oder Futtermittel vorhanden ist oder
3.
gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.
Verstöße gegen bauliche Anforderungen, die keine Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirken, sowie Aufzeichnungs- oder Mitteilungspflichten, die keine Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirken, bleiben nach Satz 1 Nummer 3 außer Betracht. Bei Verstößen gegen hygienische Anforderungen kann abweichend von Satz 1 in der Information der Name des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmers sowie der Betrieb, in dem der Verstoß festgestellt wurde, genannt werden. Während eines laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens dürfen Informationen nach Satz 1 nur im Benehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft herausgegeben werden, wenn hierdurch nicht der mit dem Verfahren verfolgte Untersuchungszweck gefährdet wird.

(2) Eine Information der Öffentlichkeit nach Absatz 1 durch die Behörde ist nur zulässig, wenn andere ebenso wirksame Maßnahmen, insbesondere eine Information der Öffentlichkeit durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer oder den Wirtschaftsbeteiligten, nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden oder die Endverbraucher nicht erreichen. Unbeschadet des Satzes 1 kann die Behörde ihrerseits die Öffentlichkeit auf

1.
eine Information der Öffentlichkeit oder
2.
eine Rücknahme- oder Rückrufaktion
durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer oder den sonstigen Wirtschaftsbeteiligten hinweisen. Die Behörde kann unter den Voraussetzungen des Satzes 1 auch auf eine Information der Öffentlichkeit einer anderen Behörde hinweisen, soweit berechtigte Interessen der Endverbraucher in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich berührt sind.

(3) Bevor die Behörde die Öffentlichkeit nach den Absätzen 1 und 1a informiert, hat sie den Hersteller oder den Inverkehrbringer anzuhören, sofern hierdurch die Erreichung des mit der Maßnahme verfolgten Zwecks nicht gefährdet wird. Satz 1 gilt nicht in einem Fall des Absatzes 2 Satz 2 oder 3.

(4) Stellen sich die von der Behörde an die Öffentlichkeit gegebenen Informationen im Nachhinein als falsch oder die zu Grunde liegenden Umstände als unrichtig wiedergegeben heraus, so ist dies unverzüglich öffentlich bekannt zu machen, sofern der betroffene Wirtschaftsbeteiligte dies beantragt oder dies zur Wahrung erheblicher Belange des Gemeinwohls erforderlich ist. Sobald der der Veröffentlichung zu Grunde liegende Mangel beseitigt worden ist, ist in der Information der Öffentlichkeit unverzüglich hierauf hinzuweisen. Die Bekanntmachungen nach Satz 1 und Satz 2 sollen in derselben Weise erfolgen, in der die Information der Öffentlichkeit ergangen ist.

(4a) Die Information nach Absatz 1a ist einschließlich zusätzlicher Informationen nach Absatz 4 sechs Monate nach der Veröffentlichung zu entfernen.

(5) Abweichend von Absatz 1 ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zuständige Behörde, soweit ein nicht im Inland hergestelltes Erzeugnis erkennbar nicht im Inland in den Verkehr gebracht worden ist und

1.
ein Fall des Absatzes 1 Satz 1 vorliegt aufgrund
a)
einer Meldung nach Artikel 50 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eines anderen Mitgliedstaates oder der Europäischen Kommission oder
b)
einer sonstigen Mitteilung eines anderen Mitgliedstaates, eines Drittlandes oder einer internationalen Organisation oder
2.
ein Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 vorliegt aufgrund einer sonstigen Mitteilung eines anderen Mitgliedstaates, der Europäischen Kommission, eines Drittlandes oder einer internationalen Organisation.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn
1.
ein Erzeugnis, das durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln im Sinne von § 312c Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeboten wird, nicht erkennbar im Inland hergestellt wurde und
2.
ein Inverkehrbringer mit Sitz im Inland nicht erkennbar ist.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Juli 2004 - 18 K 1474/04 - geändert.

Dem Beklagten wird untersagt, zu behaupten oder zu verbreiten:

1. Ein ehemaliger Minister habe auf einer Veranstaltung der IGMG anlässlich des Opferfestes Anfang März 2001 in Ulm gesagt, man solle vorerst kein Geld mehr in die Türkei schicken. „Bei einem Verbot würde nämlich das Vermögen der FP vom türkischen Staat beschlagnahmt. Die Gelder, die bisher aus Sicherheitsgründen durch mehrere Personen überbracht worden seien, würden derzeit bei Privatpersonen sicher verwahrt.“

2. Ein IGMG-Funktionär habe bei einer Veranstaltung in Neu-Ulm am 04.06.2001 gesagt, wenn man 3 Millionen Erwachsene für die IGMG gewinnen könne, sei es kein Problem, eine Partei zu gründen und ins Parlament in Berlin einzuziehen. Man werde bereits „von vielen Linksparteien“ und deutschen Politikern unterstützt. Es werde noch fünf bis 10 Jahre dauern, aber dann würde man auch das erreichen, was man „wirklich wolle“. In Europa führe man die Auseinandersetzung mit anderen Mitteln. Hier sei Wissen und Bildung Macht, aber man könne auch anders kämpfen, sollte man nichts erreichen. Daran denke man aber im Moment nicht. Die Bedenken, dass man mit Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft die türkische verliere, zerstreute der Redner mit dem Hinweis, man könne sich jederzeit nach Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft auch die türkische wieder ausstellen lassen, es müsse aber schnell gehandelt werden.

3. Bei einer IGMG-Veranstaltung habe die Menge Sprechchöre wie „Hoca, wenn du sagst, wir sollen kämpfen, dann kämpfen wir. Wenn du sagst, wir sollen töten, dann töten wir!“, gerufen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens sowie 3/5 der Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht. Der Kläger trägt 2/5 der Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger (abgekürzt IGMG), eine Vereinigung von Muslimen hauptsächlich aus der Türkei, wendet sich gegen verschiedene Aussagen im Verfassungsschutzbericht 2001.
Der Kläger wird bereits seit den 90er Jahren vom Landesamt für Verfassungsschutz mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet. In dem im Juli 2002 veröffentlichten Verfassungsschutzbericht 2001, der im Internet-Auftritt des Landesamts weiterhin abrufbar ist, wird der Kläger in Kapitel E („Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern“; S. 132 ff.) genannt und als türkische islamistische Vereinigung bezeichnet.
Unter anderen finden sich in dem Abschnitt über den Kläger (S. 146 ff.) folgende Ausführungen:
- Neben dem Randhinweis „Verflechtungen in die Türkei“ (S. 147) wird über Verbindungen des Klägers zur türkischen „Tugendpartei“ (Fazilet-Partisi - FP -) berichtet. Auf das dort drohende Verbot seiner „Mutterorganisation“ habe der Kläger reagiert; ein ehemaliger türkischer Minister habe auf einer Veranstaltung des Klägers im März 2001 in Ulm dazu aufgefordert, vorerst kein Geld mehr in die Türkei zu schicken, da sonst die Gefahr einer Beschlagnahme bestehe.
- Neben dem Randhinweis „statt Integration Änderungen des Systems in Deutschland angestrebt“ (S. 155) wird über Äußerungen von IGMG-Funktionären auf einer Veranstaltung in Neu-Ulm am 04.06.2001 berichtet. Diese hätten zum Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft aufgerufen, um dann durch eine eigene Partei Einfluss auf die deutsche Politik zu gewinnen; man wolle die Freiräume ausnutzen, die die deutschen Gesetze böten.
- Neben dem Randhinweis „Staatsbürgerschaftskampagne“ (S. 155 f.) wird abschließend ausgeführt, dass die Zuhörer während der Veranstaltung von „Einpeitschern“ animiert worden seien. Einblendungen des Vorsitzenden der Tugendpartei, ... ..., seien frenetisch gefeiert worden; man habe ihn mit kämpferischen Sprechchören bejubelt.
Nachdem der Kläger dem Beklagten gegenüber geltend gemacht hatte, dass diese sowie zwei weitere Äußerungen nicht der Wahrheit entsprächen, und ihn erfolglos aufgefordert hatte, diese Äußerungen zu unterlassen, hat er Klage erhoben.
Der Beklagte hat sich im Klageverfahren darauf berufen, dass die vom Kläger gerügten Passagen im Verfassungsschutzbericht 2001 im Wesentlichen auf Erkenntnissen des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz beruhten, und ein entsprechendes Behördenzeugnis des Präsidenten des Landesamts vom 30.10.2002 vorgelegt. Die Vorlage der einschlägigen Akten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz hat das Bayerische Staatsministerium des Innern unter Hinweis auf § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO abgelehnt. Aufgrund des Antrags des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 24.03.2004 - 14 S 93/04 - die Verweigerung der Aktenvorlage für rechtmäßig erklärt.
Mit Urteil vom 09.07.2004 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die zulässige Unterlassungsklage sei nicht begründet. Der Kläger könne sich zwar auf den Schutz der Ehre berufen und deswegen unwahre Tatsachenbehauptungen, insbesondere das Unterschieben von Äußerungen ohne Rücksicht auf eine Rufschädigung, abwehren. Das Gericht habe jedoch die Überzeugung gewonnen, dass die vom Kläger gerügten Tatsachenbehauptungen wahr seien. Davon könne allerdings nicht schon aufgrund der vom zuständigen Senat des Verwaltungsgerichtshofs bestätigten Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage ausgegangen werden. Im Rahmen der Beweiswürdigung sei aber zu berücksichtigen, dass sich der - beweispflichtige - Beklagte deswegen in einer Art Beweisnot befindet. Der als Zeuge gehörte Bedienstete des Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz, OAR ..., habe in allgemeiner Weise überzeugend dargelegt, wie Erkenntnisse gewonnen und überprüft würden; er habe sich auch durch eigene Überprüfung aller Quellen und sonstiger Unterlagen von der Richtigkeit der Behauptungen überzeugt. Die vom Kläger unter Beweis gestellte Tatsache, dass Teilnehmer der Veranstaltungen die streitigen Äußerungen bzw. Sprechchöre nicht gehört hätten, sei unerheblich; sie sei nicht geeignet darzutun, dass die Äußerungen nicht gefallen und die Sprechchöre nicht doch skandiert worden seien. Es sei nämlich eine Vielzahl von Gründen denkbar, warum Teilnehmer einer Veranstaltung einzelne Äußerungen von Rednern bzw. Reaktionen des Publikums nicht wahrnähmen. Auf die Vernehmung des als Zeugen benannten ehemaligen türkischen Ministers könne nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO verzichtet werden angesichts der insoweit geringen Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruch des Klägers und der - wegen des Zeitablaufs und der engen Beziehungen zwischen Kläger und Zeugen - erheblichen Minderung des Beweiswerts einer solchen Aussage.
10 
Auf den Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 17.11.2005 - 1 S 2278/04 - die Berufung zugelassen, soweit die Klage bezüglich der oben erwähnten Tatsachenbehauptungen abgewiesen worden ist. Im Übrigen hat er den Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt.
11 
Zur Begründung der Berufung macht der Kläger geltend, dass sein sozialer Geltungsanspruch durch die angegriffenen Tatsachenbehauptungen schon deswegen intensiv betroffen sei, weil sie im Verfassungsschutzbericht enthalten seien; dessen Funktionen würden vom Aufgabenkreis des Verfassungsschutzes bestimmt. Er werde auch durch die Erwähnung der Rede des Ministers, die er geduldet habe, und der Sprechchöre charakterisiert, so dass auch insoweit sein Geltungsanspruch tangiert sei. Der Beweiskraft des vom Beklagten vorgelegten Behördenzeugnisses stehe schon der offenkundige Mangel des Landesamts für Verfassungsschutz an türkischsprachigen Mitarbeitern entgegen. Des weiteren stehe fest, dass vom Präsidenten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz bereits Behördenzeugnisse ausgestellt worden sein, die offensichtlich Unrichtiges bekundeten. Die Aussagen des Zeugen ... seien durch dessen beschränkte Aussagegenehmigung von geringem Beweiswert. Demgegenüber könnten viele Teilnehmer der Veranstaltungen bekunden, dass die beanstandeten Äußerungen nicht gefallen seien.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Juli 2004 - 18 K 1474/04 - zu ändern und dem Beklagten zu untersagen, zu behaupten oder zu verbreiten:
14 
1. Ein ehemaliger Minister habe auf einer Veranstaltung der IGMG anlässlich des Opferfestes Anfang März 2001 in Ulm gesagt, man solle vorerst kein Geld mehr in die Türkei schicken. „Bei einem Verbot würde nämlich das Vermögen der FP vom türkischen Staat beschlagnahmt. Die Gelder, die bisher aus Sicherheitsgründen durch mehrere Personen überbracht worden seien, würden derzeit bei Privatpersonen sicher verwahrt.“
15 
2. Ein IGMG-Funktionär habe bei einer Veranstaltung in Neu-Ulm am 04.06.2001 gesagt, wenn man 3 Millionen Erwachsene für die IGMG gewinnen könne, sei es kein Problem, eine Partei zu gründen und ins Parlament in Berlin einzuziehen. Man werde bereits „von vielen Linksparteien“ und deutschen Politikern unterstützt. Es werde noch 5 bis 10 Jahre dauern, aber dann würde man auch das erreichen, was man „wirklich wolle“. In Europa führe man die Auseinandersetzung mit anderen Mitteln. Hier sei Wissen und Bildung Macht, aber man könne auch anders kämpfen, sollte man nichts erreichen. Daran denke man aber im Moment nicht. Die Bedenken, dass man mit Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft die türkische verliere, zerstreute der Redner mit dem Hinweis, man könne sich jederzeit nach Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft auch die türkische wieder ausstellen lassen, es müsse aber schnell gehandelt werden.
16 
3. Bei einer IGMG-Veranstaltung habe die Menge Sprechchöre wie „Hoca, wenn du sagst, wir sollen kämpfen, dann kämpfen wir. Wenn du sagst, wir sollen töten, dann töten wir!“, gerufen.
17 
Der Beklagte beantragt,
18 
die Berufung zurückzuweisen.
19 
Er bezweifelt zum einen die Zulässigkeit der Berufung und verteidigt zum anderen das angefochtene Urteil; hierzu führt er aus: Die Wahrheit der streitigen Passagen des Verfassungsschutzberichts würden durch die verwerteten Beweismittel belegt. Anders als beim Vereinsverbot könne hier schon ein Behördenzeugnis für die richterliche Überzeugung ausschlaggebend sein, wenn es plausibel, detailliert und bestätigt sei. Das Behördenzeugnis gehe über die Angaben im Verfassungsschutzbericht hinaus und werde darüber hinaus durch die Aussage des Zeugen ... bestätigt; dieser habe die vom Kläger behaupteten Übersetzungsprobleme verneint. Die Verwertung dieses mittelbaren Beweismittels sei zulässig. An der Eignung der vom Kläger benannten Zeugen und der Erheblichkeit ihrer Einlassungen bestünden Zweifel. Schließlich bestehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch selbst dann nicht, wenn die Nichterweislichkeit der behaupteten Tatsachen unterstellt werde. Bei der Frage der geschützten Persönlichkeitsdarstellung komme es allein auf die Organe und Funktionsträger des Klägers an. Deswegen seien die Rede des Ministers als eines bloßen Gastredners und das Verhalten der Teilnehmer unbeachtlich. Des weiteren seien die behaupteten Tatsachen im Verfassungsschutzbericht für den Kläger gemessen an seinem tatsächlichen Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit nicht ansehensschädigend.
20 
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung von 10 Zeugen; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren Bezug genommen. Dem Senat liegen Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren und dem Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes vor; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
I.
21 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere entspricht die Berufungsbegründung den gesetzlichen Anforderungen. Der Kläger formuliert einen Berufungsantrag und trägt vor dem Hintergrund des Zulassungsbeschlusses vor, dass sein Unterlassungsbegehren aufgrund des von ihm angebotenen Zeugenbeweises Erfolg haben müsse. Damit macht der Kläger deutlich, aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Mehr ist nach § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO nicht zu verlangen.
II.
22 
Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die - zulässige - Klage, soweit Gegenstand des Berufungsverfahrens, zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht der im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Er wird durch die streitigen Tatsachenbehauptungen in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt; diese Rechtsverletzung, die durch die weitere Verfügbarkeit des betroffenen Verfassungsschutzberichts - jedenfalls in seiner Internet-Version - fortdauert, kann er durch das Unterlassungsbegehren abwehren.
23 
1. Der Unterlassungsanspruch findet seine Rechtsgrundlage in den Grundrechten des Klägers.
24 
a) Als juristischer Person stehen dem Kläger nach Art. 19 Abs. 3 GG die im allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) wurzelnden Schutzansprüche zu, derer auch ein Personenverband im Rahmen seines Aufgabenbereichs bedarf (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.05.1989 - 7 C 2.87 -, BVerwGE 82, 76 <79>; Dreier in: ders. , GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 2 Abs. 1 Rn. 82 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 09.10.2002 - 1 BvR 1611/96 u.a. -, BVerfGE 106, 28 <42 f.>). Hierzu zählen das Verfügungsrecht und Selbstbestimmungsrecht über die eigene Außendarstellung des Verbands sowie, damit verbunden, der Schutz des sozialen Geltungsanspruchs, der sogenannten „äußeren Ehre“ als dem Ansehen in den Augen anderer (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 -, BVerfGE 114, 339 <346>; Dreier, a.a.O., Rn. 71, 74, 76).
25 
Nach den allgemeinen in der Rechtsprechung zum Ehrenschutz entwickelten Maßstäben ist das Persönlichkeitsrecht immer verletzt und ein Abwehranspruch gegeben, wenn dem Betroffenen Äußerungen unterschoben werden, die er so nicht getan hat; denn die Verfälschung der in seiner alleinigen Definitionsmacht stehenden Persönlichkeitsdarstellung ist nicht statthaft (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 03.06.1980 - 1 BvR 185/77 -, BVerfGE 54, 148 <155 f.> sowie Beschluss vom 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96 -, BVerfGE 99, 185 <193 f.>). Demgegenüber steht der soziale Geltungsanspruch nicht in der ausschließlichen Konkretisierungs- und Verfügungsmacht des Betroffenen; selbst unwahre Tatsachenbehauptungen führen demnach nicht immer zu dessen Verletzung (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15.08.1989 - 1 BvR 881/89 -, NJW 1989, 3269; BVerwG, Beschluss vom 19.01.2000 - 3 B 100.99 -, NVwZ-RR 2000, 598; siehe zuletzt etwa BGH, Urteil vom 15.11.2005 - VI ZR 274/04 -, NJW 2006, 609). Die im Anschluss hieran vom Beklagten aufgeworfenen Fragen, ob die wiedergegebenen Äußerungen des Ministers und die Sprechchöre dem Kläger i.S. des Selbstdarstellungsrechts zuzurechnen sind, und wie es um das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit bestellt ist, bedürfen indessen keiner Klärung. Denn die genannten allgemeinen Grundsätze werden hier überlagert durch die Besonderheiten, die sich aus der Erwähnung der umstrittenen Äußerungen im Verfassungsschutzbericht ergeben.
26 
Der Verfassungsschutzbericht unterscheidet sich wesentlich von sonstigen staatlichen Verlautbarungen. Er zielt auf die Abwehr besonderer Gefahren; er soll die Öffentlichkeit u.a. über Bestrebungen unterrichten, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (§ 12 Satz 1, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LVSG). Um dieser Aufgabe effektiv gerecht zu werden, stammt er von einer darauf spezialisierten und mit besonderen Befugnissen, darunter der Rechtsmacht zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel (§ 6 LVSG), arbeitenden Stelle. Insoweit geht eine Veröffentlichung im Verfassungsschutzbericht über die bloße Teilhabe staatlicher Funktionsträger an öffentlichen Auseinandersetzungen in einem freien Kommunikations- und Interaktionszusammenhang oder an der Schaffung einer hinreichenden Informationsgrundlage für eine eigenständige Entscheidungsbildung der Bürger, etwa als Marktteilnehmer, hinaus. Sie ist eine an die verbreiteten Kommunikationsinhalte anknüpfende, mittelbar belastende negative Sanktion gegen den Betroffenen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.05.2005 - 1 BvR 1072/01 -, BVerfGE 113, 63 <77 f.>). Denn angesichts der Warnfunktion des Verfassungsschutzberichts liegt bereits in der dortigen Erwähnung einer - hiernach als verfassungsfeindlich und extremistisch eingestuften - Organisation eine Ausgrenzung und Stigmatisierung des betroffenen Personenverbandes; ihr sozialer Geltungsanspruch wird durch den Vorwurf in Frage gestellt, dass sie den Grundkonsens verlassen habe, auf dem das Gemeinwesen beruht (vgl. Murswiek, NVwZ 2004, 769 <771 f.>; ders. DVBl 1997, 1021 <1028 f.>).
27 
Ein solcher Eingriff in die Rechtsstellung der Organisation ist indessen nur dann gerechtfertigt, wenn sich die Einschätzung als verfassungsfeindlich auf tatsächliche Anhaltspunkte stützen kann (§ 3 Abs. 2 Satz 2 LVSG). Die Tatsachenbehauptungen, die zur Begründung des abschließenden Werturteils über die - bzw. den Verdacht der - Verfassungsfeindlichkeit herangezogen werden, müssen demnach der Wahrheit entsprechen. Dabei ist davon auszugehen, dass grundsätzlich alle Tatsachenbehauptungen im Verfassungsschutzbericht, die sich auf die Tätigkeit und die programmatische Ausrichtung der Organisation beziehen, dazu dienen, dieses Urteil im Wege einer Gesamtschau zu tragen; nur bei ersichtlich nebensächlichen Aussagen mag eine andere Bewertung angezeigt erscheinen. Hiernach kann der Kläger hinsichtlich aller streitigen Tatsachenbehauptungen einen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht geltend machen mit der Folge, dass ihm ein Unterlassungsanspruch zusteht, soweit diese Behauptungen unwahr sind.
28 
b) Die selben Rechtsfolgen ergeben sich auch dann, wenn hier aufgrund der mittelbaren Wirkungen der Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht auch ein Eingriff in die durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte religiöse Vereinigungsfreiheit bejaht wird. Denn das Grundrecht der Religionsfreiheit schützt gegen diffamierende, diskriminierende oder verfälschende Darstellungen einer religiösen Gemeinschaft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.06.2002 - 1 BvR 670/91 -, BVerfGE 105, 279 <294>).
29 
2. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme kann der Senat nicht mit der für die auch hier gebotene volle richterliche Überzeugungsbildung erforderlichen Gewissheit von der Wahrheit der streitigen Behauptungen ausgehen; weder die vom Kläger benannten Zeugen noch die vom Beklagten aufgebotenen - mittelbaren - Beweismittel haben den Sachverhalt letztlich aufzuklären vermocht (b). Diese Unerweislichkeit geht zu Lasten des Beklagten (a).
30 
a) Die materielle Beweislast für die Richtigkeit der streitigen Tatsachenbehauptungen liegt beim Beklagten. Dies folgt mangels ausdrücklicher abweichender Regelungen aus dem an den einschlägigen Normen des materiellen Rechts orientierten sogenannten Günstigkeitsprinzip. Danach trägt jeder Beteiligte den Rechtsnachteil für die Nichterweislichkeit der ihm günstigen Tatbestandsmerkmale (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 01.11.1993 - 7 B 190/93 -, NJW 1994, 468 m.N.); auf die letztlich von Zufälligkeiten abhängige prozessuale Rolle kommt es nicht an. Folglich hat in gleicher Weise wie im Anfechtungsrechtsstreit auch bei der Unterlassungsklage die Behörde, die rechtlich erhebliche Belastungen herbeiführen will, nach dem materiellen Angreiferprinzip die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Eingriff in die Rechtsposition des Adressaten bzw. Betroffenen darzulegen; fallbezogene Besonderheiten sind für die nach abstrakten Kriterien zu bestimmende Beweislastverteilung unbeachtlich (vgl. Dawin in: Schoch u.a. , VwGO, § 108 Rn. 99 ff.; Höfling/Rixen in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 108 Rn. 114 ff., jeweils m.w.N.). Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage nicht von privatrechtlichen Ehrenschutzprozessen; beweisbelastet für die Richtigkeit einer das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzenden Tatsachenbehauptung ist - auch nach dem hier anwendbaren Rechtsgedanken des § 186 StGB - derjenige, der sie aufstellt (siehe nur BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 -, BVerfGE 114, 339 <352>).
31 
b) Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dieses Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugung gilt auch im vorliegenden Verfahren; den Besonderheiten der Fallkonstellation ist im Rahmen der Beweiswürdigung Rechnung zu tragen.
32 
aa) Der beweisbelastete Beklagte befindet sich hier zwar in einem sogenannten sachtypischen Beweisnotstand. Er darf von Gesetzes wegen seine Erkenntnisse durch nachrichtendienstliche Mittel gewinnen, und muss dies um der Effektivität seiner Aufgabenerfüllung auch tun. Gerade diese Vorgehensweise erschwert es ihm aber, die gewonnenen Erkenntnisse nachprüfbar zu belegen, wenn er nicht seine zukünftige Arbeit beeinträchtigen will. Um des Schutzes seiner Erkenntnisquellen, Arbeitsweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung sowie der Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen an Informanten willen ist er nach Maßgabe des § 99 VwGO befugt, die Vorlage der Akten zu verweigern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.10.1999 - 1 BvR 385/90 -, BVerfGE 101, 106 <128>). Die Reduzierung des Beweismaßes auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ kann damit aber nicht gerechtfertigt werden. Ob der Anwendungsbereich des Regelbeweismaßes ausnahmsweise dann teleologisch reduziert werden kann, wenn anders wegen genereller Beweisschwierigkeiten das materielle Recht im Regelfall leerlaufen würde, kann dahinstehen. Denn dies ist - wenn überhaupt - nur zu erwägen, wenn ansonsten Grundrechtsgewährleistungen nicht realisiert werden könnten (vgl. Höfling/Rixen, a.a.O., § 108 Rn. 98 f. m.N.). Vielmehr sind die Schwierigkeiten der Sachverhaltsermittlung und Beweisführung auf der Ebene der konkreten Beweiswürdigung zu berücksichtigen (vgl. hierzu aus der Rspr. des BVerwG zuletzt Urteil vom 27.07.2006 - 5 C 3.05 -, Rn. 38 m.N.; Dawin, a.a.O., § 108 Rn. 56; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 108 Rn. 5, jeweils m.w.N.).
33 
bb) (1) Der Kläger hat die streitigen Passagen des Verfassungsschutzberichts unter Verweis auf Veranstaltungsteilnehmer, die das Gegenteil bekunden, substantiiert bestritten. Aufgrund der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist allerdings nicht erwiesen, dass die streitigen Äußerungen während der Veranstaltungen des Klägers nicht gefallen sind.
34 
Die Aussagen der vom Kläger benannten Zeugen haben den Senat nicht davon überzeugen können, dass der ehemalige türkische Minister ... während der Veranstaltung im März 2001 die im Verfassungsschutzbericht behaupteten Äußerungen nicht getan hat, die zum Beleg und als Illustration einer engen Verbindung des Klägers zu islamistischen Parteien in der Türkei dienen sollten. Auf ausdrückliche Nachfrage des Senats haben zwar alle drei Zeugen übereinstimmend angegeben, dass der Redner über den Transfer von Geldern an die damals in der Türkei vom Verbot bedrohte Tugendpartei nicht gesprochen habe. Diesen Aussagen kann aber nur ein geringes Gewicht beigemessen werden.
35 
Zum einen war das Erinnerungsvermögen der Zeugen eher begrenzt, was angesichts der mittlerweile verstrichenen Zeit letztlich nicht überrascht; der Zeuge ... hat ausdrücklich betont, dass er sich nur noch schwach erinnern könne. Zum anderen haben die Zeugen auch die ihnen positiv erinnerlichen Inhalte der Rede nicht übereinstimmend geschildert. Die Zeugen ... - dieser war als Bezirksvorsitzender des Klägers ebenfalls mit der Organisation der Veranstaltung befasst - und ... haben jeweils den Bericht des Redners über das von ihm verfasste Buch über die Wohlfahrtspartei sowie seine Ausführungen über die Lage der türkischen Jugendlichen in Deutschland und deren Integration als wesentlichen Inhalt der Rede benannt; soweit dem Zeugen ... insbesondere Letzteres noch deutlich vor Augen stand, so leuchtet dies aufgrund seiner persönlichen Betroffenheit als Vater unmittelbar ein. Demgegenüber schien die Aussage des Zeugen ... als eines der Organisatoren der Veranstaltung deutlich vom Anliegen geprägt, das politische Engagement des Redners herunterzuspielen; denn bereits dessen Einladung wurde mit der ganz neutral umschriebenen Tätigkeit des Redners als Rechtsanwalt und Autor begründet. Des weiteren hat der Zeuge ... angegeben, dass das damals gefeierte Opferfest das Hauptthema der Ausführungen des Redners gewesen sei; allerdings habe er auch über seine Bücher gesprochen. Hinsichtlich der Ausführungen des Redners zur Wohlfahrtspartei waren die Aussagen der Zeugen ebenfalls nicht deckungsgleich. Während der Zeuge ... von Ausführungen des Redners zum Parteiverbot zu berichten wusste - das scheint im Übrigen bei einem Buch durchaus nachvollziehbar, das die Wahrheit über die verbotene Partei zum Thema hat -, konnten die beiden anderen Zeugen sich hieran nicht erinnern. Schließlich waren dem Zeugen ... keinerlei Äußerungen über Gelder erinnerlich, während der Zeuge ... ausdrücklich erwähnt hat, dass der Redner über Geldspenden für notleitende Menschen gesprochen und sich hierfür bedankt habe. Auch vor diesem Hintergrund verbietet sich die Annahme, die Erinnerung der Zeugen lasse verlässlich den Schluss auf die Annahme zu, in der Rede des ehemaligen Ministers seien die genannten - als solche nicht unplausiblen - Äußerungen nicht gefallen.
36 
Von der Unwahrheit der streitigen Äußerungen, die auf der Veranstaltung im Juni 2001 in Neu-Ulm gefallen sein sollen, konnte sich der Senat ungeachtet der Bekundungen der hierzu vom Kläger benannten Zeugen ebenso wenig überzeugen.
37 
Die Verlässlichkeit des Erinnerungsvermögens der Zeugen hinsichtlich der ebenfalls schon geraume Zeit zurückliegenden und mit vier Stunden Dauer sehr langen und deswegen die Aufmerksamkeit der Teilnehmer in besonderer Weise fordernden Veranstaltung ist bereits deswegen nachhaltig in Frage gestellt, weil sowohl hinsichtlich der bei dieser Veranstaltung auftretenden Redner als auch anderer Modalitäten des Ablaufs der Veranstaltung nicht durchgängig übereinstimmende Aussagen gemacht wurden.
38 
So haben die Zeugen ..., ... und ... bei ihrer Vernehmung vor dem Verwaltungsgericht München am 22.05.2006 den Redner ... gar nicht erwähnt; es bleibt dann aber unklar, wie ihnen nach weiteren sechs Monaten der Inhalt seiner Ausführungen noch so deutlich präsent sein könnte, dass sie Äußerungen über eine Parteigründung - etwa als „Weiterentwicklung“ der Organisation nach einem Vorbild in der Türkei - mit Sicherheit ausschließen könnten. Dies gilt in besonderem Maß für den Zeugen ..., der sich auch vor dem Senat nach eigenen Angaben nur sehr vage an die Rede ... zu erinnern vermochte. Der Zeuge ... konnte sich des weiteren auch nicht festlegen, ob er die Rede über ihre gesamte Länge im Versammlungsraum verfolgt hat. Die Zeugen ..., ... und ... haben - anders als der Zeuge ... - auch von einem Tätigkeitsbericht des Zeugen ... nichts zu berichten gewusst. Bei diesem Vortrag soll die Videoleinwand zum Einsatz gekommen sein. Auf dieser Leinwand sollen nach Aussage des Zeugen ... auch Einblendungen zu anderen Sachthemen gezeigt worden sein. In dieser Hinsicht hatten die Zeugen ..., ... - obwohl einer der Moderatoren - und ... keine, der Zeuge ... abweichende Erinnerungen.
39 
Die behaupteten Sprechchöre sind zwar, falls sie tatsächlich - wie von den Zeugen ... und ... bekundet - nicht nur von einzelnen Zuhörern, sondern von einem beträchtlichen Teil der Anwesenden skandiert worden sind, als ein besonderes Vorkommnis eher geeignet, sich dem Gedächtnis dauerhaft einzuprägen als ein in nüchternem Ton vorgetragener Redebeitrag; die fehlende Erinnerung eines aufmerksamen Zuhörers kann folglich Schlüsse darauf zulassen, dass die Menge sich zu solchen Äußerungen nicht hat hinreißen lassen. Der Senat hegt aber auch in dieser Hinsicht Zweifel an der Aussagekraft der verneinenden Bekundungen der Zeugen.
40 
Der Zeuge ... hat sich sehr vorsichtig ausgedrückt und sich letztlich dahingehend eingelassen, dass er den Versammlungssaal immer wieder verlassen habe; ein verlässlicher Bericht über den gesamten Versammlungsablauf kann von ihm folglich nicht erwartet werden. Des weiteren erscheint auch zweifelhaft, ob er die Reaktionen des Publikums zutreffend registriert hat. Er trägt nämlich vor, dass er sich nicht daran erinnern könne, ob den Rednern applaudiert worden sei; demgegenüber hat der Zeuge ... davon gesprochen, dass die anwesenden Frauen der Rednerin ... zugejubelt hätten. Beim Zeugen ... bleibt ebenfalls unklar, ob er überhaupt in der Lage war, alle Vorkommnisse im Versammlungssaal verlässlich wahrzunehmen; denn auch er hat sich nach eigenem Bekunden nur etwa die Hälfte der Zeit im Saal selbst, sonst in einem Vorraum aufgehalten. Abgesehen davon kann bei der Bewertung der Aussagen der Zeugen ..., ..., ... und ... nicht unberücksichtigt bleiben, dass sie aufgrund ihres herausgehobenen Engagements für den Kläger ein gesteigertes Interesse an einer positiven Darstellung des Klägers in der Öffentlichkeit haben.
41 
(2) Eine abschließende Klärung des bei Würdigung der Aussagen der vernommenen Teilnehmer offenen Sachverhalts war dem Senat auch anhand der vom Beklagten angebotenen Beweismittel nicht möglich. Da eine Vernehmung von V-Leuten, auf deren unmittelbarer Wahrnehmung die im Verfassungsschutzbericht wiedergegebenen Erkenntnisse des Landesamts für Verfassungsschutz beruhen sollen, nicht möglich war, standen insoweit in Gestalt des Behördenzeugnisses des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz vom 30.10.2002 und der ergänzenden Ausführungen der Zeugen vom Hörensagen ... und ... lediglich mittelbare Beweismittel zur Verfügung.
42 
Nach Auffassung des Senats ist es dem Gericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung nicht von vornherein verwehrt, seine richterliche Überzeugung auch maßgeblich auf solche mittelbare Beweismittel zu stützen.
43 
Allerdings hat das Bundesverwaltungsgerichts in einer ein Vereinsverbot betreffenden Entscheidung (Urteil vom 03.12.2004 - 6 A 10.02 -, Buchholz 402.25 VereinsG Nr. 41 S. 78 f.) Beweiserleichterungen im Hinblick auf Geheimhaltungsbedürfnisse abgelehnt. Insbesondere könnten substantiiert bestrittene Tatsachenbehauptungen der Verbotsbehörde, die auf nachrichtendienstlichen Erkenntnissen und Einschätzungen beruhten und gerichtlicher Beweiserhebung wegen der Verweigerung der Vorlage der entsprechenden Vorgänge nicht zugänglich seien, lediglich die durch andere Erkenntnisse gestützte Überzeugung des Gerichts im Sinne einer Abrundung des Gesamtbildes bestätigen. Für die gerichtliche Überzeugungsbildung über das Vorliegen eines Verbotsgrundes könnten sie selbst dann nicht ausschlaggebend sein, wenn sie plausibel seien; dies gelte auch, wenn die Verbotsbehörde statt ihrer Akten sogenannte Behördenzeugnisse überreiche, in denen nicht näher belegte Tatsachen behauptet würden.
44 
Diese Rechtsgrundsätze, nach denen die Vernehmung von Bediensteten der Verfassungsschutzbehörden zum Beweis der Wahrheit der streitigen Tatsachenbehauptungen von vornherein untauglich wäre, sind indes im vorliegenden Rechtsstreit nicht anwendbar. Beim Vereinsverbot bilden nachrichtendienstliche Erkenntnisse zwar oft, aber nicht notwendig die Tatsachengrundlage der zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Verfügung; einer Sachverhaltsaufklärung stehen folglich nicht typischerweise Geheimhaltungsinteressen entgegen. Demgegenüber verhält es sich bei Tatsachenbehauptungen im Verfassungsschutzbericht jedenfalls dann zwingend anders, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass die beobachtete Gruppierung konspirativ arbeitet oder in ihrer offiziellen Außendarstellung ihre wahren Absichten verschleiert. Dann sind die Behörden zur Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags auf den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, insbesondere sogenannter V-Leute, angewiesen (siehe auch BVerfG, Beschluss vom 18.03.2003 - 2 BvB 1/01 u.a. -, BVerfGE 107, 339 <391>). Die Aufgabenzuweisung an die Verfassungsschutzbehörde, die gem. § 12 LVSG gerade auch die Information der Öffentlichkeit umfasst, kann dann aber nicht dadurch im Ergebnis unterlaufen werden, dass die Behörde bei Beachtung des Geheimhaltungsinteresses in einer gerichtlichen Auseinandersetzung immer unterliegen muss, weil ihr eine Beweisführung und deswegen dem Gericht die Sachaufklärung unmöglich ist. Der Geheimnisschutz würde nur um den Preis des Prozessverlusts gewährt (vgl. hierzu Mayen, NVwZ 2003, 537 <541>). Eine solche Rechtsfolge würde dem Anliegen des § 99 VwGO nicht gerecht.
45 
Die generelle Verpflichtung zur Vorlage der Akten, mit der eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts ermöglicht werden soll, dient sowohl dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung als auch dem privaten Interesse an einem effektiven Rechtsschutz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.10.1999 - 1 BvR 385/90 -, BVerfGE 101, 106 <124>). Diese Belange sind bei einer Entscheidung, ob nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO der Geheimnisschutz eine Ausnahme von der Regel rechtfertigt, in die Ermessenserwägungen mit einzustellen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.07.2002 - 2 AV 1.02 -, BVerwGE 117, 8 <9>; BVerfG, Beschluss vom 14.03.2006 - 1 BvR 2087/03 u.a. -, NVwZ 2006, 1041 <1045> Rz. 116). Auch wenn hiernach die Geheimnisschutzinteressen überwiegen, dürfen die anderen Belange nur soweit zurückgedrängt werden, wie dies angesichts der jeweiligen Prozesssituation unabweisbar geboten ist. Geht es um die Erteilung von Auskünften aus Akten, und ist die Aktenvorlage demnach der eigentliche materielle Streitgegenstand, können die gegenläufigen Interessen nicht mehr berücksichtigt werden. Die Abweisung der Klage folgt aus der positiven Feststellung im Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO. Mit dieser Zwangsläufigkeit wirkt sich die Feststellung der Geheimhaltungsbedürftigkeit auf ein Verfahren, in dem - wie hier - die geheimhaltungsbedürftigen Verwaltungsvorgänge in Bezug auf einen anderen Streitgegenstand entscheidungserheblich sind, demgegenüber nicht aus. Wenn wie im vorliegenden Fall gerade nicht die die angegriffene Maßnahme stützenden Tatsachen als solche, sondern (lediglich) die Erkenntnisquellen geheimhaltungsbedürftig sind, gebietet die Amtsaufklärungspflicht im Interesse der Wahrheitsfindung, alle ungeachtet der Verweigerung der Aktenvorlage verbleibenden Möglichkeiten der Sachaufklärung vollständig auszuschöpfen und sämtliche dem Gericht von den Beteiligten unterbreiteten oder ihm sonst zugänglichen Tatsachen bei der Würdigung des Sachverhalts zu verwerten. Wenn sich dabei ergibt, dass infolge der Weigerungserklärung bestimmte Umstände nicht aufklärbar bleiben oder die Aussagekraft festgestellter Tatsachen vermindert ist, so ist auch dies angemessen - ggfs. auch unter Berücksichtigung der materiellen Beweislast - zu würdigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.02.1996 - 1 B 37.95 -, NVwZ-RR 1997, 133 <135>; vom 21.06.1993 - 1 B 62.92 -, NVwZ 1994, 72 <74>; Rudisile in: Schoch u.a. , VwGO, § 99 Rn. 49).
46 
Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben reichen das vorgelegte Behördenzeugnis und die ergänzenden Erläuterungen der Zeugen ... und ... nicht aus, um dem Senat die volle Überzeugung von der Wahrheit der streitigen Äußerungen zu verschaffen.
47 
Der Senat hat - wie bereits das Verwaltungsgericht - aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks keinen Zweifel daran, dass die Zeugen bei der Vorbereitung und Ausstellung des Behördenzeugnisses, das die streitigen Passagen im Verfassungsschutzbericht durch weitere Einzelheiten präzisiert, sorgfältig und gewissenhaft vorgegangen sind.
48 
Soweit der Kläger die Verlässlichkeit der ihn betreffenden und jeweils vom Zeugen ... verantworteten Behördenzeugnisse in Zweifel zu ziehen versucht, gelingt ihm dies in der von ihm durch verschiedene Beispiele behaupteten Allgemeinheit nicht. Denn zum einen lautet der Titel der vom Kläger herausgegebenen Zeitschrift, wie vom Zeugen ... - im Übrigen in Übereinstimmung mit dem eigenen schriftsätzlichen Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers - angegeben, „Milli Görüs Perspektive“. Zum anderen ist auch nichts dagegen zu erinnern, wenn ein der Vorgängerorganisation des Klägers zuzurechnender Redner bei wertender Betrachtungsweise auch dem Kläger zugeordnet wird.
49 
Der vom Zeugen ... letztlich zugestandene Einwand gegen die Richtigkeit eines Behördenzeugnisses vom 26.05.2002 über eine Veranstaltung des Klägers am 15.04.2001 in Hagen verweist indessen auf die unabweisbare Erkenntnis, dass ein Behördenzeugnis ungeachtet der behördeninternen Sorgfalt nur so gut sein kann wie die unmittelbare Quelle, auf die es sich letztlich stützt. Von deren Qualität und Verlässlichkeit muss sich folglich auch das Gericht überzeugen können. An den für die richterliche Überzeugungsbildung erforderlichen Anhaltspunkten fehlt es hier.
50 
Die Zeugen ... und ... haben erläutert, welche internen Mechanismen und Methoden angewandt werden, um die Wertigkeit sowohl der Quelle als auch ihrer Angaben zu prüfen. Wie insbesondere vom Zeugen ... ausgeführt, kann es bei dieser Prüfung der Natur der Sache entsprechend nicht so sehr um die Richtigkeit der von der menschlichen Quelle, dem V-Mann, gelieferten Informationen gehen, sondern um die allgemeine Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit des Informanten. Unmittelbare Rückschlüsse auf die inhaltliche Richtigkeit lässt dann aber am ehesten der Vergleich der Erkenntnisse zweier unabhängig voneinander agierender Quellen zu, deren Einsatz jedenfalls gerade bei Veranstaltungen mit einem großen Teilnehmerkreis nicht unmöglich erscheint. Zu diesem für die Einschätzung der Wahrheit der behaupteten Äußerungen zentralen Anhaltspunkt hat der Beklagte nichts vorgetragen, was bezogen auf die hier behaupteten Erkenntnisse konkrete Schlüsse zuließe.
51 
Im Verfahren des Klägers gegen den Freistaat Bayern hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz in Bezug auf die Veranstaltung in Neu-Ulm vorgetragen, dass „der als zuverlässig bekannte V-Mann deutsch und türkisch“ spreche, innerhalb von drei Tagen nach der Veranstaltung mit dem V-Mann-Führer zusammengetroffen sei, und dass der Bericht vom 07.06.2001 stamme (siehe den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schriftsatz des Landesanwalts vom 03.05.2006). Mit diesen Angaben sind zwar die - im Übrigen wohl auch fernliegenden - Bedenken des Klägers gegen die (fremd-)sprachliche Kompetenz der Verfassungsschutzbehörden bei der verdeckten Beobachtung des Klägers zerstreut. Gleichzeitig spricht die Formulierung aber bei wörtlichem Verständnis - für ein abweichendes ist nichts vorgetragen - für den Einsatz nur eines einzigen V-Manns; dies widerspräche aber den vom Zeugen ... geschilderten eigenen Vorgaben der Verfassungsschutzbehörde, jedenfalls mindestens zwei Quellen abzugleichen; denn von einer technischen Quelle, gegen deren Vorlage - soweit noch vorhanden - im Übrigen wohl nichts spräche, war nicht die Rede. Der Zeuge ... hat hierzu vor dem Verwaltungsgericht München zwar von der Hilfe einer anderen Behörde gesprochen. Aber auch insoweit hat der Beklagte keine weiteren nachvollziehbaren Tatsachen vorgetragen, die eine weitere Plausibilisierung der Verlässlichkeit der behaupteten Erkenntnisse ermöglicht hätten. Auch auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte nicht etwa die Vorlage von - eventuell teilweise geschwärzten - Auszügen aus detaillierten Berichten über die Veranstaltungen oder gar die Vernehmung von Bediensteten wie des V-Mann-Führers oder jedenfalls des Auswerters - gegebenenfalls unter optischer und akustischer Abschirmung - angeboten, um - unter Wahrung der zwingenden Geheimhaltungserfordernisse - den Senat in die Lage zu versetzen, die Einschätzung des Beklagten nachzuvollziehen, dass die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden zutreffen (vgl. hierzu BVerwG, vom 21.06.1993 - 1 B 62.92 -, NVwZ 1994, 72 <73>). Aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des 14. Senats des erkennenden Gerichtshofs vom 24.03.2004 über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage waren dem Senat weitere eigene Ermittlungen in dieser Richtung verwehrt.
III.
52 
Die Kostentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
53 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen.
54 
Beschluss
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).

Gründe

 
I.
21 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere entspricht die Berufungsbegründung den gesetzlichen Anforderungen. Der Kläger formuliert einen Berufungsantrag und trägt vor dem Hintergrund des Zulassungsbeschlusses vor, dass sein Unterlassungsbegehren aufgrund des von ihm angebotenen Zeugenbeweises Erfolg haben müsse. Damit macht der Kläger deutlich, aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Mehr ist nach § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO nicht zu verlangen.
II.
22 
Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die - zulässige - Klage, soweit Gegenstand des Berufungsverfahrens, zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht der im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Er wird durch die streitigen Tatsachenbehauptungen in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt; diese Rechtsverletzung, die durch die weitere Verfügbarkeit des betroffenen Verfassungsschutzberichts - jedenfalls in seiner Internet-Version - fortdauert, kann er durch das Unterlassungsbegehren abwehren.
23 
1. Der Unterlassungsanspruch findet seine Rechtsgrundlage in den Grundrechten des Klägers.
24 
a) Als juristischer Person stehen dem Kläger nach Art. 19 Abs. 3 GG die im allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) wurzelnden Schutzansprüche zu, derer auch ein Personenverband im Rahmen seines Aufgabenbereichs bedarf (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.05.1989 - 7 C 2.87 -, BVerwGE 82, 76 <79>; Dreier in: ders. , GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 2 Abs. 1 Rn. 82 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 09.10.2002 - 1 BvR 1611/96 u.a. -, BVerfGE 106, 28 <42 f.>). Hierzu zählen das Verfügungsrecht und Selbstbestimmungsrecht über die eigene Außendarstellung des Verbands sowie, damit verbunden, der Schutz des sozialen Geltungsanspruchs, der sogenannten „äußeren Ehre“ als dem Ansehen in den Augen anderer (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 -, BVerfGE 114, 339 <346>; Dreier, a.a.O., Rn. 71, 74, 76).
25 
Nach den allgemeinen in der Rechtsprechung zum Ehrenschutz entwickelten Maßstäben ist das Persönlichkeitsrecht immer verletzt und ein Abwehranspruch gegeben, wenn dem Betroffenen Äußerungen unterschoben werden, die er so nicht getan hat; denn die Verfälschung der in seiner alleinigen Definitionsmacht stehenden Persönlichkeitsdarstellung ist nicht statthaft (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 03.06.1980 - 1 BvR 185/77 -, BVerfGE 54, 148 <155 f.> sowie Beschluss vom 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96 -, BVerfGE 99, 185 <193 f.>). Demgegenüber steht der soziale Geltungsanspruch nicht in der ausschließlichen Konkretisierungs- und Verfügungsmacht des Betroffenen; selbst unwahre Tatsachenbehauptungen führen demnach nicht immer zu dessen Verletzung (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15.08.1989 - 1 BvR 881/89 -, NJW 1989, 3269; BVerwG, Beschluss vom 19.01.2000 - 3 B 100.99 -, NVwZ-RR 2000, 598; siehe zuletzt etwa BGH, Urteil vom 15.11.2005 - VI ZR 274/04 -, NJW 2006, 609). Die im Anschluss hieran vom Beklagten aufgeworfenen Fragen, ob die wiedergegebenen Äußerungen des Ministers und die Sprechchöre dem Kläger i.S. des Selbstdarstellungsrechts zuzurechnen sind, und wie es um das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit bestellt ist, bedürfen indessen keiner Klärung. Denn die genannten allgemeinen Grundsätze werden hier überlagert durch die Besonderheiten, die sich aus der Erwähnung der umstrittenen Äußerungen im Verfassungsschutzbericht ergeben.
26 
Der Verfassungsschutzbericht unterscheidet sich wesentlich von sonstigen staatlichen Verlautbarungen. Er zielt auf die Abwehr besonderer Gefahren; er soll die Öffentlichkeit u.a. über Bestrebungen unterrichten, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (§ 12 Satz 1, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LVSG). Um dieser Aufgabe effektiv gerecht zu werden, stammt er von einer darauf spezialisierten und mit besonderen Befugnissen, darunter der Rechtsmacht zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel (§ 6 LVSG), arbeitenden Stelle. Insoweit geht eine Veröffentlichung im Verfassungsschutzbericht über die bloße Teilhabe staatlicher Funktionsträger an öffentlichen Auseinandersetzungen in einem freien Kommunikations- und Interaktionszusammenhang oder an der Schaffung einer hinreichenden Informationsgrundlage für eine eigenständige Entscheidungsbildung der Bürger, etwa als Marktteilnehmer, hinaus. Sie ist eine an die verbreiteten Kommunikationsinhalte anknüpfende, mittelbar belastende negative Sanktion gegen den Betroffenen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.05.2005 - 1 BvR 1072/01 -, BVerfGE 113, 63 <77 f.>). Denn angesichts der Warnfunktion des Verfassungsschutzberichts liegt bereits in der dortigen Erwähnung einer - hiernach als verfassungsfeindlich und extremistisch eingestuften - Organisation eine Ausgrenzung und Stigmatisierung des betroffenen Personenverbandes; ihr sozialer Geltungsanspruch wird durch den Vorwurf in Frage gestellt, dass sie den Grundkonsens verlassen habe, auf dem das Gemeinwesen beruht (vgl. Murswiek, NVwZ 2004, 769 <771 f.>; ders. DVBl 1997, 1021 <1028 f.>).
27 
Ein solcher Eingriff in die Rechtsstellung der Organisation ist indessen nur dann gerechtfertigt, wenn sich die Einschätzung als verfassungsfeindlich auf tatsächliche Anhaltspunkte stützen kann (§ 3 Abs. 2 Satz 2 LVSG). Die Tatsachenbehauptungen, die zur Begründung des abschließenden Werturteils über die - bzw. den Verdacht der - Verfassungsfeindlichkeit herangezogen werden, müssen demnach der Wahrheit entsprechen. Dabei ist davon auszugehen, dass grundsätzlich alle Tatsachenbehauptungen im Verfassungsschutzbericht, die sich auf die Tätigkeit und die programmatische Ausrichtung der Organisation beziehen, dazu dienen, dieses Urteil im Wege einer Gesamtschau zu tragen; nur bei ersichtlich nebensächlichen Aussagen mag eine andere Bewertung angezeigt erscheinen. Hiernach kann der Kläger hinsichtlich aller streitigen Tatsachenbehauptungen einen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht geltend machen mit der Folge, dass ihm ein Unterlassungsanspruch zusteht, soweit diese Behauptungen unwahr sind.
28 
b) Die selben Rechtsfolgen ergeben sich auch dann, wenn hier aufgrund der mittelbaren Wirkungen der Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht auch ein Eingriff in die durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte religiöse Vereinigungsfreiheit bejaht wird. Denn das Grundrecht der Religionsfreiheit schützt gegen diffamierende, diskriminierende oder verfälschende Darstellungen einer religiösen Gemeinschaft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.06.2002 - 1 BvR 670/91 -, BVerfGE 105, 279 <294>).
29 
2. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme kann der Senat nicht mit der für die auch hier gebotene volle richterliche Überzeugungsbildung erforderlichen Gewissheit von der Wahrheit der streitigen Behauptungen ausgehen; weder die vom Kläger benannten Zeugen noch die vom Beklagten aufgebotenen - mittelbaren - Beweismittel haben den Sachverhalt letztlich aufzuklären vermocht (b). Diese Unerweislichkeit geht zu Lasten des Beklagten (a).
30 
a) Die materielle Beweislast für die Richtigkeit der streitigen Tatsachenbehauptungen liegt beim Beklagten. Dies folgt mangels ausdrücklicher abweichender Regelungen aus dem an den einschlägigen Normen des materiellen Rechts orientierten sogenannten Günstigkeitsprinzip. Danach trägt jeder Beteiligte den Rechtsnachteil für die Nichterweislichkeit der ihm günstigen Tatbestandsmerkmale (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 01.11.1993 - 7 B 190/93 -, NJW 1994, 468 m.N.); auf die letztlich von Zufälligkeiten abhängige prozessuale Rolle kommt es nicht an. Folglich hat in gleicher Weise wie im Anfechtungsrechtsstreit auch bei der Unterlassungsklage die Behörde, die rechtlich erhebliche Belastungen herbeiführen will, nach dem materiellen Angreiferprinzip die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Eingriff in die Rechtsposition des Adressaten bzw. Betroffenen darzulegen; fallbezogene Besonderheiten sind für die nach abstrakten Kriterien zu bestimmende Beweislastverteilung unbeachtlich (vgl. Dawin in: Schoch u.a. , VwGO, § 108 Rn. 99 ff.; Höfling/Rixen in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 108 Rn. 114 ff., jeweils m.w.N.). Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage nicht von privatrechtlichen Ehrenschutzprozessen; beweisbelastet für die Richtigkeit einer das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzenden Tatsachenbehauptung ist - auch nach dem hier anwendbaren Rechtsgedanken des § 186 StGB - derjenige, der sie aufstellt (siehe nur BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98 -, BVerfGE 114, 339 <352>).
31 
b) Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dieses Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugung gilt auch im vorliegenden Verfahren; den Besonderheiten der Fallkonstellation ist im Rahmen der Beweiswürdigung Rechnung zu tragen.
32 
aa) Der beweisbelastete Beklagte befindet sich hier zwar in einem sogenannten sachtypischen Beweisnotstand. Er darf von Gesetzes wegen seine Erkenntnisse durch nachrichtendienstliche Mittel gewinnen, und muss dies um der Effektivität seiner Aufgabenerfüllung auch tun. Gerade diese Vorgehensweise erschwert es ihm aber, die gewonnenen Erkenntnisse nachprüfbar zu belegen, wenn er nicht seine zukünftige Arbeit beeinträchtigen will. Um des Schutzes seiner Erkenntnisquellen, Arbeitsweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung sowie der Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen an Informanten willen ist er nach Maßgabe des § 99 VwGO befugt, die Vorlage der Akten zu verweigern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.10.1999 - 1 BvR 385/90 -, BVerfGE 101, 106 <128>). Die Reduzierung des Beweismaßes auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ kann damit aber nicht gerechtfertigt werden. Ob der Anwendungsbereich des Regelbeweismaßes ausnahmsweise dann teleologisch reduziert werden kann, wenn anders wegen genereller Beweisschwierigkeiten das materielle Recht im Regelfall leerlaufen würde, kann dahinstehen. Denn dies ist - wenn überhaupt - nur zu erwägen, wenn ansonsten Grundrechtsgewährleistungen nicht realisiert werden könnten (vgl. Höfling/Rixen, a.a.O., § 108 Rn. 98 f. m.N.). Vielmehr sind die Schwierigkeiten der Sachverhaltsermittlung und Beweisführung auf der Ebene der konkreten Beweiswürdigung zu berücksichtigen (vgl. hierzu aus der Rspr. des BVerwG zuletzt Urteil vom 27.07.2006 - 5 C 3.05 -, Rn. 38 m.N.; Dawin, a.a.O., § 108 Rn. 56; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 108 Rn. 5, jeweils m.w.N.).
33 
bb) (1) Der Kläger hat die streitigen Passagen des Verfassungsschutzberichts unter Verweis auf Veranstaltungsteilnehmer, die das Gegenteil bekunden, substantiiert bestritten. Aufgrund der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist allerdings nicht erwiesen, dass die streitigen Äußerungen während der Veranstaltungen des Klägers nicht gefallen sind.
34 
Die Aussagen der vom Kläger benannten Zeugen haben den Senat nicht davon überzeugen können, dass der ehemalige türkische Minister ... während der Veranstaltung im März 2001 die im Verfassungsschutzbericht behaupteten Äußerungen nicht getan hat, die zum Beleg und als Illustration einer engen Verbindung des Klägers zu islamistischen Parteien in der Türkei dienen sollten. Auf ausdrückliche Nachfrage des Senats haben zwar alle drei Zeugen übereinstimmend angegeben, dass der Redner über den Transfer von Geldern an die damals in der Türkei vom Verbot bedrohte Tugendpartei nicht gesprochen habe. Diesen Aussagen kann aber nur ein geringes Gewicht beigemessen werden.
35 
Zum einen war das Erinnerungsvermögen der Zeugen eher begrenzt, was angesichts der mittlerweile verstrichenen Zeit letztlich nicht überrascht; der Zeuge ... hat ausdrücklich betont, dass er sich nur noch schwach erinnern könne. Zum anderen haben die Zeugen auch die ihnen positiv erinnerlichen Inhalte der Rede nicht übereinstimmend geschildert. Die Zeugen ... - dieser war als Bezirksvorsitzender des Klägers ebenfalls mit der Organisation der Veranstaltung befasst - und ... haben jeweils den Bericht des Redners über das von ihm verfasste Buch über die Wohlfahrtspartei sowie seine Ausführungen über die Lage der türkischen Jugendlichen in Deutschland und deren Integration als wesentlichen Inhalt der Rede benannt; soweit dem Zeugen ... insbesondere Letzteres noch deutlich vor Augen stand, so leuchtet dies aufgrund seiner persönlichen Betroffenheit als Vater unmittelbar ein. Demgegenüber schien die Aussage des Zeugen ... als eines der Organisatoren der Veranstaltung deutlich vom Anliegen geprägt, das politische Engagement des Redners herunterzuspielen; denn bereits dessen Einladung wurde mit der ganz neutral umschriebenen Tätigkeit des Redners als Rechtsanwalt und Autor begründet. Des weiteren hat der Zeuge ... angegeben, dass das damals gefeierte Opferfest das Hauptthema der Ausführungen des Redners gewesen sei; allerdings habe er auch über seine Bücher gesprochen. Hinsichtlich der Ausführungen des Redners zur Wohlfahrtspartei waren die Aussagen der Zeugen ebenfalls nicht deckungsgleich. Während der Zeuge ... von Ausführungen des Redners zum Parteiverbot zu berichten wusste - das scheint im Übrigen bei einem Buch durchaus nachvollziehbar, das die Wahrheit über die verbotene Partei zum Thema hat -, konnten die beiden anderen Zeugen sich hieran nicht erinnern. Schließlich waren dem Zeugen ... keinerlei Äußerungen über Gelder erinnerlich, während der Zeuge ... ausdrücklich erwähnt hat, dass der Redner über Geldspenden für notleitende Menschen gesprochen und sich hierfür bedankt habe. Auch vor diesem Hintergrund verbietet sich die Annahme, die Erinnerung der Zeugen lasse verlässlich den Schluss auf die Annahme zu, in der Rede des ehemaligen Ministers seien die genannten - als solche nicht unplausiblen - Äußerungen nicht gefallen.
36 
Von der Unwahrheit der streitigen Äußerungen, die auf der Veranstaltung im Juni 2001 in Neu-Ulm gefallen sein sollen, konnte sich der Senat ungeachtet der Bekundungen der hierzu vom Kläger benannten Zeugen ebenso wenig überzeugen.
37 
Die Verlässlichkeit des Erinnerungsvermögens der Zeugen hinsichtlich der ebenfalls schon geraume Zeit zurückliegenden und mit vier Stunden Dauer sehr langen und deswegen die Aufmerksamkeit der Teilnehmer in besonderer Weise fordernden Veranstaltung ist bereits deswegen nachhaltig in Frage gestellt, weil sowohl hinsichtlich der bei dieser Veranstaltung auftretenden Redner als auch anderer Modalitäten des Ablaufs der Veranstaltung nicht durchgängig übereinstimmende Aussagen gemacht wurden.
38 
So haben die Zeugen ..., ... und ... bei ihrer Vernehmung vor dem Verwaltungsgericht München am 22.05.2006 den Redner ... gar nicht erwähnt; es bleibt dann aber unklar, wie ihnen nach weiteren sechs Monaten der Inhalt seiner Ausführungen noch so deutlich präsent sein könnte, dass sie Äußerungen über eine Parteigründung - etwa als „Weiterentwicklung“ der Organisation nach einem Vorbild in der Türkei - mit Sicherheit ausschließen könnten. Dies gilt in besonderem Maß für den Zeugen ..., der sich auch vor dem Senat nach eigenen Angaben nur sehr vage an die Rede ... zu erinnern vermochte. Der Zeuge ... konnte sich des weiteren auch nicht festlegen, ob er die Rede über ihre gesamte Länge im Versammlungsraum verfolgt hat. Die Zeugen ..., ... und ... haben - anders als der Zeuge ... - auch von einem Tätigkeitsbericht des Zeugen ... nichts zu berichten gewusst. Bei diesem Vortrag soll die Videoleinwand zum Einsatz gekommen sein. Auf dieser Leinwand sollen nach Aussage des Zeugen ... auch Einblendungen zu anderen Sachthemen gezeigt worden sein. In dieser Hinsicht hatten die Zeugen ..., ... - obwohl einer der Moderatoren - und ... keine, der Zeuge ... abweichende Erinnerungen.
39 
Die behaupteten Sprechchöre sind zwar, falls sie tatsächlich - wie von den Zeugen ... und ... bekundet - nicht nur von einzelnen Zuhörern, sondern von einem beträchtlichen Teil der Anwesenden skandiert worden sind, als ein besonderes Vorkommnis eher geeignet, sich dem Gedächtnis dauerhaft einzuprägen als ein in nüchternem Ton vorgetragener Redebeitrag; die fehlende Erinnerung eines aufmerksamen Zuhörers kann folglich Schlüsse darauf zulassen, dass die Menge sich zu solchen Äußerungen nicht hat hinreißen lassen. Der Senat hegt aber auch in dieser Hinsicht Zweifel an der Aussagekraft der verneinenden Bekundungen der Zeugen.
40 
Der Zeuge ... hat sich sehr vorsichtig ausgedrückt und sich letztlich dahingehend eingelassen, dass er den Versammlungssaal immer wieder verlassen habe; ein verlässlicher Bericht über den gesamten Versammlungsablauf kann von ihm folglich nicht erwartet werden. Des weiteren erscheint auch zweifelhaft, ob er die Reaktionen des Publikums zutreffend registriert hat. Er trägt nämlich vor, dass er sich nicht daran erinnern könne, ob den Rednern applaudiert worden sei; demgegenüber hat der Zeuge ... davon gesprochen, dass die anwesenden Frauen der Rednerin ... zugejubelt hätten. Beim Zeugen ... bleibt ebenfalls unklar, ob er überhaupt in der Lage war, alle Vorkommnisse im Versammlungssaal verlässlich wahrzunehmen; denn auch er hat sich nach eigenem Bekunden nur etwa die Hälfte der Zeit im Saal selbst, sonst in einem Vorraum aufgehalten. Abgesehen davon kann bei der Bewertung der Aussagen der Zeugen ..., ..., ... und ... nicht unberücksichtigt bleiben, dass sie aufgrund ihres herausgehobenen Engagements für den Kläger ein gesteigertes Interesse an einer positiven Darstellung des Klägers in der Öffentlichkeit haben.
41 
(2) Eine abschließende Klärung des bei Würdigung der Aussagen der vernommenen Teilnehmer offenen Sachverhalts war dem Senat auch anhand der vom Beklagten angebotenen Beweismittel nicht möglich. Da eine Vernehmung von V-Leuten, auf deren unmittelbarer Wahrnehmung die im Verfassungsschutzbericht wiedergegebenen Erkenntnisse des Landesamts für Verfassungsschutz beruhen sollen, nicht möglich war, standen insoweit in Gestalt des Behördenzeugnisses des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz vom 30.10.2002 und der ergänzenden Ausführungen der Zeugen vom Hörensagen ... und ... lediglich mittelbare Beweismittel zur Verfügung.
42 
Nach Auffassung des Senats ist es dem Gericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung nicht von vornherein verwehrt, seine richterliche Überzeugung auch maßgeblich auf solche mittelbare Beweismittel zu stützen.
43 
Allerdings hat das Bundesverwaltungsgerichts in einer ein Vereinsverbot betreffenden Entscheidung (Urteil vom 03.12.2004 - 6 A 10.02 -, Buchholz 402.25 VereinsG Nr. 41 S. 78 f.) Beweiserleichterungen im Hinblick auf Geheimhaltungsbedürfnisse abgelehnt. Insbesondere könnten substantiiert bestrittene Tatsachenbehauptungen der Verbotsbehörde, die auf nachrichtendienstlichen Erkenntnissen und Einschätzungen beruhten und gerichtlicher Beweiserhebung wegen der Verweigerung der Vorlage der entsprechenden Vorgänge nicht zugänglich seien, lediglich die durch andere Erkenntnisse gestützte Überzeugung des Gerichts im Sinne einer Abrundung des Gesamtbildes bestätigen. Für die gerichtliche Überzeugungsbildung über das Vorliegen eines Verbotsgrundes könnten sie selbst dann nicht ausschlaggebend sein, wenn sie plausibel seien; dies gelte auch, wenn die Verbotsbehörde statt ihrer Akten sogenannte Behördenzeugnisse überreiche, in denen nicht näher belegte Tatsachen behauptet würden.
44 
Diese Rechtsgrundsätze, nach denen die Vernehmung von Bediensteten der Verfassungsschutzbehörden zum Beweis der Wahrheit der streitigen Tatsachenbehauptungen von vornherein untauglich wäre, sind indes im vorliegenden Rechtsstreit nicht anwendbar. Beim Vereinsverbot bilden nachrichtendienstliche Erkenntnisse zwar oft, aber nicht notwendig die Tatsachengrundlage der zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Verfügung; einer Sachverhaltsaufklärung stehen folglich nicht typischerweise Geheimhaltungsinteressen entgegen. Demgegenüber verhält es sich bei Tatsachenbehauptungen im Verfassungsschutzbericht jedenfalls dann zwingend anders, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass die beobachtete Gruppierung konspirativ arbeitet oder in ihrer offiziellen Außendarstellung ihre wahren Absichten verschleiert. Dann sind die Behörden zur Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags auf den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, insbesondere sogenannter V-Leute, angewiesen (siehe auch BVerfG, Beschluss vom 18.03.2003 - 2 BvB 1/01 u.a. -, BVerfGE 107, 339 <391>). Die Aufgabenzuweisung an die Verfassungsschutzbehörde, die gem. § 12 LVSG gerade auch die Information der Öffentlichkeit umfasst, kann dann aber nicht dadurch im Ergebnis unterlaufen werden, dass die Behörde bei Beachtung des Geheimhaltungsinteresses in einer gerichtlichen Auseinandersetzung immer unterliegen muss, weil ihr eine Beweisführung und deswegen dem Gericht die Sachaufklärung unmöglich ist. Der Geheimnisschutz würde nur um den Preis des Prozessverlusts gewährt (vgl. hierzu Mayen, NVwZ 2003, 537 <541>). Eine solche Rechtsfolge würde dem Anliegen des § 99 VwGO nicht gerecht.
45 
Die generelle Verpflichtung zur Vorlage der Akten, mit der eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts ermöglicht werden soll, dient sowohl dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung als auch dem privaten Interesse an einem effektiven Rechtsschutz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.10.1999 - 1 BvR 385/90 -, BVerfGE 101, 106 <124>). Diese Belange sind bei einer Entscheidung, ob nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO der Geheimnisschutz eine Ausnahme von der Regel rechtfertigt, in die Ermessenserwägungen mit einzustellen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.07.2002 - 2 AV 1.02 -, BVerwGE 117, 8 <9>; BVerfG, Beschluss vom 14.03.2006 - 1 BvR 2087/03 u.a. -, NVwZ 2006, 1041 <1045> Rz. 116). Auch wenn hiernach die Geheimnisschutzinteressen überwiegen, dürfen die anderen Belange nur soweit zurückgedrängt werden, wie dies angesichts der jeweiligen Prozesssituation unabweisbar geboten ist. Geht es um die Erteilung von Auskünften aus Akten, und ist die Aktenvorlage demnach der eigentliche materielle Streitgegenstand, können die gegenläufigen Interessen nicht mehr berücksichtigt werden. Die Abweisung der Klage folgt aus der positiven Feststellung im Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO. Mit dieser Zwangsläufigkeit wirkt sich die Feststellung der Geheimhaltungsbedürftigkeit auf ein Verfahren, in dem - wie hier - die geheimhaltungsbedürftigen Verwaltungsvorgänge in Bezug auf einen anderen Streitgegenstand entscheidungserheblich sind, demgegenüber nicht aus. Wenn wie im vorliegenden Fall gerade nicht die die angegriffene Maßnahme stützenden Tatsachen als solche, sondern (lediglich) die Erkenntnisquellen geheimhaltungsbedürftig sind, gebietet die Amtsaufklärungspflicht im Interesse der Wahrheitsfindung, alle ungeachtet der Verweigerung der Aktenvorlage verbleibenden Möglichkeiten der Sachaufklärung vollständig auszuschöpfen und sämtliche dem Gericht von den Beteiligten unterbreiteten oder ihm sonst zugänglichen Tatsachen bei der Würdigung des Sachverhalts zu verwerten. Wenn sich dabei ergibt, dass infolge der Weigerungserklärung bestimmte Umstände nicht aufklärbar bleiben oder die Aussagekraft festgestellter Tatsachen vermindert ist, so ist auch dies angemessen - ggfs. auch unter Berücksichtigung der materiellen Beweislast - zu würdigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.02.1996 - 1 B 37.95 -, NVwZ-RR 1997, 133 <135>; vom 21.06.1993 - 1 B 62.92 -, NVwZ 1994, 72 <74>; Rudisile in: Schoch u.a. , VwGO, § 99 Rn. 49).
46 
Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben reichen das vorgelegte Behördenzeugnis und die ergänzenden Erläuterungen der Zeugen ... und ... nicht aus, um dem Senat die volle Überzeugung von der Wahrheit der streitigen Äußerungen zu verschaffen.
47 
Der Senat hat - wie bereits das Verwaltungsgericht - aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks keinen Zweifel daran, dass die Zeugen bei der Vorbereitung und Ausstellung des Behördenzeugnisses, das die streitigen Passagen im Verfassungsschutzbericht durch weitere Einzelheiten präzisiert, sorgfältig und gewissenhaft vorgegangen sind.
48 
Soweit der Kläger die Verlässlichkeit der ihn betreffenden und jeweils vom Zeugen ... verantworteten Behördenzeugnisse in Zweifel zu ziehen versucht, gelingt ihm dies in der von ihm durch verschiedene Beispiele behaupteten Allgemeinheit nicht. Denn zum einen lautet der Titel der vom Kläger herausgegebenen Zeitschrift, wie vom Zeugen ... - im Übrigen in Übereinstimmung mit dem eigenen schriftsätzlichen Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers - angegeben, „Milli Görüs Perspektive“. Zum anderen ist auch nichts dagegen zu erinnern, wenn ein der Vorgängerorganisation des Klägers zuzurechnender Redner bei wertender Betrachtungsweise auch dem Kläger zugeordnet wird.
49 
Der vom Zeugen ... letztlich zugestandene Einwand gegen die Richtigkeit eines Behördenzeugnisses vom 26.05.2002 über eine Veranstaltung des Klägers am 15.04.2001 in Hagen verweist indessen auf die unabweisbare Erkenntnis, dass ein Behördenzeugnis ungeachtet der behördeninternen Sorgfalt nur so gut sein kann wie die unmittelbare Quelle, auf die es sich letztlich stützt. Von deren Qualität und Verlässlichkeit muss sich folglich auch das Gericht überzeugen können. An den für die richterliche Überzeugungsbildung erforderlichen Anhaltspunkten fehlt es hier.
50 
Die Zeugen ... und ... haben erläutert, welche internen Mechanismen und Methoden angewandt werden, um die Wertigkeit sowohl der Quelle als auch ihrer Angaben zu prüfen. Wie insbesondere vom Zeugen ... ausgeführt, kann es bei dieser Prüfung der Natur der Sache entsprechend nicht so sehr um die Richtigkeit der von der menschlichen Quelle, dem V-Mann, gelieferten Informationen gehen, sondern um die allgemeine Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit des Informanten. Unmittelbare Rückschlüsse auf die inhaltliche Richtigkeit lässt dann aber am ehesten der Vergleich der Erkenntnisse zweier unabhängig voneinander agierender Quellen zu, deren Einsatz jedenfalls gerade bei Veranstaltungen mit einem großen Teilnehmerkreis nicht unmöglich erscheint. Zu diesem für die Einschätzung der Wahrheit der behaupteten Äußerungen zentralen Anhaltspunkt hat der Beklagte nichts vorgetragen, was bezogen auf die hier behaupteten Erkenntnisse konkrete Schlüsse zuließe.
51 
Im Verfahren des Klägers gegen den Freistaat Bayern hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz in Bezug auf die Veranstaltung in Neu-Ulm vorgetragen, dass „der als zuverlässig bekannte V-Mann deutsch und türkisch“ spreche, innerhalb von drei Tagen nach der Veranstaltung mit dem V-Mann-Führer zusammengetroffen sei, und dass der Bericht vom 07.06.2001 stamme (siehe den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schriftsatz des Landesanwalts vom 03.05.2006). Mit diesen Angaben sind zwar die - im Übrigen wohl auch fernliegenden - Bedenken des Klägers gegen die (fremd-)sprachliche Kompetenz der Verfassungsschutzbehörden bei der verdeckten Beobachtung des Klägers zerstreut. Gleichzeitig spricht die Formulierung aber bei wörtlichem Verständnis - für ein abweichendes ist nichts vorgetragen - für den Einsatz nur eines einzigen V-Manns; dies widerspräche aber den vom Zeugen ... geschilderten eigenen Vorgaben der Verfassungsschutzbehörde, jedenfalls mindestens zwei Quellen abzugleichen; denn von einer technischen Quelle, gegen deren Vorlage - soweit noch vorhanden - im Übrigen wohl nichts spräche, war nicht die Rede. Der Zeuge ... hat hierzu vor dem Verwaltungsgericht München zwar von der Hilfe einer anderen Behörde gesprochen. Aber auch insoweit hat der Beklagte keine weiteren nachvollziehbaren Tatsachen vorgetragen, die eine weitere Plausibilisierung der Verlässlichkeit der behaupteten Erkenntnisse ermöglicht hätten. Auch auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte nicht etwa die Vorlage von - eventuell teilweise geschwärzten - Auszügen aus detaillierten Berichten über die Veranstaltungen oder gar die Vernehmung von Bediensteten wie des V-Mann-Führers oder jedenfalls des Auswerters - gegebenenfalls unter optischer und akustischer Abschirmung - angeboten, um - unter Wahrung der zwingenden Geheimhaltungserfordernisse - den Senat in die Lage zu versetzen, die Einschätzung des Beklagten nachzuvollziehen, dass die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden zutreffen (vgl. hierzu BVerwG, vom 21.06.1993 - 1 B 62.92 -, NVwZ 1994, 72 <73>). Aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des 14. Senats des erkennenden Gerichtshofs vom 24.03.2004 über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage waren dem Senat weitere eigene Ermittlungen in dieser Richtung verwehrt.
III.
52 
Die Kostentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
53 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen.
54 
Beschluss
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).

(1) Die zuständige Behörde soll die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels und des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, und, wenn dies zur Gefahrenabwehr geeigneter ist, auch unter Nennung des Inverkehrbringers, nach Maßgabe des Artikels 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 informieren. Eine Information der Öffentlichkeit in der in Satz 1 genannten Art und Weise soll vorbehaltlich des Absatzes 1a auch erfolgen, wenn

1.
der hinreichende Verdacht besteht, dass ein Mittel zum Tätowieren, ein kosmetisches Mittel oder ein Bedarfsgegenstand ein Risiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringen kann,
2.
der hinreichende Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen dienen, verstoßen wurde,
3.
im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von einem Erzeugnis eine Gefährdung für die Sicherheit und Gesundheit ausgeht oder ausgegangen ist und aufgrund unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnis oder aus sonstigen Gründen die Unsicherheit nicht innerhalb der gebotenen Zeit behoben werden kann,
4.
ein nicht gesundheitsschädliches, aber zum Verzehr ungeeignetes, insbesondere ekelerregendes Lebensmittel in nicht unerheblicher Menge in den Verkehr gelangt oder gelangt ist oder wenn ein solches Lebensmittel wegen seiner Eigenart zwar nur in geringen Mengen, aber über einen längeren Zeitraum in den Verkehr gelangt ist,
4a.
der durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Täuschung dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß verstoßen wurde,
5.
Umstände des Einzelfalles die Annahme begründen, dass ohne namentliche Nennung des zu beanstandenden Erzeugnisses und erforderlichenfalls des Wirtschaftsbeteiligten oder des Inverkehrbringers, unter dessen Namen oder Firma das Erzeugnis hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, erhebliche Nachteile für die Hersteller oder Vertreiber gleichartiger oder ähnlicher Erzeugnisse nicht vermieden werden können.
In den Fällen des Satzes 2 Nummer 3 bis 5 ist eine Information der Öffentlichkeit zulässig nach Abwägung der Belange der Betroffenen mit den Interessen der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung.

(1a) Die zuständige Behörde informiert die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 38 Absatz 2a Satz 2 auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Artikel 37 Absatz 4 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2017/625, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass

1.
in Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten wurden oder
2.
ein nach Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht zugelassener oder verbotener Stoff in dem Lebensmittel oder Futtermittel vorhanden ist oder
3.
gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.
Verstöße gegen bauliche Anforderungen, die keine Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirken, sowie Aufzeichnungs- oder Mitteilungspflichten, die keine Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirken, bleiben nach Satz 1 Nummer 3 außer Betracht. Bei Verstößen gegen hygienische Anforderungen kann abweichend von Satz 1 in der Information der Name des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmers sowie der Betrieb, in dem der Verstoß festgestellt wurde, genannt werden. Während eines laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens dürfen Informationen nach Satz 1 nur im Benehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft herausgegeben werden, wenn hierdurch nicht der mit dem Verfahren verfolgte Untersuchungszweck gefährdet wird.

(2) Eine Information der Öffentlichkeit nach Absatz 1 durch die Behörde ist nur zulässig, wenn andere ebenso wirksame Maßnahmen, insbesondere eine Information der Öffentlichkeit durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer oder den Wirtschaftsbeteiligten, nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden oder die Endverbraucher nicht erreichen. Unbeschadet des Satzes 1 kann die Behörde ihrerseits die Öffentlichkeit auf

1.
eine Information der Öffentlichkeit oder
2.
eine Rücknahme- oder Rückrufaktion
durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer oder den sonstigen Wirtschaftsbeteiligten hinweisen. Die Behörde kann unter den Voraussetzungen des Satzes 1 auch auf eine Information der Öffentlichkeit einer anderen Behörde hinweisen, soweit berechtigte Interessen der Endverbraucher in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich berührt sind.

(3) Bevor die Behörde die Öffentlichkeit nach den Absätzen 1 und 1a informiert, hat sie den Hersteller oder den Inverkehrbringer anzuhören, sofern hierdurch die Erreichung des mit der Maßnahme verfolgten Zwecks nicht gefährdet wird. Satz 1 gilt nicht in einem Fall des Absatzes 2 Satz 2 oder 3.

(4) Stellen sich die von der Behörde an die Öffentlichkeit gegebenen Informationen im Nachhinein als falsch oder die zu Grunde liegenden Umstände als unrichtig wiedergegeben heraus, so ist dies unverzüglich öffentlich bekannt zu machen, sofern der betroffene Wirtschaftsbeteiligte dies beantragt oder dies zur Wahrung erheblicher Belange des Gemeinwohls erforderlich ist. Sobald der der Veröffentlichung zu Grunde liegende Mangel beseitigt worden ist, ist in der Information der Öffentlichkeit unverzüglich hierauf hinzuweisen. Die Bekanntmachungen nach Satz 1 und Satz 2 sollen in derselben Weise erfolgen, in der die Information der Öffentlichkeit ergangen ist.

(4a) Die Information nach Absatz 1a ist einschließlich zusätzlicher Informationen nach Absatz 4 sechs Monate nach der Veröffentlichung zu entfernen.

(5) Abweichend von Absatz 1 ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zuständige Behörde, soweit ein nicht im Inland hergestelltes Erzeugnis erkennbar nicht im Inland in den Verkehr gebracht worden ist und

1.
ein Fall des Absatzes 1 Satz 1 vorliegt aufgrund
a)
einer Meldung nach Artikel 50 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eines anderen Mitgliedstaates oder der Europäischen Kommission oder
b)
einer sonstigen Mitteilung eines anderen Mitgliedstaates, eines Drittlandes oder einer internationalen Organisation oder
2.
ein Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 vorliegt aufgrund einer sonstigen Mitteilung eines anderen Mitgliedstaates, der Europäischen Kommission, eines Drittlandes oder einer internationalen Organisation.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn
1.
ein Erzeugnis, das durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln im Sinne von § 312c Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeboten wird, nicht erkennbar im Inland hergestellt wurde und
2.
ein Inverkehrbringer mit Sitz im Inland nicht erkennbar ist.

(1) Zweck des Gesetzes ist es,

1.
vorbehaltlich der Absätze 2 und 4 bei Lebensmitteln, Futtermitteln, Mitteln zum Tätowieren, kosmetischen Mitteln und Bedarfsgegenständen den Schutz der Endverbraucher durch Vorbeugung gegen eine oder Abwehr einer Gefahr für die menschliche Gesundheit sicherzustellen,
2.
beim Verkehr mit Lebensmitteln, Futtermitteln, Mitteln zum Tätowieren, kosmetischen Mitteln und Bedarfsgegenständen vor Täuschung zu schützen,
3.
die Unterrichtung sicherzustellen
a)
der Wirtschaftsbeteiligten,
b)
der Endverbraucher beim Verkehr mit Lebensmitteln, Mitteln zum Tätowieren, kosmetischen Mitteln und Bedarfsgegenständen und
c)
der Verwenderinnen und Verwender beim Verkehr mit Futtermitteln,
4.
a)
bei Futtermitteln
aa)
den Schutz von Tieren durch Vorbeugung gegen eine oder Abwehr einer Gefahr für die tierische Gesundheit sicherzustellen,
bb)
vor einer Gefahr für den Naturhaushalt durch in tierischen Ausscheidungen vorhandene unerwünschte Stoffe, die ihrerseits bereits in Futtermitteln vorhanden gewesen sind, zu schützen,
b)
durch Futtermittel die tierische Erzeugung so zu fördern, dass
aa)
die Leistungsfähigkeit der Nutztiere erhalten und verbessert wird und
bb)
die von Nutztieren gewonnenen Lebensmittel und sonstigen Produkte den an sie gestellten qualitativen Anforderungen, auch im Hinblick auf ihre Unbedenklichkeit für die menschliche Gesundheit, entsprechen.

(1a) Absatz 1 Nummer 2 erfasst auch den Schutz

1.
vor Täuschung im Falle zum Verzehr ungeeigneter Lebensmittel im Sinne des Artikels 14 Absatz 2 Buchstabe b und Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, oder
2.
vor Verwendung ungeeigneter Bedarfsgegenstände im Sinne des § 2 Absatz 6 Satz 1 Nummer 1.

(2) Zweck dieses Gesetzes ist es, den Schutz der menschlichen Gesundheit im privaten häuslichen Bereich durch Vorbeugung gegen eine oder Abwehr einer Gefahr, die von Erzeugnissen ausgeht oder ausgehen kann, sicherzustellen, soweit dies in diesem Gesetz angeordnet ist.

(3) Dieses Gesetz dient ferner der Umsetzung und Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union, die Sachbereiche dieses Gesetzes betreffen, insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 178/2002.

(4) Abschnitt 9a

1.
bezweckt, bei Erzeugnissen, die radioaktiv kontaminiert sind oder kontaminiert sein können, den Schutz der Endverbraucher und von Tieren durch Vorbeugung gegen eine oder Abwehr einer Gefahr für die menschliche oder tierische Gesundheit sicherzustellen,
2.
dient ferner der Umsetzung und Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft, der Europäischen Union oder der Europäischen Atomgemeinschaft, die Sachbereiche der Nummer 1 betreffen, insbesondere der Verordnung (Euratom) 2016/52 des Rates vom 15. Januar 2016 zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Lebens- und Futtermitteln im Falle eines nuklearen Unfalls oder eines anderen radiologischen Notfalls und zur Aufhebung der Verordnung (Euratom) Nr. 3954/87 des Rates und der Verordnungen (Euratom) Nr. 944/89 und (Euratom) Nr. 770/90 der Kommission (ABl. L 13 vom 20.1.2016, S. 2).

(1) Die zuständige Behörde soll die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels und des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, und, wenn dies zur Gefahrenabwehr geeigneter ist, auch unter Nennung des Inverkehrbringers, nach Maßgabe des Artikels 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 informieren. Eine Information der Öffentlichkeit in der in Satz 1 genannten Art und Weise soll vorbehaltlich des Absatzes 1a auch erfolgen, wenn

1.
der hinreichende Verdacht besteht, dass ein Mittel zum Tätowieren, ein kosmetisches Mittel oder ein Bedarfsgegenstand ein Risiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringen kann,
2.
der hinreichende Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen dienen, verstoßen wurde,
3.
im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von einem Erzeugnis eine Gefährdung für die Sicherheit und Gesundheit ausgeht oder ausgegangen ist und aufgrund unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnis oder aus sonstigen Gründen die Unsicherheit nicht innerhalb der gebotenen Zeit behoben werden kann,
4.
ein nicht gesundheitsschädliches, aber zum Verzehr ungeeignetes, insbesondere ekelerregendes Lebensmittel in nicht unerheblicher Menge in den Verkehr gelangt oder gelangt ist oder wenn ein solches Lebensmittel wegen seiner Eigenart zwar nur in geringen Mengen, aber über einen längeren Zeitraum in den Verkehr gelangt ist,
4a.
der durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Täuschung dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß verstoßen wurde,
5.
Umstände des Einzelfalles die Annahme begründen, dass ohne namentliche Nennung des zu beanstandenden Erzeugnisses und erforderlichenfalls des Wirtschaftsbeteiligten oder des Inverkehrbringers, unter dessen Namen oder Firma das Erzeugnis hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, erhebliche Nachteile für die Hersteller oder Vertreiber gleichartiger oder ähnlicher Erzeugnisse nicht vermieden werden können.
In den Fällen des Satzes 2 Nummer 3 bis 5 ist eine Information der Öffentlichkeit zulässig nach Abwägung der Belange der Betroffenen mit den Interessen der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung.

(1a) Die zuständige Behörde informiert die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 38 Absatz 2a Satz 2 auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Artikel 37 Absatz 4 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2017/625, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass

1.
in Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten wurden oder
2.
ein nach Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht zugelassener oder verbotener Stoff in dem Lebensmittel oder Futtermittel vorhanden ist oder
3.
gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.
Verstöße gegen bauliche Anforderungen, die keine Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirken, sowie Aufzeichnungs- oder Mitteilungspflichten, die keine Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirken, bleiben nach Satz 1 Nummer 3 außer Betracht. Bei Verstößen gegen hygienische Anforderungen kann abweichend von Satz 1 in der Information der Name des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmers sowie der Betrieb, in dem der Verstoß festgestellt wurde, genannt werden. Während eines laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens dürfen Informationen nach Satz 1 nur im Benehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft herausgegeben werden, wenn hierdurch nicht der mit dem Verfahren verfolgte Untersuchungszweck gefährdet wird.

(2) Eine Information der Öffentlichkeit nach Absatz 1 durch die Behörde ist nur zulässig, wenn andere ebenso wirksame Maßnahmen, insbesondere eine Information der Öffentlichkeit durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer oder den Wirtschaftsbeteiligten, nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden oder die Endverbraucher nicht erreichen. Unbeschadet des Satzes 1 kann die Behörde ihrerseits die Öffentlichkeit auf

1.
eine Information der Öffentlichkeit oder
2.
eine Rücknahme- oder Rückrufaktion
durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer oder den sonstigen Wirtschaftsbeteiligten hinweisen. Die Behörde kann unter den Voraussetzungen des Satzes 1 auch auf eine Information der Öffentlichkeit einer anderen Behörde hinweisen, soweit berechtigte Interessen der Endverbraucher in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich berührt sind.

(3) Bevor die Behörde die Öffentlichkeit nach den Absätzen 1 und 1a informiert, hat sie den Hersteller oder den Inverkehrbringer anzuhören, sofern hierdurch die Erreichung des mit der Maßnahme verfolgten Zwecks nicht gefährdet wird. Satz 1 gilt nicht in einem Fall des Absatzes 2 Satz 2 oder 3.

(4) Stellen sich die von der Behörde an die Öffentlichkeit gegebenen Informationen im Nachhinein als falsch oder die zu Grunde liegenden Umstände als unrichtig wiedergegeben heraus, so ist dies unverzüglich öffentlich bekannt zu machen, sofern der betroffene Wirtschaftsbeteiligte dies beantragt oder dies zur Wahrung erheblicher Belange des Gemeinwohls erforderlich ist. Sobald der der Veröffentlichung zu Grunde liegende Mangel beseitigt worden ist, ist in der Information der Öffentlichkeit unverzüglich hierauf hinzuweisen. Die Bekanntmachungen nach Satz 1 und Satz 2 sollen in derselben Weise erfolgen, in der die Information der Öffentlichkeit ergangen ist.

(4a) Die Information nach Absatz 1a ist einschließlich zusätzlicher Informationen nach Absatz 4 sechs Monate nach der Veröffentlichung zu entfernen.

(5) Abweichend von Absatz 1 ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zuständige Behörde, soweit ein nicht im Inland hergestelltes Erzeugnis erkennbar nicht im Inland in den Verkehr gebracht worden ist und

1.
ein Fall des Absatzes 1 Satz 1 vorliegt aufgrund
a)
einer Meldung nach Artikel 50 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eines anderen Mitgliedstaates oder der Europäischen Kommission oder
b)
einer sonstigen Mitteilung eines anderen Mitgliedstaates, eines Drittlandes oder einer internationalen Organisation oder
2.
ein Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 vorliegt aufgrund einer sonstigen Mitteilung eines anderen Mitgliedstaates, der Europäischen Kommission, eines Drittlandes oder einer internationalen Organisation.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn
1.
ein Erzeugnis, das durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln im Sinne von § 312c Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeboten wird, nicht erkennbar im Inland hergestellt wurde und
2.
ein Inverkehrbringer mit Sitz im Inland nicht erkennbar ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die zuständige Behörde soll die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels und des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, und, wenn dies zur Gefahrenabwehr geeigneter ist, auch unter Nennung des Inverkehrbringers, nach Maßgabe des Artikels 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 informieren. Eine Information der Öffentlichkeit in der in Satz 1 genannten Art und Weise soll vorbehaltlich des Absatzes 1a auch erfolgen, wenn

1.
der hinreichende Verdacht besteht, dass ein Mittel zum Tätowieren, ein kosmetisches Mittel oder ein Bedarfsgegenstand ein Risiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringen kann,
2.
der hinreichende Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen dienen, verstoßen wurde,
3.
im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von einem Erzeugnis eine Gefährdung für die Sicherheit und Gesundheit ausgeht oder ausgegangen ist und aufgrund unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnis oder aus sonstigen Gründen die Unsicherheit nicht innerhalb der gebotenen Zeit behoben werden kann,
4.
ein nicht gesundheitsschädliches, aber zum Verzehr ungeeignetes, insbesondere ekelerregendes Lebensmittel in nicht unerheblicher Menge in den Verkehr gelangt oder gelangt ist oder wenn ein solches Lebensmittel wegen seiner Eigenart zwar nur in geringen Mengen, aber über einen längeren Zeitraum in den Verkehr gelangt ist,
4a.
der durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Täuschung dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß verstoßen wurde,
5.
Umstände des Einzelfalles die Annahme begründen, dass ohne namentliche Nennung des zu beanstandenden Erzeugnisses und erforderlichenfalls des Wirtschaftsbeteiligten oder des Inverkehrbringers, unter dessen Namen oder Firma das Erzeugnis hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, erhebliche Nachteile für die Hersteller oder Vertreiber gleichartiger oder ähnlicher Erzeugnisse nicht vermieden werden können.
In den Fällen des Satzes 2 Nummer 3 bis 5 ist eine Information der Öffentlichkeit zulässig nach Abwägung der Belange der Betroffenen mit den Interessen der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung.

(1a) Die zuständige Behörde informiert die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 38 Absatz 2a Satz 2 auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Artikel 37 Absatz 4 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2017/625, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass

1.
in Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten wurden oder
2.
ein nach Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht zugelassener oder verbotener Stoff in dem Lebensmittel oder Futtermittel vorhanden ist oder
3.
gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.
Verstöße gegen bauliche Anforderungen, die keine Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirken, sowie Aufzeichnungs- oder Mitteilungspflichten, die keine Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirken, bleiben nach Satz 1 Nummer 3 außer Betracht. Bei Verstößen gegen hygienische Anforderungen kann abweichend von Satz 1 in der Information der Name des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmers sowie der Betrieb, in dem der Verstoß festgestellt wurde, genannt werden. Während eines laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens dürfen Informationen nach Satz 1 nur im Benehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft herausgegeben werden, wenn hierdurch nicht der mit dem Verfahren verfolgte Untersuchungszweck gefährdet wird.

(2) Eine Information der Öffentlichkeit nach Absatz 1 durch die Behörde ist nur zulässig, wenn andere ebenso wirksame Maßnahmen, insbesondere eine Information der Öffentlichkeit durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer oder den Wirtschaftsbeteiligten, nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden oder die Endverbraucher nicht erreichen. Unbeschadet des Satzes 1 kann die Behörde ihrerseits die Öffentlichkeit auf

1.
eine Information der Öffentlichkeit oder
2.
eine Rücknahme- oder Rückrufaktion
durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer oder den sonstigen Wirtschaftsbeteiligten hinweisen. Die Behörde kann unter den Voraussetzungen des Satzes 1 auch auf eine Information der Öffentlichkeit einer anderen Behörde hinweisen, soweit berechtigte Interessen der Endverbraucher in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich berührt sind.

(3) Bevor die Behörde die Öffentlichkeit nach den Absätzen 1 und 1a informiert, hat sie den Hersteller oder den Inverkehrbringer anzuhören, sofern hierdurch die Erreichung des mit der Maßnahme verfolgten Zwecks nicht gefährdet wird. Satz 1 gilt nicht in einem Fall des Absatzes 2 Satz 2 oder 3.

(4) Stellen sich die von der Behörde an die Öffentlichkeit gegebenen Informationen im Nachhinein als falsch oder die zu Grunde liegenden Umstände als unrichtig wiedergegeben heraus, so ist dies unverzüglich öffentlich bekannt zu machen, sofern der betroffene Wirtschaftsbeteiligte dies beantragt oder dies zur Wahrung erheblicher Belange des Gemeinwohls erforderlich ist. Sobald der der Veröffentlichung zu Grunde liegende Mangel beseitigt worden ist, ist in der Information der Öffentlichkeit unverzüglich hierauf hinzuweisen. Die Bekanntmachungen nach Satz 1 und Satz 2 sollen in derselben Weise erfolgen, in der die Information der Öffentlichkeit ergangen ist.

(4a) Die Information nach Absatz 1a ist einschließlich zusätzlicher Informationen nach Absatz 4 sechs Monate nach der Veröffentlichung zu entfernen.

(5) Abweichend von Absatz 1 ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zuständige Behörde, soweit ein nicht im Inland hergestelltes Erzeugnis erkennbar nicht im Inland in den Verkehr gebracht worden ist und

1.
ein Fall des Absatzes 1 Satz 1 vorliegt aufgrund
a)
einer Meldung nach Artikel 50 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eines anderen Mitgliedstaates oder der Europäischen Kommission oder
b)
einer sonstigen Mitteilung eines anderen Mitgliedstaates, eines Drittlandes oder einer internationalen Organisation oder
2.
ein Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 vorliegt aufgrund einer sonstigen Mitteilung eines anderen Mitgliedstaates, der Europäischen Kommission, eines Drittlandes oder einer internationalen Organisation.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn
1.
ein Erzeugnis, das durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln im Sinne von § 312c Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeboten wird, nicht erkennbar im Inland hergestellt wurde und
2.
ein Inverkehrbringer mit Sitz im Inland nicht erkennbar ist.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Die zuständige Behörde soll die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels und des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, und, wenn dies zur Gefahrenabwehr geeigneter ist, auch unter Nennung des Inverkehrbringers, nach Maßgabe des Artikels 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 informieren. Eine Information der Öffentlichkeit in der in Satz 1 genannten Art und Weise soll vorbehaltlich des Absatzes 1a auch erfolgen, wenn

1.
der hinreichende Verdacht besteht, dass ein Mittel zum Tätowieren, ein kosmetisches Mittel oder ein Bedarfsgegenstand ein Risiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringen kann,
2.
der hinreichende Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen dienen, verstoßen wurde,
3.
im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von einem Erzeugnis eine Gefährdung für die Sicherheit und Gesundheit ausgeht oder ausgegangen ist und aufgrund unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnis oder aus sonstigen Gründen die Unsicherheit nicht innerhalb der gebotenen Zeit behoben werden kann,
4.
ein nicht gesundheitsschädliches, aber zum Verzehr ungeeignetes, insbesondere ekelerregendes Lebensmittel in nicht unerheblicher Menge in den Verkehr gelangt oder gelangt ist oder wenn ein solches Lebensmittel wegen seiner Eigenart zwar nur in geringen Mengen, aber über einen längeren Zeitraum in den Verkehr gelangt ist,
4a.
der durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Täuschung dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß verstoßen wurde,
5.
Umstände des Einzelfalles die Annahme begründen, dass ohne namentliche Nennung des zu beanstandenden Erzeugnisses und erforderlichenfalls des Wirtschaftsbeteiligten oder des Inverkehrbringers, unter dessen Namen oder Firma das Erzeugnis hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, erhebliche Nachteile für die Hersteller oder Vertreiber gleichartiger oder ähnlicher Erzeugnisse nicht vermieden werden können.
In den Fällen des Satzes 2 Nummer 3 bis 5 ist eine Information der Öffentlichkeit zulässig nach Abwägung der Belange der Betroffenen mit den Interessen der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung.

(1a) Die zuständige Behörde informiert die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 38 Absatz 2a Satz 2 auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Artikel 37 Absatz 4 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2017/625, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass

1.
in Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten wurden oder
2.
ein nach Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht zugelassener oder verbotener Stoff in dem Lebensmittel oder Futtermittel vorhanden ist oder
3.
gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.
Verstöße gegen bauliche Anforderungen, die keine Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirken, sowie Aufzeichnungs- oder Mitteilungspflichten, die keine Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirken, bleiben nach Satz 1 Nummer 3 außer Betracht. Bei Verstößen gegen hygienische Anforderungen kann abweichend von Satz 1 in der Information der Name des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmers sowie der Betrieb, in dem der Verstoß festgestellt wurde, genannt werden. Während eines laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens dürfen Informationen nach Satz 1 nur im Benehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft herausgegeben werden, wenn hierdurch nicht der mit dem Verfahren verfolgte Untersuchungszweck gefährdet wird.

(2) Eine Information der Öffentlichkeit nach Absatz 1 durch die Behörde ist nur zulässig, wenn andere ebenso wirksame Maßnahmen, insbesondere eine Information der Öffentlichkeit durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer oder den Wirtschaftsbeteiligten, nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden oder die Endverbraucher nicht erreichen. Unbeschadet des Satzes 1 kann die Behörde ihrerseits die Öffentlichkeit auf

1.
eine Information der Öffentlichkeit oder
2.
eine Rücknahme- oder Rückrufaktion
durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer oder den sonstigen Wirtschaftsbeteiligten hinweisen. Die Behörde kann unter den Voraussetzungen des Satzes 1 auch auf eine Information der Öffentlichkeit einer anderen Behörde hinweisen, soweit berechtigte Interessen der Endverbraucher in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich berührt sind.

(3) Bevor die Behörde die Öffentlichkeit nach den Absätzen 1 und 1a informiert, hat sie den Hersteller oder den Inverkehrbringer anzuhören, sofern hierdurch die Erreichung des mit der Maßnahme verfolgten Zwecks nicht gefährdet wird. Satz 1 gilt nicht in einem Fall des Absatzes 2 Satz 2 oder 3.

(4) Stellen sich die von der Behörde an die Öffentlichkeit gegebenen Informationen im Nachhinein als falsch oder die zu Grunde liegenden Umstände als unrichtig wiedergegeben heraus, so ist dies unverzüglich öffentlich bekannt zu machen, sofern der betroffene Wirtschaftsbeteiligte dies beantragt oder dies zur Wahrung erheblicher Belange des Gemeinwohls erforderlich ist. Sobald der der Veröffentlichung zu Grunde liegende Mangel beseitigt worden ist, ist in der Information der Öffentlichkeit unverzüglich hierauf hinzuweisen. Die Bekanntmachungen nach Satz 1 und Satz 2 sollen in derselben Weise erfolgen, in der die Information der Öffentlichkeit ergangen ist.

(4a) Die Information nach Absatz 1a ist einschließlich zusätzlicher Informationen nach Absatz 4 sechs Monate nach der Veröffentlichung zu entfernen.

(5) Abweichend von Absatz 1 ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zuständige Behörde, soweit ein nicht im Inland hergestelltes Erzeugnis erkennbar nicht im Inland in den Verkehr gebracht worden ist und

1.
ein Fall des Absatzes 1 Satz 1 vorliegt aufgrund
a)
einer Meldung nach Artikel 50 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eines anderen Mitgliedstaates oder der Europäischen Kommission oder
b)
einer sonstigen Mitteilung eines anderen Mitgliedstaates, eines Drittlandes oder einer internationalen Organisation oder
2.
ein Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 vorliegt aufgrund einer sonstigen Mitteilung eines anderen Mitgliedstaates, der Europäischen Kommission, eines Drittlandes oder einer internationalen Organisation.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn
1.
ein Erzeugnis, das durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln im Sinne von § 312c Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeboten wird, nicht erkennbar im Inland hergestellt wurde und
2.
ein Inverkehrbringer mit Sitz im Inland nicht erkennbar ist.

(1) Die für die Überwachung von Lebensmitteln, Futtermitteln und Bedarfsgegenständen im Sinne von § 2 Absatz 6 Satz 1 Nummer 1 zuständigen Behörden treffen die Maßnahmen, die nach den Artikeln 137 und 138 der Verordnung (EU) 2017/625 erforderlich sind zur Überwachung der Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes, der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes.

(2) Unbeschadet des Artikels 137 Absatz 2 und 3 der Verordnung (EU) 2017/625 können die für die Überwachung von Lebensmitteln, Futtermitteln und Bedarfsgegenständen im Sinne von § 2 Absatz 6 Satz 1 Nummer 1 zuständigen Behörden zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes

1.
anordnen, dass derjenige, der ein in Absatz 1 genanntes Erzeugnis hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht hat oder dies beabsichtigt,
a)
eine Prüfung durchführt oder durchführen lässt und das Ergebnis der Prüfung der zuständigen Behörde mitteilt und
b)
der zuständigen Behörde den Eingang eines solchen Erzeugnisses anzeigt,
wenn Grund zu der Annahme besteht, dass dieses Erzeugnis den Vorschriften nach Absatz 1 nicht entspricht, oder
2.
vorübergehend verbieten, dass ein in Absatz 1 genanntes Erzeugnis in den Verkehr gebracht wird, bis das Ergebnis einer entnommenen Probe oder einer nach Nummer 1 angeordneten Prüfung vorliegt.

(3) Maßnahmen im Sinne von Artikel 138 Absatz 2 Buchstabe d und g der Verordnung (EU) 2017/625 können entsprechend auch in Bezug auf das Verfüttern eines Futtermittels ergehen.

(4) Maßnahmen im Sinne von Artikel 138 Absatz 2 können entsprechend auch zur Verhütung eines künftigen Verstoßes sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung ergehen.

(5) Zum Zweck der Verringerung oder Beseitigung der Ursachen für einen gesundheitlich nicht erwünschten Stoff, der in oder auf einem Lebensmittel enthalten ist, führen die zuständigen Behörden, wenn eine Überschreitung von durch Rechtsverordnung nach § 13 Absatz 1 Nummer 7 oder § 13 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 festgesetzten Auslösewerten festgestellt wird, Untersuchungen mit dem Ziel durch, die Ursachen für das Vorhandensein des gesundheitlich nicht erwünschten Stoffs zu ermitteln. Soweit es erforderlich ist, kann die zuständige Behörde die zur Verringerung oder Beseitigung der Ursachen für das Vorhandensein des gesundheitlich nicht erwünschten Stoffs erforderlichen Maßnahmen anordnen. Dabei kann sie auch anordnen, dass der Wirtschaftsbeteiligte selbst eine Untersuchung durchführt oder durchführen lässt und das Ergebnis der Untersuchung mitteilt. Die zuständigen Behörden informieren das Bundesministerium, im Fall einer Rechtsverordnung nach § 13 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, oder im Fall einer Rechtsverordnung nach § 72 Satz 2 das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit unverzüglich über ermittelte Ursachen für das Vorhandensein des gesundheitlich nicht erwünschten Stoffs und die zur Verringerung oder Beseitigung dieser Ursachen angeordneten Maßnahmen zum Zweck der Information der Kommission und der anderen Mitgliedstaaten.

(6) Zum Zweck der Verringerung oder Beseitigung der Ursachen für unerwünschte Stoffe in Futtermitteln führen die zuständigen Behörden, wenn eine Überschreitung von festgesetzten Höchstgehalten an unerwünschten Stoffen oder Aktionsgrenzwerten festgestellt wird, Untersuchungen mit dem Ziel durch, die Ursachen für das Vorhandensein unerwünschter Stoffe zu ermitteln. Soweit es erforderlich ist, kann die zuständige Behörde die zur Verringerung oder Beseitigung der Ursachen für das Vorhandensein unerwünschter Stoffe erforderlichen Maßnahmen anordnen. Dabei kann sie auch anordnen, dass der Wirtschaftsbeteiligte selbst eine Untersuchung durchführt oder durchführen lässt und das Ergebnis der Untersuchung mitteilt. Die zuständigen Behörden informieren das Bundesministerium oder im Fall einer Rechtsverordnung nach § 72 Satz 2 das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit unverzüglich über ermittelte Ursachen für das Vorhandensein unerwünschter Stoffe und die zur Verringerung oder Beseitigung dieser Ursachen angeordneten Maßnahmen zum Zweck der Information der Kommission und der anderen Mitgliedstaaten.

(7) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Anordnungen, die der Durchführung von Verboten nach

1.
Artikel 14 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 178/2002,
2.
Artikel 15 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 erster Anstrich der Verordnung (EG) Nr. 178/2002,
3.
Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe b erster oder zweiter Spiegelstrich der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2090 oder
4.
§ 5 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 oder § 17 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1
dienen, haben keine aufschiebende Wirkung.

(7a) Soweit im Einzelfall eine notwendige Anordnung oder eine sonstige notwendige Maßnahme nicht aufgrund der Absätze 1 bis 4 getroffen werden kann, bleiben weitergehende Regelungen der Länder, einschließlich der Regelungen auf dem Gebiet des Polizeirechts, aufgrund derer eine solche Anordnung oder Maßnahme getroffen werden kann, anwendbar.

(1) Die zuständige Behörde soll die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels und des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, und, wenn dies zur Gefahrenabwehr geeigneter ist, auch unter Nennung des Inverkehrbringers, nach Maßgabe des Artikels 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 informieren. Eine Information der Öffentlichkeit in der in Satz 1 genannten Art und Weise soll vorbehaltlich des Absatzes 1a auch erfolgen, wenn

1.
der hinreichende Verdacht besteht, dass ein Mittel zum Tätowieren, ein kosmetisches Mittel oder ein Bedarfsgegenstand ein Risiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringen kann,
2.
der hinreichende Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen dienen, verstoßen wurde,
3.
im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von einem Erzeugnis eine Gefährdung für die Sicherheit und Gesundheit ausgeht oder ausgegangen ist und aufgrund unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnis oder aus sonstigen Gründen die Unsicherheit nicht innerhalb der gebotenen Zeit behoben werden kann,
4.
ein nicht gesundheitsschädliches, aber zum Verzehr ungeeignetes, insbesondere ekelerregendes Lebensmittel in nicht unerheblicher Menge in den Verkehr gelangt oder gelangt ist oder wenn ein solches Lebensmittel wegen seiner Eigenart zwar nur in geringen Mengen, aber über einen längeren Zeitraum in den Verkehr gelangt ist,
4a.
der durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Täuschung dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß verstoßen wurde,
5.
Umstände des Einzelfalles die Annahme begründen, dass ohne namentliche Nennung des zu beanstandenden Erzeugnisses und erforderlichenfalls des Wirtschaftsbeteiligten oder des Inverkehrbringers, unter dessen Namen oder Firma das Erzeugnis hergestellt oder behandelt wurde oder in den Verkehr gelangt ist, erhebliche Nachteile für die Hersteller oder Vertreiber gleichartiger oder ähnlicher Erzeugnisse nicht vermieden werden können.
In den Fällen des Satzes 2 Nummer 3 bis 5 ist eine Information der Öffentlichkeit zulässig nach Abwägung der Belange der Betroffenen mit den Interessen der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung.

(1a) Die zuständige Behörde informiert die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 38 Absatz 2a Satz 2 auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Artikel 37 Absatz 4 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2017/625, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass

1.
in Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten wurden oder
2.
ein nach Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht zugelassener oder verbotener Stoff in dem Lebensmittel oder Futtermittel vorhanden ist oder
3.
gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.
Verstöße gegen bauliche Anforderungen, die keine Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirken, sowie Aufzeichnungs- oder Mitteilungspflichten, die keine Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln bewirken, bleiben nach Satz 1 Nummer 3 außer Betracht. Bei Verstößen gegen hygienische Anforderungen kann abweichend von Satz 1 in der Information der Name des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmers sowie der Betrieb, in dem der Verstoß festgestellt wurde, genannt werden. Während eines laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens dürfen Informationen nach Satz 1 nur im Benehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft herausgegeben werden, wenn hierdurch nicht der mit dem Verfahren verfolgte Untersuchungszweck gefährdet wird.

(2) Eine Information der Öffentlichkeit nach Absatz 1 durch die Behörde ist nur zulässig, wenn andere ebenso wirksame Maßnahmen, insbesondere eine Information der Öffentlichkeit durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer oder den Wirtschaftsbeteiligten, nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden oder die Endverbraucher nicht erreichen. Unbeschadet des Satzes 1 kann die Behörde ihrerseits die Öffentlichkeit auf

1.
eine Information der Öffentlichkeit oder
2.
eine Rücknahme- oder Rückrufaktion
durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer oder den sonstigen Wirtschaftsbeteiligten hinweisen. Die Behörde kann unter den Voraussetzungen des Satzes 1 auch auf eine Information der Öffentlichkeit einer anderen Behörde hinweisen, soweit berechtigte Interessen der Endverbraucher in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich berührt sind.

(3) Bevor die Behörde die Öffentlichkeit nach den Absätzen 1 und 1a informiert, hat sie den Hersteller oder den Inverkehrbringer anzuhören, sofern hierdurch die Erreichung des mit der Maßnahme verfolgten Zwecks nicht gefährdet wird. Satz 1 gilt nicht in einem Fall des Absatzes 2 Satz 2 oder 3.

(4) Stellen sich die von der Behörde an die Öffentlichkeit gegebenen Informationen im Nachhinein als falsch oder die zu Grunde liegenden Umstände als unrichtig wiedergegeben heraus, so ist dies unverzüglich öffentlich bekannt zu machen, sofern der betroffene Wirtschaftsbeteiligte dies beantragt oder dies zur Wahrung erheblicher Belange des Gemeinwohls erforderlich ist. Sobald der der Veröffentlichung zu Grunde liegende Mangel beseitigt worden ist, ist in der Information der Öffentlichkeit unverzüglich hierauf hinzuweisen. Die Bekanntmachungen nach Satz 1 und Satz 2 sollen in derselben Weise erfolgen, in der die Information der Öffentlichkeit ergangen ist.

(4a) Die Information nach Absatz 1a ist einschließlich zusätzlicher Informationen nach Absatz 4 sechs Monate nach der Veröffentlichung zu entfernen.

(5) Abweichend von Absatz 1 ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zuständige Behörde, soweit ein nicht im Inland hergestelltes Erzeugnis erkennbar nicht im Inland in den Verkehr gebracht worden ist und

1.
ein Fall des Absatzes 1 Satz 1 vorliegt aufgrund
a)
einer Meldung nach Artikel 50 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eines anderen Mitgliedstaates oder der Europäischen Kommission oder
b)
einer sonstigen Mitteilung eines anderen Mitgliedstaates, eines Drittlandes oder einer internationalen Organisation oder
2.
ein Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 vorliegt aufgrund einer sonstigen Mitteilung eines anderen Mitgliedstaates, der Europäischen Kommission, eines Drittlandes oder einer internationalen Organisation.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn
1.
ein Erzeugnis, das durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln im Sinne von § 312c Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeboten wird, nicht erkennbar im Inland hergestellt wurde und
2.
ein Inverkehrbringer mit Sitz im Inland nicht erkennbar ist.

Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, in ihrem Internetauftritt das Ergebnis einer amtlichen Kontrolle des Betriebs der Antragstellerin am ... zu veröffentlichen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Antragstellerin, die auf dem Gebiet der Antragsgegnerin eine Gaststätte betreibt, begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Untersagung der Veröffentlichung nachstehender Information im Internetauftritt der Antragsgegnerin:
Betriebsbezeichnung
Anschrift
Betreiber
Feststellungstag
Sachverhalt
Rechtsgrundlage
...
...
...
...2012
Mängel bei der
Betriebshygiene/
Reinigungsmängel
§ 3 LMHV /
§ 2 LMR StrafVO Nr. 5
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung ist statthaft und auch sonst zulässig.
Dem steht nicht der in § 123 Abs. 5 VwGO normierte Vorrang des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO entgegen. Denn ein solcher Antrag wäre bereits nicht statthaft. Die Statthaftigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO setzt voraus, dass dem Verfahren ein belastender Verwaltungsakt zugrunde liegt (siehe Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 5. A, § 80 Rn 1). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Bei dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 04.10.2012, in dem sie der Antragstellerin mitteilt, dass die oben wiedergegebene Information frühestens am 11.10.2012 im Internetauftritt der Stadt Pforzheim veröffentlicht wird, handelt es sich um keinen Verwaltungsakt.
Bei der Frage, ob eine Erklärung einer Behörde als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung neben dem Wortlaut und dem objektiven Erklärungswert auf die äußere Form (z.B. Bezeichnung als Bescheid oder Verfügung) sowie eine ggf. beigefügte bzw. fehlende Rechtsmittelbelehrung abzustellen. Das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung kann ein Indiz gegen das Vorliegen eines Verwaltungsakts sein, schließt jedoch für sich allein das Vorliegen eines Verwaltungsaktes nicht zwingend aus. Unklarheiten hinsichtlich der von der Behörde gewählten Verwaltungsakt-Form gehen zu deren Lasten. Bei Auslegungszweifeln ist bei belastenden Verwaltungsakten das den Betroffenen weniger belastende und bei begünstigenden Verwaltungsakten das den Betroffenen mehr begünstigende Auslegungsergebnis vorzuziehen; insoweit gehen etwaige Unklarheiten zu Lasten der Behörden.
Ob ein Verwaltungsakt ergangen ist, hat, da Verwaltungsakte Willenserklärungen sind, nach den für die Auslegung von Willenserklärungen allgemein geltenden Grundsätzen zu erfolgen. Entsprechend anwendbar sind die §§ 133, 157 BGB. Entscheidend ist der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen - aus der Sicht eines objektiven Betrachters -, das heißt nach Maßgabe eines objektiven Empfängerhorizonts unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Für die Auslegung ist vom Wortlaut des Ausspruchs (Tenor) und der dazu gegebenen Begründung auszugehen. Dabei ist entsprechend § 133 BGB der wirkliche Wille der Behörde zu erforschen, und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Zu würdigen ist der gesamte Inhalt der Erklärung einschließlich der Gesamtumstände (siehe VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.10.2009 - 2 S 1457/09 - juris mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist das Schreiben der Antragsgegnerin vom 04.10.2012 nach Maßgabe eines objektiven Empfängerhorizonts nicht als belastender Verwaltungsakt, sondern als die Ankündigung eines bevorstehenden tatsächlichen Verwaltungshandelns zu verstehen.
Dafür spricht neben der fehlenden Rechtsmittelbelehrung bereits, dass das Schreiben nicht als „Verfügung“ oder „Bescheid“ bezeichnet ist. Daneben kommt unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben insbesondere der Seite 4 des Schreibens besondere Bedeutung zu. Auf dieser ist zum einen das Schreiben als „Mitteilung“ bezeichnet. Im direkt anschließenden Absatz weist die Antragsgegnerin weiter darauf hin, dass im Wege des Rechtsschutzes die Möglichkeit besteht, beim Verwaltungsgericht Karlsruhe einen Antrag gem. § 123 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen. Aus diesem Hinweis musste der bevollmächtigte Rechtsanwalt der Antragstellerin, demgegenüber das Schreiben vom 04.10.2012 in erster Linie ergangen ist, schließen, dass die Antragsgegnerin mit diesem Schreiben keinen Verwaltungsakt erlassen wollte.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch begründet.
10 
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des jeweiligen Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden, oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen, nötig erscheint. Der Antragsteller muss demgemäß die Gefährdung eines eigenen Individualinteresses (Anordnungsgrund) und das Bestehen eines Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend hierfür sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
11 
Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes wird von der Antragsgegnerin nicht in Frage gestellt. Es liegt auf der Hand, dass die geplante Veröffentlichung der oben genannten Information im Internetauftritt der Antragsgegnerin für die Antragstellerin ganz erhebliche negative Konsequenzen hat, die auch bei einem Obsiegen der Antragstellerin in der Hauptsache nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
12 
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht Nach summarischer Prüfung bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von der Antragsgegnerin beabsichtigten Veröffentlichung. Angesichts der schwerwiegenden Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs der Antragstellerin durch die Veröffentlichung überwiegt das Interesse der Antragstellerin an deren vorläufiger Untersagung bis zur Klärung der anstehenden Rechtsfragen in einem Hauptsacheverfahren.
13 
Die Antragsgegnerin hat in dem Schreiben vom 04.10.2012 als gesetzliche Eingriffsnorm in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Antragstellerin § 40 Abs. 1 a Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) angegeben. Nach dieser Vorschrift informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Name oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn u.a. der durch Tatsachen begründete Verdacht besteht, dass gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist (§ 40 Abs. 1 a Nr. 2 LFGB). Die Antragsgegnerin geht davon aus, dass die Antragstellerin Verstöße i. S. d. § 40 Abs. 1 a Nr. 2 LFGB begangen hat. Dafür spricht auch einiges. Es ist aber weiter zu prüfen und notfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln, zu welcher Information der Öffentlichkeit § 40 Abs. 1 a LFGB die Behörde ermächtigt.
14 
Der Wortlaut von § 40 Abs. 1 a LFGB, der die Behörde zur Information der Öffentlichkeit „unter Nennung der Bezeichnungdes Lebensmittels sowie unter Nennung des Lebensmittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gelangt ist“ ermächtigt, spricht dafür, dass § 40 Abs. 1 a LFGB nur zur Herausgabe einer sog. Produktwarnung ermächtigt. Vorliegend soll die Öffentlichkeit aber nicht über ein konkretes Lebensmittel (Produkt), das unter Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, informiert werden, sondern darüber, dass bei einer Betriebskontrolle der Antragstellerin am ... Mängel bei der Betriebshygiene sowie Reinigungsmängel festgestellt worden sind.
15 
Es ist fraglich, ob § 40 Abs. 1 a LFGB tatsächlich über seinen Wortlaut hinaus eine (zwingende) Pflicht der Behörden begründet, die Öffentlichkeit nicht nur über konkrete Lebensmittel unter Nennung deren Bezeichnung zu informieren, sondern - losgelöst von einem bestimmten Lebensmittel - generell über hygienische Mängel in Betrieben, die Lebensmittel verarbeiten und/oder in den Verkehr bringen.
16 
Aus den Gesetzesmaterialien lässt sich nicht entnehmen, dass die Vorschrift derartig weit auszulegen ist. Die mit Wirkung zum 01.09.2012 erfolgte Einfügung von § 40 Abs. 1 a LFGB durch das Gesetz zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation vom 15.3.2012 ist wie folgt begründet worden (BT-Drucks. 17/7374):
17 
Die Geschehnisse im Zusammenhang mit Dioxin in Futtermitteln von Ende 2010/Anfang 2011 bestätigen die bereits in der Vergangenheit insbesondere im Zusammenhang mit kennzeichnungsrechtlichen Verstößen im Bereich der Käseimitate sowie die des so genannten Analogschinkens gesammelten Erfahrungen, dass bei den Behörden vor Ort trotz der im Juli 2009 eingeführten Verbesserungen der Abwägungsklausel des bisherigen § 40 Abs. 1 S. 3 LFGB (vgl. BGBl. I S. 2205) teilweise immer noch Unklarheiten bestehen, in welchen Fällen eine Information der Öffentlichkeit angezeigt ist. Daher ist es notwendig, im Gesetz selbst durch die Schaffung eines neuen § 40 Abs. 1 a klarzustellen, dass bestimmte herausgehobene Rechtsverstöße unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 LFGB zu veröffentlichen sind. Nach dem neu eingefügten § 40 Abs. 1 a muss eine Namensnennung bei Feststellung dieser enumerativ aufgeführten Rechtsverstöße nunmehr zwingend - ohne dass den zuständigen Behörden ein (gebundenes) Ermessen zusteht - erfolgen. Der Verstoß muss aufgrund von Tatsachen nach pflichtgemäßer Überzeugung der Behörde hinreichend begründet sein; der bloße - unaufgeklärte - Verdacht eines Verstoßes ist für den mit der Veröffentlichung verbundenen weitreichenden Eingriff in den Gewerbetrieb des Lebensmittelunternehmers nicht ausreichend. Damit wird auch dem Interesse der Verbraucher an verlässlichen behördlichen Informationen über das Marktumfeld Rechnung getragen.
18 
Eine Veröffentlichungspflicht der Behörden besteht gem. § 40 Absatz 1 a Satz 1 Nummer 1 LFGB zunächst bei der Überschreitung gesetzlich festgelegter Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen (zur Terminologie vgl. oben zu Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe c). Die Geschehnisse im Zusammenhang mit Dioxin in Futtermitteln haben gezeigt, dass bei Rechtsverstößen durch Grenzwertüberschreitungen unabhängig vom jeweiligen Schweregrad des Verstoßes ein besonderes Interesse der Verbraucher besteht zu erfahren, welche Lebensmittel oder Futtermittel mit unzulässigen Schadstoffen belastet sind (vgl. Nummer 10 des Aktionsplans „Verbraucherschutz in der Futtermittelkette“ der Bundesregierung vom 14. Januar 2011).
19 
Auch bei sonstigen Rechtsverstößen sollte eine gesetzliche Definition derjenigen Tatbestände erfolgen, bei denen - ähnlich wie bei „Grenzwertüberschreitungen“ - eine Veröffentlichung zwingend angezeigt ist. Allerdings sollte bei Täuschungs- oder Hygieneverstößen eine höhere Eingriffsschwelle vorgesehen werden als bei Grenzwertüberschreitungen, bei denen regelmäßig der vorsorgende Gesundheitsschutz stärker im Vordergrund steht. Dabei müssen nur solche Verstöße zwingend veröffentlicht werden, bei denen ein wiederholter Verstoß vorliegt oder bei einem einmaligen Verstoß die Erheblichkeitsschwelle überschritten ist, sofern ein Bußgeld in Höhe von mindestens 350 Euro zu erwarten ist. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass sich eine Schwelle von 350 Euro zur Abgrenzung veröffentlichungspflichtiger Verstöße als sachgerecht erwiesen hat.
20 
Dieser Begründung lässt sich nicht entnehmen, dass über den Wortlaut der Vorschrift hinaus nicht nur ein beanstandetes Lebensmittel unter seiner genauen Bezeichnung veröffentlicht werden darf, sondern für Behörden die zwingende Pflicht besteht, die Öffentlichkeit ganz generell über bestimmte Betriebe zu informieren, bei denen Verstöße gegen hygienische Anforderungen festgestellt worden sind.
21 
Angesichts der erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der geplanten Veröffentlichung überwiegt das private Interesse der Antragstellerin, hiervon vorläufig verschont zu bleiben. Dies gilt umso mehr, als in der Zwischenzeit im Betrieb der Antragstellerin die Einhaltung der Hygienevorschriften sichergestellt ist, eine Veröffentlichung deshalb - anders als bei einem bereits an den Endverbraucher ausgelieferten Lebensmittel - zum Schutz der Verbraucher nicht unerlässlich ist.
22 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG (in Anlehnung an Nr. 25.2 des Streitwertkatalogs), wobei die Kammer davon ausgeht, dass die Bedeutung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens dem des Hauptsacheverfahren entspricht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche im Fall des Satzes 1 oder 2 denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.

(2) Für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, ist Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden.

(3) Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht.

(4) Bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.