Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 16. Juli 2015 - 3 K 24/15

bei uns veröffentlicht am16.07.2015

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zur gesamten Hand den der Einkommenssteuer zu unterwerfenden Betrag von 2.482,26 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.01.2015 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 4/10 als Gesamtschuldner und der Beklagte zu 6/10.

Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages und für den Beklagten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

 
Die Kläger begehren die Abgeltung von Urlaubsansprüchen ihres verstorbenen Ehemannes (Klägerin zu 1.) bzw. Vaters (Kläger zu 2. und Klägerin zu 3.) in Geld.
Die Kläger sind Erben des am xxx.2014 verstorbenen Oberamtsrats G., der bis zu seinem Tod als Beamter der Besoldungsgruppe A 13 / Stufe 12 in Diensten der Landesfinanzverwaltung stand. Dieser hatte im Jahr 2013 zwölf Urlaubstage und im Jahr 2014 keinen Urlaubstag in Anspruch genommen, wobei er als Schwerbehinderter über einen Anspruch auf Gewährung von Zusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 SGB IX verfügte.
Mit Schreiben vom 30.07.2014 forderte der Bevollmächtigte der Kläger das Landesamt für Besoldung und Versorgung zur Abgeltung der nicht in Anspruch genommenen Urlaubstage des Erblassers auf und setzte diesem mit Schreiben vom 24.09.2014 eine Zahlungsfrist bis zum 17.10.2014, woraufhin dieses mitteilte, dass zunächst eine Klärung durch das zuständige Ministerium abzuwarten sei.
Mit am 07.01.2015 eingegangenem Schriftsatz haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, dass aus der Rechtsprechung des EuGH zur Vererblichkeit des unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruchs für Angestellte (Urt. v. 12.06.2014 – Rs. C-118/13, Bollacke –) in Verbindung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Abgeltung krankheitsbedingt nicht genommenen Urlaubs bei Eintritt eines Beamten in den Ruhestand (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10/12 –) folge, dass ein entsprechender Anspruch auch den Hinterbliebenen eines Beamten zustehe. Da sich aus der regelmäßigen Vergütung des Erblassers unter Einbeziehung jeweils gleichbleibender Zuschläge von monatlich 4.889,20 EUR brutto eine Vergütung je Urlaubstag in Höhe von 225,66 EUR ergebe und der Verstorbene von den ihm insgesamt zustehenden neunundzwanzig Urlaubstagen zwölf in Anspruch genommen habe, bestehe ein Anspruch in Höhe von 3.858,79 EUR, der unter Verzugsgesichtspunkten seit Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist zu verzinsen sei. Der Klageantrag zu 2. betreffe die durch die Untätigkeit des Beklagten entstandenen vorgerichtlichen Kosten. Der Beklagte befinde sich spätestens seit dem 18.10.2014 in Verzug und sei vom Bevollmächtigten der Kläger mit E-Mail vom 11.11.2014 abermals zur Zahlung aufgefordert worden.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger zur gesamten Hand den der Einkommenssteuer zu unterwerfenden Betrag von 3.858,79 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.10.2014 zu zahlen
sowie
den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger vorgerichtliche Kosten in Höhe von 428,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung trägt er vor, dass kein vererbbarer Anspruch auf Urlaubsabgeltung entstanden sei. Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus § 25a AzUVO i.d.F. vom 16.09.2014, der die Rechtsprechung zur Richtlinie 2003/88/EG umsetze und eine finanzielle Vergütung für krankheitsbedingt wegen Dienstunfähigkeit nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaub vorsehe. Ob und inwieweit ein Abgeltungsanspruch auch entstehe, wenn das Dienstverhältnis durch den Tod des Beamten beendet worden sei, sei jedoch nicht geregelt worden. Ein solcher Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des EuGH vom 12.06.2014 (Rs. C-118/13, Bollacke), da dieses der bisherigen Auffassung des Bundesarbeitsgerichts widerspreche, das bisher davon ausgegangen sei, dass der Urlaubsanspruch in einem solchen Fall untergehe (BAG, Urt. v. 20.09.2011 – 9 AZR 416/10 – und v. 12.03.2013 – 9 AZR 532/11 –). Aufgrund der widersprüchlichen Rechtslage könne der Beklagte einen vererbbaren Anspruch auf Urlaubsabgeltung weder anerkennen noch gewähren. Unabhängig davon bestehe ein vererbbarer Urlaubsanspruch jedenfalls nur im Umfang von zwanzig Urlaubstagen pro Kalenderjahr. Dies ergebe sich sowohl aus § 25a AzUVO als auch aus der Rechtsprechung des BVerwG, der zufolge ein vergütungsfähiger Anspruch für Sonderurlaub aus § 125 Abs. 1 SGB IX nicht bestehe (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10.12 –, juris, Rn. 9). Der Abgeltungsbetrag betrage daher allenfalls 2.482,26 EUR für elf Urlaubstage.
12 
Mit Schriftsatz vom 11.05.2015 hat der Bevollmächtigte der Kläger ergänzend vorgetragen, dass sich der Anspruch auf Urlaubsabgeltung aus § 25a AzUVO ergebe, der entgegen seinem Wortlaut dahingehend auszulegen sei, dass auch der Zusatzurlaub wegen einer Schwerbehinderung gemäß § 125 Abs. 1 SGB IX abzugelten sei. Dies folge aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der zufolge bei Anwendung des § 7 Abs. 4 BUrIG auch der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte abgegolten werden müsse (BAG, Urt. v. 23.03.2010 – 9 AZR 128/09 –), weil dieser ein zwingender gesetzlicher Urlaubsanspruch sei, der sich aufgrund der Unabdingbarkeit von tarifvertraglichen Urlaubsansprüchen unterscheide. Eine Unterscheidung zwischen schwerbehinderten Beamten und schwerbehinderten Arbeitnehmern i.S.d. BUrlG sei nicht gerechtfertigt, so dass eine erweiternde Auslegung der Vorschrift durch die Richtlinie 2003/88/EG bzw. den Gleichbehandlungsgrundsatz geboten sei.
13 
Dem Gericht lag die Verwaltungsakte der Beklagten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die vorgenannte Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Das Gericht entscheidet gem. § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
15 
Die auf Zahlung des geltend gemachten Abgeltungsbetrags und der damit verbundenen Nebenforderungen an die Erben des verstorbenen Beamten zur gesamten Hand gerichtete Klage (vgl. zur Klage der Erben bei ungeteilter Erbengemeinschaft OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 16.09.2013 – 1 A 2037/12 –, juris, Rn. 9) ist zulässig, aber nur im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
16 
I. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, weil sich der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers bzw. Beamten bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen unmittelbar in einen Abgeltungsanspruch wandelt und eine Festsetzung des Auszahlungsbetrages durch Verwaltungsakt, der nur im Wege der Verpflichtungsklage erstritten werden könnte, rechtlich nicht vorgeschrieben ist (vgl. zur Tenorierung z.B. VG Schleswig, Urt. v. 07.08.2013 – 12 A 141/13 – juris, vor Rn. 1). Die Klage ist auch abweichend von § 54 Abs. 2 S. 1 BeamtStG ohne vorherige Durchführung eines Vorverfahrens nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der VwGO zulässig, da die Kläger nach Ablauf der Sperrfrist des § 75 S. 2 VwGO Klage erhoben haben und der Beklagte auch nach diesem Zeitpunkt nicht über den am 31.07.2014 eingegangenen Antrag der Kläger entschieden hat. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 75 S. 3 VwGO ist nicht geboten, da das Fehlen einer Handlungsanweisung des Ministeriums über die Behandlung des hier streitgegenständlichen Problemkreises keinen zureichenden Grund im Sinne dieser Vorschrift darstellt.
17 
II. Die Klage ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen aber unbegründet.
18 
1. Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch ergibt sich dem Grunde nach aus der unmittelbar anwendbaren Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung.
19 
a) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind einzelstaatliche Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, nicht mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vereinbar (EuGH, Urt. v. 12.06.2014 – C-118/13, Bollacke –, juris, Rn. 14ff., 30). Eine solche Abgeltung kann zudem nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Betroffene im Vorfeld einen Antrag gestellt hat, so dass der unmittelbar aus dem Unionsrecht abzuleitende Abgeltungsanspruch mithin vererblich ist (a.a.O., Rn. 26ff., 30). Dieser Auslegung bzw. einer aufgrund dieser Auslegung gebotenen unmittelbaren Anwendung des Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG steht die – vor der Entscheidung vom 12.06.2014 ergangene – frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht entgegen, der zufolge ein Urlaubsabgeltungsanspruch nur in Person des Arbeitnehmers entstehen könne und somit auch unter Beachtung des Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG nicht vererblich sei (BAG, Urt. v. 20.09.2011 – 9 AZR 416/10 –, juris, Rn. 26 und v. 12.03.2013 – 9 AZR 532/11 –, juris, Rn. 12ff.). Denn der EuGH hat aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen vererblichen Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers hergeleitet und auch Voraussetzungen, Umfang und Grenzen dieses Anspruchs bestimmt (EuGH, Urt. v. 12.06.2014 – C-118/13, Rs. Bollacke –, juris, Rn. 19ff.); diese Auslegung des Unionsrechts ist für die nationalen Gerichte bindend (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10/12 –, juris, Rn. 10).
20 
b) Diese Auslegung des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG ist auch unmittelbar auf die Rechtsverhältnisse der Bundes- und Landesbeamten übertragbar. Denn in der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2003/88/EG auch Beamte erfasst und die konkrete nationale Ausgestaltung des Ruhestandsrechts der Beamten auch im Hinblick auf einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung – vorbehaltlich einer hier nicht in Rede stehenden, im Einzelfall günstigeren nationalen Regelung nach Art. 15 der Richtlinie – unionsrechtlich unbeachtlich ist (EuGH, Urt. v. 03.05.2012 – Rs. C-337/10, Neidel –, juris, Rn. 20ff.; BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10/12 –, juris, Rn. 11ff.). Auch Beamte des Landes oder des Bundes (bzw. deren Erben) können daher aus Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach unionsrechtlichen Maßstäben herleiten (vgl. zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Bestimmung BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10/12 –, juris, Rn. 30ff.).
21 
c) Auf einen (ggfs. im Hinblick auf den Umfang der Abgeltung weitergehenden) Abgeltungsanspruch aus nationalem Recht können die Kläger sich hingegen nicht berufen. Denn die allein in Betracht kommende beamtenrechtliche Regelung des § 25a AzUVO in der seit dem 01.01.2014 gültigen Fassung sieht eine Abgeltung nur im Umfang des in § 21 AzUVO geregelten Jahresurlaubs von (regelmäßig) 20 Arbeitstagen pro Jahr und zudem nur in Fällen vor, in denen Erholungsurlaub wegen Dienstunfähigkeit infolge Krankheit bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses nicht genommen werden konnte. Eine erweiternde Auslegung dieser Vorschrift ist unionsrechtlich schon deswegen nicht geboten, weil Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG Bestimmungen des nationalen Rechts nicht entgegensteht, die dem Beamten zusätzlich zu dem Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren, eine finanzielle Vergütung für den Fall der Unmöglichkeit der Inanspruchnahme dieser zusätzlichen Urlaubstage aber nicht vorsehen (vgl. EuGH, Urt. v. 03.05.2012 – Rs. C-337/10, Neidel –, juris, LS 3, Rn. 33ff. zum kompensationslosen Verfall der zusätzlichen Urlaubstage aus Krankheitsgründen).
22 
Auf die Vorschrift des § 11 Abs. 4 BUrlG und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Erstreckung der Abgeltungspflicht auch auf den Urlaubsanspruch nach § 125 Abs. 1 SGB IX können die Kläger sich ebenfalls nicht berufen, weil diese Rechtsprechung maßgeblich auf der durch Art. 11 Abs. 4 BUrlG begründeten nationalen Akzessorietät des sozialrechtlichen Zusatzurlaubsanspruchs zum unionsrechtlich nur für den Mindestjahresurlaub gewährleisteten Abgeltungsanspruch beruht (vgl. BAG, Urt. v. 23.03.2010 – 9 AZR 128/09 –, BAGE 134, 1 = juris, Rn. 86ff., 95), diese Norm auf Beamte jedoch keine Anwendung findet (so ausdrücklich BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10/12 –, juris, Rn. 8 zum Umfang des Abgeltungsanspruchs für bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub). Eine entsprechende Anwendung der Norm ist auch weder unionsrechtlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10/12 –, juris, Rn. 9, 19 sowie EuGH, Urt. v. 03.05.2012 – Rs. C-337/10, Neidel –, juris, Rn. 33ff.) noch aus Gründen der Gleichbehandlung geboten, da es dem Gesetzgeber – zumal angesichts der abweichend geregelten Gesetzgebungskompetenzen für Arbeitsrecht und Arbeitsschutz einerseits (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) und für das Recht der Bundes- bzw. Landesbeamten (Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 bzw. Art. 74 Abs. 1 Nr. 27, Abs. 2 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG) andererseits – nicht verwehrt ist, die Gewährung von Erholungs- und Sonderurlaub bzw. die Rechtsfolgen einer Beendigung eines Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses für Arbeitnehmer und Beamte in unterschiedlicher Weise auszugestalten. Dass die Entscheidung des Landesgesetzgebers, eine mit § 11 Abs. 4 BUrlG vergleichbare Regelung für Landesbeamte nicht zu treffen, mit Art. 3 Abs. 1 GG bzw. den unionsrechtlichen Gleichheitsgrundsätzen (Art. 20 ff. GRC i.V.m. Art 51 Abs. 1 S. 1 HS. 2, Abs. 2 GRC ) nicht vereinbar wäre, ist daher nicht ersichtlich (vgl. i.E. auch BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10/12 –, juris, Rn. 8f., 19).
23 
2. Der folglich dem Grunde nach bestehende unionsrechtliche Abgeltungsanspruch steht den Klägern jedoch nur in einer Höhe von 2.482,26 EUR zu, wobei ein Verzinsungsanspruch in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz erst ab dem 08.01.2015 besteht.
24 
a) Nach Vorstehendem können die Kläger eine Urlaubsabgeltung nur für die unionsrechtlich gewährleistete Mindesturlaubszeit in Höhe von zwanzig Urlaubstagen für das Jahr 2013 bzw. für einen anteiligen Urlaubsanspruch von drei Urlaubstagen für das Jahr 2014 beanspruchen, so dass nach Abzug der im Jahr 2013 in Anspruch genommenen zwölf Urlaubstage ein abgeltungsfähiger Urlaubsanspruch im Umfang von elf Urlaubstagen verbleibt. Ein darüber hinausgehender Anspruch auch auf Abgeltung weiterer sechs Urlaubstage für den nach § 125 Abs. 1 SGB IX zu gewährenden Zusatzurlaub für Schwerbehinderte besteht hingegen nicht (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10/12 –, juris, Rn. 8f., 19). Der Abgeltungsanspruch der Kläger beläuft sich daher bei Ansetzung des auch von der Beklagten zugrunde gelegten Tagesbetrags von 225,66 EUR auf insgesamt 2.482,26 EUR.
25 
b) Ein Anspruch auf Verzinsung dieses Betrages in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz besteht nicht – wie geltend gemacht – seit dem 18.10.2014, sondern erst ab dem 08.01.2015. Denn Verzugs- und andere materiellrechtliche Zinsen für öffentlich-rechtliche Geldforderungen können nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht allgemein in entsprechender Anwendung von § 288 Abs. 1 BGB zugesprochen werden. Ein entsprechender Verzinsungsanspruch kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn – bei gesetzlichen Leistungspflichten – ein solcher Anspruch ausdrücklich gesetzlich geregelt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.02.2001 – 5 C 34/00 –, BVerwGE 114, 61 = juris, Rn. 10) oder wenn die zu verzinsende Geldleistungspflicht – bei vertraglichen Pflichten – eine Hauptleistungspflicht betrifft, die in einem Gegenseitigkeits- bzw. Austauschverhältnis zur Leistungspflicht des anderen Vertragspartners steht (vgl. BVerwG, Urt. v. 20. 09.2001 – 5 C 5/00 –, BVerwGE 115, 139 = juris, Rn. 9; Urt. v. 15.03.1989 – 7 C 42/87 –, BVerwGE 81, 312 = juris, Rn. 14 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, da die Rechtsbeziehungen zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten vom Alimentationsprinzip geprägt sind und gerade nicht den Charakter von Leistungspflichten im Gegenseitigkeitsverhältnis haben. Zwar wurzelt der hier streitgegenständliche Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht unmittelbar im Besoldungsrecht, sondern in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG; er knüpft aber in der Sache an beamtenrechtliche Rechtsbeziehungen an, innerhalb derer ein Anspruch auf Gewährung von Verzugszinsen nicht besteht (vgl. § 5 Abs. 2 LBesG Baden-Württemberg sowie Hess. VGH, Urt. v. 04.06.2014 – 1 A 519/14 –, juris, Rn. 49 zur Übertragbarkeit der entsprechenden Normen des Bundes- und Landesbesoldungsrechts auf den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch). Da auch die Richtlinie 2003/88/EG keine Aussage zur Verzinsung des Abgeltungsanspruchs trifft und der EuGH den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht als Entgeltanspruch, sondern als – wenngleich besonders bedeutsamen – „Grundsatz des Sozialrechts der Union“ begreift (vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 12.06.2014 – Rs. C-118/13, Bollacke –, juris, Rn. 15), erscheint eine entsprechende Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB nicht geboten.
26 
Dessen ungeachtet können die Kläger Prozesszinsen seit dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage in entsprechender Anwendung des § 291 BGB beanspruchen, da nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für öffentlich-rechtliche Geldforderungen immer dann Prozesszinsen unter sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB zu entrichten sind, wenn das einschlägige Fachrecht keine Regelung enthält, die die Gewährung von Prozesszinsen (und nicht lediglich die Gewährung der dem materiellen Recht zuzuordnenden Verzugszinsen) mit hinreichender Deutlichkeit ausschließt (BVerwG, Urt. v. 22.02.2001 – 5 C 34/00 –, BVerwGE 114, 61 = juris, 6, 10 m.w.N.). Eine solche Regelung ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich (vgl. wiederum Hess. VGH, Urt. v. 04.06.2014 – 1 A 519/14 –, juris, Rn. 49). Die Kläger können Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz daher ab dem auf den Eingang der Klage folgenden Tag beanspruchen (vgl. zur entsprechenden Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB BVerwG, Urt. v. 04.12.2001 – 4 C 2/00 –, NVwZ 2002, 718, 722; BGH, Urt. v. 24.01.1990 – VIII ZR 296/88 –, NJW-RR 1990, 518f.).
27 
3. Die mit dem Klageantrag zu 2. anteilig geltend gemachte Erstattung vorgerichtlicher Kosten können die Kläger nicht beanspruchen. Denn unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs kann die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten nur im Hinblick auf solche Kosten verlangt werden, die nach Eintritt des Verzuges entstanden sind, während die bereits durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts vor Eintritt des Verzuges veranlassten Kosten bei Anwendung des § 280 Abs. 2 BGB nicht ersatzfähig sind (vgl. Ernst, in: MüKo-BGB, 6. Aufl. 2012, § 286 Rn. 154; Unberath, in: BeckOK-BGB, Ed. 35, § 280 Rn. 72f.). Die hier geltend gemachte Geschäftsgebühr nach 3100 VV RVG und die Pauschale nach 7002 VV RVG entstehen jedoch bereits zu dem Zeitpunkt in voller Höhe, in dem der Rechtsanwalt nach Erteilung des Auftrags die ersten Tätigkeiten in diesem Zusammenhang ausübt (Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, § 8 Rn. 1 sowie Vorbem. 3 Abs. 2: „Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information“), so dass den Klägern durch die Untätigkeit des Beklagten nach Erhalt des verzugsbegründenden Anwaltsschreibens keine weiteren (vorgerichtlichen) Kosten entstanden sind, die bei (entsprechender) Anwendung des § 280 Abs. 2 i.V.m. § 286 Abs. 1 BGB erstattungsfähig wären. Denn durch die erneute Zahlungsaufforderung mit E-Mail vom 11.11.2014 ist eine weitere Gebühr nicht entstanden und eine Erhöhung der bereits entstandenen Gebührenansprüche nicht eingetreten.
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 S. 1, 159 S. 2 VwGO i.V.m. § 64 VwGO, § 62 Abs. 1 ZPO und §§ 2032, 2039 S. 1 BGB. Da die Kläger die Klage mit gemeinsamem Schriftsatz und mit übereinstimmendem Vortrag erhoben haben, entsprach es billigem Ermessen, den auf die in Erbengemeinschaft stehenden Kläger entfallenden Kostenanteil diesen als Gesamtschuldner aufzuerlegen.
29 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 S. 1 und 2 ZPO bzw. aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
30 
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO). Insbesondere sind die maßgeblichen Rechtsfragen – auch in Ansehung der entgegenstehenden älteren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – durch die zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in hinreichender Weise geklärt.
31 
B E S C H L U S S
32 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3, § 43 Abs. 1 GKG auf 3858,79 EUR festgesetzt.
33 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
14 
Das Gericht entscheidet gem. § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
15 
Die auf Zahlung des geltend gemachten Abgeltungsbetrags und der damit verbundenen Nebenforderungen an die Erben des verstorbenen Beamten zur gesamten Hand gerichtete Klage (vgl. zur Klage der Erben bei ungeteilter Erbengemeinschaft OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 16.09.2013 – 1 A 2037/12 –, juris, Rn. 9) ist zulässig, aber nur im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
16 
I. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, weil sich der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers bzw. Beamten bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen unmittelbar in einen Abgeltungsanspruch wandelt und eine Festsetzung des Auszahlungsbetrages durch Verwaltungsakt, der nur im Wege der Verpflichtungsklage erstritten werden könnte, rechtlich nicht vorgeschrieben ist (vgl. zur Tenorierung z.B. VG Schleswig, Urt. v. 07.08.2013 – 12 A 141/13 – juris, vor Rn. 1). Die Klage ist auch abweichend von § 54 Abs. 2 S. 1 BeamtStG ohne vorherige Durchführung eines Vorverfahrens nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der VwGO zulässig, da die Kläger nach Ablauf der Sperrfrist des § 75 S. 2 VwGO Klage erhoben haben und der Beklagte auch nach diesem Zeitpunkt nicht über den am 31.07.2014 eingegangenen Antrag der Kläger entschieden hat. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 75 S. 3 VwGO ist nicht geboten, da das Fehlen einer Handlungsanweisung des Ministeriums über die Behandlung des hier streitgegenständlichen Problemkreises keinen zureichenden Grund im Sinne dieser Vorschrift darstellt.
17 
II. Die Klage ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen aber unbegründet.
18 
1. Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch ergibt sich dem Grunde nach aus der unmittelbar anwendbaren Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung.
19 
a) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind einzelstaatliche Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, nicht mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vereinbar (EuGH, Urt. v. 12.06.2014 – C-118/13, Bollacke –, juris, Rn. 14ff., 30). Eine solche Abgeltung kann zudem nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Betroffene im Vorfeld einen Antrag gestellt hat, so dass der unmittelbar aus dem Unionsrecht abzuleitende Abgeltungsanspruch mithin vererblich ist (a.a.O., Rn. 26ff., 30). Dieser Auslegung bzw. einer aufgrund dieser Auslegung gebotenen unmittelbaren Anwendung des Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG steht die – vor der Entscheidung vom 12.06.2014 ergangene – frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht entgegen, der zufolge ein Urlaubsabgeltungsanspruch nur in Person des Arbeitnehmers entstehen könne und somit auch unter Beachtung des Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG nicht vererblich sei (BAG, Urt. v. 20.09.2011 – 9 AZR 416/10 –, juris, Rn. 26 und v. 12.03.2013 – 9 AZR 532/11 –, juris, Rn. 12ff.). Denn der EuGH hat aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen vererblichen Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers hergeleitet und auch Voraussetzungen, Umfang und Grenzen dieses Anspruchs bestimmt (EuGH, Urt. v. 12.06.2014 – C-118/13, Rs. Bollacke –, juris, Rn. 19ff.); diese Auslegung des Unionsrechts ist für die nationalen Gerichte bindend (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10/12 –, juris, Rn. 10).
20 
b) Diese Auslegung des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG ist auch unmittelbar auf die Rechtsverhältnisse der Bundes- und Landesbeamten übertragbar. Denn in der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2003/88/EG auch Beamte erfasst und die konkrete nationale Ausgestaltung des Ruhestandsrechts der Beamten auch im Hinblick auf einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung – vorbehaltlich einer hier nicht in Rede stehenden, im Einzelfall günstigeren nationalen Regelung nach Art. 15 der Richtlinie – unionsrechtlich unbeachtlich ist (EuGH, Urt. v. 03.05.2012 – Rs. C-337/10, Neidel –, juris, Rn. 20ff.; BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10/12 –, juris, Rn. 11ff.). Auch Beamte des Landes oder des Bundes (bzw. deren Erben) können daher aus Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach unionsrechtlichen Maßstäben herleiten (vgl. zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Bestimmung BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10/12 –, juris, Rn. 30ff.).
21 
c) Auf einen (ggfs. im Hinblick auf den Umfang der Abgeltung weitergehenden) Abgeltungsanspruch aus nationalem Recht können die Kläger sich hingegen nicht berufen. Denn die allein in Betracht kommende beamtenrechtliche Regelung des § 25a AzUVO in der seit dem 01.01.2014 gültigen Fassung sieht eine Abgeltung nur im Umfang des in § 21 AzUVO geregelten Jahresurlaubs von (regelmäßig) 20 Arbeitstagen pro Jahr und zudem nur in Fällen vor, in denen Erholungsurlaub wegen Dienstunfähigkeit infolge Krankheit bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses nicht genommen werden konnte. Eine erweiternde Auslegung dieser Vorschrift ist unionsrechtlich schon deswegen nicht geboten, weil Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG Bestimmungen des nationalen Rechts nicht entgegensteht, die dem Beamten zusätzlich zu dem Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren, eine finanzielle Vergütung für den Fall der Unmöglichkeit der Inanspruchnahme dieser zusätzlichen Urlaubstage aber nicht vorsehen (vgl. EuGH, Urt. v. 03.05.2012 – Rs. C-337/10, Neidel –, juris, LS 3, Rn. 33ff. zum kompensationslosen Verfall der zusätzlichen Urlaubstage aus Krankheitsgründen).
22 
Auf die Vorschrift des § 11 Abs. 4 BUrlG und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Erstreckung der Abgeltungspflicht auch auf den Urlaubsanspruch nach § 125 Abs. 1 SGB IX können die Kläger sich ebenfalls nicht berufen, weil diese Rechtsprechung maßgeblich auf der durch Art. 11 Abs. 4 BUrlG begründeten nationalen Akzessorietät des sozialrechtlichen Zusatzurlaubsanspruchs zum unionsrechtlich nur für den Mindestjahresurlaub gewährleisteten Abgeltungsanspruch beruht (vgl. BAG, Urt. v. 23.03.2010 – 9 AZR 128/09 –, BAGE 134, 1 = juris, Rn. 86ff., 95), diese Norm auf Beamte jedoch keine Anwendung findet (so ausdrücklich BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10/12 –, juris, Rn. 8 zum Umfang des Abgeltungsanspruchs für bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub). Eine entsprechende Anwendung der Norm ist auch weder unionsrechtlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10/12 –, juris, Rn. 9, 19 sowie EuGH, Urt. v. 03.05.2012 – Rs. C-337/10, Neidel –, juris, Rn. 33ff.) noch aus Gründen der Gleichbehandlung geboten, da es dem Gesetzgeber – zumal angesichts der abweichend geregelten Gesetzgebungskompetenzen für Arbeitsrecht und Arbeitsschutz einerseits (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) und für das Recht der Bundes- bzw. Landesbeamten (Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 bzw. Art. 74 Abs. 1 Nr. 27, Abs. 2 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG) andererseits – nicht verwehrt ist, die Gewährung von Erholungs- und Sonderurlaub bzw. die Rechtsfolgen einer Beendigung eines Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses für Arbeitnehmer und Beamte in unterschiedlicher Weise auszugestalten. Dass die Entscheidung des Landesgesetzgebers, eine mit § 11 Abs. 4 BUrlG vergleichbare Regelung für Landesbeamte nicht zu treffen, mit Art. 3 Abs. 1 GG bzw. den unionsrechtlichen Gleichheitsgrundsätzen (Art. 20 ff. GRC i.V.m. Art 51 Abs. 1 S. 1 HS. 2, Abs. 2 GRC ) nicht vereinbar wäre, ist daher nicht ersichtlich (vgl. i.E. auch BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10/12 –, juris, Rn. 8f., 19).
23 
2. Der folglich dem Grunde nach bestehende unionsrechtliche Abgeltungsanspruch steht den Klägern jedoch nur in einer Höhe von 2.482,26 EUR zu, wobei ein Verzinsungsanspruch in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz erst ab dem 08.01.2015 besteht.
24 
a) Nach Vorstehendem können die Kläger eine Urlaubsabgeltung nur für die unionsrechtlich gewährleistete Mindesturlaubszeit in Höhe von zwanzig Urlaubstagen für das Jahr 2013 bzw. für einen anteiligen Urlaubsanspruch von drei Urlaubstagen für das Jahr 2014 beanspruchen, so dass nach Abzug der im Jahr 2013 in Anspruch genommenen zwölf Urlaubstage ein abgeltungsfähiger Urlaubsanspruch im Umfang von elf Urlaubstagen verbleibt. Ein darüber hinausgehender Anspruch auch auf Abgeltung weiterer sechs Urlaubstage für den nach § 125 Abs. 1 SGB IX zu gewährenden Zusatzurlaub für Schwerbehinderte besteht hingegen nicht (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10/12 –, juris, Rn. 8f., 19). Der Abgeltungsanspruch der Kläger beläuft sich daher bei Ansetzung des auch von der Beklagten zugrunde gelegten Tagesbetrags von 225,66 EUR auf insgesamt 2.482,26 EUR.
25 
b) Ein Anspruch auf Verzinsung dieses Betrages in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz besteht nicht – wie geltend gemacht – seit dem 18.10.2014, sondern erst ab dem 08.01.2015. Denn Verzugs- und andere materiellrechtliche Zinsen für öffentlich-rechtliche Geldforderungen können nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht allgemein in entsprechender Anwendung von § 288 Abs. 1 BGB zugesprochen werden. Ein entsprechender Verzinsungsanspruch kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn – bei gesetzlichen Leistungspflichten – ein solcher Anspruch ausdrücklich gesetzlich geregelt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.02.2001 – 5 C 34/00 –, BVerwGE 114, 61 = juris, Rn. 10) oder wenn die zu verzinsende Geldleistungspflicht – bei vertraglichen Pflichten – eine Hauptleistungspflicht betrifft, die in einem Gegenseitigkeits- bzw. Austauschverhältnis zur Leistungspflicht des anderen Vertragspartners steht (vgl. BVerwG, Urt. v. 20. 09.2001 – 5 C 5/00 –, BVerwGE 115, 139 = juris, Rn. 9; Urt. v. 15.03.1989 – 7 C 42/87 –, BVerwGE 81, 312 = juris, Rn. 14 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, da die Rechtsbeziehungen zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten vom Alimentationsprinzip geprägt sind und gerade nicht den Charakter von Leistungspflichten im Gegenseitigkeitsverhältnis haben. Zwar wurzelt der hier streitgegenständliche Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht unmittelbar im Besoldungsrecht, sondern in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG; er knüpft aber in der Sache an beamtenrechtliche Rechtsbeziehungen an, innerhalb derer ein Anspruch auf Gewährung von Verzugszinsen nicht besteht (vgl. § 5 Abs. 2 LBesG Baden-Württemberg sowie Hess. VGH, Urt. v. 04.06.2014 – 1 A 519/14 –, juris, Rn. 49 zur Übertragbarkeit der entsprechenden Normen des Bundes- und Landesbesoldungsrechts auf den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch). Da auch die Richtlinie 2003/88/EG keine Aussage zur Verzinsung des Abgeltungsanspruchs trifft und der EuGH den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht als Entgeltanspruch, sondern als – wenngleich besonders bedeutsamen – „Grundsatz des Sozialrechts der Union“ begreift (vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 12.06.2014 – Rs. C-118/13, Bollacke –, juris, Rn. 15), erscheint eine entsprechende Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB nicht geboten.
26 
Dessen ungeachtet können die Kläger Prozesszinsen seit dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage in entsprechender Anwendung des § 291 BGB beanspruchen, da nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für öffentlich-rechtliche Geldforderungen immer dann Prozesszinsen unter sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB zu entrichten sind, wenn das einschlägige Fachrecht keine Regelung enthält, die die Gewährung von Prozesszinsen (und nicht lediglich die Gewährung der dem materiellen Recht zuzuordnenden Verzugszinsen) mit hinreichender Deutlichkeit ausschließt (BVerwG, Urt. v. 22.02.2001 – 5 C 34/00 –, BVerwGE 114, 61 = juris, 6, 10 m.w.N.). Eine solche Regelung ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich (vgl. wiederum Hess. VGH, Urt. v. 04.06.2014 – 1 A 519/14 –, juris, Rn. 49). Die Kläger können Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz daher ab dem auf den Eingang der Klage folgenden Tag beanspruchen (vgl. zur entsprechenden Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB BVerwG, Urt. v. 04.12.2001 – 4 C 2/00 –, NVwZ 2002, 718, 722; BGH, Urt. v. 24.01.1990 – VIII ZR 296/88 –, NJW-RR 1990, 518f.).
27 
3. Die mit dem Klageantrag zu 2. anteilig geltend gemachte Erstattung vorgerichtlicher Kosten können die Kläger nicht beanspruchen. Denn unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs kann die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten nur im Hinblick auf solche Kosten verlangt werden, die nach Eintritt des Verzuges entstanden sind, während die bereits durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts vor Eintritt des Verzuges veranlassten Kosten bei Anwendung des § 280 Abs. 2 BGB nicht ersatzfähig sind (vgl. Ernst, in: MüKo-BGB, 6. Aufl. 2012, § 286 Rn. 154; Unberath, in: BeckOK-BGB, Ed. 35, § 280 Rn. 72f.). Die hier geltend gemachte Geschäftsgebühr nach 3100 VV RVG und die Pauschale nach 7002 VV RVG entstehen jedoch bereits zu dem Zeitpunkt in voller Höhe, in dem der Rechtsanwalt nach Erteilung des Auftrags die ersten Tätigkeiten in diesem Zusammenhang ausübt (Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, § 8 Rn. 1 sowie Vorbem. 3 Abs. 2: „Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information“), so dass den Klägern durch die Untätigkeit des Beklagten nach Erhalt des verzugsbegründenden Anwaltsschreibens keine weiteren (vorgerichtlichen) Kosten entstanden sind, die bei (entsprechender) Anwendung des § 280 Abs. 2 i.V.m. § 286 Abs. 1 BGB erstattungsfähig wären. Denn durch die erneute Zahlungsaufforderung mit E-Mail vom 11.11.2014 ist eine weitere Gebühr nicht entstanden und eine Erhöhung der bereits entstandenen Gebührenansprüche nicht eingetreten.
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 S. 1, 159 S. 2 VwGO i.V.m. § 64 VwGO, § 62 Abs. 1 ZPO und §§ 2032, 2039 S. 1 BGB. Da die Kläger die Klage mit gemeinsamem Schriftsatz und mit übereinstimmendem Vortrag erhoben haben, entsprach es billigem Ermessen, den auf die in Erbengemeinschaft stehenden Kläger entfallenden Kostenanteil diesen als Gesamtschuldner aufzuerlegen.
29 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 S. 1 und 2 ZPO bzw. aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
30 
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO). Insbesondere sind die maßgeblichen Rechtsfragen – auch in Ansehung der entgegenstehenden älteren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – durch die zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in hinreichender Weise geklärt.
31 
B E S C H L U S S
32 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3, § 43 Abs. 1 GKG auf 3858,79 EUR festgesetzt.
33 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 16. Juli 2015 - 3 K 24/15

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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 16. Juli 2015 - 3 K 24/15 zitiert 30 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 286 Verzug des Schuldners


#BJNR001950896BJNE027902377 (1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Z

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen


Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 187 Fristbeginn


(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. (2) Ist der Beginn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 75


Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von d

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 74


(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete: 1. das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 72


(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. (2) Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 43 Nebenforderungen


(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt. (2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Ha

Bundesurlaubsgesetz - BUrlG | § 11 Urlaubsentgelt


(1) Das Urlaubsentgelt bemißt sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Be

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 54 Verwaltungsrechtsweg


(1) Für alle Klagen der Beamtinnen, Beamten, Ruhestandsbeamtinnen, Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis sowie für Klagen des Dienstherrn ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. (2)

Zivilprozessordnung - ZPO | § 62 Notwendige Streitgenossenschaft


(1) Kann das streitige Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden oder ist die Streitgenossenschaft aus einem sonstigen Grund eine notwendige, so werden, wenn ein Termin oder eine Frist nur von einzelnen Strei

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 125 Inhalt der schriftlichen Vereinbarung


(1) In der schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Leistungserbringer sind zu regeln:1.Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen der Eingliederungshilfe (Leistungsvereinbarung) un

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2039 Nachlassforderungen


Gehört ein Anspruch zum Nachlass, so kann der Verpflichtete nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten und jeder Miterbe nur die Leistung an alle Erben fordern. Jeder Miterbe kann verlangen, dass der Verpflichtete die zu leistende Sache für alle Erbe

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 64


Die Vorschriften der §§ 59 bis 63 der Zivilprozeßordnung über die Streitgenossenschaft sind entsprechend anzuwenden.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2032 Erbengemeinschaft


(1) Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, so wird der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen der Erben. (2) Bis zur Auseinandersetzung gelten die Vorschriften der §§ 2033 bis 2041.

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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 16. Juli 2015 - 3 K 24/15 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 16. Juli 2015 - 3 K 24/15 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 07. Aug. 2013 - 12 A 141/13

bei uns veröffentlicht am 07.08.2013

Tenor Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 04.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.03.2010 verpflichtet, an die Kläger einen Betrag von 2.630,46 € zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. März 2013 - 9 AZR 532/11

bei uns veröffentlicht am 12.03.2013

Tenor 1. Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011 - 6 Sa 21/11 - wird zurückgewiesen.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 31. Jan. 2013 - 2 C 10/12

bei uns veröffentlicht am 31.01.2013

Tatbestand 1 Der Kläger erstrebt eine finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Urlaub.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Sept. 2011 - 9 AZR 416/10

bei uns veröffentlicht am 20.09.2011

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. April 2010 - 16 Sa 1502/09 - aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 23. März 2010 - 9 AZR 128/09

bei uns veröffentlicht am 23.03.2010

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Februar 2009 - 12 Sa 486/06 - teilweise aufgehoben.
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 16. Juli 2015 - 3 K 24/15.

Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 14. Juli 2016 - 8 Sa 324/16

bei uns veröffentlicht am 14.07.2016

Tenor 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 27.01.2016 – 2 Ca 3478/15 – wird zurückgewiesen. 2. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil hinsichtlich der Ziffern 2 und 3. abgeändert und wie folgt ne

Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 29. Okt. 2015 - 11 Sa 537/15

bei uns veröffentlicht am 29.10.2015

Tenor 1.Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 25.03.2015 - 3 Ca 2643/14 - wird zurückgewiesen. 2.Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen. 3.Die Revision wird zugelassen. 1T a t b e s t a

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(1) In der schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Leistungserbringer sind zu regeln:

1.
Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen der Eingliederungshilfe (Leistungsvereinbarung) und
2.
die Vergütung der Leistungen der Eingliederungshilfe (Vergütungsvereinbarung).

(2) In die Leistungsvereinbarung sind als wesentliche Leistungsmerkmale mindestens aufzunehmen:

1.
der zu betreuende Personenkreis,
2.
die erforderliche sächliche Ausstattung,
3.
Art, Umfang, Ziel und Qualität der Leistungen der Eingliederungshilfe,
4.
die Festlegung der personellen Ausstattung,
5.
die Qualifikation des Personals sowie
6.
soweit erforderlich, die betriebsnotwendigen Anlagen des Leistungserbringers.
Soweit die Erbringung von Leistungen nach § 116 Absatz 2 zu vereinbaren ist, sind darüber hinaus die für die Leistungserbringung erforderlichen Strukturen zu berücksichtigen.

(3) Mit der Vergütungsvereinbarung werden unter Berücksichtigung der Leistungsmerkmale nach Absatz 2 Leistungspauschalen für die zu erbringenden Leistungen unter Beachtung der Grundsätze nach § 123 Absatz 2 festgelegt. Förderungen aus öffentlichen Mitteln sind anzurechnen. Die Leistungspauschalen sind nach Gruppen von Leistungsberechtigten mit vergleichbarem Bedarf oder Stundensätzen sowie für die gemeinsame Inanspruchnahme durch mehrere Leistungsberechtigte (§ 116 Absatz 2) zu kalkulieren. Abweichend von Satz 1 können andere geeignete Verfahren zur Vergütung und Abrechnung der Fachleistung unter Beteiligung der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen vereinbart werden.

(4) Die Vergütungsvereinbarungen mit Werkstätten für behinderte Menschen und anderen Leistungsanbietern berücksichtigen zusätzlich die mit der wirtschaftlichen Betätigung in Zusammenhang stehenden Kosten, soweit diese Kosten unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse beim Leistungserbringer und der dort beschäftigten Menschen mit Behinderungen nach Art und Umfang über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen. Können die Kosten im Einzelfall nicht ermittelt werden, kann hierfür eine Vergütungspauschale vereinbart werden. Das Arbeitsergebnis des Leistungserbringers darf nicht dazu verwendet werden, die Vergütung des Trägers der Eingliederungshilfe zu mindern.

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt eine finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Urlaub.

2

Der 1953 geborene Kläger stand zuletzt als Polizeihauptkommissar im Dienst des beklagten Landes. Er war ab Anfang Juli 2007 ununterbrochen erkrankt. Mit Wirkung vom 1. August 2008 hat ihn der Beklagte wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

3

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab, ihm eine Vergütung für insgesamt 62 Urlaubstage zu zahlen, die er in den Jahren 2007 und 2008 wegen seiner Erkrankung nicht hatte antreten können. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

4

In dem Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts heißt es: Der Kläger habe keinen Urlaubsabgeltungsanspruch nach Bundes- oder Landesrecht. Auch Unionsrecht begründe für Beamte in Deutschland einen solchen Anspruch nicht, denn Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sei bei der nach Art. 15 RL 2003/88/EG gebotenen Vergleichsbetrachtung des Unionsrechts und des Beamtenrechts unanwendbar: Beamte seien im Krankheitsfall erheblich besser abgesichert als andere Beschäftigte, weil sie die vollen Dienstbezüge zeitlich unbegrenzt erhielten und das Beamtenverhältnis nicht wegen Krankheit beendet werden könne.

5

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. März 2010 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Juli 2009 sowie den Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 13. Juni 2008 und dessen Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm für insgesamt 62 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage der Jahre 2007 und 2008 eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor seinem Eintritt in den Ruhestand zu gewähren.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Abweisung der Klage stellt sich aus anderen Gründen zum Teil als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8

1. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass dem Kläger aus nationalem Recht kein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht. Es gibt für Beamte keine normativen Regelungen, die einen solchen Anspruch begründen. Das gilt auch für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Zu Unrecht beruft sich der Kläger insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar angenommen, dass der Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ebenso wie der gesetzliche Mindesturlaub aus den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist, wenn der Zusatzurlaub nicht gewährt werden kann, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war (Urteil vom 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - BAGE 134, 1 ff.; vgl. auch Urteil vom 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - NZA 2012, 514 ff.). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Beamte übertragen werden. Das vom Bundesarbeitsgericht herangezogene Bundesurlaubsgesetz, das in § 7 Abs. 4 eine Urlaubsabgeltung vorsieht, ist auf Beamte nicht anwendbar; deren Ansprüche auf Urlaub und Besoldung richten sich nach den jeweiligen beamtenrechtlichen Gesetzen und Verordnungen, die bislang einen Urlaubsabgeltungsanspruch gerade nicht vorsehen.

9

2. Dem Kläger steht aber nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG) ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung seines unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs von vier Wochen Erholungsurlaub zu. Einen darüber hinausgehenden Anspruch aus Unionsrecht auf Abgeltung von sich aus nationalem Recht ergebenden weiteren Erholungsurlaubstagen, von sog. Arbeitszeitverkürzungstagen und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat er hingegen nicht.

10

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Abgeltung von bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub hergeleitet und auch Voraussetzungen, Umfang und Grenzen dieses Anspruchs bestimmt. Diese Auslegung des Unionsrechts ist für die nationalen Gerichte und damit auch für das Bundesverwaltungsgericht bindend (Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV).

11

a) Es ist in der Rechtsprechung des EuGH seit langem geklärt, dass auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der RL 2003/88/EG sind. Das gilt grundsätzlich auch für Polizisten, die insoweit mit Feuerwehrleuten vergleichbar sind, für die der EuGH mehrfach ausgesprochen hat, dass sie der Arbeitszeitrichtlinie unterfallen (EuGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - Rs. C-52/04 - Slg. 2005, I-7111 Rn. 57 ff.; Urteil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Neidel - ABl EU 2012, Nr. C 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688 Rn. 22). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (vgl. etwa Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 20 ff. ) und hat auch für Polizisten bereits darauf hingewiesen, dass Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG, auf den Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG zur Bestimmung ihres Anwendungsbereichs Bezug nimmt, nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist und nicht etwa Streitkräfte, Feuerwehr oder Polizei generell, sondern nur für bestimmte in diesen Sektoren wahrgenommene besondere Aufgaben wie etwa bei Natur- oder Technologiekatastrophen und schweren Unglücksfällen von der Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie ausnimmt (Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 20).

12

b) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand (vgl. § 21 Nr. 4 Beamtenstatusgesetz, § 30 Nr. 4 BBG) eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG. Dem Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.) ist zu entnehmen, dass der EuGH der konkreten nationalstaatlichen Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses keine Bedeutung beimisst, sondern für allein maßgeblich hält, dass mit der krankheitsbedingten Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses keine Dienstleistungspflicht und deshalb auch keine Urlaubsmöglichkeit mehr besteht. Deshalb ist es unionsrechtlich ohne Bedeutung, dass sich nach deutschem Beamtenrecht an das (aktive) Beamtenverhältnis ein Ruhestandsbeamtenverhältnis anschließt.

13

c) Entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts hindert Art. 15 RL 2003/88/EG die Anwendung von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bei deutschen Beamten nicht.

14

Nach Art. 15 RL 2003/88/EG bleibt u.a. das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Der EuGH hat bereits zu der insoweit wortgleichen Vorgängerrichtlinie RL 93/104/EG entschieden, dass unabhängig von günstigeren nationalstaatlichen Regelungen die praktische Wirksamkeit der durch die Arbeitszeitrichtlinie verliehenen Rechte in vollem Umfang gewährleistet werden müsse, was notwendig die Verpflichtung impliziere, die Einhaltung jeder der in dieser Richtlinie aufgestellten Mindestvorschriften zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 - Rs. C-14/04, Dellas - Slg. 2005, I-10253 Rn. 53).

15

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 15 RL 2003/88/EG somit eine Meistbegünstigungsklausel, die nur den Einzelvergleich, nicht aber die vom Berufungsgericht angestellte strukturelle Gesamtbetrachtung zulässt. Er schließt damit eine Anwendung des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG nur dann aus, wenn die mitgliedstaatlichen Regelungen über die Abgeltung krankheitsbedingt nicht genommenen Erholungsurlaubs bei Beendigung der Berufstätigkeit über den von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gewährleisteten Mindeststandard hinausgehen. Das ist aber bei deutschen Beamten nicht der Fall, weil sie gerade - wovon auch das Oberverwaltungsgericht ausgeht - nach nationalem Recht mangels entsprechender gesetzlicher Regelung keinen Urlaubsabgeltungsanspruch haben, also auch dann nicht, wenn sie Erholungsurlaub krankheitsbedingt nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand nehmen können. Auf die vom Berufungsgericht herangezogenen, für die Beamten günstigeren Regelungen im Falle der zur dauernden Dienstunfähigkeit führenden Krankheit im Vergleich zu den Regelungen für andere Beschäftigte in Deutschland kommt es deshalb nicht an.

16

Bestätigt wird dies durch das Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.). Der EuGH hat den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ausdrücklich auf Beamte erstreckt, obwohl das Vorlagegericht die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts ausführlich dargestellt hatte.

17

d) Der Urlaubsabgeltungsanspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Beschäftigte im Urlaubsjahr teilweise arbeits- bzw. dienstfähig war, in dieser Zeit den Urlaub aber nicht oder nicht vollständig genommen hat. Das gilt sowohl für das Jahr, in dem die längerfristige Dienstunfähigkeit beginnt, als auch für das Jahr oder für die Jahre, in dem oder in denen der Betreffende vorübergehend wieder dienstfähig war. In beiden Fällen kann der Beschäftigte krankheitsbedingt und damit unabhängig von seinem Willensentschluss den ihm zustehenden (Mindest)Urlaub nach Eintritt in den Ruhestand nicht mehr nehmen. Aus der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88 EG gibt es keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung dieser Bestimmung.

18

e) Der Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ist allerdings auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr beschränkt. Der EuGH hat im Urteil vom 3. Mai 2012 (a.a.O. Rn. 35 ff.) hervorgehoben, dass die Arbeitszeitrichtlinie sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt; es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den Beamten weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren sowie ob und unter welchen Voraussetzungen sie eine finanzielle Vergütung für den Fall vorsehen, dass einem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche krankheitsbedingt nicht haben zugute kommen können. Deshalb sind Urlaubstage, die über den nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisten Mindesturlaub hinausgehen, nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erfasst.

19

Das gilt auch für sog. Arbeitszeitverkürzungstage, die der Sache nach zusätzliche Erholungsurlaubstage sind, und für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Auch eine Privilegierung für Urlaub nach nationalem Recht, wonach einem Beschäftigten bei einem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst etwa im Laufe der zweiten Jahreshälfte der Jahresurlaub ungeschmälert zusteht, schlägt nicht auf die unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche nach Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG durch. Dies folgt aus dem Charakter dieser Ansprüche als Mindeststandard und findet außerdem einen normativen Anhaltspunkt in Art. 4 Abs. 1 und Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub. Danach ist der Urlaubsanspruch "im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit während dieses Jahres" gegeben; nach dem sechsten Erwägungsgrund der RL 2003/88/EG hat diese Richtlinie den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeit Rechnung getragen.

20

f) Der Urlaubsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG verfällt, wenn er über einen zu langen Zeitraum nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres nicht genommen wird. Wenn der Übertragungszeitraum eine gewisse zeitliche Grenze überschreitet, kann der Urlaub seinen Zweck als Erholungszeit typischerweise nicht mehr erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - Rs. C-214/10, KHS - NJW 2012, 290 Rn. 33). Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs ist die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs ausgeschlossen.

21

Ein Verfall des Urlaubsanspruchs mit Auswirkungen auf den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch tritt zum einen dann ein, wenn nationalstaatlich ein hinreichend langer Übertragungszeitraum geregelt ist und dieser abgelaufen ist. Hinreichend lang ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein Übertragungszeitraum, wenn er deutlich länger als das Urlaubsjahr, also deutlich länger als ein Jahr ist; ein Übertragungszeitraum muss den Beschäftigten, die während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeits- bzw. dienstunfähig sind, ermöglichen, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant sowie verfügbar sein können, und er muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten (EuGH, Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41). Einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten hat der EuGH gebilligt (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 40 ff.).

22

Gibt es keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelungen, dann tritt auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ein Verfall des Urlaubsanspruches 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein. Der EuGH leitet aus dem Umstand, dass die RL 2003/88/EG nach ihrem sechsten Erwägungsgrund den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat, her, dass bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub ergibt, berücksichtigt werden muss. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Diese Vorschrift beruht nach der Rechtsprechung des EuGH auf der Erwägung, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41 f.). Das rechtfertigt die Annahme, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt.

23

g) Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat.

24

h) Bei der Berechnung des Betrags, der dem Beamten für jeden nicht genommenen Urlaubstag als Urlaubsabgeltung zusteht, ist auf die Besoldung abzustellen, die der Beamte in den letzten drei Monaten vor Eintritt in den Ruhestand erhalten hat.

25

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Anknüpfungspunkt für die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG das gewöhnliche Arbeitsentgelt. Dies ist bei Beamten die Besoldung (vgl. § 1 Abs. 2 BBesG; EuGH, Urteil vom 20. Januar 2009 - Rs. C-350/06 und 520/06, Schultz-Hoff - Slg. 2009, I-179 Rn. 61). Der Beschäftigte soll also dasjenige bekommen, was er bekommen hätte, wenn er den Urlaub während seiner aktiven Dienstzeit genommen hätte. Das ist im Falle eines Beamten die Besoldung, die während des Urlaubs weitergezahlt worden wäre. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 RL 2003/88/EG ist angesichts der Rechtsprechung des EuGH unerheblich, dass die Besoldung Alimentationscharakter hat und daher während der Krankheit zeitlich unbegrenzt weitergezahlt wird.

26

Im Hinblick darauf, dass die finanzielle Abgeltung nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erst nach der "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" gezahlt werden darf und der während der Krankheit aufgelaufene, nicht verjährte Mindestjahresurlaub im Fall der Gesundung noch hätte genommen werden dürfen, die finanzielle Abgeltung des Urlaubs mithin erst am Ende der aktiven Dienstzeit eintritt, ist auf die Besoldung vor dem Eintritt in den Ruhestand abzustellen. Dabei erscheint es sachgerecht, auf die letzten drei Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand als hinreichend langen Referenzzeitraum (vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - Rs. C-155/10, Williams - ABl EU 2011 Nr. C 319, 7 Rn. 21 ff.), abzustellen, um die Auswirkungen zufälliger Schwankungen der Besoldung zu verringern.

27

i) Ein Antragserfordernis für den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG besteht nicht. Ein Antragserfordernis wäre mit dem Effektivitätsgrundsatz des Unionsrechts nicht vereinbar. Das hat der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167) für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit entschieden (Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 25 ). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

28

j) Der unionsrechtliche Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren, § 195 BGB, die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 Abs. 1 BGB.

29

Der EuGH hat mehrfach ausgesprochen, dass die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht vorhanden sind. Allerdings dürfen die Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei nur innerstaatliches Recht betreffenden Verfahren (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Zum Effektivitätsgrundsatz hat der EuGH entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. EuGH, Urteile vom 17. November 1998 - Rs. C-228/96, Aprile - Slg. 1998, I-7164 Rn. 19 und vom 11. Juli 2002 - Rs. C-62/00, Marks & Spencer - Slg. 2002, I-6348 Rn. 35, jeweils m.w.N.). Auch der Senat bejaht die Möglichkeit der Verjährung bei sich aus Unionsrecht ergebenden Ansprüchen und hat beispielsweise für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren angenommen (Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 41 f.). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

30

k) Nach der Rechtsprechung des EuGH kann der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmten Maßgaben unmittelbar aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend machen.

31

Richtlinien bedürfen zwar grundsätzlich der Umsetzung durch den dafür zuständigen nationalen Gesetzgeber, um innerstaatliche Verbindlichkeit für den Bürger zu erlangen. Für den Fall der nicht fristgerechten oder unvollständigen Umsetzung einer Richtlinie durch den Mitgliedstaat hat nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH der Einzelne das Recht, sich vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat trotz entgegenstehendem nationalen Recht auf durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtungen zu berufen, wenn diese klar und unbedingt sind und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsakts mehr bedürfen (stRspr; EuGH, Urteile vom 5. Oktober 2004 - Rs. C-397/01, Pfeiffer - Slg. 2004, I-08835 Rn. 103 m.w.N. und vom 24. Januar 2012 - Rs. C-282/10, Dominguez - ABl EU 2012, Nr. C 73, 2 Rn. 33; BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 687/85 - BVerfGE 75, 223 <239 ff.>). Bei einer nicht fristgerechten Umsetzung einer Richtlinie sind Behörden und Gerichte aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu lassen (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 19).

32

Diese Voraussetzungen hat der EuGH für Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bejaht. Nach der bindenden Rechtsprechung des EuGH räumt diese Norm allen Beschäftigten, d.h. auch Beamten unter den dargelegten Voraussetzungen Urlaubsabgeltungsansprüche ein, die die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht verankern müssen. Solange sie diese Umsetzungspflicht nicht erfüllen, stellt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG die unmittelbare Anspruchsgrundlage dar.

33

3. In Anwendung dieser Grundsätze gilt für den Kläger Folgendes:

34

Für das Jahr 2007 standen dem Kläger bei einem Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und einer 5-Tage-Woche 20 Urlaubstage zu. In diesem Jahr hat der Kläger sieben Urlaubstage und den sog. Arbeitszeitverkürzungstag nach der Arbeitszeitverordnung RP genommen. Eine Freistellung nach der Arbeitszeitverordnung steht funktional einem Urlaubstag nach der Urlaubsverordnung (UrlVO RP) gleich. Deshalb ist sie im Rahmen des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG wie ein Urlaubstag zu behandeln. Damit hat der Kläger acht Urlaubstage genommen und standen ihm für 2007 noch 12 Tage Mindesturlaub zu.

35

Für das Jahr 2008 standen dem Kläger 20 Mindesturlaubstage zu. In diesem Jahr ist er aber zum Ende des Monats Juli in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Deshalb stand ihm der unionsrechtliche Mindesturlaub nur anteilig, d.h. für 11 2/3 Urlaubstage zu; die Privilegierung des § 9 Satz 3 UrlVO RP, wonach der Jahresurlaub voll gewährt wird, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in der zweiten Jahreshälfte in den Ruhestand versetzt wird, erstreckt sich nicht auf den unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 RL 2003/88/EG. Der Bruchteil eines Urlaubstages ist in die Urlaubsentgeltberechnung einzubeziehen. Die Heranziehung einer nationalstaatlichen Regelung, wonach ein bei der Urlaubsberechnung verbleibender Teil eines Tages als Guthaben auf die Arbeitszeit angerechnet wird (vgl. § 8 Abs. 6 UrlVO RP), kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil Urlaubsabgeltung voraussetzt, dass der Beamte nicht mehr im Dienst ist, so dass mangels Arbeitspflicht auch eine Anrechnung auf ein Arbeitszeitguthaben nicht möglich ist.

36

Insgesamt steht dem Kläger deshalb ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 23 2/3 Tage zu, der auf der Basis der Besoldung der letzten drei Monate vor Eintritt in den Ruhestand zu berechnen ist.

37

Im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Anrechnung der Urlaubsabgeltung bei den Versorgungsbezügen nach den Regelungen des Vorteilsausgleichs, § 53 BeamtVG, nicht in Betracht kommt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. April 2010 - 16 Sa 1502/09 - aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 16. Oktober 2009 - 2 Ca 1497/09 - wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin und ihr Sohn sind gemeinschaftliche Erben des am 16. April 2009 verstorbenen Ehemanns der Klägerin (Erblasser).

2

Der Erblasser war seit dem 23. April 2001 bis zu seinem Tod als Kraftfahrer bei der Beklagten mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst iHv. 2.000,00 Euro in einer Fünf-Tage-Woche beschäftigt. Der jährliche Urlaubsanspruch des Erblassers betrug 28 Arbeitstage. Seit dem 14. April 2008 war er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. In den Jahren 2008 und 2009 war ihm kein Urlaub gewährt worden.

3

Nachdem die Klägerin - unter Fristsetzung bis zum 5. Juni 2009 - von der Beklagten erfolglos die Abgeltung des Urlaubs des Erblassers verlangte, hat sie schließlich Mitte 2009 Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben.

4

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe den Urlaub aus den Jahren 2008 und 2009, den sie dem Erblasser nicht gewährt habe, abzugelten. Die bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses andauernde Erkrankung des Erblassers stehe dem erhobenen Urlaubsabgeltungsanspruch nicht entgegen. Die anderslautende bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei aufgrund der Vorgaben des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG insoweit abzuändern. Denn Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG eröffne die finanzielle Vergütung von Mindesturlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die einen nach § 1922 BGB übertragbaren Vermögensanspruch darstelle.

5

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.692,31 Euro brutto Urlaubsabgeltung zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Juni 2009 zu zahlen;

        

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft nach Herrn H 3.692,31 Euro brutto Urlaubsabgeltung zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Juni 2009 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Urlaubsanspruch sei mit dem Tod des Erblassers erloschen. Ein Abgeltungsanspruch habe deshalb nicht entstehen können.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht dem Hilfsantrag teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, insgesamt 35 Urlaubstage aus den Jahren 2008 und 2009 mit einem Gesamtbetrag iHv. 3.230,50 Euro brutto nebst anteiliger Zinsen abzugelten. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte begehrt mit der Revision die Abweisung der Klage, soweit das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben hat.

Entscheidungsgründe

8

A. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, die Beklagte sei verpflichtet, an die Erbengemeinschaft Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.230,50 Euro brutto nach § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1, §§ 2032, 2039 BGB zu zahlen.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, die Klage sei zulässig.

10

Die Klägerin ist prozessführungsbefugt, obwohl sie nur Miterbin neben ihrem Sohn ist. § 2039 Satz 1 BGB verleiht dem einzelnen Miterben die Prozessführungsbefugnis zur Durchsetzung von Ansprüchen, die der Erbengemeinschaft gegen Dritte zustehen(vgl. Palandt/Weidlich BGB 70. Aufl. § 2039 Rn. 6 ff.). Deshalb kann die Klägerin als Miterbin gemäß § 1922 Abs. 1, § 2032 Abs. 1, § 2039 Satz 1 BGB etwaige zum Nachlass gehörende Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis - wie den behaupteten Urlaubsabgeltungsanspruch - für die Erbengemeinschaft gerichtlich geltend machen. Ob das behauptete Recht tatsächlich besteht, ist eine Frage der Begründetheit der Klage.

11

II. Die Klage ist unbegründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts erwarb die Erbengemeinschaft gegen die Beklagte als ehemalige Arbeitgeberin des Erblassers keinen Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.230,50 Euro brutto nach § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1 BGB.

12

1. Dabei kann dahinstehen, ob die Annahme des Landesarbeitsgerichts zutrifft, dass ein entstandener Urlaubsabgeltungsanspruch im Hinblick auf die neuere Senatsrechtsprechung zur Urlaubsabgeltung bei dauernder Arbeitsunfähigkeit (vgl. grundlegend BAG 24. März 2009 9 AZR 983/07 - Rn. 47 ff., BAGE 130, 119; fortgeführt von BAG 23. März 2010 9 AZR 128/09 - Rn. 70, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 16; 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 18, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17)als reine Geldforderung nunmehr vererbbar ist und nach § 1922 Abs. 1 BGB in den Nachlass fällt(vgl. hierzu näher AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 141). Denn vorliegend ist bereits kein Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG entstanden, der nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben hätte übergehen können.

13

2. Zwar traten die Klägerin und ihr Sohn als Erben mit dem Erbfall im Wege der Universalsukzession (§ 1922 Abs. 1 BGB) in sämtliche Rechtsverhältnisse des Erblassers mit der Folge ein, dass sie aus diesen Rechtsverhältnissen des Erblassers berechtigt und verpflichtet wurden. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch des Erblassers, der Teil der Erbmasse hätte sein können, bestand jedoch nicht. Der Urlaubsanspruch des Erblassers ging mit dessen Tod unter und konnte sich nicht in einen Abgeltungsanspruch iSv. § 7 Abs. 4 BUrlG umwandeln.

14

a) Es entspricht bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass kein Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG entsteht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers beendet wird(vgl. zuletzt BAG 20. Januar 1998 - 9 AZR 601/96 - zu I 2 b der Gründe; 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 2 der Gründe, BAGE 70, 348; 26. April 1990 - 8 AZR 517/89 - zu I 1 b der Gründe, BAGE 65, 122).

15

aa) Im Streitfall endete das Arbeitsverhältnis zwischen dem Erblasser und der Beklagten aufgrund des Todes des Erblassers. Wenn die Pflicht zur Arbeitsleistung - wie hier - nicht übertragbar ist, endet das Arbeitsverhältnis mit dem Tod des Arbeitnehmers (vgl. BAG 16. Mai 2000 9 AZR 277/99 - zu I 2 d der Gründe, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 20 = EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 36). Dies folgt mittelbar aus § 613 Satz 2 BGB. Der Arbeitnehmer hat die von ihm geschuldete Arbeitsleistung im Regelfall in Person zu erbringen. Mangels Übertragbarkeit der Arbeitspflicht geht sie nicht gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben über. Der Ausnahmefall einer übertragbaren Arbeitspflicht lag hier nicht vor.

16

bb) Gleiches gilt nach bisheriger Rechtsprechung für den Urlaubsanspruch. Danach setzt der Anspruch auf Abgeltung von Urlaub nach § 7 Abs. 4 BUrlG voraus, dass der Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses lebt(BAG 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 1 und 2 der Gründe, BAGE 70, 348 ). Endet das Arbeitsverhältnis hingegen mit dem Tod des Arbeitnehmers, so erlischt mit der Beendigung zugleich der Urlaubsanspruch. Es kann deshalb kein Urlaubsabgeltungsanspruch mehr entstehen (vgl. BAG 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 3 der Gründe, aaO; 26. April 1990 - 8 AZR 517/89 - zu I 1 b der Gründe, BAGE 65, 122; so auch weiterhin das überwiegende Schrifttum: ErfK/Dörner/Gallner 11. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 51; ErfK/Preis § 613 BGB Rn. 6; HWK/Schinz 4. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 118; Arnold/Tillmanns/Zimmermann BUrlG 2. Aufl. § 1 Rn. 66; Staudinger/Richardi/Fischinger (2011) § 613 BGB Rn. 15; aA Schipper/Polzer NZA 2011, 80; ArbG Potsdam 15. Februar 2011 - 3 Ca 1512/10 -).

17

Der Urlaubsabgeltungsanspruch wurde lange Zeit ebenso wie die Arbeitspflicht als höchstpersönlich und nicht übertragbar angesehen. Das mit der Surrogation begründete Merkmal der Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs im fiktiv fortbestehenden Arbeitsverhältnis (Kern der sog. Surrogatstheorie; vgl. BAG 5. Dezember 1995 - 9 AZR 871/94 - BAGE 81, 339) hat der Senat jedoch in seiner reformierten Rechtsprechung zur Umsetzung der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Schultz-Hoff aufgegeben (vgl. grundlegend BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 44 ff., BAGE 130, 119; fortgeführt von BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 70, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 16; 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 17, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17). Danach ist der Urlaubsabgeltungsanspruch nur noch ein reiner Geldanspruch. Davon bleibt die Rechtsnatur des Urlaubsanspruchs unberührt; denn Urlaub kann nur dem Arbeitnehmer durch Freistellung von dessen (höchstpersönlicher) Arbeitspflicht gewährt werden (vgl. BAG 28. August 2001 - 9 AZR 611/99 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 99, 5). Inhalt des Urlaubsanspruchs ist deshalb nach §§ 1, 3 BUrlG die Beseitigung der Arbeitspflicht für die Dauer der Urlaubszeit. Da die Arbeitspflicht nach § 613 BGB regelmäßig an die Person des Arbeitnehmers gebunden ist, können solche Pflichten, auf die der Urlaubsanspruch bezogen ist, nach dem Tode des Arbeitnehmers - als dem zur Arbeit Verpflichteten - nicht mehr entstehen. Ein Urlaubsanspruch entfällt daher schon deshalb, weil ein Arbeitgeber ihn nicht erfüllen könnte. Zudem endet das Arbeitsverhältnis zugleich mit dem Tod des Arbeitnehmers (arg. § 613 BGB ), sodass ein Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz nicht in Betracht kommt. Aus diesem Grunde scheidet ebenso das Entstehen eines Urlaubsabgeltungsanspruchs iSv. § 7 Abs. 4 BUrlG aus Anlass dieser Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus, weil der Arbeitnehmer als möglicher Anspruchsinhaber eines Abgeltungsanspruchs, der nur in seiner Person entstehen könnte, nicht mehr lebt(vgl. BAG 26. April 1990 - 8 AZR 517/89 - zu I 1 b der Gründe, BAGE 65, 122; fortgeführt von BAG 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 2 der Gründe, BAGE 70, 348). Entsteht aber kein Abgeltungsanspruch in der Person des Arbeitnehmers, kann er auch nicht in den Nachlass fallen. Hieran hält der Senat im Ergebnis fest.

18

b) Nach Aufgabe des Merkmals der Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs (grundlegend BAG 24. März 2009 -  9 AZR 983/07  - Rn. 44 ff., BAGE 130, 119; fortgeführt von BAG 23. März 2010 -  9 AZR 128/09  - Rn. 70, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 16) kann das Entstehen eines Abgeltungsanspruchs nach § 7 Abs. 4 BUrlG aus folgenden Gründen nicht mehr verneint werden: Der Arbeitnehmer hätte bei(fiktivem) Fortbestand des Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitsunfähigkeit nicht freigestellt werden können und deshalb müsse der Abgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs ebenso wie der Urlaubsanspruch untergehen (vgl. BAG 20. Januar 2008 - 9 AZR 601/96 - zu I 2 b der Gründe; so auch noch Leinemann/Linck Urlaubsrecht 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 218). Nunmehr gilt Folgendes:

19

aa) Der für die Gesetzesauslegung maßgebliche Wortlaut des § 7 Abs. 4 BUrlG bestimmt, dass der Urlaub abzugelten ist, soweit er „wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden“ kann. Den Grund für das Entstehen des Abgeltungsanspruchs stellt demnach die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar. Der zu diesem Zeitpunkt noch bestehende Urlaubsanspruch wird nach § 7 Abs. 4 BUrlG mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Abgeltungsanspruch ersetzt. Maßgeblicher Zeitpunkt für dessen Entstehen ist damit das Ende des Arbeitsverhältnisses.

20

(1) Der Abgeltungsanspruch entsteht folglich nicht bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem feststeht, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Termin enden wird und eine Urlaubsnahme nicht möglich ist (so aber Compensis DB 1992, 888, 892). Vielmehr entsteht dieser nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 7 Abs. 4 BUrlG erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

21

(2) Zudem folgt bereits aus der Formulierung des § 7 Abs. 4 BUrlG selbst, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein noch offener Urlaubsanspruch bestehen muss, der sodann wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann und deshalb kraft Gesetzes abzugelten ist. So heißt es ausdrücklich in § 7 Abs. 4 BUrlG: „Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses … nicht mehr gewährt werden...“ Ein Urlaubsabgeltungsanspruch kann danach nur dann entstehen, wenn der Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch einen Urlaubsanspruch hatte (vgl. auch ErfK/Dörner/Gallner § 7 BUrlG Rn. 51).

22

bb) Mit dem Tod des Arbeitnehmers erlischt dessen regelmäßig höchstpersönliche Leistungspflicht im Sinne des § 613 Satz 1 BGB. Hieraus folgt zugleich, dass auch alle Ansprüche auf Befreiung von dieser Arbeitspflicht untergehen (vgl. ErfK/Preis § 613 BUrlG Rn. 5). Verstirbt ein Arbeitnehmer, so erlischt bereits deshalb zugleich auch sein auf Befreiung von der Arbeitspflicht gerichteter Urlaubsanspruch. Der Urlaubsabgeltungsanspruch kann damit nicht vor dem Tod des Arbeitnehmers, der erst zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, entstanden sein. § 7 Abs. 4 BUrlG statuiert insoweit mittelbar ein Abgeltungsverbot im bestehenden Arbeitsverhältnis. Im Gesetzesentwurf der SPD-Fraktion zum BUrlG vom 23. Januar 1962 war dies noch klarer formuliert. Nach dessen § 6 Abs. 3 sollte eine Abgeltung des Urlaubs nur statthaft sein, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr als Freizeit gewährt werden kann(BT-Drucks. IV/142, abgedr. in RdA 1962, 142). Nur für den Fall, dass der Arbeitnehmer infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Urlaub ganz oder teilweise nicht mehr erhalten kann, sollte die Abgeltung erlaubt sein. Die Regelung soll eine Ausnahme vom finanziellen Abgeltungsverbot allein für den Fall der Beendigung zulassen, um den Arbeitnehmer vor völligem Anspruchsverlust wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu schützen (vgl. auch HK-ArbR/Holthaus 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 99). Dabei kann dahinstehen, ob sich der Urlaubsanspruch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses oder erst danach in einen Abgeltungsanspruch umwandelt. Der mit dem Tod des Arbeitnehmers untergehende Urlaubsanspruch kann sich jedenfalls nicht zeitgleich in einen Abgeltungsanspruch umwandeln. Anspruchsuntergang und gleichzeitige Umwandlung des Anspruchs schließen sich aus.

23

cc) Schließlich spricht der systematische Kontext des § 7 Abs. 4 BUrlG dafür, dass der Tod als Auslöser für einen Abgeltungsanspruch nach dieser Norm ausscheidet. Denn § 7 Abs. 4 BUrlG stellt einen besonders geregelten Fall des Leistungsstörungsrechts dar, der die allgemeinen Regelungen des § 275 ff. BGB, die ansonsten bei Unmöglichkeit von Leistungen gelten, verdrängt (vgl. hierzu auch HWK/Schinz § 7 BUrlG Rn. 111). Die Erfüllung des eigentlichen Urlaubsanspruchs durch Freistellung ist wegen der Beendigung nicht mehr möglich. An dessen Stelle tritt sodann (als Ersatzanspruch) der Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Stirbt der Arbeitnehmer, ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ursächlich für die Unmöglichkeit, den Urlaubsanspruch zu erfüllen (so auch HK-ArbR/Holthaus § 7 BUrlG Rn. 102; Friese Urlaubsrecht Rn. 458, 463; aA Schipper/Polzer NZA 2011, 80, 81). Denn stirbt der Arbeitnehmer, so folgt daraus zugleich auch, dass auch der auf die Beseitigung der nach § 613 Satz 1 BGB regelmäßig höchstpersönlichen Arbeitspflicht gerichtete Urlaubsanspruch mit dem Tod untergeht. Dementsprechend führt gerade nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern vielmehr bereits der Tod des Arbeitnehmers zum Untergang des Urlaubsanspruchs.

24

dd) Dem steht nicht entgegen, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für das Entstehen des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach § 7 Abs. 4 BUrlG grundsätzlich nicht auf die Art der Beendigung ankommt(vgl. etwa BAG 18. Oktober 1990 - 8 AZR 490/89 - zu 3 b der Gründe, BAGE 66, 134). So ist die Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich unerheblich. Der Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht nicht nur bei Beendigung wegen Befristung, Kündigung oder Aufhebungsvertrag, sondern etwa auch bei Eintritt einer auflösenden Bedingung (vgl. zum Erreichen der Altersgrenze: BAG 21. April 1966 - 5 AZR 510/65 - AP BUrlG § 7 Nr. 3). Insbesondere ist es irrelevant, welche Arbeitsvertragspartei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst hat. Deshalb entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch auch, wenn der Arbeitnehmer die Beendigung verschuldet hat (vgl. BAG 18. Juni 1980 - 6 AZR 328/78 - zu 1 b der Gründe, AP BUrlG § 13 Unabdingbarkeit Nr. 6 = EzA BUrlG § 13 Nr. 14). Ebenso wenig kommt es darauf an, auf welchem rechtlichen Weg die Beendigung herbeigeführt wird.

25

Die einzige Ausnahme von diesem Grundsatz bildet nach der Rechtsprechung der Tod des Arbeitnehmers (vgl. BAG 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 2 der Gründe, BAGE 70, 348; 26. April 1990 - 8 AZR 517/89 - zu I 1 b der Gründe, BAGE 65, 122).

26

c) Diese Grundsätze stehen im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (sog. Arbeitszeitrichtlinie; ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9).

27

aa) Danach darf der jedem Arbeitnehmer nach Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie zustehende bezahlte Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Damit geht auch die Richtlinie grundsätzlich von einem Abgeltungsverbot im laufenden Arbeitsverhältnis aus (vgl. so bereits zur Vorgängerrichtlinie 93/104/EG in der Fassung der Richtlinie 2000/34 /EG: EuGH 6. April 2006 - C-124/05 - [Federatie Nederlandse Vakbeweging] Rn. 29 ff., Slg. 2006, I-3423). Wenn das Arbeitsverhältnis endet, ist es nicht mehr möglich, bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Deshalb sieht die Regelung des Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie für diesen Fall einen Anspruch vor, der den bezahlten Mindesturlaub durch eine finanzielle Vergütung ersetzt. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass dem Arbeitnehmer wegen der Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses jeder Genuss des bezahlten Jahresurlaubsanspruchs, selbst in finanzieller Form, verwehrt wird (vgl. EuGH 20. Januar 2009 -  C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 56, Slg. 2009, I-179).

28

bb) Aus diesen sowohl von § 7 Abs. 4 BUrlG als auch von Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie verfolgten Zwecken(Abgeltungsverbot des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis einerseits sowie Schutz des Arbeitnehmers vor völligem Anspruchsverlust bei Beendigung durch eine finanzielle Vergütung anderseits) folgt zugleich, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nur in der Person des ausgeschiedenen Arbeitnehmers entstehen kann. Denn sowohl die Normierung des Abgeltungsverbots im laufenden Arbeitsverhältnis als auch die Zuerkennung einer finanziellen Vergütung im Falle der Beendigung - anstelle des dem Arbeitnehmer sonst zustehenden Urlaubs - knüpfen an dessen Person an.

29

cc) Unerheblich ist im Streitfall der Umstand, dass der Erblasser bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt war.

30

Denn Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie steht lediglich einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegen, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte(vgl. EuGH 20. Januar 2009 -  C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 49, 52, Slg. 2009, I-179). Dies führt jedoch lediglich dazu, dass entsprechend der neueren Senatsrechtsprechung der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch bei andauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht mehr nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG befristet ist.

31

Hingegen beruht das Erlöschen des Urlaubsanspruchs bei Versterben des Arbeitnehmers nicht auf einer nationalen Befristungsregelung. Vielmehr führt der Tod des Arbeitnehmers zum Untergang des Urlaubsanspruchs.

32

Zudem handelt es sich bei dem Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union um einen besonders bedeutsamen Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft. Der Arbeitnehmer muss regelmäßig über eine tatsächliche Ruhezeit verfügen können, damit ein wirksamer Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit sichergestellt ist. Nur für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis beendet wird, lässt Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie zu, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub durch eine finanzielle Vergütung ersetzt wird. Mit dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wird das Ziel verfolgt, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen (vgl. EuGH 20. Januar 2009 -  C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 22 ff., Slg. 2009, I-179). Dies belegt, dass die Regelung des Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie ihrem Zweck nach dem Schutz des Arbeitnehmers dient. Dieser Zweck kann jedoch nur zu Lebzeiten des Arbeitnehmers erfüllt werden. Es wird an die Person des Arbeitnehmers angeknüpft. Deshalb steht ebenso wie Art. 7 Abs. 2 auch Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie einem Erlöschen des Urlaubsanspruchs bei Tod des Arbeitnehmers mit der Folge des Nichtentstehens eines Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht entgegen.

33

d) Dementsprechend scheidet auch eine erstmalige unmittelbare und originäre Anspruchsentstehung in der Person des Erben aus (vgl. hierzu auch Arnold/Tillmanns/Zimmermann § 1 Rn. 66; aA wohl Schipper/Polzer NZA 2011, 80, 81). Das gilt unabhängig davon, dass § 7 Abs. 4 BUrlG den Anspruchsinhaber nicht ausdrücklich benennt, zumal § 7 Abs. 4 BUrlG kein eigenes Forderungsrecht des Erben normiert, das durch den Tod des Arbeitnehmers ausgelöst wird, wie dies etwa § 844 ff. BGB bei unerlaubten Handlungen für Ersatzansprüche Dritter bei Tötung vorsehen. Selbst wenn man also mit dem Landesarbeitsgericht davon ausgeht, dass es sich beim Abgeltungsanspruch um eine Geldleistung ohne strikte Zweckbindung oder um eine Art finanzielle Abfindung (so AnwK-ArbR/Düwell § 7 BUrlG Rn. 141) handelt, ändert dies nichts daran, dass dieser zunächst eine Entstehung in der Person des Arbeitnehmers voraussetzt.

34

Ob der Urlaubsabgeltungsanspruch vererbbar ist, ist eine hiervon zu trennende Frage, die im Streitfall nicht entscheidungserheblich ist. Dies hat das Landesarbeitsgericht außer Acht gelassen.

35

3. Der Erblasser erwarb auch nicht noch zu Lebzeiten ein Anwartschaftsrecht auf Urlaubsabgeltung, das als vermögenswertes Recht nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben hätte, übergehen und dort zum Vollrecht erstarken können. Denn die Voraussetzungen für ein entsprechendes Anwartschaftsrecht sind nicht erfüllt.

36

a) Dies entspricht schon der bisherigen Senatsrechtsprechung. Danach besteht neben dem Urlaubsanspruch kein Anwartschaftsrecht auf Urlaubsabgeltung, das als vermögenswertes Recht nach § 1922 BGB auf die Erben übergehen und dort zum Vollrecht erstarken könnte. Dies hat der Senat allerdings damit begründet, dass der Abgeltungsanspruch unter den im Gesetz oder im Tarifvertrag genannten Voraussetzungen als Surrogat anstelle des untergehenden Urlaubsanspruchs und damit seinerseits als Vollrecht nur in der Person des Arbeitnehmers entstehe. Sterbe dieser, so entstehe der Anspruch nicht (vgl. BAG 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 3 der Gründe, BAGE 70, 348).

37

b) Diese Begründung lässt sich nicht mehr aufrechterhalten. Sie beruht noch auf der Surrogatstheorie. Der Senat hat infolge der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Schultz-Hoff die Surrogatstheorie, jedenfalls für den Fall der andauernden Arbeitsunfähigkeit, aufgegeben. Danach stellt der Urlaubsabgeltungsanspruch zumindest bei andauernder Arbeitsunfähigkeit eine auf finanzielle Vergütung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie gerichtete reine Geldforderung dar(vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 17 ff., EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17; 23. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 44 ff., BAGE 130, 119).

38

c) Ein Anwartschaftsrecht entsteht immer dann, wenn von einem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass von einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann (vgl. Palandt/Ellenberger Einf. v. § 158 BGB Rn. 9 mwN). Eine solche gesicherte Rechtsposition besteht hinsichtlich des Urlaubsabgeltungsanspruchs im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht. Denn während des laufenden Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer nur Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht. Dies folgt bereits aus dem sich aus § 7 Abs. 4 BUrlG ergebenden Abgeltungsverbot. Danach darf der Urlaub nur abgegolten werden, soweit er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann. Dieses Abgeltungsverbot steht der Annahme entgegen, ein Urlaubsabgeltungsanspruch entstehe im laufenden Arbeitsverhältnis. Im laufenden Arbeitsverhältnis ist der Urlaubsanspruch durch Freistellung des Arbeitnehmers zu erfüllen. Demgegenüber entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch erst unmittelbar mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses anstelle des noch bestehenden Urlaubsanspruchs in der Person des Arbeitnehmers. Es steht deshalb im laufenden Arbeitsverhältnis nicht fest, ob überhaupt ein Abgeltungsanspruch entstehen kann. Zunächst und vorrangig ist der Urlaub durch Freistellung zu gewähren.

39

d) Ein Anwartschaftsrecht könnte hier ohnehin nicht mit dem Tod des Arbeitnehmers zu einem Vollrecht auf Urlaubsabgeltung erstarken. Denn wie bereits unter A II 2 dargelegt, geht der Anspruch des Erblassers auf Urlaub stets mit dessen Tod unter und kann sich nicht in einen Abgeltungsanspruch umwandeln.

40

4. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts konnte ein Urlaubsabgeltungsanspruch auch nicht als werdendes Recht auf die Erben nach § 1922 Abs. 1 BGB übergehen.

41

a) Hierzu hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, der Umstand, dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt seines Todes einen Geldleistungsanspruch nicht besessen habe, stehe der Vererbbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht entgegen. Zwar entstehe dieser, da die Urlaubsabgeltung das Ende des Arbeitsverhältnisses voraussetze, erst mit dem Tod des Arbeitnehmers. Doch handele es sich insoweit um einen noch „nicht fertigen, im Werden begriffenen Anspruch“, dessen Vererbbarkeit bei nicht höchstpersönlichen Angelegenheiten grundsätzlich anerkannt sei.

42

b) Zutreffend ist insoweit allein, dass im Rahmen der Gesamtrechts-nachfolge nach § 1922 Abs. 1 BGB Erben grundsätzlich auch in werdende Rechte, sog. Rechtsverkehrslagen, eintreten (vgl. Palandt/Weidlich § 1922 Rn. 26; Staudinger/Marotzke (2008) § 1922 BGB Rn. 303 ff.; MünchKommBGB/Leipold 5. Aufl. § 1922 Rn. 41). Denn der Tod unterbricht die rechtlichen Beziehungen des Menschen in dem Zustand, in welchem sie sich gerade befinden. Deshalb können auf den Erben auch vorgefundene noch im Werden begriffene Rechte und Rechtsbeziehungen übergehen, zu deren vollständiger Entstehung es noch weiterer Ereignisse oder Willenserklärungen bedarf. In der Person des Erben kann sich die Entstehung eines Rechts in dieser Situation in derselben Weise vollenden, wie dies bei Fortleben des Erblassers möglich gewesen wäre (vgl. MünchKommBGB/Leipold aaO; Bamberger/Roth/Müller-Christmann BGB 2. Aufl. § 1922 Rn. 48).

43

c) Bei einem (unterstellten) Fortleben des Erblassers über den 16. April 2009 hinaus würde das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten unverändert fortbestehen. Für einen Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG wäre von vornherein überhaupt kein Raum. Vielmehr stände dem Erblasser der - wegen der seit 14. April 2008 andauernden Arbeitsunfähigkeit - nicht realisierbare gesetzliche Mindest- und vertragliche Mehrurlaub aus den Jahren 2008 und 2009 weiterhin zu. Der gesetzliche Mindesturlaub aus dem Jahr 2008 war wegen der andauernden Arbeitsunfähigkeit nach der maßgeblichen neueren Senatsrechtsprechung nicht nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG befristet(vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 18, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17). Entsprechendes gilt auch für den vertraglichen Mehrurlaub. Zwar können die Parteien des Einzelarbeitsvertrags Urlaubsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und von § 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Mindestjahresurlaubsanspruch von vier Wochen übersteigen, frei regeln, doch müssen für einen Regelungswillen der Arbeitsvertragsparteien, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen vertraglichen Ansprüchen unterscheidet, im Rahmen der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB deutliche Anhaltspunkte bestehen(vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 25, aaO; 24. März 2009 9 AZR 983/07  - Rn. 81 ff., BAGE 130, 119 ). Im Streitfall gibt es jedoch, wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, keine Anhaltspunkte, die auf eine Ausnahme von der Regel des „Gleichlaufs“ der Ansprüche hindeuten. Der Arbeitsvertrag, der den Erblasser und die Beklagte verband, enthält keine abweichende Regelung für den übergesetzlichen Mehrurlaub. Deshalb war auch dessen Abgeltung an die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 BUrlG gebunden und daher nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich.

44

Der Tod unterbricht im vorliegenden Fall gerade nicht die „Vollendung“ des Urlaubsabgeltungsanspruchs, da bei Fortleben des Ehemanns der Klägerin mangels Beendigung des Arbeitsverhältnisses schon kein Urlaubsabgeltungsanspruch entstanden wäre. Dies hat das Landesarbeitsgericht übersehen.

45

d) Darüber hinaus ist die finanzielle Abgeltung des nicht verfallenen gesetzlichen Mindesturlaubs im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich verboten. Es handelte sich unter Verstoß gegen § 1 iVm. § 13 Abs. 1 BUrlG letztlich um einen „Abkauf“ von Urlaub(vgl. HWK/Schinz § 7 BUrlG Rn. 98). Von einem Abgeltungsverbot im bestehenden Arbeitsverhältnis geht zudem auch Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie aus, wonach der bezahlte Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf. Deshalb steht Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie nationalen Rechtsvorschriften entgegen, die es während der Dauer des Arbeitsverhältnisses erlauben, dass die Tage eines Jahresurlaubs, die nicht in einem bestimmten Jahr genommen werden, durch eine finanzielle Vergütung in einem späteren Jahr ersetzt werden(vgl. so bereits zur Vorgängerrichtlinie 93/104/EG in der Fassung der Richtlinie 2000/34 /EG: EuGH 6. April 2006 - C-124/05 - [Federatie Nederlandse Vakbeweging] Rn. 29 ff., Slg. 2006, I-3423 ).

46

e) Überdies ist der Ausgangspunkt der Überlegungen des Landesarbeitsgerichts unzutreffend, dass der Urlaubsanspruch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers nicht erloschen sei und ein Urlaubsabgeltungsanspruch bestehe.

47

5. Die Klägerin beruft sich ohne Erfolg hilfsweise auf Schadensersatz.

48

Es bestand kein Anspruch des Erblassers gegenüber der Beklagten auf Schadensersatz, der nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben hätte übergehen können. Ein Schadensersatzanspruch nach § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 249 BGB kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber sich gegenüber dem Erblasser bereits zu dessen Lebzeiten in Verzug mit der Leistung befand. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Beklagte konnte bis zum Tod des Erblassers mit der Urlaubsgewährung schon deshalb nicht in Verzug geraten, da dessen Urlaubsanspruch aufgrund der andauernden Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllbar war. Erst recht war die Beklagte nicht mit der Urlaubsabgeltung in Verzug, da dem Erblasser ein solcher Anspruch mangels Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu Lebzeiten nicht zustand.

49

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Düwell    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Ropertz    

        

    Faltyn    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011 - 6 Sa 21/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerinnen haben die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin zu 1. und die Klägerin zu 2. (Klägerinnen) begehren von der Beklagten, Urlaub aus den Jahren 2006 bis 2009 abzugelten.

2

Die Klägerinnen sind Erbinnen ihrer am 20. Januar 2010 verstorbenen Mutter (Erblasserin). Die Beklagte beschäftigte diese seit dem 4. Oktober 2006 bis zu ihrem Tod als Promotionsmitarbeiterin. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vom 11. September 2006 hatte die seit dem 14. August 2008 als schwerbehindert anerkannte Erblasserin einen Anspruch auf jährlich 28 Werktage Urlaub. Vom 10. Februar 2007 bis zu ihrem Tod war sie durchgehend arbeitsunfähig krank.

3

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2009 erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2009. Die spätere Erblasserin erhob Kündigungsschutzklage und verlangte im Weiteren ohne Erfolg von der Beklagten, ihr für das Jahr 2006 einen Arbeitstag, für das Jahr 2007 28 Arbeitstage, für das Jahr 2008 33 Arbeitstage und für das Jahr 2009 35 Arbeitstage Urlaub zu gewähren. Hilfweise beantragte sie, den Urlaub abzugelten.

4

Mit rechtskräftigem Teilanerkenntnisurteil vom 2. Februar 2010 stellte das Arbeitsgericht fest, das Arbeitsverhältnis zwischen der Erblasserin und der Beklagten sei nicht durch die Kündigung vom 22. Oktober 2009 aufgelöst worden, sondern habe erst mit dem Tod der Erblasserin am 20. Januar 2010 sein Ende gefunden.

5

Die Klägerinnen haben die Rechtsauffassung vertreten, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung falle als bloße Geldforderung in den Nachlass der Erblasserin. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung offener Urlaubsansprüche sei seiner Natur nach eine Art finanzielle Abfindung für die Urlaubsansprüche, die der Arbeitgeber bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht erfüllt habe.

6

Die Klägerinnen haben zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2006 Urlaubsabgeltung über einen Urlaubstag iHv. 74,31 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2007 Urlaubsabgeltung iHv. 2.080,62 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2007 schwerbehindertenrechtliche Urlaubsabgeltung für fünf Tage iHv. 371,54 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2008 Urlaubsabgeltung iHv. 2.080,62 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

5.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2008 schwerbehindertenrechtliche Urlaubsabgeltung für fünf Tage iHv. 371,54 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

6.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2009 Urlaubsabgeltung iHv. 2.080,62 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und

        

7.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2009 schwerbehindertenrechtliche Urlaubsabgeltung für fünf Tage iHv. 371,54 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

7

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, etwaige Urlaubsansprüche der Erblasserin seien mit deren Tod untergegangen, sodass zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein Abgeltungsanspruch habe entstehen können.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre Zahlungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerinnen ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Soweit die Urlaubsansprüche der Erblasserin, deren Abgeltung die Klägerinnen verlangen, am 20. Januar 2010 nicht bereits verfallen waren, finden die Klageansprüche weder in § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1 BGB noch in den Vorschriften des Schadensersatzrechts eine Rechtfertigung.

10

I. Die von den Klägerinnen erhobenen Ansprüche folgen nicht aus § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1 BGB.

11

1. Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG hat der Arbeitgeber Urlaub abzugelten, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Vor ihrem Tod hatte die Erblasserin Anspruch auf 56 Werktage Urlaub und zehn Werktage Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen (Zusatzurlaub) aus den Jahren 2008 und 2009. Der Urlaubsanspruch aus den Jahren 2006 und 2007 verfiel 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG. Der Senat hat die unionsrechtskonforme Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG in seiner Entscheidung vom 7. August 2012 (- 9 AZR 353/10 - Rn. 23 ff.; siehe ferner BAG 18. September 2012 - 9 AZR 623/10 - Rn. 14) ausführlich begründet.

12

2. Die Klägerinnen traten mit dem Erbfall im Wege der Universalsukzession in sämtliche Rechtsverhältnisse der Erblasserin mit der Folge ein, dass sie aus den Rechtsverhältnissen der Erblasserin berechtigt und verpflichtet wurden. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch der Erblasserin, der Teil der Erbmasse hätte sein können, bestand indes nicht. Der Urlaubsanspruch der Erblasserin ging mit deren Tod unter und konnte sich nicht in einen Abgeltungsanspruch iSv. § 7 Abs. 4 BUrlG umwandeln. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 20. September 2011 (- 9 AZR 416/10 - Rn. 19 ff.) im Einzelnen ausgeführt, dass in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, der Urlaubsanspruch untergeht und deshalb die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ursächlich dafür ist, dass der Urlaubsanspruch nicht mehr erfüllt werden kann. Unerheblich ist dabei, ob der Erblasser bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krank war. Weder erwirbt der Erblasser zu Lebzeiten ein Anwartschaftsrecht auf Urlaubsabgeltung, das nach dem Erbfall zu einem Vollrecht erstarkt, noch besteht ein werdendes Recht, das als vermögenswertes Recht nach § 1922 Abs. 1 BGB auf seine Erben übergeht. Diese Grundsätze stehen im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9; im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie).

13

a) Diese Rechtsprechung hat im arbeitsrechtlichen Schrifttum weitgehend Zustimmung gefunden (vgl. Bauer ArbR 2011, 534; Biester GWR 2012, 137; Fischinger Anm. AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 92; Lipinski/Praß BB 2012, 1867, 1868). Soweit einzelne Stimmen kritisch anmerken, es sei kein Unterschied zwischen der Beendigung aufgrund des Todes des Arbeitnehmers und einer Beendigung aufgrund anderer Tatsachen auszumachen (Jesgarzewski BB 2012, 1347, 1349; ähnlich Bieder AuR 2012, 239, 240), gibt dies dem Senat keine Veranlassung, von seiner Rechtsprechung abzurücken. Die beiden Fallkonstellationen unterscheiden sich insofern, als bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung, Aufhebungsvertrag, Zeitablauf oder Eintritt einer auflösenden Bedingung anders als bei der Beendigung infolge des Todes des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen ist, dass der Zweck der Urlaubsabgeltung, die Verwendung des Abgeltungsbetrags zu Erholungszwecken, erreicht wird. Der EuGH geht davon aus, Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch seinen zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs (vgl. EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff ua.] Rn. 60, Slg. 2009, I-179). Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie stelle sicher, dass der Arbeitnehmer sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben erholen könne und zum anderen über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit verfüge(vgl. EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31). Diese Zwecke lassen sich in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, nicht mehr erreichen (so zu Recht Fischinger Anm. AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 92). Der Arbeitnehmer kann weder in den Genuss des Urlaubsanspruchs noch in den der Urlaubsabgeltung kommen.

14

b) Die vereinzelt erhobene Rüge, der Senat missachte den erbrechtlichen Schutz, den der Urlaubsabgeltungsanspruch genieße (Bieder AuR 2012, 239, 242), geht fehl. Erbrechtlich sind nur die Vermögenspositionen relevant, die im Zeitpunkt des Todes des Erblassers zu dessen Vermögen gehören. Eine solche Vermögensposition liegt nicht vor. Die verstorbene Arbeitnehmerin war niemals Inhaberin eines Anspruchs auf Urlaubsabgeltung.

15

c) Der Einwand der Klägerinnen, der Urlaubsanspruch der Erblasserin sei zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits rechtshängig gewesen, verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Ansprüche, die den Gegenstand eines Rechtsstreits bilden, sind nicht davor gefeit unterzugehen. So erlischt beispielsweise ein Anspruch gemäß § 362 Abs. 1 BGB, wenn der Schuldner im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens die geschuldete Leistung bewirkt(vgl. BAG 22. Januar 1975 - 4 AZR 10/74 -). Auch hindert die Rechtshängigkeit eines Anspruchs nicht, dass dieser infolge Zeitablaufs erlischt (vgl. BAG 14. November 1985 - 2 AZR 576/84 - zu II 2 a der Gründe). Ebenso verhält es sich mit Urlaubsansprüchen. Diese erlöschen trotz Rechtshängigkeit, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet.

16

d) Soweit die Revision darauf verweist, die Erblasserin habe nicht nur den Urlaubsanspruch, sondern auch den Urlaubsabgeltungsanspruch bereits im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens zumindest hilfsweise verfolgt, übersieht sie, dass dessen Rechtshängigkeit mit dem Erlass des Teilanerkenntnisurteils vom 2. Februar 2010 rückwirkend entfallen ist. Hilfsanträge stehen unter der innerprozessualen Bedingung, dass dem Hauptantrag nicht entsprochen wird. Die Rechtshängigkeit des Hilfsantrags endet deshalb ohne besonderen Ausspruch rückwirkend, wenn ein dem Hauptantrag entsprechendes rechtskräftiges Urteil ergeht (vgl. BAG 12. August 2008 - 9 AZR 620/07 - Rn. 15, BAGE 127, 214). Das Arbeitsgericht hat dem in der Hauptsache verfolgten Kündigungsschutzantrag mit Teilanerkenntnisurteil vom 2. Februar 2010 entsprochen. Damit entfiel die Rechtshängigkeit des hilfsweise verfolgten Urlaubsabgeltungsanspruchs rückwirkend mit der Folge, dass der Anspruch zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin als nicht rechtshängig anzusehen ist. Selbst wenn man zugunsten der Klägerinnen von der Rechtshängigkeit des Anspruchs ausginge, führte dies zu keinem anderen Ergebnis, weil die Erblasserin nie Inhaberin eines Abgeltungsanspruchs war, der auf die Klägerinnen hätte übergehen können.

17

e) Der Senat kann eine abschließende Sachentscheidung treffen. Es besteht keine Verpflichtung, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten (Art. 267 AEUV). Der Rechtsstreit betrifft einen rein innerstaatlichen Sachverhalt und ist unter Beachtung nationaler Regelungen zu entscheiden. Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie sichert den Urlaubsabgeltungsanspruch eines Arbeitnehmers, der aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Endet das Arbeitsverhältnis infolge des Todes des Arbeitnehmers, kann nicht der Arbeitnehmer selbst, sondern können allenfalls seine Erben in den Genuss der Abgeltung gelangen. Die Erben stehen jedoch als solche außerhalb des Anwendungsbereichs der Arbeitszeitrichtlinie (vgl. zum Arbeitnehmerbegriff: EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 23).

18

II. Entgegen der Ansicht der Klägerinnen stand der Erblasserin gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz zu, der nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Klägerinnen hätte übergehen können. Ein Schadensersatzanspruch nach § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 BGB käme nur in Betracht, wenn die Beklagte sich gegenüber der Erblasserin bereits zu deren Lebzeiten mit der Urlaubsgewährung in Verzug befunden hätte. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Beklagte konnte bis zum Tod der Erblasserin mit der Urlaubsgewährung nicht in Verzug geraten, da sie den Urlaubsanspruch infolge der andauernden Arbeitsunfähigkeit der Erblasserin nicht erfüllen konnte. Erst recht war die Beklagte nicht mit der Urlaubsabgeltung in Verzug. Der Erblasserin stand ein solcher Anspruch zu Lebzeiten nicht zu, da das Arbeitsverhältnis bis zu ihrem Tod fortbestand.

19

III. Die Klägerinnen haben die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Brühler    

        

    Klose    

        

    Suckow    

        

        

        

    Leitner    

        

    Neumann    

                 

(1) In der schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Leistungserbringer sind zu regeln:

1.
Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen der Eingliederungshilfe (Leistungsvereinbarung) und
2.
die Vergütung der Leistungen der Eingliederungshilfe (Vergütungsvereinbarung).

(2) In die Leistungsvereinbarung sind als wesentliche Leistungsmerkmale mindestens aufzunehmen:

1.
der zu betreuende Personenkreis,
2.
die erforderliche sächliche Ausstattung,
3.
Art, Umfang, Ziel und Qualität der Leistungen der Eingliederungshilfe,
4.
die Festlegung der personellen Ausstattung,
5.
die Qualifikation des Personals sowie
6.
soweit erforderlich, die betriebsnotwendigen Anlagen des Leistungserbringers.
Soweit die Erbringung von Leistungen nach § 116 Absatz 2 zu vereinbaren ist, sind darüber hinaus die für die Leistungserbringung erforderlichen Strukturen zu berücksichtigen.

(3) Mit der Vergütungsvereinbarung werden unter Berücksichtigung der Leistungsmerkmale nach Absatz 2 Leistungspauschalen für die zu erbringenden Leistungen unter Beachtung der Grundsätze nach § 123 Absatz 2 festgelegt. Förderungen aus öffentlichen Mitteln sind anzurechnen. Die Leistungspauschalen sind nach Gruppen von Leistungsberechtigten mit vergleichbarem Bedarf oder Stundensätzen sowie für die gemeinsame Inanspruchnahme durch mehrere Leistungsberechtigte (§ 116 Absatz 2) zu kalkulieren. Abweichend von Satz 1 können andere geeignete Verfahren zur Vergütung und Abrechnung der Fachleistung unter Beteiligung der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen vereinbart werden.

(4) Die Vergütungsvereinbarungen mit Werkstätten für behinderte Menschen und anderen Leistungsanbietern berücksichtigen zusätzlich die mit der wirtschaftlichen Betätigung in Zusammenhang stehenden Kosten, soweit diese Kosten unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse beim Leistungserbringer und der dort beschäftigten Menschen mit Behinderungen nach Art und Umfang über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen. Können die Kosten im Einzelfall nicht ermittelt werden, kann hierfür eine Vergütungspauschale vereinbart werden. Das Arbeitsergebnis des Leistungserbringers darf nicht dazu verwendet werden, die Vergütung des Trägers der Eingliederungshilfe zu mindern.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Februar 2009 - 12 Sa 486/06 - teilweise aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. März 2006 - 3 Ca 7906/05 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und im Hauptausspruch zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsabgeltung von 8.054,00 Euro brutto nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Oktober 2005 und Zusatzurlaubsabgeltung von 2.013,54 Euro brutto nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4. Oktober 2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers werden zurückgewiesen.

Der Kläger hat 29,49 % der Kosten erster Instanz zu tragen, die Beklagte 70,51 %.

Der Kläger hat 28,57 % der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, die Beklagte 71,43 %.

Der Kläger hat 66,67 % der Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, die Beklagte 33,33 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs für die Jahre 2004 und 2005.

2

Der 1949 geborene Kläger war seit 1971 - zuletzt im Außendienst - in der Fünftagewoche für die beklagte Rentenversicherung und ihre Rechtsvorgängerin tätig. Der Kläger erzielte in Vergütungsgruppe II ein monatliches Gehalt von 4.362,67 Euro. Die Beklagte ist als bundesunmittelbare Versicherungsträgerin eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts.

3

Die Parteien verwiesen im Arbeitsvertrag auf den Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 24. Oktober 1961 und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge (MTAng-BfA). Der MTAng-BfA vom 24. Oktober 1961 idF des 64. Änderungstarifvertrags vom 31. Januar 2003 lautet auszugsweise:


        

 
        
        
(1)

Der Angestellte erhält in jedem Urlaubsjahr Erholungsurlaub unter Zahlung der Urlaubsvergütung. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.
        
(2)

Als Urlaubsvergütung werden die Vergütung (§ 26) und die Zulagen, die in Monatsbeträgen festgelegt sind, weitergezahlt. …
        
(3)

Der Urlaubsanspruch kann erst nach Ablauf von sechs Monaten … nach der Einstellung geltend gemacht werden, es sei denn, dass der Angestellte vorher ausscheidet.
        
…       

        

(7)

Der Urlaub ist spätestens bis zum Ende des Urlaubsjahres anzutreten.
                 
Kann der Urlaub bis zum Ende des Urlaubsjahres nicht angetreten werden, ist er bis zum 30. April des folgenden Urlaubsjahres anzutreten. Kann der Urlaub aus dienstlichen Gründen oder wegen Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum 30. April angetreten werden, ist er bis zum 30. Juni anzutreten. War ein innerhalb des Urlaubsjahres für dieses Urlaubsjahr festgelegter Urlaub auf Veranlassung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in die Zeit nach dem 31. Dezember des Urlaubsjahres verlegt worden und konnte er wegen Arbeitsunfähigkeit nicht nach Satz 2 bis zum 30. Juni angetreten werden, ist er bis zum 30. September anzutreten.
                 
…       
                 
Urlaub, der nicht innerhalb der genannten Fristen angetreten ist, verfällt.
        
…       
        
   
        
        
(1)

Der Erholungsurlaubsanspruch des Angestellten, dessen durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt ist (Fünftagewoche), beträgt in der Vergütungsgruppe … I b bis X Kr. IX bis Kr. I … nach vollendetem 40. Lebensjahr 30 Arbeitstage.
        
…       
        
(3)

Die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs mit Ausnahme des Zusatzurlaubs nach dem SGB IX vermindert sich für jeden vollen Kalendermonat eines Sonderurlaubs nach § 50 oder eines Ruhens des Arbeitsverhältnisses nach § 59 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 5 um ein Zwölftel. …
        
…       
        
(6)

Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im Laufe des Urlaubsjahres, so beträgt der Urlaubsanspruch ein Zwölftel für jeden vollen Beschäftigungsmonat. Scheidet der Angestellte wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 59) oder Erreichens der Altersgrenze (§ 60) aus dem Arbeitsverhältnis aus, so beträgt der Urlaubsanspruch sechs Zwölftel, wenn das Arbeitsverhältnis in der ersten Hälfte, und zwölf Zwölftel, wenn es in der zweiten Hälfte des Urlaubsjahres endet. …
        
…       
        
   
        
        
(1)

Ist im Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch noch nicht erfüllt, ist der Urlaub, soweit dies dienstlich oder betrieblich möglich ist, während der Kündigungsfrist zu gewähren und zu nehmen. Soweit der Urlaub nicht gewährt werden kann oder die Kündigungsfrist nicht ausreicht, ist der Urlaub abzugelten. Entsprechendes gilt, wenn das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag (§ 58) oder wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 59) endet oder wenn das Arbeitsverhältnis nach § 59 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 5 zum Ruhen kommt.
                 
Ist dem Angestellten wegen eines vorsätzlich schuldhaften Verhaltens außerordentlich gekündigt worden oder hat der Angestellte das Arbeitsverhältnis unberechtigterweise gelöst, wird lediglich derjenige Urlaubsanspruch abgegolten, der dem Angestellten nach gesetzlichen Vorschriften bei Anwendung des § 48 Abs. 6 Satz 1 noch zustehen würde.
        
(2)

Für jeden abzugeltenden Urlaubstag werden bei der Fünftagewoche 3/65, bei der Sechstagewoche 1/26 der Urlaubsvergütung gezahlt, die dem Angestellten zugestanden hätte, wenn er während des ganzen Kalendermonats, in dem er ausgeschieden ist, Erholungsurlaub gehabt hätte. …
        
…       
        
   
        
        
(1)

Wird durch den Bescheid eines Rentenversicherungsträgers festgestellt, dass der Angestellte erwerbsgemindert ist, so endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid zugestellt wird, sofern der Angestellte eine außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Versorgung durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte oder durch eine Versorgungseinrichtung erhält, zu der die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Mittel beigesteuert hat. … Das Arbeitsverhältnis endet nicht, wenn nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers eine befristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gewährt wird. In diesem Falle ruht das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten von dem Tage an, der auf den nach Satz 1 oder 3 maßgebenden Zeitpunkt folgt, bis zum Ablauf des Tages, bis zu dem die befristete Rente bewilligt ist, längstens jedoch bis zum Ablauf des Tages, an dem das Arbeitsverhältnis endet.
                 
…“   
4

Der mit einem Grad von 60 schwerbehinderte Kläger musste sich seit 1995 wegen eines schweren Bandscheibenleidens einer Vielzahl von Operationen unterziehen. Er war mehrfach arbeitsunfähig krank. Vom 8. September 2004 bis 30. September 2005 war er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.

5

Der Kläger beantragte im Mai 2005, ihm ab 1. Juni 2005 den Urlaub aus dem Jahr 2004 zu gewähren. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der Personalärztliche Dienst müsse feststellen, dass der Kläger arbeitsfähig sei.

6

Die Beklagte stellte als Rentenversicherungsträgerin durch im September 2005 zugestellten Bescheid fest, dass der Kläger erwerbsgemindert sei. Sie bewilligte ihm rückwirkend ab 1. März 2005 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund dieser Feststellung am 30. September 2005 nach § 59 MTAng-BfA.

7

Mit seiner der Beklagten im November 2005 zugestellten Klage hat der Kläger verlangt, jeweils 35 Urlaubstage aus den Jahren 2004 und 2005 abzugelten.

8

Der Kläger meint, seine Ansprüche auf Abgeltung des übergesetzlichen tariflichen Urlaubs und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs für die Jahre 2004 und 2005 bestünden wegen seiner Arbeitsunfähigkeit - ebenso wie die Ansprüche auf Abgeltung des Mindesturlaubs - fort.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,


        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.094,78 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Oktober 2005 zu zahlen.
10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, die Ansprüche auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs von zehn Tagen jährlich und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs von fünf Tagen pro Jahr seien verfallen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

12

Das Landesarbeitsgericht hat den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (heute: Gerichtshof der Europäischen Union) um Vorabentscheidung ersucht. Der EuGH hat mit Urteil vom 20. Januar 2009 ua. erkannt, dass „Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte“ (- C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff], AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1). Die Entscheidung des EuGH behandelt nur den von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG(sog. Arbeitszeitrichtlinie, ABl. EU Nr. L 299 vom 18. November 2003 S. 9) gewährleisteten Mindesturlaubsanspruch.

13

Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil in der Folge teilweise abgeändert. Es hat die Beklagte verurteilt, 12.081,00 Euro brutto nebst Verzugszinsen seit 1. Oktober 2005 zu zahlen. Sie schulde Abgeltung von jeweils 20 Tagen Mindesturlaub und jeweils fünf Tagen Schwerbehindertenzusatzurlaub für die Jahre 2004 und 2005 sowie von zehn Tagen Tarifmehrurlaub für 2005. Die weitergehende Berufung des Klägers hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs für das Jahr 2004 hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Die Beklagte hat ihre vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision auf die Verurteilung zur Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs für 2004 und 2005 sowie des tariflichen Mehrurlaubs für 2005 nebst Zinsen beschränkt. Die Verurteilung zur Abgeltung des Mindesturlaubs nebst Zinsen hat sie hingenommen. Der Kläger verfolgt mit seiner Anschlussrevision das Ziel der zusätzlichen Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs für 2004.

Entscheidungsgründe

14

A. Die auf den tariflichen Mehrurlaub für 2005 und den Schwerbehindertenzusatzurlaub für 2004 und 2005 beschränkte Revision der Beklagten ist nur hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs für das Jahr 2005 begründet. Die Anschlussrevision des Klägers (§ 554 ZPO), die den Anspruch auf Abgeltung des übergesetzlichen Tarifurlaubs für 2004 zum Gegenstand hat, ist in der Sache erfolglos. Ansprüche des Klägers auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs bestehen nicht. Der Anspruch auf Abgeltung des Mehrurlaubs aus dem Jahr 2004 ist nicht entstanden. Der Abgeltungsanspruch für den Mehrurlaub aus 2005 ist verfallen, weil er am 30. Juni 2006 nicht erfüllbar war. Die 2004 und 2005 nicht erfüllten Ansprüche auf Schwerbehindertenzusatzurlaub sind nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

15

I. Die Ansprüche des Klägers auf vollen tariflichen Mehrurlaub von jeweils zehn Tagen für die Jahre 2004 und 2005 entstanden jeweils mit Jahresbeginn (§ 47 Abs. 1, Abs. 3, § 48 Abs. 1 MTAng-BfA). Der Mehrurlaubsanspruch für 2005, in dem das Arbeitsverhältnis vor dem Ende des Urlaubsjahres am 30. September 2005 endete, unterlag nicht der anteiligen Kürzung des § 48 Abs. 6 Satz 1 MTAng-BfA. Der tarifliche Vollurlaubsanspruch bleibt nach § 48 Abs. 6 Satz 2 MTAng-BfA unberührt, wenn der Arbeitnehmer - wie hier - in der zweiten Jahreshälfte wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ausscheidet. Die tariflichen Mehrurlaubsansprüche verfallen im Unterschied zu den Ansprüchen auf Mindesturlaub auch bei Arbeitsunfähigkeit, wenn der Urlaub nicht bis zum 30. Juni des Folgejahres angetreten werden kann (§ 47 Abs. 7 Unterabs. 2 Satz 2, Abs. 7 Unterabs. 4 MTAng-BfA). Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden deswegen keine erfüllbaren Mehrurlaubsansprüche, die nach § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 Satz 1 MTAng-BfA hätten abgegolten werden können.

16

1. Nach § 47 Abs. 7 Unterabs. 4 MTAng-BfA verfällt Urlaub, der nicht innerhalb der in § 47 Abs. 7 Unterabs. 2 MTAng-BfA genannten Fristen angetreten ist. § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA sieht vor, dass Urlaub, der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen bestimmter Beendigungs- oder Ruhenstatbestände nicht gewährt werden kann, abzugelten ist.

17

2. Der Kläger konnte den Urlaub für das Jahr 2004 nicht bis 30. Juni 2005 und den Urlaub für 2005 nicht bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2005 antreten. Er war vom 8. September 2004 bis 30. September 2005 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und in dieser Zeit nicht imstande, seine vertragsgemäße Arbeitsleistung zu erbringen. Der Kläger hat hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs für 2005 auch nicht behauptet, er sei bis zum Ende des Übertragungszeitraums am 30. Juni 2006 (§ 47 Abs. 7 Unterabs. 2 Satz 2 2. Alt. MTAng-BfA) wieder arbeitsfähig geworden. Hierfür ist er darlegungs- und beweisbelastet (vgl. Senat 27. Mai 1997 - 9 AZR 337/95 - zu I 2 d der Gründe, BAGE 86, 30). Der Anspruch auf Mehrurlaub für 2005 wäre bis zum Ende des tariflichen Übertragungszeitraums nicht erfüllbar gewesen (vgl. für die st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts vor EuGH Schultz-Hoff, die daraus schloss, auch der Abgeltungsanspruch sei nicht erfüllbar, Senat 7. September 2004 - 9 AZR 587/03 - zu I 2 a der Gründe, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 12).

18

3. Für das Jahr 2004 entstand bereits kein Anspruch auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs, weil der Kläger am 30. Juni 2005 arbeitsunfähig war und den Urlaub deshalb nicht antreten konnte. Der Mehrurlaubsanspruch aus 2004 verfiel mit dem 30. Juni 2005 und konnte sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2005 nicht mehr in einen Abgeltungsanspruch umwandeln. Der mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2005 entstandene Abgeltungsanspruch für das Jahr 2005 verfiel mit dem 30. Juni 2006, weil der Kläger an diesem Tag nach wie vor arbeitsunfähig war.

19

4. Die Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln(vgl. zu vertraglichen Mehrurlaubsansprüchen Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 81 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; ebenso Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 3; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 532; Liebscher öAT 2010, 11, 13; Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 35; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98; Subatzus DB 2009, 510, 512; wohl auch Genenger Anm. LAGE BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 22 zu IV 1 d; aA mit Blick auf die im Unionsrecht gewährleisteten Grundrechtspositionen der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit Abele RdA 2009, 312, 316 f.). Die Regelungsmacht der Tarifpartner ist nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche gegenüber öffentlichen Arbeitgebern eintretende unmittelbare Wirkung von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie oder die im Privatrechtsverkehr erforderliche richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG beschränkt(zu dieser richtlinienkonformen Rechtsfortbildung ausführlich Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 44 ff., aaO; methodisch ablehnend und für eine richtlinienkonforme Auslegung Kamanabrou SAE 2009, 233, 236). Einem tariflich angeordneten Verfall des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs und seiner Abgeltung steht nach dem klaren Richtlinienrecht und der gesicherten Rechtsprechung des EuGH kein Unionsrecht entgegen (vgl. zu den Erfordernissen einer eigenen Auslegung des Unionsrechts durch das nationale Gericht, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, EuGH 6. Dezember 2005 - C-461/03 - [Gaston Schul Douane-Expéditeur] Rn. 15 ff., Slg. 2005, I-10513; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33 ff., Slg. 2005, I-8151; 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 13 ff., Slg. 1982, 3415). Eine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nach Ansicht des Senats nicht.

20

a) Der Gerichtshof der Europäischen Union ist gesetzlicher Richter iSv. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG für die Auslegung des Unionsrechts. Den Parteien wird deswegen der gesetzliche Richter entzogen, wenn ein nationales Gericht seiner Pflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV, den EuGH zur Vorabentscheidung anzurufen, nicht nachkommt(vgl. für die st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 15 mwN, NZA 2010, 439).

21

aa) Das Bundesverfassungsgericht hat für die Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Zusammenhang mit der Vorlagepflicht aus Art. 234 Abs. 3 EG(jetzt: Art. 267 Abs. 3 AEUV) beispielhaft Fallgruppen entwickelt. Die Vorlagepflicht wird in verfassungswidriger Weise gehandhabt, wenn ein letztinstanzliches einzelstaatliches Gericht eine Vorlage an den EuGH überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl die unionsrechtliche Frage nach seiner Auffassung entscheidungserheblich ist und es selbst Zweifel daran hat, wie die Frage richtig zu beantworten ist (sog. grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht). Gleiches gilt, wenn das letztinstanzliche Gericht bewusst von der Rspr. des EuGH zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und dennoch nicht oder nicht erneut vorlegt (sog. bewusstes Abweichen von der Rspr. des Gerichtshofs ohne Vorlagebereitschaft). Gibt es zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts noch keine einschlägige Rspr. des EuGH, hat der Gerichtshof die Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rspr. des EuGH nicht nur als entfernte Möglichkeit (sog. Unvollständigkeit der Rspr.), wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten hat. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob sich das innerstaatliche Gericht des Unionsrechts ausreichend kundig gemacht hat. Sonst verkennt es regelmäßig die Bedingungen der Vorlagepflicht. Das Gericht hat zudem Gründe anzugeben, die dem Bundesverfassungsgericht eine Kontrolle am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ermöglichen(vgl. BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 18 f. mwN, NZA 2010, 439).

22

bb) Die dem EuGH durch Art. 267 AEUV zuerkannten Befugnisse haben im Wesentlichen zum Ziel, eine einheitliche Anwendung des Unionsrechts durch die nationalen Gerichte zu gewährleisten(vgl. noch zu Art. 234 Abs. 3 EG EuGH 6. Dezember 2005 - C-461/03 - [Gaston Schul Douane-Expéditeur] Rn. 21 f., Slg. 2005, I-10513). Art. 267 Abs. 3 AEUV soll verhindern, dass sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rspr. herausbildet, die mit den Normen des Unionsrechts nicht in Einklang steht. Durch die Zusammenarbeit der mit der Anwendung des Unionsrechts betrauten innerstaatlichen Gerichte mit dem Gerichtshof der Europäischen Union soll die ordnungsgemäße Anwendung und die einheitliche Auslegung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten sichergestellt werden (vgl. zu Art. 234 Abs. 3 EG EuGH 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 29 und 38, Slg. 2005, I-8151; noch zu Art. 177 Abs. 3 EWG-Vertrag 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 7, Slg. 1982, 3415).

23

b) Der Zweck der Vorlagepflicht aus Art. 267 AEUV zeigt zugleich ihre Grenzen.

24

aa) Eine Vorlage ist sinnlos, wenn es eine gesicherte Rspr. des EuGH gibt, durch die die betreffende Rechtsfrage gelöst ist (sog. acte éclairé). Das gilt selbst dann, wenn die strittigen Fragen nicht vollkommen identisch sind (vgl. grundlegend EuGH 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 14, Slg. 1982, 3415; fortgeführt von EuGH 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151; 6. Dezember 2005 - C-461/03 - [Gaston Schul Douane-Expéditeur] Rn. 16, Slg. 2005, I-10513; siehe auch BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 20, NZA 2010, 439).

25

bb) Die richtige Anwendung des Unionsrechts kann ferner offenkundig sein, wenn keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Beantwortung der entscheidungserheblichen Frage ist (sog. acte clair). Das innerstaatliche Gericht darf jedoch nur dann von einer offenkundigen Beantwortung ausgehen, wenn es davon überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den EuGH die gleiche Gewissheit bestünde (vgl. EuGH 6. Dezember 2005 - C-461/03 - [Gaston Schul Douane-Expéditeur] Rn. 16, Slg. 2005, I-10513; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151; 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 16, Slg. 1982, 3415; BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 20, NZA 2010, 439). Ob ein solcher Fall gegeben ist, muss unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Unionsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Europäischen Union beurteilt werden. Nimmt das letztinstanzlich entscheidende innerstaatliche Gericht eine offenkundige Auslegung des Unionsrechts an, braucht es den EuGH nicht um Vorabentscheidung zu ersuchen. Das nationale Gericht darf die Frage in eigener Verantwortung beantworten (vgl. EuGH 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33 und 35, aaO).

26

c) Aus Sicht des Senats ist Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen, dass diese Regelung tarifliche Ansprüche auf Abgeltung des Mehrurlaubs offenkundig nicht erfasst. Jedenfalls ist der bestehenden Rechtsprechung des EuGH zu entnehmen, dass das Unionsrecht einem tariflich angeordneten Verfall des Urlaubs(-abgeltungs)anspruchs, der den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigt, nicht entgegensteht.

27

aa) Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie bestimmt, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. Die Richtlinie bindet ausdrücklich nur den von ihr gewährleisteten Mindestjahresurlaubsanspruch von vier Wochen an die von den nationalen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten vorgesehenen Modalitäten.

28

bb) Nach Art. 15 der Richtlinie 2003/88/EG berührt diese nicht das Recht der Mitgliedstaaten, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder die Anwendung von für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigeren Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern zu fördern oder zu gestatten. Adressat der Regelung sind nach Art. 29 der Arbeitszeitrichtlinie die Mitgliedstaaten. Art. 15 der Arbeitszeitrichtlinie lässt die Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien ausdrücklich unberührt.

29

cc) Die Arbeitszeitrichtlinie enthält im Unterschied zur sog. Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG (ABl. EG Nr. L 348 vom 28. November 1992 S. 1) auch keine Regelung, die Mehrurlaubsansprüche erfasst (Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 81 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; ebenso Subatzus DB 2009, 510, 512; aA Abele RdA 2009, 312, 316 f., der die Vertragsfreiheit und die Privatautonomie als Unionsgrundrechte versteht und sie für den vertraglichen Mehrurlaub heranzieht).

30

(1) Nach Art. 8 Abs. 1 der Mutterschutzrichtlinie treffen die Mitgliedstaaten „die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass den Arbeitnehmerinnen … ein Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen ohne Unterbrechung gewährt wird“. Art. 11 Nr. 2 Buchst. a der Mutterschutzrichtlinie verlangt, dass „die mit dem Arbeitsvertrag der Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 verbundenen anderen Rechte als die unter dem nachstehenden Buchstaben b) genannten“ gewährleistet sein müssen. Art. 11 Nr. 2 Buchst. b der Mutterschutzrichtlinie bestimmt, dass „die Fortzahlung eines Arbeitsentgelts und/oder der Anspruch auf eine angemessene Sozialleistung für die Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2“ gewährleistet sein müssen.

31

(2) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich in der Entscheidung Merino Gómez zum Verhältnis der Urlaubsregelung in Art. 7 Abs. 1, Art. 15 der Arbeitszeitrichtlinie und der Bestimmung in Art. 11 Nr. 2 Buchst. a der Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG geäußert (vgl. EuGH 18. März 2004 - C-342/01 - Rn. 42 bis 45, Slg. 2004, I-2605).

32

(a) Der EuGH hat seine Auffassung, wonach ein Anspruch auf längeren Jahresurlaub von der Mutterschutzrichtlinie erfasst werde, wenn sich ein Mitgliedstaat für eine längere als die von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie verbürgte Dauer des Mindestjahresurlaubs entschieden habe, ausdrücklich auf Art. 11 Nr. 2 Buchst. a der Mutterschutzrichtlinie gestützt. Voraussetzung ist, dass sich die Frauen während der Zeit des Jahresurlaubs der gesamten Belegschaft im Mutterschaftsurlaub befanden (vgl. EuGH 18. März 2004 - C-342/01 - [Merino Gómez] Rn. 44, Slg. 2004, I-2605).

33

(b) Die Arbeitszeitrichtlinie enthält abweichend von der Mutterschutzrichtlinie keine solche Regelung, die vertraglich begründete andere Rechte als die von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten Rechte verbürgt. Die bisherige Rspr. des EuGH ist demnach nicht unvollständig. Die vom Gerichtshof in der Sache Merino Gómez entschiedene Auslegungsfrage braucht nicht völlig identisch mit der nun zu beantwortenden Rechtsfrage zu sein, um eine gesicherte Rspr. des EuGH annehmen zu können (vgl. EuGH 6. Dezember 2005 - C-461/03 - [Gaston Schul Douane-Expéditeur] Rn. 16, Slg. 2005, I-10513; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151; 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 14, Slg. 1982, 3415; siehe auch BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 20, NZA 2010, 439).

34

5. Der Senat hat die hier zu beurteilenden tariflichen Vorschriften deshalb anhand des innerstaatlichen Rechts auszulegen. Diese Auslegung ergibt, dass der Anspruch des Klägers auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs für 2004 schon nicht entstanden ist. Der Anspruch auf Abgeltung des Tarifmehrurlaubs für 2005 ist verfallen.

35

a) Der Senat hat in st. Rspr. die Auslegungsregel aufgestellt, für einen Regelungswillen, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen vertraglichen Ansprüchen unterscheide, müssten deutliche Anhaltspunkte bestehen (vgl. für die Auslegung einer kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung nach §§ 133, 157 BGB zuletzt 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 84 f., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; aA ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 2.1.2 der Gründe, NZA-RR 2009, 411; Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 3; Kamanabrou SAE 2009, 233, 237; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 532; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98). Der Senat hält an diesem Auslegungsansatz fest.

36

b) Die Kritik an der Senatsrechtsprechung zum einzelvertraglichen Mehrurlaub entzündet sich daran, dass das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt zu bestimmen sei.

37

aa) Der Senat hat das Regel-Ausnahme-Verhältnis von unterbleibendem Verfall oder Untergang der vertraglichen Mehrurlaubsansprüche dahin austariert, dass die Vertragsparteien nur ausnahmsweise vom Gesetzesrecht abweichen wollen. Für einen abweichenden, durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermittelnden übereinstimmenden Willen müssen deutliche Anhaltspunkte bestehen(24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 84, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; ebenso Kohte/Beetz jurisPR-ArbR 25/2009 Anm. 1 zu C 3; Mestwerdt jurisPR-ArbR 27/2009 Anm. 2 zu C; Rummel AuR 2009, 217; wohl auch Rehwald AiB 2010, 59, 60; differenzierend Gaul/Josten/Strauf BB 2009, 497, 498 f.; aA Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 3; Dornbusch/Ahner NZA 2009, 180, 183; Kamanabrou SAE 2009, 233, 237; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 532; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98). Regel ist der „Gleichlauf“ der Ansprüche. Ausnahme ist ihr unterschiedliches rechtliches Schicksal.

38

bb) Dieser Auslegungsregel ist ein Teil der Rspr. entgegengetreten (vgl. ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 2.1.2 der Gründe, NZA-RR 2009, 411).

39

(1) Diese Auffassung nimmt an, das Regel-Ausnahme-Verhältnis sei - auch für Tarifverträge - anders zu bestimmen. Es sei nicht nach Anhaltspunkten dafür zu suchen, dass sich die Unverfallbarkeit des Mindesturlaubsanspruchs nicht auch auf den Mehrurlaub erstrecke. Vielmehr sei danach zu fragen, ob es Anhaltspunkte dafür gebe, dass arbeitsunfähige Arbeitnehmer über das gesetzlich zwingende Maß hinaus bessergestellt werden sollten als andere Arbeitnehmer.

40

(2) Diese Ansicht dürfte im Hinblick auf die zitierte Senatsrechtsprechung einem Missverständnis unterliegen (vgl. das Zitat in ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 2.1.2 der Gründe, NZA-RR 2009, 411).

41

(a) Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 7. September 2004 in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung angenommen, § 7 Abs. 4 BUrlG sei auch für tarifliche Urlaubsabgeltungsansprüche maßgeblich, soweit die Tarifvertragsparteien keine zugunsten der Arbeitnehmer wirkenden, davon abweichenden Sonderregelungen getroffen hätten(- 9 AZR 587/03 - zu I 2 a der Gründe, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 12).

42

(b) Der Senat hat diese Aussage nur getroffen, um die Surrogatstheorie für den Abgeltungsanspruch aus § 7 Abs. 4 BUrlG zu stützen. Arbeitsunfähige, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidende Arbeitnehmer sollten durch eine tarifliche Abfindung nicht bessergestellt werden als im Arbeitsverhältnis verbleibende arbeitsunfähige Arbeitnehmer. Die Surrogatstheorie konnte für Abgeltungsansprüche bei bis zum Ende des Übertragungszeitraums fortdauernder Arbeitsunfähigkeit in der Folge der Entscheidung Schultz-Hoff des EuGH vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) nicht aufrechterhalten werden. Für die Frage, welche Auslegungsregeln seitdem für den Verfall von Mindest- und Mehrurlaubs(-abgeltungs)ansprüchen anzuwenden sind, hat die zitierte frühere Erwägung des Senats keine Bedeutung.

43

(3) Der Senat stimmt der These auch inhaltlich nicht zu, es sei nach Anhaltspunkten dafür zu suchen, ob arbeitsunfähige Arbeitnehmer bessergestellt werden sollten als arbeitsfähige Arbeitnehmer (vgl. ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 2.1.2 der Gründe, NZA-RR 2009, 411). Für die Ungleichbehandlung arbeitsfähiger und arbeitsunfähiger Arbeitnehmer besteht ein sachlicher Grund. Urlaubsansprüche arbeitsfähiger Arbeitnehmer sind im Unterschied zu Urlaubsansprüchen arbeitsunfähiger Arbeitnehmer erfüllbar. Der mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehende Anspruch auf Abgeltung des Mindesturlaubs gleicht den Nachteil der fehlenden Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs aus und kapitalisiert den nicht zu verwirklichenden Freistellungsanspruch (ähnlich Mestwerdt jurisPR-ArbR 27/2009 Anm. 2 zu C).

44

cc) Die weitere Kritik an der Senatsrechtsprechung zum einzelvertraglichen Mehrurlaub besteht darin, dass das angenommene Regel-Ausnahme-Verhältnis im Fall sog. Altverträge unrichtig sei (vgl. nur Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 3; Kamanabrou SAE 2009, 233, 237; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 532; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98).

45

(1) Die Kritiker im Schrifttum meinen, vor der Entscheidung des EuGH in der Sache Schultz-Hoff vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) seien die Arbeitsvertrags- und Tarifvertragsparteien davon ausgegangen, dass für (tarif-)vertraglich eingeräumten Mehrurlaub die damaligen höchstrichterlichen Grundsätze zum Erlöschen von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen anzuwenden seien. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte sei der übereinstimmende Parteiwille in Altverträgen dahin gegangen, dass sich übergesetzliche Urlaubsansprüche und ihre Abgeltung nach den bisherigen Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts richteten (vgl. nur Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 3; in Richtung einer ergänzenden Vertragsauslegung Kamanabrou SAE 2009, 233, 237).

46

(2) Der Senat hält auch für tarifliche Ansprüche auf Abgeltung von Mehrurlaub an seinen Auslegungsüberlegungen fest (vgl. zu einzelvertraglich vereinbartem Mehrurlaub 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 84 f., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15).

47

(a) Für einen Regelungswillen, der zwischen Ansprüchen auf Abgeltung von Mindest- und Mehrurlaub unterscheidet, müssen auch bei Tarifverträgen, die vor der Entscheidung des EuGH in der Sache Schultz-Hoff (20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) geschlossen wurden, deutliche Anhaltspunkte bestehen. Diese deutlichen Anhaltspunkte müssen sich aus Tarifwortlaut, -zusammenhang und -zweck sowie ggf. aus der Tarifgeschichte ergeben.

48

(b) Die an der Senatsrechtsprechung geäußerte Kritik unternimmt den Versuch, im Bereich (tarif-)vertraglichen Mehrurlaubs eine Art Vertrauensschutz durch eine nach Alt- und Neuverträgen differenzierende Vertrags- oder Tarifvertragsauslegung zu begründen. Sie will nicht an die objektive Rechtslage, sondern an den „irrtumsanfälligen Akt der Rechtserkenntnis“ durch die höchstrichterliche Rechtsprechung anknüpfen.

49

(aa) Gegen einen solchen Auslegungsansatz spricht, dass eine Rechtsprechungsänderung als solche nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstößt. Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen keine vergleichbare Rechtsbindung (vgl. für die st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - Rn. 85, BVerfGE 122, 248; 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 2 b und c der Gründe, BVerfGE 84, 212; siehe auch BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 33, BAGE 117, 281). Den Vertrags- oder Tarifvertragsparteien kann daher weder regelmäßig noch ohne konkrete Anhaltspunkte der Wille unterstellt werden, sie legten ihren Vereinbarungen nicht die objektive Rechtslage, sondern die höchstrichterliche Rechtsanwendung zugrunde. Sowohl der Sechste als auch der Achte Senat haben nach der ersten Rechtsprechungswende im Jahr 1982, als der Sechste Senat abweichend von der vorangegangenen Rspr. des Fünften Senats den Verfall des Urlaubs(-abgeltungs)anspruchs bei Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums angenommen hatte, keine Anknüpfung der Tarifvertragsparteien an die aufgegebene Rspr. diskutiert (vgl. beispielhaft BAG 31. Oktober 1986 - 8 AZR 244/84 - zu I 2 und II der Gründe mwN, BAGE 53, 304; zu der durch das Urteil des Sechsten Senats vom 13. Mai 1982 [- 6 AZR 360/80 - zu II 2 bis 4 der Gründe, BAGE 39, 53] aufgegebenen Rspr. des Fünften Senats für den gesetzlichen Urlaub grundlegend 13. November 1969 - 5 AZR 82/69 - zu 2 der Gründe, BAGE 22, 211; fortgeführt von der Entscheidung vom 21. Juli 1973 - 5 AZR 105/73 - AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Nr. 15, die den Verfall übergesetzlichen tariflichen Urlaubs auch bei Arbeitsunfähigkeit für unbedenklich hielt).

50

(bb) Das von den Kritikern der Senatsrechtsprechung geforderte umgekehrte Regel-Ausnahme-Verhältnis für Altverträge ist zudem nicht erforderlich, um die Interessen beider Seiten im Rahmen der Auslegung angemessen zu berücksichtigen. Deutliche Anhaltspunkte für einen Regelungswillen der Vertrags- oder Tarifvertragsparteien, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Urlaubs(-abgeltungs)ansprüchen unterscheidet, sind schon dann anzunehmen, wenn sich die (Tarif-)Vertragsparteien in weiten Teilen vom gesetzlichen Urlaubsregime lösen und stattdessen eigene Regeln aufstellen. Im Fall einer solchen eigenständigen, zusammenhängenden und in sich konsistenten Regelung ist ohne entgegenstehende Anhaltspunkte idR davon auszugehen, dass die (Tarif-)Vertragsparteien Ansprüche nur begründen und fortbestehen lassen wollen, soweit eine gesetzliche Verpflichtung besteht (für eine Unterscheidung zwischen konstitutiven und deklaratorischen Regelungen Rehwald AiB 2010, 59, 60). Eine ausdrückliche Differenzierung zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Ansprüchen ist dann nicht notwendig.

51

c) Die Voraussetzungen einer Abweichung der Tarifvertragsparteien vom Gesetzesrecht sind hier nach Tarifwortlaut, -zusammenhang, -zweck und -geschichte erfüllt. Der Anspruch des Klägers auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs für das Jahr 2004 ist nicht entstanden, sein Anspruch auf Abgeltung des Tarifmehrurlaubs für 2005 ist verfallen (§ 47 Abs. 7 Unterabs. 2 Satz 2 2. Alt., Abs. 7 Unterabs. 4 MTAng-BfA).

52

aa) Die Tarifvertragsparteien haben in § 47 MTAng-BfA ein weitgehend vom Gesetzesrecht gelöstes Urlaubsregime geschaffen. Das hebt die Beklagte zu Recht hervor. § 47 MTAng-BfA regelt sowohl die Anspruchsvoraussetzungen als auch die Rechtsfolge des Verfalls bei Fristversäumnis. § 48 MTAng-BfA trifft Aussagen über die Dauer des Urlaubsanspruchs. Im Unterschied zu § 7 Abs. 3 Satz 1 und 3 BUrlG stellt § 47 Abs. 7 MTAng-BfA nicht darauf ab, dass der Urlaub im Urlaubsjahr oder Übertragungszeitraum gewährt und genommen wird. Ein Anspruchsuntergang wird bereits durch einen Antritt des Urlaubs im Urlaubsjahr oder Übertragungszeitraum vermieden. § 47 Abs. 7 Unterabs. 4 MTAng-BfA ordnet über die Regelung in § 7 BUrlG hinaus ausdrücklich den Verfall des Urlaubsanspruchs an. In §§ 48a, 49 und 50 MTAng-BfA finden sich Regelungen über den Zusatzurlaub für Wechselschichtarbeit, Schichtarbeit und Nachtarbeit, Zusatz- und Sonderurlaub.

53

bb) Die Tarifgeschichte ist seit Langem durch ein eigenständiges Urlaubsregime gekennzeichnet.

54

(1) Mit dem 35. Änderungstarifvertrag zum MTAng-BfA vom 3. Dezember 1979 wurde in § 47 Abs. 7 Unterabs. 4 MTAng-BfA ausdrücklich der Verfall des nicht rechtzeitig angetretenen Urlaubs angeordnet. Dieser Verfall bezog sich auch auf Fälle der Arbeitsunfähigkeit. Damit machten die Tarifvertragsparteien von ihrem Gestaltungsspielraum Gebrauch, den ihnen die Rspr. des Fünften Senats 1973 auch in Fällen der Arbeitsunfähigkeit für übergesetzliche tarifliche Urlaubs(-abgeltungs)ansprüche eröffnet hatte (vgl. zu § 47 Abs. 7 BAT 21. Juli 1973 - 5 AZR 105/73 - AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Nr. 15).

55

(2) § 47 Abs. 7 Unterabs. 2 Satz 2 MTAng-BfA idF vom 3. Dezember 1979 enthielt außerdem eine auf die Besonderheiten des tariflichen Systems zugeschnittene Lösung: Konnte der Angestellte den Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum 30. April antreten, hatte er ihn innerhalb von drei Monaten nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit anzutreten, spätestens jedoch bis zum Ablauf des zweiten auf die Entstehung des Anspruchs folgenden Urlaubsjahres.

56

cc) § 48 Abs. 6 Satz 2 und § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA idF vom 31. Januar 2003 deuten nicht auf einen von den Tarifvertragsparteien bezweckten „Gleichlauf“ der gesetzlichen sowie der übergesetzlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche bei Arbeitsunfähigkeit hin.

57

(1) Nach § 48 Abs. 6 Satz 2 MTAng-BfA bleibt es beim vollen Urlaubsanspruch, wenn das Arbeitsverhältnis in der zweiten Hälfte des Urlaubsjahres wegen verminderter Erwerbsfähigkeit(§ 59 MTAng-BfA) endet. § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA sieht vor, dass der Urlaub abzugelten ist, wenn das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag (§ 58 MTAng-BfA) oder wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 59 MTAng-BfA) endet oder wenn das Arbeitsverhältnis nach § 59 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 5 MTAng-BfA zum Ruhen kommt.

58

(2) § 48 Abs. 6 Satz 2 MTAng-BfA enthält für bestimmte Beendigungstatbestände eine Zwölftelungsregelung. § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA knüpft den Abgeltungsanspruch an ausgewählte Beendigungstatbestände und - über die Regelung in § 7 Abs. 4 BUrlG hinaus - an einen Ruhenstatbestand(zu einer ähnlichen Tarifvorschrift Senat 7. September 2004 - 9 AZR 587/03 - zu I 2 b bb der Gründe, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 12). Beide Tarifnormen regeln nicht den absoluten Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs. § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA legt vielmehr bestimmte Abgeltungstatbestände fest. Der Fall der Arbeitsunfähigkeit ist nicht geregelt. Die Begriffe der Arbeitsunfähigkeit und der verminderten Erwerbsfähigkeit iSv. § 59 MTAng-BfA decken sich nicht(vgl. zu ähnlichen Tarifbestimmungen Senat 10. Mai 2005 - 9 AZR 253/04 - zu III 2 b der Gründe, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 13; 7. September 2004 - 9 AZR 587/03 - zu I 2 b bb der Gründe, aaO). § 48 Abs. 6 Satz 2 1. Alt. MTAng-BfA zwölftelt den Abgeltungsanspruch, ohne seinen Gesamtumfang zu bestimmen.

59

dd) Die Tarifvertragsparteien unterscheiden in § 51 Abs. 1 Unterabs. 2 MTAng-BfA ausdrücklich zwischen der Abgeltung des gesetzlichen und des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs.

60

(1) Danach wird lediglich derjenige Urlaubsanspruch abgegolten, der dem Angestellten nach gesetzlichen Vorschriften bei Anwendung des § 48 Abs. 6 Satz 1 MTAng-BfA noch zustünde, wenn dem Angestellten wegen eines vorsätzlich schuldhaften Verhaltens außerordentlich gekündigt worden ist oder der Angestellte das Arbeitsverhältnis unberechtigterweise gelöst hat.

61

(2) Die Tarifnorm lässt den tariflichen Mehrurlaubsanspruch ausdrücklich nur bei einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung aufgrund vorsätzlich schuldhaften Verhaltens des Angestellten oder einer ungerechtfertigten Eigenkündigung des Arbeitnehmers entfallen. Daraus kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, die Tarifvertragsparteien hätten in allen anderen Fällen den „Gleichlauf“ von gesetzlichen und übergesetzlichen Abgeltungsansprüchen beabsichtigt. Für eine Unterscheidung der beiden Ansprüche sprechen entscheidend das in § 47 MTAng-BfA geschaffene eigenständige Urlaubs-, insbesondere Fristenregime und die dort angeordnete Rechtsfolge des Verfalls bei Fristversäumnis.

62

ee) Die Tarifvertragsparteien stellen in § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA auf die Abgeltung noch nicht erfüllter Urlaubsansprüche ab. In Verbindung mit dem für die Übertragung begründeten besonderen Fristenregime des § 47 Abs. 7 Unterabs. 2 MTAng-BfA folgt daraus, dass sie für die Abgeltung des übergesetzlichen Urlaubs von der Voraussetzung eines erfüllbaren Urlaubsanspruchs ausgehen.

63

II. Der Kläger hat Anspruch auf Abgeltung des 2004 und 2005 entstandenen Schwerbehindertenzusatzurlaubs von jeweils fünf Arbeitstagen (§ 125 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 SGB IX iVm. § 7 Abs. 4 BUrlG). Die Zusatzurlaubsansprüche waren bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2005 noch nicht verfallen. § 7 Abs. 4 BUrlG setzt für Ansprüche auf Abgeltung des Zusatzurlaubs nicht voraus, dass die Freistellungsansprüche erfüllbar waren.

64

1. Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX haben schwerbehinderte Arbeitnehmer, die in der Fünftagewoche beschäftigt werden, Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr.

65

2. Der schwerbehindertenrechtliche Zusatzurlaub bestimmt sich nach den Regeln des Mindesturlaubs der §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG.

66

a) Diese sog. urlaubsrechtliche Akzessorietät ist schon wegen der Begriffe des „zusätzlichen Urlaubs“ in § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und des „Zusatzurlaubs“ in § 125 Abs. 1 Satz 2 SGB IX geboten. § 125 Abs. 3 SGB IX ordnet „auch“ für den Fall der rückwirkenden Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft die Anwendung der „urlaubsrechtlichen Regelungen“ an.

67

b) Hinzu kommt, dass sowohl der Mindesturlaub aus §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG als auch der Schwerbehindertenzusatzurlaub aus § 125 SGB IX gesetzliche, nicht disponible Urlaubsansprüche sind. Sie unterscheiden sich durch ihre strikte Unabdingbarkeit von übergesetzlichen einzel- oder tarifvertraglichen Ansprüchen (vgl. Griese jurisPK-SGB IX § 125 Rn. 30).

68

c) Die tarifliche Regelung des § 48 Abs. 3 Satz 1 MTAng-BfA, die den Schwerbehindertenzusatzurlaub von der Verringerung der Dauer des Erholungsurlaubs und des tariflichen Zusatzurlaubs bei Sonderurlaub ausnimmt, greift das Prinzip der Akzessorietät des Schwerbehindertenzusatzurlaubs auf.

69

d) Auf den Zusatzurlaub sind die Vorschriften über die Entstehung, Übertragung, Kürzung und Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs anzuwenden (für die st. Rspr. Senat 24. Oktober 2006 - 9 AZR 669/05 - Rn. 12, BAGE 120, 50; 21. Februar 1995 - 9 AZR 166/94 - zu I 1 der Gründe noch zu § 47 SchwbG, BAGE 79, 211; ebenso Kohte/Beetz jurisPR-ArbR 25/2009 Anm. 1 zu C 2; aA Subatzus DB 2009, 510, 512).

70

aa) Nach der neueren Senatsrechtsprechung in der Folge der Entscheidung Schultz-Hoff des EuGH ist der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch nicht nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG befristet, wenn der Arbeitnehmer dauernd arbeitsunfähig ist. Der Mindesturlaub ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses - unabhängig von der Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs in einem gedachten fortbestehenden Arbeitsverhältnis - nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten(vgl. das nach der Vorabentscheidung vom 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Rn. 42 ff., AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1 ergangene Senatsurteil vom 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 47 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15). Diese Erkenntnisse hat der Senat für Arbeitsverhältnisse mit privatrechtlich organisierten Arbeitgebern aus einer Rechtsfortbildung von § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG anhand der Vorgaben in Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gewonnen.

71

bb) Auch der Schwerbehindertenzusatzurlaub ist abzugelten, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig ist. Der Zusatzurlaubsanspruch aus § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist an das rechtliche Schicksal des Mindesturlaubsanspruchs gebunden(ebenso Griese jurisPK-SGB IX § 125 Rn. 30 ff.; Kohte/Beetz jurisPR-ArbR 25/2009 Anm. 1 zu C 2; Liebscher öAT 2010, 11, 14; Mestwerdt jurisPR-ArbR 27/2009 Anm. 2 zu C; Pulz jurisPR-ArbR 12/2010 Anm. 5 zu C; Rummel AuR 2009, 217; aA LAG Berlin-Brandenburg 2. Oktober 2009 - 6 Sa 1215/09 und 6 Sa 1536/09 - zu 2.2 der Gründe; ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 3 der Gründe, NZA-RR 2009, 411; Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 4; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98 f.; im Ergebnis offengelassen von Genenger Anm. LAGE BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 22 zu IV 1 c und Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 35).

72

3. Der nach deutschem Recht für Arbeitgeber aus Art. 12, 20 Abs. 3 GG abgeleitete Grundsatz des Vertrauensschutzes steht den Ansprüchen des Klägers auf Abgeltung des Zusatzurlaubs aus § 125 SGB IX nicht entgegen(aA LAG Berlin-Brandenburg 2. Oktober 2009 - 6 Sa 1215/09 und 6 Sa 1536/09 - zu 2.2 der Gründe; wie hier Pulz jurisPR-ArbR 12/2010 Anm. 5 zu C).

73

a) Die Entscheidung über die Frage innerstaatlichen Vertrauensschutzes ist dem Senat nicht entzogen. Sie fällt nicht in die Kompetenz des EuGH. Der Schwerbehindertenzusatzurlaub und seine Abgeltung sind unionsrechtlich nicht verbürgt. Beide Ansprüche werden nur wegen ihrer innerstaatlichen akzessorischen Bindung an den Mindesturlaub von der Wirkung des Unionsrechts berührt. Der fehlende unionsrechtliche Vertrauensschutz gegenüber Mindesturlaubs(-abgeltungs)ansprüchen betrifft Ansprüche auf Zusatzurlaub und ihre Abgeltung daher nur mittelbar.

74

aa) Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union, die wie das Urteil Schultz-Hoff in Vorabentscheidungsverfahren ergehen, wirken im Grundsatz zeitlich unbegrenzt. Die Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts durch den EuGH beschränkt sich darauf zu erläutern und zu verdeutlichen, wie die Regelung seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist. Daraus folgt, dass die innerstaatlichen Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor der Vorabentscheidung entstanden sind, anwenden müssen (vgl. EuGH 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 66, Slg. 2005, I-2119; 20. September 2001 - C-184/99 - [Grzelczyk] Rn. 50, Slg. 2001, I-6193). Vorabentscheidungen sind deswegen regelmäßig auch bei der Beurteilung von Handlungen und rechtlichen Beziehungen in der Zeit vor ihrem Erlass zu berücksichtigen. Der EuGH kann die Möglichkeit, sich auf die Auslegung zu berufen, die er einer unionsrechtlichen Bestimmung durch Vorabentscheidung gegeben hat, nur (ganz) ausnahmsweise mit Wirkung für alle Betroffenen zeitlich beschränken (für die st. Rspr. 12. Februar 2009 - C-138/07 - [Cobelfret] Rn. 68, EuZW 2009, 329; 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 67, aao).

75

(1) Grundlage einer solchen Beschränkung der Rückwirkung ist der allgemeine unionsrechtliche Grundsatz der Rechtssicherheit (EuGH 12. Februar 2009 - C-138/07 - [Cobelfret] Rn. 68, EuZW 2009, 329; 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 67, Slg. 2005, I-2119). Eine zeitliche Beschränkung seiner Antwort kann mit Blick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts und die nötige einheitliche Anwendung in den Mitgliedstaaten nur der EuGH selbst in dem Urteil vornehmen, das über die erbetene Auslegung entscheidet (vgl. zB EuGH 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 77, Slg. 2008, I-1757; 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 64 ff., aaO).

76

(2) Unionsrechtlicher Vertrauensschutz setzt die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Störungen bei Anwendung der vom EuGH vorgenommenen Auslegung des Unionsrechts auf vergangene Vorgänge voraus (vgl. nur 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 77 mwN, Slg. 2008, I-1757; 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 68 f., Slg. 2005, I-2119). Schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen können insbesondere aus einer großen Zahl von Rechtsverhältnissen herrühren, die „gutgläubig“ auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren. Vor der Vorabentscheidung muss darüber hinaus eine objektive und bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der fraglichen Bestimmung des Unionsrechts bestanden haben, die einzelne Unionsbürger und andere nationale Rechtspersönlichkeiten zu einem mit der Unionsregelung unvereinbaren Verhalten veranlasste (vgl. EuGH 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 69, aaO; 20. September 2001 - C-184/99 - [Grzelczyk] Rn. 53, Slg. 2001, I-6193; zu den Voraussetzungen unionsrechtlichen Vertrauensschutzes Abele RdA 2009, 312, 317; Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21; Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 35; Wißmann FS Bauer S. 1161, 1163).

77

(3) Äußert sich der EuGH nicht zu der Frage der Rückwirkung oder zeitlichen Begrenzung seiner Antwort, schließt er damit inzident unionsrechtlichen Vertrauensschutz aus. Anderes gilt nur, wenn das vorlegende Gericht den Gerichtshof ausdrücklich nach einer möglichen zeitlichen Begrenzung seiner Antwort gefragt hat (vgl. Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21; Wißmann FS Bauer S. 1161, 1164; zu ausdrücklich angefragten zeitlichen Begrenzungen zB EuGH 12. Februar 2009 - C-138/07 - [Cobelfret] Rn. 66 ff., EuZW 2009, 329; 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 64 ff., Slg. 2005, I-2119).

78

bb) Die Frage, ob das innerstaatliche Gericht ohne eine solche Beschränkung des EuGH auf der Grundlage nationalen Rechts Vertrauensschutz annehmen darf, ist noch nicht abschließend geklärt.

79

(1) Der EuGH hebt hervor, die Pflicht des nationalen Gerichts zur unionsrechtskonformen Auslegung werde durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot begrenzt (vgl. 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 61, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2; 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 110, Slg. 2006, I-6057; 8. Oktober 1987 - Rechtssache 80/86 - [Kolpinghuis Nijmegen] Rn. 13, Slg. 1987, 3969). Er sei nicht befugt, über die Auslegung innerstaatlicher Rechtsvorschriften zu entscheiden (26. Oktober 2006 - C-4/05 - [Güzeli] Rn. 36, Slg. 2006, I-10279).

80

(2) Das Bundesarbeitsgericht unterscheidet in der Frage nationalen Vertrauensschutzes zwischen Primär- und Sekundärrecht (vgl. dazu Wißmann FS Bauer S. 1161, 1164 ff.).

81

(a) Der Siebte Senat nimmt an, für die zeitliche Begrenzung der Unanwendbarkeit einer gegen das Primärrecht der Gemeinschaft (heute: Union) verstoßenden nationalen Norm sei allein der EuGH zuständig (vgl. die Entscheidung vom 26. April 2006 - 7 AZR 500/04 - Rn. 21, 24, 28 und 40 ff., BAGE 118, 76, die nationalen Vertrauensschutz dennoch absichernd in einem zweiten Begründungsstrang in Rn. 48 ff. prüft und das Urteil Mangold des EuGH vom 22. November 2005 [- C-144/04 - Rn. 55 ff., 74 ff. Slg. 2005, I-9981] rezipiert; siehe auch EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 18 ff., 44 ff., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 14).

82

(b) Der Zweite, der Sechste und der Achte Senat bejahen die Möglichkeit, nationalen Vertrauensschutz annehmen zu können, für Sekundärrecht auch dann, wenn der EuGH die Wirkung einer Vorabentscheidung nicht zeitlich begrenzt hat (vgl. in der Folge der Entscheidung Junk des EuGH vom 27. Januar 2005 [- C-188/03 - Rn. 31 ff., 40 ff., Slg. 2005, I-885] grundlegend BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 32 ff., vor allem Rn. 42, BAGE 117, 281; bestätigt zB von 12. Juli 2007 - 2 AZR 619/05 - Rn. 20 ff., AP KSchG 1969 § 17 Nr. 33; 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - Rn. 27 ff., AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156; dem zustimmend 22. März 2007 - 6 AZR 499/05 - Rn. 16 ff., EzA KSchG § 17 Nr. 19; 26. Juli 2007 - 8 AZR 769/06 - Rn. 66 f., AP BGB § 613a Nr. 324).

83

(3) Das deutsche Schrifttum bejaht im Fall sekundären Unionsrechts wohl überwiegend die Möglichkeit nationalen Vertrauensschutzes in den Fortbestand einer innerstaatlichen Rspr. ohne (weitere) Anrufung des EuGH, auch wenn der Gerichtshof die Rückwirkung seiner Auslegung des Unionsrechts nicht begrenzt hat (vgl. zB Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 2; Höpfner RdA 2006, 156, 164 f.; Kamanabrou SAE 2009, 233, 236 f.; Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 35 f.; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 97 f.; Tillmanns FS Buchner S. 885, 894 ff.; Wißmann FS Bauer S. 1161, 1164 ff., der als Korrektiv innerstaatlichen Vertrauensschutzes einen Schadensersatzanspruch gegen den Mitgliedstaat Bundesrepublik in Betracht zieht; nationalen Vertrauensschutz nur in engen Grenzen bejahend Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21; gegen innerstaatlichen Vertrauensschutz ohne Anrufung des EuGH etwa Abele RdA 2009, 312, 317; Schiek AuR 2006, 41, 43 f.).

84

(4) Der von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie verbürgte Mindestjahresurlaubsanspruch beruht nicht auf Primärrecht. Der EuGH hat stets hervorgehoben, dass der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft (heute: Union) sei (vgl. nur 10. September 2009 - C-277/08 - [Vicente Pereda] Rn. 18, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 3). Der Gerichtshof hat diesen Grundsatz jedoch nicht auf die Verträge, sondern auf das sekundäre Unionsrecht des Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gestützt(näher Senat 17. November 2009 - 9 AZR 844/08 - Rn. 18 f., DB 2010, 850; 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 51, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15, jeweils mwN). Ein Grundsatz des Unionsrechts ist nicht gleichzusetzen mit einem Unionsgrundrecht (vgl. Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 32).

85

cc) Der Schwerbehindertenzusatzurlaub und seine Abgeltung sind nicht unionsrechtlich gewährleistet.

86

(1) Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG verbürgt nur den Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen und seine Abgeltung(ebenso LAG Berlin-Brandenburg 2. Oktober 2009 - 6 Sa 1215/09 und 6 Sa 1536/09 - zu 2.2 der Gründe; Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 4; Gaul/Josten/Strauf BB 2009, 497, 498 f.; Rid AuA 2010, 178; Rummel AuR 2009, 217; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98 f.; Subatzus DB 2009, 510, 512; wohl auch Genenger Anm. LAGE BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 22 zu IV 1 c; zu der Reichweite von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie ausführlich oben zu A I 4). § 125 SGB IX soll auch kein anderes Unionsrecht umsetzen(ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 3 der Gründe, NZA-RR 2009, 411).

87

(2) Ansprüche auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs werden nur wegen ihrer akzessorischen Bindung an den nationalen gesetzlichen Mindesturlaub von der unmittelbaren Wirkung des Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gegenüber öffentlichen Arbeitgebern und der unionsrechtskonformen Fortbildung des § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG im Verhältnis zu privaten Arbeitgebern berührt(vgl. zu der für den Mindesturlaub im Privatrechtsverkehr vorgenommenen Rechtsfortbildung Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 57 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15). Der Senat kann wegen dieser Akzessorietät offenlassen, ob im Streitfall durch die rechtskräftige Entscheidung über die Abgeltung des Mindesturlaubs darüber hinaus eine aus § 322 Abs. 1 ZPO abzuleitende sog. Präklusionswirkung eintritt.

88

(3) Die Beklagte ist eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts, die unter staatlicher Aufsicht steht und Dienstherrnfähigkeit iSv. § 2 BBG besitzt(§ 29 Abs. 1, § 90 Abs. 2a SGB IV, § 143 Abs. 1 SGB VI). Für sie wirkt Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie unmittelbar. Der vom Mindesturlaub nach innerstaatlichem Recht abhängige Anspruch auf Zusatzurlaub aus § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist deshalb bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit nicht nur bis zum 31. März des Folgejahres übertragbar. Die zeitliche Begrenzung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG gilt für den Zusatzurlaubsanspruch ebenso wenig wie für den Mindesturlaub. Die mangelnde Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs ist auch kein Erfüllungshindernis für die als finanzielle „Entschädigung“ zu gewährende Abgeltung (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Das folgt aus der nationalen Bindung des Zusatzurlaubsanspruchs aus § 125 SGB IX an die unmittelbare Wirkung von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gegenüber der öffentlich-rechtlich organisierten Beklagten im Bereich des Mindesturlaubs.

89

(a) Nach der st. Rspr. des EuGH kann sich der Einzelne in Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat (und seinen Untergliederungen) auf diese Bestimmungen berufen, wenn der Mitgliedstaat die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat (vgl. zB 12. Februar 2009 - C-138/07 - [Cobelfret] Rn. 58 mwN, EuZW 2009, 329; Riesenhuber Europäisches Arbeitsrecht § 1 Rn. 70).

90

(b) In Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten können Richtlinien dagegen nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen. Einer Privatperson gegenüber kann sich niemand auf die Richtlinie als solche berufen (vgl. für die st. Rspr. EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 46, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 14). Richtlinien sind an die Mitgliedstaaten und nicht an private Rechtssubjekte gerichtet. Die Mitgliedstaaten haben die Richtlinienziele nach Art. 288 Abs. 3 AEUV umzusetzen. Sogar eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung, mit der dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, ist zwischen Privaten nicht anwendbar (vgl. nur EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 59 mwN, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2).

91

(c) Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie ist hinreichend klar, genau und unbedingt und wirkt damit unmittelbar gegenüber der öffentlich-rechtlich organisierten Beklagten.

92

(aa) Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gibt den Mitgliedstaaten einen Mindestjahresurlaub von vier Wochen vor. Der zweite Absatz der Bestimmung sichert den Urlaubsanspruch für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Urlaub darf nur dann durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.

93

(bb) Der EuGH verdeutlicht die Klarheit und Exaktheit der Regelungen, indem er den Urlaubsanspruch in der Sache Schultz-Hoff nicht nur als vom Unionsrecht gewährleisteten Anspruch, sondern als „von der Richtlinie unmittelbar gewährtes soziales Recht“ und sich „unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Anspruch“ bezeichnet (20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - Rn. 45 f., AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1). So weit gingen frühere Entscheidungen nicht. Der Gerichtshof betonte jedoch schon im ersten zu Art. 7 der ursprünglichen Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG ergangenen Urteil BECTU die „klare und bestimmte Verpflichtung der Mitgliedstaaten“, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhalte(26. Juni 2001 - C-173/99 - Rn. 34, Slg. 2002, I-4881). In der Entscheidung Robinson-Steele hob er den zwingenden Charakter des Anspruchs auf Jahresurlaub und das Erfordernis hervor, die praktische Wirksamkeit von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie zu gewährleisten(16. März 2006 - C-131/04 und C-257/04 - Rn. 68, Slg. 2006, I-2531).

94

(cc) Der unmittelbaren Wirkung von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gegenüber der öffentlich-rechtlich strukturierten Beklagten steht nicht entgegen, dass der Anspruch an die „Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung“ gebunden wird, „die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind“. Die Bestimmung wird damit nicht inhaltlich bedingt iSd. Rspr. des EuGH. Sie wirkt gegenüber der Untergliederung eines Mitgliedstaats gleichwohl unmittelbar. Die Mitgliedstaaten dürfen nach der verbindlichen Auslegung des Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie durch den EuGH nicht vorsehen, dass der Mindestjahresurlaubsanspruch erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist(vgl. 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Rn. 48, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1).

95

(d) Der Zusatzurlaubsanspruch nimmt durch seine nationale Akzessorietät an der unmittelbaren Wirkung von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gegenüber der öffentlich-rechtlich organisierten Beklagten teil.

96

b) Selbst wenn die Beklagte entgegen der Ansicht des Senats nicht als Untergliederung des Mitgliedstaats Bundesrepublik eingeordnet oder Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie für unbestimmt oder bedingt gehalten wird, kann sich die Beklagte nicht auf Vertrauensschutz berufen. Für private Arbeitgeber wirkt Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie zwar nicht unmittelbar. Ihr mögliches Vertrauen auf den Fortbestand der früheren st. Rspr. ist seit dem 24. November 1996 aber nicht länger schutzwürdig. Die Grundlage des Vertrauens auf die Fortdauer der früheren Senatsrechtsprechung, die den Verfall von Urlaubs(-abgeltungs)ansprüchen bei Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums annahm, war nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG (ABl. EG 1993 Nr. L 307 vom 13. Dezember 1993 S. 18) am 23. November 1996 zerstört. Das gilt auch für den nach innerstaatlichem Recht an den Mindesturlaub gebundenen Anspruch auf Schwerbehindertenzusatzurlaub und seine Abgeltung.

97

aa) Die Bundesrepublik nutzte die Möglichkeit einer Übergangszeit über die Umsetzungsfrist hinaus nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b i ii der Richtlinie 93/104/EG nicht. Sie setzte die Vorgabe eines vierwöchigen Mindestjahresurlaubs durch Art. 7 der ersten Arbeitszeitrichtlinie mit Art. 2 des Arbeitszeitrechtsgesetzes vom 6. Juni 1994 um (ArbZRG, BGBl. I S. 1170). Art. 2 ArbZRG trat am 1. Januar 1995 in Kraft (vgl. zur Gesetzesgeschichte ErfK/Dörner 10. Aufl. § 3 BUrlG Rn. 1; AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. § 3 BUrlG Rn. 1).

98

bb) Der Senat geht davon aus, dass nationaler Vertrauensschutz vor Ansprüchen, die das sekundäre Unionsrecht gewährleistet, im Privatrechtsverkehr auch ohne weitere Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV angenommen werden darf, obwohl der EuGH die Wirkung der Vorabentscheidung Schultz-Hoff auf der Grundlage des Unionsrechts nicht zeitlich begrenzt hat(20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1). Die innerstaatlichen Gerichte sind als Teil der Staatsgewalt an das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG gebunden. Sie haben den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu beachten. Der EuGH berücksichtigt solche nationalen rechtlichen Bindungen selbst. Er betont, die Pflicht der einzelstaatlichen Gerichte zur unionsrechtskonformen Auslegung werde durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot begrenzt (vgl. 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 61, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2; 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 110, Slg. 2006, I-6057; 8. Oktober 1987 - Rechtssache 80/86 - [Kolpinghuis Nijmegen] Rn. 13, Slg. 1987, 3969; zu der ausschließlichen Auslegungskompetenz der nationalen Gerichte für einzelstaatliche Rechtsvorschriften 26. Oktober 2006 - C-4/05 - [Güzeli] Rn. 36, Slg. 2006, I-10279).

99

cc) Die Frage des Vertrauensschutzes ist daher anhand der innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beantworten.

100

(1) Es verstößt nicht als solches gegen Art. 20 Abs. 3 GG, eine in der Rechtsprechung bislang vertretene Gesetzesauslegung aufzugeben. Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen keine vergleichbare Rechtsbindung. Die über den Einzelfall hinausreichende Wirkung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung beruht nur auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts. Ein Gericht kann deshalb von seiner bisherigen Rechtsprechung abweichen, auch wenn keine wesentlichen Änderungen der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauungen eintreten. Es muss jedoch den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes beachten und ihm erforderlichenfalls durch Billigkeitserwägungen Rechnung tragen. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist grundsätzlich unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält (vgl. für die st. Rspr. BVerfG 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - Rn. 85, BVerfGE 122, 248; 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 2 b und c der Gründe, BVerfGE 84, 212; 14. Januar 1987 - 1 BvR 1052/79 - zu B II 1 der Gründe, BVerfGE 74, 129; siehe auch BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 33, BAGE 117, 281; kritisch gegenüber einem nur deduktiven Rechtsprechungsverständnis iS reiner Rechtserkenntnis Buchner Gedächtnisschrift R. Dietz S. 175, 184 ff., der die dezisionistischen und damit rechtsetzenden Züge von Rspr. insbesondere bei Gesetzeslücken und Generalklauseln hervorhebt; ihm zustimmend Tillmanns FS Buchner S. 885, 886 f.; für höchstrichterliche Rspr. ähnlich Höpfner RdA 2006, 156, 158, 161 ff.; derselbe NZA 2008, 91, 92; derselbe NZA 2009, 420, 421).

101

(2) Die langjährige Rspr. der Urlaubssenate des Bundesarbeitsgerichts, die seit 1982 vom Verfall von Urlaubs(-abgeltungs)ansprüchen bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums ausging, war zwar geeignet, Vertrauen der Arbeitgeberseite auf die Fortdauer dieser Rspr. zu begründen (vgl. zu der Aufgabe der früheren Rspr., die keinen Verfall angenommen hatte, grundlegend 13. Mai 1982 - 6 AZR 360/80 - zu II 2 bis 4 der Gründe, BAGE 39, 53). Die Vertrauensgrundlage entfiel aber mit Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23. November 1996. Seit dem 24. November 1996 war das Vertrauen von Arbeitgebern auf den Fortbestand der bisherigen Rspr. nicht länger schutzwürdig (zu der nötigen zweistufigen Prüfung nach Vertrauensgrundlage und Schutzwürdigkeit des Vertrauens zB Höpfner RdA 2006, 156, 157 ff.; Löwisch FS Arbeitsgerichtsbarkeit S. 601, 607 ff.; Tillmanns FS Buchner S. 885, 894 ff.).

102

(a) Das Unionsrecht bindet die nationale Rechtsanwendung grundsätzlich mit seinem Inkrafttreten. Für Richtlinien gilt das (spätestens) mit Ablauf der Umsetzungsfrist. Die einzelstaatlichen Gerichte sind ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, das innerstaatliche Recht richtlinienkonform auszulegen oder fortzubilden, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 288 Abs. 3 AEUV zu genügen(vgl. zB EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 60, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2). Eine Rechtsfortbildung ist unionsrechtlich geboten, wenn die nationale Methodenlehre dieses Instrument kennt.

103

(b) Nationaler Vertrauensschutz in eine bestehende, vom Richtlinienrecht abweichende nationale Rspr. ist im Privatrechtsverkehr ausnahmsweise anzuerkennen, wenn das einzelstaatliche Recht der richtlinienkonformen Rechtsfindung Grenzen setzt. In diesem Fall kann sich der nationale Vertrauensschutz durchsetzen (vgl. Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21). Dieses seltene und nur ausnahmsweise anzunehmende Ergebnis wird von der Rspr. des EuGH anerkannt (vgl. 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 61, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2; 26. Oktober 2006 - C-4/05 - [Güzeli] Rn. 36, Slg. 2006, I-10279; 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 110, Slg. 2006, I-6057; 8. Oktober 1987 - Rechtssache 80/86 - [Kolpinghuis Nijmegen] Rn. 13, Slg. 1987, 3969; siehe auch die Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl vom 14. März 2006 in der Sache - C-475/03 - [Banca Popolare di Cremona] Rn. 147).

104

(c) Die Ermittlung nationalen Vertrauensschutzes muss ebenso wie die richtlinienkonforme Rechtsfindung den grundsätzlichen Durchsetzungsanspruch des Unionsrechts beachten. Das System mehrerer rechtlicher Ebenen, die von Unionsrecht und nationalem Recht gebildet werden, ist dem Grundgesetz nicht fremd. Zu Gesetz und Recht, die die innerstaatliche Rspr. nach Art. 20 Abs. 3 GG binden, gehören die unionsrechtlichen Richtlinienvorgaben. Auch das Inkrafttreten einer Richtlinie ist ein vertrauensbegründender Umstand. Der durch die Richtlinie Begünstigte kann sich auf die richtlinienkonforme Auslegung oder Fortbildung des nationalen Rechts verlassen, obwohl die Richtlinie zwischen Privaten nicht unmittelbar wirkt (vgl. Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21).

105

(d) Für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf eine bisherige richtlinienwidrige nationale Rspr. kommt es in dem Mehrebenensystem von Unionsrecht und einzelstaatlichem Recht nicht (nur) darauf an, ob sich die Rechtsunterworfenen überwiegend auf die innerstaatliche Rechtsanwendung verlassen. Die Durchsetzung des Unionsrechts ist in gleichwertiger Weise sicherzustellen wie die Durchsetzung des einzelstaatlichen Rechts (sog. Äquivalenzgrundsatz). Das bedeutet, dass das Vertrauen auf die Durchsetzung unionsrechtlich gewährleisteter Rechte ebenso zu schützen ist wie das Vertrauen auf die Beständigkeit nationaler Rechtsanwendung. Die unionsrechtlich verbürgten Rechte dürfen im Ergebnis nicht leerlaufen (sog. Effektivitätsgrundsatz). Das Unionsrecht verlangt der nationalen Methodenlehre daher ab, seine Durchsetzung so weit wie möglich sicherzustellen (vgl. Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21).

106

(e) Damit kommt es nicht zu einer „verkappten“ unmittelbaren Wirkung von Richtlinien im Privatrechtsverkehr. Vielmehr ist schützenswertes Vertrauen auf eine einzelstaatliche richtlinienwidrige st. Rspr. wegen der Mehrgliedrigkeit von Unionsrecht und innerstaatlichem Recht nur ausnahmsweise anzunehmen. Nationaler Vertrauensschutz setzt besondere Umstände voraus. Die richtlinienwidrige Rechtsfindung darf nur im Ausnahmefall fortgesetzt werden.

107

dd) Die nötigen besonderen Umstände für innerstaatlichen Vertrauensschutz waren seit dem Ende der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23. November 1996 nicht länger gegeben.

108

(1) Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 24. März 2009 (- 9 AZR 983/07 - Rn. 73 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15) für die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs angenommen, jedenfalls ab Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf in der Sache Schultz-Hoff vom 2. August 2006 (- 12 Sa 486/06 - LAGE BUrlG § 7 Nr. 43) sei eine Zäsur in der Rechtsentwicklung eingetreten. Zumindest seit diesem Zeitpunkt habe es sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung gehalten, dass eine richtlinienkonforme Auslegung oder Fortbildung von § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG vorzunehmen sein würde. Der Senat konnte in der Entscheidung vom 24. März 2009 (- 9 AZR 983/07 - Rn. 74, aaO) offenlassen, ob Arbeitgeber vor Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens in der Sache Schultz-Hoff bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums berechtigt auf den Verfall von Urlaubsabgeltungsansprüchen vertrauen durften. Die Ansprüche der Klägerin dieses Rechtsstreits waren bei Bekanntwerden der Vorlage auch nach der früheren Auslegung von § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG durch den Senat noch nicht verfallen.

109

(2) Die Vertrauensschutzerwägungen des Senats im Urteil vom 24. März 2009 (- 9 AZR 983/07 - Rn. 73 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15) sind im Schrifttum auf scharfe Kritik gestoßen (für Vertrauensschutz Bauer/Arnold NJW 2009, 631, 633 f.; dieselben Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 2; Gaul/Bonanni/Ludwig DB 2009, 1013 f., 1017; Kock BB 2009, 1181; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 531 f.; von Steinau-Steinrück/Mosch NJW-Spezial 2009, 338 f.; im Ergebnis offengelassen, aber wohl für Vertrauensschutz Genenger LAGE BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 22 zu IV 2; Picker ZTR 2009, 230, 235 f.; offengelassen von Kamanabrou SAE 2009, 121, 127 und SAE 2009, 233, 236 f.; gegen Vertrauensschutz Abele RdA 2009, 312, 317; Kohte/Beetz jurisPR-ArbR 25/2009 Anm. 1 zu B 5 aE; Rummel AuR 2009, 217 f.; Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 35 f., die einen zeitlich unbegrenzten Ausschluss von Vertrauensschutz erwägt).

110

(3) Beanstandet wird insbesondere die zeitliche Anknüpfung an das Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens (Abele RdA 2009, 312, 317; Kock BB 2009, 1181; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 531 f.; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 97 f.). Die Kritiker meinen, sie widerspreche der Vorgehensweise des Zweiten, des Sechsten und des Achten Senats in der Folge der Entscheidung Junk des EuGH vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - Slg. 2005, I-885) zur Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG(grundlegend BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 32 ff., BAGE 117, 281; bestätigt zB von 12. Juli 2007 - 2 AZR 619/05 - Rn. 20 ff., AP KSchG 1969 § 17 Nr. 33; 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - Rn. 27 ff., AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156; dem zustimmend 22. März 2007 - 6 AZR 499/05 - Rn. 16 ff., EzA KSchG § 17 Nr. 19; 26. Juli 2007 - 8 AZR 769/06 - Rn. 66 f., AP BGB § 613a Nr. 324). Dort wurde Vertrauensschutz angenommen und nicht an das Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens oder der Schlussanträge des Generalanwalts angeknüpft.

111

(4) Die Sachverhaltsgestaltungen, die den Junk-Folgeentscheidungen und der Rezeption des EuGH-Urteils in der Sache Schultz-Hoff vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) durch die Entscheidung des Senats vom 24. März 2009 (- 9 AZR 983/07 - Rn. 73 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15) zugrunde liegen, sind nicht vergleichbar (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 2. Dezember 2009 - 17 Sa 621/09 - zu II 2 d bb (2) (b) der Gründe). Es hielt sich für die Beklagte seit dem Ende der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie am 23. November 1996 im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung, dass die 1982 begonnene st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall von Urlaubs(-abgeltungs)ansprüchen bei Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des in § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG definierten Übertragungszeitraums im Licht der Arbeitszeitrichtlinie zu überprüfen sein würde. Jedenfalls begründet der Fortbestand der Ansprüche auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs in der durchzuführenden Interessenabwägung keine unzumutbare Härte für die Beklagte. Für die Schutzwürdigkeit ihres Vertrauens spricht nur, dass der Senat über das Ende der Umsetzungsfrist für die ursprüngliche Arbeitszeitrichtlinie hinaus an seiner Rspr. zum Verfall von Urlaubs(-abgeltungs)ansprüchen bei Arbeitsunfähigkeit festhielt (vgl. etwa 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116; 7. September 2004 - 9 AZR 587/03 - zu I 2 a der Gründe, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 12). Die Umstände, die für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Klägers auf die richtlinienkonforme Fortbildung von § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG sprechen, überwiegen gegenüber diesem einzigen, für die Beklagte sprechenden vertrauensbegründenden Moment.

112

(a) Nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23. November 1996 standen sich im rechtlichen Mehrebenensystem der Europäischen Gemeinschaften (heute: der Europäischen Union) die Deutungshoheit des EuGH für Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie und die Interpretationskompetenz des Bundesarbeitsgerichts für das Bundesurlaubsgesetz gegenüber. Insofern unterscheidet sich der Streitfall von der geänderten Rspr. des Vierten Senats zu sog. Gleichstellungsabreden (vgl. nur 21. Oktober 2009 - 4 AZR 396/08 - Rn. 17 ff. mwN). Die Ankündigung einer Rechtsprechungsänderung für das nationale Recht auf der Grundlage des Richtlinienrechts kommt hier schon im Hinblick auf die Auslegungskompetenz des EuGH für das Unionsrecht nicht in Betracht. Wegen der innerstaatlichen Bindung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs aus § 125 SGB IX an den Mindesturlaubsanspruch scheidet auch für den Zusatzurlaub die Ankündigung einer geänderten nationalen Rspr. aus.

113

(b) Mit Inkrafttreten von Art. 7 der ersten Arbeitszeitrichtlinie war unklar, ob der EuGH die frühere Auffassung des Senats, wonach Urlaubs(-abgeltungs)ansprüche bei Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums untergingen, auf der Grundlage des Richtlinienrechts teilen würde.

114

(aa) Art. 7 der ersten Arbeitszeitrichtlinie traf nach Ablauf der Umsetzungsfrist mit dem 23. November 1996 auf eine seit über 14 Jahren bestehende Rspr. des BAG zu §§ 1, 3 Abs. 1, § 7 BUrlG. Dadurch unterschied sich die Sachlage von der Geschichte der ersten Massenentlassungsrichtlinie 75/129/EWG (ABl. EG Nr. L 48 vom 22. Februar 1975 S. 29). Art. 3 der ursprünglichen Massenentlassungsrichtlinie wurde durch § 17 KSchG in deutsches Recht umgesetzt(Wißmann FS Bauer S. 1161 f.). Die nationale Rspr. zu § 17 KSchG baute von vornherein auf dem „Fundament“ des Richtlinienrechts auf, während Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie mit einem „alten“ System der Auslegung des nationalen Rechts in Einklang gebracht werden musste.

115

(bb) Mit Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie im Jahr 1996 trat deswegen eine objektive und bedeutende Unsicherheit darin auf, wie § 7 BUrlG richtlinienkonform zu verstehen war.

116

(cc) Der EuGH machte mit seiner ersten Entscheidung BECTU zu Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie seine Auslegungskompetenz für das Unionsrecht deutlich(26. Juni 2001 - C-173/99 - Slg. 2002, I-4881). Er trat dort im Urlaubsrecht erstmals einer nationalen - britischen - Auslegung urlaubsrechtlicher Pflichten entgegen.

117

(dd) Hinzu kommt, dass die Rspr. des Bundesarbeitsgerichts zu § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG bei Arbeitsunfähigkeit nicht von jeher einheitlich war. Der Fünfte Senat, der vor 1982 für das Urlaubsrecht zuständig war, hatte noch angenommen, dass Urlaubsabgeltungsansprüche bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums nicht verfielen (grundlegend 13. November 1969 - 5 AZR 82/69 - zu 2 der Gründe, BAGE 22, 211).

118

(c) Die Sachverhaltsgestaltungen, die den Junk-Folgeentscheidungen und der Schultz-Hoff-Rezeption zugrunde liegen, unterscheiden sich zudem in mehreren für die Schutzbedürftigkeit des Vertrauens der Arbeitgeberseite entscheidenden Gesichtspunkten. Diese Umstände sind in der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Sie schließen eine unzumutbare Härte für die Beklagte durch den Fortbestand der Ansprüche auf Abgeltung des Zusatzurlaubs aus.

119

(aa) Den Arbeitgeber trifft nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG die Handlungspflicht zur Erstattung der Massenentlassungsanzeige gegenüber der Arbeitsverwaltung. Er muss in einer komplexen Handlungssituation darum nachsuchen, dass eine Behörde tätig wird, und damit durch aktives Tun sein Vertrauen betätigen. Der Zweite Senat differenziert in der Frage des Vertrauensschutzes selbst ausdrücklich zwischen der bloßen rechtlichen Beurteilung der Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts und der bereits erfolgten Ausübung eines Gestaltungsrechts (23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 33, BAGE 117, 281; ebenso LAG Berlin-Brandenburg 2. Dezember 2009 - 17 Sa 621/09 - zu II 2 d bb (2) (b) der Gründe).

120

(bb) Der Zweite Senat hatte nicht sehr lange vor der Entscheidung Junk des EuGH vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - Slg. 2005, I-885) mit Urteil vom 18. September 2003 seine bisherige Auffassung bestätigt. Danach kam es für die Erstattung der Massenentlassungsanzeige nicht auf den Zugang der Kündigung, sondern auf die Entlassung - den tatsächlichen Beendigungszeitpunkt - an (18. September 2003 - 2 AZR 79/02 - zu B III der Gründe, BAGE 107, 318). Die Entscheidung vom 18. September 2003 setzte sich im Einzelnen mit den Fragen der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG (ABl. EG Nr. L 225 vom 12. August 1998 S. 16) auseinander. Sie erging nach dem Vorabentscheidungsersuchen des Arbeitsgerichts Berlin in der Sache Junk vom 30. April 2003 (- 36 Ca 19726/02 - ZIP 2003, 1265). Der Zweite Senat stellte deshalb bei der Rezeption der Junk-Vorabentscheidung vor allem darauf ab, dass er selbst noch nach der Vorlage vom 30. April 2003 mit Urteil vom 18. September 2003 einen Vertrauenstatbestand geschaffen und eine richtlinienkonforme Auslegung von § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG verneint habe(vgl. 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - Rn. 30, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156).

121

(cc) Vor der Vorabentscheidung Schultz-Hoff vom 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) mussten Arbeitgeber ihr Vertrauen auf die Fortdauer der nationalen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen bei Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums dagegen nicht aktiv betätigen. Es war ihrem Einfluss entzogen, ob ein Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig bleiben würde. Der Neunte Senat hatte sich in diesem Zusammenhang auch noch nie mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie befasst. Eine vertrauensbildende Auseinandersetzung der Rechtsprechung des BAG mit dem Unionsrecht fehlte. Es handelte sich um eine grundsätzlich neue Fragestellung.

122

(5) Das Vertrauen der Beklagten darauf, dass § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums nicht richtlinienkonform auszulegen oder fortzubilden sein würde, ist aus diesen Gründen nicht schutzwürdig. Der Beklagten ist es zumutbar, die fortbestehenden Ansprüche des Klägers auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs für 2004 und 2005 zu erfüllen.

123

4. Abzugelten sind jeweils fünf Tage für die Jahre 2004 und 2005 (§ 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX iVm. § 7 Abs. 4 BUrlG). Die Forderung beträgt rechnerisch 2.013,54 Euro brutto (4.362,67 Euro brutto x 3 Monate : 13 Wochen : 5 Arbeitstage x 10 Zusatzurlaubstage). Der im Jahr 2004 entstandene Zusatzurlaubsanspruch wurde auf das gesamte Urlaubsjahr 2005 übertragen, weil der Kläger seit dem 8. September 2004 über das Jahresende hinaus bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. September arbeitsunfähig war. Der Urlaubsanspruch war daher nicht erfüllbar. Der Zusatzurlaubsanspruch für das Jahr 2004 trat zu dem Anspruch für 2005 hinzu (vgl. zu einem tariflichen „Revolvingsystem“ Senat 20. August 1996 - 9 AZR 22/95 - zu I 1 b der Gründe, BAGE 84, 23; für eine Zusammenfassung der Ansprüche aus verschiedenen Urlaubsjahren auch ErfK/Dörner § 7 BUrlG Rn. 39o, 46, 46a; AnwK-ArbR/Düwell § 7 BUrlG Rn. 90, 111 ff., 119; zu der ggf. nötigen Kumulation im Bereich des Mindesturlaubs EuGH 6. April 2006 - C-124/05 - [Federatie Nederlandse Vakbeweging] Rn. 24 und 30, Slg. 2006, I-3423). Er wandelte sich ebenso wie der Zusatzurlaubsanspruch aus dem Jahr 2005 mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2005 in einen finanziellen Abgeltungsanspruch um (vgl. AnwK-ArbR/Düwell § 7 BUrlG Rn. 134).

124

III. Die Ansprüche des Klägers auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs für 2004 und 2005 sind ab 4. Oktober 2005 unter dem Gesichtspunkt des Verzugs (§ 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 BGB) zu verzinsen (vgl. zum Zinsbeginn Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 99, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 715/07 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 27, jeweils unter Hinweis auf § 187 Abs. 1 BGB). Der 2. Oktober 2005 war ein Sonntag, der 3. Oktober 2005 ein Feiertag (§ 193 BGB). Der Zinsausspruch für die Abgeltung des Mindesturlaubs von 8.054,00 Euro brutto bereits ab 1. Oktober 2005 ist ebenso wie die entsprechende Verurteilung der Beklagten in der Hauptsache rechtskräftig und nicht zur Entscheidung des Senats angefallen.

125

B. Die Parteien haben die Kosten des Rechtsstreits im Umfang ihres Unterliegens in den Instanzen zu tragen (§ 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., § 97 Abs. 1 ZPO).


        

    Düwell    

        

    Krasshöfer    

        

    Gallner    

        

        

        

    B. Lang    

        

    Preuß    
                 

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 04.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.03.2010 verpflichtet, an die Kläger einen Betrag von 2.630,46 € zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Diese Entscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

Die Kläger begehren in dem von ihnen nach dem Tod des seinerzeit als Beamter in den Diensten der Beklagten stehenden ursprünglichen Klägers aufgenommenem Verfahren (verbundene ursprüngliche Verfahren 12 A 151/09 vom 09.07.2009 und 12 A 80/10 vom 21.04.2010) die Abgeltung dem ursprünglichen Kläger infolge dauerhafter Dienstunfähigkeit vor Versetzung in den Ruhestand nicht gewährten Urlaubs. Über die Klage kann im Einverständnis der Beteiligten (§ 101 Abs. 2 VwGO) ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

2

Mittlerweile ist in der Rechtsprechung geklärt (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.01.2013 – 2 C 10.12) und auch von der Beklagten anerkannt (vgl. das von der Beklagten in Bezug genommene Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 22.04.2013 – D2-30106/2#6), dass ein solcher Abgeltungsanspruch grundsätzlich bestehen kann.

3

Auch ist die aus dem Tenor ersichtliche Höhe des Anspruchs unstreitig, da die auf Bitten des Gerichts von der Beklagten erstellte Berechnung in ihrem Schriftsatz vom 29.07.2013 von Klägerseite nicht in Zweifel gezogen worden ist und auch sonst keinen Bedenken unterliegt.

4

Der von der Beklagten erhobene Einwand, der Anspruch sei mit dem Tod des ursprünglichen Klägers untergegangen, verfängt dagegen nicht. Es braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, ob Ansprüche wie der hier geltend gemachte in jeder Konstellation durch die Erben geltend gemacht werden können. So mag man das Entstehen des Abgeltungsanspruchs ebenso wie das Realisieren des ursprünglichen Urlaubsanspruchs als von einem nur durch den Berechtigten persönlich ins Werk zu setzenden voluntativen Moment abhängig ansehen, welches von den Erben nicht ersatzweise ausgeübt werden kann. Im vorliegenden Fall bestehen an einer solchen Willensbetätigung des ursprünglich

5

Berechtigten jedoch keine Zweifel.

6

Denn jedenfalls dann, wenn wie vorliegend der ursprünglich Urlaubsberechtigte noch zu seinen Lebzeiten den entsprechenden auf Geld gerichteten Abgeltungsanspruch gerichtlich geltend gemacht hat, steht nur noch ein reiner Geldanspruch im Streit, mithin ein Vermögensgegenstand wie jeder andere. Der ursprünglich höchstpersönliche Charakter des Urlaubsanspruchs geht insofern spätestens in diesem Zeitpunkt unter und wird durch den Ersatzanspruch abgelöst. Dies entspricht in etwa dem mit Wirkung zum 01.07.1990 aufgehobenen Beschränkungsmodell in § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F., nach der Schmerzensgeldansprüche nicht übertragbar waren und nur dann auf die Erben übergingen, wenn sie durch Vertrag anerkannt waren oder rechtshängig geworden sind.

7

Eine die Vererblichkeit von bereits rechtshängig gemachten Urlaubsersatzansprüchen einschränkende Regelung ist vorliegend jedenfalls nicht ausdrücklich getroffen und kann entgegen den Ausführungen der Beklagten auch nicht in den Regelungen des Beamtenversorgungsgesetzes erblickt werden. Insofern kann mit der Klägerseite ergänzend auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.04.2010 – 2 C 77/08, BVerwGE 137, 30 ff. bezüglich der Vererblichkeit von Beihilfeansprüchen verwiesen werden. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

8

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.


(1) Für alle Klagen der Beamtinnen, Beamten, Ruhestandsbeamtinnen, Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis sowie für Klagen des Dienstherrn ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

(2) Vor allen Klagen ist ein Vorverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung durchzuführen. Dies gilt auch dann, wenn die Maßnahme von der obersten Dienstbehörde getroffen worden ist. Ein Vorverfahren ist nicht erforderlich, wenn ein Landesgesetz dieses ausdrücklich bestimmt.

(3) Den Widerspruchsbescheid erlässt die oberste Dienstbehörde. Sie kann die Entscheidung für Fälle, in denen sie die Maßnahme nicht selbst getroffen hat, durch allgemeine Anordnung auf andere Behörden übertragen. Die Anordnung ist zu veröffentlichen.

(4) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Abordnung oder Versetzung haben keine aufschiebende Wirkung.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. April 2010 - 16 Sa 1502/09 - aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 16. Oktober 2009 - 2 Ca 1497/09 - wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin und ihr Sohn sind gemeinschaftliche Erben des am 16. April 2009 verstorbenen Ehemanns der Klägerin (Erblasser).

2

Der Erblasser war seit dem 23. April 2001 bis zu seinem Tod als Kraftfahrer bei der Beklagten mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst iHv. 2.000,00 Euro in einer Fünf-Tage-Woche beschäftigt. Der jährliche Urlaubsanspruch des Erblassers betrug 28 Arbeitstage. Seit dem 14. April 2008 war er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. In den Jahren 2008 und 2009 war ihm kein Urlaub gewährt worden.

3

Nachdem die Klägerin - unter Fristsetzung bis zum 5. Juni 2009 - von der Beklagten erfolglos die Abgeltung des Urlaubs des Erblassers verlangte, hat sie schließlich Mitte 2009 Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben.

4

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe den Urlaub aus den Jahren 2008 und 2009, den sie dem Erblasser nicht gewährt habe, abzugelten. Die bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses andauernde Erkrankung des Erblassers stehe dem erhobenen Urlaubsabgeltungsanspruch nicht entgegen. Die anderslautende bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei aufgrund der Vorgaben des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG insoweit abzuändern. Denn Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG eröffne die finanzielle Vergütung von Mindesturlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die einen nach § 1922 BGB übertragbaren Vermögensanspruch darstelle.

5

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.692,31 Euro brutto Urlaubsabgeltung zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Juni 2009 zu zahlen;

        

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft nach Herrn H 3.692,31 Euro brutto Urlaubsabgeltung zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Juni 2009 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Urlaubsanspruch sei mit dem Tod des Erblassers erloschen. Ein Abgeltungsanspruch habe deshalb nicht entstehen können.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht dem Hilfsantrag teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, insgesamt 35 Urlaubstage aus den Jahren 2008 und 2009 mit einem Gesamtbetrag iHv. 3.230,50 Euro brutto nebst anteiliger Zinsen abzugelten. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte begehrt mit der Revision die Abweisung der Klage, soweit das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben hat.

Entscheidungsgründe

8

A. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, die Beklagte sei verpflichtet, an die Erbengemeinschaft Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.230,50 Euro brutto nach § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1, §§ 2032, 2039 BGB zu zahlen.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, die Klage sei zulässig.

10

Die Klägerin ist prozessführungsbefugt, obwohl sie nur Miterbin neben ihrem Sohn ist. § 2039 Satz 1 BGB verleiht dem einzelnen Miterben die Prozessführungsbefugnis zur Durchsetzung von Ansprüchen, die der Erbengemeinschaft gegen Dritte zustehen(vgl. Palandt/Weidlich BGB 70. Aufl. § 2039 Rn. 6 ff.). Deshalb kann die Klägerin als Miterbin gemäß § 1922 Abs. 1, § 2032 Abs. 1, § 2039 Satz 1 BGB etwaige zum Nachlass gehörende Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis - wie den behaupteten Urlaubsabgeltungsanspruch - für die Erbengemeinschaft gerichtlich geltend machen. Ob das behauptete Recht tatsächlich besteht, ist eine Frage der Begründetheit der Klage.

11

II. Die Klage ist unbegründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts erwarb die Erbengemeinschaft gegen die Beklagte als ehemalige Arbeitgeberin des Erblassers keinen Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.230,50 Euro brutto nach § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1 BGB.

12

1. Dabei kann dahinstehen, ob die Annahme des Landesarbeitsgerichts zutrifft, dass ein entstandener Urlaubsabgeltungsanspruch im Hinblick auf die neuere Senatsrechtsprechung zur Urlaubsabgeltung bei dauernder Arbeitsunfähigkeit (vgl. grundlegend BAG 24. März 2009 9 AZR 983/07 - Rn. 47 ff., BAGE 130, 119; fortgeführt von BAG 23. März 2010 9 AZR 128/09 - Rn. 70, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 16; 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 18, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17)als reine Geldforderung nunmehr vererbbar ist und nach § 1922 Abs. 1 BGB in den Nachlass fällt(vgl. hierzu näher AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 141). Denn vorliegend ist bereits kein Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG entstanden, der nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben hätte übergehen können.

13

2. Zwar traten die Klägerin und ihr Sohn als Erben mit dem Erbfall im Wege der Universalsukzession (§ 1922 Abs. 1 BGB) in sämtliche Rechtsverhältnisse des Erblassers mit der Folge ein, dass sie aus diesen Rechtsverhältnissen des Erblassers berechtigt und verpflichtet wurden. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch des Erblassers, der Teil der Erbmasse hätte sein können, bestand jedoch nicht. Der Urlaubsanspruch des Erblassers ging mit dessen Tod unter und konnte sich nicht in einen Abgeltungsanspruch iSv. § 7 Abs. 4 BUrlG umwandeln.

14

a) Es entspricht bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass kein Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG entsteht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers beendet wird(vgl. zuletzt BAG 20. Januar 1998 - 9 AZR 601/96 - zu I 2 b der Gründe; 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 2 der Gründe, BAGE 70, 348; 26. April 1990 - 8 AZR 517/89 - zu I 1 b der Gründe, BAGE 65, 122).

15

aa) Im Streitfall endete das Arbeitsverhältnis zwischen dem Erblasser und der Beklagten aufgrund des Todes des Erblassers. Wenn die Pflicht zur Arbeitsleistung - wie hier - nicht übertragbar ist, endet das Arbeitsverhältnis mit dem Tod des Arbeitnehmers (vgl. BAG 16. Mai 2000 9 AZR 277/99 - zu I 2 d der Gründe, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 20 = EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 36). Dies folgt mittelbar aus § 613 Satz 2 BGB. Der Arbeitnehmer hat die von ihm geschuldete Arbeitsleistung im Regelfall in Person zu erbringen. Mangels Übertragbarkeit der Arbeitspflicht geht sie nicht gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben über. Der Ausnahmefall einer übertragbaren Arbeitspflicht lag hier nicht vor.

16

bb) Gleiches gilt nach bisheriger Rechtsprechung für den Urlaubsanspruch. Danach setzt der Anspruch auf Abgeltung von Urlaub nach § 7 Abs. 4 BUrlG voraus, dass der Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses lebt(BAG 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 1 und 2 der Gründe, BAGE 70, 348 ). Endet das Arbeitsverhältnis hingegen mit dem Tod des Arbeitnehmers, so erlischt mit der Beendigung zugleich der Urlaubsanspruch. Es kann deshalb kein Urlaubsabgeltungsanspruch mehr entstehen (vgl. BAG 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 3 der Gründe, aaO; 26. April 1990 - 8 AZR 517/89 - zu I 1 b der Gründe, BAGE 65, 122; so auch weiterhin das überwiegende Schrifttum: ErfK/Dörner/Gallner 11. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 51; ErfK/Preis § 613 BGB Rn. 6; HWK/Schinz 4. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 118; Arnold/Tillmanns/Zimmermann BUrlG 2. Aufl. § 1 Rn. 66; Staudinger/Richardi/Fischinger (2011) § 613 BGB Rn. 15; aA Schipper/Polzer NZA 2011, 80; ArbG Potsdam 15. Februar 2011 - 3 Ca 1512/10 -).

17

Der Urlaubsabgeltungsanspruch wurde lange Zeit ebenso wie die Arbeitspflicht als höchstpersönlich und nicht übertragbar angesehen. Das mit der Surrogation begründete Merkmal der Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs im fiktiv fortbestehenden Arbeitsverhältnis (Kern der sog. Surrogatstheorie; vgl. BAG 5. Dezember 1995 - 9 AZR 871/94 - BAGE 81, 339) hat der Senat jedoch in seiner reformierten Rechtsprechung zur Umsetzung der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Schultz-Hoff aufgegeben (vgl. grundlegend BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 44 ff., BAGE 130, 119; fortgeführt von BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 70, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 16; 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 17, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17). Danach ist der Urlaubsabgeltungsanspruch nur noch ein reiner Geldanspruch. Davon bleibt die Rechtsnatur des Urlaubsanspruchs unberührt; denn Urlaub kann nur dem Arbeitnehmer durch Freistellung von dessen (höchstpersönlicher) Arbeitspflicht gewährt werden (vgl. BAG 28. August 2001 - 9 AZR 611/99 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 99, 5). Inhalt des Urlaubsanspruchs ist deshalb nach §§ 1, 3 BUrlG die Beseitigung der Arbeitspflicht für die Dauer der Urlaubszeit. Da die Arbeitspflicht nach § 613 BGB regelmäßig an die Person des Arbeitnehmers gebunden ist, können solche Pflichten, auf die der Urlaubsanspruch bezogen ist, nach dem Tode des Arbeitnehmers - als dem zur Arbeit Verpflichteten - nicht mehr entstehen. Ein Urlaubsanspruch entfällt daher schon deshalb, weil ein Arbeitgeber ihn nicht erfüllen könnte. Zudem endet das Arbeitsverhältnis zugleich mit dem Tod des Arbeitnehmers (arg. § 613 BGB ), sodass ein Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz nicht in Betracht kommt. Aus diesem Grunde scheidet ebenso das Entstehen eines Urlaubsabgeltungsanspruchs iSv. § 7 Abs. 4 BUrlG aus Anlass dieser Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus, weil der Arbeitnehmer als möglicher Anspruchsinhaber eines Abgeltungsanspruchs, der nur in seiner Person entstehen könnte, nicht mehr lebt(vgl. BAG 26. April 1990 - 8 AZR 517/89 - zu I 1 b der Gründe, BAGE 65, 122; fortgeführt von BAG 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 2 der Gründe, BAGE 70, 348). Entsteht aber kein Abgeltungsanspruch in der Person des Arbeitnehmers, kann er auch nicht in den Nachlass fallen. Hieran hält der Senat im Ergebnis fest.

18

b) Nach Aufgabe des Merkmals der Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs (grundlegend BAG 24. März 2009 -  9 AZR 983/07  - Rn. 44 ff., BAGE 130, 119; fortgeführt von BAG 23. März 2010 -  9 AZR 128/09  - Rn. 70, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 16) kann das Entstehen eines Abgeltungsanspruchs nach § 7 Abs. 4 BUrlG aus folgenden Gründen nicht mehr verneint werden: Der Arbeitnehmer hätte bei(fiktivem) Fortbestand des Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitsunfähigkeit nicht freigestellt werden können und deshalb müsse der Abgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs ebenso wie der Urlaubsanspruch untergehen (vgl. BAG 20. Januar 2008 - 9 AZR 601/96 - zu I 2 b der Gründe; so auch noch Leinemann/Linck Urlaubsrecht 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 218). Nunmehr gilt Folgendes:

19

aa) Der für die Gesetzesauslegung maßgebliche Wortlaut des § 7 Abs. 4 BUrlG bestimmt, dass der Urlaub abzugelten ist, soweit er „wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden“ kann. Den Grund für das Entstehen des Abgeltungsanspruchs stellt demnach die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar. Der zu diesem Zeitpunkt noch bestehende Urlaubsanspruch wird nach § 7 Abs. 4 BUrlG mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Abgeltungsanspruch ersetzt. Maßgeblicher Zeitpunkt für dessen Entstehen ist damit das Ende des Arbeitsverhältnisses.

20

(1) Der Abgeltungsanspruch entsteht folglich nicht bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem feststeht, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Termin enden wird und eine Urlaubsnahme nicht möglich ist (so aber Compensis DB 1992, 888, 892). Vielmehr entsteht dieser nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 7 Abs. 4 BUrlG erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

21

(2) Zudem folgt bereits aus der Formulierung des § 7 Abs. 4 BUrlG selbst, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein noch offener Urlaubsanspruch bestehen muss, der sodann wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann und deshalb kraft Gesetzes abzugelten ist. So heißt es ausdrücklich in § 7 Abs. 4 BUrlG: „Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses … nicht mehr gewährt werden...“ Ein Urlaubsabgeltungsanspruch kann danach nur dann entstehen, wenn der Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch einen Urlaubsanspruch hatte (vgl. auch ErfK/Dörner/Gallner § 7 BUrlG Rn. 51).

22

bb) Mit dem Tod des Arbeitnehmers erlischt dessen regelmäßig höchstpersönliche Leistungspflicht im Sinne des § 613 Satz 1 BGB. Hieraus folgt zugleich, dass auch alle Ansprüche auf Befreiung von dieser Arbeitspflicht untergehen (vgl. ErfK/Preis § 613 BUrlG Rn. 5). Verstirbt ein Arbeitnehmer, so erlischt bereits deshalb zugleich auch sein auf Befreiung von der Arbeitspflicht gerichteter Urlaubsanspruch. Der Urlaubsabgeltungsanspruch kann damit nicht vor dem Tod des Arbeitnehmers, der erst zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, entstanden sein. § 7 Abs. 4 BUrlG statuiert insoweit mittelbar ein Abgeltungsverbot im bestehenden Arbeitsverhältnis. Im Gesetzesentwurf der SPD-Fraktion zum BUrlG vom 23. Januar 1962 war dies noch klarer formuliert. Nach dessen § 6 Abs. 3 sollte eine Abgeltung des Urlaubs nur statthaft sein, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr als Freizeit gewährt werden kann(BT-Drucks. IV/142, abgedr. in RdA 1962, 142). Nur für den Fall, dass der Arbeitnehmer infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Urlaub ganz oder teilweise nicht mehr erhalten kann, sollte die Abgeltung erlaubt sein. Die Regelung soll eine Ausnahme vom finanziellen Abgeltungsverbot allein für den Fall der Beendigung zulassen, um den Arbeitnehmer vor völligem Anspruchsverlust wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu schützen (vgl. auch HK-ArbR/Holthaus 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 99). Dabei kann dahinstehen, ob sich der Urlaubsanspruch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses oder erst danach in einen Abgeltungsanspruch umwandelt. Der mit dem Tod des Arbeitnehmers untergehende Urlaubsanspruch kann sich jedenfalls nicht zeitgleich in einen Abgeltungsanspruch umwandeln. Anspruchsuntergang und gleichzeitige Umwandlung des Anspruchs schließen sich aus.

23

cc) Schließlich spricht der systematische Kontext des § 7 Abs. 4 BUrlG dafür, dass der Tod als Auslöser für einen Abgeltungsanspruch nach dieser Norm ausscheidet. Denn § 7 Abs. 4 BUrlG stellt einen besonders geregelten Fall des Leistungsstörungsrechts dar, der die allgemeinen Regelungen des § 275 ff. BGB, die ansonsten bei Unmöglichkeit von Leistungen gelten, verdrängt (vgl. hierzu auch HWK/Schinz § 7 BUrlG Rn. 111). Die Erfüllung des eigentlichen Urlaubsanspruchs durch Freistellung ist wegen der Beendigung nicht mehr möglich. An dessen Stelle tritt sodann (als Ersatzanspruch) der Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Stirbt der Arbeitnehmer, ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ursächlich für die Unmöglichkeit, den Urlaubsanspruch zu erfüllen (so auch HK-ArbR/Holthaus § 7 BUrlG Rn. 102; Friese Urlaubsrecht Rn. 458, 463; aA Schipper/Polzer NZA 2011, 80, 81). Denn stirbt der Arbeitnehmer, so folgt daraus zugleich auch, dass auch der auf die Beseitigung der nach § 613 Satz 1 BGB regelmäßig höchstpersönlichen Arbeitspflicht gerichtete Urlaubsanspruch mit dem Tod untergeht. Dementsprechend führt gerade nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern vielmehr bereits der Tod des Arbeitnehmers zum Untergang des Urlaubsanspruchs.

24

dd) Dem steht nicht entgegen, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für das Entstehen des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach § 7 Abs. 4 BUrlG grundsätzlich nicht auf die Art der Beendigung ankommt(vgl. etwa BAG 18. Oktober 1990 - 8 AZR 490/89 - zu 3 b der Gründe, BAGE 66, 134). So ist die Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich unerheblich. Der Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht nicht nur bei Beendigung wegen Befristung, Kündigung oder Aufhebungsvertrag, sondern etwa auch bei Eintritt einer auflösenden Bedingung (vgl. zum Erreichen der Altersgrenze: BAG 21. April 1966 - 5 AZR 510/65 - AP BUrlG § 7 Nr. 3). Insbesondere ist es irrelevant, welche Arbeitsvertragspartei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst hat. Deshalb entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch auch, wenn der Arbeitnehmer die Beendigung verschuldet hat (vgl. BAG 18. Juni 1980 - 6 AZR 328/78 - zu 1 b der Gründe, AP BUrlG § 13 Unabdingbarkeit Nr. 6 = EzA BUrlG § 13 Nr. 14). Ebenso wenig kommt es darauf an, auf welchem rechtlichen Weg die Beendigung herbeigeführt wird.

25

Die einzige Ausnahme von diesem Grundsatz bildet nach der Rechtsprechung der Tod des Arbeitnehmers (vgl. BAG 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 2 der Gründe, BAGE 70, 348; 26. April 1990 - 8 AZR 517/89 - zu I 1 b der Gründe, BAGE 65, 122).

26

c) Diese Grundsätze stehen im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (sog. Arbeitszeitrichtlinie; ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9).

27

aa) Danach darf der jedem Arbeitnehmer nach Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie zustehende bezahlte Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Damit geht auch die Richtlinie grundsätzlich von einem Abgeltungsverbot im laufenden Arbeitsverhältnis aus (vgl. so bereits zur Vorgängerrichtlinie 93/104/EG in der Fassung der Richtlinie 2000/34 /EG: EuGH 6. April 2006 - C-124/05 - [Federatie Nederlandse Vakbeweging] Rn. 29 ff., Slg. 2006, I-3423). Wenn das Arbeitsverhältnis endet, ist es nicht mehr möglich, bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Deshalb sieht die Regelung des Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie für diesen Fall einen Anspruch vor, der den bezahlten Mindesturlaub durch eine finanzielle Vergütung ersetzt. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass dem Arbeitnehmer wegen der Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses jeder Genuss des bezahlten Jahresurlaubsanspruchs, selbst in finanzieller Form, verwehrt wird (vgl. EuGH 20. Januar 2009 -  C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 56, Slg. 2009, I-179).

28

bb) Aus diesen sowohl von § 7 Abs. 4 BUrlG als auch von Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie verfolgten Zwecken(Abgeltungsverbot des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis einerseits sowie Schutz des Arbeitnehmers vor völligem Anspruchsverlust bei Beendigung durch eine finanzielle Vergütung anderseits) folgt zugleich, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nur in der Person des ausgeschiedenen Arbeitnehmers entstehen kann. Denn sowohl die Normierung des Abgeltungsverbots im laufenden Arbeitsverhältnis als auch die Zuerkennung einer finanziellen Vergütung im Falle der Beendigung - anstelle des dem Arbeitnehmer sonst zustehenden Urlaubs - knüpfen an dessen Person an.

29

cc) Unerheblich ist im Streitfall der Umstand, dass der Erblasser bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt war.

30

Denn Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie steht lediglich einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegen, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte(vgl. EuGH 20. Januar 2009 -  C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 49, 52, Slg. 2009, I-179). Dies führt jedoch lediglich dazu, dass entsprechend der neueren Senatsrechtsprechung der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch bei andauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht mehr nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG befristet ist.

31

Hingegen beruht das Erlöschen des Urlaubsanspruchs bei Versterben des Arbeitnehmers nicht auf einer nationalen Befristungsregelung. Vielmehr führt der Tod des Arbeitnehmers zum Untergang des Urlaubsanspruchs.

32

Zudem handelt es sich bei dem Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union um einen besonders bedeutsamen Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft. Der Arbeitnehmer muss regelmäßig über eine tatsächliche Ruhezeit verfügen können, damit ein wirksamer Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit sichergestellt ist. Nur für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis beendet wird, lässt Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie zu, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub durch eine finanzielle Vergütung ersetzt wird. Mit dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wird das Ziel verfolgt, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen (vgl. EuGH 20. Januar 2009 -  C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 22 ff., Slg. 2009, I-179). Dies belegt, dass die Regelung des Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie ihrem Zweck nach dem Schutz des Arbeitnehmers dient. Dieser Zweck kann jedoch nur zu Lebzeiten des Arbeitnehmers erfüllt werden. Es wird an die Person des Arbeitnehmers angeknüpft. Deshalb steht ebenso wie Art. 7 Abs. 2 auch Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie einem Erlöschen des Urlaubsanspruchs bei Tod des Arbeitnehmers mit der Folge des Nichtentstehens eines Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht entgegen.

33

d) Dementsprechend scheidet auch eine erstmalige unmittelbare und originäre Anspruchsentstehung in der Person des Erben aus (vgl. hierzu auch Arnold/Tillmanns/Zimmermann § 1 Rn. 66; aA wohl Schipper/Polzer NZA 2011, 80, 81). Das gilt unabhängig davon, dass § 7 Abs. 4 BUrlG den Anspruchsinhaber nicht ausdrücklich benennt, zumal § 7 Abs. 4 BUrlG kein eigenes Forderungsrecht des Erben normiert, das durch den Tod des Arbeitnehmers ausgelöst wird, wie dies etwa § 844 ff. BGB bei unerlaubten Handlungen für Ersatzansprüche Dritter bei Tötung vorsehen. Selbst wenn man also mit dem Landesarbeitsgericht davon ausgeht, dass es sich beim Abgeltungsanspruch um eine Geldleistung ohne strikte Zweckbindung oder um eine Art finanzielle Abfindung (so AnwK-ArbR/Düwell § 7 BUrlG Rn. 141) handelt, ändert dies nichts daran, dass dieser zunächst eine Entstehung in der Person des Arbeitnehmers voraussetzt.

34

Ob der Urlaubsabgeltungsanspruch vererbbar ist, ist eine hiervon zu trennende Frage, die im Streitfall nicht entscheidungserheblich ist. Dies hat das Landesarbeitsgericht außer Acht gelassen.

35

3. Der Erblasser erwarb auch nicht noch zu Lebzeiten ein Anwartschaftsrecht auf Urlaubsabgeltung, das als vermögenswertes Recht nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben hätte, übergehen und dort zum Vollrecht erstarken können. Denn die Voraussetzungen für ein entsprechendes Anwartschaftsrecht sind nicht erfüllt.

36

a) Dies entspricht schon der bisherigen Senatsrechtsprechung. Danach besteht neben dem Urlaubsanspruch kein Anwartschaftsrecht auf Urlaubsabgeltung, das als vermögenswertes Recht nach § 1922 BGB auf die Erben übergehen und dort zum Vollrecht erstarken könnte. Dies hat der Senat allerdings damit begründet, dass der Abgeltungsanspruch unter den im Gesetz oder im Tarifvertrag genannten Voraussetzungen als Surrogat anstelle des untergehenden Urlaubsanspruchs und damit seinerseits als Vollrecht nur in der Person des Arbeitnehmers entstehe. Sterbe dieser, so entstehe der Anspruch nicht (vgl. BAG 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 3 der Gründe, BAGE 70, 348).

37

b) Diese Begründung lässt sich nicht mehr aufrechterhalten. Sie beruht noch auf der Surrogatstheorie. Der Senat hat infolge der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Schultz-Hoff die Surrogatstheorie, jedenfalls für den Fall der andauernden Arbeitsunfähigkeit, aufgegeben. Danach stellt der Urlaubsabgeltungsanspruch zumindest bei andauernder Arbeitsunfähigkeit eine auf finanzielle Vergütung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie gerichtete reine Geldforderung dar(vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 17 ff., EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17; 23. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 44 ff., BAGE 130, 119).

38

c) Ein Anwartschaftsrecht entsteht immer dann, wenn von einem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass von einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann (vgl. Palandt/Ellenberger Einf. v. § 158 BGB Rn. 9 mwN). Eine solche gesicherte Rechtsposition besteht hinsichtlich des Urlaubsabgeltungsanspruchs im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht. Denn während des laufenden Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer nur Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht. Dies folgt bereits aus dem sich aus § 7 Abs. 4 BUrlG ergebenden Abgeltungsverbot. Danach darf der Urlaub nur abgegolten werden, soweit er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann. Dieses Abgeltungsverbot steht der Annahme entgegen, ein Urlaubsabgeltungsanspruch entstehe im laufenden Arbeitsverhältnis. Im laufenden Arbeitsverhältnis ist der Urlaubsanspruch durch Freistellung des Arbeitnehmers zu erfüllen. Demgegenüber entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch erst unmittelbar mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses anstelle des noch bestehenden Urlaubsanspruchs in der Person des Arbeitnehmers. Es steht deshalb im laufenden Arbeitsverhältnis nicht fest, ob überhaupt ein Abgeltungsanspruch entstehen kann. Zunächst und vorrangig ist der Urlaub durch Freistellung zu gewähren.

39

d) Ein Anwartschaftsrecht könnte hier ohnehin nicht mit dem Tod des Arbeitnehmers zu einem Vollrecht auf Urlaubsabgeltung erstarken. Denn wie bereits unter A II 2 dargelegt, geht der Anspruch des Erblassers auf Urlaub stets mit dessen Tod unter und kann sich nicht in einen Abgeltungsanspruch umwandeln.

40

4. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts konnte ein Urlaubsabgeltungsanspruch auch nicht als werdendes Recht auf die Erben nach § 1922 Abs. 1 BGB übergehen.

41

a) Hierzu hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, der Umstand, dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt seines Todes einen Geldleistungsanspruch nicht besessen habe, stehe der Vererbbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht entgegen. Zwar entstehe dieser, da die Urlaubsabgeltung das Ende des Arbeitsverhältnisses voraussetze, erst mit dem Tod des Arbeitnehmers. Doch handele es sich insoweit um einen noch „nicht fertigen, im Werden begriffenen Anspruch“, dessen Vererbbarkeit bei nicht höchstpersönlichen Angelegenheiten grundsätzlich anerkannt sei.

42

b) Zutreffend ist insoweit allein, dass im Rahmen der Gesamtrechts-nachfolge nach § 1922 Abs. 1 BGB Erben grundsätzlich auch in werdende Rechte, sog. Rechtsverkehrslagen, eintreten (vgl. Palandt/Weidlich § 1922 Rn. 26; Staudinger/Marotzke (2008) § 1922 BGB Rn. 303 ff.; MünchKommBGB/Leipold 5. Aufl. § 1922 Rn. 41). Denn der Tod unterbricht die rechtlichen Beziehungen des Menschen in dem Zustand, in welchem sie sich gerade befinden. Deshalb können auf den Erben auch vorgefundene noch im Werden begriffene Rechte und Rechtsbeziehungen übergehen, zu deren vollständiger Entstehung es noch weiterer Ereignisse oder Willenserklärungen bedarf. In der Person des Erben kann sich die Entstehung eines Rechts in dieser Situation in derselben Weise vollenden, wie dies bei Fortleben des Erblassers möglich gewesen wäre (vgl. MünchKommBGB/Leipold aaO; Bamberger/Roth/Müller-Christmann BGB 2. Aufl. § 1922 Rn. 48).

43

c) Bei einem (unterstellten) Fortleben des Erblassers über den 16. April 2009 hinaus würde das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten unverändert fortbestehen. Für einen Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG wäre von vornherein überhaupt kein Raum. Vielmehr stände dem Erblasser der - wegen der seit 14. April 2008 andauernden Arbeitsunfähigkeit - nicht realisierbare gesetzliche Mindest- und vertragliche Mehrurlaub aus den Jahren 2008 und 2009 weiterhin zu. Der gesetzliche Mindesturlaub aus dem Jahr 2008 war wegen der andauernden Arbeitsunfähigkeit nach der maßgeblichen neueren Senatsrechtsprechung nicht nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG befristet(vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 18, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17). Entsprechendes gilt auch für den vertraglichen Mehrurlaub. Zwar können die Parteien des Einzelarbeitsvertrags Urlaubsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und von § 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Mindestjahresurlaubsanspruch von vier Wochen übersteigen, frei regeln, doch müssen für einen Regelungswillen der Arbeitsvertragsparteien, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen vertraglichen Ansprüchen unterscheidet, im Rahmen der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB deutliche Anhaltspunkte bestehen(vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 25, aaO; 24. März 2009 9 AZR 983/07  - Rn. 81 ff., BAGE 130, 119 ). Im Streitfall gibt es jedoch, wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, keine Anhaltspunkte, die auf eine Ausnahme von der Regel des „Gleichlaufs“ der Ansprüche hindeuten. Der Arbeitsvertrag, der den Erblasser und die Beklagte verband, enthält keine abweichende Regelung für den übergesetzlichen Mehrurlaub. Deshalb war auch dessen Abgeltung an die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 BUrlG gebunden und daher nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich.

44

Der Tod unterbricht im vorliegenden Fall gerade nicht die „Vollendung“ des Urlaubsabgeltungsanspruchs, da bei Fortleben des Ehemanns der Klägerin mangels Beendigung des Arbeitsverhältnisses schon kein Urlaubsabgeltungsanspruch entstanden wäre. Dies hat das Landesarbeitsgericht übersehen.

45

d) Darüber hinaus ist die finanzielle Abgeltung des nicht verfallenen gesetzlichen Mindesturlaubs im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich verboten. Es handelte sich unter Verstoß gegen § 1 iVm. § 13 Abs. 1 BUrlG letztlich um einen „Abkauf“ von Urlaub(vgl. HWK/Schinz § 7 BUrlG Rn. 98). Von einem Abgeltungsverbot im bestehenden Arbeitsverhältnis geht zudem auch Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie aus, wonach der bezahlte Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf. Deshalb steht Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie nationalen Rechtsvorschriften entgegen, die es während der Dauer des Arbeitsverhältnisses erlauben, dass die Tage eines Jahresurlaubs, die nicht in einem bestimmten Jahr genommen werden, durch eine finanzielle Vergütung in einem späteren Jahr ersetzt werden(vgl. so bereits zur Vorgängerrichtlinie 93/104/EG in der Fassung der Richtlinie 2000/34 /EG: EuGH 6. April 2006 - C-124/05 - [Federatie Nederlandse Vakbeweging] Rn. 29 ff., Slg. 2006, I-3423 ).

46

e) Überdies ist der Ausgangspunkt der Überlegungen des Landesarbeitsgerichts unzutreffend, dass der Urlaubsanspruch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers nicht erloschen sei und ein Urlaubsabgeltungsanspruch bestehe.

47

5. Die Klägerin beruft sich ohne Erfolg hilfsweise auf Schadensersatz.

48

Es bestand kein Anspruch des Erblassers gegenüber der Beklagten auf Schadensersatz, der nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben hätte übergehen können. Ein Schadensersatzanspruch nach § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 249 BGB kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber sich gegenüber dem Erblasser bereits zu dessen Lebzeiten in Verzug mit der Leistung befand. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Beklagte konnte bis zum Tod des Erblassers mit der Urlaubsgewährung schon deshalb nicht in Verzug geraten, da dessen Urlaubsanspruch aufgrund der andauernden Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllbar war. Erst recht war die Beklagte nicht mit der Urlaubsabgeltung in Verzug, da dem Erblasser ein solcher Anspruch mangels Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu Lebzeiten nicht zustand.

49

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Düwell    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Ropertz    

        

    Faltyn    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011 - 6 Sa 21/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerinnen haben die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin zu 1. und die Klägerin zu 2. (Klägerinnen) begehren von der Beklagten, Urlaub aus den Jahren 2006 bis 2009 abzugelten.

2

Die Klägerinnen sind Erbinnen ihrer am 20. Januar 2010 verstorbenen Mutter (Erblasserin). Die Beklagte beschäftigte diese seit dem 4. Oktober 2006 bis zu ihrem Tod als Promotionsmitarbeiterin. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vom 11. September 2006 hatte die seit dem 14. August 2008 als schwerbehindert anerkannte Erblasserin einen Anspruch auf jährlich 28 Werktage Urlaub. Vom 10. Februar 2007 bis zu ihrem Tod war sie durchgehend arbeitsunfähig krank.

3

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2009 erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2009. Die spätere Erblasserin erhob Kündigungsschutzklage und verlangte im Weiteren ohne Erfolg von der Beklagten, ihr für das Jahr 2006 einen Arbeitstag, für das Jahr 2007 28 Arbeitstage, für das Jahr 2008 33 Arbeitstage und für das Jahr 2009 35 Arbeitstage Urlaub zu gewähren. Hilfweise beantragte sie, den Urlaub abzugelten.

4

Mit rechtskräftigem Teilanerkenntnisurteil vom 2. Februar 2010 stellte das Arbeitsgericht fest, das Arbeitsverhältnis zwischen der Erblasserin und der Beklagten sei nicht durch die Kündigung vom 22. Oktober 2009 aufgelöst worden, sondern habe erst mit dem Tod der Erblasserin am 20. Januar 2010 sein Ende gefunden.

5

Die Klägerinnen haben die Rechtsauffassung vertreten, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung falle als bloße Geldforderung in den Nachlass der Erblasserin. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung offener Urlaubsansprüche sei seiner Natur nach eine Art finanzielle Abfindung für die Urlaubsansprüche, die der Arbeitgeber bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht erfüllt habe.

6

Die Klägerinnen haben zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2006 Urlaubsabgeltung über einen Urlaubstag iHv. 74,31 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2007 Urlaubsabgeltung iHv. 2.080,62 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2007 schwerbehindertenrechtliche Urlaubsabgeltung für fünf Tage iHv. 371,54 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2008 Urlaubsabgeltung iHv. 2.080,62 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

5.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2008 schwerbehindertenrechtliche Urlaubsabgeltung für fünf Tage iHv. 371,54 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

6.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2009 Urlaubsabgeltung iHv. 2.080,62 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und

        

7.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2009 schwerbehindertenrechtliche Urlaubsabgeltung für fünf Tage iHv. 371,54 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

7

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, etwaige Urlaubsansprüche der Erblasserin seien mit deren Tod untergegangen, sodass zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein Abgeltungsanspruch habe entstehen können.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre Zahlungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerinnen ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Soweit die Urlaubsansprüche der Erblasserin, deren Abgeltung die Klägerinnen verlangen, am 20. Januar 2010 nicht bereits verfallen waren, finden die Klageansprüche weder in § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1 BGB noch in den Vorschriften des Schadensersatzrechts eine Rechtfertigung.

10

I. Die von den Klägerinnen erhobenen Ansprüche folgen nicht aus § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1 BGB.

11

1. Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG hat der Arbeitgeber Urlaub abzugelten, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Vor ihrem Tod hatte die Erblasserin Anspruch auf 56 Werktage Urlaub und zehn Werktage Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen (Zusatzurlaub) aus den Jahren 2008 und 2009. Der Urlaubsanspruch aus den Jahren 2006 und 2007 verfiel 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG. Der Senat hat die unionsrechtskonforme Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG in seiner Entscheidung vom 7. August 2012 (- 9 AZR 353/10 - Rn. 23 ff.; siehe ferner BAG 18. September 2012 - 9 AZR 623/10 - Rn. 14) ausführlich begründet.

12

2. Die Klägerinnen traten mit dem Erbfall im Wege der Universalsukzession in sämtliche Rechtsverhältnisse der Erblasserin mit der Folge ein, dass sie aus den Rechtsverhältnissen der Erblasserin berechtigt und verpflichtet wurden. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch der Erblasserin, der Teil der Erbmasse hätte sein können, bestand indes nicht. Der Urlaubsanspruch der Erblasserin ging mit deren Tod unter und konnte sich nicht in einen Abgeltungsanspruch iSv. § 7 Abs. 4 BUrlG umwandeln. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 20. September 2011 (- 9 AZR 416/10 - Rn. 19 ff.) im Einzelnen ausgeführt, dass in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, der Urlaubsanspruch untergeht und deshalb die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ursächlich dafür ist, dass der Urlaubsanspruch nicht mehr erfüllt werden kann. Unerheblich ist dabei, ob der Erblasser bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krank war. Weder erwirbt der Erblasser zu Lebzeiten ein Anwartschaftsrecht auf Urlaubsabgeltung, das nach dem Erbfall zu einem Vollrecht erstarkt, noch besteht ein werdendes Recht, das als vermögenswertes Recht nach § 1922 Abs. 1 BGB auf seine Erben übergeht. Diese Grundsätze stehen im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9; im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie).

13

a) Diese Rechtsprechung hat im arbeitsrechtlichen Schrifttum weitgehend Zustimmung gefunden (vgl. Bauer ArbR 2011, 534; Biester GWR 2012, 137; Fischinger Anm. AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 92; Lipinski/Praß BB 2012, 1867, 1868). Soweit einzelne Stimmen kritisch anmerken, es sei kein Unterschied zwischen der Beendigung aufgrund des Todes des Arbeitnehmers und einer Beendigung aufgrund anderer Tatsachen auszumachen (Jesgarzewski BB 2012, 1347, 1349; ähnlich Bieder AuR 2012, 239, 240), gibt dies dem Senat keine Veranlassung, von seiner Rechtsprechung abzurücken. Die beiden Fallkonstellationen unterscheiden sich insofern, als bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung, Aufhebungsvertrag, Zeitablauf oder Eintritt einer auflösenden Bedingung anders als bei der Beendigung infolge des Todes des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen ist, dass der Zweck der Urlaubsabgeltung, die Verwendung des Abgeltungsbetrags zu Erholungszwecken, erreicht wird. Der EuGH geht davon aus, Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch seinen zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs (vgl. EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff ua.] Rn. 60, Slg. 2009, I-179). Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie stelle sicher, dass der Arbeitnehmer sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben erholen könne und zum anderen über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit verfüge(vgl. EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31). Diese Zwecke lassen sich in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, nicht mehr erreichen (so zu Recht Fischinger Anm. AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 92). Der Arbeitnehmer kann weder in den Genuss des Urlaubsanspruchs noch in den der Urlaubsabgeltung kommen.

14

b) Die vereinzelt erhobene Rüge, der Senat missachte den erbrechtlichen Schutz, den der Urlaubsabgeltungsanspruch genieße (Bieder AuR 2012, 239, 242), geht fehl. Erbrechtlich sind nur die Vermögenspositionen relevant, die im Zeitpunkt des Todes des Erblassers zu dessen Vermögen gehören. Eine solche Vermögensposition liegt nicht vor. Die verstorbene Arbeitnehmerin war niemals Inhaberin eines Anspruchs auf Urlaubsabgeltung.

15

c) Der Einwand der Klägerinnen, der Urlaubsanspruch der Erblasserin sei zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits rechtshängig gewesen, verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Ansprüche, die den Gegenstand eines Rechtsstreits bilden, sind nicht davor gefeit unterzugehen. So erlischt beispielsweise ein Anspruch gemäß § 362 Abs. 1 BGB, wenn der Schuldner im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens die geschuldete Leistung bewirkt(vgl. BAG 22. Januar 1975 - 4 AZR 10/74 -). Auch hindert die Rechtshängigkeit eines Anspruchs nicht, dass dieser infolge Zeitablaufs erlischt (vgl. BAG 14. November 1985 - 2 AZR 576/84 - zu II 2 a der Gründe). Ebenso verhält es sich mit Urlaubsansprüchen. Diese erlöschen trotz Rechtshängigkeit, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet.

16

d) Soweit die Revision darauf verweist, die Erblasserin habe nicht nur den Urlaubsanspruch, sondern auch den Urlaubsabgeltungsanspruch bereits im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens zumindest hilfsweise verfolgt, übersieht sie, dass dessen Rechtshängigkeit mit dem Erlass des Teilanerkenntnisurteils vom 2. Februar 2010 rückwirkend entfallen ist. Hilfsanträge stehen unter der innerprozessualen Bedingung, dass dem Hauptantrag nicht entsprochen wird. Die Rechtshängigkeit des Hilfsantrags endet deshalb ohne besonderen Ausspruch rückwirkend, wenn ein dem Hauptantrag entsprechendes rechtskräftiges Urteil ergeht (vgl. BAG 12. August 2008 - 9 AZR 620/07 - Rn. 15, BAGE 127, 214). Das Arbeitsgericht hat dem in der Hauptsache verfolgten Kündigungsschutzantrag mit Teilanerkenntnisurteil vom 2. Februar 2010 entsprochen. Damit entfiel die Rechtshängigkeit des hilfsweise verfolgten Urlaubsabgeltungsanspruchs rückwirkend mit der Folge, dass der Anspruch zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin als nicht rechtshängig anzusehen ist. Selbst wenn man zugunsten der Klägerinnen von der Rechtshängigkeit des Anspruchs ausginge, führte dies zu keinem anderen Ergebnis, weil die Erblasserin nie Inhaberin eines Abgeltungsanspruchs war, der auf die Klägerinnen hätte übergehen können.

17

e) Der Senat kann eine abschließende Sachentscheidung treffen. Es besteht keine Verpflichtung, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten (Art. 267 AEUV). Der Rechtsstreit betrifft einen rein innerstaatlichen Sachverhalt und ist unter Beachtung nationaler Regelungen zu entscheiden. Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie sichert den Urlaubsabgeltungsanspruch eines Arbeitnehmers, der aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Endet das Arbeitsverhältnis infolge des Todes des Arbeitnehmers, kann nicht der Arbeitnehmer selbst, sondern können allenfalls seine Erben in den Genuss der Abgeltung gelangen. Die Erben stehen jedoch als solche außerhalb des Anwendungsbereichs der Arbeitszeitrichtlinie (vgl. zum Arbeitnehmerbegriff: EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 23).

18

II. Entgegen der Ansicht der Klägerinnen stand der Erblasserin gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz zu, der nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Klägerinnen hätte übergehen können. Ein Schadensersatzanspruch nach § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 BGB käme nur in Betracht, wenn die Beklagte sich gegenüber der Erblasserin bereits zu deren Lebzeiten mit der Urlaubsgewährung in Verzug befunden hätte. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Beklagte konnte bis zum Tod der Erblasserin mit der Urlaubsgewährung nicht in Verzug geraten, da sie den Urlaubsanspruch infolge der andauernden Arbeitsunfähigkeit der Erblasserin nicht erfüllen konnte. Erst recht war die Beklagte nicht mit der Urlaubsabgeltung in Verzug. Der Erblasserin stand ein solcher Anspruch zu Lebzeiten nicht zu, da das Arbeitsverhältnis bis zu ihrem Tod fortbestand.

19

III. Die Klägerinnen haben die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Brühler    

        

    Klose    

        

    Suckow    

        

        

        

    Leitner    

        

    Neumann    

                 

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt eine finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Urlaub.

2

Der 1953 geborene Kläger stand zuletzt als Polizeihauptkommissar im Dienst des beklagten Landes. Er war ab Anfang Juli 2007 ununterbrochen erkrankt. Mit Wirkung vom 1. August 2008 hat ihn der Beklagte wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

3

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab, ihm eine Vergütung für insgesamt 62 Urlaubstage zu zahlen, die er in den Jahren 2007 und 2008 wegen seiner Erkrankung nicht hatte antreten können. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

4

In dem Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts heißt es: Der Kläger habe keinen Urlaubsabgeltungsanspruch nach Bundes- oder Landesrecht. Auch Unionsrecht begründe für Beamte in Deutschland einen solchen Anspruch nicht, denn Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sei bei der nach Art. 15 RL 2003/88/EG gebotenen Vergleichsbetrachtung des Unionsrechts und des Beamtenrechts unanwendbar: Beamte seien im Krankheitsfall erheblich besser abgesichert als andere Beschäftigte, weil sie die vollen Dienstbezüge zeitlich unbegrenzt erhielten und das Beamtenverhältnis nicht wegen Krankheit beendet werden könne.

5

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. März 2010 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Juli 2009 sowie den Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 13. Juni 2008 und dessen Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm für insgesamt 62 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage der Jahre 2007 und 2008 eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor seinem Eintritt in den Ruhestand zu gewähren.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Abweisung der Klage stellt sich aus anderen Gründen zum Teil als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8

1. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass dem Kläger aus nationalem Recht kein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht. Es gibt für Beamte keine normativen Regelungen, die einen solchen Anspruch begründen. Das gilt auch für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Zu Unrecht beruft sich der Kläger insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar angenommen, dass der Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ebenso wie der gesetzliche Mindesturlaub aus den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist, wenn der Zusatzurlaub nicht gewährt werden kann, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war (Urteil vom 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - BAGE 134, 1 ff.; vgl. auch Urteil vom 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - NZA 2012, 514 ff.). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Beamte übertragen werden. Das vom Bundesarbeitsgericht herangezogene Bundesurlaubsgesetz, das in § 7 Abs. 4 eine Urlaubsabgeltung vorsieht, ist auf Beamte nicht anwendbar; deren Ansprüche auf Urlaub und Besoldung richten sich nach den jeweiligen beamtenrechtlichen Gesetzen und Verordnungen, die bislang einen Urlaubsabgeltungsanspruch gerade nicht vorsehen.

9

2. Dem Kläger steht aber nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG) ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung seines unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs von vier Wochen Erholungsurlaub zu. Einen darüber hinausgehenden Anspruch aus Unionsrecht auf Abgeltung von sich aus nationalem Recht ergebenden weiteren Erholungsurlaubstagen, von sog. Arbeitszeitverkürzungstagen und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat er hingegen nicht.

10

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Abgeltung von bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub hergeleitet und auch Voraussetzungen, Umfang und Grenzen dieses Anspruchs bestimmt. Diese Auslegung des Unionsrechts ist für die nationalen Gerichte und damit auch für das Bundesverwaltungsgericht bindend (Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV).

11

a) Es ist in der Rechtsprechung des EuGH seit langem geklärt, dass auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der RL 2003/88/EG sind. Das gilt grundsätzlich auch für Polizisten, die insoweit mit Feuerwehrleuten vergleichbar sind, für die der EuGH mehrfach ausgesprochen hat, dass sie der Arbeitszeitrichtlinie unterfallen (EuGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - Rs. C-52/04 - Slg. 2005, I-7111 Rn. 57 ff.; Urteil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Neidel - ABl EU 2012, Nr. C 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688 Rn. 22). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (vgl. etwa Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 20 ff. ) und hat auch für Polizisten bereits darauf hingewiesen, dass Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG, auf den Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG zur Bestimmung ihres Anwendungsbereichs Bezug nimmt, nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist und nicht etwa Streitkräfte, Feuerwehr oder Polizei generell, sondern nur für bestimmte in diesen Sektoren wahrgenommene besondere Aufgaben wie etwa bei Natur- oder Technologiekatastrophen und schweren Unglücksfällen von der Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie ausnimmt (Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 20).

12

b) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand (vgl. § 21 Nr. 4 Beamtenstatusgesetz, § 30 Nr. 4 BBG) eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG. Dem Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.) ist zu entnehmen, dass der EuGH der konkreten nationalstaatlichen Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses keine Bedeutung beimisst, sondern für allein maßgeblich hält, dass mit der krankheitsbedingten Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses keine Dienstleistungspflicht und deshalb auch keine Urlaubsmöglichkeit mehr besteht. Deshalb ist es unionsrechtlich ohne Bedeutung, dass sich nach deutschem Beamtenrecht an das (aktive) Beamtenverhältnis ein Ruhestandsbeamtenverhältnis anschließt.

13

c) Entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts hindert Art. 15 RL 2003/88/EG die Anwendung von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bei deutschen Beamten nicht.

14

Nach Art. 15 RL 2003/88/EG bleibt u.a. das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Der EuGH hat bereits zu der insoweit wortgleichen Vorgängerrichtlinie RL 93/104/EG entschieden, dass unabhängig von günstigeren nationalstaatlichen Regelungen die praktische Wirksamkeit der durch die Arbeitszeitrichtlinie verliehenen Rechte in vollem Umfang gewährleistet werden müsse, was notwendig die Verpflichtung impliziere, die Einhaltung jeder der in dieser Richtlinie aufgestellten Mindestvorschriften zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 - Rs. C-14/04, Dellas - Slg. 2005, I-10253 Rn. 53).

15

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 15 RL 2003/88/EG somit eine Meistbegünstigungsklausel, die nur den Einzelvergleich, nicht aber die vom Berufungsgericht angestellte strukturelle Gesamtbetrachtung zulässt. Er schließt damit eine Anwendung des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG nur dann aus, wenn die mitgliedstaatlichen Regelungen über die Abgeltung krankheitsbedingt nicht genommenen Erholungsurlaubs bei Beendigung der Berufstätigkeit über den von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gewährleisteten Mindeststandard hinausgehen. Das ist aber bei deutschen Beamten nicht der Fall, weil sie gerade - wovon auch das Oberverwaltungsgericht ausgeht - nach nationalem Recht mangels entsprechender gesetzlicher Regelung keinen Urlaubsabgeltungsanspruch haben, also auch dann nicht, wenn sie Erholungsurlaub krankheitsbedingt nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand nehmen können. Auf die vom Berufungsgericht herangezogenen, für die Beamten günstigeren Regelungen im Falle der zur dauernden Dienstunfähigkeit führenden Krankheit im Vergleich zu den Regelungen für andere Beschäftigte in Deutschland kommt es deshalb nicht an.

16

Bestätigt wird dies durch das Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.). Der EuGH hat den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ausdrücklich auf Beamte erstreckt, obwohl das Vorlagegericht die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts ausführlich dargestellt hatte.

17

d) Der Urlaubsabgeltungsanspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Beschäftigte im Urlaubsjahr teilweise arbeits- bzw. dienstfähig war, in dieser Zeit den Urlaub aber nicht oder nicht vollständig genommen hat. Das gilt sowohl für das Jahr, in dem die längerfristige Dienstunfähigkeit beginnt, als auch für das Jahr oder für die Jahre, in dem oder in denen der Betreffende vorübergehend wieder dienstfähig war. In beiden Fällen kann der Beschäftigte krankheitsbedingt und damit unabhängig von seinem Willensentschluss den ihm zustehenden (Mindest)Urlaub nach Eintritt in den Ruhestand nicht mehr nehmen. Aus der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88 EG gibt es keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung dieser Bestimmung.

18

e) Der Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ist allerdings auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr beschränkt. Der EuGH hat im Urteil vom 3. Mai 2012 (a.a.O. Rn. 35 ff.) hervorgehoben, dass die Arbeitszeitrichtlinie sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt; es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den Beamten weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren sowie ob und unter welchen Voraussetzungen sie eine finanzielle Vergütung für den Fall vorsehen, dass einem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche krankheitsbedingt nicht haben zugute kommen können. Deshalb sind Urlaubstage, die über den nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisten Mindesturlaub hinausgehen, nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erfasst.

19

Das gilt auch für sog. Arbeitszeitverkürzungstage, die der Sache nach zusätzliche Erholungsurlaubstage sind, und für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Auch eine Privilegierung für Urlaub nach nationalem Recht, wonach einem Beschäftigten bei einem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst etwa im Laufe der zweiten Jahreshälfte der Jahresurlaub ungeschmälert zusteht, schlägt nicht auf die unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche nach Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG durch. Dies folgt aus dem Charakter dieser Ansprüche als Mindeststandard und findet außerdem einen normativen Anhaltspunkt in Art. 4 Abs. 1 und Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub. Danach ist der Urlaubsanspruch "im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit während dieses Jahres" gegeben; nach dem sechsten Erwägungsgrund der RL 2003/88/EG hat diese Richtlinie den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeit Rechnung getragen.

20

f) Der Urlaubsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG verfällt, wenn er über einen zu langen Zeitraum nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres nicht genommen wird. Wenn der Übertragungszeitraum eine gewisse zeitliche Grenze überschreitet, kann der Urlaub seinen Zweck als Erholungszeit typischerweise nicht mehr erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - Rs. C-214/10, KHS - NJW 2012, 290 Rn. 33). Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs ist die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs ausgeschlossen.

21

Ein Verfall des Urlaubsanspruchs mit Auswirkungen auf den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch tritt zum einen dann ein, wenn nationalstaatlich ein hinreichend langer Übertragungszeitraum geregelt ist und dieser abgelaufen ist. Hinreichend lang ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein Übertragungszeitraum, wenn er deutlich länger als das Urlaubsjahr, also deutlich länger als ein Jahr ist; ein Übertragungszeitraum muss den Beschäftigten, die während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeits- bzw. dienstunfähig sind, ermöglichen, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant sowie verfügbar sein können, und er muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten (EuGH, Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41). Einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten hat der EuGH gebilligt (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 40 ff.).

22

Gibt es keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelungen, dann tritt auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ein Verfall des Urlaubsanspruches 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein. Der EuGH leitet aus dem Umstand, dass die RL 2003/88/EG nach ihrem sechsten Erwägungsgrund den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat, her, dass bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub ergibt, berücksichtigt werden muss. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Diese Vorschrift beruht nach der Rechtsprechung des EuGH auf der Erwägung, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41 f.). Das rechtfertigt die Annahme, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt.

23

g) Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat.

24

h) Bei der Berechnung des Betrags, der dem Beamten für jeden nicht genommenen Urlaubstag als Urlaubsabgeltung zusteht, ist auf die Besoldung abzustellen, die der Beamte in den letzten drei Monaten vor Eintritt in den Ruhestand erhalten hat.

25

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Anknüpfungspunkt für die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG das gewöhnliche Arbeitsentgelt. Dies ist bei Beamten die Besoldung (vgl. § 1 Abs. 2 BBesG; EuGH, Urteil vom 20. Januar 2009 - Rs. C-350/06 und 520/06, Schultz-Hoff - Slg. 2009, I-179 Rn. 61). Der Beschäftigte soll also dasjenige bekommen, was er bekommen hätte, wenn er den Urlaub während seiner aktiven Dienstzeit genommen hätte. Das ist im Falle eines Beamten die Besoldung, die während des Urlaubs weitergezahlt worden wäre. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 RL 2003/88/EG ist angesichts der Rechtsprechung des EuGH unerheblich, dass die Besoldung Alimentationscharakter hat und daher während der Krankheit zeitlich unbegrenzt weitergezahlt wird.

26

Im Hinblick darauf, dass die finanzielle Abgeltung nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erst nach der "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" gezahlt werden darf und der während der Krankheit aufgelaufene, nicht verjährte Mindestjahresurlaub im Fall der Gesundung noch hätte genommen werden dürfen, die finanzielle Abgeltung des Urlaubs mithin erst am Ende der aktiven Dienstzeit eintritt, ist auf die Besoldung vor dem Eintritt in den Ruhestand abzustellen. Dabei erscheint es sachgerecht, auf die letzten drei Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand als hinreichend langen Referenzzeitraum (vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - Rs. C-155/10, Williams - ABl EU 2011 Nr. C 319, 7 Rn. 21 ff.), abzustellen, um die Auswirkungen zufälliger Schwankungen der Besoldung zu verringern.

27

i) Ein Antragserfordernis für den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG besteht nicht. Ein Antragserfordernis wäre mit dem Effektivitätsgrundsatz des Unionsrechts nicht vereinbar. Das hat der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167) für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit entschieden (Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 25 ). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

28

j) Der unionsrechtliche Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren, § 195 BGB, die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 Abs. 1 BGB.

29

Der EuGH hat mehrfach ausgesprochen, dass die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht vorhanden sind. Allerdings dürfen die Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei nur innerstaatliches Recht betreffenden Verfahren (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Zum Effektivitätsgrundsatz hat der EuGH entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. EuGH, Urteile vom 17. November 1998 - Rs. C-228/96, Aprile - Slg. 1998, I-7164 Rn. 19 und vom 11. Juli 2002 - Rs. C-62/00, Marks & Spencer - Slg. 2002, I-6348 Rn. 35, jeweils m.w.N.). Auch der Senat bejaht die Möglichkeit der Verjährung bei sich aus Unionsrecht ergebenden Ansprüchen und hat beispielsweise für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren angenommen (Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 41 f.). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

30

k) Nach der Rechtsprechung des EuGH kann der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmten Maßgaben unmittelbar aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend machen.

31

Richtlinien bedürfen zwar grundsätzlich der Umsetzung durch den dafür zuständigen nationalen Gesetzgeber, um innerstaatliche Verbindlichkeit für den Bürger zu erlangen. Für den Fall der nicht fristgerechten oder unvollständigen Umsetzung einer Richtlinie durch den Mitgliedstaat hat nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH der Einzelne das Recht, sich vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat trotz entgegenstehendem nationalen Recht auf durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtungen zu berufen, wenn diese klar und unbedingt sind und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsakts mehr bedürfen (stRspr; EuGH, Urteile vom 5. Oktober 2004 - Rs. C-397/01, Pfeiffer - Slg. 2004, I-08835 Rn. 103 m.w.N. und vom 24. Januar 2012 - Rs. C-282/10, Dominguez - ABl EU 2012, Nr. C 73, 2 Rn. 33; BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 687/85 - BVerfGE 75, 223 <239 ff.>). Bei einer nicht fristgerechten Umsetzung einer Richtlinie sind Behörden und Gerichte aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu lassen (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 19).

32

Diese Voraussetzungen hat der EuGH für Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bejaht. Nach der bindenden Rechtsprechung des EuGH räumt diese Norm allen Beschäftigten, d.h. auch Beamten unter den dargelegten Voraussetzungen Urlaubsabgeltungsansprüche ein, die die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht verankern müssen. Solange sie diese Umsetzungspflicht nicht erfüllen, stellt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG die unmittelbare Anspruchsgrundlage dar.

33

3. In Anwendung dieser Grundsätze gilt für den Kläger Folgendes:

34

Für das Jahr 2007 standen dem Kläger bei einem Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und einer 5-Tage-Woche 20 Urlaubstage zu. In diesem Jahr hat der Kläger sieben Urlaubstage und den sog. Arbeitszeitverkürzungstag nach der Arbeitszeitverordnung RP genommen. Eine Freistellung nach der Arbeitszeitverordnung steht funktional einem Urlaubstag nach der Urlaubsverordnung (UrlVO RP) gleich. Deshalb ist sie im Rahmen des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG wie ein Urlaubstag zu behandeln. Damit hat der Kläger acht Urlaubstage genommen und standen ihm für 2007 noch 12 Tage Mindesturlaub zu.

35

Für das Jahr 2008 standen dem Kläger 20 Mindesturlaubstage zu. In diesem Jahr ist er aber zum Ende des Monats Juli in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Deshalb stand ihm der unionsrechtliche Mindesturlaub nur anteilig, d.h. für 11 2/3 Urlaubstage zu; die Privilegierung des § 9 Satz 3 UrlVO RP, wonach der Jahresurlaub voll gewährt wird, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in der zweiten Jahreshälfte in den Ruhestand versetzt wird, erstreckt sich nicht auf den unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 RL 2003/88/EG. Der Bruchteil eines Urlaubstages ist in die Urlaubsentgeltberechnung einzubeziehen. Die Heranziehung einer nationalstaatlichen Regelung, wonach ein bei der Urlaubsberechnung verbleibender Teil eines Tages als Guthaben auf die Arbeitszeit angerechnet wird (vgl. § 8 Abs. 6 UrlVO RP), kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil Urlaubsabgeltung voraussetzt, dass der Beamte nicht mehr im Dienst ist, so dass mangels Arbeitspflicht auch eine Anrechnung auf ein Arbeitszeitguthaben nicht möglich ist.

36

Insgesamt steht dem Kläger deshalb ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 23 2/3 Tage zu, der auf der Basis der Besoldung der letzten drei Monate vor Eintritt in den Ruhestand zu berechnen ist.

37

Im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Anrechnung der Urlaubsabgeltung bei den Versorgungsbezügen nach den Regelungen des Vorteilsausgleichs, § 53 BeamtVG, nicht in Betracht kommt.

(1) Das Urlaubsentgelt bemißt sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraums oder des Urlaubs eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht. Zum Arbeitsentgelt gehörende Sachbezüge, die während des Urlaubs nicht weitergewährt werden, sind für die Dauer des Urlaubs angemessen in bar abzugelten.

(2) Das Urlaubsentgelt ist vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen.

(1) In der schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Leistungserbringer sind zu regeln:

1.
Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen der Eingliederungshilfe (Leistungsvereinbarung) und
2.
die Vergütung der Leistungen der Eingliederungshilfe (Vergütungsvereinbarung).

(2) In die Leistungsvereinbarung sind als wesentliche Leistungsmerkmale mindestens aufzunehmen:

1.
der zu betreuende Personenkreis,
2.
die erforderliche sächliche Ausstattung,
3.
Art, Umfang, Ziel und Qualität der Leistungen der Eingliederungshilfe,
4.
die Festlegung der personellen Ausstattung,
5.
die Qualifikation des Personals sowie
6.
soweit erforderlich, die betriebsnotwendigen Anlagen des Leistungserbringers.
Soweit die Erbringung von Leistungen nach § 116 Absatz 2 zu vereinbaren ist, sind darüber hinaus die für die Leistungserbringung erforderlichen Strukturen zu berücksichtigen.

(3) Mit der Vergütungsvereinbarung werden unter Berücksichtigung der Leistungsmerkmale nach Absatz 2 Leistungspauschalen für die zu erbringenden Leistungen unter Beachtung der Grundsätze nach § 123 Absatz 2 festgelegt. Förderungen aus öffentlichen Mitteln sind anzurechnen. Die Leistungspauschalen sind nach Gruppen von Leistungsberechtigten mit vergleichbarem Bedarf oder Stundensätzen sowie für die gemeinsame Inanspruchnahme durch mehrere Leistungsberechtigte (§ 116 Absatz 2) zu kalkulieren. Abweichend von Satz 1 können andere geeignete Verfahren zur Vergütung und Abrechnung der Fachleistung unter Beteiligung der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen vereinbart werden.

(4) Die Vergütungsvereinbarungen mit Werkstätten für behinderte Menschen und anderen Leistungsanbietern berücksichtigen zusätzlich die mit der wirtschaftlichen Betätigung in Zusammenhang stehenden Kosten, soweit diese Kosten unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse beim Leistungserbringer und der dort beschäftigten Menschen mit Behinderungen nach Art und Umfang über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen. Können die Kosten im Einzelfall nicht ermittelt werden, kann hierfür eine Vergütungspauschale vereinbart werden. Das Arbeitsergebnis des Leistungserbringers darf nicht dazu verwendet werden, die Vergütung des Trägers der Eingliederungshilfe zu mindern.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Februar 2009 - 12 Sa 486/06 - teilweise aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. März 2006 - 3 Ca 7906/05 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und im Hauptausspruch zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsabgeltung von 8.054,00 Euro brutto nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Oktober 2005 und Zusatzurlaubsabgeltung von 2.013,54 Euro brutto nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4. Oktober 2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers werden zurückgewiesen.

Der Kläger hat 29,49 % der Kosten erster Instanz zu tragen, die Beklagte 70,51 %.

Der Kläger hat 28,57 % der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, die Beklagte 71,43 %.

Der Kläger hat 66,67 % der Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, die Beklagte 33,33 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs für die Jahre 2004 und 2005.

2

Der 1949 geborene Kläger war seit 1971 - zuletzt im Außendienst - in der Fünftagewoche für die beklagte Rentenversicherung und ihre Rechtsvorgängerin tätig. Der Kläger erzielte in Vergütungsgruppe II ein monatliches Gehalt von 4.362,67 Euro. Die Beklagte ist als bundesunmittelbare Versicherungsträgerin eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts.

3

Die Parteien verwiesen im Arbeitsvertrag auf den Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 24. Oktober 1961 und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge (MTAng-BfA). Der MTAng-BfA vom 24. Oktober 1961 idF des 64. Änderungstarifvertrags vom 31. Januar 2003 lautet auszugsweise:


        

 
        
        
(1)

Der Angestellte erhält in jedem Urlaubsjahr Erholungsurlaub unter Zahlung der Urlaubsvergütung. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.
        
(2)

Als Urlaubsvergütung werden die Vergütung (§ 26) und die Zulagen, die in Monatsbeträgen festgelegt sind, weitergezahlt. …
        
(3)

Der Urlaubsanspruch kann erst nach Ablauf von sechs Monaten … nach der Einstellung geltend gemacht werden, es sei denn, dass der Angestellte vorher ausscheidet.
        
…       

        

(7)

Der Urlaub ist spätestens bis zum Ende des Urlaubsjahres anzutreten.
                 
Kann der Urlaub bis zum Ende des Urlaubsjahres nicht angetreten werden, ist er bis zum 30. April des folgenden Urlaubsjahres anzutreten. Kann der Urlaub aus dienstlichen Gründen oder wegen Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum 30. April angetreten werden, ist er bis zum 30. Juni anzutreten. War ein innerhalb des Urlaubsjahres für dieses Urlaubsjahr festgelegter Urlaub auf Veranlassung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in die Zeit nach dem 31. Dezember des Urlaubsjahres verlegt worden und konnte er wegen Arbeitsunfähigkeit nicht nach Satz 2 bis zum 30. Juni angetreten werden, ist er bis zum 30. September anzutreten.
                 
…       
                 
Urlaub, der nicht innerhalb der genannten Fristen angetreten ist, verfällt.
        
…       
        
   
        
        
(1)

Der Erholungsurlaubsanspruch des Angestellten, dessen durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt ist (Fünftagewoche), beträgt in der Vergütungsgruppe … I b bis X Kr. IX bis Kr. I … nach vollendetem 40. Lebensjahr 30 Arbeitstage.
        
…       
        
(3)

Die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs mit Ausnahme des Zusatzurlaubs nach dem SGB IX vermindert sich für jeden vollen Kalendermonat eines Sonderurlaubs nach § 50 oder eines Ruhens des Arbeitsverhältnisses nach § 59 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 5 um ein Zwölftel. …
        
…       
        
(6)

Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im Laufe des Urlaubsjahres, so beträgt der Urlaubsanspruch ein Zwölftel für jeden vollen Beschäftigungsmonat. Scheidet der Angestellte wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 59) oder Erreichens der Altersgrenze (§ 60) aus dem Arbeitsverhältnis aus, so beträgt der Urlaubsanspruch sechs Zwölftel, wenn das Arbeitsverhältnis in der ersten Hälfte, und zwölf Zwölftel, wenn es in der zweiten Hälfte des Urlaubsjahres endet. …
        
…       
        
   
        
        
(1)

Ist im Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch noch nicht erfüllt, ist der Urlaub, soweit dies dienstlich oder betrieblich möglich ist, während der Kündigungsfrist zu gewähren und zu nehmen. Soweit der Urlaub nicht gewährt werden kann oder die Kündigungsfrist nicht ausreicht, ist der Urlaub abzugelten. Entsprechendes gilt, wenn das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag (§ 58) oder wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 59) endet oder wenn das Arbeitsverhältnis nach § 59 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 5 zum Ruhen kommt.
                 
Ist dem Angestellten wegen eines vorsätzlich schuldhaften Verhaltens außerordentlich gekündigt worden oder hat der Angestellte das Arbeitsverhältnis unberechtigterweise gelöst, wird lediglich derjenige Urlaubsanspruch abgegolten, der dem Angestellten nach gesetzlichen Vorschriften bei Anwendung des § 48 Abs. 6 Satz 1 noch zustehen würde.
        
(2)

Für jeden abzugeltenden Urlaubstag werden bei der Fünftagewoche 3/65, bei der Sechstagewoche 1/26 der Urlaubsvergütung gezahlt, die dem Angestellten zugestanden hätte, wenn er während des ganzen Kalendermonats, in dem er ausgeschieden ist, Erholungsurlaub gehabt hätte. …
        
…       
        
   
        
        
(1)

Wird durch den Bescheid eines Rentenversicherungsträgers festgestellt, dass der Angestellte erwerbsgemindert ist, so endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid zugestellt wird, sofern der Angestellte eine außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Versorgung durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte oder durch eine Versorgungseinrichtung erhält, zu der die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Mittel beigesteuert hat. … Das Arbeitsverhältnis endet nicht, wenn nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers eine befristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gewährt wird. In diesem Falle ruht das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten von dem Tage an, der auf den nach Satz 1 oder 3 maßgebenden Zeitpunkt folgt, bis zum Ablauf des Tages, bis zu dem die befristete Rente bewilligt ist, längstens jedoch bis zum Ablauf des Tages, an dem das Arbeitsverhältnis endet.
                 
…“   
4

Der mit einem Grad von 60 schwerbehinderte Kläger musste sich seit 1995 wegen eines schweren Bandscheibenleidens einer Vielzahl von Operationen unterziehen. Er war mehrfach arbeitsunfähig krank. Vom 8. September 2004 bis 30. September 2005 war er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.

5

Der Kläger beantragte im Mai 2005, ihm ab 1. Juni 2005 den Urlaub aus dem Jahr 2004 zu gewähren. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der Personalärztliche Dienst müsse feststellen, dass der Kläger arbeitsfähig sei.

6

Die Beklagte stellte als Rentenversicherungsträgerin durch im September 2005 zugestellten Bescheid fest, dass der Kläger erwerbsgemindert sei. Sie bewilligte ihm rückwirkend ab 1. März 2005 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund dieser Feststellung am 30. September 2005 nach § 59 MTAng-BfA.

7

Mit seiner der Beklagten im November 2005 zugestellten Klage hat der Kläger verlangt, jeweils 35 Urlaubstage aus den Jahren 2004 und 2005 abzugelten.

8

Der Kläger meint, seine Ansprüche auf Abgeltung des übergesetzlichen tariflichen Urlaubs und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs für die Jahre 2004 und 2005 bestünden wegen seiner Arbeitsunfähigkeit - ebenso wie die Ansprüche auf Abgeltung des Mindesturlaubs - fort.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,


        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.094,78 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Oktober 2005 zu zahlen.
10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, die Ansprüche auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs von zehn Tagen jährlich und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs von fünf Tagen pro Jahr seien verfallen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

12

Das Landesarbeitsgericht hat den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (heute: Gerichtshof der Europäischen Union) um Vorabentscheidung ersucht. Der EuGH hat mit Urteil vom 20. Januar 2009 ua. erkannt, dass „Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte“ (- C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff], AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1). Die Entscheidung des EuGH behandelt nur den von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG(sog. Arbeitszeitrichtlinie, ABl. EU Nr. L 299 vom 18. November 2003 S. 9) gewährleisteten Mindesturlaubsanspruch.

13

Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil in der Folge teilweise abgeändert. Es hat die Beklagte verurteilt, 12.081,00 Euro brutto nebst Verzugszinsen seit 1. Oktober 2005 zu zahlen. Sie schulde Abgeltung von jeweils 20 Tagen Mindesturlaub und jeweils fünf Tagen Schwerbehindertenzusatzurlaub für die Jahre 2004 und 2005 sowie von zehn Tagen Tarifmehrurlaub für 2005. Die weitergehende Berufung des Klägers hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs für das Jahr 2004 hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Die Beklagte hat ihre vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision auf die Verurteilung zur Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs für 2004 und 2005 sowie des tariflichen Mehrurlaubs für 2005 nebst Zinsen beschränkt. Die Verurteilung zur Abgeltung des Mindesturlaubs nebst Zinsen hat sie hingenommen. Der Kläger verfolgt mit seiner Anschlussrevision das Ziel der zusätzlichen Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs für 2004.

Entscheidungsgründe

14

A. Die auf den tariflichen Mehrurlaub für 2005 und den Schwerbehindertenzusatzurlaub für 2004 und 2005 beschränkte Revision der Beklagten ist nur hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs für das Jahr 2005 begründet. Die Anschlussrevision des Klägers (§ 554 ZPO), die den Anspruch auf Abgeltung des übergesetzlichen Tarifurlaubs für 2004 zum Gegenstand hat, ist in der Sache erfolglos. Ansprüche des Klägers auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs bestehen nicht. Der Anspruch auf Abgeltung des Mehrurlaubs aus dem Jahr 2004 ist nicht entstanden. Der Abgeltungsanspruch für den Mehrurlaub aus 2005 ist verfallen, weil er am 30. Juni 2006 nicht erfüllbar war. Die 2004 und 2005 nicht erfüllten Ansprüche auf Schwerbehindertenzusatzurlaub sind nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

15

I. Die Ansprüche des Klägers auf vollen tariflichen Mehrurlaub von jeweils zehn Tagen für die Jahre 2004 und 2005 entstanden jeweils mit Jahresbeginn (§ 47 Abs. 1, Abs. 3, § 48 Abs. 1 MTAng-BfA). Der Mehrurlaubsanspruch für 2005, in dem das Arbeitsverhältnis vor dem Ende des Urlaubsjahres am 30. September 2005 endete, unterlag nicht der anteiligen Kürzung des § 48 Abs. 6 Satz 1 MTAng-BfA. Der tarifliche Vollurlaubsanspruch bleibt nach § 48 Abs. 6 Satz 2 MTAng-BfA unberührt, wenn der Arbeitnehmer - wie hier - in der zweiten Jahreshälfte wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ausscheidet. Die tariflichen Mehrurlaubsansprüche verfallen im Unterschied zu den Ansprüchen auf Mindesturlaub auch bei Arbeitsunfähigkeit, wenn der Urlaub nicht bis zum 30. Juni des Folgejahres angetreten werden kann (§ 47 Abs. 7 Unterabs. 2 Satz 2, Abs. 7 Unterabs. 4 MTAng-BfA). Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden deswegen keine erfüllbaren Mehrurlaubsansprüche, die nach § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 Satz 1 MTAng-BfA hätten abgegolten werden können.

16

1. Nach § 47 Abs. 7 Unterabs. 4 MTAng-BfA verfällt Urlaub, der nicht innerhalb der in § 47 Abs. 7 Unterabs. 2 MTAng-BfA genannten Fristen angetreten ist. § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA sieht vor, dass Urlaub, der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen bestimmter Beendigungs- oder Ruhenstatbestände nicht gewährt werden kann, abzugelten ist.

17

2. Der Kläger konnte den Urlaub für das Jahr 2004 nicht bis 30. Juni 2005 und den Urlaub für 2005 nicht bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2005 antreten. Er war vom 8. September 2004 bis 30. September 2005 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und in dieser Zeit nicht imstande, seine vertragsgemäße Arbeitsleistung zu erbringen. Der Kläger hat hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs für 2005 auch nicht behauptet, er sei bis zum Ende des Übertragungszeitraums am 30. Juni 2006 (§ 47 Abs. 7 Unterabs. 2 Satz 2 2. Alt. MTAng-BfA) wieder arbeitsfähig geworden. Hierfür ist er darlegungs- und beweisbelastet (vgl. Senat 27. Mai 1997 - 9 AZR 337/95 - zu I 2 d der Gründe, BAGE 86, 30). Der Anspruch auf Mehrurlaub für 2005 wäre bis zum Ende des tariflichen Übertragungszeitraums nicht erfüllbar gewesen (vgl. für die st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts vor EuGH Schultz-Hoff, die daraus schloss, auch der Abgeltungsanspruch sei nicht erfüllbar, Senat 7. September 2004 - 9 AZR 587/03 - zu I 2 a der Gründe, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 12).

18

3. Für das Jahr 2004 entstand bereits kein Anspruch auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs, weil der Kläger am 30. Juni 2005 arbeitsunfähig war und den Urlaub deshalb nicht antreten konnte. Der Mehrurlaubsanspruch aus 2004 verfiel mit dem 30. Juni 2005 und konnte sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2005 nicht mehr in einen Abgeltungsanspruch umwandeln. Der mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2005 entstandene Abgeltungsanspruch für das Jahr 2005 verfiel mit dem 30. Juni 2006, weil der Kläger an diesem Tag nach wie vor arbeitsunfähig war.

19

4. Die Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln(vgl. zu vertraglichen Mehrurlaubsansprüchen Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 81 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; ebenso Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 3; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 532; Liebscher öAT 2010, 11, 13; Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 35; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98; Subatzus DB 2009, 510, 512; wohl auch Genenger Anm. LAGE BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 22 zu IV 1 d; aA mit Blick auf die im Unionsrecht gewährleisteten Grundrechtspositionen der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit Abele RdA 2009, 312, 316 f.). Die Regelungsmacht der Tarifpartner ist nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche gegenüber öffentlichen Arbeitgebern eintretende unmittelbare Wirkung von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie oder die im Privatrechtsverkehr erforderliche richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG beschränkt(zu dieser richtlinienkonformen Rechtsfortbildung ausführlich Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 44 ff., aaO; methodisch ablehnend und für eine richtlinienkonforme Auslegung Kamanabrou SAE 2009, 233, 236). Einem tariflich angeordneten Verfall des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs und seiner Abgeltung steht nach dem klaren Richtlinienrecht und der gesicherten Rechtsprechung des EuGH kein Unionsrecht entgegen (vgl. zu den Erfordernissen einer eigenen Auslegung des Unionsrechts durch das nationale Gericht, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, EuGH 6. Dezember 2005 - C-461/03 - [Gaston Schul Douane-Expéditeur] Rn. 15 ff., Slg. 2005, I-10513; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33 ff., Slg. 2005, I-8151; 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 13 ff., Slg. 1982, 3415). Eine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nach Ansicht des Senats nicht.

20

a) Der Gerichtshof der Europäischen Union ist gesetzlicher Richter iSv. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG für die Auslegung des Unionsrechts. Den Parteien wird deswegen der gesetzliche Richter entzogen, wenn ein nationales Gericht seiner Pflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV, den EuGH zur Vorabentscheidung anzurufen, nicht nachkommt(vgl. für die st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 15 mwN, NZA 2010, 439).

21

aa) Das Bundesverfassungsgericht hat für die Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Zusammenhang mit der Vorlagepflicht aus Art. 234 Abs. 3 EG(jetzt: Art. 267 Abs. 3 AEUV) beispielhaft Fallgruppen entwickelt. Die Vorlagepflicht wird in verfassungswidriger Weise gehandhabt, wenn ein letztinstanzliches einzelstaatliches Gericht eine Vorlage an den EuGH überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl die unionsrechtliche Frage nach seiner Auffassung entscheidungserheblich ist und es selbst Zweifel daran hat, wie die Frage richtig zu beantworten ist (sog. grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht). Gleiches gilt, wenn das letztinstanzliche Gericht bewusst von der Rspr. des EuGH zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und dennoch nicht oder nicht erneut vorlegt (sog. bewusstes Abweichen von der Rspr. des Gerichtshofs ohne Vorlagebereitschaft). Gibt es zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts noch keine einschlägige Rspr. des EuGH, hat der Gerichtshof die Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rspr. des EuGH nicht nur als entfernte Möglichkeit (sog. Unvollständigkeit der Rspr.), wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten hat. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob sich das innerstaatliche Gericht des Unionsrechts ausreichend kundig gemacht hat. Sonst verkennt es regelmäßig die Bedingungen der Vorlagepflicht. Das Gericht hat zudem Gründe anzugeben, die dem Bundesverfassungsgericht eine Kontrolle am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ermöglichen(vgl. BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 18 f. mwN, NZA 2010, 439).

22

bb) Die dem EuGH durch Art. 267 AEUV zuerkannten Befugnisse haben im Wesentlichen zum Ziel, eine einheitliche Anwendung des Unionsrechts durch die nationalen Gerichte zu gewährleisten(vgl. noch zu Art. 234 Abs. 3 EG EuGH 6. Dezember 2005 - C-461/03 - [Gaston Schul Douane-Expéditeur] Rn. 21 f., Slg. 2005, I-10513). Art. 267 Abs. 3 AEUV soll verhindern, dass sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rspr. herausbildet, die mit den Normen des Unionsrechts nicht in Einklang steht. Durch die Zusammenarbeit der mit der Anwendung des Unionsrechts betrauten innerstaatlichen Gerichte mit dem Gerichtshof der Europäischen Union soll die ordnungsgemäße Anwendung und die einheitliche Auslegung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten sichergestellt werden (vgl. zu Art. 234 Abs. 3 EG EuGH 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 29 und 38, Slg. 2005, I-8151; noch zu Art. 177 Abs. 3 EWG-Vertrag 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 7, Slg. 1982, 3415).

23

b) Der Zweck der Vorlagepflicht aus Art. 267 AEUV zeigt zugleich ihre Grenzen.

24

aa) Eine Vorlage ist sinnlos, wenn es eine gesicherte Rspr. des EuGH gibt, durch die die betreffende Rechtsfrage gelöst ist (sog. acte éclairé). Das gilt selbst dann, wenn die strittigen Fragen nicht vollkommen identisch sind (vgl. grundlegend EuGH 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 14, Slg. 1982, 3415; fortgeführt von EuGH 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151; 6. Dezember 2005 - C-461/03 - [Gaston Schul Douane-Expéditeur] Rn. 16, Slg. 2005, I-10513; siehe auch BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 20, NZA 2010, 439).

25

bb) Die richtige Anwendung des Unionsrechts kann ferner offenkundig sein, wenn keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Beantwortung der entscheidungserheblichen Frage ist (sog. acte clair). Das innerstaatliche Gericht darf jedoch nur dann von einer offenkundigen Beantwortung ausgehen, wenn es davon überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den EuGH die gleiche Gewissheit bestünde (vgl. EuGH 6. Dezember 2005 - C-461/03 - [Gaston Schul Douane-Expéditeur] Rn. 16, Slg. 2005, I-10513; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151; 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 16, Slg. 1982, 3415; BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 20, NZA 2010, 439). Ob ein solcher Fall gegeben ist, muss unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Unionsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Europäischen Union beurteilt werden. Nimmt das letztinstanzlich entscheidende innerstaatliche Gericht eine offenkundige Auslegung des Unionsrechts an, braucht es den EuGH nicht um Vorabentscheidung zu ersuchen. Das nationale Gericht darf die Frage in eigener Verantwortung beantworten (vgl. EuGH 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33 und 35, aaO).

26

c) Aus Sicht des Senats ist Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen, dass diese Regelung tarifliche Ansprüche auf Abgeltung des Mehrurlaubs offenkundig nicht erfasst. Jedenfalls ist der bestehenden Rechtsprechung des EuGH zu entnehmen, dass das Unionsrecht einem tariflich angeordneten Verfall des Urlaubs(-abgeltungs)anspruchs, der den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigt, nicht entgegensteht.

27

aa) Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie bestimmt, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. Die Richtlinie bindet ausdrücklich nur den von ihr gewährleisteten Mindestjahresurlaubsanspruch von vier Wochen an die von den nationalen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten vorgesehenen Modalitäten.

28

bb) Nach Art. 15 der Richtlinie 2003/88/EG berührt diese nicht das Recht der Mitgliedstaaten, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder die Anwendung von für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigeren Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern zu fördern oder zu gestatten. Adressat der Regelung sind nach Art. 29 der Arbeitszeitrichtlinie die Mitgliedstaaten. Art. 15 der Arbeitszeitrichtlinie lässt die Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien ausdrücklich unberührt.

29

cc) Die Arbeitszeitrichtlinie enthält im Unterschied zur sog. Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG (ABl. EG Nr. L 348 vom 28. November 1992 S. 1) auch keine Regelung, die Mehrurlaubsansprüche erfasst (Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 81 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; ebenso Subatzus DB 2009, 510, 512; aA Abele RdA 2009, 312, 316 f., der die Vertragsfreiheit und die Privatautonomie als Unionsgrundrechte versteht und sie für den vertraglichen Mehrurlaub heranzieht).

30

(1) Nach Art. 8 Abs. 1 der Mutterschutzrichtlinie treffen die Mitgliedstaaten „die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass den Arbeitnehmerinnen … ein Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen ohne Unterbrechung gewährt wird“. Art. 11 Nr. 2 Buchst. a der Mutterschutzrichtlinie verlangt, dass „die mit dem Arbeitsvertrag der Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 verbundenen anderen Rechte als die unter dem nachstehenden Buchstaben b) genannten“ gewährleistet sein müssen. Art. 11 Nr. 2 Buchst. b der Mutterschutzrichtlinie bestimmt, dass „die Fortzahlung eines Arbeitsentgelts und/oder der Anspruch auf eine angemessene Sozialleistung für die Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2“ gewährleistet sein müssen.

31

(2) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich in der Entscheidung Merino Gómez zum Verhältnis der Urlaubsregelung in Art. 7 Abs. 1, Art. 15 der Arbeitszeitrichtlinie und der Bestimmung in Art. 11 Nr. 2 Buchst. a der Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG geäußert (vgl. EuGH 18. März 2004 - C-342/01 - Rn. 42 bis 45, Slg. 2004, I-2605).

32

(a) Der EuGH hat seine Auffassung, wonach ein Anspruch auf längeren Jahresurlaub von der Mutterschutzrichtlinie erfasst werde, wenn sich ein Mitgliedstaat für eine längere als die von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie verbürgte Dauer des Mindestjahresurlaubs entschieden habe, ausdrücklich auf Art. 11 Nr. 2 Buchst. a der Mutterschutzrichtlinie gestützt. Voraussetzung ist, dass sich die Frauen während der Zeit des Jahresurlaubs der gesamten Belegschaft im Mutterschaftsurlaub befanden (vgl. EuGH 18. März 2004 - C-342/01 - [Merino Gómez] Rn. 44, Slg. 2004, I-2605).

33

(b) Die Arbeitszeitrichtlinie enthält abweichend von der Mutterschutzrichtlinie keine solche Regelung, die vertraglich begründete andere Rechte als die von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten Rechte verbürgt. Die bisherige Rspr. des EuGH ist demnach nicht unvollständig. Die vom Gerichtshof in der Sache Merino Gómez entschiedene Auslegungsfrage braucht nicht völlig identisch mit der nun zu beantwortenden Rechtsfrage zu sein, um eine gesicherte Rspr. des EuGH annehmen zu können (vgl. EuGH 6. Dezember 2005 - C-461/03 - [Gaston Schul Douane-Expéditeur] Rn. 16, Slg. 2005, I-10513; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151; 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 14, Slg. 1982, 3415; siehe auch BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 20, NZA 2010, 439).

34

5. Der Senat hat die hier zu beurteilenden tariflichen Vorschriften deshalb anhand des innerstaatlichen Rechts auszulegen. Diese Auslegung ergibt, dass der Anspruch des Klägers auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs für 2004 schon nicht entstanden ist. Der Anspruch auf Abgeltung des Tarifmehrurlaubs für 2005 ist verfallen.

35

a) Der Senat hat in st. Rspr. die Auslegungsregel aufgestellt, für einen Regelungswillen, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen vertraglichen Ansprüchen unterscheide, müssten deutliche Anhaltspunkte bestehen (vgl. für die Auslegung einer kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung nach §§ 133, 157 BGB zuletzt 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 84 f., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; aA ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 2.1.2 der Gründe, NZA-RR 2009, 411; Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 3; Kamanabrou SAE 2009, 233, 237; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 532; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98). Der Senat hält an diesem Auslegungsansatz fest.

36

b) Die Kritik an der Senatsrechtsprechung zum einzelvertraglichen Mehrurlaub entzündet sich daran, dass das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt zu bestimmen sei.

37

aa) Der Senat hat das Regel-Ausnahme-Verhältnis von unterbleibendem Verfall oder Untergang der vertraglichen Mehrurlaubsansprüche dahin austariert, dass die Vertragsparteien nur ausnahmsweise vom Gesetzesrecht abweichen wollen. Für einen abweichenden, durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermittelnden übereinstimmenden Willen müssen deutliche Anhaltspunkte bestehen(24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 84, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; ebenso Kohte/Beetz jurisPR-ArbR 25/2009 Anm. 1 zu C 3; Mestwerdt jurisPR-ArbR 27/2009 Anm. 2 zu C; Rummel AuR 2009, 217; wohl auch Rehwald AiB 2010, 59, 60; differenzierend Gaul/Josten/Strauf BB 2009, 497, 498 f.; aA Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 3; Dornbusch/Ahner NZA 2009, 180, 183; Kamanabrou SAE 2009, 233, 237; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 532; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98). Regel ist der „Gleichlauf“ der Ansprüche. Ausnahme ist ihr unterschiedliches rechtliches Schicksal.

38

bb) Dieser Auslegungsregel ist ein Teil der Rspr. entgegengetreten (vgl. ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 2.1.2 der Gründe, NZA-RR 2009, 411).

39

(1) Diese Auffassung nimmt an, das Regel-Ausnahme-Verhältnis sei - auch für Tarifverträge - anders zu bestimmen. Es sei nicht nach Anhaltspunkten dafür zu suchen, dass sich die Unverfallbarkeit des Mindesturlaubsanspruchs nicht auch auf den Mehrurlaub erstrecke. Vielmehr sei danach zu fragen, ob es Anhaltspunkte dafür gebe, dass arbeitsunfähige Arbeitnehmer über das gesetzlich zwingende Maß hinaus bessergestellt werden sollten als andere Arbeitnehmer.

40

(2) Diese Ansicht dürfte im Hinblick auf die zitierte Senatsrechtsprechung einem Missverständnis unterliegen (vgl. das Zitat in ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 2.1.2 der Gründe, NZA-RR 2009, 411).

41

(a) Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 7. September 2004 in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung angenommen, § 7 Abs. 4 BUrlG sei auch für tarifliche Urlaubsabgeltungsansprüche maßgeblich, soweit die Tarifvertragsparteien keine zugunsten der Arbeitnehmer wirkenden, davon abweichenden Sonderregelungen getroffen hätten(- 9 AZR 587/03 - zu I 2 a der Gründe, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 12).

42

(b) Der Senat hat diese Aussage nur getroffen, um die Surrogatstheorie für den Abgeltungsanspruch aus § 7 Abs. 4 BUrlG zu stützen. Arbeitsunfähige, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidende Arbeitnehmer sollten durch eine tarifliche Abfindung nicht bessergestellt werden als im Arbeitsverhältnis verbleibende arbeitsunfähige Arbeitnehmer. Die Surrogatstheorie konnte für Abgeltungsansprüche bei bis zum Ende des Übertragungszeitraums fortdauernder Arbeitsunfähigkeit in der Folge der Entscheidung Schultz-Hoff des EuGH vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) nicht aufrechterhalten werden. Für die Frage, welche Auslegungsregeln seitdem für den Verfall von Mindest- und Mehrurlaubs(-abgeltungs)ansprüchen anzuwenden sind, hat die zitierte frühere Erwägung des Senats keine Bedeutung.

43

(3) Der Senat stimmt der These auch inhaltlich nicht zu, es sei nach Anhaltspunkten dafür zu suchen, ob arbeitsunfähige Arbeitnehmer bessergestellt werden sollten als arbeitsfähige Arbeitnehmer (vgl. ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 2.1.2 der Gründe, NZA-RR 2009, 411). Für die Ungleichbehandlung arbeitsfähiger und arbeitsunfähiger Arbeitnehmer besteht ein sachlicher Grund. Urlaubsansprüche arbeitsfähiger Arbeitnehmer sind im Unterschied zu Urlaubsansprüchen arbeitsunfähiger Arbeitnehmer erfüllbar. Der mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehende Anspruch auf Abgeltung des Mindesturlaubs gleicht den Nachteil der fehlenden Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs aus und kapitalisiert den nicht zu verwirklichenden Freistellungsanspruch (ähnlich Mestwerdt jurisPR-ArbR 27/2009 Anm. 2 zu C).

44

cc) Die weitere Kritik an der Senatsrechtsprechung zum einzelvertraglichen Mehrurlaub besteht darin, dass das angenommene Regel-Ausnahme-Verhältnis im Fall sog. Altverträge unrichtig sei (vgl. nur Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 3; Kamanabrou SAE 2009, 233, 237; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 532; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98).

45

(1) Die Kritiker im Schrifttum meinen, vor der Entscheidung des EuGH in der Sache Schultz-Hoff vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) seien die Arbeitsvertrags- und Tarifvertragsparteien davon ausgegangen, dass für (tarif-)vertraglich eingeräumten Mehrurlaub die damaligen höchstrichterlichen Grundsätze zum Erlöschen von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen anzuwenden seien. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte sei der übereinstimmende Parteiwille in Altverträgen dahin gegangen, dass sich übergesetzliche Urlaubsansprüche und ihre Abgeltung nach den bisherigen Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts richteten (vgl. nur Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 3; in Richtung einer ergänzenden Vertragsauslegung Kamanabrou SAE 2009, 233, 237).

46

(2) Der Senat hält auch für tarifliche Ansprüche auf Abgeltung von Mehrurlaub an seinen Auslegungsüberlegungen fest (vgl. zu einzelvertraglich vereinbartem Mehrurlaub 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 84 f., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15).

47

(a) Für einen Regelungswillen, der zwischen Ansprüchen auf Abgeltung von Mindest- und Mehrurlaub unterscheidet, müssen auch bei Tarifverträgen, die vor der Entscheidung des EuGH in der Sache Schultz-Hoff (20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) geschlossen wurden, deutliche Anhaltspunkte bestehen. Diese deutlichen Anhaltspunkte müssen sich aus Tarifwortlaut, -zusammenhang und -zweck sowie ggf. aus der Tarifgeschichte ergeben.

48

(b) Die an der Senatsrechtsprechung geäußerte Kritik unternimmt den Versuch, im Bereich (tarif-)vertraglichen Mehrurlaubs eine Art Vertrauensschutz durch eine nach Alt- und Neuverträgen differenzierende Vertrags- oder Tarifvertragsauslegung zu begründen. Sie will nicht an die objektive Rechtslage, sondern an den „irrtumsanfälligen Akt der Rechtserkenntnis“ durch die höchstrichterliche Rechtsprechung anknüpfen.

49

(aa) Gegen einen solchen Auslegungsansatz spricht, dass eine Rechtsprechungsänderung als solche nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstößt. Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen keine vergleichbare Rechtsbindung (vgl. für die st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - Rn. 85, BVerfGE 122, 248; 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 2 b und c der Gründe, BVerfGE 84, 212; siehe auch BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 33, BAGE 117, 281). Den Vertrags- oder Tarifvertragsparteien kann daher weder regelmäßig noch ohne konkrete Anhaltspunkte der Wille unterstellt werden, sie legten ihren Vereinbarungen nicht die objektive Rechtslage, sondern die höchstrichterliche Rechtsanwendung zugrunde. Sowohl der Sechste als auch der Achte Senat haben nach der ersten Rechtsprechungswende im Jahr 1982, als der Sechste Senat abweichend von der vorangegangenen Rspr. des Fünften Senats den Verfall des Urlaubs(-abgeltungs)anspruchs bei Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums angenommen hatte, keine Anknüpfung der Tarifvertragsparteien an die aufgegebene Rspr. diskutiert (vgl. beispielhaft BAG 31. Oktober 1986 - 8 AZR 244/84 - zu I 2 und II der Gründe mwN, BAGE 53, 304; zu der durch das Urteil des Sechsten Senats vom 13. Mai 1982 [- 6 AZR 360/80 - zu II 2 bis 4 der Gründe, BAGE 39, 53] aufgegebenen Rspr. des Fünften Senats für den gesetzlichen Urlaub grundlegend 13. November 1969 - 5 AZR 82/69 - zu 2 der Gründe, BAGE 22, 211; fortgeführt von der Entscheidung vom 21. Juli 1973 - 5 AZR 105/73 - AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Nr. 15, die den Verfall übergesetzlichen tariflichen Urlaubs auch bei Arbeitsunfähigkeit für unbedenklich hielt).

50

(bb) Das von den Kritikern der Senatsrechtsprechung geforderte umgekehrte Regel-Ausnahme-Verhältnis für Altverträge ist zudem nicht erforderlich, um die Interessen beider Seiten im Rahmen der Auslegung angemessen zu berücksichtigen. Deutliche Anhaltspunkte für einen Regelungswillen der Vertrags- oder Tarifvertragsparteien, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Urlaubs(-abgeltungs)ansprüchen unterscheidet, sind schon dann anzunehmen, wenn sich die (Tarif-)Vertragsparteien in weiten Teilen vom gesetzlichen Urlaubsregime lösen und stattdessen eigene Regeln aufstellen. Im Fall einer solchen eigenständigen, zusammenhängenden und in sich konsistenten Regelung ist ohne entgegenstehende Anhaltspunkte idR davon auszugehen, dass die (Tarif-)Vertragsparteien Ansprüche nur begründen und fortbestehen lassen wollen, soweit eine gesetzliche Verpflichtung besteht (für eine Unterscheidung zwischen konstitutiven und deklaratorischen Regelungen Rehwald AiB 2010, 59, 60). Eine ausdrückliche Differenzierung zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Ansprüchen ist dann nicht notwendig.

51

c) Die Voraussetzungen einer Abweichung der Tarifvertragsparteien vom Gesetzesrecht sind hier nach Tarifwortlaut, -zusammenhang, -zweck und -geschichte erfüllt. Der Anspruch des Klägers auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs für das Jahr 2004 ist nicht entstanden, sein Anspruch auf Abgeltung des Tarifmehrurlaubs für 2005 ist verfallen (§ 47 Abs. 7 Unterabs. 2 Satz 2 2. Alt., Abs. 7 Unterabs. 4 MTAng-BfA).

52

aa) Die Tarifvertragsparteien haben in § 47 MTAng-BfA ein weitgehend vom Gesetzesrecht gelöstes Urlaubsregime geschaffen. Das hebt die Beklagte zu Recht hervor. § 47 MTAng-BfA regelt sowohl die Anspruchsvoraussetzungen als auch die Rechtsfolge des Verfalls bei Fristversäumnis. § 48 MTAng-BfA trifft Aussagen über die Dauer des Urlaubsanspruchs. Im Unterschied zu § 7 Abs. 3 Satz 1 und 3 BUrlG stellt § 47 Abs. 7 MTAng-BfA nicht darauf ab, dass der Urlaub im Urlaubsjahr oder Übertragungszeitraum gewährt und genommen wird. Ein Anspruchsuntergang wird bereits durch einen Antritt des Urlaubs im Urlaubsjahr oder Übertragungszeitraum vermieden. § 47 Abs. 7 Unterabs. 4 MTAng-BfA ordnet über die Regelung in § 7 BUrlG hinaus ausdrücklich den Verfall des Urlaubsanspruchs an. In §§ 48a, 49 und 50 MTAng-BfA finden sich Regelungen über den Zusatzurlaub für Wechselschichtarbeit, Schichtarbeit und Nachtarbeit, Zusatz- und Sonderurlaub.

53

bb) Die Tarifgeschichte ist seit Langem durch ein eigenständiges Urlaubsregime gekennzeichnet.

54

(1) Mit dem 35. Änderungstarifvertrag zum MTAng-BfA vom 3. Dezember 1979 wurde in § 47 Abs. 7 Unterabs. 4 MTAng-BfA ausdrücklich der Verfall des nicht rechtzeitig angetretenen Urlaubs angeordnet. Dieser Verfall bezog sich auch auf Fälle der Arbeitsunfähigkeit. Damit machten die Tarifvertragsparteien von ihrem Gestaltungsspielraum Gebrauch, den ihnen die Rspr. des Fünften Senats 1973 auch in Fällen der Arbeitsunfähigkeit für übergesetzliche tarifliche Urlaubs(-abgeltungs)ansprüche eröffnet hatte (vgl. zu § 47 Abs. 7 BAT 21. Juli 1973 - 5 AZR 105/73 - AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Nr. 15).

55

(2) § 47 Abs. 7 Unterabs. 2 Satz 2 MTAng-BfA idF vom 3. Dezember 1979 enthielt außerdem eine auf die Besonderheiten des tariflichen Systems zugeschnittene Lösung: Konnte der Angestellte den Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum 30. April antreten, hatte er ihn innerhalb von drei Monaten nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit anzutreten, spätestens jedoch bis zum Ablauf des zweiten auf die Entstehung des Anspruchs folgenden Urlaubsjahres.

56

cc) § 48 Abs. 6 Satz 2 und § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA idF vom 31. Januar 2003 deuten nicht auf einen von den Tarifvertragsparteien bezweckten „Gleichlauf“ der gesetzlichen sowie der übergesetzlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche bei Arbeitsunfähigkeit hin.

57

(1) Nach § 48 Abs. 6 Satz 2 MTAng-BfA bleibt es beim vollen Urlaubsanspruch, wenn das Arbeitsverhältnis in der zweiten Hälfte des Urlaubsjahres wegen verminderter Erwerbsfähigkeit(§ 59 MTAng-BfA) endet. § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA sieht vor, dass der Urlaub abzugelten ist, wenn das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag (§ 58 MTAng-BfA) oder wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 59 MTAng-BfA) endet oder wenn das Arbeitsverhältnis nach § 59 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 5 MTAng-BfA zum Ruhen kommt.

58

(2) § 48 Abs. 6 Satz 2 MTAng-BfA enthält für bestimmte Beendigungstatbestände eine Zwölftelungsregelung. § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA knüpft den Abgeltungsanspruch an ausgewählte Beendigungstatbestände und - über die Regelung in § 7 Abs. 4 BUrlG hinaus - an einen Ruhenstatbestand(zu einer ähnlichen Tarifvorschrift Senat 7. September 2004 - 9 AZR 587/03 - zu I 2 b bb der Gründe, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 12). Beide Tarifnormen regeln nicht den absoluten Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs. § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA legt vielmehr bestimmte Abgeltungstatbestände fest. Der Fall der Arbeitsunfähigkeit ist nicht geregelt. Die Begriffe der Arbeitsunfähigkeit und der verminderten Erwerbsfähigkeit iSv. § 59 MTAng-BfA decken sich nicht(vgl. zu ähnlichen Tarifbestimmungen Senat 10. Mai 2005 - 9 AZR 253/04 - zu III 2 b der Gründe, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 13; 7. September 2004 - 9 AZR 587/03 - zu I 2 b bb der Gründe, aaO). § 48 Abs. 6 Satz 2 1. Alt. MTAng-BfA zwölftelt den Abgeltungsanspruch, ohne seinen Gesamtumfang zu bestimmen.

59

dd) Die Tarifvertragsparteien unterscheiden in § 51 Abs. 1 Unterabs. 2 MTAng-BfA ausdrücklich zwischen der Abgeltung des gesetzlichen und des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs.

60

(1) Danach wird lediglich derjenige Urlaubsanspruch abgegolten, der dem Angestellten nach gesetzlichen Vorschriften bei Anwendung des § 48 Abs. 6 Satz 1 MTAng-BfA noch zustünde, wenn dem Angestellten wegen eines vorsätzlich schuldhaften Verhaltens außerordentlich gekündigt worden ist oder der Angestellte das Arbeitsverhältnis unberechtigterweise gelöst hat.

61

(2) Die Tarifnorm lässt den tariflichen Mehrurlaubsanspruch ausdrücklich nur bei einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung aufgrund vorsätzlich schuldhaften Verhaltens des Angestellten oder einer ungerechtfertigten Eigenkündigung des Arbeitnehmers entfallen. Daraus kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, die Tarifvertragsparteien hätten in allen anderen Fällen den „Gleichlauf“ von gesetzlichen und übergesetzlichen Abgeltungsansprüchen beabsichtigt. Für eine Unterscheidung der beiden Ansprüche sprechen entscheidend das in § 47 MTAng-BfA geschaffene eigenständige Urlaubs-, insbesondere Fristenregime und die dort angeordnete Rechtsfolge des Verfalls bei Fristversäumnis.

62

ee) Die Tarifvertragsparteien stellen in § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA auf die Abgeltung noch nicht erfüllter Urlaubsansprüche ab. In Verbindung mit dem für die Übertragung begründeten besonderen Fristenregime des § 47 Abs. 7 Unterabs. 2 MTAng-BfA folgt daraus, dass sie für die Abgeltung des übergesetzlichen Urlaubs von der Voraussetzung eines erfüllbaren Urlaubsanspruchs ausgehen.

63

II. Der Kläger hat Anspruch auf Abgeltung des 2004 und 2005 entstandenen Schwerbehindertenzusatzurlaubs von jeweils fünf Arbeitstagen (§ 125 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 SGB IX iVm. § 7 Abs. 4 BUrlG). Die Zusatzurlaubsansprüche waren bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2005 noch nicht verfallen. § 7 Abs. 4 BUrlG setzt für Ansprüche auf Abgeltung des Zusatzurlaubs nicht voraus, dass die Freistellungsansprüche erfüllbar waren.

64

1. Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX haben schwerbehinderte Arbeitnehmer, die in der Fünftagewoche beschäftigt werden, Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr.

65

2. Der schwerbehindertenrechtliche Zusatzurlaub bestimmt sich nach den Regeln des Mindesturlaubs der §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG.

66

a) Diese sog. urlaubsrechtliche Akzessorietät ist schon wegen der Begriffe des „zusätzlichen Urlaubs“ in § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und des „Zusatzurlaubs“ in § 125 Abs. 1 Satz 2 SGB IX geboten. § 125 Abs. 3 SGB IX ordnet „auch“ für den Fall der rückwirkenden Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft die Anwendung der „urlaubsrechtlichen Regelungen“ an.

67

b) Hinzu kommt, dass sowohl der Mindesturlaub aus §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG als auch der Schwerbehindertenzusatzurlaub aus § 125 SGB IX gesetzliche, nicht disponible Urlaubsansprüche sind. Sie unterscheiden sich durch ihre strikte Unabdingbarkeit von übergesetzlichen einzel- oder tarifvertraglichen Ansprüchen (vgl. Griese jurisPK-SGB IX § 125 Rn. 30).

68

c) Die tarifliche Regelung des § 48 Abs. 3 Satz 1 MTAng-BfA, die den Schwerbehindertenzusatzurlaub von der Verringerung der Dauer des Erholungsurlaubs und des tariflichen Zusatzurlaubs bei Sonderurlaub ausnimmt, greift das Prinzip der Akzessorietät des Schwerbehindertenzusatzurlaubs auf.

69

d) Auf den Zusatzurlaub sind die Vorschriften über die Entstehung, Übertragung, Kürzung und Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs anzuwenden (für die st. Rspr. Senat 24. Oktober 2006 - 9 AZR 669/05 - Rn. 12, BAGE 120, 50; 21. Februar 1995 - 9 AZR 166/94 - zu I 1 der Gründe noch zu § 47 SchwbG, BAGE 79, 211; ebenso Kohte/Beetz jurisPR-ArbR 25/2009 Anm. 1 zu C 2; aA Subatzus DB 2009, 510, 512).

70

aa) Nach der neueren Senatsrechtsprechung in der Folge der Entscheidung Schultz-Hoff des EuGH ist der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch nicht nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG befristet, wenn der Arbeitnehmer dauernd arbeitsunfähig ist. Der Mindesturlaub ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses - unabhängig von der Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs in einem gedachten fortbestehenden Arbeitsverhältnis - nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten(vgl. das nach der Vorabentscheidung vom 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Rn. 42 ff., AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1 ergangene Senatsurteil vom 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 47 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15). Diese Erkenntnisse hat der Senat für Arbeitsverhältnisse mit privatrechtlich organisierten Arbeitgebern aus einer Rechtsfortbildung von § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG anhand der Vorgaben in Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gewonnen.

71

bb) Auch der Schwerbehindertenzusatzurlaub ist abzugelten, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig ist. Der Zusatzurlaubsanspruch aus § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist an das rechtliche Schicksal des Mindesturlaubsanspruchs gebunden(ebenso Griese jurisPK-SGB IX § 125 Rn. 30 ff.; Kohte/Beetz jurisPR-ArbR 25/2009 Anm. 1 zu C 2; Liebscher öAT 2010, 11, 14; Mestwerdt jurisPR-ArbR 27/2009 Anm. 2 zu C; Pulz jurisPR-ArbR 12/2010 Anm. 5 zu C; Rummel AuR 2009, 217; aA LAG Berlin-Brandenburg 2. Oktober 2009 - 6 Sa 1215/09 und 6 Sa 1536/09 - zu 2.2 der Gründe; ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 3 der Gründe, NZA-RR 2009, 411; Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 4; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98 f.; im Ergebnis offengelassen von Genenger Anm. LAGE BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 22 zu IV 1 c und Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 35).

72

3. Der nach deutschem Recht für Arbeitgeber aus Art. 12, 20 Abs. 3 GG abgeleitete Grundsatz des Vertrauensschutzes steht den Ansprüchen des Klägers auf Abgeltung des Zusatzurlaubs aus § 125 SGB IX nicht entgegen(aA LAG Berlin-Brandenburg 2. Oktober 2009 - 6 Sa 1215/09 und 6 Sa 1536/09 - zu 2.2 der Gründe; wie hier Pulz jurisPR-ArbR 12/2010 Anm. 5 zu C).

73

a) Die Entscheidung über die Frage innerstaatlichen Vertrauensschutzes ist dem Senat nicht entzogen. Sie fällt nicht in die Kompetenz des EuGH. Der Schwerbehindertenzusatzurlaub und seine Abgeltung sind unionsrechtlich nicht verbürgt. Beide Ansprüche werden nur wegen ihrer innerstaatlichen akzessorischen Bindung an den Mindesturlaub von der Wirkung des Unionsrechts berührt. Der fehlende unionsrechtliche Vertrauensschutz gegenüber Mindesturlaubs(-abgeltungs)ansprüchen betrifft Ansprüche auf Zusatzurlaub und ihre Abgeltung daher nur mittelbar.

74

aa) Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union, die wie das Urteil Schultz-Hoff in Vorabentscheidungsverfahren ergehen, wirken im Grundsatz zeitlich unbegrenzt. Die Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts durch den EuGH beschränkt sich darauf zu erläutern und zu verdeutlichen, wie die Regelung seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist. Daraus folgt, dass die innerstaatlichen Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor der Vorabentscheidung entstanden sind, anwenden müssen (vgl. EuGH 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 66, Slg. 2005, I-2119; 20. September 2001 - C-184/99 - [Grzelczyk] Rn. 50, Slg. 2001, I-6193). Vorabentscheidungen sind deswegen regelmäßig auch bei der Beurteilung von Handlungen und rechtlichen Beziehungen in der Zeit vor ihrem Erlass zu berücksichtigen. Der EuGH kann die Möglichkeit, sich auf die Auslegung zu berufen, die er einer unionsrechtlichen Bestimmung durch Vorabentscheidung gegeben hat, nur (ganz) ausnahmsweise mit Wirkung für alle Betroffenen zeitlich beschränken (für die st. Rspr. 12. Februar 2009 - C-138/07 - [Cobelfret] Rn. 68, EuZW 2009, 329; 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 67, aao).

75

(1) Grundlage einer solchen Beschränkung der Rückwirkung ist der allgemeine unionsrechtliche Grundsatz der Rechtssicherheit (EuGH 12. Februar 2009 - C-138/07 - [Cobelfret] Rn. 68, EuZW 2009, 329; 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 67, Slg. 2005, I-2119). Eine zeitliche Beschränkung seiner Antwort kann mit Blick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts und die nötige einheitliche Anwendung in den Mitgliedstaaten nur der EuGH selbst in dem Urteil vornehmen, das über die erbetene Auslegung entscheidet (vgl. zB EuGH 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 77, Slg. 2008, I-1757; 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 64 ff., aaO).

76

(2) Unionsrechtlicher Vertrauensschutz setzt die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Störungen bei Anwendung der vom EuGH vorgenommenen Auslegung des Unionsrechts auf vergangene Vorgänge voraus (vgl. nur 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 77 mwN, Slg. 2008, I-1757; 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 68 f., Slg. 2005, I-2119). Schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen können insbesondere aus einer großen Zahl von Rechtsverhältnissen herrühren, die „gutgläubig“ auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren. Vor der Vorabentscheidung muss darüber hinaus eine objektive und bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der fraglichen Bestimmung des Unionsrechts bestanden haben, die einzelne Unionsbürger und andere nationale Rechtspersönlichkeiten zu einem mit der Unionsregelung unvereinbaren Verhalten veranlasste (vgl. EuGH 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 69, aaO; 20. September 2001 - C-184/99 - [Grzelczyk] Rn. 53, Slg. 2001, I-6193; zu den Voraussetzungen unionsrechtlichen Vertrauensschutzes Abele RdA 2009, 312, 317; Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21; Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 35; Wißmann FS Bauer S. 1161, 1163).

77

(3) Äußert sich der EuGH nicht zu der Frage der Rückwirkung oder zeitlichen Begrenzung seiner Antwort, schließt er damit inzident unionsrechtlichen Vertrauensschutz aus. Anderes gilt nur, wenn das vorlegende Gericht den Gerichtshof ausdrücklich nach einer möglichen zeitlichen Begrenzung seiner Antwort gefragt hat (vgl. Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21; Wißmann FS Bauer S. 1161, 1164; zu ausdrücklich angefragten zeitlichen Begrenzungen zB EuGH 12. Februar 2009 - C-138/07 - [Cobelfret] Rn. 66 ff., EuZW 2009, 329; 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 64 ff., Slg. 2005, I-2119).

78

bb) Die Frage, ob das innerstaatliche Gericht ohne eine solche Beschränkung des EuGH auf der Grundlage nationalen Rechts Vertrauensschutz annehmen darf, ist noch nicht abschließend geklärt.

79

(1) Der EuGH hebt hervor, die Pflicht des nationalen Gerichts zur unionsrechtskonformen Auslegung werde durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot begrenzt (vgl. 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 61, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2; 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 110, Slg. 2006, I-6057; 8. Oktober 1987 - Rechtssache 80/86 - [Kolpinghuis Nijmegen] Rn. 13, Slg. 1987, 3969). Er sei nicht befugt, über die Auslegung innerstaatlicher Rechtsvorschriften zu entscheiden (26. Oktober 2006 - C-4/05 - [Güzeli] Rn. 36, Slg. 2006, I-10279).

80

(2) Das Bundesarbeitsgericht unterscheidet in der Frage nationalen Vertrauensschutzes zwischen Primär- und Sekundärrecht (vgl. dazu Wißmann FS Bauer S. 1161, 1164 ff.).

81

(a) Der Siebte Senat nimmt an, für die zeitliche Begrenzung der Unanwendbarkeit einer gegen das Primärrecht der Gemeinschaft (heute: Union) verstoßenden nationalen Norm sei allein der EuGH zuständig (vgl. die Entscheidung vom 26. April 2006 - 7 AZR 500/04 - Rn. 21, 24, 28 und 40 ff., BAGE 118, 76, die nationalen Vertrauensschutz dennoch absichernd in einem zweiten Begründungsstrang in Rn. 48 ff. prüft und das Urteil Mangold des EuGH vom 22. November 2005 [- C-144/04 - Rn. 55 ff., 74 ff. Slg. 2005, I-9981] rezipiert; siehe auch EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 18 ff., 44 ff., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 14).

82

(b) Der Zweite, der Sechste und der Achte Senat bejahen die Möglichkeit, nationalen Vertrauensschutz annehmen zu können, für Sekundärrecht auch dann, wenn der EuGH die Wirkung einer Vorabentscheidung nicht zeitlich begrenzt hat (vgl. in der Folge der Entscheidung Junk des EuGH vom 27. Januar 2005 [- C-188/03 - Rn. 31 ff., 40 ff., Slg. 2005, I-885] grundlegend BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 32 ff., vor allem Rn. 42, BAGE 117, 281; bestätigt zB von 12. Juli 2007 - 2 AZR 619/05 - Rn. 20 ff., AP KSchG 1969 § 17 Nr. 33; 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - Rn. 27 ff., AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156; dem zustimmend 22. März 2007 - 6 AZR 499/05 - Rn. 16 ff., EzA KSchG § 17 Nr. 19; 26. Juli 2007 - 8 AZR 769/06 - Rn. 66 f., AP BGB § 613a Nr. 324).

83

(3) Das deutsche Schrifttum bejaht im Fall sekundären Unionsrechts wohl überwiegend die Möglichkeit nationalen Vertrauensschutzes in den Fortbestand einer innerstaatlichen Rspr. ohne (weitere) Anrufung des EuGH, auch wenn der Gerichtshof die Rückwirkung seiner Auslegung des Unionsrechts nicht begrenzt hat (vgl. zB Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 2; Höpfner RdA 2006, 156, 164 f.; Kamanabrou SAE 2009, 233, 236 f.; Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 35 f.; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 97 f.; Tillmanns FS Buchner S. 885, 894 ff.; Wißmann FS Bauer S. 1161, 1164 ff., der als Korrektiv innerstaatlichen Vertrauensschutzes einen Schadensersatzanspruch gegen den Mitgliedstaat Bundesrepublik in Betracht zieht; nationalen Vertrauensschutz nur in engen Grenzen bejahend Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21; gegen innerstaatlichen Vertrauensschutz ohne Anrufung des EuGH etwa Abele RdA 2009, 312, 317; Schiek AuR 2006, 41, 43 f.).

84

(4) Der von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie verbürgte Mindestjahresurlaubsanspruch beruht nicht auf Primärrecht. Der EuGH hat stets hervorgehoben, dass der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft (heute: Union) sei (vgl. nur 10. September 2009 - C-277/08 - [Vicente Pereda] Rn. 18, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 3). Der Gerichtshof hat diesen Grundsatz jedoch nicht auf die Verträge, sondern auf das sekundäre Unionsrecht des Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gestützt(näher Senat 17. November 2009 - 9 AZR 844/08 - Rn. 18 f., DB 2010, 850; 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 51, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15, jeweils mwN). Ein Grundsatz des Unionsrechts ist nicht gleichzusetzen mit einem Unionsgrundrecht (vgl. Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 32).

85

cc) Der Schwerbehindertenzusatzurlaub und seine Abgeltung sind nicht unionsrechtlich gewährleistet.

86

(1) Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG verbürgt nur den Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen und seine Abgeltung(ebenso LAG Berlin-Brandenburg 2. Oktober 2009 - 6 Sa 1215/09 und 6 Sa 1536/09 - zu 2.2 der Gründe; Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 4; Gaul/Josten/Strauf BB 2009, 497, 498 f.; Rid AuA 2010, 178; Rummel AuR 2009, 217; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98 f.; Subatzus DB 2009, 510, 512; wohl auch Genenger Anm. LAGE BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 22 zu IV 1 c; zu der Reichweite von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie ausführlich oben zu A I 4). § 125 SGB IX soll auch kein anderes Unionsrecht umsetzen(ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 3 der Gründe, NZA-RR 2009, 411).

87

(2) Ansprüche auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs werden nur wegen ihrer akzessorischen Bindung an den nationalen gesetzlichen Mindesturlaub von der unmittelbaren Wirkung des Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gegenüber öffentlichen Arbeitgebern und der unionsrechtskonformen Fortbildung des § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG im Verhältnis zu privaten Arbeitgebern berührt(vgl. zu der für den Mindesturlaub im Privatrechtsverkehr vorgenommenen Rechtsfortbildung Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 57 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15). Der Senat kann wegen dieser Akzessorietät offenlassen, ob im Streitfall durch die rechtskräftige Entscheidung über die Abgeltung des Mindesturlaubs darüber hinaus eine aus § 322 Abs. 1 ZPO abzuleitende sog. Präklusionswirkung eintritt.

88

(3) Die Beklagte ist eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts, die unter staatlicher Aufsicht steht und Dienstherrnfähigkeit iSv. § 2 BBG besitzt(§ 29 Abs. 1, § 90 Abs. 2a SGB IV, § 143 Abs. 1 SGB VI). Für sie wirkt Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie unmittelbar. Der vom Mindesturlaub nach innerstaatlichem Recht abhängige Anspruch auf Zusatzurlaub aus § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist deshalb bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit nicht nur bis zum 31. März des Folgejahres übertragbar. Die zeitliche Begrenzung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG gilt für den Zusatzurlaubsanspruch ebenso wenig wie für den Mindesturlaub. Die mangelnde Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs ist auch kein Erfüllungshindernis für die als finanzielle „Entschädigung“ zu gewährende Abgeltung (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Das folgt aus der nationalen Bindung des Zusatzurlaubsanspruchs aus § 125 SGB IX an die unmittelbare Wirkung von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gegenüber der öffentlich-rechtlich organisierten Beklagten im Bereich des Mindesturlaubs.

89

(a) Nach der st. Rspr. des EuGH kann sich der Einzelne in Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat (und seinen Untergliederungen) auf diese Bestimmungen berufen, wenn der Mitgliedstaat die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat (vgl. zB 12. Februar 2009 - C-138/07 - [Cobelfret] Rn. 58 mwN, EuZW 2009, 329; Riesenhuber Europäisches Arbeitsrecht § 1 Rn. 70).

90

(b) In Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten können Richtlinien dagegen nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen. Einer Privatperson gegenüber kann sich niemand auf die Richtlinie als solche berufen (vgl. für die st. Rspr. EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 46, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 14). Richtlinien sind an die Mitgliedstaaten und nicht an private Rechtssubjekte gerichtet. Die Mitgliedstaaten haben die Richtlinienziele nach Art. 288 Abs. 3 AEUV umzusetzen. Sogar eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung, mit der dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, ist zwischen Privaten nicht anwendbar (vgl. nur EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 59 mwN, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2).

91

(c) Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie ist hinreichend klar, genau und unbedingt und wirkt damit unmittelbar gegenüber der öffentlich-rechtlich organisierten Beklagten.

92

(aa) Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gibt den Mitgliedstaaten einen Mindestjahresurlaub von vier Wochen vor. Der zweite Absatz der Bestimmung sichert den Urlaubsanspruch für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Urlaub darf nur dann durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.

93

(bb) Der EuGH verdeutlicht die Klarheit und Exaktheit der Regelungen, indem er den Urlaubsanspruch in der Sache Schultz-Hoff nicht nur als vom Unionsrecht gewährleisteten Anspruch, sondern als „von der Richtlinie unmittelbar gewährtes soziales Recht“ und sich „unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Anspruch“ bezeichnet (20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - Rn. 45 f., AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1). So weit gingen frühere Entscheidungen nicht. Der Gerichtshof betonte jedoch schon im ersten zu Art. 7 der ursprünglichen Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG ergangenen Urteil BECTU die „klare und bestimmte Verpflichtung der Mitgliedstaaten“, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhalte(26. Juni 2001 - C-173/99 - Rn. 34, Slg. 2002, I-4881). In der Entscheidung Robinson-Steele hob er den zwingenden Charakter des Anspruchs auf Jahresurlaub und das Erfordernis hervor, die praktische Wirksamkeit von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie zu gewährleisten(16. März 2006 - C-131/04 und C-257/04 - Rn. 68, Slg. 2006, I-2531).

94

(cc) Der unmittelbaren Wirkung von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gegenüber der öffentlich-rechtlich strukturierten Beklagten steht nicht entgegen, dass der Anspruch an die „Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung“ gebunden wird, „die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind“. Die Bestimmung wird damit nicht inhaltlich bedingt iSd. Rspr. des EuGH. Sie wirkt gegenüber der Untergliederung eines Mitgliedstaats gleichwohl unmittelbar. Die Mitgliedstaaten dürfen nach der verbindlichen Auslegung des Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie durch den EuGH nicht vorsehen, dass der Mindestjahresurlaubsanspruch erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist(vgl. 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Rn. 48, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1).

95

(d) Der Zusatzurlaubsanspruch nimmt durch seine nationale Akzessorietät an der unmittelbaren Wirkung von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gegenüber der öffentlich-rechtlich organisierten Beklagten teil.

96

b) Selbst wenn die Beklagte entgegen der Ansicht des Senats nicht als Untergliederung des Mitgliedstaats Bundesrepublik eingeordnet oder Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie für unbestimmt oder bedingt gehalten wird, kann sich die Beklagte nicht auf Vertrauensschutz berufen. Für private Arbeitgeber wirkt Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie zwar nicht unmittelbar. Ihr mögliches Vertrauen auf den Fortbestand der früheren st. Rspr. ist seit dem 24. November 1996 aber nicht länger schutzwürdig. Die Grundlage des Vertrauens auf die Fortdauer der früheren Senatsrechtsprechung, die den Verfall von Urlaubs(-abgeltungs)ansprüchen bei Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums annahm, war nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG (ABl. EG 1993 Nr. L 307 vom 13. Dezember 1993 S. 18) am 23. November 1996 zerstört. Das gilt auch für den nach innerstaatlichem Recht an den Mindesturlaub gebundenen Anspruch auf Schwerbehindertenzusatzurlaub und seine Abgeltung.

97

aa) Die Bundesrepublik nutzte die Möglichkeit einer Übergangszeit über die Umsetzungsfrist hinaus nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b i ii der Richtlinie 93/104/EG nicht. Sie setzte die Vorgabe eines vierwöchigen Mindestjahresurlaubs durch Art. 7 der ersten Arbeitszeitrichtlinie mit Art. 2 des Arbeitszeitrechtsgesetzes vom 6. Juni 1994 um (ArbZRG, BGBl. I S. 1170). Art. 2 ArbZRG trat am 1. Januar 1995 in Kraft (vgl. zur Gesetzesgeschichte ErfK/Dörner 10. Aufl. § 3 BUrlG Rn. 1; AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. § 3 BUrlG Rn. 1).

98

bb) Der Senat geht davon aus, dass nationaler Vertrauensschutz vor Ansprüchen, die das sekundäre Unionsrecht gewährleistet, im Privatrechtsverkehr auch ohne weitere Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV angenommen werden darf, obwohl der EuGH die Wirkung der Vorabentscheidung Schultz-Hoff auf der Grundlage des Unionsrechts nicht zeitlich begrenzt hat(20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1). Die innerstaatlichen Gerichte sind als Teil der Staatsgewalt an das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG gebunden. Sie haben den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu beachten. Der EuGH berücksichtigt solche nationalen rechtlichen Bindungen selbst. Er betont, die Pflicht der einzelstaatlichen Gerichte zur unionsrechtskonformen Auslegung werde durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot begrenzt (vgl. 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 61, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2; 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 110, Slg. 2006, I-6057; 8. Oktober 1987 - Rechtssache 80/86 - [Kolpinghuis Nijmegen] Rn. 13, Slg. 1987, 3969; zu der ausschließlichen Auslegungskompetenz der nationalen Gerichte für einzelstaatliche Rechtsvorschriften 26. Oktober 2006 - C-4/05 - [Güzeli] Rn. 36, Slg. 2006, I-10279).

99

cc) Die Frage des Vertrauensschutzes ist daher anhand der innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beantworten.

100

(1) Es verstößt nicht als solches gegen Art. 20 Abs. 3 GG, eine in der Rechtsprechung bislang vertretene Gesetzesauslegung aufzugeben. Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen keine vergleichbare Rechtsbindung. Die über den Einzelfall hinausreichende Wirkung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung beruht nur auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts. Ein Gericht kann deshalb von seiner bisherigen Rechtsprechung abweichen, auch wenn keine wesentlichen Änderungen der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauungen eintreten. Es muss jedoch den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes beachten und ihm erforderlichenfalls durch Billigkeitserwägungen Rechnung tragen. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist grundsätzlich unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält (vgl. für die st. Rspr. BVerfG 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - Rn. 85, BVerfGE 122, 248; 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 2 b und c der Gründe, BVerfGE 84, 212; 14. Januar 1987 - 1 BvR 1052/79 - zu B II 1 der Gründe, BVerfGE 74, 129; siehe auch BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 33, BAGE 117, 281; kritisch gegenüber einem nur deduktiven Rechtsprechungsverständnis iS reiner Rechtserkenntnis Buchner Gedächtnisschrift R. Dietz S. 175, 184 ff., der die dezisionistischen und damit rechtsetzenden Züge von Rspr. insbesondere bei Gesetzeslücken und Generalklauseln hervorhebt; ihm zustimmend Tillmanns FS Buchner S. 885, 886 f.; für höchstrichterliche Rspr. ähnlich Höpfner RdA 2006, 156, 158, 161 ff.; derselbe NZA 2008, 91, 92; derselbe NZA 2009, 420, 421).

101

(2) Die langjährige Rspr. der Urlaubssenate des Bundesarbeitsgerichts, die seit 1982 vom Verfall von Urlaubs(-abgeltungs)ansprüchen bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums ausging, war zwar geeignet, Vertrauen der Arbeitgeberseite auf die Fortdauer dieser Rspr. zu begründen (vgl. zu der Aufgabe der früheren Rspr., die keinen Verfall angenommen hatte, grundlegend 13. Mai 1982 - 6 AZR 360/80 - zu II 2 bis 4 der Gründe, BAGE 39, 53). Die Vertrauensgrundlage entfiel aber mit Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23. November 1996. Seit dem 24. November 1996 war das Vertrauen von Arbeitgebern auf den Fortbestand der bisherigen Rspr. nicht länger schutzwürdig (zu der nötigen zweistufigen Prüfung nach Vertrauensgrundlage und Schutzwürdigkeit des Vertrauens zB Höpfner RdA 2006, 156, 157 ff.; Löwisch FS Arbeitsgerichtsbarkeit S. 601, 607 ff.; Tillmanns FS Buchner S. 885, 894 ff.).

102

(a) Das Unionsrecht bindet die nationale Rechtsanwendung grundsätzlich mit seinem Inkrafttreten. Für Richtlinien gilt das (spätestens) mit Ablauf der Umsetzungsfrist. Die einzelstaatlichen Gerichte sind ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, das innerstaatliche Recht richtlinienkonform auszulegen oder fortzubilden, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 288 Abs. 3 AEUV zu genügen(vgl. zB EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 60, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2). Eine Rechtsfortbildung ist unionsrechtlich geboten, wenn die nationale Methodenlehre dieses Instrument kennt.

103

(b) Nationaler Vertrauensschutz in eine bestehende, vom Richtlinienrecht abweichende nationale Rspr. ist im Privatrechtsverkehr ausnahmsweise anzuerkennen, wenn das einzelstaatliche Recht der richtlinienkonformen Rechtsfindung Grenzen setzt. In diesem Fall kann sich der nationale Vertrauensschutz durchsetzen (vgl. Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21). Dieses seltene und nur ausnahmsweise anzunehmende Ergebnis wird von der Rspr. des EuGH anerkannt (vgl. 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 61, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2; 26. Oktober 2006 - C-4/05 - [Güzeli] Rn. 36, Slg. 2006, I-10279; 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 110, Slg. 2006, I-6057; 8. Oktober 1987 - Rechtssache 80/86 - [Kolpinghuis Nijmegen] Rn. 13, Slg. 1987, 3969; siehe auch die Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl vom 14. März 2006 in der Sache - C-475/03 - [Banca Popolare di Cremona] Rn. 147).

104

(c) Die Ermittlung nationalen Vertrauensschutzes muss ebenso wie die richtlinienkonforme Rechtsfindung den grundsätzlichen Durchsetzungsanspruch des Unionsrechts beachten. Das System mehrerer rechtlicher Ebenen, die von Unionsrecht und nationalem Recht gebildet werden, ist dem Grundgesetz nicht fremd. Zu Gesetz und Recht, die die innerstaatliche Rspr. nach Art. 20 Abs. 3 GG binden, gehören die unionsrechtlichen Richtlinienvorgaben. Auch das Inkrafttreten einer Richtlinie ist ein vertrauensbegründender Umstand. Der durch die Richtlinie Begünstigte kann sich auf die richtlinienkonforme Auslegung oder Fortbildung des nationalen Rechts verlassen, obwohl die Richtlinie zwischen Privaten nicht unmittelbar wirkt (vgl. Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21).

105

(d) Für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf eine bisherige richtlinienwidrige nationale Rspr. kommt es in dem Mehrebenensystem von Unionsrecht und einzelstaatlichem Recht nicht (nur) darauf an, ob sich die Rechtsunterworfenen überwiegend auf die innerstaatliche Rechtsanwendung verlassen. Die Durchsetzung des Unionsrechts ist in gleichwertiger Weise sicherzustellen wie die Durchsetzung des einzelstaatlichen Rechts (sog. Äquivalenzgrundsatz). Das bedeutet, dass das Vertrauen auf die Durchsetzung unionsrechtlich gewährleisteter Rechte ebenso zu schützen ist wie das Vertrauen auf die Beständigkeit nationaler Rechtsanwendung. Die unionsrechtlich verbürgten Rechte dürfen im Ergebnis nicht leerlaufen (sog. Effektivitätsgrundsatz). Das Unionsrecht verlangt der nationalen Methodenlehre daher ab, seine Durchsetzung so weit wie möglich sicherzustellen (vgl. Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21).

106

(e) Damit kommt es nicht zu einer „verkappten“ unmittelbaren Wirkung von Richtlinien im Privatrechtsverkehr. Vielmehr ist schützenswertes Vertrauen auf eine einzelstaatliche richtlinienwidrige st. Rspr. wegen der Mehrgliedrigkeit von Unionsrecht und innerstaatlichem Recht nur ausnahmsweise anzunehmen. Nationaler Vertrauensschutz setzt besondere Umstände voraus. Die richtlinienwidrige Rechtsfindung darf nur im Ausnahmefall fortgesetzt werden.

107

dd) Die nötigen besonderen Umstände für innerstaatlichen Vertrauensschutz waren seit dem Ende der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23. November 1996 nicht länger gegeben.

108

(1) Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 24. März 2009 (- 9 AZR 983/07 - Rn. 73 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15) für die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs angenommen, jedenfalls ab Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf in der Sache Schultz-Hoff vom 2. August 2006 (- 12 Sa 486/06 - LAGE BUrlG § 7 Nr. 43) sei eine Zäsur in der Rechtsentwicklung eingetreten. Zumindest seit diesem Zeitpunkt habe es sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung gehalten, dass eine richtlinienkonforme Auslegung oder Fortbildung von § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG vorzunehmen sein würde. Der Senat konnte in der Entscheidung vom 24. März 2009 (- 9 AZR 983/07 - Rn. 74, aaO) offenlassen, ob Arbeitgeber vor Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens in der Sache Schultz-Hoff bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums berechtigt auf den Verfall von Urlaubsabgeltungsansprüchen vertrauen durften. Die Ansprüche der Klägerin dieses Rechtsstreits waren bei Bekanntwerden der Vorlage auch nach der früheren Auslegung von § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG durch den Senat noch nicht verfallen.

109

(2) Die Vertrauensschutzerwägungen des Senats im Urteil vom 24. März 2009 (- 9 AZR 983/07 - Rn. 73 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15) sind im Schrifttum auf scharfe Kritik gestoßen (für Vertrauensschutz Bauer/Arnold NJW 2009, 631, 633 f.; dieselben Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 2; Gaul/Bonanni/Ludwig DB 2009, 1013 f., 1017; Kock BB 2009, 1181; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 531 f.; von Steinau-Steinrück/Mosch NJW-Spezial 2009, 338 f.; im Ergebnis offengelassen, aber wohl für Vertrauensschutz Genenger LAGE BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 22 zu IV 2; Picker ZTR 2009, 230, 235 f.; offengelassen von Kamanabrou SAE 2009, 121, 127 und SAE 2009, 233, 236 f.; gegen Vertrauensschutz Abele RdA 2009, 312, 317; Kohte/Beetz jurisPR-ArbR 25/2009 Anm. 1 zu B 5 aE; Rummel AuR 2009, 217 f.; Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 35 f., die einen zeitlich unbegrenzten Ausschluss von Vertrauensschutz erwägt).

110

(3) Beanstandet wird insbesondere die zeitliche Anknüpfung an das Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens (Abele RdA 2009, 312, 317; Kock BB 2009, 1181; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 531 f.; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 97 f.). Die Kritiker meinen, sie widerspreche der Vorgehensweise des Zweiten, des Sechsten und des Achten Senats in der Folge der Entscheidung Junk des EuGH vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - Slg. 2005, I-885) zur Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG(grundlegend BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 32 ff., BAGE 117, 281; bestätigt zB von 12. Juli 2007 - 2 AZR 619/05 - Rn. 20 ff., AP KSchG 1969 § 17 Nr. 33; 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - Rn. 27 ff., AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156; dem zustimmend 22. März 2007 - 6 AZR 499/05 - Rn. 16 ff., EzA KSchG § 17 Nr. 19; 26. Juli 2007 - 8 AZR 769/06 - Rn. 66 f., AP BGB § 613a Nr. 324). Dort wurde Vertrauensschutz angenommen und nicht an das Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens oder der Schlussanträge des Generalanwalts angeknüpft.

111

(4) Die Sachverhaltsgestaltungen, die den Junk-Folgeentscheidungen und der Rezeption des EuGH-Urteils in der Sache Schultz-Hoff vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) durch die Entscheidung des Senats vom 24. März 2009 (- 9 AZR 983/07 - Rn. 73 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15) zugrunde liegen, sind nicht vergleichbar (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 2. Dezember 2009 - 17 Sa 621/09 - zu II 2 d bb (2) (b) der Gründe). Es hielt sich für die Beklagte seit dem Ende der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie am 23. November 1996 im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung, dass die 1982 begonnene st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall von Urlaubs(-abgeltungs)ansprüchen bei Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des in § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG definierten Übertragungszeitraums im Licht der Arbeitszeitrichtlinie zu überprüfen sein würde. Jedenfalls begründet der Fortbestand der Ansprüche auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs in der durchzuführenden Interessenabwägung keine unzumutbare Härte für die Beklagte. Für die Schutzwürdigkeit ihres Vertrauens spricht nur, dass der Senat über das Ende der Umsetzungsfrist für die ursprüngliche Arbeitszeitrichtlinie hinaus an seiner Rspr. zum Verfall von Urlaubs(-abgeltungs)ansprüchen bei Arbeitsunfähigkeit festhielt (vgl. etwa 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116; 7. September 2004 - 9 AZR 587/03 - zu I 2 a der Gründe, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 12). Die Umstände, die für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Klägers auf die richtlinienkonforme Fortbildung von § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG sprechen, überwiegen gegenüber diesem einzigen, für die Beklagte sprechenden vertrauensbegründenden Moment.

112

(a) Nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23. November 1996 standen sich im rechtlichen Mehrebenensystem der Europäischen Gemeinschaften (heute: der Europäischen Union) die Deutungshoheit des EuGH für Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie und die Interpretationskompetenz des Bundesarbeitsgerichts für das Bundesurlaubsgesetz gegenüber. Insofern unterscheidet sich der Streitfall von der geänderten Rspr. des Vierten Senats zu sog. Gleichstellungsabreden (vgl. nur 21. Oktober 2009 - 4 AZR 396/08 - Rn. 17 ff. mwN). Die Ankündigung einer Rechtsprechungsänderung für das nationale Recht auf der Grundlage des Richtlinienrechts kommt hier schon im Hinblick auf die Auslegungskompetenz des EuGH für das Unionsrecht nicht in Betracht. Wegen der innerstaatlichen Bindung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs aus § 125 SGB IX an den Mindesturlaubsanspruch scheidet auch für den Zusatzurlaub die Ankündigung einer geänderten nationalen Rspr. aus.

113

(b) Mit Inkrafttreten von Art. 7 der ersten Arbeitszeitrichtlinie war unklar, ob der EuGH die frühere Auffassung des Senats, wonach Urlaubs(-abgeltungs)ansprüche bei Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums untergingen, auf der Grundlage des Richtlinienrechts teilen würde.

114

(aa) Art. 7 der ersten Arbeitszeitrichtlinie traf nach Ablauf der Umsetzungsfrist mit dem 23. November 1996 auf eine seit über 14 Jahren bestehende Rspr. des BAG zu §§ 1, 3 Abs. 1, § 7 BUrlG. Dadurch unterschied sich die Sachlage von der Geschichte der ersten Massenentlassungsrichtlinie 75/129/EWG (ABl. EG Nr. L 48 vom 22. Februar 1975 S. 29). Art. 3 der ursprünglichen Massenentlassungsrichtlinie wurde durch § 17 KSchG in deutsches Recht umgesetzt(Wißmann FS Bauer S. 1161 f.). Die nationale Rspr. zu § 17 KSchG baute von vornherein auf dem „Fundament“ des Richtlinienrechts auf, während Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie mit einem „alten“ System der Auslegung des nationalen Rechts in Einklang gebracht werden musste.

115

(bb) Mit Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie im Jahr 1996 trat deswegen eine objektive und bedeutende Unsicherheit darin auf, wie § 7 BUrlG richtlinienkonform zu verstehen war.

116

(cc) Der EuGH machte mit seiner ersten Entscheidung BECTU zu Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie seine Auslegungskompetenz für das Unionsrecht deutlich(26. Juni 2001 - C-173/99 - Slg. 2002, I-4881). Er trat dort im Urlaubsrecht erstmals einer nationalen - britischen - Auslegung urlaubsrechtlicher Pflichten entgegen.

117

(dd) Hinzu kommt, dass die Rspr. des Bundesarbeitsgerichts zu § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG bei Arbeitsunfähigkeit nicht von jeher einheitlich war. Der Fünfte Senat, der vor 1982 für das Urlaubsrecht zuständig war, hatte noch angenommen, dass Urlaubsabgeltungsansprüche bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums nicht verfielen (grundlegend 13. November 1969 - 5 AZR 82/69 - zu 2 der Gründe, BAGE 22, 211).

118

(c) Die Sachverhaltsgestaltungen, die den Junk-Folgeentscheidungen und der Schultz-Hoff-Rezeption zugrunde liegen, unterscheiden sich zudem in mehreren für die Schutzbedürftigkeit des Vertrauens der Arbeitgeberseite entscheidenden Gesichtspunkten. Diese Umstände sind in der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Sie schließen eine unzumutbare Härte für die Beklagte durch den Fortbestand der Ansprüche auf Abgeltung des Zusatzurlaubs aus.

119

(aa) Den Arbeitgeber trifft nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG die Handlungspflicht zur Erstattung der Massenentlassungsanzeige gegenüber der Arbeitsverwaltung. Er muss in einer komplexen Handlungssituation darum nachsuchen, dass eine Behörde tätig wird, und damit durch aktives Tun sein Vertrauen betätigen. Der Zweite Senat differenziert in der Frage des Vertrauensschutzes selbst ausdrücklich zwischen der bloßen rechtlichen Beurteilung der Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts und der bereits erfolgten Ausübung eines Gestaltungsrechts (23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 33, BAGE 117, 281; ebenso LAG Berlin-Brandenburg 2. Dezember 2009 - 17 Sa 621/09 - zu II 2 d bb (2) (b) der Gründe).

120

(bb) Der Zweite Senat hatte nicht sehr lange vor der Entscheidung Junk des EuGH vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - Slg. 2005, I-885) mit Urteil vom 18. September 2003 seine bisherige Auffassung bestätigt. Danach kam es für die Erstattung der Massenentlassungsanzeige nicht auf den Zugang der Kündigung, sondern auf die Entlassung - den tatsächlichen Beendigungszeitpunkt - an (18. September 2003 - 2 AZR 79/02 - zu B III der Gründe, BAGE 107, 318). Die Entscheidung vom 18. September 2003 setzte sich im Einzelnen mit den Fragen der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG (ABl. EG Nr. L 225 vom 12. August 1998 S. 16) auseinander. Sie erging nach dem Vorabentscheidungsersuchen des Arbeitsgerichts Berlin in der Sache Junk vom 30. April 2003 (- 36 Ca 19726/02 - ZIP 2003, 1265). Der Zweite Senat stellte deshalb bei der Rezeption der Junk-Vorabentscheidung vor allem darauf ab, dass er selbst noch nach der Vorlage vom 30. April 2003 mit Urteil vom 18. September 2003 einen Vertrauenstatbestand geschaffen und eine richtlinienkonforme Auslegung von § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG verneint habe(vgl. 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - Rn. 30, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156).

121

(cc) Vor der Vorabentscheidung Schultz-Hoff vom 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) mussten Arbeitgeber ihr Vertrauen auf die Fortdauer der nationalen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen bei Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums dagegen nicht aktiv betätigen. Es war ihrem Einfluss entzogen, ob ein Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig bleiben würde. Der Neunte Senat hatte sich in diesem Zusammenhang auch noch nie mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie befasst. Eine vertrauensbildende Auseinandersetzung der Rechtsprechung des BAG mit dem Unionsrecht fehlte. Es handelte sich um eine grundsätzlich neue Fragestellung.

122

(5) Das Vertrauen der Beklagten darauf, dass § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums nicht richtlinienkonform auszulegen oder fortzubilden sein würde, ist aus diesen Gründen nicht schutzwürdig. Der Beklagten ist es zumutbar, die fortbestehenden Ansprüche des Klägers auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs für 2004 und 2005 zu erfüllen.

123

4. Abzugelten sind jeweils fünf Tage für die Jahre 2004 und 2005 (§ 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX iVm. § 7 Abs. 4 BUrlG). Die Forderung beträgt rechnerisch 2.013,54 Euro brutto (4.362,67 Euro brutto x 3 Monate : 13 Wochen : 5 Arbeitstage x 10 Zusatzurlaubstage). Der im Jahr 2004 entstandene Zusatzurlaubsanspruch wurde auf das gesamte Urlaubsjahr 2005 übertragen, weil der Kläger seit dem 8. September 2004 über das Jahresende hinaus bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. September arbeitsunfähig war. Der Urlaubsanspruch war daher nicht erfüllbar. Der Zusatzurlaubsanspruch für das Jahr 2004 trat zu dem Anspruch für 2005 hinzu (vgl. zu einem tariflichen „Revolvingsystem“ Senat 20. August 1996 - 9 AZR 22/95 - zu I 1 b der Gründe, BAGE 84, 23; für eine Zusammenfassung der Ansprüche aus verschiedenen Urlaubsjahren auch ErfK/Dörner § 7 BUrlG Rn. 39o, 46, 46a; AnwK-ArbR/Düwell § 7 BUrlG Rn. 90, 111 ff., 119; zu der ggf. nötigen Kumulation im Bereich des Mindesturlaubs EuGH 6. April 2006 - C-124/05 - [Federatie Nederlandse Vakbeweging] Rn. 24 und 30, Slg. 2006, I-3423). Er wandelte sich ebenso wie der Zusatzurlaubsanspruch aus dem Jahr 2005 mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2005 in einen finanziellen Abgeltungsanspruch um (vgl. AnwK-ArbR/Düwell § 7 BUrlG Rn. 134).

124

III. Die Ansprüche des Klägers auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs für 2004 und 2005 sind ab 4. Oktober 2005 unter dem Gesichtspunkt des Verzugs (§ 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 BGB) zu verzinsen (vgl. zum Zinsbeginn Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 99, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 715/07 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 27, jeweils unter Hinweis auf § 187 Abs. 1 BGB). Der 2. Oktober 2005 war ein Sonntag, der 3. Oktober 2005 ein Feiertag (§ 193 BGB). Der Zinsausspruch für die Abgeltung des Mindesturlaubs von 8.054,00 Euro brutto bereits ab 1. Oktober 2005 ist ebenso wie die entsprechende Verurteilung der Beklagten in der Hauptsache rechtskräftig und nicht zur Entscheidung des Senats angefallen.

125

B. Die Parteien haben die Kosten des Rechtsstreits im Umfang ihres Unterliegens in den Instanzen zu tragen (§ 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., § 97 Abs. 1 ZPO).


        

    Düwell    

        

    Krasshöfer    

        

    Gallner    

        

        

        

    B. Lang    

        

    Preuß    
                 

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt eine finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Urlaub.

2

Der 1953 geborene Kläger stand zuletzt als Polizeihauptkommissar im Dienst des beklagten Landes. Er war ab Anfang Juli 2007 ununterbrochen erkrankt. Mit Wirkung vom 1. August 2008 hat ihn der Beklagte wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

3

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab, ihm eine Vergütung für insgesamt 62 Urlaubstage zu zahlen, die er in den Jahren 2007 und 2008 wegen seiner Erkrankung nicht hatte antreten können. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

4

In dem Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts heißt es: Der Kläger habe keinen Urlaubsabgeltungsanspruch nach Bundes- oder Landesrecht. Auch Unionsrecht begründe für Beamte in Deutschland einen solchen Anspruch nicht, denn Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sei bei der nach Art. 15 RL 2003/88/EG gebotenen Vergleichsbetrachtung des Unionsrechts und des Beamtenrechts unanwendbar: Beamte seien im Krankheitsfall erheblich besser abgesichert als andere Beschäftigte, weil sie die vollen Dienstbezüge zeitlich unbegrenzt erhielten und das Beamtenverhältnis nicht wegen Krankheit beendet werden könne.

5

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. März 2010 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Juli 2009 sowie den Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 13. Juni 2008 und dessen Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm für insgesamt 62 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage der Jahre 2007 und 2008 eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor seinem Eintritt in den Ruhestand zu gewähren.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Abweisung der Klage stellt sich aus anderen Gründen zum Teil als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8

1. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass dem Kläger aus nationalem Recht kein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht. Es gibt für Beamte keine normativen Regelungen, die einen solchen Anspruch begründen. Das gilt auch für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Zu Unrecht beruft sich der Kläger insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar angenommen, dass der Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ebenso wie der gesetzliche Mindesturlaub aus den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist, wenn der Zusatzurlaub nicht gewährt werden kann, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war (Urteil vom 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - BAGE 134, 1 ff.; vgl. auch Urteil vom 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - NZA 2012, 514 ff.). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Beamte übertragen werden. Das vom Bundesarbeitsgericht herangezogene Bundesurlaubsgesetz, das in § 7 Abs. 4 eine Urlaubsabgeltung vorsieht, ist auf Beamte nicht anwendbar; deren Ansprüche auf Urlaub und Besoldung richten sich nach den jeweiligen beamtenrechtlichen Gesetzen und Verordnungen, die bislang einen Urlaubsabgeltungsanspruch gerade nicht vorsehen.

9

2. Dem Kläger steht aber nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG) ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung seines unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs von vier Wochen Erholungsurlaub zu. Einen darüber hinausgehenden Anspruch aus Unionsrecht auf Abgeltung von sich aus nationalem Recht ergebenden weiteren Erholungsurlaubstagen, von sog. Arbeitszeitverkürzungstagen und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat er hingegen nicht.

10

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Abgeltung von bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub hergeleitet und auch Voraussetzungen, Umfang und Grenzen dieses Anspruchs bestimmt. Diese Auslegung des Unionsrechts ist für die nationalen Gerichte und damit auch für das Bundesverwaltungsgericht bindend (Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV).

11

a) Es ist in der Rechtsprechung des EuGH seit langem geklärt, dass auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der RL 2003/88/EG sind. Das gilt grundsätzlich auch für Polizisten, die insoweit mit Feuerwehrleuten vergleichbar sind, für die der EuGH mehrfach ausgesprochen hat, dass sie der Arbeitszeitrichtlinie unterfallen (EuGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - Rs. C-52/04 - Slg. 2005, I-7111 Rn. 57 ff.; Urteil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Neidel - ABl EU 2012, Nr. C 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688 Rn. 22). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (vgl. etwa Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 20 ff. ) und hat auch für Polizisten bereits darauf hingewiesen, dass Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG, auf den Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG zur Bestimmung ihres Anwendungsbereichs Bezug nimmt, nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist und nicht etwa Streitkräfte, Feuerwehr oder Polizei generell, sondern nur für bestimmte in diesen Sektoren wahrgenommene besondere Aufgaben wie etwa bei Natur- oder Technologiekatastrophen und schweren Unglücksfällen von der Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie ausnimmt (Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 20).

12

b) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand (vgl. § 21 Nr. 4 Beamtenstatusgesetz, § 30 Nr. 4 BBG) eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG. Dem Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.) ist zu entnehmen, dass der EuGH der konkreten nationalstaatlichen Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses keine Bedeutung beimisst, sondern für allein maßgeblich hält, dass mit der krankheitsbedingten Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses keine Dienstleistungspflicht und deshalb auch keine Urlaubsmöglichkeit mehr besteht. Deshalb ist es unionsrechtlich ohne Bedeutung, dass sich nach deutschem Beamtenrecht an das (aktive) Beamtenverhältnis ein Ruhestandsbeamtenverhältnis anschließt.

13

c) Entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts hindert Art. 15 RL 2003/88/EG die Anwendung von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bei deutschen Beamten nicht.

14

Nach Art. 15 RL 2003/88/EG bleibt u.a. das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Der EuGH hat bereits zu der insoweit wortgleichen Vorgängerrichtlinie RL 93/104/EG entschieden, dass unabhängig von günstigeren nationalstaatlichen Regelungen die praktische Wirksamkeit der durch die Arbeitszeitrichtlinie verliehenen Rechte in vollem Umfang gewährleistet werden müsse, was notwendig die Verpflichtung impliziere, die Einhaltung jeder der in dieser Richtlinie aufgestellten Mindestvorschriften zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 - Rs. C-14/04, Dellas - Slg. 2005, I-10253 Rn. 53).

15

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 15 RL 2003/88/EG somit eine Meistbegünstigungsklausel, die nur den Einzelvergleich, nicht aber die vom Berufungsgericht angestellte strukturelle Gesamtbetrachtung zulässt. Er schließt damit eine Anwendung des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG nur dann aus, wenn die mitgliedstaatlichen Regelungen über die Abgeltung krankheitsbedingt nicht genommenen Erholungsurlaubs bei Beendigung der Berufstätigkeit über den von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gewährleisteten Mindeststandard hinausgehen. Das ist aber bei deutschen Beamten nicht der Fall, weil sie gerade - wovon auch das Oberverwaltungsgericht ausgeht - nach nationalem Recht mangels entsprechender gesetzlicher Regelung keinen Urlaubsabgeltungsanspruch haben, also auch dann nicht, wenn sie Erholungsurlaub krankheitsbedingt nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand nehmen können. Auf die vom Berufungsgericht herangezogenen, für die Beamten günstigeren Regelungen im Falle der zur dauernden Dienstunfähigkeit führenden Krankheit im Vergleich zu den Regelungen für andere Beschäftigte in Deutschland kommt es deshalb nicht an.

16

Bestätigt wird dies durch das Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.). Der EuGH hat den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ausdrücklich auf Beamte erstreckt, obwohl das Vorlagegericht die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts ausführlich dargestellt hatte.

17

d) Der Urlaubsabgeltungsanspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Beschäftigte im Urlaubsjahr teilweise arbeits- bzw. dienstfähig war, in dieser Zeit den Urlaub aber nicht oder nicht vollständig genommen hat. Das gilt sowohl für das Jahr, in dem die längerfristige Dienstunfähigkeit beginnt, als auch für das Jahr oder für die Jahre, in dem oder in denen der Betreffende vorübergehend wieder dienstfähig war. In beiden Fällen kann der Beschäftigte krankheitsbedingt und damit unabhängig von seinem Willensentschluss den ihm zustehenden (Mindest)Urlaub nach Eintritt in den Ruhestand nicht mehr nehmen. Aus der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88 EG gibt es keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung dieser Bestimmung.

18

e) Der Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ist allerdings auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr beschränkt. Der EuGH hat im Urteil vom 3. Mai 2012 (a.a.O. Rn. 35 ff.) hervorgehoben, dass die Arbeitszeitrichtlinie sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt; es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den Beamten weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren sowie ob und unter welchen Voraussetzungen sie eine finanzielle Vergütung für den Fall vorsehen, dass einem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche krankheitsbedingt nicht haben zugute kommen können. Deshalb sind Urlaubstage, die über den nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisten Mindesturlaub hinausgehen, nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erfasst.

19

Das gilt auch für sog. Arbeitszeitverkürzungstage, die der Sache nach zusätzliche Erholungsurlaubstage sind, und für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Auch eine Privilegierung für Urlaub nach nationalem Recht, wonach einem Beschäftigten bei einem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst etwa im Laufe der zweiten Jahreshälfte der Jahresurlaub ungeschmälert zusteht, schlägt nicht auf die unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche nach Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG durch. Dies folgt aus dem Charakter dieser Ansprüche als Mindeststandard und findet außerdem einen normativen Anhaltspunkt in Art. 4 Abs. 1 und Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub. Danach ist der Urlaubsanspruch "im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit während dieses Jahres" gegeben; nach dem sechsten Erwägungsgrund der RL 2003/88/EG hat diese Richtlinie den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeit Rechnung getragen.

20

f) Der Urlaubsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG verfällt, wenn er über einen zu langen Zeitraum nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres nicht genommen wird. Wenn der Übertragungszeitraum eine gewisse zeitliche Grenze überschreitet, kann der Urlaub seinen Zweck als Erholungszeit typischerweise nicht mehr erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - Rs. C-214/10, KHS - NJW 2012, 290 Rn. 33). Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs ist die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs ausgeschlossen.

21

Ein Verfall des Urlaubsanspruchs mit Auswirkungen auf den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch tritt zum einen dann ein, wenn nationalstaatlich ein hinreichend langer Übertragungszeitraum geregelt ist und dieser abgelaufen ist. Hinreichend lang ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein Übertragungszeitraum, wenn er deutlich länger als das Urlaubsjahr, also deutlich länger als ein Jahr ist; ein Übertragungszeitraum muss den Beschäftigten, die während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeits- bzw. dienstunfähig sind, ermöglichen, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant sowie verfügbar sein können, und er muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten (EuGH, Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41). Einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten hat der EuGH gebilligt (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 40 ff.).

22

Gibt es keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelungen, dann tritt auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ein Verfall des Urlaubsanspruches 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein. Der EuGH leitet aus dem Umstand, dass die RL 2003/88/EG nach ihrem sechsten Erwägungsgrund den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat, her, dass bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub ergibt, berücksichtigt werden muss. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Diese Vorschrift beruht nach der Rechtsprechung des EuGH auf der Erwägung, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41 f.). Das rechtfertigt die Annahme, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt.

23

g) Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat.

24

h) Bei der Berechnung des Betrags, der dem Beamten für jeden nicht genommenen Urlaubstag als Urlaubsabgeltung zusteht, ist auf die Besoldung abzustellen, die der Beamte in den letzten drei Monaten vor Eintritt in den Ruhestand erhalten hat.

25

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Anknüpfungspunkt für die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG das gewöhnliche Arbeitsentgelt. Dies ist bei Beamten die Besoldung (vgl. § 1 Abs. 2 BBesG; EuGH, Urteil vom 20. Januar 2009 - Rs. C-350/06 und 520/06, Schultz-Hoff - Slg. 2009, I-179 Rn. 61). Der Beschäftigte soll also dasjenige bekommen, was er bekommen hätte, wenn er den Urlaub während seiner aktiven Dienstzeit genommen hätte. Das ist im Falle eines Beamten die Besoldung, die während des Urlaubs weitergezahlt worden wäre. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 RL 2003/88/EG ist angesichts der Rechtsprechung des EuGH unerheblich, dass die Besoldung Alimentationscharakter hat und daher während der Krankheit zeitlich unbegrenzt weitergezahlt wird.

26

Im Hinblick darauf, dass die finanzielle Abgeltung nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erst nach der "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" gezahlt werden darf und der während der Krankheit aufgelaufene, nicht verjährte Mindestjahresurlaub im Fall der Gesundung noch hätte genommen werden dürfen, die finanzielle Abgeltung des Urlaubs mithin erst am Ende der aktiven Dienstzeit eintritt, ist auf die Besoldung vor dem Eintritt in den Ruhestand abzustellen. Dabei erscheint es sachgerecht, auf die letzten drei Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand als hinreichend langen Referenzzeitraum (vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - Rs. C-155/10, Williams - ABl EU 2011 Nr. C 319, 7 Rn. 21 ff.), abzustellen, um die Auswirkungen zufälliger Schwankungen der Besoldung zu verringern.

27

i) Ein Antragserfordernis für den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG besteht nicht. Ein Antragserfordernis wäre mit dem Effektivitätsgrundsatz des Unionsrechts nicht vereinbar. Das hat der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167) für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit entschieden (Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 25 ). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

28

j) Der unionsrechtliche Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren, § 195 BGB, die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 Abs. 1 BGB.

29

Der EuGH hat mehrfach ausgesprochen, dass die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht vorhanden sind. Allerdings dürfen die Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei nur innerstaatliches Recht betreffenden Verfahren (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Zum Effektivitätsgrundsatz hat der EuGH entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. EuGH, Urteile vom 17. November 1998 - Rs. C-228/96, Aprile - Slg. 1998, I-7164 Rn. 19 und vom 11. Juli 2002 - Rs. C-62/00, Marks & Spencer - Slg. 2002, I-6348 Rn. 35, jeweils m.w.N.). Auch der Senat bejaht die Möglichkeit der Verjährung bei sich aus Unionsrecht ergebenden Ansprüchen und hat beispielsweise für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren angenommen (Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 41 f.). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

30

k) Nach der Rechtsprechung des EuGH kann der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmten Maßgaben unmittelbar aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend machen.

31

Richtlinien bedürfen zwar grundsätzlich der Umsetzung durch den dafür zuständigen nationalen Gesetzgeber, um innerstaatliche Verbindlichkeit für den Bürger zu erlangen. Für den Fall der nicht fristgerechten oder unvollständigen Umsetzung einer Richtlinie durch den Mitgliedstaat hat nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH der Einzelne das Recht, sich vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat trotz entgegenstehendem nationalen Recht auf durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtungen zu berufen, wenn diese klar und unbedingt sind und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsakts mehr bedürfen (stRspr; EuGH, Urteile vom 5. Oktober 2004 - Rs. C-397/01, Pfeiffer - Slg. 2004, I-08835 Rn. 103 m.w.N. und vom 24. Januar 2012 - Rs. C-282/10, Dominguez - ABl EU 2012, Nr. C 73, 2 Rn. 33; BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 687/85 - BVerfGE 75, 223 <239 ff.>). Bei einer nicht fristgerechten Umsetzung einer Richtlinie sind Behörden und Gerichte aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu lassen (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 19).

32

Diese Voraussetzungen hat der EuGH für Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bejaht. Nach der bindenden Rechtsprechung des EuGH räumt diese Norm allen Beschäftigten, d.h. auch Beamten unter den dargelegten Voraussetzungen Urlaubsabgeltungsansprüche ein, die die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht verankern müssen. Solange sie diese Umsetzungspflicht nicht erfüllen, stellt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG die unmittelbare Anspruchsgrundlage dar.

33

3. In Anwendung dieser Grundsätze gilt für den Kläger Folgendes:

34

Für das Jahr 2007 standen dem Kläger bei einem Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und einer 5-Tage-Woche 20 Urlaubstage zu. In diesem Jahr hat der Kläger sieben Urlaubstage und den sog. Arbeitszeitverkürzungstag nach der Arbeitszeitverordnung RP genommen. Eine Freistellung nach der Arbeitszeitverordnung steht funktional einem Urlaubstag nach der Urlaubsverordnung (UrlVO RP) gleich. Deshalb ist sie im Rahmen des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG wie ein Urlaubstag zu behandeln. Damit hat der Kläger acht Urlaubstage genommen und standen ihm für 2007 noch 12 Tage Mindesturlaub zu.

35

Für das Jahr 2008 standen dem Kläger 20 Mindesturlaubstage zu. In diesem Jahr ist er aber zum Ende des Monats Juli in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Deshalb stand ihm der unionsrechtliche Mindesturlaub nur anteilig, d.h. für 11 2/3 Urlaubstage zu; die Privilegierung des § 9 Satz 3 UrlVO RP, wonach der Jahresurlaub voll gewährt wird, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in der zweiten Jahreshälfte in den Ruhestand versetzt wird, erstreckt sich nicht auf den unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 RL 2003/88/EG. Der Bruchteil eines Urlaubstages ist in die Urlaubsentgeltberechnung einzubeziehen. Die Heranziehung einer nationalstaatlichen Regelung, wonach ein bei der Urlaubsberechnung verbleibender Teil eines Tages als Guthaben auf die Arbeitszeit angerechnet wird (vgl. § 8 Abs. 6 UrlVO RP), kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil Urlaubsabgeltung voraussetzt, dass der Beamte nicht mehr im Dienst ist, so dass mangels Arbeitspflicht auch eine Anrechnung auf ein Arbeitszeitguthaben nicht möglich ist.

36

Insgesamt steht dem Kläger deshalb ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 23 2/3 Tage zu, der auf der Basis der Besoldung der letzten drei Monate vor Eintritt in den Ruhestand zu berechnen ist.

37

Im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Anrechnung der Urlaubsabgeltung bei den Versorgungsbezügen nach den Regelungen des Vorteilsausgleichs, § 53 BeamtVG, nicht in Betracht kommt.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.

(2) Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.

(3) Hat der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht, können die Länder durch Gesetz hiervon abweichende Regelungen treffen über:

1.
das Jagdwesen (ohne das Recht der Jagdscheine);
2.
den Naturschutz und die Landschaftspflege (ohne die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes);
3.
die Bodenverteilung;
4.
die Raumordnung;
5.
den Wasserhaushalt (ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen);
6.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse;
7.
die Grundsteuer.
Bundesgesetze auf diesen Gebieten treten frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates anderes bestimmt ist. Auf den Gebieten des Satzes 1 geht im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz vor.

(4) Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß eine bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlichkeit im Sinne des Absatzes 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann.

(1) Das Urlaubsentgelt bemißt sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraums oder des Urlaubs eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht. Zum Arbeitsentgelt gehörende Sachbezüge, die während des Urlaubs nicht weitergewährt werden, sind für die Dauer des Urlaubs angemessen in bar abzugelten.

(2) Das Urlaubsentgelt ist vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt eine finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Urlaub.

2

Der 1953 geborene Kläger stand zuletzt als Polizeihauptkommissar im Dienst des beklagten Landes. Er war ab Anfang Juli 2007 ununterbrochen erkrankt. Mit Wirkung vom 1. August 2008 hat ihn der Beklagte wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

3

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab, ihm eine Vergütung für insgesamt 62 Urlaubstage zu zahlen, die er in den Jahren 2007 und 2008 wegen seiner Erkrankung nicht hatte antreten können. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

4

In dem Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts heißt es: Der Kläger habe keinen Urlaubsabgeltungsanspruch nach Bundes- oder Landesrecht. Auch Unionsrecht begründe für Beamte in Deutschland einen solchen Anspruch nicht, denn Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sei bei der nach Art. 15 RL 2003/88/EG gebotenen Vergleichsbetrachtung des Unionsrechts und des Beamtenrechts unanwendbar: Beamte seien im Krankheitsfall erheblich besser abgesichert als andere Beschäftigte, weil sie die vollen Dienstbezüge zeitlich unbegrenzt erhielten und das Beamtenverhältnis nicht wegen Krankheit beendet werden könne.

5

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. März 2010 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Juli 2009 sowie den Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 13. Juni 2008 und dessen Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm für insgesamt 62 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage der Jahre 2007 und 2008 eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor seinem Eintritt in den Ruhestand zu gewähren.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Abweisung der Klage stellt sich aus anderen Gründen zum Teil als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8

1. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass dem Kläger aus nationalem Recht kein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht. Es gibt für Beamte keine normativen Regelungen, die einen solchen Anspruch begründen. Das gilt auch für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Zu Unrecht beruft sich der Kläger insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar angenommen, dass der Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ebenso wie der gesetzliche Mindesturlaub aus den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist, wenn der Zusatzurlaub nicht gewährt werden kann, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war (Urteil vom 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - BAGE 134, 1 ff.; vgl. auch Urteil vom 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - NZA 2012, 514 ff.). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Beamte übertragen werden. Das vom Bundesarbeitsgericht herangezogene Bundesurlaubsgesetz, das in § 7 Abs. 4 eine Urlaubsabgeltung vorsieht, ist auf Beamte nicht anwendbar; deren Ansprüche auf Urlaub und Besoldung richten sich nach den jeweiligen beamtenrechtlichen Gesetzen und Verordnungen, die bislang einen Urlaubsabgeltungsanspruch gerade nicht vorsehen.

9

2. Dem Kläger steht aber nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG) ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung seines unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs von vier Wochen Erholungsurlaub zu. Einen darüber hinausgehenden Anspruch aus Unionsrecht auf Abgeltung von sich aus nationalem Recht ergebenden weiteren Erholungsurlaubstagen, von sog. Arbeitszeitverkürzungstagen und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat er hingegen nicht.

10

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Abgeltung von bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub hergeleitet und auch Voraussetzungen, Umfang und Grenzen dieses Anspruchs bestimmt. Diese Auslegung des Unionsrechts ist für die nationalen Gerichte und damit auch für das Bundesverwaltungsgericht bindend (Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV).

11

a) Es ist in der Rechtsprechung des EuGH seit langem geklärt, dass auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der RL 2003/88/EG sind. Das gilt grundsätzlich auch für Polizisten, die insoweit mit Feuerwehrleuten vergleichbar sind, für die der EuGH mehrfach ausgesprochen hat, dass sie der Arbeitszeitrichtlinie unterfallen (EuGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - Rs. C-52/04 - Slg. 2005, I-7111 Rn. 57 ff.; Urteil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Neidel - ABl EU 2012, Nr. C 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688 Rn. 22). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (vgl. etwa Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 20 ff. ) und hat auch für Polizisten bereits darauf hingewiesen, dass Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG, auf den Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG zur Bestimmung ihres Anwendungsbereichs Bezug nimmt, nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist und nicht etwa Streitkräfte, Feuerwehr oder Polizei generell, sondern nur für bestimmte in diesen Sektoren wahrgenommene besondere Aufgaben wie etwa bei Natur- oder Technologiekatastrophen und schweren Unglücksfällen von der Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie ausnimmt (Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 20).

12

b) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand (vgl. § 21 Nr. 4 Beamtenstatusgesetz, § 30 Nr. 4 BBG) eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG. Dem Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.) ist zu entnehmen, dass der EuGH der konkreten nationalstaatlichen Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses keine Bedeutung beimisst, sondern für allein maßgeblich hält, dass mit der krankheitsbedingten Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses keine Dienstleistungspflicht und deshalb auch keine Urlaubsmöglichkeit mehr besteht. Deshalb ist es unionsrechtlich ohne Bedeutung, dass sich nach deutschem Beamtenrecht an das (aktive) Beamtenverhältnis ein Ruhestandsbeamtenverhältnis anschließt.

13

c) Entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts hindert Art. 15 RL 2003/88/EG die Anwendung von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bei deutschen Beamten nicht.

14

Nach Art. 15 RL 2003/88/EG bleibt u.a. das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Der EuGH hat bereits zu der insoweit wortgleichen Vorgängerrichtlinie RL 93/104/EG entschieden, dass unabhängig von günstigeren nationalstaatlichen Regelungen die praktische Wirksamkeit der durch die Arbeitszeitrichtlinie verliehenen Rechte in vollem Umfang gewährleistet werden müsse, was notwendig die Verpflichtung impliziere, die Einhaltung jeder der in dieser Richtlinie aufgestellten Mindestvorschriften zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 - Rs. C-14/04, Dellas - Slg. 2005, I-10253 Rn. 53).

15

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 15 RL 2003/88/EG somit eine Meistbegünstigungsklausel, die nur den Einzelvergleich, nicht aber die vom Berufungsgericht angestellte strukturelle Gesamtbetrachtung zulässt. Er schließt damit eine Anwendung des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG nur dann aus, wenn die mitgliedstaatlichen Regelungen über die Abgeltung krankheitsbedingt nicht genommenen Erholungsurlaubs bei Beendigung der Berufstätigkeit über den von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gewährleisteten Mindeststandard hinausgehen. Das ist aber bei deutschen Beamten nicht der Fall, weil sie gerade - wovon auch das Oberverwaltungsgericht ausgeht - nach nationalem Recht mangels entsprechender gesetzlicher Regelung keinen Urlaubsabgeltungsanspruch haben, also auch dann nicht, wenn sie Erholungsurlaub krankheitsbedingt nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand nehmen können. Auf die vom Berufungsgericht herangezogenen, für die Beamten günstigeren Regelungen im Falle der zur dauernden Dienstunfähigkeit führenden Krankheit im Vergleich zu den Regelungen für andere Beschäftigte in Deutschland kommt es deshalb nicht an.

16

Bestätigt wird dies durch das Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.). Der EuGH hat den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ausdrücklich auf Beamte erstreckt, obwohl das Vorlagegericht die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts ausführlich dargestellt hatte.

17

d) Der Urlaubsabgeltungsanspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Beschäftigte im Urlaubsjahr teilweise arbeits- bzw. dienstfähig war, in dieser Zeit den Urlaub aber nicht oder nicht vollständig genommen hat. Das gilt sowohl für das Jahr, in dem die längerfristige Dienstunfähigkeit beginnt, als auch für das Jahr oder für die Jahre, in dem oder in denen der Betreffende vorübergehend wieder dienstfähig war. In beiden Fällen kann der Beschäftigte krankheitsbedingt und damit unabhängig von seinem Willensentschluss den ihm zustehenden (Mindest)Urlaub nach Eintritt in den Ruhestand nicht mehr nehmen. Aus der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88 EG gibt es keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung dieser Bestimmung.

18

e) Der Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ist allerdings auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr beschränkt. Der EuGH hat im Urteil vom 3. Mai 2012 (a.a.O. Rn. 35 ff.) hervorgehoben, dass die Arbeitszeitrichtlinie sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt; es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den Beamten weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren sowie ob und unter welchen Voraussetzungen sie eine finanzielle Vergütung für den Fall vorsehen, dass einem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche krankheitsbedingt nicht haben zugute kommen können. Deshalb sind Urlaubstage, die über den nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisten Mindesturlaub hinausgehen, nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erfasst.

19

Das gilt auch für sog. Arbeitszeitverkürzungstage, die der Sache nach zusätzliche Erholungsurlaubstage sind, und für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Auch eine Privilegierung für Urlaub nach nationalem Recht, wonach einem Beschäftigten bei einem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst etwa im Laufe der zweiten Jahreshälfte der Jahresurlaub ungeschmälert zusteht, schlägt nicht auf die unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche nach Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG durch. Dies folgt aus dem Charakter dieser Ansprüche als Mindeststandard und findet außerdem einen normativen Anhaltspunkt in Art. 4 Abs. 1 und Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub. Danach ist der Urlaubsanspruch "im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit während dieses Jahres" gegeben; nach dem sechsten Erwägungsgrund der RL 2003/88/EG hat diese Richtlinie den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeit Rechnung getragen.

20

f) Der Urlaubsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG verfällt, wenn er über einen zu langen Zeitraum nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres nicht genommen wird. Wenn der Übertragungszeitraum eine gewisse zeitliche Grenze überschreitet, kann der Urlaub seinen Zweck als Erholungszeit typischerweise nicht mehr erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - Rs. C-214/10, KHS - NJW 2012, 290 Rn. 33). Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs ist die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs ausgeschlossen.

21

Ein Verfall des Urlaubsanspruchs mit Auswirkungen auf den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch tritt zum einen dann ein, wenn nationalstaatlich ein hinreichend langer Übertragungszeitraum geregelt ist und dieser abgelaufen ist. Hinreichend lang ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein Übertragungszeitraum, wenn er deutlich länger als das Urlaubsjahr, also deutlich länger als ein Jahr ist; ein Übertragungszeitraum muss den Beschäftigten, die während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeits- bzw. dienstunfähig sind, ermöglichen, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant sowie verfügbar sein können, und er muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten (EuGH, Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41). Einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten hat der EuGH gebilligt (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 40 ff.).

22

Gibt es keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelungen, dann tritt auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ein Verfall des Urlaubsanspruches 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein. Der EuGH leitet aus dem Umstand, dass die RL 2003/88/EG nach ihrem sechsten Erwägungsgrund den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat, her, dass bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub ergibt, berücksichtigt werden muss. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Diese Vorschrift beruht nach der Rechtsprechung des EuGH auf der Erwägung, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41 f.). Das rechtfertigt die Annahme, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt.

23

g) Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat.

24

h) Bei der Berechnung des Betrags, der dem Beamten für jeden nicht genommenen Urlaubstag als Urlaubsabgeltung zusteht, ist auf die Besoldung abzustellen, die der Beamte in den letzten drei Monaten vor Eintritt in den Ruhestand erhalten hat.

25

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Anknüpfungspunkt für die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG das gewöhnliche Arbeitsentgelt. Dies ist bei Beamten die Besoldung (vgl. § 1 Abs. 2 BBesG; EuGH, Urteil vom 20. Januar 2009 - Rs. C-350/06 und 520/06, Schultz-Hoff - Slg. 2009, I-179 Rn. 61). Der Beschäftigte soll also dasjenige bekommen, was er bekommen hätte, wenn er den Urlaub während seiner aktiven Dienstzeit genommen hätte. Das ist im Falle eines Beamten die Besoldung, die während des Urlaubs weitergezahlt worden wäre. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 RL 2003/88/EG ist angesichts der Rechtsprechung des EuGH unerheblich, dass die Besoldung Alimentationscharakter hat und daher während der Krankheit zeitlich unbegrenzt weitergezahlt wird.

26

Im Hinblick darauf, dass die finanzielle Abgeltung nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erst nach der "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" gezahlt werden darf und der während der Krankheit aufgelaufene, nicht verjährte Mindestjahresurlaub im Fall der Gesundung noch hätte genommen werden dürfen, die finanzielle Abgeltung des Urlaubs mithin erst am Ende der aktiven Dienstzeit eintritt, ist auf die Besoldung vor dem Eintritt in den Ruhestand abzustellen. Dabei erscheint es sachgerecht, auf die letzten drei Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand als hinreichend langen Referenzzeitraum (vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - Rs. C-155/10, Williams - ABl EU 2011 Nr. C 319, 7 Rn. 21 ff.), abzustellen, um die Auswirkungen zufälliger Schwankungen der Besoldung zu verringern.

27

i) Ein Antragserfordernis für den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG besteht nicht. Ein Antragserfordernis wäre mit dem Effektivitätsgrundsatz des Unionsrechts nicht vereinbar. Das hat der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167) für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit entschieden (Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 25 ). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

28

j) Der unionsrechtliche Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren, § 195 BGB, die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 Abs. 1 BGB.

29

Der EuGH hat mehrfach ausgesprochen, dass die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht vorhanden sind. Allerdings dürfen die Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei nur innerstaatliches Recht betreffenden Verfahren (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Zum Effektivitätsgrundsatz hat der EuGH entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. EuGH, Urteile vom 17. November 1998 - Rs. C-228/96, Aprile - Slg. 1998, I-7164 Rn. 19 und vom 11. Juli 2002 - Rs. C-62/00, Marks & Spencer - Slg. 2002, I-6348 Rn. 35, jeweils m.w.N.). Auch der Senat bejaht die Möglichkeit der Verjährung bei sich aus Unionsrecht ergebenden Ansprüchen und hat beispielsweise für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren angenommen (Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 41 f.). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

30

k) Nach der Rechtsprechung des EuGH kann der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmten Maßgaben unmittelbar aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend machen.

31

Richtlinien bedürfen zwar grundsätzlich der Umsetzung durch den dafür zuständigen nationalen Gesetzgeber, um innerstaatliche Verbindlichkeit für den Bürger zu erlangen. Für den Fall der nicht fristgerechten oder unvollständigen Umsetzung einer Richtlinie durch den Mitgliedstaat hat nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH der Einzelne das Recht, sich vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat trotz entgegenstehendem nationalen Recht auf durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtungen zu berufen, wenn diese klar und unbedingt sind und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsakts mehr bedürfen (stRspr; EuGH, Urteile vom 5. Oktober 2004 - Rs. C-397/01, Pfeiffer - Slg. 2004, I-08835 Rn. 103 m.w.N. und vom 24. Januar 2012 - Rs. C-282/10, Dominguez - ABl EU 2012, Nr. C 73, 2 Rn. 33; BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 687/85 - BVerfGE 75, 223 <239 ff.>). Bei einer nicht fristgerechten Umsetzung einer Richtlinie sind Behörden und Gerichte aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu lassen (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 19).

32

Diese Voraussetzungen hat der EuGH für Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bejaht. Nach der bindenden Rechtsprechung des EuGH räumt diese Norm allen Beschäftigten, d.h. auch Beamten unter den dargelegten Voraussetzungen Urlaubsabgeltungsansprüche ein, die die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht verankern müssen. Solange sie diese Umsetzungspflicht nicht erfüllen, stellt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG die unmittelbare Anspruchsgrundlage dar.

33

3. In Anwendung dieser Grundsätze gilt für den Kläger Folgendes:

34

Für das Jahr 2007 standen dem Kläger bei einem Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und einer 5-Tage-Woche 20 Urlaubstage zu. In diesem Jahr hat der Kläger sieben Urlaubstage und den sog. Arbeitszeitverkürzungstag nach der Arbeitszeitverordnung RP genommen. Eine Freistellung nach der Arbeitszeitverordnung steht funktional einem Urlaubstag nach der Urlaubsverordnung (UrlVO RP) gleich. Deshalb ist sie im Rahmen des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG wie ein Urlaubstag zu behandeln. Damit hat der Kläger acht Urlaubstage genommen und standen ihm für 2007 noch 12 Tage Mindesturlaub zu.

35

Für das Jahr 2008 standen dem Kläger 20 Mindesturlaubstage zu. In diesem Jahr ist er aber zum Ende des Monats Juli in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Deshalb stand ihm der unionsrechtliche Mindesturlaub nur anteilig, d.h. für 11 2/3 Urlaubstage zu; die Privilegierung des § 9 Satz 3 UrlVO RP, wonach der Jahresurlaub voll gewährt wird, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in der zweiten Jahreshälfte in den Ruhestand versetzt wird, erstreckt sich nicht auf den unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 RL 2003/88/EG. Der Bruchteil eines Urlaubstages ist in die Urlaubsentgeltberechnung einzubeziehen. Die Heranziehung einer nationalstaatlichen Regelung, wonach ein bei der Urlaubsberechnung verbleibender Teil eines Tages als Guthaben auf die Arbeitszeit angerechnet wird (vgl. § 8 Abs. 6 UrlVO RP), kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil Urlaubsabgeltung voraussetzt, dass der Beamte nicht mehr im Dienst ist, so dass mangels Arbeitspflicht auch eine Anrechnung auf ein Arbeitszeitguthaben nicht möglich ist.

36

Insgesamt steht dem Kläger deshalb ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 23 2/3 Tage zu, der auf der Basis der Besoldung der letzten drei Monate vor Eintritt in den Ruhestand zu berechnen ist.

37

Im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Anrechnung der Urlaubsabgeltung bei den Versorgungsbezügen nach den Regelungen des Vorteilsausgleichs, § 53 BeamtVG, nicht in Betracht kommt.

(1) In der schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Leistungserbringer sind zu regeln:

1.
Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen der Eingliederungshilfe (Leistungsvereinbarung) und
2.
die Vergütung der Leistungen der Eingliederungshilfe (Vergütungsvereinbarung).

(2) In die Leistungsvereinbarung sind als wesentliche Leistungsmerkmale mindestens aufzunehmen:

1.
der zu betreuende Personenkreis,
2.
die erforderliche sächliche Ausstattung,
3.
Art, Umfang, Ziel und Qualität der Leistungen der Eingliederungshilfe,
4.
die Festlegung der personellen Ausstattung,
5.
die Qualifikation des Personals sowie
6.
soweit erforderlich, die betriebsnotwendigen Anlagen des Leistungserbringers.
Soweit die Erbringung von Leistungen nach § 116 Absatz 2 zu vereinbaren ist, sind darüber hinaus die für die Leistungserbringung erforderlichen Strukturen zu berücksichtigen.

(3) Mit der Vergütungsvereinbarung werden unter Berücksichtigung der Leistungsmerkmale nach Absatz 2 Leistungspauschalen für die zu erbringenden Leistungen unter Beachtung der Grundsätze nach § 123 Absatz 2 festgelegt. Förderungen aus öffentlichen Mitteln sind anzurechnen. Die Leistungspauschalen sind nach Gruppen von Leistungsberechtigten mit vergleichbarem Bedarf oder Stundensätzen sowie für die gemeinsame Inanspruchnahme durch mehrere Leistungsberechtigte (§ 116 Absatz 2) zu kalkulieren. Abweichend von Satz 1 können andere geeignete Verfahren zur Vergütung und Abrechnung der Fachleistung unter Beteiligung der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen vereinbart werden.

(4) Die Vergütungsvereinbarungen mit Werkstätten für behinderte Menschen und anderen Leistungsanbietern berücksichtigen zusätzlich die mit der wirtschaftlichen Betätigung in Zusammenhang stehenden Kosten, soweit diese Kosten unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse beim Leistungserbringer und der dort beschäftigten Menschen mit Behinderungen nach Art und Umfang über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen. Können die Kosten im Einzelfall nicht ermittelt werden, kann hierfür eine Vergütungspauschale vereinbart werden. Das Arbeitsergebnis des Leistungserbringers darf nicht dazu verwendet werden, die Vergütung des Trägers der Eingliederungshilfe zu mindern.

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt eine finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Urlaub.

2

Der 1953 geborene Kläger stand zuletzt als Polizeihauptkommissar im Dienst des beklagten Landes. Er war ab Anfang Juli 2007 ununterbrochen erkrankt. Mit Wirkung vom 1. August 2008 hat ihn der Beklagte wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

3

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab, ihm eine Vergütung für insgesamt 62 Urlaubstage zu zahlen, die er in den Jahren 2007 und 2008 wegen seiner Erkrankung nicht hatte antreten können. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

4

In dem Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts heißt es: Der Kläger habe keinen Urlaubsabgeltungsanspruch nach Bundes- oder Landesrecht. Auch Unionsrecht begründe für Beamte in Deutschland einen solchen Anspruch nicht, denn Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sei bei der nach Art. 15 RL 2003/88/EG gebotenen Vergleichsbetrachtung des Unionsrechts und des Beamtenrechts unanwendbar: Beamte seien im Krankheitsfall erheblich besser abgesichert als andere Beschäftigte, weil sie die vollen Dienstbezüge zeitlich unbegrenzt erhielten und das Beamtenverhältnis nicht wegen Krankheit beendet werden könne.

5

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. März 2010 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Juli 2009 sowie den Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 13. Juni 2008 und dessen Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm für insgesamt 62 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage der Jahre 2007 und 2008 eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor seinem Eintritt in den Ruhestand zu gewähren.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Abweisung der Klage stellt sich aus anderen Gründen zum Teil als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8

1. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass dem Kläger aus nationalem Recht kein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht. Es gibt für Beamte keine normativen Regelungen, die einen solchen Anspruch begründen. Das gilt auch für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Zu Unrecht beruft sich der Kläger insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar angenommen, dass der Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ebenso wie der gesetzliche Mindesturlaub aus den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist, wenn der Zusatzurlaub nicht gewährt werden kann, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war (Urteil vom 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - BAGE 134, 1 ff.; vgl. auch Urteil vom 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - NZA 2012, 514 ff.). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Beamte übertragen werden. Das vom Bundesarbeitsgericht herangezogene Bundesurlaubsgesetz, das in § 7 Abs. 4 eine Urlaubsabgeltung vorsieht, ist auf Beamte nicht anwendbar; deren Ansprüche auf Urlaub und Besoldung richten sich nach den jeweiligen beamtenrechtlichen Gesetzen und Verordnungen, die bislang einen Urlaubsabgeltungsanspruch gerade nicht vorsehen.

9

2. Dem Kläger steht aber nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG) ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung seines unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs von vier Wochen Erholungsurlaub zu. Einen darüber hinausgehenden Anspruch aus Unionsrecht auf Abgeltung von sich aus nationalem Recht ergebenden weiteren Erholungsurlaubstagen, von sog. Arbeitszeitverkürzungstagen und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat er hingegen nicht.

10

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Abgeltung von bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub hergeleitet und auch Voraussetzungen, Umfang und Grenzen dieses Anspruchs bestimmt. Diese Auslegung des Unionsrechts ist für die nationalen Gerichte und damit auch für das Bundesverwaltungsgericht bindend (Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV).

11

a) Es ist in der Rechtsprechung des EuGH seit langem geklärt, dass auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der RL 2003/88/EG sind. Das gilt grundsätzlich auch für Polizisten, die insoweit mit Feuerwehrleuten vergleichbar sind, für die der EuGH mehrfach ausgesprochen hat, dass sie der Arbeitszeitrichtlinie unterfallen (EuGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - Rs. C-52/04 - Slg. 2005, I-7111 Rn. 57 ff.; Urteil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Neidel - ABl EU 2012, Nr. C 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688 Rn. 22). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (vgl. etwa Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 20 ff. ) und hat auch für Polizisten bereits darauf hingewiesen, dass Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG, auf den Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG zur Bestimmung ihres Anwendungsbereichs Bezug nimmt, nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist und nicht etwa Streitkräfte, Feuerwehr oder Polizei generell, sondern nur für bestimmte in diesen Sektoren wahrgenommene besondere Aufgaben wie etwa bei Natur- oder Technologiekatastrophen und schweren Unglücksfällen von der Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie ausnimmt (Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 20).

12

b) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand (vgl. § 21 Nr. 4 Beamtenstatusgesetz, § 30 Nr. 4 BBG) eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG. Dem Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.) ist zu entnehmen, dass der EuGH der konkreten nationalstaatlichen Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses keine Bedeutung beimisst, sondern für allein maßgeblich hält, dass mit der krankheitsbedingten Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses keine Dienstleistungspflicht und deshalb auch keine Urlaubsmöglichkeit mehr besteht. Deshalb ist es unionsrechtlich ohne Bedeutung, dass sich nach deutschem Beamtenrecht an das (aktive) Beamtenverhältnis ein Ruhestandsbeamtenverhältnis anschließt.

13

c) Entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts hindert Art. 15 RL 2003/88/EG die Anwendung von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bei deutschen Beamten nicht.

14

Nach Art. 15 RL 2003/88/EG bleibt u.a. das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Der EuGH hat bereits zu der insoweit wortgleichen Vorgängerrichtlinie RL 93/104/EG entschieden, dass unabhängig von günstigeren nationalstaatlichen Regelungen die praktische Wirksamkeit der durch die Arbeitszeitrichtlinie verliehenen Rechte in vollem Umfang gewährleistet werden müsse, was notwendig die Verpflichtung impliziere, die Einhaltung jeder der in dieser Richtlinie aufgestellten Mindestvorschriften zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 - Rs. C-14/04, Dellas - Slg. 2005, I-10253 Rn. 53).

15

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 15 RL 2003/88/EG somit eine Meistbegünstigungsklausel, die nur den Einzelvergleich, nicht aber die vom Berufungsgericht angestellte strukturelle Gesamtbetrachtung zulässt. Er schließt damit eine Anwendung des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG nur dann aus, wenn die mitgliedstaatlichen Regelungen über die Abgeltung krankheitsbedingt nicht genommenen Erholungsurlaubs bei Beendigung der Berufstätigkeit über den von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gewährleisteten Mindeststandard hinausgehen. Das ist aber bei deutschen Beamten nicht der Fall, weil sie gerade - wovon auch das Oberverwaltungsgericht ausgeht - nach nationalem Recht mangels entsprechender gesetzlicher Regelung keinen Urlaubsabgeltungsanspruch haben, also auch dann nicht, wenn sie Erholungsurlaub krankheitsbedingt nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand nehmen können. Auf die vom Berufungsgericht herangezogenen, für die Beamten günstigeren Regelungen im Falle der zur dauernden Dienstunfähigkeit führenden Krankheit im Vergleich zu den Regelungen für andere Beschäftigte in Deutschland kommt es deshalb nicht an.

16

Bestätigt wird dies durch das Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.). Der EuGH hat den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ausdrücklich auf Beamte erstreckt, obwohl das Vorlagegericht die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts ausführlich dargestellt hatte.

17

d) Der Urlaubsabgeltungsanspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Beschäftigte im Urlaubsjahr teilweise arbeits- bzw. dienstfähig war, in dieser Zeit den Urlaub aber nicht oder nicht vollständig genommen hat. Das gilt sowohl für das Jahr, in dem die längerfristige Dienstunfähigkeit beginnt, als auch für das Jahr oder für die Jahre, in dem oder in denen der Betreffende vorübergehend wieder dienstfähig war. In beiden Fällen kann der Beschäftigte krankheitsbedingt und damit unabhängig von seinem Willensentschluss den ihm zustehenden (Mindest)Urlaub nach Eintritt in den Ruhestand nicht mehr nehmen. Aus der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88 EG gibt es keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung dieser Bestimmung.

18

e) Der Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ist allerdings auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr beschränkt. Der EuGH hat im Urteil vom 3. Mai 2012 (a.a.O. Rn. 35 ff.) hervorgehoben, dass die Arbeitszeitrichtlinie sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt; es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den Beamten weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren sowie ob und unter welchen Voraussetzungen sie eine finanzielle Vergütung für den Fall vorsehen, dass einem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche krankheitsbedingt nicht haben zugute kommen können. Deshalb sind Urlaubstage, die über den nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisten Mindesturlaub hinausgehen, nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erfasst.

19

Das gilt auch für sog. Arbeitszeitverkürzungstage, die der Sache nach zusätzliche Erholungsurlaubstage sind, und für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Auch eine Privilegierung für Urlaub nach nationalem Recht, wonach einem Beschäftigten bei einem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst etwa im Laufe der zweiten Jahreshälfte der Jahresurlaub ungeschmälert zusteht, schlägt nicht auf die unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche nach Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG durch. Dies folgt aus dem Charakter dieser Ansprüche als Mindeststandard und findet außerdem einen normativen Anhaltspunkt in Art. 4 Abs. 1 und Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub. Danach ist der Urlaubsanspruch "im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit während dieses Jahres" gegeben; nach dem sechsten Erwägungsgrund der RL 2003/88/EG hat diese Richtlinie den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeit Rechnung getragen.

20

f) Der Urlaubsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG verfällt, wenn er über einen zu langen Zeitraum nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres nicht genommen wird. Wenn der Übertragungszeitraum eine gewisse zeitliche Grenze überschreitet, kann der Urlaub seinen Zweck als Erholungszeit typischerweise nicht mehr erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - Rs. C-214/10, KHS - NJW 2012, 290 Rn. 33). Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs ist die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs ausgeschlossen.

21

Ein Verfall des Urlaubsanspruchs mit Auswirkungen auf den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch tritt zum einen dann ein, wenn nationalstaatlich ein hinreichend langer Übertragungszeitraum geregelt ist und dieser abgelaufen ist. Hinreichend lang ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein Übertragungszeitraum, wenn er deutlich länger als das Urlaubsjahr, also deutlich länger als ein Jahr ist; ein Übertragungszeitraum muss den Beschäftigten, die während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeits- bzw. dienstunfähig sind, ermöglichen, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant sowie verfügbar sein können, und er muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten (EuGH, Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41). Einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten hat der EuGH gebilligt (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 40 ff.).

22

Gibt es keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelungen, dann tritt auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ein Verfall des Urlaubsanspruches 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein. Der EuGH leitet aus dem Umstand, dass die RL 2003/88/EG nach ihrem sechsten Erwägungsgrund den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat, her, dass bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub ergibt, berücksichtigt werden muss. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Diese Vorschrift beruht nach der Rechtsprechung des EuGH auf der Erwägung, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41 f.). Das rechtfertigt die Annahme, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt.

23

g) Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat.

24

h) Bei der Berechnung des Betrags, der dem Beamten für jeden nicht genommenen Urlaubstag als Urlaubsabgeltung zusteht, ist auf die Besoldung abzustellen, die der Beamte in den letzten drei Monaten vor Eintritt in den Ruhestand erhalten hat.

25

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Anknüpfungspunkt für die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG das gewöhnliche Arbeitsentgelt. Dies ist bei Beamten die Besoldung (vgl. § 1 Abs. 2 BBesG; EuGH, Urteil vom 20. Januar 2009 - Rs. C-350/06 und 520/06, Schultz-Hoff - Slg. 2009, I-179 Rn. 61). Der Beschäftigte soll also dasjenige bekommen, was er bekommen hätte, wenn er den Urlaub während seiner aktiven Dienstzeit genommen hätte. Das ist im Falle eines Beamten die Besoldung, die während des Urlaubs weitergezahlt worden wäre. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 RL 2003/88/EG ist angesichts der Rechtsprechung des EuGH unerheblich, dass die Besoldung Alimentationscharakter hat und daher während der Krankheit zeitlich unbegrenzt weitergezahlt wird.

26

Im Hinblick darauf, dass die finanzielle Abgeltung nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erst nach der "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" gezahlt werden darf und der während der Krankheit aufgelaufene, nicht verjährte Mindestjahresurlaub im Fall der Gesundung noch hätte genommen werden dürfen, die finanzielle Abgeltung des Urlaubs mithin erst am Ende der aktiven Dienstzeit eintritt, ist auf die Besoldung vor dem Eintritt in den Ruhestand abzustellen. Dabei erscheint es sachgerecht, auf die letzten drei Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand als hinreichend langen Referenzzeitraum (vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - Rs. C-155/10, Williams - ABl EU 2011 Nr. C 319, 7 Rn. 21 ff.), abzustellen, um die Auswirkungen zufälliger Schwankungen der Besoldung zu verringern.

27

i) Ein Antragserfordernis für den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG besteht nicht. Ein Antragserfordernis wäre mit dem Effektivitätsgrundsatz des Unionsrechts nicht vereinbar. Das hat der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167) für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit entschieden (Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 25 ). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

28

j) Der unionsrechtliche Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren, § 195 BGB, die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 Abs. 1 BGB.

29

Der EuGH hat mehrfach ausgesprochen, dass die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht vorhanden sind. Allerdings dürfen die Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei nur innerstaatliches Recht betreffenden Verfahren (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Zum Effektivitätsgrundsatz hat der EuGH entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. EuGH, Urteile vom 17. November 1998 - Rs. C-228/96, Aprile - Slg. 1998, I-7164 Rn. 19 und vom 11. Juli 2002 - Rs. C-62/00, Marks & Spencer - Slg. 2002, I-6348 Rn. 35, jeweils m.w.N.). Auch der Senat bejaht die Möglichkeit der Verjährung bei sich aus Unionsrecht ergebenden Ansprüchen und hat beispielsweise für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren angenommen (Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 41 f.). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

30

k) Nach der Rechtsprechung des EuGH kann der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmten Maßgaben unmittelbar aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend machen.

31

Richtlinien bedürfen zwar grundsätzlich der Umsetzung durch den dafür zuständigen nationalen Gesetzgeber, um innerstaatliche Verbindlichkeit für den Bürger zu erlangen. Für den Fall der nicht fristgerechten oder unvollständigen Umsetzung einer Richtlinie durch den Mitgliedstaat hat nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH der Einzelne das Recht, sich vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat trotz entgegenstehendem nationalen Recht auf durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtungen zu berufen, wenn diese klar und unbedingt sind und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsakts mehr bedürfen (stRspr; EuGH, Urteile vom 5. Oktober 2004 - Rs. C-397/01, Pfeiffer - Slg. 2004, I-08835 Rn. 103 m.w.N. und vom 24. Januar 2012 - Rs. C-282/10, Dominguez - ABl EU 2012, Nr. C 73, 2 Rn. 33; BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 687/85 - BVerfGE 75, 223 <239 ff.>). Bei einer nicht fristgerechten Umsetzung einer Richtlinie sind Behörden und Gerichte aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu lassen (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 19).

32

Diese Voraussetzungen hat der EuGH für Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bejaht. Nach der bindenden Rechtsprechung des EuGH räumt diese Norm allen Beschäftigten, d.h. auch Beamten unter den dargelegten Voraussetzungen Urlaubsabgeltungsansprüche ein, die die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht verankern müssen. Solange sie diese Umsetzungspflicht nicht erfüllen, stellt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG die unmittelbare Anspruchsgrundlage dar.

33

3. In Anwendung dieser Grundsätze gilt für den Kläger Folgendes:

34

Für das Jahr 2007 standen dem Kläger bei einem Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und einer 5-Tage-Woche 20 Urlaubstage zu. In diesem Jahr hat der Kläger sieben Urlaubstage und den sog. Arbeitszeitverkürzungstag nach der Arbeitszeitverordnung RP genommen. Eine Freistellung nach der Arbeitszeitverordnung steht funktional einem Urlaubstag nach der Urlaubsverordnung (UrlVO RP) gleich. Deshalb ist sie im Rahmen des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG wie ein Urlaubstag zu behandeln. Damit hat der Kläger acht Urlaubstage genommen und standen ihm für 2007 noch 12 Tage Mindesturlaub zu.

35

Für das Jahr 2008 standen dem Kläger 20 Mindesturlaubstage zu. In diesem Jahr ist er aber zum Ende des Monats Juli in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Deshalb stand ihm der unionsrechtliche Mindesturlaub nur anteilig, d.h. für 11 2/3 Urlaubstage zu; die Privilegierung des § 9 Satz 3 UrlVO RP, wonach der Jahresurlaub voll gewährt wird, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in der zweiten Jahreshälfte in den Ruhestand versetzt wird, erstreckt sich nicht auf den unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 RL 2003/88/EG. Der Bruchteil eines Urlaubstages ist in die Urlaubsentgeltberechnung einzubeziehen. Die Heranziehung einer nationalstaatlichen Regelung, wonach ein bei der Urlaubsberechnung verbleibender Teil eines Tages als Guthaben auf die Arbeitszeit angerechnet wird (vgl. § 8 Abs. 6 UrlVO RP), kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil Urlaubsabgeltung voraussetzt, dass der Beamte nicht mehr im Dienst ist, so dass mangels Arbeitspflicht auch eine Anrechnung auf ein Arbeitszeitguthaben nicht möglich ist.

36

Insgesamt steht dem Kläger deshalb ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 23 2/3 Tage zu, der auf der Basis der Besoldung der letzten drei Monate vor Eintritt in den Ruhestand zu berechnen ist.

37

Im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Anrechnung der Urlaubsabgeltung bei den Versorgungsbezügen nach den Regelungen des Vorteilsausgleichs, § 53 BeamtVG, nicht in Betracht kommt.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

Die Vorschriften der §§ 59 bis 63 der Zivilprozeßordnung über die Streitgenossenschaft sind entsprechend anzuwenden.

(1) Kann das streitige Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden oder ist die Streitgenossenschaft aus einem sonstigen Grund eine notwendige, so werden, wenn ein Termin oder eine Frist nur von einzelnen Streitgenossen versäumt wird, die säumigen Streitgenossen als durch die nicht säumigen vertreten angesehen.

(2) Die säumigen Streitgenossen sind auch in dem späteren Verfahren zuzuziehen.

(1) Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, so wird der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen der Erben.

(2) Bis zur Auseinandersetzung gelten die Vorschriften der §§ 2033 bis 2041.

Gehört ein Anspruch zum Nachlass, so kann der Verpflichtete nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten und jeder Miterbe nur die Leistung an alle Erben fordern. Jeder Miterbe kann verlangen, dass der Verpflichtete die zu leistende Sache für alle Erben hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt.

(2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Wert der Nebenforderungen maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

(3) Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 04.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.03.2010 verpflichtet, an die Kläger einen Betrag von 2.630,46 € zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Diese Entscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

Die Kläger begehren in dem von ihnen nach dem Tod des seinerzeit als Beamter in den Diensten der Beklagten stehenden ursprünglichen Klägers aufgenommenem Verfahren (verbundene ursprüngliche Verfahren 12 A 151/09 vom 09.07.2009 und 12 A 80/10 vom 21.04.2010) die Abgeltung dem ursprünglichen Kläger infolge dauerhafter Dienstunfähigkeit vor Versetzung in den Ruhestand nicht gewährten Urlaubs. Über die Klage kann im Einverständnis der Beteiligten (§ 101 Abs. 2 VwGO) ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

2

Mittlerweile ist in der Rechtsprechung geklärt (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.01.2013 – 2 C 10.12) und auch von der Beklagten anerkannt (vgl. das von der Beklagten in Bezug genommene Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 22.04.2013 – D2-30106/2#6), dass ein solcher Abgeltungsanspruch grundsätzlich bestehen kann.

3

Auch ist die aus dem Tenor ersichtliche Höhe des Anspruchs unstreitig, da die auf Bitten des Gerichts von der Beklagten erstellte Berechnung in ihrem Schriftsatz vom 29.07.2013 von Klägerseite nicht in Zweifel gezogen worden ist und auch sonst keinen Bedenken unterliegt.

4

Der von der Beklagten erhobene Einwand, der Anspruch sei mit dem Tod des ursprünglichen Klägers untergegangen, verfängt dagegen nicht. Es braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, ob Ansprüche wie der hier geltend gemachte in jeder Konstellation durch die Erben geltend gemacht werden können. So mag man das Entstehen des Abgeltungsanspruchs ebenso wie das Realisieren des ursprünglichen Urlaubsanspruchs als von einem nur durch den Berechtigten persönlich ins Werk zu setzenden voluntativen Moment abhängig ansehen, welches von den Erben nicht ersatzweise ausgeübt werden kann. Im vorliegenden Fall bestehen an einer solchen Willensbetätigung des ursprünglich

5

Berechtigten jedoch keine Zweifel.

6

Denn jedenfalls dann, wenn wie vorliegend der ursprünglich Urlaubsberechtigte noch zu seinen Lebzeiten den entsprechenden auf Geld gerichteten Abgeltungsanspruch gerichtlich geltend gemacht hat, steht nur noch ein reiner Geldanspruch im Streit, mithin ein Vermögensgegenstand wie jeder andere. Der ursprünglich höchstpersönliche Charakter des Urlaubsanspruchs geht insofern spätestens in diesem Zeitpunkt unter und wird durch den Ersatzanspruch abgelöst. Dies entspricht in etwa dem mit Wirkung zum 01.07.1990 aufgehobenen Beschränkungsmodell in § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F., nach der Schmerzensgeldansprüche nicht übertragbar waren und nur dann auf die Erben übergingen, wenn sie durch Vertrag anerkannt waren oder rechtshängig geworden sind.

7

Eine die Vererblichkeit von bereits rechtshängig gemachten Urlaubsersatzansprüchen einschränkende Regelung ist vorliegend jedenfalls nicht ausdrücklich getroffen und kann entgegen den Ausführungen der Beklagten auch nicht in den Regelungen des Beamtenversorgungsgesetzes erblickt werden. Insofern kann mit der Klägerseite ergänzend auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.04.2010 – 2 C 77/08, BVerwGE 137, 30 ff. bezüglich der Vererblichkeit von Beihilfeansprüchen verwiesen werden. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

8

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.


(1) Für alle Klagen der Beamtinnen, Beamten, Ruhestandsbeamtinnen, Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis sowie für Klagen des Dienstherrn ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

(2) Vor allen Klagen ist ein Vorverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung durchzuführen. Dies gilt auch dann, wenn die Maßnahme von der obersten Dienstbehörde getroffen worden ist. Ein Vorverfahren ist nicht erforderlich, wenn ein Landesgesetz dieses ausdrücklich bestimmt.

(3) Den Widerspruchsbescheid erlässt die oberste Dienstbehörde. Sie kann die Entscheidung für Fälle, in denen sie die Maßnahme nicht selbst getroffen hat, durch allgemeine Anordnung auf andere Behörden übertragen. Die Anordnung ist zu veröffentlichen.

(4) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Abordnung oder Versetzung haben keine aufschiebende Wirkung.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. April 2010 - 16 Sa 1502/09 - aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 16. Oktober 2009 - 2 Ca 1497/09 - wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin und ihr Sohn sind gemeinschaftliche Erben des am 16. April 2009 verstorbenen Ehemanns der Klägerin (Erblasser).

2

Der Erblasser war seit dem 23. April 2001 bis zu seinem Tod als Kraftfahrer bei der Beklagten mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst iHv. 2.000,00 Euro in einer Fünf-Tage-Woche beschäftigt. Der jährliche Urlaubsanspruch des Erblassers betrug 28 Arbeitstage. Seit dem 14. April 2008 war er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. In den Jahren 2008 und 2009 war ihm kein Urlaub gewährt worden.

3

Nachdem die Klägerin - unter Fristsetzung bis zum 5. Juni 2009 - von der Beklagten erfolglos die Abgeltung des Urlaubs des Erblassers verlangte, hat sie schließlich Mitte 2009 Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben.

4

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe den Urlaub aus den Jahren 2008 und 2009, den sie dem Erblasser nicht gewährt habe, abzugelten. Die bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses andauernde Erkrankung des Erblassers stehe dem erhobenen Urlaubsabgeltungsanspruch nicht entgegen. Die anderslautende bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei aufgrund der Vorgaben des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG insoweit abzuändern. Denn Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG eröffne die finanzielle Vergütung von Mindesturlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die einen nach § 1922 BGB übertragbaren Vermögensanspruch darstelle.

5

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.692,31 Euro brutto Urlaubsabgeltung zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Juni 2009 zu zahlen;

        

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft nach Herrn H 3.692,31 Euro brutto Urlaubsabgeltung zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Juni 2009 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Urlaubsanspruch sei mit dem Tod des Erblassers erloschen. Ein Abgeltungsanspruch habe deshalb nicht entstehen können.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht dem Hilfsantrag teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, insgesamt 35 Urlaubstage aus den Jahren 2008 und 2009 mit einem Gesamtbetrag iHv. 3.230,50 Euro brutto nebst anteiliger Zinsen abzugelten. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte begehrt mit der Revision die Abweisung der Klage, soweit das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben hat.

Entscheidungsgründe

8

A. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, die Beklagte sei verpflichtet, an die Erbengemeinschaft Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.230,50 Euro brutto nach § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1, §§ 2032, 2039 BGB zu zahlen.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, die Klage sei zulässig.

10

Die Klägerin ist prozessführungsbefugt, obwohl sie nur Miterbin neben ihrem Sohn ist. § 2039 Satz 1 BGB verleiht dem einzelnen Miterben die Prozessführungsbefugnis zur Durchsetzung von Ansprüchen, die der Erbengemeinschaft gegen Dritte zustehen(vgl. Palandt/Weidlich BGB 70. Aufl. § 2039 Rn. 6 ff.). Deshalb kann die Klägerin als Miterbin gemäß § 1922 Abs. 1, § 2032 Abs. 1, § 2039 Satz 1 BGB etwaige zum Nachlass gehörende Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis - wie den behaupteten Urlaubsabgeltungsanspruch - für die Erbengemeinschaft gerichtlich geltend machen. Ob das behauptete Recht tatsächlich besteht, ist eine Frage der Begründetheit der Klage.

11

II. Die Klage ist unbegründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts erwarb die Erbengemeinschaft gegen die Beklagte als ehemalige Arbeitgeberin des Erblassers keinen Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.230,50 Euro brutto nach § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1 BGB.

12

1. Dabei kann dahinstehen, ob die Annahme des Landesarbeitsgerichts zutrifft, dass ein entstandener Urlaubsabgeltungsanspruch im Hinblick auf die neuere Senatsrechtsprechung zur Urlaubsabgeltung bei dauernder Arbeitsunfähigkeit (vgl. grundlegend BAG 24. März 2009 9 AZR 983/07 - Rn. 47 ff., BAGE 130, 119; fortgeführt von BAG 23. März 2010 9 AZR 128/09 - Rn. 70, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 16; 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 18, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17)als reine Geldforderung nunmehr vererbbar ist und nach § 1922 Abs. 1 BGB in den Nachlass fällt(vgl. hierzu näher AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 141). Denn vorliegend ist bereits kein Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG entstanden, der nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben hätte übergehen können.

13

2. Zwar traten die Klägerin und ihr Sohn als Erben mit dem Erbfall im Wege der Universalsukzession (§ 1922 Abs. 1 BGB) in sämtliche Rechtsverhältnisse des Erblassers mit der Folge ein, dass sie aus diesen Rechtsverhältnissen des Erblassers berechtigt und verpflichtet wurden. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch des Erblassers, der Teil der Erbmasse hätte sein können, bestand jedoch nicht. Der Urlaubsanspruch des Erblassers ging mit dessen Tod unter und konnte sich nicht in einen Abgeltungsanspruch iSv. § 7 Abs. 4 BUrlG umwandeln.

14

a) Es entspricht bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass kein Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG entsteht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers beendet wird(vgl. zuletzt BAG 20. Januar 1998 - 9 AZR 601/96 - zu I 2 b der Gründe; 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 2 der Gründe, BAGE 70, 348; 26. April 1990 - 8 AZR 517/89 - zu I 1 b der Gründe, BAGE 65, 122).

15

aa) Im Streitfall endete das Arbeitsverhältnis zwischen dem Erblasser und der Beklagten aufgrund des Todes des Erblassers. Wenn die Pflicht zur Arbeitsleistung - wie hier - nicht übertragbar ist, endet das Arbeitsverhältnis mit dem Tod des Arbeitnehmers (vgl. BAG 16. Mai 2000 9 AZR 277/99 - zu I 2 d der Gründe, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 20 = EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 36). Dies folgt mittelbar aus § 613 Satz 2 BGB. Der Arbeitnehmer hat die von ihm geschuldete Arbeitsleistung im Regelfall in Person zu erbringen. Mangels Übertragbarkeit der Arbeitspflicht geht sie nicht gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben über. Der Ausnahmefall einer übertragbaren Arbeitspflicht lag hier nicht vor.

16

bb) Gleiches gilt nach bisheriger Rechtsprechung für den Urlaubsanspruch. Danach setzt der Anspruch auf Abgeltung von Urlaub nach § 7 Abs. 4 BUrlG voraus, dass der Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses lebt(BAG 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 1 und 2 der Gründe, BAGE 70, 348 ). Endet das Arbeitsverhältnis hingegen mit dem Tod des Arbeitnehmers, so erlischt mit der Beendigung zugleich der Urlaubsanspruch. Es kann deshalb kein Urlaubsabgeltungsanspruch mehr entstehen (vgl. BAG 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 3 der Gründe, aaO; 26. April 1990 - 8 AZR 517/89 - zu I 1 b der Gründe, BAGE 65, 122; so auch weiterhin das überwiegende Schrifttum: ErfK/Dörner/Gallner 11. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 51; ErfK/Preis § 613 BGB Rn. 6; HWK/Schinz 4. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 118; Arnold/Tillmanns/Zimmermann BUrlG 2. Aufl. § 1 Rn. 66; Staudinger/Richardi/Fischinger (2011) § 613 BGB Rn. 15; aA Schipper/Polzer NZA 2011, 80; ArbG Potsdam 15. Februar 2011 - 3 Ca 1512/10 -).

17

Der Urlaubsabgeltungsanspruch wurde lange Zeit ebenso wie die Arbeitspflicht als höchstpersönlich und nicht übertragbar angesehen. Das mit der Surrogation begründete Merkmal der Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs im fiktiv fortbestehenden Arbeitsverhältnis (Kern der sog. Surrogatstheorie; vgl. BAG 5. Dezember 1995 - 9 AZR 871/94 - BAGE 81, 339) hat der Senat jedoch in seiner reformierten Rechtsprechung zur Umsetzung der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Schultz-Hoff aufgegeben (vgl. grundlegend BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 44 ff., BAGE 130, 119; fortgeführt von BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 70, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 16; 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 17, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17). Danach ist der Urlaubsabgeltungsanspruch nur noch ein reiner Geldanspruch. Davon bleibt die Rechtsnatur des Urlaubsanspruchs unberührt; denn Urlaub kann nur dem Arbeitnehmer durch Freistellung von dessen (höchstpersönlicher) Arbeitspflicht gewährt werden (vgl. BAG 28. August 2001 - 9 AZR 611/99 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 99, 5). Inhalt des Urlaubsanspruchs ist deshalb nach §§ 1, 3 BUrlG die Beseitigung der Arbeitspflicht für die Dauer der Urlaubszeit. Da die Arbeitspflicht nach § 613 BGB regelmäßig an die Person des Arbeitnehmers gebunden ist, können solche Pflichten, auf die der Urlaubsanspruch bezogen ist, nach dem Tode des Arbeitnehmers - als dem zur Arbeit Verpflichteten - nicht mehr entstehen. Ein Urlaubsanspruch entfällt daher schon deshalb, weil ein Arbeitgeber ihn nicht erfüllen könnte. Zudem endet das Arbeitsverhältnis zugleich mit dem Tod des Arbeitnehmers (arg. § 613 BGB ), sodass ein Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz nicht in Betracht kommt. Aus diesem Grunde scheidet ebenso das Entstehen eines Urlaubsabgeltungsanspruchs iSv. § 7 Abs. 4 BUrlG aus Anlass dieser Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus, weil der Arbeitnehmer als möglicher Anspruchsinhaber eines Abgeltungsanspruchs, der nur in seiner Person entstehen könnte, nicht mehr lebt(vgl. BAG 26. April 1990 - 8 AZR 517/89 - zu I 1 b der Gründe, BAGE 65, 122; fortgeführt von BAG 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 2 der Gründe, BAGE 70, 348). Entsteht aber kein Abgeltungsanspruch in der Person des Arbeitnehmers, kann er auch nicht in den Nachlass fallen. Hieran hält der Senat im Ergebnis fest.

18

b) Nach Aufgabe des Merkmals der Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs (grundlegend BAG 24. März 2009 -  9 AZR 983/07  - Rn. 44 ff., BAGE 130, 119; fortgeführt von BAG 23. März 2010 -  9 AZR 128/09  - Rn. 70, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 16) kann das Entstehen eines Abgeltungsanspruchs nach § 7 Abs. 4 BUrlG aus folgenden Gründen nicht mehr verneint werden: Der Arbeitnehmer hätte bei(fiktivem) Fortbestand des Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitsunfähigkeit nicht freigestellt werden können und deshalb müsse der Abgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs ebenso wie der Urlaubsanspruch untergehen (vgl. BAG 20. Januar 2008 - 9 AZR 601/96 - zu I 2 b der Gründe; so auch noch Leinemann/Linck Urlaubsrecht 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 218). Nunmehr gilt Folgendes:

19

aa) Der für die Gesetzesauslegung maßgebliche Wortlaut des § 7 Abs. 4 BUrlG bestimmt, dass der Urlaub abzugelten ist, soweit er „wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden“ kann. Den Grund für das Entstehen des Abgeltungsanspruchs stellt demnach die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar. Der zu diesem Zeitpunkt noch bestehende Urlaubsanspruch wird nach § 7 Abs. 4 BUrlG mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Abgeltungsanspruch ersetzt. Maßgeblicher Zeitpunkt für dessen Entstehen ist damit das Ende des Arbeitsverhältnisses.

20

(1) Der Abgeltungsanspruch entsteht folglich nicht bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem feststeht, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Termin enden wird und eine Urlaubsnahme nicht möglich ist (so aber Compensis DB 1992, 888, 892). Vielmehr entsteht dieser nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 7 Abs. 4 BUrlG erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

21

(2) Zudem folgt bereits aus der Formulierung des § 7 Abs. 4 BUrlG selbst, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein noch offener Urlaubsanspruch bestehen muss, der sodann wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann und deshalb kraft Gesetzes abzugelten ist. So heißt es ausdrücklich in § 7 Abs. 4 BUrlG: „Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses … nicht mehr gewährt werden...“ Ein Urlaubsabgeltungsanspruch kann danach nur dann entstehen, wenn der Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch einen Urlaubsanspruch hatte (vgl. auch ErfK/Dörner/Gallner § 7 BUrlG Rn. 51).

22

bb) Mit dem Tod des Arbeitnehmers erlischt dessen regelmäßig höchstpersönliche Leistungspflicht im Sinne des § 613 Satz 1 BGB. Hieraus folgt zugleich, dass auch alle Ansprüche auf Befreiung von dieser Arbeitspflicht untergehen (vgl. ErfK/Preis § 613 BUrlG Rn. 5). Verstirbt ein Arbeitnehmer, so erlischt bereits deshalb zugleich auch sein auf Befreiung von der Arbeitspflicht gerichteter Urlaubsanspruch. Der Urlaubsabgeltungsanspruch kann damit nicht vor dem Tod des Arbeitnehmers, der erst zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, entstanden sein. § 7 Abs. 4 BUrlG statuiert insoweit mittelbar ein Abgeltungsverbot im bestehenden Arbeitsverhältnis. Im Gesetzesentwurf der SPD-Fraktion zum BUrlG vom 23. Januar 1962 war dies noch klarer formuliert. Nach dessen § 6 Abs. 3 sollte eine Abgeltung des Urlaubs nur statthaft sein, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr als Freizeit gewährt werden kann(BT-Drucks. IV/142, abgedr. in RdA 1962, 142). Nur für den Fall, dass der Arbeitnehmer infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Urlaub ganz oder teilweise nicht mehr erhalten kann, sollte die Abgeltung erlaubt sein. Die Regelung soll eine Ausnahme vom finanziellen Abgeltungsverbot allein für den Fall der Beendigung zulassen, um den Arbeitnehmer vor völligem Anspruchsverlust wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu schützen (vgl. auch HK-ArbR/Holthaus 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 99). Dabei kann dahinstehen, ob sich der Urlaubsanspruch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses oder erst danach in einen Abgeltungsanspruch umwandelt. Der mit dem Tod des Arbeitnehmers untergehende Urlaubsanspruch kann sich jedenfalls nicht zeitgleich in einen Abgeltungsanspruch umwandeln. Anspruchsuntergang und gleichzeitige Umwandlung des Anspruchs schließen sich aus.

23

cc) Schließlich spricht der systematische Kontext des § 7 Abs. 4 BUrlG dafür, dass der Tod als Auslöser für einen Abgeltungsanspruch nach dieser Norm ausscheidet. Denn § 7 Abs. 4 BUrlG stellt einen besonders geregelten Fall des Leistungsstörungsrechts dar, der die allgemeinen Regelungen des § 275 ff. BGB, die ansonsten bei Unmöglichkeit von Leistungen gelten, verdrängt (vgl. hierzu auch HWK/Schinz § 7 BUrlG Rn. 111). Die Erfüllung des eigentlichen Urlaubsanspruchs durch Freistellung ist wegen der Beendigung nicht mehr möglich. An dessen Stelle tritt sodann (als Ersatzanspruch) der Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Stirbt der Arbeitnehmer, ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ursächlich für die Unmöglichkeit, den Urlaubsanspruch zu erfüllen (so auch HK-ArbR/Holthaus § 7 BUrlG Rn. 102; Friese Urlaubsrecht Rn. 458, 463; aA Schipper/Polzer NZA 2011, 80, 81). Denn stirbt der Arbeitnehmer, so folgt daraus zugleich auch, dass auch der auf die Beseitigung der nach § 613 Satz 1 BGB regelmäßig höchstpersönlichen Arbeitspflicht gerichtete Urlaubsanspruch mit dem Tod untergeht. Dementsprechend führt gerade nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern vielmehr bereits der Tod des Arbeitnehmers zum Untergang des Urlaubsanspruchs.

24

dd) Dem steht nicht entgegen, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für das Entstehen des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach § 7 Abs. 4 BUrlG grundsätzlich nicht auf die Art der Beendigung ankommt(vgl. etwa BAG 18. Oktober 1990 - 8 AZR 490/89 - zu 3 b der Gründe, BAGE 66, 134). So ist die Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich unerheblich. Der Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht nicht nur bei Beendigung wegen Befristung, Kündigung oder Aufhebungsvertrag, sondern etwa auch bei Eintritt einer auflösenden Bedingung (vgl. zum Erreichen der Altersgrenze: BAG 21. April 1966 - 5 AZR 510/65 - AP BUrlG § 7 Nr. 3). Insbesondere ist es irrelevant, welche Arbeitsvertragspartei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst hat. Deshalb entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch auch, wenn der Arbeitnehmer die Beendigung verschuldet hat (vgl. BAG 18. Juni 1980 - 6 AZR 328/78 - zu 1 b der Gründe, AP BUrlG § 13 Unabdingbarkeit Nr. 6 = EzA BUrlG § 13 Nr. 14). Ebenso wenig kommt es darauf an, auf welchem rechtlichen Weg die Beendigung herbeigeführt wird.

25

Die einzige Ausnahme von diesem Grundsatz bildet nach der Rechtsprechung der Tod des Arbeitnehmers (vgl. BAG 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 2 der Gründe, BAGE 70, 348; 26. April 1990 - 8 AZR 517/89 - zu I 1 b der Gründe, BAGE 65, 122).

26

c) Diese Grundsätze stehen im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (sog. Arbeitszeitrichtlinie; ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9).

27

aa) Danach darf der jedem Arbeitnehmer nach Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie zustehende bezahlte Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Damit geht auch die Richtlinie grundsätzlich von einem Abgeltungsverbot im laufenden Arbeitsverhältnis aus (vgl. so bereits zur Vorgängerrichtlinie 93/104/EG in der Fassung der Richtlinie 2000/34 /EG: EuGH 6. April 2006 - C-124/05 - [Federatie Nederlandse Vakbeweging] Rn. 29 ff., Slg. 2006, I-3423). Wenn das Arbeitsverhältnis endet, ist es nicht mehr möglich, bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Deshalb sieht die Regelung des Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie für diesen Fall einen Anspruch vor, der den bezahlten Mindesturlaub durch eine finanzielle Vergütung ersetzt. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass dem Arbeitnehmer wegen der Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses jeder Genuss des bezahlten Jahresurlaubsanspruchs, selbst in finanzieller Form, verwehrt wird (vgl. EuGH 20. Januar 2009 -  C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 56, Slg. 2009, I-179).

28

bb) Aus diesen sowohl von § 7 Abs. 4 BUrlG als auch von Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie verfolgten Zwecken(Abgeltungsverbot des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis einerseits sowie Schutz des Arbeitnehmers vor völligem Anspruchsverlust bei Beendigung durch eine finanzielle Vergütung anderseits) folgt zugleich, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nur in der Person des ausgeschiedenen Arbeitnehmers entstehen kann. Denn sowohl die Normierung des Abgeltungsverbots im laufenden Arbeitsverhältnis als auch die Zuerkennung einer finanziellen Vergütung im Falle der Beendigung - anstelle des dem Arbeitnehmer sonst zustehenden Urlaubs - knüpfen an dessen Person an.

29

cc) Unerheblich ist im Streitfall der Umstand, dass der Erblasser bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt war.

30

Denn Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie steht lediglich einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegen, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte(vgl. EuGH 20. Januar 2009 -  C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 49, 52, Slg. 2009, I-179). Dies führt jedoch lediglich dazu, dass entsprechend der neueren Senatsrechtsprechung der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch bei andauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht mehr nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG befristet ist.

31

Hingegen beruht das Erlöschen des Urlaubsanspruchs bei Versterben des Arbeitnehmers nicht auf einer nationalen Befristungsregelung. Vielmehr führt der Tod des Arbeitnehmers zum Untergang des Urlaubsanspruchs.

32

Zudem handelt es sich bei dem Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union um einen besonders bedeutsamen Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft. Der Arbeitnehmer muss regelmäßig über eine tatsächliche Ruhezeit verfügen können, damit ein wirksamer Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit sichergestellt ist. Nur für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis beendet wird, lässt Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie zu, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub durch eine finanzielle Vergütung ersetzt wird. Mit dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wird das Ziel verfolgt, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen (vgl. EuGH 20. Januar 2009 -  C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 22 ff., Slg. 2009, I-179). Dies belegt, dass die Regelung des Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie ihrem Zweck nach dem Schutz des Arbeitnehmers dient. Dieser Zweck kann jedoch nur zu Lebzeiten des Arbeitnehmers erfüllt werden. Es wird an die Person des Arbeitnehmers angeknüpft. Deshalb steht ebenso wie Art. 7 Abs. 2 auch Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie einem Erlöschen des Urlaubsanspruchs bei Tod des Arbeitnehmers mit der Folge des Nichtentstehens eines Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht entgegen.

33

d) Dementsprechend scheidet auch eine erstmalige unmittelbare und originäre Anspruchsentstehung in der Person des Erben aus (vgl. hierzu auch Arnold/Tillmanns/Zimmermann § 1 Rn. 66; aA wohl Schipper/Polzer NZA 2011, 80, 81). Das gilt unabhängig davon, dass § 7 Abs. 4 BUrlG den Anspruchsinhaber nicht ausdrücklich benennt, zumal § 7 Abs. 4 BUrlG kein eigenes Forderungsrecht des Erben normiert, das durch den Tod des Arbeitnehmers ausgelöst wird, wie dies etwa § 844 ff. BGB bei unerlaubten Handlungen für Ersatzansprüche Dritter bei Tötung vorsehen. Selbst wenn man also mit dem Landesarbeitsgericht davon ausgeht, dass es sich beim Abgeltungsanspruch um eine Geldleistung ohne strikte Zweckbindung oder um eine Art finanzielle Abfindung (so AnwK-ArbR/Düwell § 7 BUrlG Rn. 141) handelt, ändert dies nichts daran, dass dieser zunächst eine Entstehung in der Person des Arbeitnehmers voraussetzt.

34

Ob der Urlaubsabgeltungsanspruch vererbbar ist, ist eine hiervon zu trennende Frage, die im Streitfall nicht entscheidungserheblich ist. Dies hat das Landesarbeitsgericht außer Acht gelassen.

35

3. Der Erblasser erwarb auch nicht noch zu Lebzeiten ein Anwartschaftsrecht auf Urlaubsabgeltung, das als vermögenswertes Recht nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben hätte, übergehen und dort zum Vollrecht erstarken können. Denn die Voraussetzungen für ein entsprechendes Anwartschaftsrecht sind nicht erfüllt.

36

a) Dies entspricht schon der bisherigen Senatsrechtsprechung. Danach besteht neben dem Urlaubsanspruch kein Anwartschaftsrecht auf Urlaubsabgeltung, das als vermögenswertes Recht nach § 1922 BGB auf die Erben übergehen und dort zum Vollrecht erstarken könnte. Dies hat der Senat allerdings damit begründet, dass der Abgeltungsanspruch unter den im Gesetz oder im Tarifvertrag genannten Voraussetzungen als Surrogat anstelle des untergehenden Urlaubsanspruchs und damit seinerseits als Vollrecht nur in der Person des Arbeitnehmers entstehe. Sterbe dieser, so entstehe der Anspruch nicht (vgl. BAG 23. Juni 1992 - 9 AZR 111/91 - zu 3 der Gründe, BAGE 70, 348).

37

b) Diese Begründung lässt sich nicht mehr aufrechterhalten. Sie beruht noch auf der Surrogatstheorie. Der Senat hat infolge der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Schultz-Hoff die Surrogatstheorie, jedenfalls für den Fall der andauernden Arbeitsunfähigkeit, aufgegeben. Danach stellt der Urlaubsabgeltungsanspruch zumindest bei andauernder Arbeitsunfähigkeit eine auf finanzielle Vergütung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie gerichtete reine Geldforderung dar(vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 17 ff., EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17; 23. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 44 ff., BAGE 130, 119).

38

c) Ein Anwartschaftsrecht entsteht immer dann, wenn von einem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass von einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann (vgl. Palandt/Ellenberger Einf. v. § 158 BGB Rn. 9 mwN). Eine solche gesicherte Rechtsposition besteht hinsichtlich des Urlaubsabgeltungsanspruchs im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht. Denn während des laufenden Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer nur Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht. Dies folgt bereits aus dem sich aus § 7 Abs. 4 BUrlG ergebenden Abgeltungsverbot. Danach darf der Urlaub nur abgegolten werden, soweit er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann. Dieses Abgeltungsverbot steht der Annahme entgegen, ein Urlaubsabgeltungsanspruch entstehe im laufenden Arbeitsverhältnis. Im laufenden Arbeitsverhältnis ist der Urlaubsanspruch durch Freistellung des Arbeitnehmers zu erfüllen. Demgegenüber entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch erst unmittelbar mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses anstelle des noch bestehenden Urlaubsanspruchs in der Person des Arbeitnehmers. Es steht deshalb im laufenden Arbeitsverhältnis nicht fest, ob überhaupt ein Abgeltungsanspruch entstehen kann. Zunächst und vorrangig ist der Urlaub durch Freistellung zu gewähren.

39

d) Ein Anwartschaftsrecht könnte hier ohnehin nicht mit dem Tod des Arbeitnehmers zu einem Vollrecht auf Urlaubsabgeltung erstarken. Denn wie bereits unter A II 2 dargelegt, geht der Anspruch des Erblassers auf Urlaub stets mit dessen Tod unter und kann sich nicht in einen Abgeltungsanspruch umwandeln.

40

4. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts konnte ein Urlaubsabgeltungsanspruch auch nicht als werdendes Recht auf die Erben nach § 1922 Abs. 1 BGB übergehen.

41

a) Hierzu hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, der Umstand, dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt seines Todes einen Geldleistungsanspruch nicht besessen habe, stehe der Vererbbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht entgegen. Zwar entstehe dieser, da die Urlaubsabgeltung das Ende des Arbeitsverhältnisses voraussetze, erst mit dem Tod des Arbeitnehmers. Doch handele es sich insoweit um einen noch „nicht fertigen, im Werden begriffenen Anspruch“, dessen Vererbbarkeit bei nicht höchstpersönlichen Angelegenheiten grundsätzlich anerkannt sei.

42

b) Zutreffend ist insoweit allein, dass im Rahmen der Gesamtrechts-nachfolge nach § 1922 Abs. 1 BGB Erben grundsätzlich auch in werdende Rechte, sog. Rechtsverkehrslagen, eintreten (vgl. Palandt/Weidlich § 1922 Rn. 26; Staudinger/Marotzke (2008) § 1922 BGB Rn. 303 ff.; MünchKommBGB/Leipold 5. Aufl. § 1922 Rn. 41). Denn der Tod unterbricht die rechtlichen Beziehungen des Menschen in dem Zustand, in welchem sie sich gerade befinden. Deshalb können auf den Erben auch vorgefundene noch im Werden begriffene Rechte und Rechtsbeziehungen übergehen, zu deren vollständiger Entstehung es noch weiterer Ereignisse oder Willenserklärungen bedarf. In der Person des Erben kann sich die Entstehung eines Rechts in dieser Situation in derselben Weise vollenden, wie dies bei Fortleben des Erblassers möglich gewesen wäre (vgl. MünchKommBGB/Leipold aaO; Bamberger/Roth/Müller-Christmann BGB 2. Aufl. § 1922 Rn. 48).

43

c) Bei einem (unterstellten) Fortleben des Erblassers über den 16. April 2009 hinaus würde das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten unverändert fortbestehen. Für einen Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG wäre von vornherein überhaupt kein Raum. Vielmehr stände dem Erblasser der - wegen der seit 14. April 2008 andauernden Arbeitsunfähigkeit - nicht realisierbare gesetzliche Mindest- und vertragliche Mehrurlaub aus den Jahren 2008 und 2009 weiterhin zu. Der gesetzliche Mindesturlaub aus dem Jahr 2008 war wegen der andauernden Arbeitsunfähigkeit nach der maßgeblichen neueren Senatsrechtsprechung nicht nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG befristet(vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 18, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17). Entsprechendes gilt auch für den vertraglichen Mehrurlaub. Zwar können die Parteien des Einzelarbeitsvertrags Urlaubsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und von § 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Mindestjahresurlaubsanspruch von vier Wochen übersteigen, frei regeln, doch müssen für einen Regelungswillen der Arbeitsvertragsparteien, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen vertraglichen Ansprüchen unterscheidet, im Rahmen der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB deutliche Anhaltspunkte bestehen(vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 25, aaO; 24. März 2009 9 AZR 983/07  - Rn. 81 ff., BAGE 130, 119 ). Im Streitfall gibt es jedoch, wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, keine Anhaltspunkte, die auf eine Ausnahme von der Regel des „Gleichlaufs“ der Ansprüche hindeuten. Der Arbeitsvertrag, der den Erblasser und die Beklagte verband, enthält keine abweichende Regelung für den übergesetzlichen Mehrurlaub. Deshalb war auch dessen Abgeltung an die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 BUrlG gebunden und daher nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich.

44

Der Tod unterbricht im vorliegenden Fall gerade nicht die „Vollendung“ des Urlaubsabgeltungsanspruchs, da bei Fortleben des Ehemanns der Klägerin mangels Beendigung des Arbeitsverhältnisses schon kein Urlaubsabgeltungsanspruch entstanden wäre. Dies hat das Landesarbeitsgericht übersehen.

45

d) Darüber hinaus ist die finanzielle Abgeltung des nicht verfallenen gesetzlichen Mindesturlaubs im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich verboten. Es handelte sich unter Verstoß gegen § 1 iVm. § 13 Abs. 1 BUrlG letztlich um einen „Abkauf“ von Urlaub(vgl. HWK/Schinz § 7 BUrlG Rn. 98). Von einem Abgeltungsverbot im bestehenden Arbeitsverhältnis geht zudem auch Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie aus, wonach der bezahlte Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf. Deshalb steht Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie nationalen Rechtsvorschriften entgegen, die es während der Dauer des Arbeitsverhältnisses erlauben, dass die Tage eines Jahresurlaubs, die nicht in einem bestimmten Jahr genommen werden, durch eine finanzielle Vergütung in einem späteren Jahr ersetzt werden(vgl. so bereits zur Vorgängerrichtlinie 93/104/EG in der Fassung der Richtlinie 2000/34 /EG: EuGH 6. April 2006 - C-124/05 - [Federatie Nederlandse Vakbeweging] Rn. 29 ff., Slg. 2006, I-3423 ).

46

e) Überdies ist der Ausgangspunkt der Überlegungen des Landesarbeitsgerichts unzutreffend, dass der Urlaubsanspruch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers nicht erloschen sei und ein Urlaubsabgeltungsanspruch bestehe.

47

5. Die Klägerin beruft sich ohne Erfolg hilfsweise auf Schadensersatz.

48

Es bestand kein Anspruch des Erblassers gegenüber der Beklagten auf Schadensersatz, der nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben hätte übergehen können. Ein Schadensersatzanspruch nach § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 249 BGB kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber sich gegenüber dem Erblasser bereits zu dessen Lebzeiten in Verzug mit der Leistung befand. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Beklagte konnte bis zum Tod des Erblassers mit der Urlaubsgewährung schon deshalb nicht in Verzug geraten, da dessen Urlaubsanspruch aufgrund der andauernden Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllbar war. Erst recht war die Beklagte nicht mit der Urlaubsabgeltung in Verzug, da dem Erblasser ein solcher Anspruch mangels Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu Lebzeiten nicht zustand.

49

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Düwell    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Ropertz    

        

    Faltyn    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011 - 6 Sa 21/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerinnen haben die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin zu 1. und die Klägerin zu 2. (Klägerinnen) begehren von der Beklagten, Urlaub aus den Jahren 2006 bis 2009 abzugelten.

2

Die Klägerinnen sind Erbinnen ihrer am 20. Januar 2010 verstorbenen Mutter (Erblasserin). Die Beklagte beschäftigte diese seit dem 4. Oktober 2006 bis zu ihrem Tod als Promotionsmitarbeiterin. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags vom 11. September 2006 hatte die seit dem 14. August 2008 als schwerbehindert anerkannte Erblasserin einen Anspruch auf jährlich 28 Werktage Urlaub. Vom 10. Februar 2007 bis zu ihrem Tod war sie durchgehend arbeitsunfähig krank.

3

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2009 erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2009. Die spätere Erblasserin erhob Kündigungsschutzklage und verlangte im Weiteren ohne Erfolg von der Beklagten, ihr für das Jahr 2006 einen Arbeitstag, für das Jahr 2007 28 Arbeitstage, für das Jahr 2008 33 Arbeitstage und für das Jahr 2009 35 Arbeitstage Urlaub zu gewähren. Hilfweise beantragte sie, den Urlaub abzugelten.

4

Mit rechtskräftigem Teilanerkenntnisurteil vom 2. Februar 2010 stellte das Arbeitsgericht fest, das Arbeitsverhältnis zwischen der Erblasserin und der Beklagten sei nicht durch die Kündigung vom 22. Oktober 2009 aufgelöst worden, sondern habe erst mit dem Tod der Erblasserin am 20. Januar 2010 sein Ende gefunden.

5

Die Klägerinnen haben die Rechtsauffassung vertreten, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung falle als bloße Geldforderung in den Nachlass der Erblasserin. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung offener Urlaubsansprüche sei seiner Natur nach eine Art finanzielle Abfindung für die Urlaubsansprüche, die der Arbeitgeber bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht erfüllt habe.

6

Die Klägerinnen haben zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2006 Urlaubsabgeltung über einen Urlaubstag iHv. 74,31 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2007 Urlaubsabgeltung iHv. 2.080,62 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2007 schwerbehindertenrechtliche Urlaubsabgeltung für fünf Tage iHv. 371,54 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2008 Urlaubsabgeltung iHv. 2.080,62 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

5.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2008 schwerbehindertenrechtliche Urlaubsabgeltung für fünf Tage iHv. 371,54 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

6.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2009 Urlaubsabgeltung iHv. 2.080,62 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und

        

7.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Erbengemeinschaft für das Kalenderjahr 2009 schwerbehindertenrechtliche Urlaubsabgeltung für fünf Tage iHv. 371,54 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pa. seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

7

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, etwaige Urlaubsansprüche der Erblasserin seien mit deren Tod untergegangen, sodass zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein Abgeltungsanspruch habe entstehen können.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre Zahlungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerinnen ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Soweit die Urlaubsansprüche der Erblasserin, deren Abgeltung die Klägerinnen verlangen, am 20. Januar 2010 nicht bereits verfallen waren, finden die Klageansprüche weder in § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1 BGB noch in den Vorschriften des Schadensersatzrechts eine Rechtfertigung.

10

I. Die von den Klägerinnen erhobenen Ansprüche folgen nicht aus § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1 BGB.

11

1. Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG hat der Arbeitgeber Urlaub abzugelten, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Vor ihrem Tod hatte die Erblasserin Anspruch auf 56 Werktage Urlaub und zehn Werktage Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen (Zusatzurlaub) aus den Jahren 2008 und 2009. Der Urlaubsanspruch aus den Jahren 2006 und 2007 verfiel 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG. Der Senat hat die unionsrechtskonforme Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG in seiner Entscheidung vom 7. August 2012 (- 9 AZR 353/10 - Rn. 23 ff.; siehe ferner BAG 18. September 2012 - 9 AZR 623/10 - Rn. 14) ausführlich begründet.

12

2. Die Klägerinnen traten mit dem Erbfall im Wege der Universalsukzession in sämtliche Rechtsverhältnisse der Erblasserin mit der Folge ein, dass sie aus den Rechtsverhältnissen der Erblasserin berechtigt und verpflichtet wurden. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch der Erblasserin, der Teil der Erbmasse hätte sein können, bestand indes nicht. Der Urlaubsanspruch der Erblasserin ging mit deren Tod unter und konnte sich nicht in einen Abgeltungsanspruch iSv. § 7 Abs. 4 BUrlG umwandeln. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 20. September 2011 (- 9 AZR 416/10 - Rn. 19 ff.) im Einzelnen ausgeführt, dass in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, der Urlaubsanspruch untergeht und deshalb die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ursächlich dafür ist, dass der Urlaubsanspruch nicht mehr erfüllt werden kann. Unerheblich ist dabei, ob der Erblasser bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krank war. Weder erwirbt der Erblasser zu Lebzeiten ein Anwartschaftsrecht auf Urlaubsabgeltung, das nach dem Erbfall zu einem Vollrecht erstarkt, noch besteht ein werdendes Recht, das als vermögenswertes Recht nach § 1922 Abs. 1 BGB auf seine Erben übergeht. Diese Grundsätze stehen im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9; im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie).

13

a) Diese Rechtsprechung hat im arbeitsrechtlichen Schrifttum weitgehend Zustimmung gefunden (vgl. Bauer ArbR 2011, 534; Biester GWR 2012, 137; Fischinger Anm. AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 92; Lipinski/Praß BB 2012, 1867, 1868). Soweit einzelne Stimmen kritisch anmerken, es sei kein Unterschied zwischen der Beendigung aufgrund des Todes des Arbeitnehmers und einer Beendigung aufgrund anderer Tatsachen auszumachen (Jesgarzewski BB 2012, 1347, 1349; ähnlich Bieder AuR 2012, 239, 240), gibt dies dem Senat keine Veranlassung, von seiner Rechtsprechung abzurücken. Die beiden Fallkonstellationen unterscheiden sich insofern, als bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung, Aufhebungsvertrag, Zeitablauf oder Eintritt einer auflösenden Bedingung anders als bei der Beendigung infolge des Todes des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen ist, dass der Zweck der Urlaubsabgeltung, die Verwendung des Abgeltungsbetrags zu Erholungszwecken, erreicht wird. Der EuGH geht davon aus, Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch seinen zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs (vgl. EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff ua.] Rn. 60, Slg. 2009, I-179). Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie stelle sicher, dass der Arbeitnehmer sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben erholen könne und zum anderen über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit verfüge(vgl. EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31). Diese Zwecke lassen sich in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, nicht mehr erreichen (so zu Recht Fischinger Anm. AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 92). Der Arbeitnehmer kann weder in den Genuss des Urlaubsanspruchs noch in den der Urlaubsabgeltung kommen.

14

b) Die vereinzelt erhobene Rüge, der Senat missachte den erbrechtlichen Schutz, den der Urlaubsabgeltungsanspruch genieße (Bieder AuR 2012, 239, 242), geht fehl. Erbrechtlich sind nur die Vermögenspositionen relevant, die im Zeitpunkt des Todes des Erblassers zu dessen Vermögen gehören. Eine solche Vermögensposition liegt nicht vor. Die verstorbene Arbeitnehmerin war niemals Inhaberin eines Anspruchs auf Urlaubsabgeltung.

15

c) Der Einwand der Klägerinnen, der Urlaubsanspruch der Erblasserin sei zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits rechtshängig gewesen, verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Ansprüche, die den Gegenstand eines Rechtsstreits bilden, sind nicht davor gefeit unterzugehen. So erlischt beispielsweise ein Anspruch gemäß § 362 Abs. 1 BGB, wenn der Schuldner im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens die geschuldete Leistung bewirkt(vgl. BAG 22. Januar 1975 - 4 AZR 10/74 -). Auch hindert die Rechtshängigkeit eines Anspruchs nicht, dass dieser infolge Zeitablaufs erlischt (vgl. BAG 14. November 1985 - 2 AZR 576/84 - zu II 2 a der Gründe). Ebenso verhält es sich mit Urlaubsansprüchen. Diese erlöschen trotz Rechtshängigkeit, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet.

16

d) Soweit die Revision darauf verweist, die Erblasserin habe nicht nur den Urlaubsanspruch, sondern auch den Urlaubsabgeltungsanspruch bereits im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens zumindest hilfsweise verfolgt, übersieht sie, dass dessen Rechtshängigkeit mit dem Erlass des Teilanerkenntnisurteils vom 2. Februar 2010 rückwirkend entfallen ist. Hilfsanträge stehen unter der innerprozessualen Bedingung, dass dem Hauptantrag nicht entsprochen wird. Die Rechtshängigkeit des Hilfsantrags endet deshalb ohne besonderen Ausspruch rückwirkend, wenn ein dem Hauptantrag entsprechendes rechtskräftiges Urteil ergeht (vgl. BAG 12. August 2008 - 9 AZR 620/07 - Rn. 15, BAGE 127, 214). Das Arbeitsgericht hat dem in der Hauptsache verfolgten Kündigungsschutzantrag mit Teilanerkenntnisurteil vom 2. Februar 2010 entsprochen. Damit entfiel die Rechtshängigkeit des hilfsweise verfolgten Urlaubsabgeltungsanspruchs rückwirkend mit der Folge, dass der Anspruch zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin als nicht rechtshängig anzusehen ist. Selbst wenn man zugunsten der Klägerinnen von der Rechtshängigkeit des Anspruchs ausginge, führte dies zu keinem anderen Ergebnis, weil die Erblasserin nie Inhaberin eines Abgeltungsanspruchs war, der auf die Klägerinnen hätte übergehen können.

17

e) Der Senat kann eine abschließende Sachentscheidung treffen. Es besteht keine Verpflichtung, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten (Art. 267 AEUV). Der Rechtsstreit betrifft einen rein innerstaatlichen Sachverhalt und ist unter Beachtung nationaler Regelungen zu entscheiden. Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie sichert den Urlaubsabgeltungsanspruch eines Arbeitnehmers, der aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Endet das Arbeitsverhältnis infolge des Todes des Arbeitnehmers, kann nicht der Arbeitnehmer selbst, sondern können allenfalls seine Erben in den Genuss der Abgeltung gelangen. Die Erben stehen jedoch als solche außerhalb des Anwendungsbereichs der Arbeitszeitrichtlinie (vgl. zum Arbeitnehmerbegriff: EuGH 3. Mai 2012 - C-337/10 - [Neidel] Rn. 23).

18

II. Entgegen der Ansicht der Klägerinnen stand der Erblasserin gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz zu, der nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Klägerinnen hätte übergehen können. Ein Schadensersatzanspruch nach § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 BGB käme nur in Betracht, wenn die Beklagte sich gegenüber der Erblasserin bereits zu deren Lebzeiten mit der Urlaubsgewährung in Verzug befunden hätte. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Beklagte konnte bis zum Tod der Erblasserin mit der Urlaubsgewährung nicht in Verzug geraten, da sie den Urlaubsanspruch infolge der andauernden Arbeitsunfähigkeit der Erblasserin nicht erfüllen konnte. Erst recht war die Beklagte nicht mit der Urlaubsabgeltung in Verzug. Der Erblasserin stand ein solcher Anspruch zu Lebzeiten nicht zu, da das Arbeitsverhältnis bis zu ihrem Tod fortbestand.

19

III. Die Klägerinnen haben die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Brühler    

        

    Klose    

        

    Suckow    

        

        

        

    Leitner    

        

    Neumann    

                 

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt eine finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Urlaub.

2

Der 1953 geborene Kläger stand zuletzt als Polizeihauptkommissar im Dienst des beklagten Landes. Er war ab Anfang Juli 2007 ununterbrochen erkrankt. Mit Wirkung vom 1. August 2008 hat ihn der Beklagte wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

3

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab, ihm eine Vergütung für insgesamt 62 Urlaubstage zu zahlen, die er in den Jahren 2007 und 2008 wegen seiner Erkrankung nicht hatte antreten können. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

4

In dem Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts heißt es: Der Kläger habe keinen Urlaubsabgeltungsanspruch nach Bundes- oder Landesrecht. Auch Unionsrecht begründe für Beamte in Deutschland einen solchen Anspruch nicht, denn Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sei bei der nach Art. 15 RL 2003/88/EG gebotenen Vergleichsbetrachtung des Unionsrechts und des Beamtenrechts unanwendbar: Beamte seien im Krankheitsfall erheblich besser abgesichert als andere Beschäftigte, weil sie die vollen Dienstbezüge zeitlich unbegrenzt erhielten und das Beamtenverhältnis nicht wegen Krankheit beendet werden könne.

5

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. März 2010 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Juli 2009 sowie den Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 13. Juni 2008 und dessen Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm für insgesamt 62 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage der Jahre 2007 und 2008 eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor seinem Eintritt in den Ruhestand zu gewähren.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Abweisung der Klage stellt sich aus anderen Gründen zum Teil als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8

1. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass dem Kläger aus nationalem Recht kein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht. Es gibt für Beamte keine normativen Regelungen, die einen solchen Anspruch begründen. Das gilt auch für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Zu Unrecht beruft sich der Kläger insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar angenommen, dass der Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ebenso wie der gesetzliche Mindesturlaub aus den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist, wenn der Zusatzurlaub nicht gewährt werden kann, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war (Urteil vom 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - BAGE 134, 1 ff.; vgl. auch Urteil vom 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - NZA 2012, 514 ff.). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Beamte übertragen werden. Das vom Bundesarbeitsgericht herangezogene Bundesurlaubsgesetz, das in § 7 Abs. 4 eine Urlaubsabgeltung vorsieht, ist auf Beamte nicht anwendbar; deren Ansprüche auf Urlaub und Besoldung richten sich nach den jeweiligen beamtenrechtlichen Gesetzen und Verordnungen, die bislang einen Urlaubsabgeltungsanspruch gerade nicht vorsehen.

9

2. Dem Kläger steht aber nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG) ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung seines unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs von vier Wochen Erholungsurlaub zu. Einen darüber hinausgehenden Anspruch aus Unionsrecht auf Abgeltung von sich aus nationalem Recht ergebenden weiteren Erholungsurlaubstagen, von sog. Arbeitszeitverkürzungstagen und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat er hingegen nicht.

10

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Abgeltung von bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub hergeleitet und auch Voraussetzungen, Umfang und Grenzen dieses Anspruchs bestimmt. Diese Auslegung des Unionsrechts ist für die nationalen Gerichte und damit auch für das Bundesverwaltungsgericht bindend (Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV).

11

a) Es ist in der Rechtsprechung des EuGH seit langem geklärt, dass auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der RL 2003/88/EG sind. Das gilt grundsätzlich auch für Polizisten, die insoweit mit Feuerwehrleuten vergleichbar sind, für die der EuGH mehrfach ausgesprochen hat, dass sie der Arbeitszeitrichtlinie unterfallen (EuGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - Rs. C-52/04 - Slg. 2005, I-7111 Rn. 57 ff.; Urteil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Neidel - ABl EU 2012, Nr. C 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688 Rn. 22). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (vgl. etwa Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 20 ff. ) und hat auch für Polizisten bereits darauf hingewiesen, dass Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG, auf den Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG zur Bestimmung ihres Anwendungsbereichs Bezug nimmt, nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist und nicht etwa Streitkräfte, Feuerwehr oder Polizei generell, sondern nur für bestimmte in diesen Sektoren wahrgenommene besondere Aufgaben wie etwa bei Natur- oder Technologiekatastrophen und schweren Unglücksfällen von der Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie ausnimmt (Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 20).

12

b) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand (vgl. § 21 Nr. 4 Beamtenstatusgesetz, § 30 Nr. 4 BBG) eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG. Dem Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.) ist zu entnehmen, dass der EuGH der konkreten nationalstaatlichen Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses keine Bedeutung beimisst, sondern für allein maßgeblich hält, dass mit der krankheitsbedingten Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses keine Dienstleistungspflicht und deshalb auch keine Urlaubsmöglichkeit mehr besteht. Deshalb ist es unionsrechtlich ohne Bedeutung, dass sich nach deutschem Beamtenrecht an das (aktive) Beamtenverhältnis ein Ruhestandsbeamtenverhältnis anschließt.

13

c) Entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts hindert Art. 15 RL 2003/88/EG die Anwendung von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bei deutschen Beamten nicht.

14

Nach Art. 15 RL 2003/88/EG bleibt u.a. das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Der EuGH hat bereits zu der insoweit wortgleichen Vorgängerrichtlinie RL 93/104/EG entschieden, dass unabhängig von günstigeren nationalstaatlichen Regelungen die praktische Wirksamkeit der durch die Arbeitszeitrichtlinie verliehenen Rechte in vollem Umfang gewährleistet werden müsse, was notwendig die Verpflichtung impliziere, die Einhaltung jeder der in dieser Richtlinie aufgestellten Mindestvorschriften zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 - Rs. C-14/04, Dellas - Slg. 2005, I-10253 Rn. 53).

15

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 15 RL 2003/88/EG somit eine Meistbegünstigungsklausel, die nur den Einzelvergleich, nicht aber die vom Berufungsgericht angestellte strukturelle Gesamtbetrachtung zulässt. Er schließt damit eine Anwendung des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG nur dann aus, wenn die mitgliedstaatlichen Regelungen über die Abgeltung krankheitsbedingt nicht genommenen Erholungsurlaubs bei Beendigung der Berufstätigkeit über den von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gewährleisteten Mindeststandard hinausgehen. Das ist aber bei deutschen Beamten nicht der Fall, weil sie gerade - wovon auch das Oberverwaltungsgericht ausgeht - nach nationalem Recht mangels entsprechender gesetzlicher Regelung keinen Urlaubsabgeltungsanspruch haben, also auch dann nicht, wenn sie Erholungsurlaub krankheitsbedingt nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand nehmen können. Auf die vom Berufungsgericht herangezogenen, für die Beamten günstigeren Regelungen im Falle der zur dauernden Dienstunfähigkeit führenden Krankheit im Vergleich zu den Regelungen für andere Beschäftigte in Deutschland kommt es deshalb nicht an.

16

Bestätigt wird dies durch das Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.). Der EuGH hat den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ausdrücklich auf Beamte erstreckt, obwohl das Vorlagegericht die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts ausführlich dargestellt hatte.

17

d) Der Urlaubsabgeltungsanspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Beschäftigte im Urlaubsjahr teilweise arbeits- bzw. dienstfähig war, in dieser Zeit den Urlaub aber nicht oder nicht vollständig genommen hat. Das gilt sowohl für das Jahr, in dem die längerfristige Dienstunfähigkeit beginnt, als auch für das Jahr oder für die Jahre, in dem oder in denen der Betreffende vorübergehend wieder dienstfähig war. In beiden Fällen kann der Beschäftigte krankheitsbedingt und damit unabhängig von seinem Willensentschluss den ihm zustehenden (Mindest)Urlaub nach Eintritt in den Ruhestand nicht mehr nehmen. Aus der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88 EG gibt es keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung dieser Bestimmung.

18

e) Der Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ist allerdings auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr beschränkt. Der EuGH hat im Urteil vom 3. Mai 2012 (a.a.O. Rn. 35 ff.) hervorgehoben, dass die Arbeitszeitrichtlinie sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt; es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den Beamten weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren sowie ob und unter welchen Voraussetzungen sie eine finanzielle Vergütung für den Fall vorsehen, dass einem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche krankheitsbedingt nicht haben zugute kommen können. Deshalb sind Urlaubstage, die über den nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisten Mindesturlaub hinausgehen, nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erfasst.

19

Das gilt auch für sog. Arbeitszeitverkürzungstage, die der Sache nach zusätzliche Erholungsurlaubstage sind, und für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Auch eine Privilegierung für Urlaub nach nationalem Recht, wonach einem Beschäftigten bei einem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst etwa im Laufe der zweiten Jahreshälfte der Jahresurlaub ungeschmälert zusteht, schlägt nicht auf die unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche nach Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG durch. Dies folgt aus dem Charakter dieser Ansprüche als Mindeststandard und findet außerdem einen normativen Anhaltspunkt in Art. 4 Abs. 1 und Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub. Danach ist der Urlaubsanspruch "im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit während dieses Jahres" gegeben; nach dem sechsten Erwägungsgrund der RL 2003/88/EG hat diese Richtlinie den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeit Rechnung getragen.

20

f) Der Urlaubsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG verfällt, wenn er über einen zu langen Zeitraum nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres nicht genommen wird. Wenn der Übertragungszeitraum eine gewisse zeitliche Grenze überschreitet, kann der Urlaub seinen Zweck als Erholungszeit typischerweise nicht mehr erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - Rs. C-214/10, KHS - NJW 2012, 290 Rn. 33). Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs ist die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs ausgeschlossen.

21

Ein Verfall des Urlaubsanspruchs mit Auswirkungen auf den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch tritt zum einen dann ein, wenn nationalstaatlich ein hinreichend langer Übertragungszeitraum geregelt ist und dieser abgelaufen ist. Hinreichend lang ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein Übertragungszeitraum, wenn er deutlich länger als das Urlaubsjahr, also deutlich länger als ein Jahr ist; ein Übertragungszeitraum muss den Beschäftigten, die während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeits- bzw. dienstunfähig sind, ermöglichen, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant sowie verfügbar sein können, und er muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten (EuGH, Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41). Einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten hat der EuGH gebilligt (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 40 ff.).

22

Gibt es keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelungen, dann tritt auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ein Verfall des Urlaubsanspruches 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein. Der EuGH leitet aus dem Umstand, dass die RL 2003/88/EG nach ihrem sechsten Erwägungsgrund den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat, her, dass bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub ergibt, berücksichtigt werden muss. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Diese Vorschrift beruht nach der Rechtsprechung des EuGH auf der Erwägung, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41 f.). Das rechtfertigt die Annahme, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt.

23

g) Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat.

24

h) Bei der Berechnung des Betrags, der dem Beamten für jeden nicht genommenen Urlaubstag als Urlaubsabgeltung zusteht, ist auf die Besoldung abzustellen, die der Beamte in den letzten drei Monaten vor Eintritt in den Ruhestand erhalten hat.

25

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Anknüpfungspunkt für die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG das gewöhnliche Arbeitsentgelt. Dies ist bei Beamten die Besoldung (vgl. § 1 Abs. 2 BBesG; EuGH, Urteil vom 20. Januar 2009 - Rs. C-350/06 und 520/06, Schultz-Hoff - Slg. 2009, I-179 Rn. 61). Der Beschäftigte soll also dasjenige bekommen, was er bekommen hätte, wenn er den Urlaub während seiner aktiven Dienstzeit genommen hätte. Das ist im Falle eines Beamten die Besoldung, die während des Urlaubs weitergezahlt worden wäre. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 RL 2003/88/EG ist angesichts der Rechtsprechung des EuGH unerheblich, dass die Besoldung Alimentationscharakter hat und daher während der Krankheit zeitlich unbegrenzt weitergezahlt wird.

26

Im Hinblick darauf, dass die finanzielle Abgeltung nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erst nach der "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" gezahlt werden darf und der während der Krankheit aufgelaufene, nicht verjährte Mindestjahresurlaub im Fall der Gesundung noch hätte genommen werden dürfen, die finanzielle Abgeltung des Urlaubs mithin erst am Ende der aktiven Dienstzeit eintritt, ist auf die Besoldung vor dem Eintritt in den Ruhestand abzustellen. Dabei erscheint es sachgerecht, auf die letzten drei Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand als hinreichend langen Referenzzeitraum (vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - Rs. C-155/10, Williams - ABl EU 2011 Nr. C 319, 7 Rn. 21 ff.), abzustellen, um die Auswirkungen zufälliger Schwankungen der Besoldung zu verringern.

27

i) Ein Antragserfordernis für den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG besteht nicht. Ein Antragserfordernis wäre mit dem Effektivitätsgrundsatz des Unionsrechts nicht vereinbar. Das hat der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167) für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit entschieden (Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 25 ). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

28

j) Der unionsrechtliche Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren, § 195 BGB, die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 Abs. 1 BGB.

29

Der EuGH hat mehrfach ausgesprochen, dass die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht vorhanden sind. Allerdings dürfen die Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei nur innerstaatliches Recht betreffenden Verfahren (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Zum Effektivitätsgrundsatz hat der EuGH entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. EuGH, Urteile vom 17. November 1998 - Rs. C-228/96, Aprile - Slg. 1998, I-7164 Rn. 19 und vom 11. Juli 2002 - Rs. C-62/00, Marks & Spencer - Slg. 2002, I-6348 Rn. 35, jeweils m.w.N.). Auch der Senat bejaht die Möglichkeit der Verjährung bei sich aus Unionsrecht ergebenden Ansprüchen und hat beispielsweise für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren angenommen (Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 41 f.). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

30

k) Nach der Rechtsprechung des EuGH kann der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmten Maßgaben unmittelbar aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend machen.

31

Richtlinien bedürfen zwar grundsätzlich der Umsetzung durch den dafür zuständigen nationalen Gesetzgeber, um innerstaatliche Verbindlichkeit für den Bürger zu erlangen. Für den Fall der nicht fristgerechten oder unvollständigen Umsetzung einer Richtlinie durch den Mitgliedstaat hat nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH der Einzelne das Recht, sich vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat trotz entgegenstehendem nationalen Recht auf durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtungen zu berufen, wenn diese klar und unbedingt sind und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsakts mehr bedürfen (stRspr; EuGH, Urteile vom 5. Oktober 2004 - Rs. C-397/01, Pfeiffer - Slg. 2004, I-08835 Rn. 103 m.w.N. und vom 24. Januar 2012 - Rs. C-282/10, Dominguez - ABl EU 2012, Nr. C 73, 2 Rn. 33; BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 687/85 - BVerfGE 75, 223 <239 ff.>). Bei einer nicht fristgerechten Umsetzung einer Richtlinie sind Behörden und Gerichte aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu lassen (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 19).

32

Diese Voraussetzungen hat der EuGH für Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bejaht. Nach der bindenden Rechtsprechung des EuGH räumt diese Norm allen Beschäftigten, d.h. auch Beamten unter den dargelegten Voraussetzungen Urlaubsabgeltungsansprüche ein, die die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht verankern müssen. Solange sie diese Umsetzungspflicht nicht erfüllen, stellt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG die unmittelbare Anspruchsgrundlage dar.

33

3. In Anwendung dieser Grundsätze gilt für den Kläger Folgendes:

34

Für das Jahr 2007 standen dem Kläger bei einem Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und einer 5-Tage-Woche 20 Urlaubstage zu. In diesem Jahr hat der Kläger sieben Urlaubstage und den sog. Arbeitszeitverkürzungstag nach der Arbeitszeitverordnung RP genommen. Eine Freistellung nach der Arbeitszeitverordnung steht funktional einem Urlaubstag nach der Urlaubsverordnung (UrlVO RP) gleich. Deshalb ist sie im Rahmen des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG wie ein Urlaubstag zu behandeln. Damit hat der Kläger acht Urlaubstage genommen und standen ihm für 2007 noch 12 Tage Mindesturlaub zu.

35

Für das Jahr 2008 standen dem Kläger 20 Mindesturlaubstage zu. In diesem Jahr ist er aber zum Ende des Monats Juli in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Deshalb stand ihm der unionsrechtliche Mindesturlaub nur anteilig, d.h. für 11 2/3 Urlaubstage zu; die Privilegierung des § 9 Satz 3 UrlVO RP, wonach der Jahresurlaub voll gewährt wird, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in der zweiten Jahreshälfte in den Ruhestand versetzt wird, erstreckt sich nicht auf den unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 RL 2003/88/EG. Der Bruchteil eines Urlaubstages ist in die Urlaubsentgeltberechnung einzubeziehen. Die Heranziehung einer nationalstaatlichen Regelung, wonach ein bei der Urlaubsberechnung verbleibender Teil eines Tages als Guthaben auf die Arbeitszeit angerechnet wird (vgl. § 8 Abs. 6 UrlVO RP), kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil Urlaubsabgeltung voraussetzt, dass der Beamte nicht mehr im Dienst ist, so dass mangels Arbeitspflicht auch eine Anrechnung auf ein Arbeitszeitguthaben nicht möglich ist.

36

Insgesamt steht dem Kläger deshalb ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 23 2/3 Tage zu, der auf der Basis der Besoldung der letzten drei Monate vor Eintritt in den Ruhestand zu berechnen ist.

37

Im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Anrechnung der Urlaubsabgeltung bei den Versorgungsbezügen nach den Regelungen des Vorteilsausgleichs, § 53 BeamtVG, nicht in Betracht kommt.

(1) Das Urlaubsentgelt bemißt sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraums oder des Urlaubs eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht. Zum Arbeitsentgelt gehörende Sachbezüge, die während des Urlaubs nicht weitergewährt werden, sind für die Dauer des Urlaubs angemessen in bar abzugelten.

(2) Das Urlaubsentgelt ist vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen.

(1) In der schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Leistungserbringer sind zu regeln:

1.
Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen der Eingliederungshilfe (Leistungsvereinbarung) und
2.
die Vergütung der Leistungen der Eingliederungshilfe (Vergütungsvereinbarung).

(2) In die Leistungsvereinbarung sind als wesentliche Leistungsmerkmale mindestens aufzunehmen:

1.
der zu betreuende Personenkreis,
2.
die erforderliche sächliche Ausstattung,
3.
Art, Umfang, Ziel und Qualität der Leistungen der Eingliederungshilfe,
4.
die Festlegung der personellen Ausstattung,
5.
die Qualifikation des Personals sowie
6.
soweit erforderlich, die betriebsnotwendigen Anlagen des Leistungserbringers.
Soweit die Erbringung von Leistungen nach § 116 Absatz 2 zu vereinbaren ist, sind darüber hinaus die für die Leistungserbringung erforderlichen Strukturen zu berücksichtigen.

(3) Mit der Vergütungsvereinbarung werden unter Berücksichtigung der Leistungsmerkmale nach Absatz 2 Leistungspauschalen für die zu erbringenden Leistungen unter Beachtung der Grundsätze nach § 123 Absatz 2 festgelegt. Förderungen aus öffentlichen Mitteln sind anzurechnen. Die Leistungspauschalen sind nach Gruppen von Leistungsberechtigten mit vergleichbarem Bedarf oder Stundensätzen sowie für die gemeinsame Inanspruchnahme durch mehrere Leistungsberechtigte (§ 116 Absatz 2) zu kalkulieren. Abweichend von Satz 1 können andere geeignete Verfahren zur Vergütung und Abrechnung der Fachleistung unter Beteiligung der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen vereinbart werden.

(4) Die Vergütungsvereinbarungen mit Werkstätten für behinderte Menschen und anderen Leistungsanbietern berücksichtigen zusätzlich die mit der wirtschaftlichen Betätigung in Zusammenhang stehenden Kosten, soweit diese Kosten unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse beim Leistungserbringer und der dort beschäftigten Menschen mit Behinderungen nach Art und Umfang über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen. Können die Kosten im Einzelfall nicht ermittelt werden, kann hierfür eine Vergütungspauschale vereinbart werden. Das Arbeitsergebnis des Leistungserbringers darf nicht dazu verwendet werden, die Vergütung des Trägers der Eingliederungshilfe zu mindern.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Februar 2009 - 12 Sa 486/06 - teilweise aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. März 2006 - 3 Ca 7906/05 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und im Hauptausspruch zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsabgeltung von 8.054,00 Euro brutto nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Oktober 2005 und Zusatzurlaubsabgeltung von 2.013,54 Euro brutto nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4. Oktober 2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers werden zurückgewiesen.

Der Kläger hat 29,49 % der Kosten erster Instanz zu tragen, die Beklagte 70,51 %.

Der Kläger hat 28,57 % der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, die Beklagte 71,43 %.

Der Kläger hat 66,67 % der Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, die Beklagte 33,33 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs für die Jahre 2004 und 2005.

2

Der 1949 geborene Kläger war seit 1971 - zuletzt im Außendienst - in der Fünftagewoche für die beklagte Rentenversicherung und ihre Rechtsvorgängerin tätig. Der Kläger erzielte in Vergütungsgruppe II ein monatliches Gehalt von 4.362,67 Euro. Die Beklagte ist als bundesunmittelbare Versicherungsträgerin eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts.

3

Die Parteien verwiesen im Arbeitsvertrag auf den Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 24. Oktober 1961 und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge (MTAng-BfA). Der MTAng-BfA vom 24. Oktober 1961 idF des 64. Änderungstarifvertrags vom 31. Januar 2003 lautet auszugsweise:


        

 
        
        
(1)

Der Angestellte erhält in jedem Urlaubsjahr Erholungsurlaub unter Zahlung der Urlaubsvergütung. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.
        
(2)

Als Urlaubsvergütung werden die Vergütung (§ 26) und die Zulagen, die in Monatsbeträgen festgelegt sind, weitergezahlt. …
        
(3)

Der Urlaubsanspruch kann erst nach Ablauf von sechs Monaten … nach der Einstellung geltend gemacht werden, es sei denn, dass der Angestellte vorher ausscheidet.
        
…       

        

(7)

Der Urlaub ist spätestens bis zum Ende des Urlaubsjahres anzutreten.
                 
Kann der Urlaub bis zum Ende des Urlaubsjahres nicht angetreten werden, ist er bis zum 30. April des folgenden Urlaubsjahres anzutreten. Kann der Urlaub aus dienstlichen Gründen oder wegen Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum 30. April angetreten werden, ist er bis zum 30. Juni anzutreten. War ein innerhalb des Urlaubsjahres für dieses Urlaubsjahr festgelegter Urlaub auf Veranlassung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in die Zeit nach dem 31. Dezember des Urlaubsjahres verlegt worden und konnte er wegen Arbeitsunfähigkeit nicht nach Satz 2 bis zum 30. Juni angetreten werden, ist er bis zum 30. September anzutreten.
                 
…       
                 
Urlaub, der nicht innerhalb der genannten Fristen angetreten ist, verfällt.
        
…       
        
   
        
        
(1)

Der Erholungsurlaubsanspruch des Angestellten, dessen durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt ist (Fünftagewoche), beträgt in der Vergütungsgruppe … I b bis X Kr. IX bis Kr. I … nach vollendetem 40. Lebensjahr 30 Arbeitstage.
        
…       
        
(3)

Die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs mit Ausnahme des Zusatzurlaubs nach dem SGB IX vermindert sich für jeden vollen Kalendermonat eines Sonderurlaubs nach § 50 oder eines Ruhens des Arbeitsverhältnisses nach § 59 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 5 um ein Zwölftel. …
        
…       
        
(6)

Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im Laufe des Urlaubsjahres, so beträgt der Urlaubsanspruch ein Zwölftel für jeden vollen Beschäftigungsmonat. Scheidet der Angestellte wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 59) oder Erreichens der Altersgrenze (§ 60) aus dem Arbeitsverhältnis aus, so beträgt der Urlaubsanspruch sechs Zwölftel, wenn das Arbeitsverhältnis in der ersten Hälfte, und zwölf Zwölftel, wenn es in der zweiten Hälfte des Urlaubsjahres endet. …
        
…       
        
   
        
        
(1)

Ist im Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch noch nicht erfüllt, ist der Urlaub, soweit dies dienstlich oder betrieblich möglich ist, während der Kündigungsfrist zu gewähren und zu nehmen. Soweit der Urlaub nicht gewährt werden kann oder die Kündigungsfrist nicht ausreicht, ist der Urlaub abzugelten. Entsprechendes gilt, wenn das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag (§ 58) oder wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 59) endet oder wenn das Arbeitsverhältnis nach § 59 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 5 zum Ruhen kommt.
                 
Ist dem Angestellten wegen eines vorsätzlich schuldhaften Verhaltens außerordentlich gekündigt worden oder hat der Angestellte das Arbeitsverhältnis unberechtigterweise gelöst, wird lediglich derjenige Urlaubsanspruch abgegolten, der dem Angestellten nach gesetzlichen Vorschriften bei Anwendung des § 48 Abs. 6 Satz 1 noch zustehen würde.
        
(2)

Für jeden abzugeltenden Urlaubstag werden bei der Fünftagewoche 3/65, bei der Sechstagewoche 1/26 der Urlaubsvergütung gezahlt, die dem Angestellten zugestanden hätte, wenn er während des ganzen Kalendermonats, in dem er ausgeschieden ist, Erholungsurlaub gehabt hätte. …
        
…       
        
   
        
        
(1)

Wird durch den Bescheid eines Rentenversicherungsträgers festgestellt, dass der Angestellte erwerbsgemindert ist, so endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid zugestellt wird, sofern der Angestellte eine außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Versorgung durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte oder durch eine Versorgungseinrichtung erhält, zu der die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Mittel beigesteuert hat. … Das Arbeitsverhältnis endet nicht, wenn nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers eine befristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gewährt wird. In diesem Falle ruht das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten von dem Tage an, der auf den nach Satz 1 oder 3 maßgebenden Zeitpunkt folgt, bis zum Ablauf des Tages, bis zu dem die befristete Rente bewilligt ist, längstens jedoch bis zum Ablauf des Tages, an dem das Arbeitsverhältnis endet.
                 
…“   
4

Der mit einem Grad von 60 schwerbehinderte Kläger musste sich seit 1995 wegen eines schweren Bandscheibenleidens einer Vielzahl von Operationen unterziehen. Er war mehrfach arbeitsunfähig krank. Vom 8. September 2004 bis 30. September 2005 war er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.

5

Der Kläger beantragte im Mai 2005, ihm ab 1. Juni 2005 den Urlaub aus dem Jahr 2004 zu gewähren. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der Personalärztliche Dienst müsse feststellen, dass der Kläger arbeitsfähig sei.

6

Die Beklagte stellte als Rentenversicherungsträgerin durch im September 2005 zugestellten Bescheid fest, dass der Kläger erwerbsgemindert sei. Sie bewilligte ihm rückwirkend ab 1. März 2005 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund dieser Feststellung am 30. September 2005 nach § 59 MTAng-BfA.

7

Mit seiner der Beklagten im November 2005 zugestellten Klage hat der Kläger verlangt, jeweils 35 Urlaubstage aus den Jahren 2004 und 2005 abzugelten.

8

Der Kläger meint, seine Ansprüche auf Abgeltung des übergesetzlichen tariflichen Urlaubs und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs für die Jahre 2004 und 2005 bestünden wegen seiner Arbeitsunfähigkeit - ebenso wie die Ansprüche auf Abgeltung des Mindesturlaubs - fort.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,


        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.094,78 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Oktober 2005 zu zahlen.
10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, die Ansprüche auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs von zehn Tagen jährlich und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs von fünf Tagen pro Jahr seien verfallen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

12

Das Landesarbeitsgericht hat den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (heute: Gerichtshof der Europäischen Union) um Vorabentscheidung ersucht. Der EuGH hat mit Urteil vom 20. Januar 2009 ua. erkannt, dass „Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte“ (- C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff], AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1). Die Entscheidung des EuGH behandelt nur den von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG(sog. Arbeitszeitrichtlinie, ABl. EU Nr. L 299 vom 18. November 2003 S. 9) gewährleisteten Mindesturlaubsanspruch.

13

Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil in der Folge teilweise abgeändert. Es hat die Beklagte verurteilt, 12.081,00 Euro brutto nebst Verzugszinsen seit 1. Oktober 2005 zu zahlen. Sie schulde Abgeltung von jeweils 20 Tagen Mindesturlaub und jeweils fünf Tagen Schwerbehindertenzusatzurlaub für die Jahre 2004 und 2005 sowie von zehn Tagen Tarifmehrurlaub für 2005. Die weitergehende Berufung des Klägers hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs für das Jahr 2004 hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Die Beklagte hat ihre vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision auf die Verurteilung zur Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs für 2004 und 2005 sowie des tariflichen Mehrurlaubs für 2005 nebst Zinsen beschränkt. Die Verurteilung zur Abgeltung des Mindesturlaubs nebst Zinsen hat sie hingenommen. Der Kläger verfolgt mit seiner Anschlussrevision das Ziel der zusätzlichen Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs für 2004.

Entscheidungsgründe

14

A. Die auf den tariflichen Mehrurlaub für 2005 und den Schwerbehindertenzusatzurlaub für 2004 und 2005 beschränkte Revision der Beklagten ist nur hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs für das Jahr 2005 begründet. Die Anschlussrevision des Klägers (§ 554 ZPO), die den Anspruch auf Abgeltung des übergesetzlichen Tarifurlaubs für 2004 zum Gegenstand hat, ist in der Sache erfolglos. Ansprüche des Klägers auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs bestehen nicht. Der Anspruch auf Abgeltung des Mehrurlaubs aus dem Jahr 2004 ist nicht entstanden. Der Abgeltungsanspruch für den Mehrurlaub aus 2005 ist verfallen, weil er am 30. Juni 2006 nicht erfüllbar war. Die 2004 und 2005 nicht erfüllten Ansprüche auf Schwerbehindertenzusatzurlaub sind nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

15

I. Die Ansprüche des Klägers auf vollen tariflichen Mehrurlaub von jeweils zehn Tagen für die Jahre 2004 und 2005 entstanden jeweils mit Jahresbeginn (§ 47 Abs. 1, Abs. 3, § 48 Abs. 1 MTAng-BfA). Der Mehrurlaubsanspruch für 2005, in dem das Arbeitsverhältnis vor dem Ende des Urlaubsjahres am 30. September 2005 endete, unterlag nicht der anteiligen Kürzung des § 48 Abs. 6 Satz 1 MTAng-BfA. Der tarifliche Vollurlaubsanspruch bleibt nach § 48 Abs. 6 Satz 2 MTAng-BfA unberührt, wenn der Arbeitnehmer - wie hier - in der zweiten Jahreshälfte wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ausscheidet. Die tariflichen Mehrurlaubsansprüche verfallen im Unterschied zu den Ansprüchen auf Mindesturlaub auch bei Arbeitsunfähigkeit, wenn der Urlaub nicht bis zum 30. Juni des Folgejahres angetreten werden kann (§ 47 Abs. 7 Unterabs. 2 Satz 2, Abs. 7 Unterabs. 4 MTAng-BfA). Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden deswegen keine erfüllbaren Mehrurlaubsansprüche, die nach § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 Satz 1 MTAng-BfA hätten abgegolten werden können.

16

1. Nach § 47 Abs. 7 Unterabs. 4 MTAng-BfA verfällt Urlaub, der nicht innerhalb der in § 47 Abs. 7 Unterabs. 2 MTAng-BfA genannten Fristen angetreten ist. § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA sieht vor, dass Urlaub, der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen bestimmter Beendigungs- oder Ruhenstatbestände nicht gewährt werden kann, abzugelten ist.

17

2. Der Kläger konnte den Urlaub für das Jahr 2004 nicht bis 30. Juni 2005 und den Urlaub für 2005 nicht bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2005 antreten. Er war vom 8. September 2004 bis 30. September 2005 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und in dieser Zeit nicht imstande, seine vertragsgemäße Arbeitsleistung zu erbringen. Der Kläger hat hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs für 2005 auch nicht behauptet, er sei bis zum Ende des Übertragungszeitraums am 30. Juni 2006 (§ 47 Abs. 7 Unterabs. 2 Satz 2 2. Alt. MTAng-BfA) wieder arbeitsfähig geworden. Hierfür ist er darlegungs- und beweisbelastet (vgl. Senat 27. Mai 1997 - 9 AZR 337/95 - zu I 2 d der Gründe, BAGE 86, 30). Der Anspruch auf Mehrurlaub für 2005 wäre bis zum Ende des tariflichen Übertragungszeitraums nicht erfüllbar gewesen (vgl. für die st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts vor EuGH Schultz-Hoff, die daraus schloss, auch der Abgeltungsanspruch sei nicht erfüllbar, Senat 7. September 2004 - 9 AZR 587/03 - zu I 2 a der Gründe, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 12).

18

3. Für das Jahr 2004 entstand bereits kein Anspruch auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs, weil der Kläger am 30. Juni 2005 arbeitsunfähig war und den Urlaub deshalb nicht antreten konnte. Der Mehrurlaubsanspruch aus 2004 verfiel mit dem 30. Juni 2005 und konnte sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2005 nicht mehr in einen Abgeltungsanspruch umwandeln. Der mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2005 entstandene Abgeltungsanspruch für das Jahr 2005 verfiel mit dem 30. Juni 2006, weil der Kläger an diesem Tag nach wie vor arbeitsunfähig war.

19

4. Die Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln(vgl. zu vertraglichen Mehrurlaubsansprüchen Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 81 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; ebenso Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 3; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 532; Liebscher öAT 2010, 11, 13; Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 35; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98; Subatzus DB 2009, 510, 512; wohl auch Genenger Anm. LAGE BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 22 zu IV 1 d; aA mit Blick auf die im Unionsrecht gewährleisteten Grundrechtspositionen der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit Abele RdA 2009, 312, 316 f.). Die Regelungsmacht der Tarifpartner ist nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche gegenüber öffentlichen Arbeitgebern eintretende unmittelbare Wirkung von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie oder die im Privatrechtsverkehr erforderliche richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG beschränkt(zu dieser richtlinienkonformen Rechtsfortbildung ausführlich Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 44 ff., aaO; methodisch ablehnend und für eine richtlinienkonforme Auslegung Kamanabrou SAE 2009, 233, 236). Einem tariflich angeordneten Verfall des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs und seiner Abgeltung steht nach dem klaren Richtlinienrecht und der gesicherten Rechtsprechung des EuGH kein Unionsrecht entgegen (vgl. zu den Erfordernissen einer eigenen Auslegung des Unionsrechts durch das nationale Gericht, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, EuGH 6. Dezember 2005 - C-461/03 - [Gaston Schul Douane-Expéditeur] Rn. 15 ff., Slg. 2005, I-10513; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33 ff., Slg. 2005, I-8151; 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 13 ff., Slg. 1982, 3415). Eine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nach Ansicht des Senats nicht.

20

a) Der Gerichtshof der Europäischen Union ist gesetzlicher Richter iSv. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG für die Auslegung des Unionsrechts. Den Parteien wird deswegen der gesetzliche Richter entzogen, wenn ein nationales Gericht seiner Pflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV, den EuGH zur Vorabentscheidung anzurufen, nicht nachkommt(vgl. für die st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 15 mwN, NZA 2010, 439).

21

aa) Das Bundesverfassungsgericht hat für die Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Zusammenhang mit der Vorlagepflicht aus Art. 234 Abs. 3 EG(jetzt: Art. 267 Abs. 3 AEUV) beispielhaft Fallgruppen entwickelt. Die Vorlagepflicht wird in verfassungswidriger Weise gehandhabt, wenn ein letztinstanzliches einzelstaatliches Gericht eine Vorlage an den EuGH überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl die unionsrechtliche Frage nach seiner Auffassung entscheidungserheblich ist und es selbst Zweifel daran hat, wie die Frage richtig zu beantworten ist (sog. grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht). Gleiches gilt, wenn das letztinstanzliche Gericht bewusst von der Rspr. des EuGH zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und dennoch nicht oder nicht erneut vorlegt (sog. bewusstes Abweichen von der Rspr. des Gerichtshofs ohne Vorlagebereitschaft). Gibt es zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts noch keine einschlägige Rspr. des EuGH, hat der Gerichtshof die Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rspr. des EuGH nicht nur als entfernte Möglichkeit (sog. Unvollständigkeit der Rspr.), wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten hat. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob sich das innerstaatliche Gericht des Unionsrechts ausreichend kundig gemacht hat. Sonst verkennt es regelmäßig die Bedingungen der Vorlagepflicht. Das Gericht hat zudem Gründe anzugeben, die dem Bundesverfassungsgericht eine Kontrolle am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ermöglichen(vgl. BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 18 f. mwN, NZA 2010, 439).

22

bb) Die dem EuGH durch Art. 267 AEUV zuerkannten Befugnisse haben im Wesentlichen zum Ziel, eine einheitliche Anwendung des Unionsrechts durch die nationalen Gerichte zu gewährleisten(vgl. noch zu Art. 234 Abs. 3 EG EuGH 6. Dezember 2005 - C-461/03 - [Gaston Schul Douane-Expéditeur] Rn. 21 f., Slg. 2005, I-10513). Art. 267 Abs. 3 AEUV soll verhindern, dass sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rspr. herausbildet, die mit den Normen des Unionsrechts nicht in Einklang steht. Durch die Zusammenarbeit der mit der Anwendung des Unionsrechts betrauten innerstaatlichen Gerichte mit dem Gerichtshof der Europäischen Union soll die ordnungsgemäße Anwendung und die einheitliche Auslegung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten sichergestellt werden (vgl. zu Art. 234 Abs. 3 EG EuGH 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 29 und 38, Slg. 2005, I-8151; noch zu Art. 177 Abs. 3 EWG-Vertrag 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 7, Slg. 1982, 3415).

23

b) Der Zweck der Vorlagepflicht aus Art. 267 AEUV zeigt zugleich ihre Grenzen.

24

aa) Eine Vorlage ist sinnlos, wenn es eine gesicherte Rspr. des EuGH gibt, durch die die betreffende Rechtsfrage gelöst ist (sog. acte éclairé). Das gilt selbst dann, wenn die strittigen Fragen nicht vollkommen identisch sind (vgl. grundlegend EuGH 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 14, Slg. 1982, 3415; fortgeführt von EuGH 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151; 6. Dezember 2005 - C-461/03 - [Gaston Schul Douane-Expéditeur] Rn. 16, Slg. 2005, I-10513; siehe auch BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 20, NZA 2010, 439).

25

bb) Die richtige Anwendung des Unionsrechts kann ferner offenkundig sein, wenn keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Beantwortung der entscheidungserheblichen Frage ist (sog. acte clair). Das innerstaatliche Gericht darf jedoch nur dann von einer offenkundigen Beantwortung ausgehen, wenn es davon überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den EuGH die gleiche Gewissheit bestünde (vgl. EuGH 6. Dezember 2005 - C-461/03 - [Gaston Schul Douane-Expéditeur] Rn. 16, Slg. 2005, I-10513; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151; 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 16, Slg. 1982, 3415; BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 20, NZA 2010, 439). Ob ein solcher Fall gegeben ist, muss unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Unionsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Europäischen Union beurteilt werden. Nimmt das letztinstanzlich entscheidende innerstaatliche Gericht eine offenkundige Auslegung des Unionsrechts an, braucht es den EuGH nicht um Vorabentscheidung zu ersuchen. Das nationale Gericht darf die Frage in eigener Verantwortung beantworten (vgl. EuGH 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33 und 35, aaO).

26

c) Aus Sicht des Senats ist Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen, dass diese Regelung tarifliche Ansprüche auf Abgeltung des Mehrurlaubs offenkundig nicht erfasst. Jedenfalls ist der bestehenden Rechtsprechung des EuGH zu entnehmen, dass das Unionsrecht einem tariflich angeordneten Verfall des Urlaubs(-abgeltungs)anspruchs, der den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigt, nicht entgegensteht.

27

aa) Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie bestimmt, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. Die Richtlinie bindet ausdrücklich nur den von ihr gewährleisteten Mindestjahresurlaubsanspruch von vier Wochen an die von den nationalen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten vorgesehenen Modalitäten.

28

bb) Nach Art. 15 der Richtlinie 2003/88/EG berührt diese nicht das Recht der Mitgliedstaaten, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder die Anwendung von für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigeren Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern zu fördern oder zu gestatten. Adressat der Regelung sind nach Art. 29 der Arbeitszeitrichtlinie die Mitgliedstaaten. Art. 15 der Arbeitszeitrichtlinie lässt die Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien ausdrücklich unberührt.

29

cc) Die Arbeitszeitrichtlinie enthält im Unterschied zur sog. Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG (ABl. EG Nr. L 348 vom 28. November 1992 S. 1) auch keine Regelung, die Mehrurlaubsansprüche erfasst (Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 81 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; ebenso Subatzus DB 2009, 510, 512; aA Abele RdA 2009, 312, 316 f., der die Vertragsfreiheit und die Privatautonomie als Unionsgrundrechte versteht und sie für den vertraglichen Mehrurlaub heranzieht).

30

(1) Nach Art. 8 Abs. 1 der Mutterschutzrichtlinie treffen die Mitgliedstaaten „die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass den Arbeitnehmerinnen … ein Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen ohne Unterbrechung gewährt wird“. Art. 11 Nr. 2 Buchst. a der Mutterschutzrichtlinie verlangt, dass „die mit dem Arbeitsvertrag der Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 verbundenen anderen Rechte als die unter dem nachstehenden Buchstaben b) genannten“ gewährleistet sein müssen. Art. 11 Nr. 2 Buchst. b der Mutterschutzrichtlinie bestimmt, dass „die Fortzahlung eines Arbeitsentgelts und/oder der Anspruch auf eine angemessene Sozialleistung für die Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2“ gewährleistet sein müssen.

31

(2) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich in der Entscheidung Merino Gómez zum Verhältnis der Urlaubsregelung in Art. 7 Abs. 1, Art. 15 der Arbeitszeitrichtlinie und der Bestimmung in Art. 11 Nr. 2 Buchst. a der Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG geäußert (vgl. EuGH 18. März 2004 - C-342/01 - Rn. 42 bis 45, Slg. 2004, I-2605).

32

(a) Der EuGH hat seine Auffassung, wonach ein Anspruch auf längeren Jahresurlaub von der Mutterschutzrichtlinie erfasst werde, wenn sich ein Mitgliedstaat für eine längere als die von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie verbürgte Dauer des Mindestjahresurlaubs entschieden habe, ausdrücklich auf Art. 11 Nr. 2 Buchst. a der Mutterschutzrichtlinie gestützt. Voraussetzung ist, dass sich die Frauen während der Zeit des Jahresurlaubs der gesamten Belegschaft im Mutterschaftsurlaub befanden (vgl. EuGH 18. März 2004 - C-342/01 - [Merino Gómez] Rn. 44, Slg. 2004, I-2605).

33

(b) Die Arbeitszeitrichtlinie enthält abweichend von der Mutterschutzrichtlinie keine solche Regelung, die vertraglich begründete andere Rechte als die von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten Rechte verbürgt. Die bisherige Rspr. des EuGH ist demnach nicht unvollständig. Die vom Gerichtshof in der Sache Merino Gómez entschiedene Auslegungsfrage braucht nicht völlig identisch mit der nun zu beantwortenden Rechtsfrage zu sein, um eine gesicherte Rspr. des EuGH annehmen zu können (vgl. EuGH 6. Dezember 2005 - C-461/03 - [Gaston Schul Douane-Expéditeur] Rn. 16, Slg. 2005, I-10513; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, Slg. 2005, I-8151; 6. Oktober 1982 - Rechtssache 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Rn. 14, Slg. 1982, 3415; siehe auch BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 20, NZA 2010, 439).

34

5. Der Senat hat die hier zu beurteilenden tariflichen Vorschriften deshalb anhand des innerstaatlichen Rechts auszulegen. Diese Auslegung ergibt, dass der Anspruch des Klägers auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs für 2004 schon nicht entstanden ist. Der Anspruch auf Abgeltung des Tarifmehrurlaubs für 2005 ist verfallen.

35

a) Der Senat hat in st. Rspr. die Auslegungsregel aufgestellt, für einen Regelungswillen, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen vertraglichen Ansprüchen unterscheide, müssten deutliche Anhaltspunkte bestehen (vgl. für die Auslegung einer kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung nach §§ 133, 157 BGB zuletzt 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 84 f., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; aA ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 2.1.2 der Gründe, NZA-RR 2009, 411; Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 3; Kamanabrou SAE 2009, 233, 237; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 532; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98). Der Senat hält an diesem Auslegungsansatz fest.

36

b) Die Kritik an der Senatsrechtsprechung zum einzelvertraglichen Mehrurlaub entzündet sich daran, dass das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt zu bestimmen sei.

37

aa) Der Senat hat das Regel-Ausnahme-Verhältnis von unterbleibendem Verfall oder Untergang der vertraglichen Mehrurlaubsansprüche dahin austariert, dass die Vertragsparteien nur ausnahmsweise vom Gesetzesrecht abweichen wollen. Für einen abweichenden, durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermittelnden übereinstimmenden Willen müssen deutliche Anhaltspunkte bestehen(24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 84, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; ebenso Kohte/Beetz jurisPR-ArbR 25/2009 Anm. 1 zu C 3; Mestwerdt jurisPR-ArbR 27/2009 Anm. 2 zu C; Rummel AuR 2009, 217; wohl auch Rehwald AiB 2010, 59, 60; differenzierend Gaul/Josten/Strauf BB 2009, 497, 498 f.; aA Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 3; Dornbusch/Ahner NZA 2009, 180, 183; Kamanabrou SAE 2009, 233, 237; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 532; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98). Regel ist der „Gleichlauf“ der Ansprüche. Ausnahme ist ihr unterschiedliches rechtliches Schicksal.

38

bb) Dieser Auslegungsregel ist ein Teil der Rspr. entgegengetreten (vgl. ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 2.1.2 der Gründe, NZA-RR 2009, 411).

39

(1) Diese Auffassung nimmt an, das Regel-Ausnahme-Verhältnis sei - auch für Tarifverträge - anders zu bestimmen. Es sei nicht nach Anhaltspunkten dafür zu suchen, dass sich die Unverfallbarkeit des Mindesturlaubsanspruchs nicht auch auf den Mehrurlaub erstrecke. Vielmehr sei danach zu fragen, ob es Anhaltspunkte dafür gebe, dass arbeitsunfähige Arbeitnehmer über das gesetzlich zwingende Maß hinaus bessergestellt werden sollten als andere Arbeitnehmer.

40

(2) Diese Ansicht dürfte im Hinblick auf die zitierte Senatsrechtsprechung einem Missverständnis unterliegen (vgl. das Zitat in ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 2.1.2 der Gründe, NZA-RR 2009, 411).

41

(a) Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 7. September 2004 in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung angenommen, § 7 Abs. 4 BUrlG sei auch für tarifliche Urlaubsabgeltungsansprüche maßgeblich, soweit die Tarifvertragsparteien keine zugunsten der Arbeitnehmer wirkenden, davon abweichenden Sonderregelungen getroffen hätten(- 9 AZR 587/03 - zu I 2 a der Gründe, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 12).

42

(b) Der Senat hat diese Aussage nur getroffen, um die Surrogatstheorie für den Abgeltungsanspruch aus § 7 Abs. 4 BUrlG zu stützen. Arbeitsunfähige, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidende Arbeitnehmer sollten durch eine tarifliche Abfindung nicht bessergestellt werden als im Arbeitsverhältnis verbleibende arbeitsunfähige Arbeitnehmer. Die Surrogatstheorie konnte für Abgeltungsansprüche bei bis zum Ende des Übertragungszeitraums fortdauernder Arbeitsunfähigkeit in der Folge der Entscheidung Schultz-Hoff des EuGH vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) nicht aufrechterhalten werden. Für die Frage, welche Auslegungsregeln seitdem für den Verfall von Mindest- und Mehrurlaubs(-abgeltungs)ansprüchen anzuwenden sind, hat die zitierte frühere Erwägung des Senats keine Bedeutung.

43

(3) Der Senat stimmt der These auch inhaltlich nicht zu, es sei nach Anhaltspunkten dafür zu suchen, ob arbeitsunfähige Arbeitnehmer bessergestellt werden sollten als arbeitsfähige Arbeitnehmer (vgl. ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 2.1.2 der Gründe, NZA-RR 2009, 411). Für die Ungleichbehandlung arbeitsfähiger und arbeitsunfähiger Arbeitnehmer besteht ein sachlicher Grund. Urlaubsansprüche arbeitsfähiger Arbeitnehmer sind im Unterschied zu Urlaubsansprüchen arbeitsunfähiger Arbeitnehmer erfüllbar. Der mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehende Anspruch auf Abgeltung des Mindesturlaubs gleicht den Nachteil der fehlenden Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs aus und kapitalisiert den nicht zu verwirklichenden Freistellungsanspruch (ähnlich Mestwerdt jurisPR-ArbR 27/2009 Anm. 2 zu C).

44

cc) Die weitere Kritik an der Senatsrechtsprechung zum einzelvertraglichen Mehrurlaub besteht darin, dass das angenommene Regel-Ausnahme-Verhältnis im Fall sog. Altverträge unrichtig sei (vgl. nur Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 3; Kamanabrou SAE 2009, 233, 237; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 532; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98).

45

(1) Die Kritiker im Schrifttum meinen, vor der Entscheidung des EuGH in der Sache Schultz-Hoff vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) seien die Arbeitsvertrags- und Tarifvertragsparteien davon ausgegangen, dass für (tarif-)vertraglich eingeräumten Mehrurlaub die damaligen höchstrichterlichen Grundsätze zum Erlöschen von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen anzuwenden seien. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte sei der übereinstimmende Parteiwille in Altverträgen dahin gegangen, dass sich übergesetzliche Urlaubsansprüche und ihre Abgeltung nach den bisherigen Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts richteten (vgl. nur Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 3; in Richtung einer ergänzenden Vertragsauslegung Kamanabrou SAE 2009, 233, 237).

46

(2) Der Senat hält auch für tarifliche Ansprüche auf Abgeltung von Mehrurlaub an seinen Auslegungsüberlegungen fest (vgl. zu einzelvertraglich vereinbartem Mehrurlaub 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 84 f., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15).

47

(a) Für einen Regelungswillen, der zwischen Ansprüchen auf Abgeltung von Mindest- und Mehrurlaub unterscheidet, müssen auch bei Tarifverträgen, die vor der Entscheidung des EuGH in der Sache Schultz-Hoff (20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) geschlossen wurden, deutliche Anhaltspunkte bestehen. Diese deutlichen Anhaltspunkte müssen sich aus Tarifwortlaut, -zusammenhang und -zweck sowie ggf. aus der Tarifgeschichte ergeben.

48

(b) Die an der Senatsrechtsprechung geäußerte Kritik unternimmt den Versuch, im Bereich (tarif-)vertraglichen Mehrurlaubs eine Art Vertrauensschutz durch eine nach Alt- und Neuverträgen differenzierende Vertrags- oder Tarifvertragsauslegung zu begründen. Sie will nicht an die objektive Rechtslage, sondern an den „irrtumsanfälligen Akt der Rechtserkenntnis“ durch die höchstrichterliche Rechtsprechung anknüpfen.

49

(aa) Gegen einen solchen Auslegungsansatz spricht, dass eine Rechtsprechungsänderung als solche nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG verstößt. Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen keine vergleichbare Rechtsbindung (vgl. für die st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - Rn. 85, BVerfGE 122, 248; 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 2 b und c der Gründe, BVerfGE 84, 212; siehe auch BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 33, BAGE 117, 281). Den Vertrags- oder Tarifvertragsparteien kann daher weder regelmäßig noch ohne konkrete Anhaltspunkte der Wille unterstellt werden, sie legten ihren Vereinbarungen nicht die objektive Rechtslage, sondern die höchstrichterliche Rechtsanwendung zugrunde. Sowohl der Sechste als auch der Achte Senat haben nach der ersten Rechtsprechungswende im Jahr 1982, als der Sechste Senat abweichend von der vorangegangenen Rspr. des Fünften Senats den Verfall des Urlaubs(-abgeltungs)anspruchs bei Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums angenommen hatte, keine Anknüpfung der Tarifvertragsparteien an die aufgegebene Rspr. diskutiert (vgl. beispielhaft BAG 31. Oktober 1986 - 8 AZR 244/84 - zu I 2 und II der Gründe mwN, BAGE 53, 304; zu der durch das Urteil des Sechsten Senats vom 13. Mai 1982 [- 6 AZR 360/80 - zu II 2 bis 4 der Gründe, BAGE 39, 53] aufgegebenen Rspr. des Fünften Senats für den gesetzlichen Urlaub grundlegend 13. November 1969 - 5 AZR 82/69 - zu 2 der Gründe, BAGE 22, 211; fortgeführt von der Entscheidung vom 21. Juli 1973 - 5 AZR 105/73 - AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Nr. 15, die den Verfall übergesetzlichen tariflichen Urlaubs auch bei Arbeitsunfähigkeit für unbedenklich hielt).

50

(bb) Das von den Kritikern der Senatsrechtsprechung geforderte umgekehrte Regel-Ausnahme-Verhältnis für Altverträge ist zudem nicht erforderlich, um die Interessen beider Seiten im Rahmen der Auslegung angemessen zu berücksichtigen. Deutliche Anhaltspunkte für einen Regelungswillen der Vertrags- oder Tarifvertragsparteien, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Urlaubs(-abgeltungs)ansprüchen unterscheidet, sind schon dann anzunehmen, wenn sich die (Tarif-)Vertragsparteien in weiten Teilen vom gesetzlichen Urlaubsregime lösen und stattdessen eigene Regeln aufstellen. Im Fall einer solchen eigenständigen, zusammenhängenden und in sich konsistenten Regelung ist ohne entgegenstehende Anhaltspunkte idR davon auszugehen, dass die (Tarif-)Vertragsparteien Ansprüche nur begründen und fortbestehen lassen wollen, soweit eine gesetzliche Verpflichtung besteht (für eine Unterscheidung zwischen konstitutiven und deklaratorischen Regelungen Rehwald AiB 2010, 59, 60). Eine ausdrückliche Differenzierung zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Ansprüchen ist dann nicht notwendig.

51

c) Die Voraussetzungen einer Abweichung der Tarifvertragsparteien vom Gesetzesrecht sind hier nach Tarifwortlaut, -zusammenhang, -zweck und -geschichte erfüllt. Der Anspruch des Klägers auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs für das Jahr 2004 ist nicht entstanden, sein Anspruch auf Abgeltung des Tarifmehrurlaubs für 2005 ist verfallen (§ 47 Abs. 7 Unterabs. 2 Satz 2 2. Alt., Abs. 7 Unterabs. 4 MTAng-BfA).

52

aa) Die Tarifvertragsparteien haben in § 47 MTAng-BfA ein weitgehend vom Gesetzesrecht gelöstes Urlaubsregime geschaffen. Das hebt die Beklagte zu Recht hervor. § 47 MTAng-BfA regelt sowohl die Anspruchsvoraussetzungen als auch die Rechtsfolge des Verfalls bei Fristversäumnis. § 48 MTAng-BfA trifft Aussagen über die Dauer des Urlaubsanspruchs. Im Unterschied zu § 7 Abs. 3 Satz 1 und 3 BUrlG stellt § 47 Abs. 7 MTAng-BfA nicht darauf ab, dass der Urlaub im Urlaubsjahr oder Übertragungszeitraum gewährt und genommen wird. Ein Anspruchsuntergang wird bereits durch einen Antritt des Urlaubs im Urlaubsjahr oder Übertragungszeitraum vermieden. § 47 Abs. 7 Unterabs. 4 MTAng-BfA ordnet über die Regelung in § 7 BUrlG hinaus ausdrücklich den Verfall des Urlaubsanspruchs an. In §§ 48a, 49 und 50 MTAng-BfA finden sich Regelungen über den Zusatzurlaub für Wechselschichtarbeit, Schichtarbeit und Nachtarbeit, Zusatz- und Sonderurlaub.

53

bb) Die Tarifgeschichte ist seit Langem durch ein eigenständiges Urlaubsregime gekennzeichnet.

54

(1) Mit dem 35. Änderungstarifvertrag zum MTAng-BfA vom 3. Dezember 1979 wurde in § 47 Abs. 7 Unterabs. 4 MTAng-BfA ausdrücklich der Verfall des nicht rechtzeitig angetretenen Urlaubs angeordnet. Dieser Verfall bezog sich auch auf Fälle der Arbeitsunfähigkeit. Damit machten die Tarifvertragsparteien von ihrem Gestaltungsspielraum Gebrauch, den ihnen die Rspr. des Fünften Senats 1973 auch in Fällen der Arbeitsunfähigkeit für übergesetzliche tarifliche Urlaubs(-abgeltungs)ansprüche eröffnet hatte (vgl. zu § 47 Abs. 7 BAT 21. Juli 1973 - 5 AZR 105/73 - AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Nr. 15).

55

(2) § 47 Abs. 7 Unterabs. 2 Satz 2 MTAng-BfA idF vom 3. Dezember 1979 enthielt außerdem eine auf die Besonderheiten des tariflichen Systems zugeschnittene Lösung: Konnte der Angestellte den Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum 30. April antreten, hatte er ihn innerhalb von drei Monaten nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit anzutreten, spätestens jedoch bis zum Ablauf des zweiten auf die Entstehung des Anspruchs folgenden Urlaubsjahres.

56

cc) § 48 Abs. 6 Satz 2 und § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA idF vom 31. Januar 2003 deuten nicht auf einen von den Tarifvertragsparteien bezweckten „Gleichlauf“ der gesetzlichen sowie der übergesetzlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche bei Arbeitsunfähigkeit hin.

57

(1) Nach § 48 Abs. 6 Satz 2 MTAng-BfA bleibt es beim vollen Urlaubsanspruch, wenn das Arbeitsverhältnis in der zweiten Hälfte des Urlaubsjahres wegen verminderter Erwerbsfähigkeit(§ 59 MTAng-BfA) endet. § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA sieht vor, dass der Urlaub abzugelten ist, wenn das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag (§ 58 MTAng-BfA) oder wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 59 MTAng-BfA) endet oder wenn das Arbeitsverhältnis nach § 59 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 5 MTAng-BfA zum Ruhen kommt.

58

(2) § 48 Abs. 6 Satz 2 MTAng-BfA enthält für bestimmte Beendigungstatbestände eine Zwölftelungsregelung. § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA knüpft den Abgeltungsanspruch an ausgewählte Beendigungstatbestände und - über die Regelung in § 7 Abs. 4 BUrlG hinaus - an einen Ruhenstatbestand(zu einer ähnlichen Tarifvorschrift Senat 7. September 2004 - 9 AZR 587/03 - zu I 2 b bb der Gründe, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 12). Beide Tarifnormen regeln nicht den absoluten Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs. § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA legt vielmehr bestimmte Abgeltungstatbestände fest. Der Fall der Arbeitsunfähigkeit ist nicht geregelt. Die Begriffe der Arbeitsunfähigkeit und der verminderten Erwerbsfähigkeit iSv. § 59 MTAng-BfA decken sich nicht(vgl. zu ähnlichen Tarifbestimmungen Senat 10. Mai 2005 - 9 AZR 253/04 - zu III 2 b der Gründe, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 13; 7. September 2004 - 9 AZR 587/03 - zu I 2 b bb der Gründe, aaO). § 48 Abs. 6 Satz 2 1. Alt. MTAng-BfA zwölftelt den Abgeltungsanspruch, ohne seinen Gesamtumfang zu bestimmen.

59

dd) Die Tarifvertragsparteien unterscheiden in § 51 Abs. 1 Unterabs. 2 MTAng-BfA ausdrücklich zwischen der Abgeltung des gesetzlichen und des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs.

60

(1) Danach wird lediglich derjenige Urlaubsanspruch abgegolten, der dem Angestellten nach gesetzlichen Vorschriften bei Anwendung des § 48 Abs. 6 Satz 1 MTAng-BfA noch zustünde, wenn dem Angestellten wegen eines vorsätzlich schuldhaften Verhaltens außerordentlich gekündigt worden ist oder der Angestellte das Arbeitsverhältnis unberechtigterweise gelöst hat.

61

(2) Die Tarifnorm lässt den tariflichen Mehrurlaubsanspruch ausdrücklich nur bei einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung aufgrund vorsätzlich schuldhaften Verhaltens des Angestellten oder einer ungerechtfertigten Eigenkündigung des Arbeitnehmers entfallen. Daraus kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, die Tarifvertragsparteien hätten in allen anderen Fällen den „Gleichlauf“ von gesetzlichen und übergesetzlichen Abgeltungsansprüchen beabsichtigt. Für eine Unterscheidung der beiden Ansprüche sprechen entscheidend das in § 47 MTAng-BfA geschaffene eigenständige Urlaubs-, insbesondere Fristenregime und die dort angeordnete Rechtsfolge des Verfalls bei Fristversäumnis.

62

ee) Die Tarifvertragsparteien stellen in § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 MTAng-BfA auf die Abgeltung noch nicht erfüllter Urlaubsansprüche ab. In Verbindung mit dem für die Übertragung begründeten besonderen Fristenregime des § 47 Abs. 7 Unterabs. 2 MTAng-BfA folgt daraus, dass sie für die Abgeltung des übergesetzlichen Urlaubs von der Voraussetzung eines erfüllbaren Urlaubsanspruchs ausgehen.

63

II. Der Kläger hat Anspruch auf Abgeltung des 2004 und 2005 entstandenen Schwerbehindertenzusatzurlaubs von jeweils fünf Arbeitstagen (§ 125 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 SGB IX iVm. § 7 Abs. 4 BUrlG). Die Zusatzurlaubsansprüche waren bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2005 noch nicht verfallen. § 7 Abs. 4 BUrlG setzt für Ansprüche auf Abgeltung des Zusatzurlaubs nicht voraus, dass die Freistellungsansprüche erfüllbar waren.

64

1. Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX haben schwerbehinderte Arbeitnehmer, die in der Fünftagewoche beschäftigt werden, Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr.

65

2. Der schwerbehindertenrechtliche Zusatzurlaub bestimmt sich nach den Regeln des Mindesturlaubs der §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG.

66

a) Diese sog. urlaubsrechtliche Akzessorietät ist schon wegen der Begriffe des „zusätzlichen Urlaubs“ in § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und des „Zusatzurlaubs“ in § 125 Abs. 1 Satz 2 SGB IX geboten. § 125 Abs. 3 SGB IX ordnet „auch“ für den Fall der rückwirkenden Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft die Anwendung der „urlaubsrechtlichen Regelungen“ an.

67

b) Hinzu kommt, dass sowohl der Mindesturlaub aus §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG als auch der Schwerbehindertenzusatzurlaub aus § 125 SGB IX gesetzliche, nicht disponible Urlaubsansprüche sind. Sie unterscheiden sich durch ihre strikte Unabdingbarkeit von übergesetzlichen einzel- oder tarifvertraglichen Ansprüchen (vgl. Griese jurisPK-SGB IX § 125 Rn. 30).

68

c) Die tarifliche Regelung des § 48 Abs. 3 Satz 1 MTAng-BfA, die den Schwerbehindertenzusatzurlaub von der Verringerung der Dauer des Erholungsurlaubs und des tariflichen Zusatzurlaubs bei Sonderurlaub ausnimmt, greift das Prinzip der Akzessorietät des Schwerbehindertenzusatzurlaubs auf.

69

d) Auf den Zusatzurlaub sind die Vorschriften über die Entstehung, Übertragung, Kürzung und Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs anzuwenden (für die st. Rspr. Senat 24. Oktober 2006 - 9 AZR 669/05 - Rn. 12, BAGE 120, 50; 21. Februar 1995 - 9 AZR 166/94 - zu I 1 der Gründe noch zu § 47 SchwbG, BAGE 79, 211; ebenso Kohte/Beetz jurisPR-ArbR 25/2009 Anm. 1 zu C 2; aA Subatzus DB 2009, 510, 512).

70

aa) Nach der neueren Senatsrechtsprechung in der Folge der Entscheidung Schultz-Hoff des EuGH ist der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch nicht nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG befristet, wenn der Arbeitnehmer dauernd arbeitsunfähig ist. Der Mindesturlaub ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses - unabhängig von der Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs in einem gedachten fortbestehenden Arbeitsverhältnis - nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten(vgl. das nach der Vorabentscheidung vom 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Rn. 42 ff., AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1 ergangene Senatsurteil vom 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 47 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15). Diese Erkenntnisse hat der Senat für Arbeitsverhältnisse mit privatrechtlich organisierten Arbeitgebern aus einer Rechtsfortbildung von § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG anhand der Vorgaben in Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gewonnen.

71

bb) Auch der Schwerbehindertenzusatzurlaub ist abzugelten, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig ist. Der Zusatzurlaubsanspruch aus § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist an das rechtliche Schicksal des Mindesturlaubsanspruchs gebunden(ebenso Griese jurisPK-SGB IX § 125 Rn. 30 ff.; Kohte/Beetz jurisPR-ArbR 25/2009 Anm. 1 zu C 2; Liebscher öAT 2010, 11, 14; Mestwerdt jurisPR-ArbR 27/2009 Anm. 2 zu C; Pulz jurisPR-ArbR 12/2010 Anm. 5 zu C; Rummel AuR 2009, 217; aA LAG Berlin-Brandenburg 2. Oktober 2009 - 6 Sa 1215/09 und 6 Sa 1536/09 - zu 2.2 der Gründe; ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 3 der Gründe, NZA-RR 2009, 411; Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 4; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98 f.; im Ergebnis offengelassen von Genenger Anm. LAGE BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 22 zu IV 1 c und Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 35).

72

3. Der nach deutschem Recht für Arbeitgeber aus Art. 12, 20 Abs. 3 GG abgeleitete Grundsatz des Vertrauensschutzes steht den Ansprüchen des Klägers auf Abgeltung des Zusatzurlaubs aus § 125 SGB IX nicht entgegen(aA LAG Berlin-Brandenburg 2. Oktober 2009 - 6 Sa 1215/09 und 6 Sa 1536/09 - zu 2.2 der Gründe; wie hier Pulz jurisPR-ArbR 12/2010 Anm. 5 zu C).

73

a) Die Entscheidung über die Frage innerstaatlichen Vertrauensschutzes ist dem Senat nicht entzogen. Sie fällt nicht in die Kompetenz des EuGH. Der Schwerbehindertenzusatzurlaub und seine Abgeltung sind unionsrechtlich nicht verbürgt. Beide Ansprüche werden nur wegen ihrer innerstaatlichen akzessorischen Bindung an den Mindesturlaub von der Wirkung des Unionsrechts berührt. Der fehlende unionsrechtliche Vertrauensschutz gegenüber Mindesturlaubs(-abgeltungs)ansprüchen betrifft Ansprüche auf Zusatzurlaub und ihre Abgeltung daher nur mittelbar.

74

aa) Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union, die wie das Urteil Schultz-Hoff in Vorabentscheidungsverfahren ergehen, wirken im Grundsatz zeitlich unbegrenzt. Die Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts durch den EuGH beschränkt sich darauf zu erläutern und zu verdeutlichen, wie die Regelung seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist. Daraus folgt, dass die innerstaatlichen Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor der Vorabentscheidung entstanden sind, anwenden müssen (vgl. EuGH 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 66, Slg. 2005, I-2119; 20. September 2001 - C-184/99 - [Grzelczyk] Rn. 50, Slg. 2001, I-6193). Vorabentscheidungen sind deswegen regelmäßig auch bei der Beurteilung von Handlungen und rechtlichen Beziehungen in der Zeit vor ihrem Erlass zu berücksichtigen. Der EuGH kann die Möglichkeit, sich auf die Auslegung zu berufen, die er einer unionsrechtlichen Bestimmung durch Vorabentscheidung gegeben hat, nur (ganz) ausnahmsweise mit Wirkung für alle Betroffenen zeitlich beschränken (für die st. Rspr. 12. Februar 2009 - C-138/07 - [Cobelfret] Rn. 68, EuZW 2009, 329; 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 67, aao).

75

(1) Grundlage einer solchen Beschränkung der Rückwirkung ist der allgemeine unionsrechtliche Grundsatz der Rechtssicherheit (EuGH 12. Februar 2009 - C-138/07 - [Cobelfret] Rn. 68, EuZW 2009, 329; 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 67, Slg. 2005, I-2119). Eine zeitliche Beschränkung seiner Antwort kann mit Blick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts und die nötige einheitliche Anwendung in den Mitgliedstaaten nur der EuGH selbst in dem Urteil vornehmen, das über die erbetene Auslegung entscheidet (vgl. zB EuGH 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 77, Slg. 2008, I-1757; 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 64 ff., aaO).

76

(2) Unionsrechtlicher Vertrauensschutz setzt die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Störungen bei Anwendung der vom EuGH vorgenommenen Auslegung des Unionsrechts auf vergangene Vorgänge voraus (vgl. nur 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 77 mwN, Slg. 2008, I-1757; 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 68 f., Slg. 2005, I-2119). Schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen können insbesondere aus einer großen Zahl von Rechtsverhältnissen herrühren, die „gutgläubig“ auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren. Vor der Vorabentscheidung muss darüber hinaus eine objektive und bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der fraglichen Bestimmung des Unionsrechts bestanden haben, die einzelne Unionsbürger und andere nationale Rechtspersönlichkeiten zu einem mit der Unionsregelung unvereinbaren Verhalten veranlasste (vgl. EuGH 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 69, aaO; 20. September 2001 - C-184/99 - [Grzelczyk] Rn. 53, Slg. 2001, I-6193; zu den Voraussetzungen unionsrechtlichen Vertrauensschutzes Abele RdA 2009, 312, 317; Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21; Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 35; Wißmann FS Bauer S. 1161, 1163).

77

(3) Äußert sich der EuGH nicht zu der Frage der Rückwirkung oder zeitlichen Begrenzung seiner Antwort, schließt er damit inzident unionsrechtlichen Vertrauensschutz aus. Anderes gilt nur, wenn das vorlegende Gericht den Gerichtshof ausdrücklich nach einer möglichen zeitlichen Begrenzung seiner Antwort gefragt hat (vgl. Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21; Wißmann FS Bauer S. 1161, 1164; zu ausdrücklich angefragten zeitlichen Begrenzungen zB EuGH 12. Februar 2009 - C-138/07 - [Cobelfret] Rn. 66 ff., EuZW 2009, 329; 15. März 2005 - C-209/03 - [Bidar] Rn. 64 ff., Slg. 2005, I-2119).

78

bb) Die Frage, ob das innerstaatliche Gericht ohne eine solche Beschränkung des EuGH auf der Grundlage nationalen Rechts Vertrauensschutz annehmen darf, ist noch nicht abschließend geklärt.

79

(1) Der EuGH hebt hervor, die Pflicht des nationalen Gerichts zur unionsrechtskonformen Auslegung werde durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot begrenzt (vgl. 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 61, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2; 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 110, Slg. 2006, I-6057; 8. Oktober 1987 - Rechtssache 80/86 - [Kolpinghuis Nijmegen] Rn. 13, Slg. 1987, 3969). Er sei nicht befugt, über die Auslegung innerstaatlicher Rechtsvorschriften zu entscheiden (26. Oktober 2006 - C-4/05 - [Güzeli] Rn. 36, Slg. 2006, I-10279).

80

(2) Das Bundesarbeitsgericht unterscheidet in der Frage nationalen Vertrauensschutzes zwischen Primär- und Sekundärrecht (vgl. dazu Wißmann FS Bauer S. 1161, 1164 ff.).

81

(a) Der Siebte Senat nimmt an, für die zeitliche Begrenzung der Unanwendbarkeit einer gegen das Primärrecht der Gemeinschaft (heute: Union) verstoßenden nationalen Norm sei allein der EuGH zuständig (vgl. die Entscheidung vom 26. April 2006 - 7 AZR 500/04 - Rn. 21, 24, 28 und 40 ff., BAGE 118, 76, die nationalen Vertrauensschutz dennoch absichernd in einem zweiten Begründungsstrang in Rn. 48 ff. prüft und das Urteil Mangold des EuGH vom 22. November 2005 [- C-144/04 - Rn. 55 ff., 74 ff. Slg. 2005, I-9981] rezipiert; siehe auch EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 18 ff., 44 ff., EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 14).

82

(b) Der Zweite, der Sechste und der Achte Senat bejahen die Möglichkeit, nationalen Vertrauensschutz annehmen zu können, für Sekundärrecht auch dann, wenn der EuGH die Wirkung einer Vorabentscheidung nicht zeitlich begrenzt hat (vgl. in der Folge der Entscheidung Junk des EuGH vom 27. Januar 2005 [- C-188/03 - Rn. 31 ff., 40 ff., Slg. 2005, I-885] grundlegend BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 32 ff., vor allem Rn. 42, BAGE 117, 281; bestätigt zB von 12. Juli 2007 - 2 AZR 619/05 - Rn. 20 ff., AP KSchG 1969 § 17 Nr. 33; 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - Rn. 27 ff., AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156; dem zustimmend 22. März 2007 - 6 AZR 499/05 - Rn. 16 ff., EzA KSchG § 17 Nr. 19; 26. Juli 2007 - 8 AZR 769/06 - Rn. 66 f., AP BGB § 613a Nr. 324).

83

(3) Das deutsche Schrifttum bejaht im Fall sekundären Unionsrechts wohl überwiegend die Möglichkeit nationalen Vertrauensschutzes in den Fortbestand einer innerstaatlichen Rspr. ohne (weitere) Anrufung des EuGH, auch wenn der Gerichtshof die Rückwirkung seiner Auslegung des Unionsrechts nicht begrenzt hat (vgl. zB Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 2; Höpfner RdA 2006, 156, 164 f.; Kamanabrou SAE 2009, 233, 236 f.; Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 35 f.; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 97 f.; Tillmanns FS Buchner S. 885, 894 ff.; Wißmann FS Bauer S. 1161, 1164 ff., der als Korrektiv innerstaatlichen Vertrauensschutzes einen Schadensersatzanspruch gegen den Mitgliedstaat Bundesrepublik in Betracht zieht; nationalen Vertrauensschutz nur in engen Grenzen bejahend Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21; gegen innerstaatlichen Vertrauensschutz ohne Anrufung des EuGH etwa Abele RdA 2009, 312, 317; Schiek AuR 2006, 41, 43 f.).

84

(4) Der von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie verbürgte Mindestjahresurlaubsanspruch beruht nicht auf Primärrecht. Der EuGH hat stets hervorgehoben, dass der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft (heute: Union) sei (vgl. nur 10. September 2009 - C-277/08 - [Vicente Pereda] Rn. 18, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 3). Der Gerichtshof hat diesen Grundsatz jedoch nicht auf die Verträge, sondern auf das sekundäre Unionsrecht des Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gestützt(näher Senat 17. November 2009 - 9 AZR 844/08 - Rn. 18 f., DB 2010, 850; 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 51, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15, jeweils mwN). Ein Grundsatz des Unionsrechts ist nicht gleichzusetzen mit einem Unionsgrundrecht (vgl. Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 32).

85

cc) Der Schwerbehindertenzusatzurlaub und seine Abgeltung sind nicht unionsrechtlich gewährleistet.

86

(1) Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG verbürgt nur den Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen und seine Abgeltung(ebenso LAG Berlin-Brandenburg 2. Oktober 2009 - 6 Sa 1215/09 und 6 Sa 1536/09 - zu 2.2 der Gründe; Bauer/Arnold Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 4; Gaul/Josten/Strauf BB 2009, 497, 498 f.; Rid AuA 2010, 178; Rummel AuR 2009, 217; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 98 f.; Subatzus DB 2009, 510, 512; wohl auch Genenger Anm. LAGE BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 22 zu IV 1 c; zu der Reichweite von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie ausführlich oben zu A I 4). § 125 SGB IX soll auch kein anderes Unionsrecht umsetzen(ArbG Berlin 22. April 2009 - 56 Ca 21280/08 - zu I 3 der Gründe, NZA-RR 2009, 411).

87

(2) Ansprüche auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs werden nur wegen ihrer akzessorischen Bindung an den nationalen gesetzlichen Mindesturlaub von der unmittelbaren Wirkung des Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gegenüber öffentlichen Arbeitgebern und der unionsrechtskonformen Fortbildung des § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG im Verhältnis zu privaten Arbeitgebern berührt(vgl. zu der für den Mindesturlaub im Privatrechtsverkehr vorgenommenen Rechtsfortbildung Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 57 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15). Der Senat kann wegen dieser Akzessorietät offenlassen, ob im Streitfall durch die rechtskräftige Entscheidung über die Abgeltung des Mindesturlaubs darüber hinaus eine aus § 322 Abs. 1 ZPO abzuleitende sog. Präklusionswirkung eintritt.

88

(3) Die Beklagte ist eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts, die unter staatlicher Aufsicht steht und Dienstherrnfähigkeit iSv. § 2 BBG besitzt(§ 29 Abs. 1, § 90 Abs. 2a SGB IV, § 143 Abs. 1 SGB VI). Für sie wirkt Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie unmittelbar. Der vom Mindesturlaub nach innerstaatlichem Recht abhängige Anspruch auf Zusatzurlaub aus § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist deshalb bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit nicht nur bis zum 31. März des Folgejahres übertragbar. Die zeitliche Begrenzung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG gilt für den Zusatzurlaubsanspruch ebenso wenig wie für den Mindesturlaub. Die mangelnde Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs ist auch kein Erfüllungshindernis für die als finanzielle „Entschädigung“ zu gewährende Abgeltung (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Das folgt aus der nationalen Bindung des Zusatzurlaubsanspruchs aus § 125 SGB IX an die unmittelbare Wirkung von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gegenüber der öffentlich-rechtlich organisierten Beklagten im Bereich des Mindesturlaubs.

89

(a) Nach der st. Rspr. des EuGH kann sich der Einzelne in Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat (und seinen Untergliederungen) auf diese Bestimmungen berufen, wenn der Mitgliedstaat die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat (vgl. zB 12. Februar 2009 - C-138/07 - [Cobelfret] Rn. 58 mwN, EuZW 2009, 329; Riesenhuber Europäisches Arbeitsrecht § 1 Rn. 70).

90

(b) In Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten können Richtlinien dagegen nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen. Einer Privatperson gegenüber kann sich niemand auf die Richtlinie als solche berufen (vgl. für die st. Rspr. EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 46, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 14). Richtlinien sind an die Mitgliedstaaten und nicht an private Rechtssubjekte gerichtet. Die Mitgliedstaaten haben die Richtlinienziele nach Art. 288 Abs. 3 AEUV umzusetzen. Sogar eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung, mit der dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, ist zwischen Privaten nicht anwendbar (vgl. nur EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 59 mwN, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2).

91

(c) Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie ist hinreichend klar, genau und unbedingt und wirkt damit unmittelbar gegenüber der öffentlich-rechtlich organisierten Beklagten.

92

(aa) Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gibt den Mitgliedstaaten einen Mindestjahresurlaub von vier Wochen vor. Der zweite Absatz der Bestimmung sichert den Urlaubsanspruch für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Urlaub darf nur dann durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.

93

(bb) Der EuGH verdeutlicht die Klarheit und Exaktheit der Regelungen, indem er den Urlaubsanspruch in der Sache Schultz-Hoff nicht nur als vom Unionsrecht gewährleisteten Anspruch, sondern als „von der Richtlinie unmittelbar gewährtes soziales Recht“ und sich „unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Anspruch“ bezeichnet (20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - Rn. 45 f., AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1). So weit gingen frühere Entscheidungen nicht. Der Gerichtshof betonte jedoch schon im ersten zu Art. 7 der ursprünglichen Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG ergangenen Urteil BECTU die „klare und bestimmte Verpflichtung der Mitgliedstaaten“, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhalte(26. Juni 2001 - C-173/99 - Rn. 34, Slg. 2002, I-4881). In der Entscheidung Robinson-Steele hob er den zwingenden Charakter des Anspruchs auf Jahresurlaub und das Erfordernis hervor, die praktische Wirksamkeit von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie zu gewährleisten(16. März 2006 - C-131/04 und C-257/04 - Rn. 68, Slg. 2006, I-2531).

94

(cc) Der unmittelbaren Wirkung von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gegenüber der öffentlich-rechtlich strukturierten Beklagten steht nicht entgegen, dass der Anspruch an die „Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung“ gebunden wird, „die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind“. Die Bestimmung wird damit nicht inhaltlich bedingt iSd. Rspr. des EuGH. Sie wirkt gegenüber der Untergliederung eines Mitgliedstaats gleichwohl unmittelbar. Die Mitgliedstaaten dürfen nach der verbindlichen Auslegung des Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie durch den EuGH nicht vorsehen, dass der Mindestjahresurlaubsanspruch erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist(vgl. 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Rn. 48, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1).

95

(d) Der Zusatzurlaubsanspruch nimmt durch seine nationale Akzessorietät an der unmittelbaren Wirkung von Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gegenüber der öffentlich-rechtlich organisierten Beklagten teil.

96

b) Selbst wenn die Beklagte entgegen der Ansicht des Senats nicht als Untergliederung des Mitgliedstaats Bundesrepublik eingeordnet oder Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie für unbestimmt oder bedingt gehalten wird, kann sich die Beklagte nicht auf Vertrauensschutz berufen. Für private Arbeitgeber wirkt Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie zwar nicht unmittelbar. Ihr mögliches Vertrauen auf den Fortbestand der früheren st. Rspr. ist seit dem 24. November 1996 aber nicht länger schutzwürdig. Die Grundlage des Vertrauens auf die Fortdauer der früheren Senatsrechtsprechung, die den Verfall von Urlaubs(-abgeltungs)ansprüchen bei Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums annahm, war nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG (ABl. EG 1993 Nr. L 307 vom 13. Dezember 1993 S. 18) am 23. November 1996 zerstört. Das gilt auch für den nach innerstaatlichem Recht an den Mindesturlaub gebundenen Anspruch auf Schwerbehindertenzusatzurlaub und seine Abgeltung.

97

aa) Die Bundesrepublik nutzte die Möglichkeit einer Übergangszeit über die Umsetzungsfrist hinaus nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b i ii der Richtlinie 93/104/EG nicht. Sie setzte die Vorgabe eines vierwöchigen Mindestjahresurlaubs durch Art. 7 der ersten Arbeitszeitrichtlinie mit Art. 2 des Arbeitszeitrechtsgesetzes vom 6. Juni 1994 um (ArbZRG, BGBl. I S. 1170). Art. 2 ArbZRG trat am 1. Januar 1995 in Kraft (vgl. zur Gesetzesgeschichte ErfK/Dörner 10. Aufl. § 3 BUrlG Rn. 1; AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. § 3 BUrlG Rn. 1).

98

bb) Der Senat geht davon aus, dass nationaler Vertrauensschutz vor Ansprüchen, die das sekundäre Unionsrecht gewährleistet, im Privatrechtsverkehr auch ohne weitere Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV angenommen werden darf, obwohl der EuGH die Wirkung der Vorabentscheidung Schultz-Hoff auf der Grundlage des Unionsrechts nicht zeitlich begrenzt hat(20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1). Die innerstaatlichen Gerichte sind als Teil der Staatsgewalt an das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG gebunden. Sie haben den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu beachten. Der EuGH berücksichtigt solche nationalen rechtlichen Bindungen selbst. Er betont, die Pflicht der einzelstaatlichen Gerichte zur unionsrechtskonformen Auslegung werde durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot begrenzt (vgl. 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 61, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2; 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 110, Slg. 2006, I-6057; 8. Oktober 1987 - Rechtssache 80/86 - [Kolpinghuis Nijmegen] Rn. 13, Slg. 1987, 3969; zu der ausschließlichen Auslegungskompetenz der nationalen Gerichte für einzelstaatliche Rechtsvorschriften 26. Oktober 2006 - C-4/05 - [Güzeli] Rn. 36, Slg. 2006, I-10279).

99

cc) Die Frage des Vertrauensschutzes ist daher anhand der innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beantworten.

100

(1) Es verstößt nicht als solches gegen Art. 20 Abs. 3 GG, eine in der Rechtsprechung bislang vertretene Gesetzesauslegung aufzugeben. Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen keine vergleichbare Rechtsbindung. Die über den Einzelfall hinausreichende Wirkung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung beruht nur auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts. Ein Gericht kann deshalb von seiner bisherigen Rechtsprechung abweichen, auch wenn keine wesentlichen Änderungen der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauungen eintreten. Es muss jedoch den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes beachten und ihm erforderlichenfalls durch Billigkeitserwägungen Rechnung tragen. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist grundsätzlich unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält (vgl. für die st. Rspr. BVerfG 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - Rn. 85, BVerfGE 122, 248; 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 2 b und c der Gründe, BVerfGE 84, 212; 14. Januar 1987 - 1 BvR 1052/79 - zu B II 1 der Gründe, BVerfGE 74, 129; siehe auch BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 33, BAGE 117, 281; kritisch gegenüber einem nur deduktiven Rechtsprechungsverständnis iS reiner Rechtserkenntnis Buchner Gedächtnisschrift R. Dietz S. 175, 184 ff., der die dezisionistischen und damit rechtsetzenden Züge von Rspr. insbesondere bei Gesetzeslücken und Generalklauseln hervorhebt; ihm zustimmend Tillmanns FS Buchner S. 885, 886 f.; für höchstrichterliche Rspr. ähnlich Höpfner RdA 2006, 156, 158, 161 ff.; derselbe NZA 2008, 91, 92; derselbe NZA 2009, 420, 421).

101

(2) Die langjährige Rspr. der Urlaubssenate des Bundesarbeitsgerichts, die seit 1982 vom Verfall von Urlaubs(-abgeltungs)ansprüchen bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums ausging, war zwar geeignet, Vertrauen der Arbeitgeberseite auf die Fortdauer dieser Rspr. zu begründen (vgl. zu der Aufgabe der früheren Rspr., die keinen Verfall angenommen hatte, grundlegend 13. Mai 1982 - 6 AZR 360/80 - zu II 2 bis 4 der Gründe, BAGE 39, 53). Die Vertrauensgrundlage entfiel aber mit Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23. November 1996. Seit dem 24. November 1996 war das Vertrauen von Arbeitgebern auf den Fortbestand der bisherigen Rspr. nicht länger schutzwürdig (zu der nötigen zweistufigen Prüfung nach Vertrauensgrundlage und Schutzwürdigkeit des Vertrauens zB Höpfner RdA 2006, 156, 157 ff.; Löwisch FS Arbeitsgerichtsbarkeit S. 601, 607 ff.; Tillmanns FS Buchner S. 885, 894 ff.).

102

(a) Das Unionsrecht bindet die nationale Rechtsanwendung grundsätzlich mit seinem Inkrafttreten. Für Richtlinien gilt das (spätestens) mit Ablauf der Umsetzungsfrist. Die einzelstaatlichen Gerichte sind ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, das innerstaatliche Recht richtlinienkonform auszulegen oder fortzubilden, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 288 Abs. 3 AEUV zu genügen(vgl. zB EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 60, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2). Eine Rechtsfortbildung ist unionsrechtlich geboten, wenn die nationale Methodenlehre dieses Instrument kennt.

103

(b) Nationaler Vertrauensschutz in eine bestehende, vom Richtlinienrecht abweichende nationale Rspr. ist im Privatrechtsverkehr ausnahmsweise anzuerkennen, wenn das einzelstaatliche Recht der richtlinienkonformen Rechtsfindung Grenzen setzt. In diesem Fall kann sich der nationale Vertrauensschutz durchsetzen (vgl. Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21). Dieses seltene und nur ausnahmsweise anzunehmende Ergebnis wird von der Rspr. des EuGH anerkannt (vgl. 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 61, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2; 26. Oktober 2006 - C-4/05 - [Güzeli] Rn. 36, Slg. 2006, I-10279; 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 110, Slg. 2006, I-6057; 8. Oktober 1987 - Rechtssache 80/86 - [Kolpinghuis Nijmegen] Rn. 13, Slg. 1987, 3969; siehe auch die Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl vom 14. März 2006 in der Sache - C-475/03 - [Banca Popolare di Cremona] Rn. 147).

104

(c) Die Ermittlung nationalen Vertrauensschutzes muss ebenso wie die richtlinienkonforme Rechtsfindung den grundsätzlichen Durchsetzungsanspruch des Unionsrechts beachten. Das System mehrerer rechtlicher Ebenen, die von Unionsrecht und nationalem Recht gebildet werden, ist dem Grundgesetz nicht fremd. Zu Gesetz und Recht, die die innerstaatliche Rspr. nach Art. 20 Abs. 3 GG binden, gehören die unionsrechtlichen Richtlinienvorgaben. Auch das Inkrafttreten einer Richtlinie ist ein vertrauensbegründender Umstand. Der durch die Richtlinie Begünstigte kann sich auf die richtlinienkonforme Auslegung oder Fortbildung des nationalen Rechts verlassen, obwohl die Richtlinie zwischen Privaten nicht unmittelbar wirkt (vgl. Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21).

105

(d) Für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf eine bisherige richtlinienwidrige nationale Rspr. kommt es in dem Mehrebenensystem von Unionsrecht und einzelstaatlichem Recht nicht (nur) darauf an, ob sich die Rechtsunterworfenen überwiegend auf die innerstaatliche Rechtsanwendung verlassen. Die Durchsetzung des Unionsrechts ist in gleichwertiger Weise sicherzustellen wie die Durchsetzung des einzelstaatlichen Rechts (sog. Äquivalenzgrundsatz). Das bedeutet, dass das Vertrauen auf die Durchsetzung unionsrechtlich gewährleisteter Rechte ebenso zu schützen ist wie das Vertrauen auf die Beständigkeit nationaler Rechtsanwendung. Die unionsrechtlich verbürgten Rechte dürfen im Ergebnis nicht leerlaufen (sog. Effektivitätsgrundsatz). Das Unionsrecht verlangt der nationalen Methodenlehre daher ab, seine Durchsetzung so weit wie möglich sicherzustellen (vgl. Riesenhuber Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 21).

106

(e) Damit kommt es nicht zu einer „verkappten“ unmittelbaren Wirkung von Richtlinien im Privatrechtsverkehr. Vielmehr ist schützenswertes Vertrauen auf eine einzelstaatliche richtlinienwidrige st. Rspr. wegen der Mehrgliedrigkeit von Unionsrecht und innerstaatlichem Recht nur ausnahmsweise anzunehmen. Nationaler Vertrauensschutz setzt besondere Umstände voraus. Die richtlinienwidrige Rechtsfindung darf nur im Ausnahmefall fortgesetzt werden.

107

dd) Die nötigen besonderen Umstände für innerstaatlichen Vertrauensschutz waren seit dem Ende der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23. November 1996 nicht länger gegeben.

108

(1) Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 24. März 2009 (- 9 AZR 983/07 - Rn. 73 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15) für die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs angenommen, jedenfalls ab Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf in der Sache Schultz-Hoff vom 2. August 2006 (- 12 Sa 486/06 - LAGE BUrlG § 7 Nr. 43) sei eine Zäsur in der Rechtsentwicklung eingetreten. Zumindest seit diesem Zeitpunkt habe es sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung gehalten, dass eine richtlinienkonforme Auslegung oder Fortbildung von § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG vorzunehmen sein würde. Der Senat konnte in der Entscheidung vom 24. März 2009 (- 9 AZR 983/07 - Rn. 74, aaO) offenlassen, ob Arbeitgeber vor Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens in der Sache Schultz-Hoff bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums berechtigt auf den Verfall von Urlaubsabgeltungsansprüchen vertrauen durften. Die Ansprüche der Klägerin dieses Rechtsstreits waren bei Bekanntwerden der Vorlage auch nach der früheren Auslegung von § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG durch den Senat noch nicht verfallen.

109

(2) Die Vertrauensschutzerwägungen des Senats im Urteil vom 24. März 2009 (- 9 AZR 983/07 - Rn. 73 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15) sind im Schrifttum auf scharfe Kritik gestoßen (für Vertrauensschutz Bauer/Arnold NJW 2009, 631, 633 f.; dieselben Anm. AP BUrlG § 7 Nr. 39 zu 2; Gaul/Bonanni/Ludwig DB 2009, 1013 f., 1017; Kock BB 2009, 1181; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 531 f.; von Steinau-Steinrück/Mosch NJW-Spezial 2009, 338 f.; im Ergebnis offengelassen, aber wohl für Vertrauensschutz Genenger LAGE BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 22 zu IV 2; Picker ZTR 2009, 230, 235 f.; offengelassen von Kamanabrou SAE 2009, 121, 127 und SAE 2009, 233, 236 f.; gegen Vertrauensschutz Abele RdA 2009, 312, 317; Kohte/Beetz jurisPR-ArbR 25/2009 Anm. 1 zu B 5 aE; Rummel AuR 2009, 217 f.; Schlachter RdA 2009 Sonderbeilage Heft 5, 31, 35 f., die einen zeitlich unbegrenzten Ausschluss von Vertrauensschutz erwägt).

110

(3) Beanstandet wird insbesondere die zeitliche Anknüpfung an das Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens (Abele RdA 2009, 312, 317; Kock BB 2009, 1181; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 531 f.; Sedlmeier EuZA 2010, 88, 97 f.). Die Kritiker meinen, sie widerspreche der Vorgehensweise des Zweiten, des Sechsten und des Achten Senats in der Folge der Entscheidung Junk des EuGH vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - Slg. 2005, I-885) zur Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG(grundlegend BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 32 ff., BAGE 117, 281; bestätigt zB von 12. Juli 2007 - 2 AZR 619/05 - Rn. 20 ff., AP KSchG 1969 § 17 Nr. 33; 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - Rn. 27 ff., AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156; dem zustimmend 22. März 2007 - 6 AZR 499/05 - Rn. 16 ff., EzA KSchG § 17 Nr. 19; 26. Juli 2007 - 8 AZR 769/06 - Rn. 66 f., AP BGB § 613a Nr. 324). Dort wurde Vertrauensschutz angenommen und nicht an das Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens oder der Schlussanträge des Generalanwalts angeknüpft.

111

(4) Die Sachverhaltsgestaltungen, die den Junk-Folgeentscheidungen und der Rezeption des EuGH-Urteils in der Sache Schultz-Hoff vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) durch die Entscheidung des Senats vom 24. März 2009 (- 9 AZR 983/07 - Rn. 73 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15) zugrunde liegen, sind nicht vergleichbar (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 2. Dezember 2009 - 17 Sa 621/09 - zu II 2 d bb (2) (b) der Gründe). Es hielt sich für die Beklagte seit dem Ende der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie am 23. November 1996 im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung, dass die 1982 begonnene st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall von Urlaubs(-abgeltungs)ansprüchen bei Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des in § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG definierten Übertragungszeitraums im Licht der Arbeitszeitrichtlinie zu überprüfen sein würde. Jedenfalls begründet der Fortbestand der Ansprüche auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs in der durchzuführenden Interessenabwägung keine unzumutbare Härte für die Beklagte. Für die Schutzwürdigkeit ihres Vertrauens spricht nur, dass der Senat über das Ende der Umsetzungsfrist für die ursprüngliche Arbeitszeitrichtlinie hinaus an seiner Rspr. zum Verfall von Urlaubs(-abgeltungs)ansprüchen bei Arbeitsunfähigkeit festhielt (vgl. etwa 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116; 7. September 2004 - 9 AZR 587/03 - zu I 2 a der Gründe, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 12). Die Umstände, die für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Klägers auf die richtlinienkonforme Fortbildung von § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG sprechen, überwiegen gegenüber diesem einzigen, für die Beklagte sprechenden vertrauensbegründenden Moment.

112

(a) Nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23. November 1996 standen sich im rechtlichen Mehrebenensystem der Europäischen Gemeinschaften (heute: der Europäischen Union) die Deutungshoheit des EuGH für Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie und die Interpretationskompetenz des Bundesarbeitsgerichts für das Bundesurlaubsgesetz gegenüber. Insofern unterscheidet sich der Streitfall von der geänderten Rspr. des Vierten Senats zu sog. Gleichstellungsabreden (vgl. nur 21. Oktober 2009 - 4 AZR 396/08 - Rn. 17 ff. mwN). Die Ankündigung einer Rechtsprechungsänderung für das nationale Recht auf der Grundlage des Richtlinienrechts kommt hier schon im Hinblick auf die Auslegungskompetenz des EuGH für das Unionsrecht nicht in Betracht. Wegen der innerstaatlichen Bindung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs aus § 125 SGB IX an den Mindesturlaubsanspruch scheidet auch für den Zusatzurlaub die Ankündigung einer geänderten nationalen Rspr. aus.

113

(b) Mit Inkrafttreten von Art. 7 der ersten Arbeitszeitrichtlinie war unklar, ob der EuGH die frühere Auffassung des Senats, wonach Urlaubs(-abgeltungs)ansprüche bei Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums untergingen, auf der Grundlage des Richtlinienrechts teilen würde.

114

(aa) Art. 7 der ersten Arbeitszeitrichtlinie traf nach Ablauf der Umsetzungsfrist mit dem 23. November 1996 auf eine seit über 14 Jahren bestehende Rspr. des BAG zu §§ 1, 3 Abs. 1, § 7 BUrlG. Dadurch unterschied sich die Sachlage von der Geschichte der ersten Massenentlassungsrichtlinie 75/129/EWG (ABl. EG Nr. L 48 vom 22. Februar 1975 S. 29). Art. 3 der ursprünglichen Massenentlassungsrichtlinie wurde durch § 17 KSchG in deutsches Recht umgesetzt(Wißmann FS Bauer S. 1161 f.). Die nationale Rspr. zu § 17 KSchG baute von vornherein auf dem „Fundament“ des Richtlinienrechts auf, während Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie mit einem „alten“ System der Auslegung des nationalen Rechts in Einklang gebracht werden musste.

115

(bb) Mit Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie im Jahr 1996 trat deswegen eine objektive und bedeutende Unsicherheit darin auf, wie § 7 BUrlG richtlinienkonform zu verstehen war.

116

(cc) Der EuGH machte mit seiner ersten Entscheidung BECTU zu Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie seine Auslegungskompetenz für das Unionsrecht deutlich(26. Juni 2001 - C-173/99 - Slg. 2002, I-4881). Er trat dort im Urlaubsrecht erstmals einer nationalen - britischen - Auslegung urlaubsrechtlicher Pflichten entgegen.

117

(dd) Hinzu kommt, dass die Rspr. des Bundesarbeitsgerichts zu § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG bei Arbeitsunfähigkeit nicht von jeher einheitlich war. Der Fünfte Senat, der vor 1982 für das Urlaubsrecht zuständig war, hatte noch angenommen, dass Urlaubsabgeltungsansprüche bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums nicht verfielen (grundlegend 13. November 1969 - 5 AZR 82/69 - zu 2 der Gründe, BAGE 22, 211).

118

(c) Die Sachverhaltsgestaltungen, die den Junk-Folgeentscheidungen und der Schultz-Hoff-Rezeption zugrunde liegen, unterscheiden sich zudem in mehreren für die Schutzbedürftigkeit des Vertrauens der Arbeitgeberseite entscheidenden Gesichtspunkten. Diese Umstände sind in der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Sie schließen eine unzumutbare Härte für die Beklagte durch den Fortbestand der Ansprüche auf Abgeltung des Zusatzurlaubs aus.

119

(aa) Den Arbeitgeber trifft nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG die Handlungspflicht zur Erstattung der Massenentlassungsanzeige gegenüber der Arbeitsverwaltung. Er muss in einer komplexen Handlungssituation darum nachsuchen, dass eine Behörde tätig wird, und damit durch aktives Tun sein Vertrauen betätigen. Der Zweite Senat differenziert in der Frage des Vertrauensschutzes selbst ausdrücklich zwischen der bloßen rechtlichen Beurteilung der Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts und der bereits erfolgten Ausübung eines Gestaltungsrechts (23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 33, BAGE 117, 281; ebenso LAG Berlin-Brandenburg 2. Dezember 2009 - 17 Sa 621/09 - zu II 2 d bb (2) (b) der Gründe).

120

(bb) Der Zweite Senat hatte nicht sehr lange vor der Entscheidung Junk des EuGH vom 27. Januar 2005 (- C-188/03 - Slg. 2005, I-885) mit Urteil vom 18. September 2003 seine bisherige Auffassung bestätigt. Danach kam es für die Erstattung der Massenentlassungsanzeige nicht auf den Zugang der Kündigung, sondern auf die Entlassung - den tatsächlichen Beendigungszeitpunkt - an (18. September 2003 - 2 AZR 79/02 - zu B III der Gründe, BAGE 107, 318). Die Entscheidung vom 18. September 2003 setzte sich im Einzelnen mit den Fragen der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG (ABl. EG Nr. L 225 vom 12. August 1998 S. 16) auseinander. Sie erging nach dem Vorabentscheidungsersuchen des Arbeitsgerichts Berlin in der Sache Junk vom 30. April 2003 (- 36 Ca 19726/02 - ZIP 2003, 1265). Der Zweite Senat stellte deshalb bei der Rezeption der Junk-Vorabentscheidung vor allem darauf ab, dass er selbst noch nach der Vorlage vom 30. April 2003 mit Urteil vom 18. September 2003 einen Vertrauenstatbestand geschaffen und eine richtlinienkonforme Auslegung von § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG verneint habe(vgl. 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - Rn. 30, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156).

121

(cc) Vor der Vorabentscheidung Schultz-Hoff vom 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 1) mussten Arbeitgeber ihr Vertrauen auf die Fortdauer der nationalen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen bei Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums dagegen nicht aktiv betätigen. Es war ihrem Einfluss entzogen, ob ein Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig bleiben würde. Der Neunte Senat hatte sich in diesem Zusammenhang auch noch nie mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie befasst. Eine vertrauensbildende Auseinandersetzung der Rechtsprechung des BAG mit dem Unionsrecht fehlte. Es handelte sich um eine grundsätzlich neue Fragestellung.

122

(5) Das Vertrauen der Beklagten darauf, dass § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums nicht richtlinienkonform auszulegen oder fortzubilden sein würde, ist aus diesen Gründen nicht schutzwürdig. Der Beklagten ist es zumutbar, die fortbestehenden Ansprüche des Klägers auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs für 2004 und 2005 zu erfüllen.

123

4. Abzugelten sind jeweils fünf Tage für die Jahre 2004 und 2005 (§ 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX iVm. § 7 Abs. 4 BUrlG). Die Forderung beträgt rechnerisch 2.013,54 Euro brutto (4.362,67 Euro brutto x 3 Monate : 13 Wochen : 5 Arbeitstage x 10 Zusatzurlaubstage). Der im Jahr 2004 entstandene Zusatzurlaubsanspruch wurde auf das gesamte Urlaubsjahr 2005 übertragen, weil der Kläger seit dem 8. September 2004 über das Jahresende hinaus bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. September arbeitsunfähig war. Der Urlaubsanspruch war daher nicht erfüllbar. Der Zusatzurlaubsanspruch für das Jahr 2004 trat zu dem Anspruch für 2005 hinzu (vgl. zu einem tariflichen „Revolvingsystem“ Senat 20. August 1996 - 9 AZR 22/95 - zu I 1 b der Gründe, BAGE 84, 23; für eine Zusammenfassung der Ansprüche aus verschiedenen Urlaubsjahren auch ErfK/Dörner § 7 BUrlG Rn. 39o, 46, 46a; AnwK-ArbR/Düwell § 7 BUrlG Rn. 90, 111 ff., 119; zu der ggf. nötigen Kumulation im Bereich des Mindesturlaubs EuGH 6. April 2006 - C-124/05 - [Federatie Nederlandse Vakbeweging] Rn. 24 und 30, Slg. 2006, I-3423). Er wandelte sich ebenso wie der Zusatzurlaubsanspruch aus dem Jahr 2005 mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2005 in einen finanziellen Abgeltungsanspruch um (vgl. AnwK-ArbR/Düwell § 7 BUrlG Rn. 134).

124

III. Die Ansprüche des Klägers auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs für 2004 und 2005 sind ab 4. Oktober 2005 unter dem Gesichtspunkt des Verzugs (§ 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 BGB) zu verzinsen (vgl. zum Zinsbeginn Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 99, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15; BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 715/07 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 27, jeweils unter Hinweis auf § 187 Abs. 1 BGB). Der 2. Oktober 2005 war ein Sonntag, der 3. Oktober 2005 ein Feiertag (§ 193 BGB). Der Zinsausspruch für die Abgeltung des Mindesturlaubs von 8.054,00 Euro brutto bereits ab 1. Oktober 2005 ist ebenso wie die entsprechende Verurteilung der Beklagten in der Hauptsache rechtskräftig und nicht zur Entscheidung des Senats angefallen.

125

B. Die Parteien haben die Kosten des Rechtsstreits im Umfang ihres Unterliegens in den Instanzen zu tragen (§ 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., § 97 Abs. 1 ZPO).


        

    Düwell    

        

    Krasshöfer    

        

    Gallner    

        

        

        

    B. Lang    

        

    Preuß    
                 

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt eine finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Urlaub.

2

Der 1953 geborene Kläger stand zuletzt als Polizeihauptkommissar im Dienst des beklagten Landes. Er war ab Anfang Juli 2007 ununterbrochen erkrankt. Mit Wirkung vom 1. August 2008 hat ihn der Beklagte wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

3

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab, ihm eine Vergütung für insgesamt 62 Urlaubstage zu zahlen, die er in den Jahren 2007 und 2008 wegen seiner Erkrankung nicht hatte antreten können. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

4

In dem Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts heißt es: Der Kläger habe keinen Urlaubsabgeltungsanspruch nach Bundes- oder Landesrecht. Auch Unionsrecht begründe für Beamte in Deutschland einen solchen Anspruch nicht, denn Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sei bei der nach Art. 15 RL 2003/88/EG gebotenen Vergleichsbetrachtung des Unionsrechts und des Beamtenrechts unanwendbar: Beamte seien im Krankheitsfall erheblich besser abgesichert als andere Beschäftigte, weil sie die vollen Dienstbezüge zeitlich unbegrenzt erhielten und das Beamtenverhältnis nicht wegen Krankheit beendet werden könne.

5

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. März 2010 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Juli 2009 sowie den Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 13. Juni 2008 und dessen Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm für insgesamt 62 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage der Jahre 2007 und 2008 eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor seinem Eintritt in den Ruhestand zu gewähren.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Abweisung der Klage stellt sich aus anderen Gründen zum Teil als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8

1. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass dem Kläger aus nationalem Recht kein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht. Es gibt für Beamte keine normativen Regelungen, die einen solchen Anspruch begründen. Das gilt auch für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Zu Unrecht beruft sich der Kläger insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar angenommen, dass der Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ebenso wie der gesetzliche Mindesturlaub aus den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist, wenn der Zusatzurlaub nicht gewährt werden kann, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war (Urteil vom 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - BAGE 134, 1 ff.; vgl. auch Urteil vom 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - NZA 2012, 514 ff.). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Beamte übertragen werden. Das vom Bundesarbeitsgericht herangezogene Bundesurlaubsgesetz, das in § 7 Abs. 4 eine Urlaubsabgeltung vorsieht, ist auf Beamte nicht anwendbar; deren Ansprüche auf Urlaub und Besoldung richten sich nach den jeweiligen beamtenrechtlichen Gesetzen und Verordnungen, die bislang einen Urlaubsabgeltungsanspruch gerade nicht vorsehen.

9

2. Dem Kläger steht aber nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG) ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung seines unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs von vier Wochen Erholungsurlaub zu. Einen darüber hinausgehenden Anspruch aus Unionsrecht auf Abgeltung von sich aus nationalem Recht ergebenden weiteren Erholungsurlaubstagen, von sog. Arbeitszeitverkürzungstagen und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat er hingegen nicht.

10

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Abgeltung von bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub hergeleitet und auch Voraussetzungen, Umfang und Grenzen dieses Anspruchs bestimmt. Diese Auslegung des Unionsrechts ist für die nationalen Gerichte und damit auch für das Bundesverwaltungsgericht bindend (Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV).

11

a) Es ist in der Rechtsprechung des EuGH seit langem geklärt, dass auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der RL 2003/88/EG sind. Das gilt grundsätzlich auch für Polizisten, die insoweit mit Feuerwehrleuten vergleichbar sind, für die der EuGH mehrfach ausgesprochen hat, dass sie der Arbeitszeitrichtlinie unterfallen (EuGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - Rs. C-52/04 - Slg. 2005, I-7111 Rn. 57 ff.; Urteil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Neidel - ABl EU 2012, Nr. C 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688 Rn. 22). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (vgl. etwa Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 20 ff. ) und hat auch für Polizisten bereits darauf hingewiesen, dass Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG, auf den Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG zur Bestimmung ihres Anwendungsbereichs Bezug nimmt, nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist und nicht etwa Streitkräfte, Feuerwehr oder Polizei generell, sondern nur für bestimmte in diesen Sektoren wahrgenommene besondere Aufgaben wie etwa bei Natur- oder Technologiekatastrophen und schweren Unglücksfällen von der Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie ausnimmt (Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 20).

12

b) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand (vgl. § 21 Nr. 4 Beamtenstatusgesetz, § 30 Nr. 4 BBG) eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG. Dem Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.) ist zu entnehmen, dass der EuGH der konkreten nationalstaatlichen Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses keine Bedeutung beimisst, sondern für allein maßgeblich hält, dass mit der krankheitsbedingten Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses keine Dienstleistungspflicht und deshalb auch keine Urlaubsmöglichkeit mehr besteht. Deshalb ist es unionsrechtlich ohne Bedeutung, dass sich nach deutschem Beamtenrecht an das (aktive) Beamtenverhältnis ein Ruhestandsbeamtenverhältnis anschließt.

13

c) Entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts hindert Art. 15 RL 2003/88/EG die Anwendung von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bei deutschen Beamten nicht.

14

Nach Art. 15 RL 2003/88/EG bleibt u.a. das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Der EuGH hat bereits zu der insoweit wortgleichen Vorgängerrichtlinie RL 93/104/EG entschieden, dass unabhängig von günstigeren nationalstaatlichen Regelungen die praktische Wirksamkeit der durch die Arbeitszeitrichtlinie verliehenen Rechte in vollem Umfang gewährleistet werden müsse, was notwendig die Verpflichtung impliziere, die Einhaltung jeder der in dieser Richtlinie aufgestellten Mindestvorschriften zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 - Rs. C-14/04, Dellas - Slg. 2005, I-10253 Rn. 53).

15

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 15 RL 2003/88/EG somit eine Meistbegünstigungsklausel, die nur den Einzelvergleich, nicht aber die vom Berufungsgericht angestellte strukturelle Gesamtbetrachtung zulässt. Er schließt damit eine Anwendung des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG nur dann aus, wenn die mitgliedstaatlichen Regelungen über die Abgeltung krankheitsbedingt nicht genommenen Erholungsurlaubs bei Beendigung der Berufstätigkeit über den von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gewährleisteten Mindeststandard hinausgehen. Das ist aber bei deutschen Beamten nicht der Fall, weil sie gerade - wovon auch das Oberverwaltungsgericht ausgeht - nach nationalem Recht mangels entsprechender gesetzlicher Regelung keinen Urlaubsabgeltungsanspruch haben, also auch dann nicht, wenn sie Erholungsurlaub krankheitsbedingt nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand nehmen können. Auf die vom Berufungsgericht herangezogenen, für die Beamten günstigeren Regelungen im Falle der zur dauernden Dienstunfähigkeit führenden Krankheit im Vergleich zu den Regelungen für andere Beschäftigte in Deutschland kommt es deshalb nicht an.

16

Bestätigt wird dies durch das Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.). Der EuGH hat den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ausdrücklich auf Beamte erstreckt, obwohl das Vorlagegericht die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts ausführlich dargestellt hatte.

17

d) Der Urlaubsabgeltungsanspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Beschäftigte im Urlaubsjahr teilweise arbeits- bzw. dienstfähig war, in dieser Zeit den Urlaub aber nicht oder nicht vollständig genommen hat. Das gilt sowohl für das Jahr, in dem die längerfristige Dienstunfähigkeit beginnt, als auch für das Jahr oder für die Jahre, in dem oder in denen der Betreffende vorübergehend wieder dienstfähig war. In beiden Fällen kann der Beschäftigte krankheitsbedingt und damit unabhängig von seinem Willensentschluss den ihm zustehenden (Mindest)Urlaub nach Eintritt in den Ruhestand nicht mehr nehmen. Aus der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88 EG gibt es keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung dieser Bestimmung.

18

e) Der Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ist allerdings auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr beschränkt. Der EuGH hat im Urteil vom 3. Mai 2012 (a.a.O. Rn. 35 ff.) hervorgehoben, dass die Arbeitszeitrichtlinie sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt; es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den Beamten weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren sowie ob und unter welchen Voraussetzungen sie eine finanzielle Vergütung für den Fall vorsehen, dass einem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche krankheitsbedingt nicht haben zugute kommen können. Deshalb sind Urlaubstage, die über den nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisten Mindesturlaub hinausgehen, nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erfasst.

19

Das gilt auch für sog. Arbeitszeitverkürzungstage, die der Sache nach zusätzliche Erholungsurlaubstage sind, und für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Auch eine Privilegierung für Urlaub nach nationalem Recht, wonach einem Beschäftigten bei einem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst etwa im Laufe der zweiten Jahreshälfte der Jahresurlaub ungeschmälert zusteht, schlägt nicht auf die unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche nach Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG durch. Dies folgt aus dem Charakter dieser Ansprüche als Mindeststandard und findet außerdem einen normativen Anhaltspunkt in Art. 4 Abs. 1 und Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub. Danach ist der Urlaubsanspruch "im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit während dieses Jahres" gegeben; nach dem sechsten Erwägungsgrund der RL 2003/88/EG hat diese Richtlinie den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeit Rechnung getragen.

20

f) Der Urlaubsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG verfällt, wenn er über einen zu langen Zeitraum nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres nicht genommen wird. Wenn der Übertragungszeitraum eine gewisse zeitliche Grenze überschreitet, kann der Urlaub seinen Zweck als Erholungszeit typischerweise nicht mehr erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - Rs. C-214/10, KHS - NJW 2012, 290 Rn. 33). Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs ist die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs ausgeschlossen.

21

Ein Verfall des Urlaubsanspruchs mit Auswirkungen auf den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch tritt zum einen dann ein, wenn nationalstaatlich ein hinreichend langer Übertragungszeitraum geregelt ist und dieser abgelaufen ist. Hinreichend lang ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein Übertragungszeitraum, wenn er deutlich länger als das Urlaubsjahr, also deutlich länger als ein Jahr ist; ein Übertragungszeitraum muss den Beschäftigten, die während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeits- bzw. dienstunfähig sind, ermöglichen, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant sowie verfügbar sein können, und er muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten (EuGH, Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41). Einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten hat der EuGH gebilligt (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 40 ff.).

22

Gibt es keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelungen, dann tritt auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ein Verfall des Urlaubsanspruches 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein. Der EuGH leitet aus dem Umstand, dass die RL 2003/88/EG nach ihrem sechsten Erwägungsgrund den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat, her, dass bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub ergibt, berücksichtigt werden muss. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Diese Vorschrift beruht nach der Rechtsprechung des EuGH auf der Erwägung, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41 f.). Das rechtfertigt die Annahme, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt.

23

g) Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat.

24

h) Bei der Berechnung des Betrags, der dem Beamten für jeden nicht genommenen Urlaubstag als Urlaubsabgeltung zusteht, ist auf die Besoldung abzustellen, die der Beamte in den letzten drei Monaten vor Eintritt in den Ruhestand erhalten hat.

25

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Anknüpfungspunkt für die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG das gewöhnliche Arbeitsentgelt. Dies ist bei Beamten die Besoldung (vgl. § 1 Abs. 2 BBesG; EuGH, Urteil vom 20. Januar 2009 - Rs. C-350/06 und 520/06, Schultz-Hoff - Slg. 2009, I-179 Rn. 61). Der Beschäftigte soll also dasjenige bekommen, was er bekommen hätte, wenn er den Urlaub während seiner aktiven Dienstzeit genommen hätte. Das ist im Falle eines Beamten die Besoldung, die während des Urlaubs weitergezahlt worden wäre. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 RL 2003/88/EG ist angesichts der Rechtsprechung des EuGH unerheblich, dass die Besoldung Alimentationscharakter hat und daher während der Krankheit zeitlich unbegrenzt weitergezahlt wird.

26

Im Hinblick darauf, dass die finanzielle Abgeltung nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erst nach der "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" gezahlt werden darf und der während der Krankheit aufgelaufene, nicht verjährte Mindestjahresurlaub im Fall der Gesundung noch hätte genommen werden dürfen, die finanzielle Abgeltung des Urlaubs mithin erst am Ende der aktiven Dienstzeit eintritt, ist auf die Besoldung vor dem Eintritt in den Ruhestand abzustellen. Dabei erscheint es sachgerecht, auf die letzten drei Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand als hinreichend langen Referenzzeitraum (vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - Rs. C-155/10, Williams - ABl EU 2011 Nr. C 319, 7 Rn. 21 ff.), abzustellen, um die Auswirkungen zufälliger Schwankungen der Besoldung zu verringern.

27

i) Ein Antragserfordernis für den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG besteht nicht. Ein Antragserfordernis wäre mit dem Effektivitätsgrundsatz des Unionsrechts nicht vereinbar. Das hat der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167) für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit entschieden (Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 25 ). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

28

j) Der unionsrechtliche Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren, § 195 BGB, die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 Abs. 1 BGB.

29

Der EuGH hat mehrfach ausgesprochen, dass die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht vorhanden sind. Allerdings dürfen die Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei nur innerstaatliches Recht betreffenden Verfahren (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Zum Effektivitätsgrundsatz hat der EuGH entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. EuGH, Urteile vom 17. November 1998 - Rs. C-228/96, Aprile - Slg. 1998, I-7164 Rn. 19 und vom 11. Juli 2002 - Rs. C-62/00, Marks & Spencer - Slg. 2002, I-6348 Rn. 35, jeweils m.w.N.). Auch der Senat bejaht die Möglichkeit der Verjährung bei sich aus Unionsrecht ergebenden Ansprüchen und hat beispielsweise für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren angenommen (Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 41 f.). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

30

k) Nach der Rechtsprechung des EuGH kann der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmten Maßgaben unmittelbar aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend machen.

31

Richtlinien bedürfen zwar grundsätzlich der Umsetzung durch den dafür zuständigen nationalen Gesetzgeber, um innerstaatliche Verbindlichkeit für den Bürger zu erlangen. Für den Fall der nicht fristgerechten oder unvollständigen Umsetzung einer Richtlinie durch den Mitgliedstaat hat nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH der Einzelne das Recht, sich vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat trotz entgegenstehendem nationalen Recht auf durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtungen zu berufen, wenn diese klar und unbedingt sind und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsakts mehr bedürfen (stRspr; EuGH, Urteile vom 5. Oktober 2004 - Rs. C-397/01, Pfeiffer - Slg. 2004, I-08835 Rn. 103 m.w.N. und vom 24. Januar 2012 - Rs. C-282/10, Dominguez - ABl EU 2012, Nr. C 73, 2 Rn. 33; BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 687/85 - BVerfGE 75, 223 <239 ff.>). Bei einer nicht fristgerechten Umsetzung einer Richtlinie sind Behörden und Gerichte aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu lassen (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 19).

32

Diese Voraussetzungen hat der EuGH für Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bejaht. Nach der bindenden Rechtsprechung des EuGH räumt diese Norm allen Beschäftigten, d.h. auch Beamten unter den dargelegten Voraussetzungen Urlaubsabgeltungsansprüche ein, die die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht verankern müssen. Solange sie diese Umsetzungspflicht nicht erfüllen, stellt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG die unmittelbare Anspruchsgrundlage dar.

33

3. In Anwendung dieser Grundsätze gilt für den Kläger Folgendes:

34

Für das Jahr 2007 standen dem Kläger bei einem Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und einer 5-Tage-Woche 20 Urlaubstage zu. In diesem Jahr hat der Kläger sieben Urlaubstage und den sog. Arbeitszeitverkürzungstag nach der Arbeitszeitverordnung RP genommen. Eine Freistellung nach der Arbeitszeitverordnung steht funktional einem Urlaubstag nach der Urlaubsverordnung (UrlVO RP) gleich. Deshalb ist sie im Rahmen des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG wie ein Urlaubstag zu behandeln. Damit hat der Kläger acht Urlaubstage genommen und standen ihm für 2007 noch 12 Tage Mindesturlaub zu.

35

Für das Jahr 2008 standen dem Kläger 20 Mindesturlaubstage zu. In diesem Jahr ist er aber zum Ende des Monats Juli in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Deshalb stand ihm der unionsrechtliche Mindesturlaub nur anteilig, d.h. für 11 2/3 Urlaubstage zu; die Privilegierung des § 9 Satz 3 UrlVO RP, wonach der Jahresurlaub voll gewährt wird, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in der zweiten Jahreshälfte in den Ruhestand versetzt wird, erstreckt sich nicht auf den unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 RL 2003/88/EG. Der Bruchteil eines Urlaubstages ist in die Urlaubsentgeltberechnung einzubeziehen. Die Heranziehung einer nationalstaatlichen Regelung, wonach ein bei der Urlaubsberechnung verbleibender Teil eines Tages als Guthaben auf die Arbeitszeit angerechnet wird (vgl. § 8 Abs. 6 UrlVO RP), kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil Urlaubsabgeltung voraussetzt, dass der Beamte nicht mehr im Dienst ist, so dass mangels Arbeitspflicht auch eine Anrechnung auf ein Arbeitszeitguthaben nicht möglich ist.

36

Insgesamt steht dem Kläger deshalb ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 23 2/3 Tage zu, der auf der Basis der Besoldung der letzten drei Monate vor Eintritt in den Ruhestand zu berechnen ist.

37

Im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Anrechnung der Urlaubsabgeltung bei den Versorgungsbezügen nach den Regelungen des Vorteilsausgleichs, § 53 BeamtVG, nicht in Betracht kommt.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.

(2) Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.

(3) Hat der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht, können die Länder durch Gesetz hiervon abweichende Regelungen treffen über:

1.
das Jagdwesen (ohne das Recht der Jagdscheine);
2.
den Naturschutz und die Landschaftspflege (ohne die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes);
3.
die Bodenverteilung;
4.
die Raumordnung;
5.
den Wasserhaushalt (ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen);
6.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse;
7.
die Grundsteuer.
Bundesgesetze auf diesen Gebieten treten frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates anderes bestimmt ist. Auf den Gebieten des Satzes 1 geht im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz vor.

(4) Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß eine bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlichkeit im Sinne des Absatzes 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann.

(1) Das Urlaubsentgelt bemißt sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraums oder des Urlaubs eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht. Zum Arbeitsentgelt gehörende Sachbezüge, die während des Urlaubs nicht weitergewährt werden, sind für die Dauer des Urlaubs angemessen in bar abzugelten.

(2) Das Urlaubsentgelt ist vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt eine finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Urlaub.

2

Der 1953 geborene Kläger stand zuletzt als Polizeihauptkommissar im Dienst des beklagten Landes. Er war ab Anfang Juli 2007 ununterbrochen erkrankt. Mit Wirkung vom 1. August 2008 hat ihn der Beklagte wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

3

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab, ihm eine Vergütung für insgesamt 62 Urlaubstage zu zahlen, die er in den Jahren 2007 und 2008 wegen seiner Erkrankung nicht hatte antreten können. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

4

In dem Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts heißt es: Der Kläger habe keinen Urlaubsabgeltungsanspruch nach Bundes- oder Landesrecht. Auch Unionsrecht begründe für Beamte in Deutschland einen solchen Anspruch nicht, denn Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sei bei der nach Art. 15 RL 2003/88/EG gebotenen Vergleichsbetrachtung des Unionsrechts und des Beamtenrechts unanwendbar: Beamte seien im Krankheitsfall erheblich besser abgesichert als andere Beschäftigte, weil sie die vollen Dienstbezüge zeitlich unbegrenzt erhielten und das Beamtenverhältnis nicht wegen Krankheit beendet werden könne.

5

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. März 2010 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Juli 2009 sowie den Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 13. Juni 2008 und dessen Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm für insgesamt 62 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage der Jahre 2007 und 2008 eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor seinem Eintritt in den Ruhestand zu gewähren.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Abweisung der Klage stellt sich aus anderen Gründen zum Teil als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8

1. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass dem Kläger aus nationalem Recht kein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht. Es gibt für Beamte keine normativen Regelungen, die einen solchen Anspruch begründen. Das gilt auch für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Zu Unrecht beruft sich der Kläger insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar angenommen, dass der Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ebenso wie der gesetzliche Mindesturlaub aus den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist, wenn der Zusatzurlaub nicht gewährt werden kann, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war (Urteil vom 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - BAGE 134, 1 ff.; vgl. auch Urteil vom 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - NZA 2012, 514 ff.). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Beamte übertragen werden. Das vom Bundesarbeitsgericht herangezogene Bundesurlaubsgesetz, das in § 7 Abs. 4 eine Urlaubsabgeltung vorsieht, ist auf Beamte nicht anwendbar; deren Ansprüche auf Urlaub und Besoldung richten sich nach den jeweiligen beamtenrechtlichen Gesetzen und Verordnungen, die bislang einen Urlaubsabgeltungsanspruch gerade nicht vorsehen.

9

2. Dem Kläger steht aber nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG) ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung seines unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs von vier Wochen Erholungsurlaub zu. Einen darüber hinausgehenden Anspruch aus Unionsrecht auf Abgeltung von sich aus nationalem Recht ergebenden weiteren Erholungsurlaubstagen, von sog. Arbeitszeitverkürzungstagen und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat er hingegen nicht.

10

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Abgeltung von bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub hergeleitet und auch Voraussetzungen, Umfang und Grenzen dieses Anspruchs bestimmt. Diese Auslegung des Unionsrechts ist für die nationalen Gerichte und damit auch für das Bundesverwaltungsgericht bindend (Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV).

11

a) Es ist in der Rechtsprechung des EuGH seit langem geklärt, dass auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der RL 2003/88/EG sind. Das gilt grundsätzlich auch für Polizisten, die insoweit mit Feuerwehrleuten vergleichbar sind, für die der EuGH mehrfach ausgesprochen hat, dass sie der Arbeitszeitrichtlinie unterfallen (EuGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - Rs. C-52/04 - Slg. 2005, I-7111 Rn. 57 ff.; Urteil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Neidel - ABl EU 2012, Nr. C 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688 Rn. 22). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (vgl. etwa Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 20 ff. ) und hat auch für Polizisten bereits darauf hingewiesen, dass Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG, auf den Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG zur Bestimmung ihres Anwendungsbereichs Bezug nimmt, nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist und nicht etwa Streitkräfte, Feuerwehr oder Polizei generell, sondern nur für bestimmte in diesen Sektoren wahrgenommene besondere Aufgaben wie etwa bei Natur- oder Technologiekatastrophen und schweren Unglücksfällen von der Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie ausnimmt (Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 20).

12

b) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand (vgl. § 21 Nr. 4 Beamtenstatusgesetz, § 30 Nr. 4 BBG) eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG. Dem Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.) ist zu entnehmen, dass der EuGH der konkreten nationalstaatlichen Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses keine Bedeutung beimisst, sondern für allein maßgeblich hält, dass mit der krankheitsbedingten Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses keine Dienstleistungspflicht und deshalb auch keine Urlaubsmöglichkeit mehr besteht. Deshalb ist es unionsrechtlich ohne Bedeutung, dass sich nach deutschem Beamtenrecht an das (aktive) Beamtenverhältnis ein Ruhestandsbeamtenverhältnis anschließt.

13

c) Entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts hindert Art. 15 RL 2003/88/EG die Anwendung von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bei deutschen Beamten nicht.

14

Nach Art. 15 RL 2003/88/EG bleibt u.a. das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Der EuGH hat bereits zu der insoweit wortgleichen Vorgängerrichtlinie RL 93/104/EG entschieden, dass unabhängig von günstigeren nationalstaatlichen Regelungen die praktische Wirksamkeit der durch die Arbeitszeitrichtlinie verliehenen Rechte in vollem Umfang gewährleistet werden müsse, was notwendig die Verpflichtung impliziere, die Einhaltung jeder der in dieser Richtlinie aufgestellten Mindestvorschriften zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 - Rs. C-14/04, Dellas - Slg. 2005, I-10253 Rn. 53).

15

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 15 RL 2003/88/EG somit eine Meistbegünstigungsklausel, die nur den Einzelvergleich, nicht aber die vom Berufungsgericht angestellte strukturelle Gesamtbetrachtung zulässt. Er schließt damit eine Anwendung des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG nur dann aus, wenn die mitgliedstaatlichen Regelungen über die Abgeltung krankheitsbedingt nicht genommenen Erholungsurlaubs bei Beendigung der Berufstätigkeit über den von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gewährleisteten Mindeststandard hinausgehen. Das ist aber bei deutschen Beamten nicht der Fall, weil sie gerade - wovon auch das Oberverwaltungsgericht ausgeht - nach nationalem Recht mangels entsprechender gesetzlicher Regelung keinen Urlaubsabgeltungsanspruch haben, also auch dann nicht, wenn sie Erholungsurlaub krankheitsbedingt nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand nehmen können. Auf die vom Berufungsgericht herangezogenen, für die Beamten günstigeren Regelungen im Falle der zur dauernden Dienstunfähigkeit führenden Krankheit im Vergleich zu den Regelungen für andere Beschäftigte in Deutschland kommt es deshalb nicht an.

16

Bestätigt wird dies durch das Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.). Der EuGH hat den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ausdrücklich auf Beamte erstreckt, obwohl das Vorlagegericht die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts ausführlich dargestellt hatte.

17

d) Der Urlaubsabgeltungsanspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Beschäftigte im Urlaubsjahr teilweise arbeits- bzw. dienstfähig war, in dieser Zeit den Urlaub aber nicht oder nicht vollständig genommen hat. Das gilt sowohl für das Jahr, in dem die längerfristige Dienstunfähigkeit beginnt, als auch für das Jahr oder für die Jahre, in dem oder in denen der Betreffende vorübergehend wieder dienstfähig war. In beiden Fällen kann der Beschäftigte krankheitsbedingt und damit unabhängig von seinem Willensentschluss den ihm zustehenden (Mindest)Urlaub nach Eintritt in den Ruhestand nicht mehr nehmen. Aus der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88 EG gibt es keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung dieser Bestimmung.

18

e) Der Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ist allerdings auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr beschränkt. Der EuGH hat im Urteil vom 3. Mai 2012 (a.a.O. Rn. 35 ff.) hervorgehoben, dass die Arbeitszeitrichtlinie sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt; es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den Beamten weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren sowie ob und unter welchen Voraussetzungen sie eine finanzielle Vergütung für den Fall vorsehen, dass einem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche krankheitsbedingt nicht haben zugute kommen können. Deshalb sind Urlaubstage, die über den nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisten Mindesturlaub hinausgehen, nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erfasst.

19

Das gilt auch für sog. Arbeitszeitverkürzungstage, die der Sache nach zusätzliche Erholungsurlaubstage sind, und für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Auch eine Privilegierung für Urlaub nach nationalem Recht, wonach einem Beschäftigten bei einem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst etwa im Laufe der zweiten Jahreshälfte der Jahresurlaub ungeschmälert zusteht, schlägt nicht auf die unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche nach Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG durch. Dies folgt aus dem Charakter dieser Ansprüche als Mindeststandard und findet außerdem einen normativen Anhaltspunkt in Art. 4 Abs. 1 und Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub. Danach ist der Urlaubsanspruch "im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit während dieses Jahres" gegeben; nach dem sechsten Erwägungsgrund der RL 2003/88/EG hat diese Richtlinie den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeit Rechnung getragen.

20

f) Der Urlaubsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG verfällt, wenn er über einen zu langen Zeitraum nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres nicht genommen wird. Wenn der Übertragungszeitraum eine gewisse zeitliche Grenze überschreitet, kann der Urlaub seinen Zweck als Erholungszeit typischerweise nicht mehr erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - Rs. C-214/10, KHS - NJW 2012, 290 Rn. 33). Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs ist die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs ausgeschlossen.

21

Ein Verfall des Urlaubsanspruchs mit Auswirkungen auf den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch tritt zum einen dann ein, wenn nationalstaatlich ein hinreichend langer Übertragungszeitraum geregelt ist und dieser abgelaufen ist. Hinreichend lang ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein Übertragungszeitraum, wenn er deutlich länger als das Urlaubsjahr, also deutlich länger als ein Jahr ist; ein Übertragungszeitraum muss den Beschäftigten, die während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeits- bzw. dienstunfähig sind, ermöglichen, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant sowie verfügbar sein können, und er muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten (EuGH, Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41). Einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten hat der EuGH gebilligt (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 40 ff.).

22

Gibt es keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelungen, dann tritt auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ein Verfall des Urlaubsanspruches 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein. Der EuGH leitet aus dem Umstand, dass die RL 2003/88/EG nach ihrem sechsten Erwägungsgrund den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat, her, dass bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub ergibt, berücksichtigt werden muss. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Diese Vorschrift beruht nach der Rechtsprechung des EuGH auf der Erwägung, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41 f.). Das rechtfertigt die Annahme, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt.

23

g) Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat.

24

h) Bei der Berechnung des Betrags, der dem Beamten für jeden nicht genommenen Urlaubstag als Urlaubsabgeltung zusteht, ist auf die Besoldung abzustellen, die der Beamte in den letzten drei Monaten vor Eintritt in den Ruhestand erhalten hat.

25

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Anknüpfungspunkt für die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG das gewöhnliche Arbeitsentgelt. Dies ist bei Beamten die Besoldung (vgl. § 1 Abs. 2 BBesG; EuGH, Urteil vom 20. Januar 2009 - Rs. C-350/06 und 520/06, Schultz-Hoff - Slg. 2009, I-179 Rn. 61). Der Beschäftigte soll also dasjenige bekommen, was er bekommen hätte, wenn er den Urlaub während seiner aktiven Dienstzeit genommen hätte. Das ist im Falle eines Beamten die Besoldung, die während des Urlaubs weitergezahlt worden wäre. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 RL 2003/88/EG ist angesichts der Rechtsprechung des EuGH unerheblich, dass die Besoldung Alimentationscharakter hat und daher während der Krankheit zeitlich unbegrenzt weitergezahlt wird.

26

Im Hinblick darauf, dass die finanzielle Abgeltung nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erst nach der "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" gezahlt werden darf und der während der Krankheit aufgelaufene, nicht verjährte Mindestjahresurlaub im Fall der Gesundung noch hätte genommen werden dürfen, die finanzielle Abgeltung des Urlaubs mithin erst am Ende der aktiven Dienstzeit eintritt, ist auf die Besoldung vor dem Eintritt in den Ruhestand abzustellen. Dabei erscheint es sachgerecht, auf die letzten drei Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand als hinreichend langen Referenzzeitraum (vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - Rs. C-155/10, Williams - ABl EU 2011 Nr. C 319, 7 Rn. 21 ff.), abzustellen, um die Auswirkungen zufälliger Schwankungen der Besoldung zu verringern.

27

i) Ein Antragserfordernis für den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG besteht nicht. Ein Antragserfordernis wäre mit dem Effektivitätsgrundsatz des Unionsrechts nicht vereinbar. Das hat der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167) für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit entschieden (Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 25 ). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

28

j) Der unionsrechtliche Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren, § 195 BGB, die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 Abs. 1 BGB.

29

Der EuGH hat mehrfach ausgesprochen, dass die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht vorhanden sind. Allerdings dürfen die Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei nur innerstaatliches Recht betreffenden Verfahren (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Zum Effektivitätsgrundsatz hat der EuGH entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. EuGH, Urteile vom 17. November 1998 - Rs. C-228/96, Aprile - Slg. 1998, I-7164 Rn. 19 und vom 11. Juli 2002 - Rs. C-62/00, Marks & Spencer - Slg. 2002, I-6348 Rn. 35, jeweils m.w.N.). Auch der Senat bejaht die Möglichkeit der Verjährung bei sich aus Unionsrecht ergebenden Ansprüchen und hat beispielsweise für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren angenommen (Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 41 f.). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

30

k) Nach der Rechtsprechung des EuGH kann der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmten Maßgaben unmittelbar aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend machen.

31

Richtlinien bedürfen zwar grundsätzlich der Umsetzung durch den dafür zuständigen nationalen Gesetzgeber, um innerstaatliche Verbindlichkeit für den Bürger zu erlangen. Für den Fall der nicht fristgerechten oder unvollständigen Umsetzung einer Richtlinie durch den Mitgliedstaat hat nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH der Einzelne das Recht, sich vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat trotz entgegenstehendem nationalen Recht auf durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtungen zu berufen, wenn diese klar und unbedingt sind und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsakts mehr bedürfen (stRspr; EuGH, Urteile vom 5. Oktober 2004 - Rs. C-397/01, Pfeiffer - Slg. 2004, I-08835 Rn. 103 m.w.N. und vom 24. Januar 2012 - Rs. C-282/10, Dominguez - ABl EU 2012, Nr. C 73, 2 Rn. 33; BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 687/85 - BVerfGE 75, 223 <239 ff.>). Bei einer nicht fristgerechten Umsetzung einer Richtlinie sind Behörden und Gerichte aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu lassen (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 19).

32

Diese Voraussetzungen hat der EuGH für Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bejaht. Nach der bindenden Rechtsprechung des EuGH räumt diese Norm allen Beschäftigten, d.h. auch Beamten unter den dargelegten Voraussetzungen Urlaubsabgeltungsansprüche ein, die die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht verankern müssen. Solange sie diese Umsetzungspflicht nicht erfüllen, stellt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG die unmittelbare Anspruchsgrundlage dar.

33

3. In Anwendung dieser Grundsätze gilt für den Kläger Folgendes:

34

Für das Jahr 2007 standen dem Kläger bei einem Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und einer 5-Tage-Woche 20 Urlaubstage zu. In diesem Jahr hat der Kläger sieben Urlaubstage und den sog. Arbeitszeitverkürzungstag nach der Arbeitszeitverordnung RP genommen. Eine Freistellung nach der Arbeitszeitverordnung steht funktional einem Urlaubstag nach der Urlaubsverordnung (UrlVO RP) gleich. Deshalb ist sie im Rahmen des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG wie ein Urlaubstag zu behandeln. Damit hat der Kläger acht Urlaubstage genommen und standen ihm für 2007 noch 12 Tage Mindesturlaub zu.

35

Für das Jahr 2008 standen dem Kläger 20 Mindesturlaubstage zu. In diesem Jahr ist er aber zum Ende des Monats Juli in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Deshalb stand ihm der unionsrechtliche Mindesturlaub nur anteilig, d.h. für 11 2/3 Urlaubstage zu; die Privilegierung des § 9 Satz 3 UrlVO RP, wonach der Jahresurlaub voll gewährt wird, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in der zweiten Jahreshälfte in den Ruhestand versetzt wird, erstreckt sich nicht auf den unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 RL 2003/88/EG. Der Bruchteil eines Urlaubstages ist in die Urlaubsentgeltberechnung einzubeziehen. Die Heranziehung einer nationalstaatlichen Regelung, wonach ein bei der Urlaubsberechnung verbleibender Teil eines Tages als Guthaben auf die Arbeitszeit angerechnet wird (vgl. § 8 Abs. 6 UrlVO RP), kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil Urlaubsabgeltung voraussetzt, dass der Beamte nicht mehr im Dienst ist, so dass mangels Arbeitspflicht auch eine Anrechnung auf ein Arbeitszeitguthaben nicht möglich ist.

36

Insgesamt steht dem Kläger deshalb ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 23 2/3 Tage zu, der auf der Basis der Besoldung der letzten drei Monate vor Eintritt in den Ruhestand zu berechnen ist.

37

Im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Anrechnung der Urlaubsabgeltung bei den Versorgungsbezügen nach den Regelungen des Vorteilsausgleichs, § 53 BeamtVG, nicht in Betracht kommt.

(1) In der schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Leistungserbringer sind zu regeln:

1.
Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen der Eingliederungshilfe (Leistungsvereinbarung) und
2.
die Vergütung der Leistungen der Eingliederungshilfe (Vergütungsvereinbarung).

(2) In die Leistungsvereinbarung sind als wesentliche Leistungsmerkmale mindestens aufzunehmen:

1.
der zu betreuende Personenkreis,
2.
die erforderliche sächliche Ausstattung,
3.
Art, Umfang, Ziel und Qualität der Leistungen der Eingliederungshilfe,
4.
die Festlegung der personellen Ausstattung,
5.
die Qualifikation des Personals sowie
6.
soweit erforderlich, die betriebsnotwendigen Anlagen des Leistungserbringers.
Soweit die Erbringung von Leistungen nach § 116 Absatz 2 zu vereinbaren ist, sind darüber hinaus die für die Leistungserbringung erforderlichen Strukturen zu berücksichtigen.

(3) Mit der Vergütungsvereinbarung werden unter Berücksichtigung der Leistungsmerkmale nach Absatz 2 Leistungspauschalen für die zu erbringenden Leistungen unter Beachtung der Grundsätze nach § 123 Absatz 2 festgelegt. Förderungen aus öffentlichen Mitteln sind anzurechnen. Die Leistungspauschalen sind nach Gruppen von Leistungsberechtigten mit vergleichbarem Bedarf oder Stundensätzen sowie für die gemeinsame Inanspruchnahme durch mehrere Leistungsberechtigte (§ 116 Absatz 2) zu kalkulieren. Abweichend von Satz 1 können andere geeignete Verfahren zur Vergütung und Abrechnung der Fachleistung unter Beteiligung der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen vereinbart werden.

(4) Die Vergütungsvereinbarungen mit Werkstätten für behinderte Menschen und anderen Leistungsanbietern berücksichtigen zusätzlich die mit der wirtschaftlichen Betätigung in Zusammenhang stehenden Kosten, soweit diese Kosten unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse beim Leistungserbringer und der dort beschäftigten Menschen mit Behinderungen nach Art und Umfang über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen. Können die Kosten im Einzelfall nicht ermittelt werden, kann hierfür eine Vergütungspauschale vereinbart werden. Das Arbeitsergebnis des Leistungserbringers darf nicht dazu verwendet werden, die Vergütung des Trägers der Eingliederungshilfe zu mindern.

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt eine finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Urlaub.

2

Der 1953 geborene Kläger stand zuletzt als Polizeihauptkommissar im Dienst des beklagten Landes. Er war ab Anfang Juli 2007 ununterbrochen erkrankt. Mit Wirkung vom 1. August 2008 hat ihn der Beklagte wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

3

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab, ihm eine Vergütung für insgesamt 62 Urlaubstage zu zahlen, die er in den Jahren 2007 und 2008 wegen seiner Erkrankung nicht hatte antreten können. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

4

In dem Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts heißt es: Der Kläger habe keinen Urlaubsabgeltungsanspruch nach Bundes- oder Landesrecht. Auch Unionsrecht begründe für Beamte in Deutschland einen solchen Anspruch nicht, denn Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sei bei der nach Art. 15 RL 2003/88/EG gebotenen Vergleichsbetrachtung des Unionsrechts und des Beamtenrechts unanwendbar: Beamte seien im Krankheitsfall erheblich besser abgesichert als andere Beschäftigte, weil sie die vollen Dienstbezüge zeitlich unbegrenzt erhielten und das Beamtenverhältnis nicht wegen Krankheit beendet werden könne.

5

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. März 2010 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Juli 2009 sowie den Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 13. Juni 2008 und dessen Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm für insgesamt 62 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage der Jahre 2007 und 2008 eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor seinem Eintritt in den Ruhestand zu gewähren.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Abweisung der Klage stellt sich aus anderen Gründen zum Teil als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8

1. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass dem Kläger aus nationalem Recht kein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht. Es gibt für Beamte keine normativen Regelungen, die einen solchen Anspruch begründen. Das gilt auch für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Zu Unrecht beruft sich der Kläger insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar angenommen, dass der Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ebenso wie der gesetzliche Mindesturlaub aus den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist, wenn der Zusatzurlaub nicht gewährt werden kann, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war (Urteil vom 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - BAGE 134, 1 ff.; vgl. auch Urteil vom 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - NZA 2012, 514 ff.). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Beamte übertragen werden. Das vom Bundesarbeitsgericht herangezogene Bundesurlaubsgesetz, das in § 7 Abs. 4 eine Urlaubsabgeltung vorsieht, ist auf Beamte nicht anwendbar; deren Ansprüche auf Urlaub und Besoldung richten sich nach den jeweiligen beamtenrechtlichen Gesetzen und Verordnungen, die bislang einen Urlaubsabgeltungsanspruch gerade nicht vorsehen.

9

2. Dem Kläger steht aber nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG) ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung seines unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs von vier Wochen Erholungsurlaub zu. Einen darüber hinausgehenden Anspruch aus Unionsrecht auf Abgeltung von sich aus nationalem Recht ergebenden weiteren Erholungsurlaubstagen, von sog. Arbeitszeitverkürzungstagen und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat er hingegen nicht.

10

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Abgeltung von bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub hergeleitet und auch Voraussetzungen, Umfang und Grenzen dieses Anspruchs bestimmt. Diese Auslegung des Unionsrechts ist für die nationalen Gerichte und damit auch für das Bundesverwaltungsgericht bindend (Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV).

11

a) Es ist in der Rechtsprechung des EuGH seit langem geklärt, dass auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der RL 2003/88/EG sind. Das gilt grundsätzlich auch für Polizisten, die insoweit mit Feuerwehrleuten vergleichbar sind, für die der EuGH mehrfach ausgesprochen hat, dass sie der Arbeitszeitrichtlinie unterfallen (EuGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - Rs. C-52/04 - Slg. 2005, I-7111 Rn. 57 ff.; Urteil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Neidel - ABl EU 2012, Nr. C 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688 Rn. 22). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (vgl. etwa Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 20 ff. ) und hat auch für Polizisten bereits darauf hingewiesen, dass Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG, auf den Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG zur Bestimmung ihres Anwendungsbereichs Bezug nimmt, nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist und nicht etwa Streitkräfte, Feuerwehr oder Polizei generell, sondern nur für bestimmte in diesen Sektoren wahrgenommene besondere Aufgaben wie etwa bei Natur- oder Technologiekatastrophen und schweren Unglücksfällen von der Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie ausnimmt (Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 20).

12

b) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand (vgl. § 21 Nr. 4 Beamtenstatusgesetz, § 30 Nr. 4 BBG) eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG. Dem Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.) ist zu entnehmen, dass der EuGH der konkreten nationalstaatlichen Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses keine Bedeutung beimisst, sondern für allein maßgeblich hält, dass mit der krankheitsbedingten Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses keine Dienstleistungspflicht und deshalb auch keine Urlaubsmöglichkeit mehr besteht. Deshalb ist es unionsrechtlich ohne Bedeutung, dass sich nach deutschem Beamtenrecht an das (aktive) Beamtenverhältnis ein Ruhestandsbeamtenverhältnis anschließt.

13

c) Entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts hindert Art. 15 RL 2003/88/EG die Anwendung von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bei deutschen Beamten nicht.

14

Nach Art. 15 RL 2003/88/EG bleibt u.a. das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Der EuGH hat bereits zu der insoweit wortgleichen Vorgängerrichtlinie RL 93/104/EG entschieden, dass unabhängig von günstigeren nationalstaatlichen Regelungen die praktische Wirksamkeit der durch die Arbeitszeitrichtlinie verliehenen Rechte in vollem Umfang gewährleistet werden müsse, was notwendig die Verpflichtung impliziere, die Einhaltung jeder der in dieser Richtlinie aufgestellten Mindestvorschriften zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 - Rs. C-14/04, Dellas - Slg. 2005, I-10253 Rn. 53).

15

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 15 RL 2003/88/EG somit eine Meistbegünstigungsklausel, die nur den Einzelvergleich, nicht aber die vom Berufungsgericht angestellte strukturelle Gesamtbetrachtung zulässt. Er schließt damit eine Anwendung des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG nur dann aus, wenn die mitgliedstaatlichen Regelungen über die Abgeltung krankheitsbedingt nicht genommenen Erholungsurlaubs bei Beendigung der Berufstätigkeit über den von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gewährleisteten Mindeststandard hinausgehen. Das ist aber bei deutschen Beamten nicht der Fall, weil sie gerade - wovon auch das Oberverwaltungsgericht ausgeht - nach nationalem Recht mangels entsprechender gesetzlicher Regelung keinen Urlaubsabgeltungsanspruch haben, also auch dann nicht, wenn sie Erholungsurlaub krankheitsbedingt nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand nehmen können. Auf die vom Berufungsgericht herangezogenen, für die Beamten günstigeren Regelungen im Falle der zur dauernden Dienstunfähigkeit führenden Krankheit im Vergleich zu den Regelungen für andere Beschäftigte in Deutschland kommt es deshalb nicht an.

16

Bestätigt wird dies durch das Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.). Der EuGH hat den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ausdrücklich auf Beamte erstreckt, obwohl das Vorlagegericht die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts ausführlich dargestellt hatte.

17

d) Der Urlaubsabgeltungsanspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Beschäftigte im Urlaubsjahr teilweise arbeits- bzw. dienstfähig war, in dieser Zeit den Urlaub aber nicht oder nicht vollständig genommen hat. Das gilt sowohl für das Jahr, in dem die längerfristige Dienstunfähigkeit beginnt, als auch für das Jahr oder für die Jahre, in dem oder in denen der Betreffende vorübergehend wieder dienstfähig war. In beiden Fällen kann der Beschäftigte krankheitsbedingt und damit unabhängig von seinem Willensentschluss den ihm zustehenden (Mindest)Urlaub nach Eintritt in den Ruhestand nicht mehr nehmen. Aus der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88 EG gibt es keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung dieser Bestimmung.

18

e) Der Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ist allerdings auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr beschränkt. Der EuGH hat im Urteil vom 3. Mai 2012 (a.a.O. Rn. 35 ff.) hervorgehoben, dass die Arbeitszeitrichtlinie sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt; es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den Beamten weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren sowie ob und unter welchen Voraussetzungen sie eine finanzielle Vergütung für den Fall vorsehen, dass einem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche krankheitsbedingt nicht haben zugute kommen können. Deshalb sind Urlaubstage, die über den nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisten Mindesturlaub hinausgehen, nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erfasst.

19

Das gilt auch für sog. Arbeitszeitverkürzungstage, die der Sache nach zusätzliche Erholungsurlaubstage sind, und für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Auch eine Privilegierung für Urlaub nach nationalem Recht, wonach einem Beschäftigten bei einem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst etwa im Laufe der zweiten Jahreshälfte der Jahresurlaub ungeschmälert zusteht, schlägt nicht auf die unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche nach Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG durch. Dies folgt aus dem Charakter dieser Ansprüche als Mindeststandard und findet außerdem einen normativen Anhaltspunkt in Art. 4 Abs. 1 und Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub. Danach ist der Urlaubsanspruch "im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit während dieses Jahres" gegeben; nach dem sechsten Erwägungsgrund der RL 2003/88/EG hat diese Richtlinie den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeit Rechnung getragen.

20

f) Der Urlaubsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG verfällt, wenn er über einen zu langen Zeitraum nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres nicht genommen wird. Wenn der Übertragungszeitraum eine gewisse zeitliche Grenze überschreitet, kann der Urlaub seinen Zweck als Erholungszeit typischerweise nicht mehr erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - Rs. C-214/10, KHS - NJW 2012, 290 Rn. 33). Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs ist die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs ausgeschlossen.

21

Ein Verfall des Urlaubsanspruchs mit Auswirkungen auf den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch tritt zum einen dann ein, wenn nationalstaatlich ein hinreichend langer Übertragungszeitraum geregelt ist und dieser abgelaufen ist. Hinreichend lang ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein Übertragungszeitraum, wenn er deutlich länger als das Urlaubsjahr, also deutlich länger als ein Jahr ist; ein Übertragungszeitraum muss den Beschäftigten, die während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeits- bzw. dienstunfähig sind, ermöglichen, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant sowie verfügbar sein können, und er muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten (EuGH, Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41). Einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten hat der EuGH gebilligt (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 40 ff.).

22

Gibt es keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelungen, dann tritt auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ein Verfall des Urlaubsanspruches 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein. Der EuGH leitet aus dem Umstand, dass die RL 2003/88/EG nach ihrem sechsten Erwägungsgrund den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat, her, dass bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub ergibt, berücksichtigt werden muss. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Diese Vorschrift beruht nach der Rechtsprechung des EuGH auf der Erwägung, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41 f.). Das rechtfertigt die Annahme, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt.

23

g) Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat.

24

h) Bei der Berechnung des Betrags, der dem Beamten für jeden nicht genommenen Urlaubstag als Urlaubsabgeltung zusteht, ist auf die Besoldung abzustellen, die der Beamte in den letzten drei Monaten vor Eintritt in den Ruhestand erhalten hat.

25

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Anknüpfungspunkt für die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG das gewöhnliche Arbeitsentgelt. Dies ist bei Beamten die Besoldung (vgl. § 1 Abs. 2 BBesG; EuGH, Urteil vom 20. Januar 2009 - Rs. C-350/06 und 520/06, Schultz-Hoff - Slg. 2009, I-179 Rn. 61). Der Beschäftigte soll also dasjenige bekommen, was er bekommen hätte, wenn er den Urlaub während seiner aktiven Dienstzeit genommen hätte. Das ist im Falle eines Beamten die Besoldung, die während des Urlaubs weitergezahlt worden wäre. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 RL 2003/88/EG ist angesichts der Rechtsprechung des EuGH unerheblich, dass die Besoldung Alimentationscharakter hat und daher während der Krankheit zeitlich unbegrenzt weitergezahlt wird.

26

Im Hinblick darauf, dass die finanzielle Abgeltung nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erst nach der "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" gezahlt werden darf und der während der Krankheit aufgelaufene, nicht verjährte Mindestjahresurlaub im Fall der Gesundung noch hätte genommen werden dürfen, die finanzielle Abgeltung des Urlaubs mithin erst am Ende der aktiven Dienstzeit eintritt, ist auf die Besoldung vor dem Eintritt in den Ruhestand abzustellen. Dabei erscheint es sachgerecht, auf die letzten drei Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand als hinreichend langen Referenzzeitraum (vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - Rs. C-155/10, Williams - ABl EU 2011 Nr. C 319, 7 Rn. 21 ff.), abzustellen, um die Auswirkungen zufälliger Schwankungen der Besoldung zu verringern.

27

i) Ein Antragserfordernis für den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG besteht nicht. Ein Antragserfordernis wäre mit dem Effektivitätsgrundsatz des Unionsrechts nicht vereinbar. Das hat der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167) für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit entschieden (Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 25 ). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

28

j) Der unionsrechtliche Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren, § 195 BGB, die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 Abs. 1 BGB.

29

Der EuGH hat mehrfach ausgesprochen, dass die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht vorhanden sind. Allerdings dürfen die Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei nur innerstaatliches Recht betreffenden Verfahren (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Zum Effektivitätsgrundsatz hat der EuGH entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. EuGH, Urteile vom 17. November 1998 - Rs. C-228/96, Aprile - Slg. 1998, I-7164 Rn. 19 und vom 11. Juli 2002 - Rs. C-62/00, Marks & Spencer - Slg. 2002, I-6348 Rn. 35, jeweils m.w.N.). Auch der Senat bejaht die Möglichkeit der Verjährung bei sich aus Unionsrecht ergebenden Ansprüchen und hat beispielsweise für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren angenommen (Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 41 f.). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

30

k) Nach der Rechtsprechung des EuGH kann der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmten Maßgaben unmittelbar aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend machen.

31

Richtlinien bedürfen zwar grundsätzlich der Umsetzung durch den dafür zuständigen nationalen Gesetzgeber, um innerstaatliche Verbindlichkeit für den Bürger zu erlangen. Für den Fall der nicht fristgerechten oder unvollständigen Umsetzung einer Richtlinie durch den Mitgliedstaat hat nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH der Einzelne das Recht, sich vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat trotz entgegenstehendem nationalen Recht auf durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtungen zu berufen, wenn diese klar und unbedingt sind und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsakts mehr bedürfen (stRspr; EuGH, Urteile vom 5. Oktober 2004 - Rs. C-397/01, Pfeiffer - Slg. 2004, I-08835 Rn. 103 m.w.N. und vom 24. Januar 2012 - Rs. C-282/10, Dominguez - ABl EU 2012, Nr. C 73, 2 Rn. 33; BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 687/85 - BVerfGE 75, 223 <239 ff.>). Bei einer nicht fristgerechten Umsetzung einer Richtlinie sind Behörden und Gerichte aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu lassen (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 19).

32

Diese Voraussetzungen hat der EuGH für Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bejaht. Nach der bindenden Rechtsprechung des EuGH räumt diese Norm allen Beschäftigten, d.h. auch Beamten unter den dargelegten Voraussetzungen Urlaubsabgeltungsansprüche ein, die die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht verankern müssen. Solange sie diese Umsetzungspflicht nicht erfüllen, stellt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG die unmittelbare Anspruchsgrundlage dar.

33

3. In Anwendung dieser Grundsätze gilt für den Kläger Folgendes:

34

Für das Jahr 2007 standen dem Kläger bei einem Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und einer 5-Tage-Woche 20 Urlaubstage zu. In diesem Jahr hat der Kläger sieben Urlaubstage und den sog. Arbeitszeitverkürzungstag nach der Arbeitszeitverordnung RP genommen. Eine Freistellung nach der Arbeitszeitverordnung steht funktional einem Urlaubstag nach der Urlaubsverordnung (UrlVO RP) gleich. Deshalb ist sie im Rahmen des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG wie ein Urlaubstag zu behandeln. Damit hat der Kläger acht Urlaubstage genommen und standen ihm für 2007 noch 12 Tage Mindesturlaub zu.

35

Für das Jahr 2008 standen dem Kläger 20 Mindesturlaubstage zu. In diesem Jahr ist er aber zum Ende des Monats Juli in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Deshalb stand ihm der unionsrechtliche Mindesturlaub nur anteilig, d.h. für 11 2/3 Urlaubstage zu; die Privilegierung des § 9 Satz 3 UrlVO RP, wonach der Jahresurlaub voll gewährt wird, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in der zweiten Jahreshälfte in den Ruhestand versetzt wird, erstreckt sich nicht auf den unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 RL 2003/88/EG. Der Bruchteil eines Urlaubstages ist in die Urlaubsentgeltberechnung einzubeziehen. Die Heranziehung einer nationalstaatlichen Regelung, wonach ein bei der Urlaubsberechnung verbleibender Teil eines Tages als Guthaben auf die Arbeitszeit angerechnet wird (vgl. § 8 Abs. 6 UrlVO RP), kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil Urlaubsabgeltung voraussetzt, dass der Beamte nicht mehr im Dienst ist, so dass mangels Arbeitspflicht auch eine Anrechnung auf ein Arbeitszeitguthaben nicht möglich ist.

36

Insgesamt steht dem Kläger deshalb ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 23 2/3 Tage zu, der auf der Basis der Besoldung der letzten drei Monate vor Eintritt in den Ruhestand zu berechnen ist.

37

Im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Anrechnung der Urlaubsabgeltung bei den Versorgungsbezügen nach den Regelungen des Vorteilsausgleichs, § 53 BeamtVG, nicht in Betracht kommt.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

Die Vorschriften der §§ 59 bis 63 der Zivilprozeßordnung über die Streitgenossenschaft sind entsprechend anzuwenden.

(1) Kann das streitige Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden oder ist die Streitgenossenschaft aus einem sonstigen Grund eine notwendige, so werden, wenn ein Termin oder eine Frist nur von einzelnen Streitgenossen versäumt wird, die säumigen Streitgenossen als durch die nicht säumigen vertreten angesehen.

(2) Die säumigen Streitgenossen sind auch in dem späteren Verfahren zuzuziehen.

(1) Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, so wird der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen der Erben.

(2) Bis zur Auseinandersetzung gelten die Vorschriften der §§ 2033 bis 2041.

Gehört ein Anspruch zum Nachlass, so kann der Verpflichtete nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten und jeder Miterbe nur die Leistung an alle Erben fordern. Jeder Miterbe kann verlangen, dass der Verpflichtete die zu leistende Sache für alle Erben hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt.

(2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Wert der Nebenforderungen maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

(3) Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.