Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 18. Aug. 2015 - 15 A 97/13

ECLI:ECLI:DE:OVGNRW:2015:0818.15A97.13.00
bei uns veröffentlicht am18.08.2015

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 100


(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassu

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(1) Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in so

Informationsfreiheitsgesetz - IFG | § 4 Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses


(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entsche

Informationsfreiheitsgesetz - IFG | § 9 Ablehnung des Antrags; Rechtsweg


(1) Die Bekanntgabe einer Entscheidung, mit der der Antrag ganz oder teilweise abgelehnt wird, hat innerhalb der Frist nach § 7 Abs. 5 Satz 2 zu erfolgen. (2) Soweit die Behörde den Antrag ganz oder teilweise ablehnt, hat sie mitzuteilen, ob und wan

Informationsfreiheitsgesetz - IFG | § 2 Begriffsbestimmungen


Im Sinne dieses Gesetzes ist 1. amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;2. Dritter: jed

Informationsfreiheitsgesetz - IFG | § 6 Schutz des geistigen Eigentums und von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen


Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen darf nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat.

Informationsfreiheitsgesetz - IFG | § 8 Verfahren bei Beteiligung Dritter


(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am A

Informationsfreiheitsgesetz - IFG | § 11 Veröffentlichungspflichten


(1) Die Behörden sollen Verzeichnisse führen, aus denen sich die vorhandenen Informationssammlungen und -zwecke erkennen lassen. (2) Organisations- und Aktenpläne ohne Angabe personenbezogener Daten sind nach Maßgabe dieses Gesetzes allgemein zugäng

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(1) Für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach diesem Gesetz werden Gebühren und Auslagen erhoben. Dies gilt nicht für die Erteilung einfacher Auskünfte. (2) Die Gebühren sind auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes so

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Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden. Fertigarzneimittel sind nicht Zwischenprodukte, die für eine weitere Verarbeitung durch einen Hersteller bestimmt sind.

(2) Blutzubereitungen sind Arzneimittel, die aus Blut gewonnene Blut-, Plasma- oder Serumkonserven, Blutbestandteile oder Zubereitungen aus Blutbestandteilen sind oder als Wirkstoffe enthalten.

(3) Sera sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Absatz 1, die Antikörper, Antikörperfragmente oder Fusionsproteine mit einem funktionellen Antikörperbestandteil als Wirkstoff enthalten und wegen dieses Wirkstoffs angewendet werden. Sera gelten nicht als Blutzubereitungen im Sinne des Absatzes 2 oder als Gewebezubereitungen im Sinne des Absatzes 30.

(4) Impfstoffe sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1, die Antigene oder rekombinante Nukleinsäuren enthalten und die dazu bestimmt sind, beim Menschen zur Erzeugung von spezifischen Abwehr- und Schutzstoffen angewendet zu werden und, soweit sie rekombinante Nukleinsäuren enthalten, ausschließlich zur Vorbeugung oder Behandlung von Infektionskrankheiten bestimmt sind.

(5) Allergene sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1, die Antigene oder Haptene enthalten und dazu bestimmt sind, beim Menschen zur Erkennung von spezifischen Abwehr- oder Schutzstoffen angewendet zu werden (Testallergene), oder Stoffe enthalten, die zur antigenspezifischen Verminderung einer spezifischen immunologischen Überempfindlichkeit angewendet werden (Therapieallergene).

(6) (weggefallen)

(7) (weggefallen)

(8) Radioaktive Arzneimittel sind Arzneimittel, die radioaktive Stoffe sind oder enthalten und ionisierende Strahlen spontan aussenden und die dazu bestimmt sind, wegen dieser Eigenschaften angewendet zu werden; als radioaktive Arzneimittel gelten auch für die Radiomarkierung anderer Stoffe vor der Verabreichung hergestellte Radionuklide (Vorstufen) sowie die zur Herstellung von radioaktiven Arzneimitteln bestimmten Systeme mit einem fixierten Mutterradionuklid, das ein Tochterradionuklid bildet, (Generatoren).

(9) Arzneimittel für neuartige Therapien sind Gentherapeutika, somatische Zelltherapeutika oder biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 324 vom 10.12.2007, S. 121; L 87 vom 31.3.2009, S. 174), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1243 (ABl. L 198 vom 25.07.2019, S. 241) geändert worden ist.

(10) (weggefallen)

(11) (weggefallen)

(12) (weggefallen)

(13) Nebenwirkungen sind schädliche und unbeabsichtigte Reaktionen auf das Arzneimittel. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind Nebenwirkungen, die tödlich oder lebensbedrohend sind, eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären Behandlung erforderlich machen, zu bleibender oder schwerwiegender Behinderung, Invalidität, kongenitalen Anomalien oder Geburtsfehlern führen. Unerwartete Nebenwirkungen sind Nebenwirkungen, deren Art, Ausmaß oder Ergebnis von der Fachinformation des Arzneimittels abweichen.

(14) Herstellen ist das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe.

(15) Qualität ist die Beschaffenheit eines Arzneimittels, die nach Identität, Gehalt, Reinheit, sonstigen chemischen, physikalischen, biologischen Eigenschaften oder durch das Herstellungsverfahren bestimmt wird.

(16) Eine Charge ist die jeweils aus derselben Ausgangsmenge in einem einheitlichen Herstellungsvorgang oder bei einem kontinuierlichen Herstellungsverfahren in einem bestimmten Zeitraum erzeugte Menge eines Arzneimittels.

(17) Inverkehrbringen ist das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere.

(18) Der pharmazeutische Unternehmer ist bei zulassungs- oder registrierungspflichtigen Arzneimitteln der Inhaber der Zulassung oder Registrierung. Pharmazeutischer Unternehmer ist auch, wer Arzneimittel im Parallelvertrieb oder sonst unter seinem Namen in den Verkehr bringt, außer in den Fällen des § 9 Abs. 1 Satz 2.

(19) Wirkstoffe sind Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimitteln als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden oder bei ihrer Verwendung in der Arzneimittelherstellung zu arzneilich wirksamen Bestandteilen der Arzneimittel zu werden.

(20) Ein Hilfsstoff ist jeder Bestandteil eines Arzneimittels, mit Ausnahme des Wirkstoffs und des Verpackungsmaterials.

(21) Xenogene Arzneimittel sind zur Anwendung im oder am Menschen bestimmte Arzneimittel, die lebende tierische Gewebe oder Zellen sind oder enthalten.

(22) Großhandel mit Arzneimitteln ist jede berufs- oder gewerbsmäßige zum Zwecke des Handeltreibens ausgeübte Tätigkeit, die in der Beschaffung, der Lagerung, der Abgabe oder Ausfuhr von Arzneimitteln besteht, mit Ausnahme der Abgabe von Arzneimitteln an andere Verbraucher als Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte oder Krankenhäuser.

(22a) Arzneimittelvermittlung ist jede berufs- oder gewerbsmäßig ausgeübte Tätigkeit von Personen, die, ohne Großhandel zu betreiben, selbstständig und im fremden Namen mit Arzneimitteln handeln, ohne tatsächliche Verfügungsgewalt über die Arzneimittel zu erlangen.

(23) Klinische Prüfung ist eine solche im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG (ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 1; L 311 vom 17.11.2016, S. 25). Keine klinische Prüfung ist eine nichtinterventionelle Studie im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 4 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.

(24) Sponsor ist eine Person, ein Unternehmen, eine Einrichtung oder eine Organisation im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 14 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.

(25) Prüfer ist eine Person im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 15 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014. Hauptprüfer ist eine Person im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 16 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.

(26) Homöopathisches Arzneimittel ist ein Arzneimittel, das nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren hergestellt worden ist. Ein homöopathisches Arzneimittel kann auch mehrere Wirkstoffe enthalten.

(27) Ein mit der Anwendung des Arzneimittels verbundenes Risiko ist

a)
jedes Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten oder die öffentliche Gesundheit,
b)
jedes Risiko unerwünschter Auswirkungen auf die Umwelt.

(28) Das Nutzen-Risiko-Verhältnis umfasst eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko nach Absatz 27 Buchstabe a.

(29) Pflanzliche Arzneimittel sind Arzneimittel, die als Wirkstoff ausschließlich einen oder mehrere pflanzliche Stoffe oder eine oder mehrere pflanzliche Zubereitungen oder eine oder mehrere solcher pflanzlichen Stoffe in Kombination mit einer oder mehreren solcher pflanzlichen Zubereitungen enthalten.

(30) Gewebezubereitungen sind Arzneimittel, die Gewebe im Sinne von § 1a Nr. 4 des Transplantationsgesetzes sind oder aus solchen Geweben hergestellt worden sind. Menschliche Samen- und Eizellen (Keimzellen) sowie imprägnierte Eizellen und Embryonen sind weder Arzneimittel noch Gewebezubereitungen.

(30a) Einheitlicher Europäischer Code oder „SEC“ ist die eindeutige Kennnummer für in der Europäischen Union verteilte Gewebe oder Gewebezubereitungen gemäß Anhang VII der Richtlinie 2006/86/EG der Kommission vom 24. Oktober 2006 zur Umsetzung der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit, der Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und unerwünschter Reaktionen sowie bestimmter technischer Anforderungen an die Kodierung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen (ABl. L 294 vom 25.10.2006, S. 32), die zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2015/565 (ABl. L 93 vom 9.4.2015, S. 43) geändert worden ist.

(30b) EU-Gewebeeinrichtungs-Code ist die eindeutige Kennnummer für Gewebeeinrichtungen in der Europäischen Union. Für den Geltungsbereich dieses Gesetzes gilt er für alle Einrichtungen, die erlaubnispflichtige Tätigkeiten mit Geweben, Gewebezubereitungen oder mit hämatopoetischen Stammzellen oder Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut durchführen. Der EU-Gewebeeinrichtungs-Code besteht gemäß Anhang VII der Richtlinie 2006/86/EG aus einem ISO-Ländercode und der Gewebeeinrichtungsnummer des EU-Kompendiums der Gewebeeinrichtungen.

(30c) EU-Kompendium der Gewebeeinrichtungen ist das Register, in dem alle von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union genehmigten, lizenzierten, benannten oder zugelassenen Gewebeeinrichtungen enthalten sind und das die Informationen über diese Einrichtungen gemäß Anhang VIII der Richtlinie 2006/86/EG in der jeweils geltenden Fassung enthält. Für den Geltungsbereich dieses Gesetzes enthält das Register alle Einrichtungen, die erlaubnispflichtige Tätigkeiten mit Geweben, Gewebezubereitungen oder mit hämatopoetischen Stammzellen oder Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut durchführen.

(30d) EU-Kompendium der Gewebe- und Zellprodukte ist das Register aller in der Europäischen Union in Verkehr befindlichen Arten von Geweben, Gewebezubereitungen oder von hämatopoetischen Stammzellen oder Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut mit den jeweiligen Produktcodes.

(31) Rekonstitution eines Fertigarzneimittels ist die Überführung in seine anwendungsfähige Form unmittelbar vor seiner Anwendung gemäß den Angaben der Packungsbeilage oder im Rahmen der klinischen Prüfung nach Maßgabe des Prüfplans.

(32) Verbringen ist jede Beförderung in den, durch den oder aus dem Geltungsbereich des Gesetzes. Einfuhr ist die Überführung von unter das Arzneimittelgesetz fallenden Produkten aus Drittstaaten, die nicht Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, in den zollrechtlich freien Verkehr. Produkte gemäß Satz 2 gelten als eingeführt, wenn sie entgegen den Zollvorschriften in den Wirtschaftskreislauf überführt wurden. Ausfuhr ist jedes Verbringen in Drittstaaten, die nicht Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind.

(33) Anthroposophisches Arzneimittel ist ein Arzneimittel, das nach der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis entwickelt wurde, nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren oder nach einem besonderen anthroposophischen Zubereitungsverfahren hergestellt worden ist und das bestimmt ist, entsprechend den Grundsätzen der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis angewendet zu werden.

(34) Eine Unbedenklichkeitsstudie ist jede Studie zu einem zugelassenen Arzneimittel, die durchgeführt wird, um ein Sicherheitsrisiko zu ermitteln, zu beschreiben oder zu quantifizieren, das Sicherheitsprofil eines Arzneimittels zu bestätigen oder die Effizienz von Risikomanagement-Maßnahmen zu messen.

(35) (weggefallen)

(36) Das Risikomanagement-System umfasst Tätigkeiten im Bereich der Pharmakovigilanz und Maßnahmen, durch die Risiken im Zusammenhang mit einem Arzneimittel ermittelt, beschrieben, vermieden oder minimiert werden sollen; dazu gehört auch die Bewertung der Wirksamkeit derartiger Tätigkeiten und Maßnahmen.

(37) Der Risikomanagement-Plan ist eine detaillierte Beschreibung des Risikomanagement-Systems.

(38) Das Pharmakovigilanz-System ist ein System, das der Inhaber der Zulassung und die zuständige Bundesoberbehörde anwenden, um insbesondere den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen, und das der Überwachung der Sicherheit zugelassener Arzneimittel und der Entdeckung sämtlicher Änderungen des Nutzen-Risiko-Verhältnisses dient.

(39) Die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation ist eine detaillierte Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems, das der Inhaber der Zulassung auf eines oder mehrere zugelassene Arzneimittel anwendet.

(40) Ein gefälschtes Arzneimittel ist ein Arzneimittel mit falschen Angaben über

1.
die Identität, einschließlich seiner Verpackung, seiner Kennzeichnung, seiner Bezeichnung oder seiner Zusammensetzung in Bezug auf einen oder mehrere seiner Bestandteile, einschließlich der Hilfsstoffe und des Gehalts dieser Bestandteile,
2.
die Herkunft, einschließlich des Herstellers, das Herstellungsland, das Herkunftsland und den Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen oder den Inhaber der Zulassung oder
3.
den in Aufzeichnungen und Dokumenten beschriebenen Vertriebsweg.

(41) Ein gefälschter Wirkstoff ist ein Wirkstoff, dessen Kennzeichnung auf dem Behältnis nicht den tatsächlichen Inhalt angibt oder dessen Begleitdokumentation nicht alle beteiligten Hersteller oder nicht den tatsächlichen Vertriebsweg widerspiegelt.

(42) EU-Portal ist das gemäß Artikel 80 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 auf EU-Ebene eingerichtete und unterhaltene Portal für die Übermittlung von Daten und Informationen im Zusammenhang mit klinischen Prüfungen.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.

(2) Der Antragsteller soll über den Abschluss des jeweiligen Verfahrens informiert werden.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.

(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.

(1) Die Bekanntgabe einer Entscheidung, mit der der Antrag ganz oder teilweise abgelehnt wird, hat innerhalb der Frist nach § 7 Abs. 5 Satz 2 zu erfolgen.

(2) Soweit die Behörde den Antrag ganz oder teilweise ablehnt, hat sie mitzuteilen, ob und wann der Informationszugang ganz oder teilweise zu einem späteren Zeitpunkt voraussichtlich möglich ist.

(3) Der Antrag kann abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits über die begehrten Informationen verfügt oder sich diese in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann.

(4) Gegen die ablehnende Entscheidung sind Widerspruch und Verpflichtungsklage zulässig. Ein Widerspruchsverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung ist auch dann durchzuführen, wenn die Entscheidung von einer obersten Bundesbehörde getroffen wurde.

(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.

(2) Der Antragsteller soll über den Abschluss des jeweiligen Verfahrens informiert werden.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.

(2) Der Antragsteller soll über den Abschluss des jeweiligen Verfahrens informiert werden.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.

(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.

(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.

(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.

(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.

(2) Der Antragsteller soll über den Abschluss des jeweiligen Verfahrens informiert werden.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.

(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.

(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.

(2) Der Antragsteller soll über den Abschluss des jeweiligen Verfahrens informiert werden.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.

(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen darf nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.

(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.

(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.

(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.

(2) Der Antragsteller soll über den Abschluss des jeweiligen Verfahrens informiert werden.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.

(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.

(2) Der Antragsteller soll über den Abschluss des jeweiligen Verfahrens informiert werden.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.


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Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

§ 3 Nummern 3 und 6, § 16a Absätze 1 bis 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik in der zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung vom 1. April 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 499) geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

1

Der Normenkontrollantrag betrifft die Vereinbarkeit von Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz - GenTG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1993, BGBl I S. 2066; zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2542) mit dem Grundgesetz. Angegriffen werden Regelungen über die Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), über das Standortregister (§ 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG), über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG), welche auf das Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts (im Folgenden: Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 - GenTNeuOG 2004) vom 21. Dezember 2004 (BGBl I 2005 S. 186) und das Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung (im Folgenden: Gentechnikänderungsgesetz 2008 - GenTÄndG 2008) vom 1. April 2008 (BGBl I S. 499) zurückgehen.

I.

2

1. Die gezielte Neukombination des genetischen Materials von Lebewesen mit technischen Methoden (Gentechnik; vgl. BTDrucks 11/5622, S. 19) eröffnet die Möglichkeit, planmäßig Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um Organismen mit erwünschten Eigenschaften zu erzeugen, die mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht herstellbar wären. Dementsprechend ist ein gentechnisch veränderter Organismus im Sinne des Gentechnikgesetzes ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt (§ 3 Nr. 3 GenTG).

3

Der Normenkontrollantrag betrifft vornehmlich den Einsatz von Gentechnik bei Kulturpflanzen sowohl zu kommerziellen Zwecken, etwa in der Landwirtschaft und der Saatgutproduktion, als auch zu Forschungszwecken. Durch diese umgangssprachlich als "grüne" Gentechnik bezeichnete Anwendung sollen agronomisch wünschenswerte Ergebnisse wie Produktivitätssteigerungen oder Reduktionen von Umweltbeeinträchtigungen erzielt werden. Pflanzen sollen beispielsweise ernährungsphysiologische Vorteile und einen besseren Geschmack erhalten, eine längere Lagerfähigkeit aufweisen, Rohstoffe liefern oder Arzneimittel produzieren. Risiken und Chancen dieser Nutzung der Gentechnik sind umstritten und nicht abschließend geklärt. Durch den Transfer von Genmaterial auch über Artgrenzen hinweg können einerseits wünschenswerte Eigenschaften gezielt beeinflusst werden, andererseits besteht das Risiko, dass es zu unerwünschten Nebenfolgen kommt. Indem gentechnisch veränderte Organismen zu experimentellen Zwecken oder in Form von kommerziellen Produkten in die Umwelt ausgebracht werden, können sie sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten. Diese Auswirkungen können unumkehrbar sein.

4

Vor diesem Hintergrund dient eine umfangreiche Gesetzgebung dazu, die mit dem gezielten Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt verbundenen Risiken zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu kontrollieren und sowohl eine Grundlage für den Einsatz der neuen Technologie zu schaffen als auch die Interessen der gentechnikfreien Landwirtschaft zu wahren. Wesentliche rechtliche Vorgaben des Unionsgesetzgebers sind festgelegt in der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl EG Nr. L 106, S. 1; im Folgenden: Richtlinie 2001/18/EG) und der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl EU Nr. L 268, S. 1; im Folgenden: Verordnung Nr. 1829/2003).

5

Bundesrechtliche Grundlage für das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt sind in erster Linie das 1990 in Kraft getretene und nachfolgend mehrfach geänderte Gentechnikgesetz und dessen Bestimmungen über Freisetzungen solcher Organismen und das Inverkehrbringen von Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen.

6

2. Das am 4. Februar 2005 in Kraft getretene Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 beruht auf einer im Mai 2004 in den Bundestag eingebrachten Gesetzesvorlage der Bundesregierung (BTDrucks 15/3088). Nach einer ersten Lesung, Überweisung an die Ausschüsse und Durchführung einer Expertenanhörung empfahl der federführende Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft die Annahme des Entwurfs der Bundesregierung in einer vom Ausschuss geänderten Fassung (BTDrucks 15/3344). Insbesondere waren zustimmungspflichtige Teile aus der Gesetzesvorlage herausgenommen worden, um eine zügige Verabschiedung des Gesetzes mit den materiellen Regelungen zu gewährleisten. Den Ländervollzug betreffende Verfahrensvorschriften sollten in einem späteren, zustimmungspflichtigen Gesetz vorgelegt werden. In der Ausschussfassung wurde der Gesetzentwurf vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 15/115, S. 10517 B). Der Bundesrat rief den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes an (Bundesrat, Plenarprotokoll, 802. Sitzung, S. 361 D) und legte nach Abschluss des Verfahrens gegen das Gesetz Einspruch ein (Bundesrat, Plenarprotokoll, 805. Sitzung, S. 544 A; BTDrucks 15/4159). Der Bundestag wies den Einspruch zurück (Plenarprotokoll 15/143, S. 13338 D). Das Gesetz wurde am 21. Dezember 2004 ausgefertigt und im Februar 2005 im Bundesgesetzblatt verkündet.

7

Schwerpunkt des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 war die Umsetzung der Richtlinie 2001/18/EG und die Gewährleistung einer Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen.

8

a) Mit einer Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG, Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c GenTNeuOG 2004) wollte der Gesetzgeber auf der Grundlage von Art. 2 Nr. 2 und 4 der Richtlinie 2001/18/EG klarstellen, dass insbesondere auch Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderter Organismen im Sinne des § 3 Nr. 3 GenTG darstellen (BTDrucks 15/3344, S. 39) und, selbst wenn sie auf eine genehmigte Freisetzung zurückgehen, unter den Begriff des Inverkehrbringens im Sinne des § 3 Nr. 6 GenTG und damit in den Anwendungsbereich des Gentechnikgesetzes2 Abs. 1 Nr. 4 GenTG) und seiner Vorschriften über das Inverkehrbringen fallen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 56). Hintergrund war die vor dem Inkrafttreten des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 umstrittene Frage, ob Produkte aus konventioneller Produktion, die infolge eines unbeabsichtigten Eintrages von gentechnisch veränderten Organismen Eigenschaften aufweisen, die auf gentechnischen Veränderungen beruhen, einer gentechnikrechtlichen Genehmigung bedürfen, wenn sie in Verkehr gebracht werden sollen.

9

b) Auf der Grundlage von Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG, eingefügt durch Art. 43 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, sollte durch mehrere Instrumente das unbeabsichtigte Vorhandensein von gentechnisch veränderten Organismen in anderen Produkten verhindert und eine Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen gewährleistet werden. Damit verbunden war das Anliegen, die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu sichern und jenseits der Risikodiskussion zu einer gesellschaftlichen Befriedung zu gelangen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass der großflächige Anbau einer gentechnisch veränderten Kulturpflanze ebenso wie eine Freisetzung in kleinerem Maßstab zu Auskreuzungen auf benachbarte Grundstücke führen und damit Wirtschaftsteilnehmer betreffen kann, die auf den Einsatz von Gentechnik verzichten wollen oder nach den geltenden Vorschriften über den ökologischen Landbau und die Kennzeichnung von ökologisch erzeugten Produkten verzichten müssen. Um diesen Entwicklungen in der Land- und Lebensmittelwirtschaft Rechnung zu tragen, wurde der Koexistenzbelang als Gesetzeszweck aufgenommen (§ 1 Nr. 2 GenTG). Zweck des Gentechnikgesetzes gemäß § 1 GenTG ist nunmehr,


10

1. unter Berücksichtigung ethischer Werte, Leben und Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter vor schädlichen Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen und Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren zu treffen,

11

2. die Möglichkeit zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel, konventionell, ökologisch oder unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können,

12

3. den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen.

13

Das Ziel der Gewährleistung der Koexistenz wurde mit den angegriffenen Bestimmungen über das Standortregister, über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen weiter konkretisiert.

14

aa) Zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben aus Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG und als Beitrag zur Sicherung der Koexistenz wurde ein Standortregister eingerichtet (§ 16a GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004). Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 GenTG werden in dem vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als zuständiger Bundesoberbehörde (vgl. § 31 Satz 2 GenTG) geführten Standortregister die gemeldeten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen für das gesamte Bundesgebiet zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit erfasst. Soll eine genehmigte Freisetzung durchgeführt werden, so hat der Betreiber (vgl. § 3 Nr. 7 GenTG) spätestens drei Werktage vor der Durchführung die Freisetzung, die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, das Grundstück der Freisetzung und die Größe der Freisetzungsfläche und den Freisetzungszeitraum dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu melden (§ 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GenTG). Soll eine zugelassene gentechnisch veränderte Pflanze angebaut werden, muss der Bewirtschafter (vgl. § 3 Nr. 13a GenTG) dieses Vorhaben spätestens drei Monate vor dem Anbau dem Bundesamt melden sowie die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche mitteilen (§ 16a Abs. 3 Satz 1 und 2 GenTG). Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen (§ 16a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3 GenTG). Das Standortregister ist zum Teil allgemein zugänglich. Auskünfte über die Bezeichnung und - im Fall des Anbaus - der spezifische Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße werden durch automatisierten Abruf über das Internet erteilt (§ 16a Abs. 4 GenTG). Über die im Übrigen nicht allgemein zugänglichen Informationen wird grundsätzlich Auskunft erteilt, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat (§ 16a Abs. 5 GenTG). Zur Gewährleistung von Datensicherheit und Datenschutz sind dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu treffen (§ 16a Abs. 6 Satz 1 GenTG). Die Daten des Bundesregisters werden nach Ablauf von 15 Jahren nach ihrer erstmaligen Speicherung gelöscht (§ 16a Abs. 6 Satz 2 GenTG).

15

bb) Als weiterer Beitrag zur Gewährleistung der Koexistenz wurden eine Vorsorgepflicht und Anforderungen an die gute fachliche Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen eingeführt (§ 16b GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004), wodurch Einträge dieser Organismen vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden sollen. § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG verpflichtet denjenigen zur Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange, der mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen, auf näher bestimmte Art und Weise umgeht oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt. Die Erfüllung der Vorsorgepflicht nach § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG wird für die Bereiche des Umgangs mit gentechnisch veränderten Pflanzen und der Haltung von gentechnisch veränderten Tieren durch Bestimmungen über eine gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 2 und 3 GenTG präzisiert. Gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG in seiner bis zum 4. April 2008 geltenden Fassung (im Folgenden: § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F.) waren Handlungen ausdrücklich unzulässig, soweit aufgrund der Umstände des Einzelfalles die Erreichung der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange nicht gewährleistet war. Ergänzend zu den Verhaltenspflichten des § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG trifft § 16b Abs. 4 GenTG eine Regelung über die zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderliche Eignung von Person und Ausstattung desjenigen, der zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken mit den Produkten umgeht. Der vorliegend nicht angegriffene § 16b Abs. 5 GenTG verpflichtet denjenigen, der die Produkte in den Verkehr bringt, eine Produktinformation mitzuliefern, die neben den Bestimmungen der Genehmigung auch Angaben zur Erfüllung der Pflichten nach § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG enthalten muss. Der ebenfalls nicht beanstandete § 16b Abs. 6 GenTG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung einzelne Aspekte zu § 16b Abs. 3, 4 und 5 GenTG näher zu regeln. § 16a und § 16b GenTG finden auch Anwendung, wenn das Inverkehrbringen durch Rechtsvorschriften geregelt ist, die den Bestimmungen des Gentechnikgesetzes über Freisetzung und Inverkehrbringen vorgehen (vgl. § 14 Abs. 2 GenTG).

16

cc) Das private Nachbarrecht wurde schließlich durch eine Regelung über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen konkretisiert und ergänzt, um sicherzustellen, dass bei wesentlichen Nutzungsbeeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen ein zivilrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch besteht (§ 36a GenTG, Art. 1 Nr. 24 GenTNeuOG 2004).

17

(1) Im privaten Nachbarrecht kann ein Eigentümer von dem Störer gemäß § 1004 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB - in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002, BGBl I S. 42 und 2909, BGBl I 2003, S. 738) die Beseitigung oder die Unterlassung einer Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird oder eine künftige Beeinträchtigung zu besorgen ist. Gemäß § 1004 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Eigentümer jedoch zur Duldung verpflichtet und sein Abwehranspruch ausgeschlossen, wenn die Benutzung seines Grundstücks durch die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und durch ähnliche grenzüberschreitende Einwirkungen nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Eigentümer auch eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. In diesem Fall kann der Eigentümer aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein allgemeiner nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß § 1004 Abs. 1, § 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGHZ 155, 99<102 f.> m.w.N.). Die Vorschrift des § 906 BGB konkretisiert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im öffentlichen Nachbarrecht den Maßstab dessen, was ein Grundstückseigentümer oder -besitzer bei Immissionen von hoher Hand entschädigungs- und schadensersatzlos hinnehmen muss (BGHZ 91, 20<21 f.>; 97, 97 <104>). Vor Einführung des § 36a GenTG war umstritten, ob und inwieweit nach dieser Maßgabe Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf benachbarte Flächen als mögliche "ähnliche Einwirkung" im Sinn von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB Abwehr- und Ausgleichsansprüche auslösen können.

18

(2) Mit § 36a GenTG ist nunmehr festgelegt, dass die in den §§ 1004, 906 BGB geregelten Duldungs-, Abwehr- und Ausgleichsansprüche sowohl für die Übertragung der auf gentechnischen Arbeiten beruhenden Eigenschaften eines Organismus wie für sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen gelten (§ 36a Abs. 1 GenTG).

19

(a) In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG wird der Anwendungsbereich von § 906 BGB hinsichtlich der dort verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe der "wesentlichen Beeinträchtigung" durch die Benutzung eines anderen Grundstücks (§ 36a Abs. 1 GenTG), der einem Grundstücksbenutzer "wirtschaftlich zumutbaren" Maßnahmen zur Verhinderung einer Beeinträchtigung (§ 36a Abs. 2 GenTG) und der "ortsüblichen" Benutzung eines Grundstücks (§ 36a Abs. 3 GenTG) konkretisiert.

20

Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen insbesondere dann eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinn von § 906 BGB dar, wenn die Erzeugnisse des betroffenen Nutzungsberechtigten deswegen nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG) oder ihre beabsichtigte Vermarktung aufgrund der geltenden Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten nur eingeschränkt möglich oder ausgeschlossen ist (§ 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG). Soweit in den einzelnen Fallgruppen Schwellenwerte bestehen, etwa für die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel, sollen diese maßgeblicher Bezugspunkt für die Frage sein, ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist (BTDrucks 15/3088, S. 31). Die in § 36a Abs. 1 GenTG aufgezählten Fälle sind nicht abschließend; wertungsmäßig vergleichbare Fälle sollen entsprechend in die Regelung einbezogen werden (BTDrucks 15/3344, S. 41). Wenn kein Fall des § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und auch keine vergleichbare Beeinträchtigung vorliegt, ist der Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbarflächen unwesentlich und darf gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verboten werden.

21

§ 36a Abs. 2 GenTG knüpft an § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB an, wonach eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden ist, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Gemäß § 36a Abs. 2 GenTG gilt die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 GenTG als wirtschaftlich zumutbar in diesem Sinne.

22

§ 36a Abs. 3 GenTG modifiziert das Kriterium der Ortsüblichkeit im Sinn von § 906 BGB dahingehend, dass es für die Beurteilung nicht darauf ankommt, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.

23

(b) § 36a Abs. 4 GenTG ergänzt das private Nachbarrecht um eine Regelung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises. § 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG enthält eine Ursachenvermutung nach dem Vorbild von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, die zu einer gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer möglicher Verursacher nach § 840 Abs. 1 BGB führt. § 36a Abs. 4 Satz 2 GenTG bestimmt den Vorrang der anteiligen Haftung, soweit eine jeweils nur anteilige Verursachung mehrerer Nachbarn feststeht und eine Aufteilung des Ausgleichs nach § 287 ZPO möglich ist.

24

3. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 beruht ebenfalls auf einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung. Diese brachte im Oktober 2007 Entwürfe für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes (BTDrucks 16/6814) und für die Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes (BTDrucks 16/6557) in den Bundestag ein. Nach einer ersten Lesung und Überweisung an die Ausschüsse wurde der Gesetzentwurf auf Empfehlung des federführenden Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als Artikelgesetz ausgestaltet (BTDrucks 16/7868). Art. 1 des Gesetzes enthielt das zum Teil geänderte Vierte Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes. Art. 2 fügte ein weiteres Gesetz zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes an, in welchem die Maßgaben für die Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" geregelt wurden, und Art. 3 hob die entsprechende Vorgängerregelung in der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung auf. In dieser Textfassung wurde das Gentechnikänderungsgesetz 2008 vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 16/140, S. 14792 B) und passierte unverändert den Bundesrat, der den Vermittlungsausschuss nicht anrief (Bundesrat, Plenarprotokoll, 841. Sitzung, S. 9 C, BRDrucks 52/08). Das Gesetz wurde am 1. April 2008 ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. Sein Artikel 1 ist am 5. April 2008, die Artikel 2 und 3 sind am 1. Mai 2008 in Kraft getreten.

25

Ziel dieser jüngsten Novellierung des Gentechnikrechts war es, Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland zu fördern. Dabei sollten aber der Schutz von Mensch und Umwelt entsprechend dem Vorsorgegrundsatz oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben und die Wahlfreiheit der Landwirte und der Verbraucher sowie die Koexistenz der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen weiterhin gewährleistet werden. Vor diesem Hintergrund wurden Verfahrenserleichterungen für Arbeiten in gentechnischen Anlagen vorgenommen und Ausnahmeregelungen für bestimmte gentechnisch veränderte Organismen ausgedehnt. Eine Verwertung von Produkten, die Anteile von nicht zum Inverkehrbringen zugelassenen Organismen aufweisen, wurde unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen.

26

§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. wurde ersatzlos gestrichen und stattdessen in § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht geregelt (bezüglich § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG im Folgenden: n.F.). Die Pflicht zur Vorsorge muss nunmehr hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachtet werden, als dieser durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder auf Anfrage des Vorsorgepflichtigen die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient (§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F.). Eine zulässige Abweichung von der guten fachlichen Praxis ist der zuständigen Behörde gemäß § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen und nach Maßgabe des neu eingefügten § 16b Abs. 1a GenTG an das Standortregister (§ 16a GenTG) zu melden. Insoweit hat der Bewirtschafter ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2 GenTG spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstücks dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. oder die Tatsache mitzuteilen, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis aufgrund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen (§ 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG). Die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe über Abweichungen von der guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG) wird allgemein zugänglich gemacht. Im Übrigen gilt für die nach § 16b Abs. 1a GenTG erhobenen Daten § 16a GenTG entsprechend (§ 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG).

II.

27

Mit ihrem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 machte die Antragstellerin ursprünglich die Unvereinbarkeit von Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c, Nr. 14 und Nr. 24 GenTNeuOG 2004 mit dem Grundgesetz geltend. Im Hinblick auf das zwischenzeitlich in Kraft getretene Gentechnikänderungsgesetz 2008 rügt sie zuletzt nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 15. Januar 2009 die Unvereinbarkeit von "§ 3 Nr. 3 und 6, § 16a Absätze 1, 3, 4 und 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a GenTG" in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung mit dem Grundgesetz. Soweit die angegriffenen Normen wesentliche Änderungen erfahren haben, stellt die Antragstellerin die alte Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 ausdrücklich nicht mehr zur Überprüfung und wendet sich insbesondere gegen § 16b Abs. 1 GenTG nur in seiner Neufassung nach dem Gentechnikänderungsgesetz 2008. In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin klargestellt, dass § 16b Abs. 1a GenTG Gegenstand der Überprüfung sein soll, soweit der allgemein zugängliche Teil des Standortregisters die auf das betroffene Grundstück des Nachbarn bezogene Angabe umfasst (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG). § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG stellt sie umfänglich und damit auch hinsichtlich solcher Angaben zur Prüfung, die aufgrund des ausdrücklich nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind.

28

Die nach dieser Maßgabe angegriffenen Vorschriften sowie § 16a Abs. 2 GenTG lauten:

29

§ 3

30

Begriffsbestimmungen

31

Im Sinne dieses Gesetzes sind

32

33

3. gentechnisch veränderter Organismus

34

ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt; ein gentechnisch veränderter Organismus ist auch ein Organismus, der durch Kreuzung oder natürliche Rekombination zwischen gentechnisch veränderten Organismen oder mit einem oder mehreren gentechnisch veränderten Organismen oder durch andere Arten der Vermehrung eines gentechnisch veränderten Organismus entstanden ist, sofern das genetische Material des Organismus Eigenschaften aufweist, die auf gentechnische Arbeiten zurückzuführen sind,

35

36

6. Inverkehrbringen

37

die Abgabe von Produkten an Dritte, einschließlich der Bereitstellung für Dritte, und das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes, soweit die Produkte nicht zu gentechnischen Arbeiten in gentechnischen Anlagen oder für genehmigte Freisetzungen bestimmt sind; jedoch gelten

38

a) unter zollamtlicher Überwachung durchgeführter Transitverkehr,

39

b) die Bereitstellung für Dritte, die Abgabe sowie das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes zum Zweck einer genehmigten klinischen Prüfung

40

nicht als Inverkehrbringen,

...

41

§ 16a

42

Standortregister

43

(1) Zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit werden die nach Absatz 2 mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen und die nach Absatz 3 mitzuteilenden Angaben über den Anbau gentechnisch veränderter Organismen in einem Bundesregister erfasst. Das Register wird von der zuständigen Bundesoberbehörde geführt und erfasst die nach Absatz 2 oder Absatz 3 gemeldeten Angaben für das gesamte Bundesgebiet. Das Register muss nach Maßgabe des Absatzes 4 allgemein zugänglich sein.

44

(2) Der Betreiber hat die tatsächliche Durchführung der genehmigten Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen spätestens drei Werktage vor der Freisetzung der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:

45

1. die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus,

46

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

47

3. das Grundstück der Freisetzung sowie die Größe der Freisetzungsfläche,

48

4. den Freisetzungszeitraum.

49

Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen.

50

(3) Der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen ist von demjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, spätestens drei Monate vor dem Anbau der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:

51

1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,

52

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

53

3. den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet,

54

4. das Grundstück des Anbaus sowie die Größe der Anbaufläche.

55

Änderungen in den Angaben sind unverzüglich mitzuteilen.

56

(4) Der allgemein zugängliche Teil des Registers umfasst:

57

1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,

58

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

59

3. das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße.

60

Auskünfte aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers werden im Wege des automatisierten Abrufs über das Internet erteilt.

61

(5) Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers Auskunft auch über die personenbezogenen Daten, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat.

...


62

§ 16b

63

Umgang mit

64

in Verkehr gebrachten Produkten

65

(1) Wer zum Inverkehrbringen zugelassene Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, anbaut, weiterverarbeitet, soweit es sich um Tiere handelt, hält, oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt, hat Vorsorge dafür zu treffen, dass die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange durch die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, durch die Beimischung oder durch sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Er muss diese Pflicht hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachten, als dieser durch schriftliche Vereinbarung mit ihm auf seinen Schutz verzichtet oder ihm auf Anfrage die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient. In der schriftlichen Vereinbarung oder der Anfrage ist der andere über die Rechtsfolgen der Vereinbarung oder die Nichterteilung der Auskünfte aufzuklären und darauf hinzuweisen, dass er zu schützende Rechte Dritter zu beachten hat. Die zulässige Abweichung von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis sind der zuständigen Behörde rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen.

66

(1a) Der Bewirtschafter hat ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2

67

1. die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 oder

68

2. die Tatsache, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis auf Grund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen,

69

der zuständigen Bundesoberbehörde spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstückes mitzuteilen. Der allgemein zugängliche Teil des Registers nach § 16a Abs. 1 Satz 1 umfasst zusätzlich zu der Angabe nach § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe nach Satz 1. Im Übrigen gilt § 16a entsprechend.


70

(2) Beim Anbau von Pflanzen, beim sonstigen Umgang mit Pflanzen und bei der Haltung von Tieren wird die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis erfüllt.

71

(3) Zur guten fachlichen Praxis gehören, soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist, insbesondere

72

1. beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen die Beachtung der Bestimmungen der Genehmigung für das Inverkehrbringen nach § 16 Abs. 5a,

73

2. beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und bei der Herstellung und Ausbringung von Düngemitteln, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, Maßnahmen, um Einträge in andere Grundstücke zu verhindern sowie Auskreuzungen in andere Kulturen benachbarter Flächen und die Weiterverbreitung durch Wildpflanzen zu vermeiden,

74

3. bei der Haltung gentechnisch veränderter Tiere die Verhinderung des Entweichens aus dem zur Haltung vorgesehenen Bereich und des Eindringens anderer Tiere der gleichen Art in diesen Bereich,

75

4. bei Beförderung, Lagerung und Weiterverarbeitung gentechnisch veränderter Organismen die Verhinderung von Verlusten sowie von Vermischungen und Vermengungen mit anderen Erzeugnissen.

76

(4) Wer mit Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, für erwerbswirtschaftliche, gewerbsmäßige oder vergleichbare Zwecke umgeht, muss die Zuverlässigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten und Ausstattung besitzen, um die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erfüllen zu können.

...

77

§ 36a

78

Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen

79

(1) Die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, oder sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dar, wenn entgegen der Absicht des Nutzungsberechtigten wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags Erzeugnisse insbesondere

80

1. nicht in Verkehr gebracht werden dürfen oder

81

2. nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder nach anderen Vorschriften nur unter Hinweis auf die gentechnische Veränderung gekennzeichnet in den Verkehr gebracht werden dürfen oder

82

3. nicht mit einer Kennzeichnung in den Verkehr gebracht werden dürfen, die nach den für die Produktionsweise jeweils geltenden Rechtsvorschriften möglich gewesen wäre.

83

(2) Die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 gilt als wirtschaftlich zumutbar im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

84

(3) Für die Beurteilung der Ortsüblichkeit im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kommt es nicht darauf an, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.

85

(4) Kommen nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls mehrere Nachbarn als Verursacher in Betracht und lässt es sich nicht ermitteln, wer von ihnen die Beeinträchtigung durch seine Handlung verursacht hat, so ist jeder für die Beeinträchtigung verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn jeder nur einen Teil der Beeinträchtigung verursacht hat und eine Aufteilung des Ausgleichs auf die Verursacher gemäß § 287 der Zivilprozessordnung möglich ist.

86

Die Antragstellerin hält diese Vorschriften für materiell verfassungswidrig. Sie trägt im Wesentlichen zur Begründung vor:

87

1. Mit § 36a GenTG habe der Gesetzgeber erheblich in das von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägte, ausgeglichene Haftungsregime der §§ 906, 1004 und 823 BGB eingegriffen und ein über die bislang geltenden Regelungen hinausgehendes Haftungssonderrecht für den Einsatz von Gentechnik geschaffen.§ 36a Abs. 1 GenTG verweise offen und unbestimmt auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten und schaffe damit ein unkalkulierbares und voraussichtlich nicht versicherbares Haftungsrisiko. § 36a Abs. 2 und 3 GenTG schlössen die Ortsüblichkeit einer Nutzung und die wirtschaftliche Zumutbarkeit von Gegenmaßnahmen zu Lasten des Verwenders von Gentechnik aus. Mit § 36a Abs. 4 GenTG werde eine gesamtschuldnerische Haftung ohne Kausalitätsnachweis eingeführt. Der Nachbarschaftsausgleich werde nunmehr regelmäßig nach Maßgabe des bürgerlichrechtlichen Aufopferungsanspruchs analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erfolgen, der häufig auf volle Schadloshaltung gerichtet sei. Verschulden des Verwenders von Gentechnik sei nicht erforderlich, so dass es sich insgesamt um eine verdeckte Gefährdungshaftung handle.

88

a) Diese stehe nicht mit der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der Gentechnik verwendenden Landwirte und Saatguthersteller in Einklang. Die Vorschrift schränke die Freiheit der Berufsausübung gezielt zugunsten des ökologischen Landbaus ein. Sie führe zu Sorgfaltspflichten, die über die Genehmigungsanforderungen und die gute fachliche Praxis hinausgingen, und aufgrund des hohen Haftungsrisikos zu einem faktischen Ausschluss des beruflichen Einsatzes von Gentechnik. Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt.

89

§ 36a Abs. 1 GenTG verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot, da eine wesentliche Beeinträchtigung nicht nur in den aufgezählten, sondern auch in wertungsmäßig vergleichbaren Fällen vorliegen könne, ohne dass die für die Gleichstellung maßgeblichen Gesichtspunkte genannt würden. § 36a Abs. 1 Nr. 3 GenTG verletze das Gebot der Klarheit von Rechtsnormen. Mit der "dynamischen Verweisung" auf Rechtsvorschriften über die nationale Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" und die europäische Produktkennzeichnung mit Bezug auf ökologischen Landbau würden keine klaren Haftungsvoraussetzungen festgelegt. Der Grundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung stehe der Annahme einer wesentlichen Eigentumsbeeinträchtigung durch zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen entgegen. Von diesen gehe kein Risiko für Gesundheit, Umwelt und Eigentum aus. Vielmehr legitimiere die Genehmigung für ein Inverkehrbringen die Verbreitung dieser Organismen im offenen ökologischen System, stelle diese einem natürlichen Organismus gleich und schaffe einen Vertrauenstatbestand zugunsten ihrer Verwender. Der Koexistenzbelang (§ 1 Nr. 2 GenTG) gewährleiste ihre wirtschaftliche Nutzung.

90

Da von dem Anbau zum Inverkehrbringen zugelassener gentechnisch veränderter Organismen keine Gefahr ausgehe, genüge die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des § 36a GenTG nicht den allgemeinen, aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden Anforderungen an Haftungsbestimmungen. Die Haftung für die von vornherein mitbedachten, produktionsbedingten und zufällig eintretenden Folgen des Anbaus müsse jedenfalls durch einen Haftungsfonds oder die Möglichkeit, das Haftungsrisiko zu versichern, gemildert werden. Unverhältnismäßig sei ferner, dass der Verwender von Gentechnik sich weder durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis noch durch ein unabwendbares Ereignis oder ein Mitverschulden des Gläubigers entlasten könne und ihm ein individueller Verursachungsbeitrag nicht nachgewiesen werden müsse.

91

Gemessen an Art. 12 Abs. 1 GG sei § 36a GenTG auch unverhältnismäßig. Die Haftungsregelung wirke wie eine objektive Einschränkung der Berufswahlfreiheit, da Landwirte aufgrund des nicht einschätzbaren Haftungsrisikos den sich herausbildenden Beruf des "GVO-anbauenden Landwirts" meiden würden. Die mit § 36a GenTG verfolgte Zielsetzung, die Wahlfreiheit zwischen gentechnisch veränderten und nicht veränderten Produkten und Produktionsmitteln für Verbraucher und Produzenten zu erhalten und den ökologischen Landbau besonders zu schützen, besitze keinen verfassungsrechtlichen Rang und könne bereits aus diesem Grund die wirtschaftlich erdrosselnde Haftung nicht rechtfertigen. § 36a GenTG sei zur Erreichung des Koexistenzzieles auch weder geeignet noch erforderlich. Denn es werde einseitig der konventionelle und ökologische Landbau geschützt, der gentechnische Landbau jedoch im Wesentlichen verhindert, ohne dass es dieser Haftung bedürfte. Bereits durch die gute fachliche Praxis könnten unbeabsichtigte Auskreuzungen auf das unvermeidbare Maß reduziert werden und eine Haftung sei nur bei Verletzung dieser Bestimmungen geboten. Die Haftung müsse nicht an der Kennzeichnung von Produkten ausgerichtet werden. Man hätte auch einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einrichten können, um die Rahmenbedingungen für die angestrebte Koexistenz zu schaffen. Die Regelung sei zudem nicht angemessen. Das Haftungsrisiko werde einseitig auf die Verwender von Gentechnik verlagert. Hingegen träfen konventionell oder ökologisch arbeitende Landwirte keine Schutz- und Vorsorgepflichten, obwohl gerade Feldbestände in der ökologischen Landwirtschaft eine besondere Empfindlichkeit aufwiesen, die nur aus den Vermarktungsbedingungen für ökologisch erzeugte Produkte resultiere. Damit könne der Geschädigte den Umfang seines Schadensersatzanspruchs nach seinen subjektiven Verwendungswünschen bestimmen. Auch wenn man das nachbarliche Eigentum als zu schützendes Recht ansehe, ergebe sich kein angemessener Ausgleich.

92

b) § 36a GenTG greife ungerechtfertigt in das Eigentum der Verwender von Gentechnik und den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der von der Haftung betroffenen Landwirte und Saatguthersteller ein (Art. 14 Abs. 1 GG). Aufgrund der hohen Sorgfaltspflichten und der nicht einschätzbaren Haftung würden Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen unterbunden und geplante Freisetzungen und kommerzieller Anbau unterlassen. Für das Ziel, die Existenz des ökologischen und konventionellen Anbaus zu sichern und das Eigentum des beeinträchtigten Landwirts zu schützen, sei der Eingriff weder erforderlich noch angemessen. Der Intensität, Tragweite und Schwere des Eingriffs stünden nur geringe Einschränkungen auf Seiten des Nachbarn gegenüber, die einem zufälligen Ereignis gleichzustellen seien. Zudem hätten Landwirtschaftsflächen keinen besonderen sozialen Bezug.

93

c) § 36a GenTG verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Vorschrift führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von gentechnisch wirtschaftenden Landwirten auf der einen und gentechnikfrei wirtschaftenden Landwirten auf der anderen Seite.

94

2. Das in § 16a GenTG geregelte Standortregister verletze die Verwender von Gentechnik in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Indem personenbezogene Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und den Namen, die Anschrift und das Grundeigentum der Betroffenen erhoben und gespeichert würden sowie Dritten - zum Teil öffentlich - zugänglich seien, werde politisch motivierte Feldzerstörung begünstigt und das Eigentum der Verwender von Gentechnik gefährdet. Demgegenüber sei das Standortregister weder geeignet noch erforderlich, um das Ziel der Überwachung etwaiger Auswirkungen verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen auf die Umwelt, die angestrebte Transparenz und die Koexistenz der verschiedenen Anbauformen zu erreichen. Insbesondere wäre dieser Zielsetzung und den Vorgaben des Europarechts bereits mit einer Veröffentlichung der Gemeinde des jeweiligen Standortes Genüge getan. Zur Sicherung der Koexistenz müsse ein berechtigtes Interesse an Auskünften über die nicht allgemein zugänglichen Informationen nur dann anerkannt werden, wenn eine wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung und darüber hinaus substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn drohten.Die Regelungen seien auch nicht angemessen. Transparenz sei kein Wert von Verfassungsrang und könne die Veröffentlichung der genauen Standortdaten gemäß § 16a Abs. 3 Nr. 4 in Verbindung mit § 16a Abs. 4 Nr. 3 GenTG nicht rechtfertigen. Nur durch eine Geheimhaltung der genauen Standortdaten könne der Betroffene zuverlässig vor dem Verlust seines Eigentums und seiner Betriebsmittel geschützt werden. Indem der Staat mit dem Anbauregister gezielt die Möglichkeit eröffne, dass Dritte durch Sachbeschädigungen gegen die Anbauflächen vorgingen, verstoße er gegen seine verfassungsrechtlichen Schutzpflichten. Unangemessen sei ferner, dass Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil gemäß § 16a Abs. 5 GenTG ohne eine vorherige Abwägung des Geheimhaltungsinteresses und des Auskunftsinteresses erteilt werden könnten und zudem die Kriterien für eine Interessenabwägung nicht vorgegeben seien. Schließlich müssten unter dem Gesichtspunkt der Kooperation und Rücksichtnahme die konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte ebenso zur Auskunft verpflichtet werden, denn auch der gentechnisch wirtschaftende Landwirt müsse wissen, ob benachbarte empfindliche Feldbestände aufgebaut und eine gezielte Verdrängung des gentechnischen Landbaus betrieben werde.

95

§ 16a GenTG verletze auch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Der genaue Standort und die Art von gentechnisch veränderten Organismen stellten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar. Diese würden jedenfalls dann durch die Auskunftserteilung aus dem Standortregister nach Maßgabe des § 16a Abs. 4 und 5 GenTG beeinträchtigt, wenn zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen angebaut werden. Der Eingriff sei aus den genannten Gründen unverhältnismäßig.

96

3. Die in § 16b Abs. 1 bis 4 GenTG geregelte Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung seien mit der Berufsfreiheit aller Personen, die verkehrszugelassene gentechnisch veränderte Organismen anbauten, weiterverarbeiteten oder in Verkehr brächten, unvereinbar. Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis (§ 16b Abs. 1 bis 3 GenTG) seien für den bezweckten Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter nicht erforderlich. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter würden durch das Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen ausreichend geschützt. Vorsorgemaßnahmen bräuchten über das zur Sicherung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) Erforderliche auch nicht hinauszugehen. Die mit § 16b Abs. 4 GenTG eingeführten Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Ausstattung kämen einer subjektiven Berufszugangsregelung nahe. Ob jedoch ein wichtiges Gemeinschaftsgut von Verfassungsrang durch den Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen überhaupt betroffen sein könne, sei fraglich. Jedenfalls sei es nicht erforderlich, unabhängig von dem Eintritt einer Gefahr für den Koexistenzbelang und über die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen sowie die nach § 16b Abs. 5 GenTG mitzuliefernde Produktinformation hinaus weitere Anforderungen an die Person und die Ausstattung des Anwenders von gentechnisch veränderten Organismen zu stellen. § 16b Abs. 4 GenTG verletze auch den Bestimmtheitsgrundsatz. Es sei unklar, in welcher Weise die Landwirte den geforderten Nachweis ihrer Fähigkeiten und Ausstattung erbringen können und ob ihre Fähigkeiten abstrakt beurteilt oder durch Inspektionen und Stichprobenkontrollen nachgewiesen würden.

97

4. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG seien im Hinblick auf das Begriffsverständnis des Inverkehrbringens im Zusammenhang mit der Definition des gentechnisch veränderten Organismus mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Denn ein genehmigungspflichtiges Inverkehrbringen liege auch dann vor, wenn ein konventionell oder ökologisch anbauender Landwirt Erzeugnisse abgebe oder bereithalte, die zufällig oder technisch unvermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer genehmigten Freisetzung vermischt worden seien. Es bestünden dann die Abwehr- und Ausgleichsansprüche nach § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG, von denen eine massiv abschreckende Wirkung ausgehe. Dadurch werde insbesondere die Durchführung von Freisetzungsversuchen zum Zweck der Erforschung und Entwicklung transgener Pflanzen durch universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen erheblich erschwert, wenn nicht verhindert. Der Eingriff werde nicht durch entgegenstehende Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt. Dem Koexistenzbelang komme ein solcher Stellenwert nicht zu. Das Eigentum des Nachbarn sei nicht betroffen, da es an einer Substanz- und Gebrauchsbeeinträchtigung fehle. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter seien durch die Freisetzungsgenehmigung hinreichend geschützt. Die Regelung schränke zudem die Berufsfreiheit der an der Forschung beteiligten Unternehmen mit der Wirkung einer objektiven Regelung der Berufswahl ein, ohne dass nachweisbare oder höchstwahrscheinliche, schwere Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut erkennbar seien. Doch auch eine reine Einschränkung der Berufsausübung wäre unverhältnismäßig, da mit der Freisetzungsgenehmigung die Ungefährlichkeit der Organismen für die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter festgestellt sei. Der Gesetzgeber habe auch nicht lediglich zwingende Vorgaben des Europarechts umgesetzt, sondern von einem eigenen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht. Die Richtlinie 2001/18/EG fordere und rechtfertige dieses Begriffsverständnis des Inverkehrbringens nicht. Gleichermaßen zwinge sie nicht zu der Erweiterung des Begriffs "gentechnisch veränderter Organismus".

III.

98

Zu dem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 Stellung genommen haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., das Öko-Institut e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V. und die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V.

99

Im Hinblick auf die Novellierung des Gentechnikrechts durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 haben sich die Bundesregierung, der Deutsche Bauernbund e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. geäußert; der Deutsche Bundestag hat das Protokoll der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 26. November 2007 zur Novelle des Gentechnikgesetzes und der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung sowie die Stellungnahmen der Sachverständigen zu diesem Gesetz übersandt.

100

In der mündlichen Verhandlung haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. ihre Stellungnahmen ergänzt. Geäußert haben sich darüber hinaus die Bundestagsabgeordneten Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) und Miersch (SPD), Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie des Bundesamtes für Naturschutz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V.

101

1. Die Bundesregierung hält die angegriffenen Bestimmungen für verfassungsgemäß. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 wirke sich auf die maßgebenden Rechtsfragen nicht aus.

102

Mit der Neugestaltung des Gentechnikrechts habe der Gesetzgeber die Rechtsstellung aller Beteiligten gestärkt. Das Gesetz fördere die Koexistenz der unterschiedlichen Produktionsmethoden und den verantwortbaren Umgang mit der Gentechnik. Es schütze in angemessener Weise vor möglichen Beeinträchtigungen durch die Gentechnik und stärke dabei die Akzeptanz neuer Techniken. Das Gesetz schaffe einen angemessenen Ausgleich der Grundrechte aller Beteiligten. Dabei schütze es die natürlichen Lebensgrundlagen.

103

a) Der Bund besitze die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11, 17, 20 und 26 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG.

104

b) Die Klarstellung der Begriffe "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG) sei verfassungsgemäß und verletze insbesondere nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG. Zur Sicherung der durch mittelbare Auswirkungen gentechnischer Veränderungen besonders gefährdeten Schutzgüter der Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG und des § 1 GenTG sei es geboten, auch indirekt durch Kreuzung oder natürliche Rekombination entstandene Organismen in den Begriff "gentechnisch veränderter Organismus" einzubeziehen sowie als "Inverkehrbringen" auch die von einer Freisetzungsgenehmigung nicht gedeckte Abgabe von Produkten zu verstehen, die unbeabsichtigt mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer benachbarten Freisetzung vermischt wurden. Demgegenüber seien die Forschung und die Berufsausübung im Zusammenhang mit der Gentechnik weiterhin angemessen möglich; insbesondere könnten gegen unerwünschte Auswirkungen geeignete Vorkehrungen getroffen werden. Vor dem Hintergrund der zuvor streitigen Rechtslage würden die Präzisierungen in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG der Rechtssicherheit dienen und darüber hinaus den verbindlichen europarechtlichen Vorgaben aus Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2001/18/EG entsprechen.

105

c) Das Standortregister (§ 16a GenTG) gewährleiste angemessenen Datenschutz. Es diene dazu, den Schutz- und Vorsorgezweck (§ 1 Nr. 1 GenTG) und das Koexistenzprinzip (§ 1 Nr. 2 GenTG) zu verwirklichen und durch Information der Öffentlichkeit eine Transparenz zu schaffen, die letztlich auch zur Akzeptanz einer verantwortbaren Gentechnik und zur Befriedung beitrage. Diese Rechtsgüter und Belange fänden ihre Grundlage in verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechten und Staatszielbestimmungen. Die angegriffenen Bestimmungen seien zur Zweckerreichung geeignet, angemessen und erforderlich. Aufgrund der erhobenen Angaben über geplante Freisetzungen und den geplanten Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (§ 16a Abs. 2 und 3 GenTG) könnten Gefahrenlagen erkannt, Schadensverläufe nachvollzogen, zukünftige Schäden vermieden und Ersatzansprüche leichter durchgesetzt werden. Ohne diese Angaben sei es erheblich schwieriger, wenn nicht unmöglich, Einträge zu vermeiden oder ihren Verlauf, ihre Ursachen und ihre Wirkungen festzustellen.Demgegenüber sei die ohne erheblichen Aufwand mögliche Mitteilung der Angaben zumutbar. Die Ausgestaltung der Zugänglichkeit zum Standortregister gewährleiste einen angemessenen Schutz von personenbezogenen Daten und Geschäftsgeheimnissen. Insbesondere bleibe die Anonymität personenbezogener Daten im allgemein zugänglichen Teil des Registers gewahrt. Die Kenntnis der genauen Standortangabe und der weiteren allgemein zugänglichen Informationen (§ 16a Abs. 4 GenTG) sei für alle potentiell Betroffenen erforderlich, um ihre Rechtsgüter zu schützen. Vor diesem Hintergrund sei es den Betroffenen nicht zumutbar, zunächst ein überwiegendes Interesse an der Auskunft darzulegen. Zudem überwiege das Informationsinteresse der konventionell wirtschaftenden Nachbarn regelmäßig das Geheimhaltungsinteresse angesichts der von Gentechnik potentiell ausgehenden Gefahren. Auch wäre der erforderliche Verwaltungsaufwand für eine Mitteilung der flurstückgenauen Standortangabe im Antragsverfahren unverhältnismäßig hoch. Der Gesetzgeber dürfe hier typisieren Schließlich sei das Register zur Wahrung des Koexistenzprinzips erforderlich; insbesondere könnten Betroffene ihrerseits Schutzmaßnahmen treffen. Dies läge gerade auch im Interesse des Verwenders von Gentechnik.Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (§ 16a Abs. 5 GenTG) dürften nur aufgrund einer Abwägung des berechtigten Interesses des Antragstellers mit den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen erteilt werden. Wenn es im Einzelfall Anhaltspunkte dafür gebe, dass gewaltbereite Gentechnikgegner Felder der Betroffenen verwüsten würden, sei dies zu berücksichtigen.

106

d) Die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an Person und Ausstattung beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) würden die Berufsausübung in Einklang mit Art. 12 Abs. 1 GG regeln und mit gut nachvollziehbaren Verpflichtungen Rechtssicherheit schaffen. Die Vorsorgepflicht diene dem Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG beschriebenen hochrangigen Rechtsgüter. Die einzelnen Maßnahmen entsprächen dem, was für den verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und in Teilbereichen auch mit Erzeugnissen allgemein erforderlich sei und könnten mit den in Betrieben vorhandenen technischen Möglichkeiten bewältigt werden. Die Regelungen seien hinreichend bestimmt und verhältnismäßig. Auch nach Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen müsse der Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter in der weiteren Praxis im Rahmen des vernünftig Möglichen gewährleistet bleiben. Die näheren Vorgaben zur guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 3 GenTG) stünden allerdings ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass sie zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderlich seien. Auch die Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Fähigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG) seien zum Schutz der überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter zumutbar und Sachkundenachweise bei vergleichbaren Tätigkeiten ohnehin üblich. Mit geringeren Anforderungen sei die Einhaltung der guten fachlichen Praxis im Einzelfall nicht sicherzustellen; eine großflächige staatliche Überwachung wäre insoweit nicht durchführbar und eine zusätzliche Belastung für die Betroffenen.

107

e) Das in § 36a GenTG geschaffene Haftungssystem diene dem Grundsatz der Koexistenz unterschiedlicher Produktionsweisen. Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbargrundstücke seien durch die bisher bekannten Maßnahmen grundsätzlich nicht vollständig zu vermeiden. Anwender müssten aber geeignete Maßnahmen treffen, um solche Einträge einzudämmen. Die Konkretisierung der zivilrechtlichen Unterlassungs- und Haftungsregelungen in § 36a GenTG sei ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zur Erreichung dieses legitimen Zweckes. § 36a GenTG füge sich in das geltende deutsche Nachbar- und Haftungsrecht ein. Ein Verzicht auf Maßnahmen zur Eindämmung von Einträgen auf Nachbargrundstücke berge die Gefahr, dass nicht veränderte Organismen von gentechnisch veränderten Organismen verdrängt würden. Dann würde eine Koexistenz nicht mehr bestehen und unzulässig in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte eingegriffen. Die damit gegebene Lastenverteilung schütze zwar spezifisch die konventionelle und ökologisch arbeitende Landwirtschaft. Dies entspreche aber der Wertentscheidung des Gesetzgebers und den europarechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Vergleichbarkeit von gentechnisch veränderten und konventionellen Produkten.

108

Es sei verfassungsrechtlich auch unbedenklich, wenn nicht zwingend, den Anwender von Gentechnik mit Maßnahmen zur Verhinderung von Einträgen und der Haftung für dadurch erfolgte Einträge zu belasten.

109

Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Die Bestimmung der Ortsüblichkeit (§ 36a Abs. 3 GenTG) differenziere bereits nicht, sondern erfasse alle Eigentümer und Produzenten gleichermaßen. Im Übrigen folge die Zuordnung der Haftung Unterschieden zwischen den Betroffenen von großem Gewicht, welche die unterschiedlichen Haftungsrisiken rechtfertige.

110

Mit § 36a Abs. 1 GenTG habe der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums normiert (Art. 14 Abs. 1 GG). Dynamische Verweisungen auf außerhalb des Gentechnikgesetzes festgelegte Standards seien zulässig und der Begriff "insbesondere" entspreche dem Bestimmtheitserfordernis. Soweit es letztlich zu einer Gefährdungshaftung komme, sei diese ein allgemein anerkanntes Prinzip. Gentechnisch veränderte Kulturen stünden aufgrund der in aller Regel auftretenden Auskreuzungen und Einträge in andere Kulturen in einem besonders ausgeprägten Sozialbezug. Die Präzisierung der wesentlichen Beeinträchtigung in § 36a Abs. 1 GenTG und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit in § 36a Abs. 2 GenTG sichere die Grundrechte der Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG und sei Konsequenz der staatlichen Schutzpflicht für die Grundrechte der Nachbarn. Auch der Betrieb ökologischer und konventioneller Landwirtschaft stelle insoweit einen von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Beruf dar.

111

§ 36a Abs. 4 GenTG normiere eine zulässige und systemgerechte Vermutung der Verursachung. Die Beweislastverteilung stimme mit den herkömmlichen Regeln überein und die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer möglicher Verursacher entspreche der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung für nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche. Die Verteilung der Verantwortung sei verfassungsgemäß. Ein Grundstückseigentümer müsse für die von seinem Grundstück ausgehenden Gefahren einstehen, auch wenn er diese weder verursacht noch verschuldet habe. Der Gesetzgeber sei insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 20a GG verpflichtet, Dritte oder die Allgemeinheit angemessen vor den von einem Grundstück ausgehenden Gefahren zu schützen. Die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Geschädigten (§ 254 BGB) bleibe möglich. Für einen Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt bestehe nach der zugrunde liegenden Risikoverteilung kein Raum, zumal sich in der Übertragung von gentechnisch veränderten Organismen auf ein benachbartes Grundstück nur das typische Risiko ihrer Verwendung realisiere. Auch sei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen weder verpflichtet, eine Haftungshöchstgrenze einzuführen oder einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einzurichten, noch müsse jedes Haftungsrisiko versicherbar sein.

112

2. Die Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und des Bundesamtes für Naturschutz haben zu bestehenden gesundheitlichen und ökologischen Risiken sowie zu Nachteilen für die gentechnikfreie Landwirtschaft Stellung genommen.

113

3. Der Deutsche Bauernbund e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., das Öko-Institut e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. treten dem Normenkontrollantrag entgegen.

114

4. Der Deutsche Bauernverband e.V., der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V., die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V. unterstützen den Normenkontrollantrag.

B.

115

Soweit die Antragstellerin § 16b Abs. 1a GenTG zur Überprüfung stellt, ist der Normenkontrollantrag unzulässig; die Vorschrift ist jedoch wegen ihres engen Regelungszusammenhanges zu § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen (I). Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig (II). Darüber hinaus ist § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung einzubeziehen (III).

I.

116

Der Normenkontrollantrag ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG zu begründen. Hierzu ist substantiiert darzutun, aus welchen rechtlichen Erwägungen die angegriffene Norm mit welcher höherrangigen Norm für unvereinbar gehalten wird (vgl. Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 76 Rn. 61 ; Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 76 Rn. 35). Diese Anforderungen sind in Bezug auf § 16b Abs. 1a GenTG nicht gewahrt. Die Antragstellerin hat mit ihrem letzten Antrag vom 15. Januar 2009, wie sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, § 16b Abs. 1a GenTG in das Verfahren einbezogen, ohne ihre Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz darzulegen. Damit ist § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG nicht genügt.

117

§ 16b Abs. 1a GenTG ist gleichwohl wegen des bestehenden Regelungszusammenhanges zu § 16a GenTG von Amts wegen auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Verfassungswidrigkeit von § 16b Abs. 1a GenTG auf zulässigerweise angegriffene Bestimmungen ausstrahlt oder die Norm notwendiger Bestandteil einer Gesamtregelung ist (vgl. BVerfGE 39, 96 <106>; 40, 296 <309 f.>; 109, 279 <374>). So liegt es hier. Der Umfang und die Tragweite der über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilenden und zu verarbeitenden Angaben erschließt sich erst, wenn die ergänzende Bestimmung in § 16b Abs. 1a GenTG in die Betrachtung einbezogen wird. Die nach § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden und zu veröffentlichenden Angaben werden erst im Kontext der Angaben nach § 16a Abs. 1, 3 und 4 GenTG verständlich.

II.

118

Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig. Die Frage nach dem erforderlichen objektiven Interesse an einer Klärung der Verfassungsmäßigkeit der früheren Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 stellt sich nicht mehr, nachdem die Antragstellerin klargestellt hat, dass sie nur die Unvereinbarkeit der nach dem Inkrafttreten des Gentechnikänderungsgesetzes 2008 bestehenden Rechtslage mit dem Grundgesetz rügt (vgl. hierzu BVerfGE 110, 33 <45> m.w.N.).

III.

119

Über den Normenkontrollantrag hinaus ist auch § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einzubeziehen. Dies ist wegen des inneren Zusammenhangs der angegriffenen Bestimmungen über die nach § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG mit dem nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG notwendig.

C.

120

Der Normenkontrollantrag ist nicht begründet. § 3 Nr. 3 und 6, § 16a Abs. 1, 2, 3, 4 und 5, § 16b Abs. 1, 1a, 2, 3 und 4 sowie § 36a GenTG in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

I.

121

Die angegriffenen Vorschriften sind formell verfassungsgemäß.

122

1. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass der angegriffenen Normen folgt aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG a.F.) und in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG n.F.).

123

a) Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl I S. 3146) in das Grundgesetz eingefügt, um den Bund mit einer klaren Zuständigkeitsgrundlage für den Bereich der Gentechnologie bezogen auf Menschen, Tiere und Pflanzen mit Ausnahme der künstlichen Befruchtung auszustatten (vgl. BTDrucks 12/6000, S. 34 f.; BTDrucks 12/6633, S. 9).

124

Der Kompetenztitel ist weit zu verstehen. Er deckt neben der Humangentechnik auch die Gentechnik in Bezug auf Tiere und Pflanzen und begründet eine umfassende Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Regelung des Rechts der Gentechnik. Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG umfasst daher nicht nur Vorschriften, die Forschung und Entwicklung unter Einsatz gentechnischer Verfahren betreffen, sondern auch sonstige die Verwendung von und den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen regelnde Normen. Danach bewegen sich nicht nur die angegriffenen Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), sondern auch die rechtlich und funktional in das Gentechnikrecht eingebetteten Bestimmungen über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG) und über das Standortregister (§ 16a GenTG) sowie die Ergänzung und Konkretisierung der zivilrechtlichen Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG) in den Grenzen der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG.

125

Ein anderes Verständnis würde zu einer Zersplitterung des Gentechnikrechts in Kernkompetenzen des Bundes nach Art. 72 Abs. 1 GG sowie Erforderlichkeitskompetenzen und Abweichungskompetenzen nach Art. 72 Abs. 2 und Abs. 3 GG in ihrer seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung führen. Eine solche Differenzierung liefe dem Anliegen des verfassungsändernden Gesetzgebers zuwider, den Bund durch die Einführung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG mit einer hinreichend klaren Zuständigkeit für das Gebiet der Gentechnik auszustatten.

126

b) Die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG a.F. und des Art. 72 Abs. 2 GG n.F. liegen vor. Unter Beachtung der dem Gesetzgeber zukommenden Einschätzungsprärogative (vgl. BVerfGE 111, 226 <255> m.w.N.) ist eine bundeseinheitliche Regelung vorliegend im gesamtstaatlichen Interesse jedenfalls zur Wahrung der Rechtseinheit (vgl. BVerfGE 111, 226 <253 f.> m.w.N.) erforderlich.

127

2. Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 und das Gentechnikänderungsgesetz 2008 sind auch ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Zustimmung des Bundesrates zu diesen Gesetzen war nicht notwendig.

128

a) Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 bedurfte insbesondere nicht deshalb der Zustimmung des Bundesrates, weil der in den Bundestag ursprünglich eingebrachte Regierungsentwurf im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in das hier zu prüfende, nicht zustimmungsbedürftige Gesetz und in Bestimmungen über das Verwaltungsverfahren der Länder aufgeteilt wurde (vgl. Art. 84 Abs. 1 2. Halbsatz GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung), welche nachträglich in einem zustimmungsbedürftigen Gesetz verankert werden sollten (vgl. BVerfGE 105, 313 <338> m.w.N.).

129

b) Mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 wurden zwar auch von den Landesbehörden zu beachtende Verfahrensvorschriften novelliert. Gemäß Art. 84 Abs. 1 GG in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 84 Abs. 1 GG n.F.) wird den Belangen der Länder nunmehr jedoch durch die Möglichkeit zur abweichenden Gesetzgebung nach Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG n.F. Rechnung getragen. Weil der Bund vorliegend das Recht zur Abweichungsgesetzgebung für das Verwaltungsverfahren nicht nach Maßgabe von Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. durch eine ausdrückliche Regelung ausgeschlossen hat, bedurfte es auch keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 6 GG n.F. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 ursprünglich zustimmungspflichtige Verfahrensvorschriften geändert wurden. Eine Zustimmungspflicht wurde hierdurch nicht ausgelöst, weil die Änderungen ihrerseits keinen Abweichungsausschluss nach Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. enthalten.

II.

130

Die angegriffenen Vorschriften sind materiell verfassungsgemäß.

131

1. Das Bundesverfassungsgericht kann über den Antrag ohne Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV entscheiden. Zwar wollte der Gesetzgeber insbesondere mit der Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sowie mit der Einrichtung des Standortregisters gemäß § 16a GenTG entsprechende Vorgaben aus Art. 2 Nr. 2 und 4 und Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG umsetzen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 26). Nachdem jedoch sämtliche angegriffenen Vorschriften mit dem Grundgesetz vereinbar sind, kommt es auf die Auslegung gemeinschafts- beziehungsweise unionsrechtlicher Bestimmungen nicht entscheidungserheblich an. Eine Vorlage ist in diesem Fall weder geboten noch zulässig (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. -, NJW 2010, S. 833 <835> Rn. 185).

132

2. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und mit der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit vereinbar.

133

a) Mit der Möglichkeit, gezielt Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um erwünschte Eigenschaften von Organismen zu erzeugen, wie es mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht möglich wäre, greift die Gentechnik in die elementaren Strukturen des Lebens ein. Die Folgen solcher Eingriffe lassen sich, wenn überhaupt, nur schwer wieder rückgängig machen. Die Ausbreitung einmal in die Umwelt ausgebrachten gentechnisch veränderten Materials ist in Abhängigkeit von zahlreichen Faktoren nur schwer oder auch gar nicht begrenzbar. Auf der anderen Seite birgt die Forschung und Produktion von gentechnisch veränderten Organismen auch erhebliche Chancen. Vor allem können mit Hilfe solcher Organismen größere Ernteerträge erzielt und die Resistenz von Pflanzen gegen Schädlinge oder Krankheiten erhöht werden.

134

Neben den Chancen der Gentechnik sind die gesundheitlichen und ökologischen Risiken und insbesondere auch Nachteile für die gentechnikfreie Landwirtschaft zu bedenken. Eine gentechnische Modifikation kann zu verschiedenen nicht beabsichtigten Effekten führen, die sich nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf die landwirtschaftliche Anbaupraxis auswirken können. So sind gegebenenfalls auch konventionell oder ökologisch angebaute Kulturen - bei zufälligem oder technisch nicht zu vermeidendem Vorkommen von gentechnisch veränderten Organismen oberhalb der im europäischen Recht festgesetzten Toleranzschwelle - entsprechend zu kennzeichnen. Auch kann eine Kennzeichnung mit Bezug auf eine ökologische beziehungsweise biologische Produktion oder mit dem noch strengeren Vorgaben unterliegenden Hinweis "Ohne Gentechnik" unzulässig werden. Dadurch bedingt kann der Marktpreis von Erzeugnissen gemindert oder der Absatz erschwert werden. Außerdem können Produzenten zusätzliche Kosten entstehen, weil sie Überwachungssysteme und Maßnahmen zur Minimierung der Vermischung von genetisch veränderten und nicht veränderten Kulturen einführen müssen.

135

Angesichts einer hochkontroversen gesellschaftlichen Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern der Anwendung von Gentechnik bei Kulturpflanzen und eines noch nicht endgültig geklärten Erkenntnisstandes der Wissenschaft insbesondere bei der Beurteilung von Ursachenzusammenhängen und langfristigen Folgen eines solchen Einsatzes von Gentechnik trifft den Gesetzgeber auf diesem Gebiet eine besondere Sorgfaltspflicht. Der Gesetzgeber muss bei der Rechtsetzung nicht nur die von der Nutzung der Gentechnik einerseits und deren Regulierung andererseits betroffenen Interessen, welche insbesondere durch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), die Freiheit der Wissenschaft (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützt werden, in Ausgleich bringen. Sondern er hat gleichermaßen den in Art. 20a GG enthaltenen Auftrag zu beachten, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen (vgl. BVerfGE 118, 79 <110>). Dieser Auftrag kann sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Risikovorsorge gebieten. Zu den nach dieser Maßgabe von Art. 20a GG geschützten Umweltgütern gehören auch die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Sicherung eines artgerechten Lebens bedrohter Tier- und Pflanzenarten.

136

b) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen nicht Art. 12 Abs. 1 GG.

137

aa) Bei den angegriffenen Vorschriften handelt es sich um Definitionen, die im Zusammenwirken mit weiteren Normen zu Grundrechtseingriffen führen können. Die Freiheit der Berufsausübung ist mittelbar berührt. In der Klarstellung, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderte Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind, hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass das Gentechnikgesetz auch in diesen Fällen als rechtlicher Rahmen für die Berufsausübung unter Einsatz von Gentechnik dient und sich damit auf das Gentechnikgesetz gestützte Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG auch auf diese erstrecken.

138

bb) Soweit in die Freiheit der Berufsausübung mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.

139

Die angegriffenen Änderungen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG dienen legitimen Zielen des Gemeinwohls. Sie bezwecken nicht nur eine begriffliche Klarstellung vor dem Hintergrund einer zuvor umstrittenen Rechtslage und dienen damit der Rechtssicherheit, sondern sie stellen auch sicher, dass das Gentechnikgesetz (§ 3 Nr. 3 GenTG) und die besonderen Bestimmungen über das Inverkehrbringen von Produkten (§ 3 Nr. 6 GenTG) möglichst umfassend und insbesondere auch auf die Zufallsnachkommen von legal freigesetzten gentechnisch veränderten Organismen Anwendung finden. Damit dienen die Änderungen den legitimen Zwecken des Gentechnikgesetzes aus § 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und dem Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG).

140

Bei einer Beschränkung der Definition des gentechnisch veränderten Organismus in § 3 Nr. 3 GenTG und damit des Anwendungsbereichs des Gentechnikgesetzes auf gezielt und unmittelbar herbeigeführte gentechnische Veränderungen wären die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von vornherein von jeder gentechnikrechtlichen Kontrolle freigestellt. Dies betrifft nicht nur das Inverkehrbringen (§§ 14 ff., § 16d GenTG), sondern auch den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG), ihre Beobachtung (§ 16c GenTG), ihre Kennzeichnung (§ 17b GenTG), die Mitteilungspflichten der Betreiber und sonstiger Beteiligter (§ 21 GenTG) und die behördlichen Befugnisse (§§ 20, 25, 26, 28 ff. GenTG). Der bezweckte Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange wäre jedoch durch das allgemeine, nicht auf Risikovorsorge, sondern auf Gefahrenabwehr ausgerichtete Polizei- und Ordnungsrecht nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet. Der Gesetzgeber durfte auch die Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen im Allgemeinen und die durch zufällige Auskreuzung entstandenen gentechnisch veränderten Organismen im Besonderen als mit einem allgemeinen Risiko behaftet ansehen und sie mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 GenTG den gentechnikrechtlichen Vorschriften unterstellen. Die Annahme eines solchen "Basisrisikos" (vgl. Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 7. November 2007 - 1 B 33/07 -, juris Rn. 76; VG Hannover, Urteil vom 1. Oktober 2008 - 11 A 4732/07- , NuR 2009, S. 67 <72>; Mecklenburg, NuR 2006, S. 229 <232>) liegt im Bereich der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und setzt keinen wissenschaftlich-empirischen Nachweis des realen Gefährdungspotentials der gentechnisch veränderten Organismen und ihrer Nachkommen voraus. Denn in einer wissenschaftlich ungeklärten Situation wie der vorliegenden ist der Gesetzgeber befugt, die Gefahrenlagen und Risiken zu bewerten, zumal die geschützten Rechtsgüter verfassungsrechtlich verankert sind und ein hohes Gewicht haben. Insbesondere vermindert der Umstand, dass es sich in den Anwendungsfällen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG um nicht beabsichtigte oder technisch nicht zu vermeidende Vorgänge handeln kann, nicht das mit dem Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt und der Vermarktung gentechnisch veränderter Produkte bestehende Risiko unerwünschter oder schädlicher, gegebenenfalls unumkehrbarer Auswirkungen, das im Sinn einer größtmöglichen Vorsorge beherrscht werden soll (vgl. Erwägungsgründe 4 und 5 der Richtlinie 2001/18/EG). Der Gesetzgeber liefe zudem Gefahr, seiner Verantwortung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) nicht gerecht zu werden, wenn er die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen keiner Kontrolle unterstellen würde.

141

c) Eine Verletzung der Eigentumsfreiheit betroffener Landwirte (Art. 14 Abs. 1 GG) aufgrund der Genehmigungspflicht für das Inverkehrbringen von zufällig oder technisch nicht vermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen verunreinigten Produkten durch § 3 Nr. 3 und 6 GenTG kommt aus diesen Gründen ebenfalls nicht in Betracht.

142

d) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen auch nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.

143

aa) Die Wissenschaftsfreiheit ist allerdings im Zusammenwirken mit anderen Eingriffsnormen des Gentechnikgesetzes berührt. Das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit regelt als wertentscheidende Grundsatznorm das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat und schützt als Abwehrrecht die freie wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe (vgl. BVerfGE 15, 256 <263 f.>; 35, 79 <112>; 95, 193 <209>). In diesen Freiraum des Wissenschaftlers fallen vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen beim Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe (vgl. BVerfGE 35, 79 <112>; 47, 327 <367>; 90, 1 <11 f.>; 111, 333 <354>).

144

Danach ist die Erforschung von gentechnisch veränderten Organismen vom Schutzbereich erfasst, auch soweit lebende Organismen zu experimentellen Zwecken in die Umwelt - sei es im Rahmen von Freisetzungsversuchen oder im Rahmen wissenschaftlich begleiteten Erprobungsanbaus verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen - eingebracht werden und sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten können. Art. 5 Abs. 3 GG ist also auch betroffen, wenn die Forschung außerhalb des geschlossenen Systems stattfindet und die Umwelt einschließlich der Rechtsgüter Dritter in das kontrollierte Experiment einbezieht. Dies gilt jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten.

145

Mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderten Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen im Gegensatz zu den für eine Freisetzung bestimmten Organismen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind. Hiermit hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass wissenschaftliche Freilandversuche und ihre unbeabsichtigten Folgen den Kontroll- und Eingriffsbefugnissen des Staates und der Folgenverantwortung der Forschung nach Maßgabe des Gentechnikgesetzes unterfallen. Er hat die Rahmenbedingungen der Forschung abgesteckt und auf die praktische Durchführung, Fragestellung und Methodik von Forschungsprojekten Einfluss genommen. Selbst wenn man in der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG nur eine Klarstellung dessen sehen wollte, was den Normen zuvor durch Auslegung zu entnehmen war, hätte der Gesetzgeber zumindest eine umstrittene Rechtslage im Sinne dieser Auslegung geklärt und einer anderen Interpretation durch die Gerichte entzogen.

146

bb) Soweit in die Wissenschaftsfreiheit mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.

147

Die Wissenschaftsfreiheit kann, wie andere vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte, aufgrund von kollidierendem Verfassungsrecht beschränkt werden (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 57, 70 <99>), wobei es grundsätzlich hierzu einer gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. BVerfGE 83, 130 <142>; 107, 104 <120>; 122, 89 <107>). Ein Konflikt zwischen verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten ist unter Rückgriff auf weitere einschlägige verfassungsrechtliche Bestimmungen und Prinzipien sowie auf den Grundsatz der praktischen Konkordanz durch Verfassungsauslegung zu lösen (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 122, 89 <107>).

148

Der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener und der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die nicht nur eine Beschränkung der Berufsfreiheit und des Eigentums (vgl. oben b und c), sondern auch der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

149

3. Die Bestimmungen über das Standortregister in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind, soweit sie an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfen, mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) und der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar (a bis d).Nichts anderes gilt, soweit § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen betreffen, die nach dem ebenfalls nicht zu beanstandenden § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind (e).

150

a) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) wird durch die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Vorschriften über das Standortregister nicht verletzt.

151

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194>; 96, 171 <181>; 103, 21 <32 f.>; 113, 29 <46>; 115, 320 <341>). Das Recht gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 67, 100 <143>; 84, 239 <279>; 103, 21 <33>; 115, 320 <341>).

152

aa) Bezugspersonen der im Standortregister gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG erfassten und nach Maßgabe von § 16a Abs. 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG zugänglichen Informationen über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen sind die Bewirtschafter der Anbauflächen und ihre in § 16b Abs. 1a GenTG bezeichneten "Nachbarn". Die Pflicht zur Mitteilung der erforderlichen Angaben an die registerführende Stelle trifft gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG die Bewirtschafter der Anbauflächen.

153

Bewirtschafter ist gemäß § 3 Nr. 13a GenTG "eine juristische oder natürliche Person oder nichtrechtsfähige Personenvereinigung, die die Verfügungsgewalt und tatsächliche Sachherrschaft über eine Fläche zum Anbau von gentechnisch veränderten Organismen besitzt". Nachbar ist, wer nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder die zu seinem Schutz erforderlichen Auskünfte nicht erteilt hat.

154

Handelt es sich bei den Betroffenen um natürliche Personen, sind diese Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Juristische Personen des privaten Rechts sind als Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung anerkannt, soweit dieses Grundrecht auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützt ist (vgl. BVerfGE 118, 168 <203>). Auf diese Unterschiede in der Reichweite des Schutzes zwischen natürlichen und juristischen Personen kommt es im vorliegenden Fall einer abstrakten Normenkontrolle jedoch nicht an, da in jedem Fall auch natürliche Personen betroffen sind und der Schutz juristischer Personen nicht weiter reicht.

155

bb) Gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG werden im Standortregister personenbezogene Daten erfasst.

156

Vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sind nur persönliche oder personenbezogene Daten umfasst (vgl. BVerfGE 118, 168 <184> m.w.N.). Unter personenbezogenen Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen (vgl. BVerfGE 65, 1 <42>).

157

Das trifft zunächst auf die nach § 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben über Namen und Anschrift desjenigen zu, der die Anbaufläche bewirtschaftet und auf entsprechende Informationen zum Nachbarn gemäß § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG. Auskunft über sachliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer Personen erteilen die Angaben über die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften sowie das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2 und 4 GenTG) sowie die grundstücksbezogenen Informationen über eine Einschränkung von Schutzmaßnahmen im Verhältnis zu einem Dritten (§ 16b Abs. 1a GenTG). Die Bezugsperson geht für die registerführende Stelle jeweils aus der Mitteilung, welche die Angaben über die persönlichen und sachlichen Verhältnisse der Betroffenen miteinander verbindet, und der gemeinsamen Speicherung der Daten eindeutig hervor.

158

Auf den Wert oder die Sensibilität eines Datums kommt es dabei nicht an. Zwar beschränken sich Name und Anschrift einer Person auf elementare Informationen, die zur Identifizierung benötigt werden. Auch sind die im allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters erfassten Angaben über die Bezeichnung, den spezifischen Erkennungsmarker und die gentechnisch veränderten Eigenschaften des gentechnisch veränderten Organismus (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2, § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 GenTG) bereits nach internationalem und europäischem Recht zur Bekanntgabe an die Öffentlichkeit vorgesehen und können im Internet insbesondere über das Register für veränderte Organismen der Informationsstelle für biologische Sicherheit ("Biosafety Clearing-House", Art. 20 des Protokolls von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt, BGBl II 2003 S. 1506) und über das Gemeinschaftsregister für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel (Art. 28 der Verordnung Nr. 1829/2003) abgerufen werden. Schließlich sind Lage und Größe einer Anbaufläche regelmäßig öffentlich wahrnehmbar, denn Landwirtschaft wird nicht im privaten, sondern im sozialen Raum betrieben. Die Anbaufläche ist in der Natur allerdings im Allgemeinen weder im Hinblick auf den Bewirtschafter noch in Bezug auf den Anbau eines bestimmten Organismus ohne weiteres bestimmbar. Der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung umfasst jedoch alle Informationen, die über die Bezugsperson etwas aussagen können. Er erstreckt sich auch auf Basisdaten wie Name und Anschrift sowie auf offenkundige oder allgemein zugängliche Informationen. Unter den Bedingungen der automatisierten Datenverarbeitung gibt es grundsätzlich kein "belangloses" Datum mehr (vgl. BVerfGE 65, 1 <45>). Durch ihre Verknüpfung erlangen die im Standortregister erfassten Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einen neuen Stellenwert. Zusammengeführt informieren sie insbesondere darüber, dass ein bestimmter gentechnisch veränderter Organismus auf einer bestimmten Fläche von einer bestimmten Person angebaut wird.

159

cc) Die hier zu prüfenden Bestimmungen über das Standortregister ermächtigen die registerführende Stelle zur Erhebung und Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und greifen damit in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein.

160

Beeinträchtigungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung können insbesondere in der Beschaffung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Informationen liegen.

161

(1) Die Bestimmungen über das Mitteilen (Erheben) und Erfassen (Speichern) der personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a GenTG und über die Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (Weitergabe) in § 16a Abs. 5 GenTG stellen demgemäß einen Grundrechtseingriff dar.

162

(2) Die Erteilung von Auskünften aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers gemäß § 16a Abs. 4 und § 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG über personenbezogene Daten durch den automatisierten Abruf über das Internet stellt eine Sonderform der staatlichen Datenübermittlung und damit eine Form der Datenverarbeitung dar (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchstabe b Bundesdatenschutzgesetz - BDSG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003, BGBl I S. 66). Ist auf diesem Weg die Weitergabe personenbezogener Daten vorgesehen, so liegt darin ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

163

Der Gesetzgeber hat allerdings für den allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters nur Angaben vorgesehen, die sachliche Verhältnisse beschreiben (§ 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG). Informationen über persönliche Verhältnisse wie Name und Anschrift einer Person sind hingegen im nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erfasst und werden vom Gesetzgeber als "personenbezogene Daten" bezeichnet (§ 16a Abs. 5 GenTG). Durch diese Aufteilung verlieren die in das Internet eingestellten Daten jedoch nicht ihren Personenbezug. Dieser besteht fort, solange die Bezugsperson "bestimmbar" oder "individualisierbar" bleibt. Daher ist - unbeschadet der vom Gesetzgeber gewählten Unterscheidung zwischen personenbezogenen Daten in § 16a Abs. 5 GenTG und anderen Daten in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG - für die Frage des Grundrechtseingriffs allein die Grenze zwischen Bestimmbarkeit und Nichtbestimmbarkeit der Bezugsperson entscheidend. Danach können vorliegend personenbezogene Informationen über das Internet abgerufen werden. Es ist davon auszugehen, dass eine unbestimmte Zahl von Empfängern über Zusatzwissen verfügt, das es ihnen ohne großen zeitlichen oder finanziellen Aufwand ermöglicht, die Bezugsperson zu identifizieren. Insbesondere Ortsansässigen kann ohne weiteres bekannt sein, wer welche landwirtschaftlich genutzten Flurstücke in einer Gemarkung bewirtschaftet. Jedenfalls für diese Übermittlungsvorgänge wird die registerführende Stelle durch § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG zur Weitergabe personenbezogener Daten ermächtigt.

164

dd) Der Eingriff ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

165

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben (1) und die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (2). Zudem bedarf der effektive Grundrechtsschutz einer den sachlichen Erfordernissen entsprechenden Ausgestaltung des Verfahrens (3).

166

(1) Die Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gemäß § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG entsprechen dem Gebot der Normklarheit und -bestimmtheit.

167

Dieses Gebot findet im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG selbst. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung grundsätzlich bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (vgl. BVerfGE 100, 313 <359 f., 372>; 110, 33 <53>; 113, 348 <375>; 118, 168 <186 f.>). Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt.

168

Nach § 16a Abs. 1 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG dient die Datenerhebung und Datenverarbeitung dem Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange und dem Zweck der Information der Öffentlichkeit.

169

Das Register wird gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 GenTG von der nach § 31 Satz 2 GenTG zuständigen Bundesoberbehörde geführt, der gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a GenTG die erforderlichen Informationen mitzuteilen sind und die gemäß § 16a Abs. 4 und 5, § 16b Abs. 1a Satz 2 und 3 GenTG die Auskünfte aus dem Register erteilt. In § 16a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und in § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG ist dabei präzise bestimmt, wer welche Angaben wann mitzuteilen hat. Des Weiteren ist in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG angegeben, welche Informationen auf welche Weise aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers abgerufen werden können.

170

§ 16a Abs. 5 (ggf. i.V.m. § 16b Abs. 1a Satz 3) GenTG umschreibt schließlich hinreichend präzise die Voraussetzungen für eine Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers. Soweit der Gesetzgeber sich dabei unbestimmter Rechtsbegriffe bedient hat, steht das Bestimmtheitsgebot dem nicht entgegen. Die Begriffe "berechtigtes Interesse" und "überwiegendes schutzwürdiges Interesse" stehen in dem begrenzenden Kontext der Vorschriften zu dem Standortregister und lassen sich in diesem hinreichend konkretisieren.

171

(2) Die zu prüfenden Regelungen über die Erhebung und Verarbeitung der Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind verhältnismäßig.

172

(a) Mit diesen Bestimmungen verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele. Sie dienen der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, der Schaffung einer angemessenen Transparenz sowie den Zwecken des § 1 GenTG. Sie finden eine verfassungsrechtliche Grundlage insbesondere in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG.

173

Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG dient das Standortregister der Information der Öffentlichkeit. Für die Allgemeinheit soll das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt durch Freisetzungen und Anbau transparent gemacht werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 26). Die Schaffung von Transparenz stellt in diesem Zusammenhang einen eigenständigen und legitimen Zweck der Gesetzgebung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die im Standortregister erfassten und veröffentlichten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen leisten innerhalb der demokratischen, pluralistischen Gesellschaft einen wichtigen Beitrag zum öffentlichen Meinungsbildungsprozess. Der öffentliche Meinungsaustausch und die Einbeziehung der Gesellschaft in diese umweltrelevanten Entscheidungen und ihre Umsetzung schützen nicht nur den Einzelnen, sondern stärken die effektive Kontrolle staatlichen Handelns. Um solche Transparenz herzustellen, ist es legitim, bestimmte Daten der Öffentlichkeit allgemein und insoweit ohne weitere Bindung an bestimmte Zwecke zugänglich zu machen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schließt die Schaffung allgemein öffentlicher Dateien - auch solcher mit Personenbezug - nicht generell aus. Insbesondere entspricht das Standortregister dem hohen Stellenwert, den die Richtlinie 2001/18/EG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit beimisst. Den Mitgliedstaaten ist es nach Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG untersagt, im Genehmigungsverfahren vorgelegte Informationen über eine allgemeine Beschreibung von gentechnisch veränderten Organismen, den Namen und die Anschrift des Anmelders, Zweck und Ort der Freisetzung (vgl. Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2001/18/EG) sowie die beabsichtigten Verwendungszwecke als vertrauliche Informationen zu behandeln. In seinem Urteil vom 17. Februar 2009 hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt, dass der Mitteilung der in Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG genannten Informationen kein Vorbehalt zugunsten des Schutzes der öffentlichen Ordnung oder anderer gesetzlich geschützter Interessen entgegengehalten werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - C-552/07 -, Slg. 2009, S. I-987 <1029 f.> Rn. 55 und Tenor Ziffer 2).

174

Das Standortregister kommt auch der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter zugute (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es dient damit insbesondere dem Schutz der menschlichen Gesundheit, der Umwelt und fremden Eigentums vor schädlichen Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Kulturpflanzen und der Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren.

175

Das Standortregister soll ferner die Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf den Koexistenzbelang gemäß § 1 Nr. 2 GenTG und die Information potentiell betroffener Dritter über den geplanten Anbau sicherstellen (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es leistet damit einen Beitrag zur Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des zugrunde liegenden europäischen Koexistenzkonzeptes (hierzu: Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Das Ziel eines verträglichen Nebeneinanders der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsmethoden findet seine verfassungsrechtliche Grundlage nicht nur in der von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Freiheit anderer Erzeuger zur selbstbestimmten Nutzung ihres Eigentums, sondern auch in ihrer von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung.

176

Das Standortregister dient schließlich dem Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Insbesondere kann die Information der Öffentlichkeit über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt ein eigenes Urteil über den staatlich genehmigten und überwachten Einsatz von Gentechnik schaffen und die Akzeptanz der staatlichen Entscheidungen verbessern.

177

(b) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.

178

Das Standortregister kann die effektive Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange unterstützen und trägt damit zur Gefahrenabwehr und Risikovorsorge sowie zur Gewährleistung von Koexistenz bei.

179

Die Information der zuständigen Behörden über die Anbauflächen gentechnisch veränderter Kulturen ermöglicht diesen insbesondere, den Anbau und seine Umweltauswirkungen zu beobachten und zu überwachen, Produktionsprozesse gezielt zu kontrollieren, die ordnungsgemäße Anwendung von Koexistenzmaßnahmen sicherzustellen und standortbezogene wissenschaftliche Begleituntersuchungen durchzuführen, um langfristige oder unvorhergesehene Effekte zu erfassen.

180

Das Standortregister ist geeignet, die Öffentlichkeit und mögliche Betroffene über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt zu informieren und damit die gewünschte Transparenz, Koexistenz und gesellschaftliche Befriedung zu befördern. Insbesondere können sich Nachbarbetriebe und andere mögliche Betroffene rechtzeitig über den beabsichtigten Anbau solcher Organismen informieren und Maßnahmen zum Schutz vor Einträgen in ihre Erzeugnisse ergreifen.

181

(c) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist ein ebenso wirksamer, aber die Betroffenen weniger belastender Weg der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nicht ersichtlich.

182

Die zuständigen staatlichen Stellen verfügen über keine vergleichbaren Informationen, auf die sie zur Erfüllung der Zwecke des Standortregisters zurückgreifen könnten. Diese liegen insbesondere nicht schon aufgrund des Genehmigungsverfahrens zum Inverkehrbringen vor. Das Genehmigungsverfahren ist nicht auf den Bewirtschafter von Anbauflächen, sondern auf denjenigen bezogen, der ein Produkt erstmals in Verkehr bringt (vgl. § 15 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 7 GenTG).

183

Auch die Mitteilungsfrist von drei Monaten vor dem Anbau gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1 GenTG durfte der Gesetzgeber für erforderlich halten, um das Konzept einer abgestimmten Anbauplanung umzusetzen. Denn bis zur Aussaat von gentechnisch veränderten Pflanzen hat nicht nur die Mitteilung an das Standortregister zu erfolgen. Es ist auch der Nachbar zu unterrichten und dessen Angaben sind gegebenenfalls durch eine Anpassung der Anbaupläne zu berücksichtigten. Zudem können schriftliche Vereinbarungen über die gute fachliche Praxis getroffen werden. Diese Änderungen und Vereinbarungen sind wiederum dem Standortregister zu melden. Ferner sind innerbetriebliche Abweichungen von der guten fachlichen Praxis den zuständigen Behörden zu melden.

184

Desgleichen ist die Datenverarbeitung nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 4 und 5, § 16a Abs. 1a GenTG zur Zweckerreichung erforderlich. Ein Antragsverfahren für die Erteilung von Auskünften über die genauen Anbaustandorte würde die mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Zwecke nicht ebenso wirksam umsetzen. Das angestrebte hohe Maß an Transparenz könnte nicht erreicht werden, wenn nur die Gemeinde oder Gemarkung des Standortes gemäß § 16a Abs. 4 GenTG in das Internet eingestellt würde. Auch die Möglichkeit der frühzeitigen Planung, Abstimmung und Koordination konkurrierender Nutzungsinteressen und die Wirtschaftlichkeit der Auskunftserteilung wären mit einem Antragsverfahren nicht gleichermaßen gewährleistet.

185

Eine Begrenzung des berechtigten Interesses an der Auskunftserteilung gemäß § 16a Abs. 5 GenTG auf Fälle, in denen eine "wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung" sowie "substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn" drohen, wäre nicht geeignet, die Information möglicher Betroffener in dem vom Gesetzgeber gewollten Umfang sicherzustellen. Insbesondere in der Phase der Anbauplanung dürfte regelmäßig nicht absehbar sein, ob solche Nachteile zu erwarten sind mit der Folge, dass Auskünfte über Namen und Anschrift der Bewirtschafter nicht oder nur in geringem Maße erteilt werden dürften. Die Möglichkeit, mit Hilfe des Standortregisters lokale Erzeugungsstrukturen durch Anbauplanung aufeinander abzustimmen und die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht gentechnisch veränderten Kulturen zu koordinieren, wäre dann nicht vergleichbar gegeben.

186

(d) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG wahren auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.

187

Erheben und Verarbeiten von personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in der vorgesehenen Form führen allerdings zu einem Eingriff von Gewicht.

188

Die nach § 16a Abs. 3 und § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden Daten werden im Standortregister verknüpft, so dass neue, über die Einzelangabe hinausgehende Informationen entstehen. Die Datenerhebung erlangt zusätzliches Gewicht dadurch, dass sie nach Maßgabe von § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG bußgeldbewehrt ist. Auch stellt die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG durch automatisierten Abruf über das Internet eine besonders weitgehende Form des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die Daten können nach ihrem Abruf beliebig weiter verarbeitet, verknüpft und zu einer Vielzahl von Zwecken - auch für die Planung von Straftaten zum Nachteil eines Bewirtschafters oder Nachbarn - verwendet werden.

189

Das Gewicht des Eingriffs wird jedoch unter verschiedenen Gesichtspunkten gemildert.

190

Den Anlass für den Grundrechtseingriff geben die Betroffenen selbst mit einem Verhalten, das erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Rechtsgüter Dritter haben kann und daher das Bedürfnis nach staatlicher Überwachung und ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründet. Auch ist der mit der Datenerhebung verbundene Aufwand verhältnismäßig gering. Soweit nach § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, wenn eine Mitteilung nach § 16a Abs. 3 Satz 1 oder 3 GenTG nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gemacht wird, ist ein ordnungsgemäßes Verhalten für den Bewirtschafter mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden. Die gemäß § 16a Abs. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben betreffen ausschließlich den Bewirtschafter und seine berufliche Tätigkeit und können von ihm auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden. Das in der Bekanntgabe über das Internet liegende Gewicht wird schließlich dadurch relativiert, dass die Empfänger den Personenbezug erst durch Zusatzwissen oder eine aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erteilte Auskunft herstellen können. Für die überwiegende Zahl der weltweit in Betracht kommenden Informationsempfänger bleiben die Bezugspersonen anonym. Diese Empfänger werden regelmäßig auch kein Interesse daran haben, den konkreten Anbau einer bestimmten Person zuzuordnen.

191

Angesichts der legitimen Gemeinwohlinteressen, denen das Standortregister dient, ist der Eingriff daher nicht unangemessen. Mit der Aufteilung des Registers in einen allgemein zugänglichen und einen nicht allgemein zugänglichen Teil hat der Gesetzgeber einen tragfähigen und aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Kompromiss zwischen dem Informationsinteresse des Staates und der Öffentlichkeit einerseits und dem Geheimhaltungsinteresse der Bezugspersonen andererseits gefunden.

192

Der gesetzlichen Regelung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass durch die Einrichtung des Standortregisters die Wahrscheinlichkeit mutwilliger Zerstörungen von Anbaukulturen erhöht werde. Bereits vor der Einführung des Standortregisters kam es wiederholt zu Behinderungen von Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen, denen mit dem Einsatz des Polizei- und Strafrechts zu begegnen war. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber sein Konzept eines verträglichen Nebeneinanders der unterschiedlichen Produktionsweisen und einer gesellschaftlichen Befriedung umgesetzt und fortentwickelt. Bestandteil des Konzeptes ist - unbeschadet der ohnehin bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben - die transparente Information der Öffentlichkeit über den Einsatz von Gentechnik auf der einen Seite und der Schutz der Nutzer von Gentechnik vor den von dieser Öffentlichkeit ausgehenden Gefahren durch einen nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters und mit den Mitteln des Polizei- und Strafrechts auf der anderen Seite. Der Staat ist, wie auch in anderen Fällen einer Behinderung der Eigentums-, Berufs- oder Forschungsfreiheit durch Dritte verpflichtet, die ungehinderte Betätigung der Grundrechte im Einzelfall zu fördern und zu schützen. Bisher ist nicht erkennbar, dass durch das Standortregister eine Situation so hoher Gefährdung für Bewirtschafter entstanden wäre, dass der Gesetzgeber evident zur Schaffung weitergehender Schutzmechanismen gegen rechtswidrige und strafbare Feldzerstörungen verpflichtet wäre.

193

Auch die Bestimmungen über den nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters in § 16a Abs. 5 GenTG schränken das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht unangemessen ein. Gemäß § 16a Abs. 5 GenTG darf eine Auskunft aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers nur erteilt werden, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat. Den Rechtsanwender trifft damit die Pflicht zur Abwägung, durch die eine einzelfallbezogene Beurteilung erreicht werden kann.

194

(3) Der Grundrechtsschutz ist schließlich auch durch eine angemessene Verfahrensgestaltung abgesichert.

195

Die Verwendung personenbezogener Daten muss auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt sein (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Auch sind Aufklärungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten von Bedeutung (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Diesen Anforderungen ist vorliegend genügt.

196

Die Information der Betroffenen vor der Datenerhebung darüber, welche Daten über das Internet abgerufen werden können und unter welchen Voraussetzungen Auskünfte über die mitgeteilten persönlichen Daten erteilt werden können, ist durch die insoweit klare Gesetzeslage sichergestellt. Dass hierbei bestimmte Daten zur Herstellung von Transparenz der allgemeinen Öffentlichkeit auch ohne weitere Zweckbindung zugänglich gemacht werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

197

Eine Information des gemäß § 16b Abs. 1a GenTG betroffenen Nachbarn über die Mitteilung an das Standortregister kann im Rahmen der Aufklärung über die Rechtsfolgen der schriftlichen Vereinbarung oder der Nichterteilung von Auskünften gemäß § 16b Abs. 1 Satz 3 GenTG erfolgen. Jedenfalls ist der Nachbar ausreichend dadurch geschützt, dass die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten in § 16b Abs. 1a GenTG durch Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Dementsprechend besteht gemäß § 19a Abs. 2 Nr. 3 BDSG keine Pflicht zur Benachrichtigung eines Betroffenen, ohne dessen Kenntnis die Daten aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung erhoben wurden.

198

Eine Benachrichtigung des Betroffenen über den Abruf von Daten aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers erübrigt sich, weil der Betroffene bereits bei der Datenerhebung weiß, welche Daten veröffentlicht werden und sich entsprechend darauf einstellen kann. Im Übrigen sind weitreichende Auskunftspflichten über erhobene und weitergegebene Daten in § 19 BDSG vorgesehen, der gemäß § 16a Abs. 7 GenTG für juristische Personen entsprechend gilt. Gegen § 19 BDSG bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch BVerfGE 120, 351 <365>).

199

Der auf ein bestimmtes Vorhaben bezogene und begrenzte Zweck der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gebietet ferner die Löschung aller nicht oder nicht mehr zur Zweckerreichung erforderlichen Daten (vgl. BVerfGE 113, 29 <58>). Dem ist vorliegend durch die gesetzlich angeordnete Löschung der Daten 15 Jahre nach ihrer erstmaligen Speicherung gemäß § 16a Abs. 6 Satz 2, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG genügt.

200

b) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

201

aa) Die Verpflichtung zur Mitteilung von Angaben über den Anbau an das Standortregister nach Maßgabe von § 16a Abs. 3 GenTG verletzt die von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

202

Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährleistet grundsätzlich auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (vgl. BVerfGE 115, 205 <229>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offengelegt oder verlangt dieser deren Offenlegung, ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden dabei alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.

203

Nach dieser Maßgabe handelt es sich bei den gemäß § 16a Abs. 3 GenTG zu erhebenden Daten über den gentechnisch veränderten Organismus und seinen Standort weder um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse noch erscheint die Erhebung und Verarbeitung dieser Daten geeignet, empfindliche Wettbewerbsnachteile nach sich zu ziehen. Da der Anbau im öffentlichen Raum stattfindet, ist seine Wahrnehmung und Kenntnis von vornherein nicht auf einen begrenzten Kreis von Personen beschränkt, der einem landwirtschaftlichen Betrieb oder Unternehmen zugerechnet werden könnte. Der gentechnisch veränderte Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und der spezifische Erkennungsmarker sind, ohne dass es auf das Standortregister ankommt, im Internet veröffentlicht. Zudem muss der Geheimhaltungswille berechtigten wirtschaftlichen Interessen entspringen, so dass es unerheblich ist, ob ein Unternehmen ein negatives Image, das mit dem Einsatz von Gentechnik verbunden sein mag, abwenden will.

204

bb) Die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben an die registerführende Behörde zu übermitteln, stellt eine Berufsausübungsregelung dar, die aber durch die dargestellten Gemeinwohlbelange von überragendem Gewicht gerechtfertigt ist.

205

Im Übrigen bietet das Grundrecht der Berufsfreiheit grundsätzlich keinen über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinausgehenden Schutz vor staatlichen informationellen Maßnahmen (vgl. BVerfGE 118, 168 <205>).

206

c) Eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder der Gefahr von Eigentumsverletzungen durch Gentechnikgegner kommt aus den gleichen Gründen nicht in Betracht.

207

d) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar.

208

Erfolgt der Anbau zu wissenschaftlichen Zwecken, so betrifft die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben über den Anbau an die registerführende Behörde zu übermitteln, auch die Bedingungen für die Durchführung des Forschungsprojektes und berührt damit den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die darin liegende Einschränkung weist jedoch in Bezug auf die Forschungsfreiheit kein hohes Gewicht auf und ist durch den Schutz der dargestellten kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt.

209

e) Aus denselben Erwägungen sind die in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG enthaltenen Bestimmungen über die dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit durch den Betreiber nach Maßgabe von § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar. Aus den dargestellten Gründen bestehen auch gegen § 16a Abs. 2 GenTG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

210

4. § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Auch eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG kann nicht festgestellt werden.

211

a) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG in ihrer zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

212

aa) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG greifen in die Berufsfreiheit ein. Der Gesetzgeber regelt mit diesen Bestimmungen den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. § 16b Abs. 4 und § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG in der Alternative des Inverkehrbringens knüpfen insoweit unmittelbar an die Betätigung zu Erwerbszwecken an; die weiteren angegriffenen Bestimmungen weisen jedenfalls eine objektiv berufsregelnde Tendenz auf. Denn sie betreffen typischerweise den erwerbswirtschaftlichen oder gewerbsmäßigen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten und verstehen sich in erster Linie als rechtliche Rahmenbedingungen für die Berufsausübung. Die Pflicht, Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange zu treffen, geht dabei über die Abwehr konkreter Gefahren hinaus und verlagert die Eingriffsbefugnisse der Behörde im Vergleich zur polizeirechtlichen Gefahrenabwehr zeitlich und sachlich nach vorn.

213

bb) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

214

(1) Die Regelungen sind hinreichend bestimmt.

215

In § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG definiert der Gesetzgeber den Inhalt und das Ziel der Vorsorgepflicht dahingehend, dass bestimmte Rechtsgüter und Belange "nicht wesentlich beeinträchtigt" werden dürfen. Wann eine Beeinträchtigung wesentlich ist, kann mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln bestimmt werden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen europäische Schwellenwerte zur Kennzeichnungspflicht Orientierung bieten und der Begriff durch die in § 36a Abs. 1 GenTG vorgegebenen Interpretationsregeln näher festgelegt werden (BTDrucks 15/3088, S. 27). § 36a Abs. 1 GenTG knüpft an den Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung in § 906 BGB an. Interpretationsgrundsätze, die sich in diesem Regelungszusammenhang herausgebildet haben, können daher auch bei der Auslegung von § 36a Abs. 1 GenTG herangezogen werden.

216

§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot zu beanstanden. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ausgesprochene Rechtsfolge sind für die Betroffenen in zumutbarer Weise zu erkennen. Sie lassen sich jedenfalls im Wege der Auslegung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen. Die Möglichkeiten einer weitergehenden Regelung sind zudem nach der Eigenart des geregelten Lebenssachverhalts begrenzt. Ob und inwieweit die Vorsorgepflicht im Einzelfall abdingbar ist, kann letztlich nur für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Verhältnisse vor Ort geklärt werden. Die sich aus einer Anwendung von § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ergebenden haftungsrechtlichen Fragen hat der Gesetzgeber in § 16b GenTG nicht geregelt. Insoweit konnte er es bei der allgemeinen vertraglichen und außervertraglichen Haftung und den hierzu - auch im Zusammenhang mit einem vertraglichen Verzicht auf eine günstige Rechtsposition - entwickelten Grundsätzen belassen. Insgesamt begegnet § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. in Bezug auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitserfordernis keinen durchgreifenden Bedenken.

217

Auch § 16b Abs. 2 und 3 GenTG sind hinreichend bestimmt gefasst. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Grundsätze der guten fachlichen Praxis in § 16b Abs. 3 GenTG nicht erschöpfend geregelt hat ("insbesondere"). Der Gesetzgeber durfte mit der offenen Fassung dieser Grundsätze der Vielgestaltigkeit des geregelten Lebenssachverhalts Rechnung tragen. Der Begriff der guten fachlichen Praxis ist einerseits offen genug für neue Entwicklungen und andererseits geeignet, einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen die Landwirte handeln können und müssen. Was im Einzelfall zur guten fachlichen Praxis gehört, lässt sich im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen, insbesondere auch in Anlehnung an die hinter den Regelbeispielen liegenden Wertungen, mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden hinreichend bestimmen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber in § 16b Abs. 6 GenTG die Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung vorgesehen, die die Grundsätze der guten fachlichen Praxis weiter konkretisieren kann.

218

Schließlich sind die in § 16b Abs. 4 GenTG an die Eignung von Person und Ausstattung gestellten Anforderungen ausreichend bezeichnet. Bei der Umschreibung dieser Anforderungen bedient sich der Gesetzgeber unbestimmter Rechtsbegriffe wie "Zuverlässigkeit" und "Kenntnisse", die seit jeher in wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Gesetzen verwendet werden (z. B. § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung und § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gaststättengesetz). Diese Begriffe sind in einer langen Tradition von Gesetzgebung, Verwaltungshandeln und Rechtsprechung so ausgefüllt worden, dass an ihrer rechtsstaatlichen Bestimmtheit nicht zu zweifeln ist, mögen sie auch für jeden neuen Sachbereich neue Konkretisierungen erfordern (vgl. BVerfGE 49, 89 <134>). Ebenso sind die in § 16b Abs. 4 GenTG verwandten Begriffe "Fertigkeiten" und "Ausstattung" mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden hinreichend zu präzisieren. Wozu die Eignung von Person und Ausstattung dienen soll, ist mit dem Verweis auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht gemäß § 16b Abs. 1 GenTG hinreichend geregelt.

219

(2) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verhältnismäßig.

220

(a) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind als Regelungen der Berufsausübung statthaft, weil sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls legitimiert werden, zur Erreichung der Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich sind und den Betroffenen nicht unzumutbar belasten (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 36, 47 <59>; 61, 291 <312>; 68, 272 <282>; 103, 1 <10>; stRspr). Auch die Sachkundeanforderungen des § 16b Abs. 4 GenTG sind Berufsausübungsregelungen.

221

(b) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung dienen legitimen Gemeinwohlzielen.

222

Mit der Vorsorgepflicht soll ein verantwortungsvoller Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und dadurch einer wesentlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG durch Einträge dieser Organismen vorgebeugt werden (§ 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG). Diesem Ziel dienen auch die Grundsätze der guten fachlichen Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung, welche jeweils auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht bezogen sind (§ 16b Abs. 2, 3 und 4 GenTG). Mit der Vorsorgepflicht trägt der Gesetzgeber der - auch bezogen auf den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen bestehenden - Erkenntnis- und Prognoseunsicherheit Rechnung, die aus dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik und dort bestehenden Ungewissheiten resultiert. Die Ausbreitung solcher Organismen soll durch die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis von vornherein möglichst vermieden oder, wenn unvermeidbar, auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Die Anforderungen an die Person und Ausstattung (§ 16b Abs. 4 GenTG) sollen sicherstellen, dass der Anwender hierzu fähig und willens ist und damit die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit gewährleisten (BTDrucks 15/3088, S. 27).

223

§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG dienen damit dem Zweck, Vorsorge gegen schädliche Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte für das Leben und die Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter zu treffen (§ 1 Nr. 1 GenTG). Die Vorschriften konkretisieren zudem die Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) und dienen insoweit insbesondere dem Schutz der Berufs- und Eigentumsfreiheit potentieller Betroffener und dem Ziel, durch die Gewährleistung eines verträglichen Nebeneinanders der landwirtschaftlichen Produktionsformen die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu wahren, Rechts- und Planungssicherheit zu schaffen und eine gesellschaftliche Befriedung zu erreichen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 27). Schließlich verfolgt der Gesetzgeber auch das Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG).

224

(c) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.

225

Soweit der Gesetzgeber das in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. geregelte Verbot koexistenzgefährdender Handlungen durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 gestrichen und zugunsten der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen durch eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht ersetzt hat, bewegt sich die Änderung innerhalb des ihm zukommenden Einschätzungs- und Prognosevorrangs. Sie führt nicht zu einer fehlenden Eignung der Regelung wegen einer nicht hinreichend konsequenten Verfolgung des Vorsorgeziels.

226

(d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist kein gleich wirksames, aber die Betroffenen weniger belastendes Mittel erkennbar, um den angestrebten verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen zu erreichen.

227

Die Erforderlichkeit der Regelungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis kann insbesondere nicht mit dem Argument verneint werden, dass der Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter bereits durch das Bewertungs- und Genehmigungsverfahren im Rahmen der Inverkehrbringensgenehmigung sichergestellt werde. Zwar ist die Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen grundsätzlich mit der Einschätzung verbunden, dass unvertretbare schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter wie die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht zu erwarten sind (§ 16 Abs. 2 Satz 1 GenTG). Es handelt sich jedoch um eine Prognoseentscheidung, welche das Auftreten von nicht vorhergesehenen schädlichen Auswirkungen etwa auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt nicht ausschließen kann. Der Zweck der auf die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 GenTG bezogenen Vorsorgepflicht liegt gerade darin, ergänzend zu den Genehmigungsbedingungen für ein Inverkehrbringen einen verantwortungsvollen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und damit einen möglichst umfassenden und lückenlosen Rechtsgüterschutz nach der Marktfreigabe zu gewährleisten.

228

(e) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung sind auch im engeren Sinn verhältnismäßig.

229

Die in § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG normierten öffentlichrechtlichen Verpflichtungen enthalten strenge Vorgaben für die Berufsausübung unter Einsatz von zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und greifen daher mit nicht unerheblichem Gewicht in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit ein.

230

Die hiermit verbundene Belastung wird schon dadurch begrenzt, dass das Gesetz zugunsten des Einsatzes der "grünen" Gentechnik eine Ausbreitung von gentechnisch veränderten Organismen hinnimmt, die nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG führt. Das Gewicht des Eingriffs wird auch durch die nach § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG n.F. bestehende Möglichkeit gemildert, im Einzelfall aufgrund schriftlicher Zustimmung oder Schweigen des Nachbarn ausschließlich zum Schutz der wirtschaftlichen Koexistenz des anderen (§ 1 Nr. 2 GenTG) bestehende Vorgaben nicht zu beachten. Zudem gehören die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen nur zur guten fachlichen Praxis, "soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist". Sie enthalten - derzeit ergänzt und konkretisiert durch die Verordnung über die gute fachliche Praxis bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen (Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung - GenTPflEV - vom 7. April 2008, BGBl I S. 655), die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) - normative Vorgaben, auf die sich ein Verwender von gentechnisch veränderten Organismen ebenso wie ein möglicher Betroffener einstellen kann. Damit hat sich die Rechts- und Planungssicherheit auch für die Anwender verbessert.Ferner können die zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben erforderlichen Betriebsführungsmaßnahmen auf bereits bestehenden Trennungspraktiken oder -verfahren und bisherigen Erfahrungen mit der Behandlung identitätsgeschützter Pflanzensorten und den Saatguterzeugungspraktiken aufbauen. Schließlich besteht die Möglichkeit, mit Nachbarbetrieben zusammenzuarbeiten. Management und Erzeugung können koordiniert und zum Beispiel Sorten mit unterschiedlichen Blütezeiten verwendet, unterschiedliche Aussaatzeiten vereinbart oder Fruchtfolgen aufeinander abgestimmt werden. Bereits auf diesem Weg können die Kosten für die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht veränderten Kulturen erheblich gesenkt, das Risiko von Auskreuzungen in benachbarte Kulturen minimiert, die Einhaltung der Kennzeichnungsschwellenwerte für Lebensmittel und Futtermittel ermöglicht und letztlich auch Haftungsfälle von vornherein vermieden werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 27 unter Verweis auf die Empfehlung der Kommission vom 23. Juli 2003 mit Leitlinien für die Erarbeitung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen - 2003/556/EG -, ABl EU 2003 Nr. L 189, S. 36).

231

Demgegenüber überwiegen die legitimen Gemeinwohlziele, die den Gesetzgeber zur Normierung der Vorsorgepflicht, der guten fachlichen Praxis und der Eignung von Person und Ausstattung veranlasst haben. Sie könnten, unbeschadet der Einordnung von § 16b Abs. 4 GenTG als Berufsausübungsregelung, sogar eine Regelung der Berufswahl rechtfertigen. Der Schutz von Menschen, Tieren, Pflanzen und der Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge sind verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 20a GG verankert. Die flankierenden, oben dargestellten Regelungsziele dienen ebenfalls wichtigen Belangen des Gemeinwohls und sind wie beispielsweise der Verbraucherschutz auch im Unionsrecht anerkannt.

232

Bei der Verwirklichung dieser Ziele muss dem Gesetzgeber gerade vor dem Hintergrund der breiten gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Debatte um den Einsatz von Gentechnik und seine angemessene staatliche Regulierung ein großzügiger Entscheidungsspielraum zugestanden werden.

233

Setzt man diese betroffenen, verfassungsrechtlich geschützten Rechte und Interessen zueinander ins Verhältnis und bezieht die weiteren flankierenden Regelungsziele in die Abwägung ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung nicht zu beanstanden.

234

Weder beeinträchtigen die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung die am Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen Beteiligten unzumutbar (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) noch stehen die Anforderungen an Person und Ausstattung außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG).

235

Der Gesetzgeber hat den Behörden und Fachgerichten auch genügend Spielraum belassen, um eine verhältnismäßige Anwendung von § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG im Einzelfall sicherzustellen. Dies betrifft insbesondere die Frage, was im Einzelfall zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis gehört. Die allgemein gehaltenen Vorgaben zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis lassen es zu, die tatsächlichen Rahmenbedingungen des Umgangs mit gentechnisch veränderten Organismen im Einzelfall, insbesondere an den konkreten Anbaustandorten, angemessen zu berücksichtigen und den Inhalt der Pflichten auf das Maß zu beschränken, welches jeweils zur Vermeidung wesentlicher Beeinträchtigungen der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG erforderlich ist.

236

Der den Rechtsanwendern belassene Spielraum wahrt dabei die Grenzen der Zumutbarkeit. Die erforderlichen Standards sind sukzessive durch administrative und gerichtliche Vorgaben unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszuformen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Einsatz von Gentechnik grundsätzlich zugelassen ist und nach dem Willen des Gesetzgebers möglich bleiben soll. § 16b GenTG verlangt keine Vorkehrungen, die mit absoluter Sicherheit Risiken für die Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG ausschließen sollen und damit faktisch auf ein Verbot des Umgangs mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen hinauslaufen können. Die Ausbreitung dieser Organismen soll vielmehr durch einen verantwortungsvollen Umgang nur so weit wie möglich vermieden und bei Unvermeidbarkeit auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Anforderungen dürfen daher nach der Gesetzeslage nur so weit gehen, wie sie nach den Gegebenheiten des Einzelfalls erforderlich und zumutbar sind. Innerhalb dieses Rahmens geben derzeit die Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung, die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) den Beteiligten weitere Maßstäbe für die Konkretisierung der angegriffenen Bestimmungen an die Hand. Verbleibende Unsicherheiten führen nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen.

237

Die mit § 16b Abs. 4 GenTG verbundenen Beschränkungen sind aus der Sache heraus legitimiert. Sie beruhen darauf, dass es besonderer theoretischer und praktischer Kenntnisse und einer entsprechenden Betriebsorganisation bedarf, um Einträge in andere Kulturen zu vermeiden oder so weit wie möglich zu reduzieren, und dass die Ausübung des jeweiligen Berufes ohne solche Voraussetzungen unsachgemäß wäre und Gefahren für die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG mit sich bringen würde.

238

b) § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind auch mit der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar.

239

aa) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sind an der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit zu messen, soweit sie nicht ausschließlich für den Umgang zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken gelten. Der Schutzbereich ist insoweit jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten eröffnet.

240

bb) Die Vorgaben der Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis für den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen greifen in die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Freiheit ein, die Fragestellung und Methodik einschließlich der praktischen Durchführung eines Forschungsprojektes frei zu bestimmen.

241

cc) Die legitimen Gemeinwohlbelange, die den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, die Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die aus den schon genannten Gründen auch einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

242

c) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG verletzen nicht Art. 2 Abs. 1 GG.

243

Art. 2 Abs. 1 GG kommt als Prüfungsmaßstab für die Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit von ausländischen Personen und die Verpflichtung von Privatpersonen, die nicht erwerbswirtschaftlich mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen, in Betracht, die nicht unter den Schutz der Berufsfreiheit fallen (Art. 12 Abs. 1 GG). Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit ist jedoch aus den zu Art. 12 Abs. 1 GG genannten Gründen gerechtfertigt (oben C II 4 a bb).

244

Soweit § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. an das Schweigen Rechtsfolgen anknüpft, ist hiermit keine unzumutbare Belastung für den Nachbarn verbunden. Selbst wenn man die Regelung als Fall einer fingierten Willenserklärung und Eingriff in die Privatautonomie ansieht, ist sie jedenfalls gerechtfertigt.

245

Die Anknüpfung von Rechtswirkungen an das Schweigen gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. beseitigt Ungewissheiten über die Zustimmung zu einer bestimmten Anbauplanung und verbessert damit die Planungs- und Rechtssicherheit bei den nach § 3 GenTPflEV mitteilungspflichtigen und nach § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG anzeigepflichtigen Grundstücksnutzungen. Damit verbunden ist das Anliegen des Gesetzgebers, die Abstimmung der Anbauplanung als Mittel zur Sicherung der Koexistenz zu fördern und gleichzeitig den Verwender von Gentechnik zugunsten geschützter Interessen nicht mehr als nötig zu belasten. § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist zur Erreichung dieser legitimen Zielsetzung geeignet und erforderlich.

246

Auch die Angemessenheit ist gewahrt. Der Gesetzgeber wertet typisierend diejenigen Personen, denen der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilen ist, als schutzbedürftig. Wer konventionell oder ökologisch wirtschaftet, soll darauf vertrauen dürfen, dass möglicherweise beeinträchtigender Anbau mitgeteilt und abgestimmt wird. Andererseits verlangt der Gesetzgeber von den so Geschützten, sich auf konkrete Anfrage des Verwenders von gentechnisch veränderten Organismen innerhalb einer Monatsfrist über ihr Schutzbedürfnis zu erklären. Andernfalls wird unterstellt, dass kein Schutzbedarf besteht, so dass der Verwender den geplanten Anbau umsetzen kann. Er wird damit auch von der Unsicherheit der Prüfung entlastet, ob in dem Schweigen ein konkludenter Verzicht liegt. Dieser Ausgleich der möglicherweise gegenläufigen Interessen bewegt sich innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.

247

d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung verletzen auch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht.

248

Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von Gentechnik im Vergleich zu konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirten folgt aus den besonderen Eigenschaften der Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung legitime Gemeinwohlziele, die so gewichtig sind, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch die Ungleichbehandlung rechtfertigen.

249

Soweit § 16b GenTG zwischen denjenigen, die erwerbswirtschaftlich oder vergleichbar mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen und anderen Verwendern von Gentechnik differenziert, beruht dies zum einen darauf, dass gentechnisch veränderte Organismen zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken regelmäßig in größerem Umfang als zu anderen Zwecken eingesetzt werden und die Schutzgüter damit in größerem Ausmaß gefährdet sind. Zum anderen stehen den zusätzlichen Anforderungen im Rahmen des erwerbswirtschaftlichen Umgangs typischerweise auch größere Vorteile aus der Nutzung der Gentechnologie gegenüber. Diese Umstände rechtfertigen die Ungleichbehandlung.

250

Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen im Vergleich zu denjenigen, die solche Organismen zu Versuchszwecken freisetzen, knüpft schließlich daran an, dass in der Freisetzungsgenehmigung die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen im Einzelfall und auf den jeweiligen Versuch und Standort angepasst vorgegeben werden können (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG). Eine angemessene Berücksichtigung konkreter Anbaubedingungen ist hingegen in der Genehmigung zum Inverkehrbringen regelmäßig nicht möglich, da diese für eine Vielzahl von Anbaustandorten und allgemeingültig für jeden Mitgliedstaat erteilt wird. Dieser Umstand rechtfertigt die Differenzierung.

251

5. § 36a GenTG ist mit Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

252

a) Nach der nachbarrechtlichen Konzeption des § 36a GenTG sind Haftungsadressaten die Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks, soweit sie die beeinträchtigende Nutzungsart bestimmen und, wenn die Störung von einer Anlage ausgeht, diejenigen, welche die Anlage halten und von deren Willen die Beseitigung abhängt (vgl. BGHZ 155, 99 <102>).

253

Von § 36a GenTG betroffen sind daher in erster Linie die Verwender von gentechnisch veränderten Organismen in Forschung, Land-, Forst- und Gartenwirtschaft. Zum Kreis der Haftenden gehören ferner juristische Personen des öffentlichen Rechts wie beispielsweise Universitäten jedenfalls dann, wenn sich die Nutzung des emittierenden Grundstücks nicht als schlicht hoheitliches, sondern privatrechtliches Handeln darstellt und sie daher der zivilrechtlichen Haftung unterliegen. Die Frage, ob sie auch bei schlicht-hoheitlichem Handeln zu den Adressaten des § 36a GenTG zählen, bedarf keiner abschließenden Klärung. Wie die bisherige Rechtsprechungspraxis zeigt, ist die Haftung staatlicher Forschungseinrichtungen nach privatem Nachbarrecht nicht ausgeschlossen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 24. August 1999 - 14 U 57/97 -, ZUR 2000, S. 29). Insofern ist die Frage einer Verletzung der Wissenschaftsfreiheit insbesondere von Universitäten in die Prüfung einzubeziehen.

254

b) § 36a GenTG ist mit Art. 14 GG vereinbar.

255

aa) Die Vorschrift regelt in Verbindung mit §§ 906, 1004 BGB, die zu den Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gehören (vgl. BVerfGE 72, 66 <75 f.>), die Rechtsbeziehungen zwischen Grundstücksnachbarn.

256

§ 36a GenTG ist keine eigenständige Haftungsregelung, sondern konkretisiert und ergänzt die bestehende verschuldensunabhängige Störerhaftung im privaten Nachbarrecht (§§ 1004, 906 BGB). § 36a GenTG stellt bei der Auslegung und Anwendung zentraler Begriffe der nachbarrechtlichen Bestimmungen durch Vorgabe zwingender Interpretationsregeln sicher, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch in den Fällen besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Benutzung eines fremden Grundstücks wesentlich beeinträchtigt wird (§ 36a Abs. 1 bis 3 GenTG). Ferner wird das private Nachbarrecht um eine Regelung ergänzt, die Schwierigkeiten beim Kausalitätsbeweis behebt (§ 36a Abs. 4 GenTG).

257

Diese neuen Haftungsregelungen knüpfen nicht nur dem Wortlaut nach in § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG an § 906 BGB und dessen Tatbestandsmerkmale an, sondern fügen sich auch in die Systematik der nachbarrechtlichen Störerhaftung ein. Wie bisher gilt, dass wesentliche Einwirkungen, die entweder nicht ortsüblich oder zwar ortsüblich, aber mit zumutbarem wirtschaftlichen Aufwand zu verhindern sind, nicht hingenommen werden müssen. Derartige Beeinträchtigungen sind rechtswidrig. Hiergegen steht dem Betroffenen grundsätzlich ein auf Unterlassung oder Beseitigung gerichteter Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB zu. Hat ein Nachbar hingegen Einwirkungen zu dulden, so kann ein Anspruch auf angemessenen Ausgleich in Geld nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB oder analog dieser Vorschrift gegeben sein (nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch). Unberührt bleiben der Anspruch auf Schutzvorkehrungen nach § 23 Satz 1 GenTG und der Anspruch auf finanziellen Ausgleich nach § 23 Satz 2 GenTG insbesondere bei Vorliegen einer nach Anhörung (§ 18 Abs. 2 GenTG) erteilten, unanfechtbaren Freisetzungsgenehmigung.

258

Eine § 36a Abs. 4 GenTG entsprechende Regelung kennt das Bürgerliche Gesetzbuch zwar nicht. Die Vorschrift kann jedoch als Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer emittierender Eigentümer und zur Anwendung von § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 BGB und § 287 ZPO auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gesehen werden (vgl. BGHZ 66, 70 <77>; 85, 375 <386 f.>; 101, 106 <111 ff.>).

259

Dieses Verständnis wird durch die Gesetzesmaterialien unterstützt, nach denen durch § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG zentrale Elemente der nachbarrechtlichen Bestimmungen (§§ 906, 1004 BGB) konkretisiert und mit § 36a Abs. 4 GenTG eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 Abs. 1 BGB normiert werden sollten (vgl. BTDrucks 15/3088 S. 31).

260

§ 36a GenTG stellt sich daher nach seinem Sinn und Zweck als Norm der nachbarrechtlichen Störerhaftung dar. Eine neuartige Haftung im System des privaten Nachbarrechts wird hierdurch nicht begründet. Auch die §§ 906, 1004 BGB regeln die Koexistenz von Nachbarn.

261

Der Anspruch auf angemessenen Ausgleich analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu einer Gefährdungshaftung (vgl. BGHZ 155, 99 <103 f.>). Denn im Gegensatz zur Gefährdungshaftung für eine gefährliche Einrichtung im Verhältnis zwischen Nachbarn geht es bei dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht um das Einstehen für Schäden, die allein auf das rechtmäßige Vorhandensein einer Anlage oder eine erlaubte Tätigkeit zurückzuführen sind, sondern um die Haftung für rechtswidrige, aber aus tatsächlichen Gründen zu duldende Störungen aus einer bestimmungsgemäßen Grundstücksnutzung. Der Ausgleich richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380> m.w.N.). Diese Verpflichtung zur Ausgleichsleistung nach den Grundsätzen des Nachbarrechts ist mit einem Schadensersatzanspruch nicht notwendig deckungsgleich; es besteht vielmehr Raum für eine wertende Entscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380>).

262

Konkurrierende konventionell oder ökologisch wirtschaftende Landwirte sind ebenso wie andere Emittenten auch der verschuldensunabhängigen Störerhaftung im Nachbarrecht unterworfen. Die Bezugnahme auf öffentlichrechtliche Grenzwerte (§ 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB) ist der nachbarrechtlichen Störerhaftung ebenso wenig fremd wie die Ursachenvermutung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises bei mehreren Verursachern (§ 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO). Dass die Risiken einer Grundstücksnutzung möglicherweise nicht angemessen kalkuliert und versichert werden können, schließt die nachbarrechtliche Störerhaftung nicht aus. Eine Freistellung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen von der verschuldensunabhängigen Haftung im Nachbarrecht würde im Ergebnis daher keine Benachteiligung beseitigen, sondern diese im Vergleich zu anderen Emittenten privilegieren.

263

bb) § 36a GenTG bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen wegen Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen Abwehransprüche aus § 1004 BGB und Ausgleichsansprüche nach oder analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegen Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks geltend gemacht werden können.

264

Wie die §§ 906, 1004 BGB legt die Norm in generell-abstrakter Weise Rechte und Pflichten der Grundstückseigentümer fest und ist damit Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Vorschrift wahrt die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung zu stellen sind.

265

(1) Die Vorschrift ist hinreichend bestimmt.

266

Die Bezugnahme auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Erzeugnissen, die auch von einem anderen, namentlich dem europäischen Gesetzgeber erlassen und von ihm geändert werden können, ist nicht zu beanstanden.

267

Nach § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG stellen die Pflicht zur Kennzeichnung von Erzeugnissen als gentechnisch verändert (Nr. 2) oder der Verlust einer Kennzeichnungsmöglichkeit hinsichtlich einer bestimmten Produktionsweise (Nr. 3) als Folge eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen eine wesentliche Beeinträchtigung des Eigentums im Sinn von § 906 BGB dar. § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG setzt also die Existenz von "Vorschriften" oder "Rechtsvorschriften" über die Kennzeichnung zwar voraus, um einen Sachverhalt zu definieren, der den Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB oder den Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auslöst. Es handelt sich jedoch nicht um eine Verweisung auf die jeweiligen Kennzeichnungsvorschriften. Diese werden weder zum Bestandteil von § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG noch ändern sich ihr Anwendungsbereich, Rang oder ihre Qualität. Der Gesetzgeber hat vielmehr eine dem Anspruchssteller nachteilige Rechtslage beschrieben, deren Folgen dem Anspruchsschuldner als Verursacher zuzurechnen sind. Eine vergleichbare Regelungstechnik mit Hilfe einer Generalklausel enthält § 823 Abs. 2 BGB, der die Existenz von Schutzgesetzen voraussetzt.

268

Der Gesetzgeber hat auch im Übrigen alle wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen. Nach seinem Willen sollen der Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB und der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehen, wenn der Nutzungsberechtigte eines benachbarten Grundstücks wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen mit einer gesetzlichen Pflicht zur Kennzeichnung belastet wird oder eine ihm vorteilhafte gesetzliche Möglichkeit der Kennzeichnung entfällt. Die Voraussetzungen für eine Kennzeichnung können sich zwar - etwa durch Absenkung oder Anhebung bestimmter Schwellenwerte - ändern. Die für die Haftung relevante Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass eine dem Störer zuzurechnende Rechtspflicht zur Kennzeichnung oder der ihm zuzurechnende Verlust der Möglichkeit einer Kennzeichnung die Benutzung des Nachbargrundstücks wesentlich beeinträchtigen, bleibt davon unberührt. Sie schließt auch eine Verschärfung der Haftung durch eine Absenkung von Kennzeichnungsschwellenwerten ein.

269

§ 36a Abs. 1 GenTG begegnet auch keinen Bedenken im Hinblick auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, soweit die Fallgruppen einer wesentlichen Beeinträchtigung nicht abschließend normiert wurden ("insbesondere").

270

§ 36a Abs. 1 GenTG definiert und konkretisiert den in § 906 BGB enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriff der "wesentlichen Beeinträchtigung" im Zusammenhang mit dem Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen. Soweit der Gesetzgeber die Fälle wesentlicher Beeinträchtigungen nicht abschließend beschrieben hat ("insbesondere"), trägt dies der Vielzahl denkbarer, möglicherweise derzeit nicht vollständig überschaubarer Fallgestaltungen Rechnung.

271

(2) Der Gesetzgeber hat auch die Interessen der Beteiligten und das Gemeinwohl in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht (vgl. BVerfGE 87, 114 <138>; 95, 48 <58>; 98, 17 <37>; 101, 239 <259>; 102, 1 <17>).

272

(a) Mit der Aufnahme des § 36a GenTG verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele.

273

Diese ergeben sich sowohl aus der Funktion der von § 36a GenTG ergänzten und konkretisierten nachbarrechtlichen Bestimmungen (insbesondere § 906 BGB) als auch aus den Zielen des Gentechnikgesetzes1 GenTG).

274

(aa) Wie § 906 BGB bezweckt § 36a GenTG den notwendigen Interessenausgleich von Grundstücksnachbarn bei bestimmten Einwirkungen, die von einem anderen Grundstück ausgehen. Auch diese Norm schützt die von Einwirkungen betroffenen Grundeigentümer in ihrer von Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit, den Eigentumsgegenstand nach eigenen Vorstellungen zu nutzen und über die Verwendung des Eigentumsobjekts frei zu entscheiden. Wie die §§ 1004, 906 BGB weist § 36a GenTG dem Störer die sachliche und finanzielle Verantwortung für die von seinem Grundstück ausgehenden (wesentlichen) Einwirkungen zu. Soweit er nach § 1004 BGB oder nach beziehungsweise analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zur Unterlassung, Beseitigung oder zum angemessenen Ausgleich verpflichtet ist, haftet er - und nicht unbeteiligte Dritte oder die Allgemeinheit - für die Kostenfolgen. Diese Zurechnung hat ihren Grund darin, dass der Störer die Beeinträchtigung veranlasst hat, dass er sie am besten und effektivsten beheben kann und dass ihm die Vorteile aus der störenden Grundstücksnutzung zugute kommen. Schließlich hat § 36a Abs. 4 GenTG wie § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ziel, eine Beweisschwierigkeit des Geschädigten zu überwinden. Dessen Ersatzanspruch soll nicht daran scheitern, dass nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren Beteiligten, deren Handlung den Schaden beziehungsweise die Beeinträchtigung verursacht haben kann, der eigentliche Schädiger gewesen ist (vgl. BGHZ 55, 96 <98>; 101, 106 <111>). Dem Interesse des Eigentümers, Nutzers oder Anlagenbetreibers, zur Haftung nur insoweit herangezogen zu werden, als ihn eine (Mit)Verantwortung für die Beeinträchtigung treffen kann, wird dadurch Rechnung getragen, dass die ihm zuzurechnende Einwirkung nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls geeignet gewesen sein muss, die Beeinträchtigung zu verursachen (§ 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG). Die Gesamtschuld folgt dabei dem für § 840 Abs. 1 BGB maßgeblichen Gesichtspunkt, dass der Geschädigte nicht mit dem Risiko belastet werden darf, dem er bei nur anteilsmäßiger Haftung mehrerer Schadensverursacher ausgesetzt wäre.

275

(bb) Mit dem Schutz der Nachbarn dient § 36a GenTG auch der Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des europäischen Koexistenzkonzeptes (Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Nach § 1 Nr. 2 GenTG ist Ziel des Gesetzes zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel sowohl konventionell oder ökologisch als auch unter Einsatz von Gentechnik erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können. Wie dargelegt, findet diese Zielsetzung ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.

276

Zur Verwirklichung dieses Zwecks soll mit § 36a GenTG sichergestellt werden, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch für Fälle besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Nutzung einer fremden Sache wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 30). Während mit Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis der verantwortungsvolle Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange durch Einträge dieser Organismen von vornherein vermieden werden sollen, dient § 36a GenTG der Abwehr von (dennoch auftretenden) Eigentumsbeeinträchtigungen und dem Ausgleich damit verbundener Vermögensschäden bei benachbarten Produzenten (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Die Wahlfreiheit der Produzenten soll gewahrt und das Eigentum an den jeweiligen Kulturen geschützt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19). Die Ausübung der einen Produktionsmethode soll nicht zu einer wirtschaftlichen Bedrohung der Personen führen, die eine andere Methode anwenden.

277

Mit der Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) soll ferner die Wahlfreiheit für Verbraucher durch Bereitstellung einer breiten, transparent gekennzeichneten Produktpalette gewahrt, Rechts- und Planungssicherheit für alle Seiten sichergestellt und jenseits der Risikodiskussion ein gesellschaftliches Nebeneinander der unterschiedlichen Produktionsweisen sowie eine gesellschaftliche Befriedung erzielt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21).

278

Schließlich wird mit § 36a GenTG das europäische Koexistenzkonzept auf nationaler Ebene umgesetzt. Dies verleiht den mit § 36a GenTG verfolgten Zwecken zusätzliches Gewicht. Insbesondere das Ziel, den Landwirten eine freie Entscheidung zwischen konventionellen oder ökologischen Anbaumethoden oder gentechnisch veränderten Kulturen unter Einhaltung der Regeln für Etikettierung und/oder Sortenreinheit zu ermöglichen, als auch das Ziel, den Verbrauchern die freie Wahl zwischen gentechnikfreien und mit Gentechnik hergestellten Produkten zu garantieren, sind zentrale Anliegen auch auf europäischer Ebene (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Soweit § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG das wegen eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen ohne entsprechende Marktzulassung geltende Verbot des Inverkehrbringens als wesentliche Beeinträchtigung definiert, entspricht dies dem europarechtlich geltenden Anbau- und Vermarktungsverbot für gentechnisch veränderte Organismen, die als Produkte oder in Produkten nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (Art. 6 Abs. 9, Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18/EG).

279

(cc) § 36a GenTG fördert außerdem die Ziele von § 1 Nr. 1 GenTG und damit den Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG). § 36a GenTG kommt diesen Zielen nicht nur als präventives Instrument zur Durchsetzung von Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis zugute. Auch die für den Nachbarn mit der Konkretisierung und Ergänzung der nachbarrechtlichen Vorschriften gewährleistete Möglichkeit, (bestimmte) Einträge abzuwehren, dient dem Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Güter vor möglichen Gefahren der Gentechnik. Dies gilt insbesondere, soweit die Organismen noch nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG).

280

(dd) § 36a GenTG setzt auch den Zweck um, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Die Freisetzung und der Anbau gentechnisch veränderter Kulturen werden grundsätzlich akzeptiert. Nachbarn haben Beeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen im Regelfall zu dulden, soweit gesetzliche Toleranzwerte nicht überschritten oder die Methoden guter fachlicher Praxis gewahrt sind. Die haftungsrechtliche Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen mit dem herkömmlichen Anbau (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann den großräumigen Einsatz gentechnisch veränderter Kulturen fördern.

281

(b) Die Konkretisierung und Ergänzung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist angesichts des breiten Spielraums, den Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gibt (vgl. BVerfGE 53, 257 <293>), zur Erreichung der mit dem Gesetz verfolgten Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich.

282

Es ist auch kein ebenso geeignetes, aber weniger belastendes Mittel erkennbar, das der Gesetzgeber hätte wählen können. Lösungsansätze wie die Einführung eines Mediationsverfahrens und spezieller Anbaugebiete für gentechnisch veränderte Kulturen und für ökologische Erzeugnisse folgen einer anderen Konzeption für die Bewältigung der Koexistenzproblematik und sind nicht geeignet, die mit § 36a GenTG verfolgten Zwecke in ihrer Gesamtheit vergleichbar umzusetzen.

283

Die im Gesetzgebungsverfahren diskutierte Möglichkeit eines freiwilligen Haftungsfonds der Wirtschaft wurde von der Saatgutindustrie abgelehnt (vgl. Deutscher Bundestag, Wortprotokoll der 61. Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 26. November 2007 - Protokoll Nr. 16/61 -, S. 12 Frage Nr. 3). Die Einrichtung eines zumindest teilweise staatlich finanzierten Haftungsfonds stellt kein gleich geeignetes Mittel dar, um die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele zu verwirklichen. Ein Haftungsfonds dient anderen Zielen. Rechtlich würden die Verwender von Gentechnik von der sie als Störer treffenden Folgenverantwortung zumindest teilweise befreit und damit im Vergleich zu ihren Konkurrenten in der konventionellen und ökologischen Produktion besser gestellt. Volkswirtschaftlich entfiele für sie der Anreiz, neben privaten oder betriebswirtschaftlichen Kosten negative externe Effekte bei ihren Aktivitäten zu berücksichtigen. Schädigende Wirkungen der Grundstücksnutzung für Dritte würden über den staatlichen Haftungsfonds von der Allgemeinheit getragen und damit gentechnisch veränderte Produkte bezuschusst werden.

284

(c) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG stellt schließlich einen angemessenen und ausgewogenen Ausgleich der betroffenen Interessen dar.

285

(aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts durch § 36a GenTG gibt einerseits der Nutzung von Grundstücken für genehmigte Freisetzungen und genehmigten Anbau zum Inverkehrbringen strengere Rahmenbedingungen vor. Insbesondere bestehen, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt, nachbarrechtliche Ansprüche auch dann, wenn Einträge von gentechnisch veränderten Organismen mit den Methoden guter fachlicher Praxis nicht zu verhindern sind.

286

(bb) Auf der anderen Seite führt die Vorgabe zwingender Interpretationsregeln für zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Bestimmungen zu mehr Rechts- und Planungssicherheit auch für die Verwender von Gentechnik. Die Gerichte haben vor Einführung des § 36a GenTG die §§ 1004, 906 BGB auf Einträge von DNA durch Pollen, Samen oder auf sonstige Weise angewandt, wobei sich eine gefestigte Rechtsprechung noch nicht herausbilden konnte. Durch bestehende Auslegungsspielräume war die Rechtslage nicht nur für mögliche Betroffene, sondern auch für die Verwender unklar und damit das Haftungsrisiko schwer zu kalkulieren. Diese Lage hat sich nunmehr verbessert. So knüpfen § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG das Vorliegen einer wesentlichen Beeinträchtigung an gemeinschaftsrechtlich wie auch im deutschen Recht festgelegte Grenzwerte, also an normative Standards an, die für den betroffenen Nutzungsberechtigten gelten und auf die sich ein Nachbar ebenso einstellen kann. Mit der haftungsrechtlichen Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen und des herkömmlichen Anbaus (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann der flächendeckende Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in bestimmten Gebieten ermöglicht und gefördert werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verwender von Gentechnik eine vergleichsweise strengere "Sonderhaftung" trifft und sie Einwirkungen der benachbarten Landwirtschaft schutzlos gegenüberstehen. Sie können wesentliche Beeinträchtigungen nach §§ 1004, 906 BGB, die von gentechnikfrei bewirtschafteten Nachbarfeldern ausgehen, ebenfalls abwehren oder, sofern sie zur Duldung verpflichtet sind, einen angemessenen finanziellen Ausgleich verlangen. Die verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Störerhaftung gibt insoweit auch die Rahmenbedingungen für die Berufsausübung der konventionell oder ökologisch arbeitenden Landwirte vor. Hinsichtlich der in § 36a Abs. 4 GenTG geregelten Beweiserleichterung gelten nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vergleichbare Grundsätze nach den allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften (vgl. BGHZ 101, 106 <108>).

287

Die haftenden Grundstückseigentümer und -nutzer haben eine etwaige Störung zudem veranlasst, von ihrem Willen hängt die Beseitigung der Störung ab und ihnen kommen die Vorteile aus der störenden Nutzung zu. Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers findet ihren Grund in der Sachherrschaft über das Eigentum und den damit verbundenen Vorteilen, aber auch Lasten. Wie dem Eigentümer nach geltendem Recht die Vorteile der privaten Nutzung der Sache auch dann zufließen, wenn sie ohne sein Zutun entstehen, muss er die Lasten der Sache im Übrigen selbst dann tragen, wenn die Gefahr nicht durch ihn verursacht worden ist (vgl. BVerfGE 102, 1 <19>).

288

(cc) Mit dem bezweckten Interessenausgleich zwischen Grundstücksnachbarn, der Sicherung der Koexistenz verschiedener landwirtschaftlicher Erzeugungsformen sowie dem Schutz und der Vorsorge vor den Gefahren der Gentechnik werden insbesondere Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt als andernfalls gefährdete Güter von Verfassungsrang geschützt. Weitere wichtige, auch europarechtlich anerkannte Gemeinwohlbelange wie der Schutz der Verbraucher werden gestärkt. Stellt man diese Schutzgüter in die Abwägung der betroffenen Rechte und Interessen ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

289

c) § 36a GenTG greift in die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG ein, ist jedoch auch insoweit verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

290

aa) Die wirtschaftliche Nutzung eines emittierenden Grundstücks zu Erwerbszwecken fällt in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG. Die von § 36a GenTG geregelten Sachverhalte betreffen zwar nicht ausschließlich, jedoch typischerweise ein von Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes berufsbezogenes Verhalten. § 36a GenTG gibt die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die individuelle Erwerbs- und Leistungstätigkeit unter Anwendung von gentechnisch veränderten Organismen vor und dient dem Gesetzgeber auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit diesen Organismen. Insoweit unterscheidet sich § 36a GenTG von § 906 BGB, der gleichermaßen berufsbezogene wie private Grundstücksnutzungen erfasst.

291

§ 36a GenTG ist daher neben Art. 14 Abs. 1 auch an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.

292

bb) § 36a GenTG enthält zwar keinen unmittelbaren Eingriff. Der Grundrechtsschutz ist aber nicht auf unmittelbare Eingriffe beschränkt. Art. 12 Abs. 1 GG entfaltet seine Schutzwirkung dabei auch gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich zwar nicht unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen, jedoch eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfGE 95, 267 <302>; 97, 228 <254>; 111, 191 <213>; stRspr).

293

Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie berufliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen eines Haftungsfalls, die einzelne Verwender von Gentechnik erheblich treffen und von entscheidender Bedeutung für deren weitere berufliche Tätigkeit sein können. Darüber hinaus wird denjenigen, die ein Grundstück erwerbswirtschaftlich nutzen, ein Anreiz vermittelt, einen Haftungsfall durch Einhaltung der guten fachlichen Praxis (§ 16b GenTG) zu vermeiden und die anfallenden Kosten bei ihren Entscheidungen im Rahmen der Berufsausübung und der Marktteilhabe zu veranschlagen. Dies kann die Wahl der Mittel, des Umfangs und der gegenständlichen Ausgestaltung der Betätigung ebenso beeinflussen wie die Entscheidungen über Art, Qualität und Preis der für den Markt produzierten Güter. Die Ergänzung und Konkretisierung nachbarrechtlicher Vorschriften erfasst dabei typischerweise die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte erwerbswirtschaftliche Nutzung von Grundstücken und setzt die Rahmenbedingungen für die entsprechende Berufsausübung. Die Haftung dient dem Gesetzgeber nicht nur zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Grundstücksnachbarn, sondern auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und zur Gewährleistung der Koexistenz verschiedener Anbauformen in der Landwirtschaft.

294

Etwas anderes gilt auch nicht, wenn man in § 36a GenTG nur eine Konkretisierung dessen sehen würde, was nach § 906 BGB und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohnehin gegolten hätte. Die allgemeinen Regeln des Nachbarrechts sind zwar für die Berufsausübung Rahmenbedingungen, welche diese nur reflexhaft treffen. § 36a GenTG kommt jedoch eine gegenüber § 906 BGB eigenständige und nicht nur reflexartig berufsregelnde Wirkung zu. In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG hat der Gesetzgeber zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Haftung nach §§ 1004, 906 BGB durch zwingende Interpretationsregeln konkretisiert und insoweit der Auslegung und einzelfallbezogenen Anwendung durch die Gerichte entzogen. Dies geschieht gerade in Bezug auf Sachverhalte, die typischerweise auf der beruflichen Nutzung von Grundstücken beruhen. Die der Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises dienende Regelung in § 36a Abs. 4 GenTG ist im Anwendungsbereich des Gentechnikrechts für alle Rechtsanwender verbindlich normiert, während das Bürgerliche Gesetzbuch eine entsprechende Vorschrift neben den von der Rechtsprechung analog angewendeten Bestimmungen in § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO nicht kennt.

295

cc) Der mittelbare Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

296

(1) Keine rechtsstaatlichen Bedenken gegen § 36a GenTG bestehen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, vermittelt durch eine Genehmigung zum Inverkehrbringen. Genehmigungsinhaber dürfte beim kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bereits regelmäßig nicht der nach §§ 1004, 906 BGB, § 36a GenTG haftende Landwirt, sondern der Hersteller des zum Inverkehrbringen zugelassenen Saatgutes sein. Jedenfalls darf ein Genehmigungsinhaber aufgrund der öffentlichrechtlichen Genehmigung nicht mit Wirkung für Dritte darauf vertrauen, dass die genehmigte Nutzung keine Beeinträchtigungen oder Schäden verursachen wird.

297

Die Genehmigung trifft, mit Ausnahme der ausdrücklichen Präklusion von Abwehransprüchen in § 23 Satz 1 GenTG, für die zivilrechtliche Haftung keine Aussage, überträgt keine Verantwortung für Beeinträchtigungen auf den Staat und schafft keinen Vertrauenstatbestand, der einer späteren Haftung entgegensteht. Dementsprechend bestimmen Art. 7 Abs. 7 und Art. 19 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, dass die Erteilung der Zulassung die allgemeine zivil- und strafrechtliche Haftung der Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer hinsichtlich des betreffenden Lebens- oder Futtermittels nicht einschränkt. Es kommt auch nicht darauf an, ob dem Inhaber einer gentechnikrechtlichen Genehmigung öffentlichrechtliche Vorgaben gemacht und diese eingehalten wurden. Solche öffentlichrechtlichen Pflichten sollen im Interesse der Allgemeinheit die Risiken der Veränderung von Erbmaterial gering halten. Sie haben jedoch nicht die Funktion, einen Störer oder Schädiger von seiner zivilrechtlichen Verantwortung freizustellen.

298

(2) § 36a GenTG ist eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung.

299

Aus den gleichen Gründen, aus denen die Vorschrift als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums für die Nutzung von Grundstückseigentum anzusehen ist, dient sie auch unter dem Gesichtspunkt der Regelung der Berufsausübung legitimen Gemeinwohlzielen und ist für deren Verfolgung geeignet, erforderlich und angemessen.

300

dd) Soweit nicht vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG umfasste Personen in ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit eingeschränkt werden können, liegt darin ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), der aus denselben Gründen gerechtfertigt ist.

301

d) Die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit ist gleichfalls nicht verletzt.

302

aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie wissenschaftliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Die Norm bestimmt die Voraussetzungen der zivilrechtlichen Folgenverantwortung von Wissenschaftlern und verändert damit die Rahmenbedingungen für eine freie Forschung. Das konkrete Haftungsrisiko, die Folgen eines Haftungsfalls und die für Vorsorgemaßnahmen entstehenden Aufwendungen sind Faktoren, welche für die Entscheidung über Fragestellung, Umfang und praktische Ausführung eines Forschungsprojektes von maßgeblicher Bedeutung sein können. Mit der strengen, verschuldensunabhängigen Haftung kann Forschung dahingehend gesteuert werden, dass Risiken frühzeitig bedacht und Experimente so organisiert und durchgeführt werden, dass Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf andere Grundstücke und damit verbundene Nachteile für Dritte und die Allgemeinheit vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden.

303

bb) Dieser Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit ist gerechtfertigt.

304

Im Bereich der Grundstücksnutzung für Forschungsarbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen stehen sich verschiedene Grundrechte und verfassungsrechtlich geschützte Interessen gegenüber. Denn die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele finden eine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG. Diese sind Verfassungswerte, die auch die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

305

Der Gesetzgeber war um einen Ausgleich der widerstreitenden Rechtspositionen bemüht. Dieses Anliegen verdeutlichen nicht nur die mit § 36a GenTG verfolgten Gemeinwohlziele, sondern auch die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gentechnikänderungsgesetz 2008. Die Regelungen des Gentechnikrechts sollten danach so ausgestaltet werden, dass sie Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland fördern. Gleichzeitig sollte aber der Schutz von Mensch und Umwelt, entsprechend dem Vorsorgegrundsatz, oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben. Die Wahlfreiheit der Landwirte und Verbraucher und die Koexistenz der verschiedenen Bewirtschaftungsformen sollten gewahrt bleiben (BTDrucks 16/6814, S. 10).

306

Diesen Zielsetzungen entsprechend dienen dem Gesetzgeber neben der grundsätzlichen Akzeptanz von Freisetzung und Anbau gentechnisch veränderter Kulturen insbesondere Verfahrenserleichterungen dazu, die Forschung auf dem Gebiet der "grünen" Gentechnik voranzubringen. Andererseits setzt der Gesetzgeber der Forschung mittels einer strengen zivilrechtlichen Haftung dort Grenzen, wo Rechte Dritter gefährdet oder beeinträchtigt werden.

307

Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung berücksichtigt die beteiligten verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter in ausreichendem Maße und wahrt die verfassungsrechtlichen Vorgaben.

308

Zwar unterwirft § 36a GenTG die freie Wissenschaft und Forschung zum Schutz kollidierender Rechtsgüter derselben strengen Haftung, wie sie auch für den sonstigen Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen gilt. Werden nicht zum Inverkehrbringen zugelassene Organismen zu Forschungszwecken freigesetzt, können bereits Einträge ab der Nachweisgrenze zu einer wesentlichen Beeinträchtigung und der damit verbundenen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Haftung führen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG). Werden zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen untersucht und erprobt, sind die Methoden guter fachlicher Praxis zu beachten (§ 16b Abs. 2 und 3 GenTG). Diese gelten gemäß § 36a Abs. 2 GenTG als wirtschaftlich zumutbar. Auch die Forschung ist nicht von der Haftung freigestellt, soweit eine wesentliche Beeinträchtigung nicht bereits durch Schutzmaßnahmen und gute fachliche Praxis verhindert werden kann. Das Risiko eines gewissen, beim Anbau auf offenen Feldern möglicherweise nicht zu vermeidenden Gentransfers tragen auch im Forschungsbereich die Benutzer des emittierenden Grundstücks. Geeignete Standorte für das experimentelle Einbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt müssen von ihnen daher besonders sorgfältig ausgewählt werden. Der Gesetzgeber geht jedoch trotz dieser strengen Haftung davon aus, den Förderungszweck des § 1 Nr. 3 GenTG umsetzen und einen Beitrag für die Sicherung des Forschungsstandorts Deutschland leisten zu können. Seine Annahme, die Forschung bei gleichzeitigem Schutz von Mensch und Umwelt und Wahrung der Koexistenz fördern zu können, ist vertretbar.

309

Bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen ist zugunsten der Wissenschaftsfreiheit zu berücksichtigen, dass gerade eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen befreite Wissenschaft dem Staat und der Gesellschaft im Ergebnis am besten dient (vgl. BVerfGE 47, 327 <369 f.>). Die Forschung im Bereich der "grünen" Gentechnik, sei es Sicherheitsforschung, Entwicklungsforschung oder Begleitforschung, ist zudem von hoher Bedeutung für das Gemeinwohl und dient regelmäßig dem Schutz wesentlicher Belange wie der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Die absichtliche Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen ist in den meisten Fällen ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung neuer Produkte, die von solchen Organismen abgeleitet sind oder diese enthalten (vgl. Erwägungsgrund Nr. 23 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach dem "Stufenprinzip" dürfen die Einschließung solcher Organismen nur dann stufenweise gelockert und ihre Freisetzung ausgeweitet werden, wenn die Bewertung der vorherigen Stufe in Bezug auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt ergeben hat, dass die nächste Stufe eingeleitet werden kann (vgl. Erwägungsgrund Nr. 24 der Richtlinie 2001/18/EG). Gentechnisch veränderte Organismen in Produkten oder als Produkte dürfen für eine Marktfreigabe nur dann in Betracht kommen, wenn sie zuvor im Forschungs- und Entwicklungsstadium in Feldversuchen in Ökosystemen, die von ihrer Anwendung betroffen sein können, ausreichend praktisch erprobt wurden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach der Zulassung findet eine Überwachung und marktbegleitende Beobachtung statt. Neue oder zusätzliche wissenschaftliche Erkenntnisse über Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt können einen Mitgliedstaat berechtigen, den Einsatz und Verkauf eines gentechnisch veränderten Organismus als Produkt oder in einem Produkt vorübergehend einzuschränken oder zu verbieten. Forschung mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann der Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen dienen, indem sie die Grundlagen für die Entwicklung einer guten fachlichen Praxis liefert. Schließlich ist die Wechselwirkung des in die Umwelt eingebrachten gentechnisch veränderten Organismus mit einem umgebenden Ökosystem nicht nur unbeabsichtigte Nebenfolge, sondern unverzichtbarer Gegenstand der Untersuchung. Dies kann der Fall sein, wenn im Rahmen wissenschaftlicher Projekte Basisdaten zur Koexistenz von Anbauformen mit oder ohne Gentechnik erhoben, ausgewertet und in Empfehlungen für die Praxis umgesetzt werden sollen. Aber auch in der Entwicklungs- und Sicherheitsforschung kann die Verbreitung des gentechnisch veränderten Organismus in der Umwelt notwendiger Teil eines Experimentes sein.

310

Zugunsten der kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang - Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt - ist in die Abwägung einzustellen, dass die Forschung an gentechnisch veränderten Organismen sie gefährden kann. Insbesondere die Sicherheits- und Entwicklungsforschung vor der Marktzulassung eines gentechnisch veränderten Organismus kann ein hohes Risikopotential bergen, da noch unklar sein kann, wie dieser Organismus funktioniert und welche Schäden er für Menschen, Pflanzen, Tiere und Biodiversität verursacht. Der Erprobungsanbau von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann das verträgliche Nebeneinander der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen einerseits durch die Erlangung von Daten zur Koexistenz fördern, andererseits durch Auskreuzungen oder andere Einträge dieser Organismen auf benachbarte Flächen die kollidierenden Belange (insbesondere Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) beeinträchtigen. Für jeden Forschungsbereich gilt, dass einmal in die Umwelt absichtlich eingebrachte oder durch einen Störfall freigesetzte Organismen unter Umständen nicht mehr zurückgeholt werden und Beeinträchtigungen oder Schäden an Rechtsgütern Dritter oder der Umwelt damit irreversibel sein können.

311

Bezieht man diese Gesichtspunkte in die Betrachtung ein, so ist die vom Gesetzgeber in § 36a GenTG vorgenommene Gewichtung zugunsten der kollidierenden Gemeinwohlbelange nicht zu beanstanden. Die Grenze der Zumutbarkeit ist auch für die zu Forschungszwecken handelnden Grundstückseigentümer oder Grundstücksnutzer nicht überschritten.

312

e) § 36a GenTG verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz.

313

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.

314

In § 36a Abs. 1, 2 und 4 GenTG werden diejenigen, die ein Grundstück unter Einsatz von Gentechnik nutzen und daher in den Anwendungsbereich der das private Nachbarrecht konkretisierenden und ergänzenden Bestimmungen fallen, ungleich behandelt im Vergleich zu anderen Emittenten, die nach allgemeinem zivilrechtlichen Nachbarrecht haften. Auch wenn die Haftungsbestimmungen damit jeweils andere Personengruppen betreffen, geht es um die unterschiedliche Behandlung verschiedener Sachverhalte, nämlich den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen im Unterschied zur sonstigen Grundstücksnutzung. Daher ist der Gesetzgeber nur an den Willkürmaßstab gebunden.

315

Der Gesetzgeber hat die Differenzierung nach sachbezogenen Kriterien vorgenommen. § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine für die betroffenen Nutzungsberechtigten im Zusammenhang mit Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen geltende Rechtslage und daraus resultierende Nachteile an. Vergleichbare Genehmigungs- und Kennzeichnungspflichten für gentechnisch veränderte Produkte, die durch Einträge aus konventioneller oder ökologischer Produktion ausgelöst werden könnten, bestehen derzeit nicht. In § 36a Abs. 2 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine besondere Rechtslage an, die nur für diejenigen gilt, die mit verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen umgehen. § 36a Abs. 4 GenTG beruht auf dem Anliegen, die von der Rechtsprechung im Rahmen der allgemeinen nachbarrechtlichen Störerhaftung für andere Emittenten entwickelten Grundsätze für den Bereich des Gentechnikrechts gesetzlich zu regeln.

316

Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung die bereits dargestellten, verfassungsrechtlich verankerten legitimen Gemeinwohlziele. Diese sind so gewichtig, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch eine Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Emittenten und erst recht die unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten rechtfertigen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

§ 3 Nummern 3 und 6, § 16a Absätze 1 bis 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik in der zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung vom 1. April 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 499) geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

1

Der Normenkontrollantrag betrifft die Vereinbarkeit von Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz - GenTG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1993, BGBl I S. 2066; zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2542) mit dem Grundgesetz. Angegriffen werden Regelungen über die Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), über das Standortregister (§ 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG), über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG), welche auf das Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts (im Folgenden: Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 - GenTNeuOG 2004) vom 21. Dezember 2004 (BGBl I 2005 S. 186) und das Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung (im Folgenden: Gentechnikänderungsgesetz 2008 - GenTÄndG 2008) vom 1. April 2008 (BGBl I S. 499) zurückgehen.

I.

2

1. Die gezielte Neukombination des genetischen Materials von Lebewesen mit technischen Methoden (Gentechnik; vgl. BTDrucks 11/5622, S. 19) eröffnet die Möglichkeit, planmäßig Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um Organismen mit erwünschten Eigenschaften zu erzeugen, die mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht herstellbar wären. Dementsprechend ist ein gentechnisch veränderter Organismus im Sinne des Gentechnikgesetzes ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt (§ 3 Nr. 3 GenTG).

3

Der Normenkontrollantrag betrifft vornehmlich den Einsatz von Gentechnik bei Kulturpflanzen sowohl zu kommerziellen Zwecken, etwa in der Landwirtschaft und der Saatgutproduktion, als auch zu Forschungszwecken. Durch diese umgangssprachlich als "grüne" Gentechnik bezeichnete Anwendung sollen agronomisch wünschenswerte Ergebnisse wie Produktivitätssteigerungen oder Reduktionen von Umweltbeeinträchtigungen erzielt werden. Pflanzen sollen beispielsweise ernährungsphysiologische Vorteile und einen besseren Geschmack erhalten, eine längere Lagerfähigkeit aufweisen, Rohstoffe liefern oder Arzneimittel produzieren. Risiken und Chancen dieser Nutzung der Gentechnik sind umstritten und nicht abschließend geklärt. Durch den Transfer von Genmaterial auch über Artgrenzen hinweg können einerseits wünschenswerte Eigenschaften gezielt beeinflusst werden, andererseits besteht das Risiko, dass es zu unerwünschten Nebenfolgen kommt. Indem gentechnisch veränderte Organismen zu experimentellen Zwecken oder in Form von kommerziellen Produkten in die Umwelt ausgebracht werden, können sie sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten. Diese Auswirkungen können unumkehrbar sein.

4

Vor diesem Hintergrund dient eine umfangreiche Gesetzgebung dazu, die mit dem gezielten Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt verbundenen Risiken zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu kontrollieren und sowohl eine Grundlage für den Einsatz der neuen Technologie zu schaffen als auch die Interessen der gentechnikfreien Landwirtschaft zu wahren. Wesentliche rechtliche Vorgaben des Unionsgesetzgebers sind festgelegt in der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl EG Nr. L 106, S. 1; im Folgenden: Richtlinie 2001/18/EG) und der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl EU Nr. L 268, S. 1; im Folgenden: Verordnung Nr. 1829/2003).

5

Bundesrechtliche Grundlage für das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt sind in erster Linie das 1990 in Kraft getretene und nachfolgend mehrfach geänderte Gentechnikgesetz und dessen Bestimmungen über Freisetzungen solcher Organismen und das Inverkehrbringen von Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen.

6

2. Das am 4. Februar 2005 in Kraft getretene Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 beruht auf einer im Mai 2004 in den Bundestag eingebrachten Gesetzesvorlage der Bundesregierung (BTDrucks 15/3088). Nach einer ersten Lesung, Überweisung an die Ausschüsse und Durchführung einer Expertenanhörung empfahl der federführende Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft die Annahme des Entwurfs der Bundesregierung in einer vom Ausschuss geänderten Fassung (BTDrucks 15/3344). Insbesondere waren zustimmungspflichtige Teile aus der Gesetzesvorlage herausgenommen worden, um eine zügige Verabschiedung des Gesetzes mit den materiellen Regelungen zu gewährleisten. Den Ländervollzug betreffende Verfahrensvorschriften sollten in einem späteren, zustimmungspflichtigen Gesetz vorgelegt werden. In der Ausschussfassung wurde der Gesetzentwurf vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 15/115, S. 10517 B). Der Bundesrat rief den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes an (Bundesrat, Plenarprotokoll, 802. Sitzung, S. 361 D) und legte nach Abschluss des Verfahrens gegen das Gesetz Einspruch ein (Bundesrat, Plenarprotokoll, 805. Sitzung, S. 544 A; BTDrucks 15/4159). Der Bundestag wies den Einspruch zurück (Plenarprotokoll 15/143, S. 13338 D). Das Gesetz wurde am 21. Dezember 2004 ausgefertigt und im Februar 2005 im Bundesgesetzblatt verkündet.

7

Schwerpunkt des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 war die Umsetzung der Richtlinie 2001/18/EG und die Gewährleistung einer Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen.

8

a) Mit einer Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG, Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c GenTNeuOG 2004) wollte der Gesetzgeber auf der Grundlage von Art. 2 Nr. 2 und 4 der Richtlinie 2001/18/EG klarstellen, dass insbesondere auch Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderter Organismen im Sinne des § 3 Nr. 3 GenTG darstellen (BTDrucks 15/3344, S. 39) und, selbst wenn sie auf eine genehmigte Freisetzung zurückgehen, unter den Begriff des Inverkehrbringens im Sinne des § 3 Nr. 6 GenTG und damit in den Anwendungsbereich des Gentechnikgesetzes2 Abs. 1 Nr. 4 GenTG) und seiner Vorschriften über das Inverkehrbringen fallen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 56). Hintergrund war die vor dem Inkrafttreten des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 umstrittene Frage, ob Produkte aus konventioneller Produktion, die infolge eines unbeabsichtigten Eintrages von gentechnisch veränderten Organismen Eigenschaften aufweisen, die auf gentechnischen Veränderungen beruhen, einer gentechnikrechtlichen Genehmigung bedürfen, wenn sie in Verkehr gebracht werden sollen.

9

b) Auf der Grundlage von Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG, eingefügt durch Art. 43 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, sollte durch mehrere Instrumente das unbeabsichtigte Vorhandensein von gentechnisch veränderten Organismen in anderen Produkten verhindert und eine Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen gewährleistet werden. Damit verbunden war das Anliegen, die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu sichern und jenseits der Risikodiskussion zu einer gesellschaftlichen Befriedung zu gelangen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass der großflächige Anbau einer gentechnisch veränderten Kulturpflanze ebenso wie eine Freisetzung in kleinerem Maßstab zu Auskreuzungen auf benachbarte Grundstücke führen und damit Wirtschaftsteilnehmer betreffen kann, die auf den Einsatz von Gentechnik verzichten wollen oder nach den geltenden Vorschriften über den ökologischen Landbau und die Kennzeichnung von ökologisch erzeugten Produkten verzichten müssen. Um diesen Entwicklungen in der Land- und Lebensmittelwirtschaft Rechnung zu tragen, wurde der Koexistenzbelang als Gesetzeszweck aufgenommen (§ 1 Nr. 2 GenTG). Zweck des Gentechnikgesetzes gemäß § 1 GenTG ist nunmehr,


10

1. unter Berücksichtigung ethischer Werte, Leben und Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter vor schädlichen Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen und Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren zu treffen,

11

2. die Möglichkeit zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel, konventionell, ökologisch oder unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können,

12

3. den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen.

13

Das Ziel der Gewährleistung der Koexistenz wurde mit den angegriffenen Bestimmungen über das Standortregister, über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen weiter konkretisiert.

14

aa) Zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben aus Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG und als Beitrag zur Sicherung der Koexistenz wurde ein Standortregister eingerichtet (§ 16a GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004). Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 GenTG werden in dem vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als zuständiger Bundesoberbehörde (vgl. § 31 Satz 2 GenTG) geführten Standortregister die gemeldeten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen für das gesamte Bundesgebiet zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit erfasst. Soll eine genehmigte Freisetzung durchgeführt werden, so hat der Betreiber (vgl. § 3 Nr. 7 GenTG) spätestens drei Werktage vor der Durchführung die Freisetzung, die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, das Grundstück der Freisetzung und die Größe der Freisetzungsfläche und den Freisetzungszeitraum dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu melden (§ 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GenTG). Soll eine zugelassene gentechnisch veränderte Pflanze angebaut werden, muss der Bewirtschafter (vgl. § 3 Nr. 13a GenTG) dieses Vorhaben spätestens drei Monate vor dem Anbau dem Bundesamt melden sowie die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche mitteilen (§ 16a Abs. 3 Satz 1 und 2 GenTG). Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen (§ 16a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3 GenTG). Das Standortregister ist zum Teil allgemein zugänglich. Auskünfte über die Bezeichnung und - im Fall des Anbaus - der spezifische Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße werden durch automatisierten Abruf über das Internet erteilt (§ 16a Abs. 4 GenTG). Über die im Übrigen nicht allgemein zugänglichen Informationen wird grundsätzlich Auskunft erteilt, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat (§ 16a Abs. 5 GenTG). Zur Gewährleistung von Datensicherheit und Datenschutz sind dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu treffen (§ 16a Abs. 6 Satz 1 GenTG). Die Daten des Bundesregisters werden nach Ablauf von 15 Jahren nach ihrer erstmaligen Speicherung gelöscht (§ 16a Abs. 6 Satz 2 GenTG).

15

bb) Als weiterer Beitrag zur Gewährleistung der Koexistenz wurden eine Vorsorgepflicht und Anforderungen an die gute fachliche Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen eingeführt (§ 16b GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004), wodurch Einträge dieser Organismen vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden sollen. § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG verpflichtet denjenigen zur Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange, der mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen, auf näher bestimmte Art und Weise umgeht oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt. Die Erfüllung der Vorsorgepflicht nach § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG wird für die Bereiche des Umgangs mit gentechnisch veränderten Pflanzen und der Haltung von gentechnisch veränderten Tieren durch Bestimmungen über eine gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 2 und 3 GenTG präzisiert. Gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG in seiner bis zum 4. April 2008 geltenden Fassung (im Folgenden: § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F.) waren Handlungen ausdrücklich unzulässig, soweit aufgrund der Umstände des Einzelfalles die Erreichung der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange nicht gewährleistet war. Ergänzend zu den Verhaltenspflichten des § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG trifft § 16b Abs. 4 GenTG eine Regelung über die zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderliche Eignung von Person und Ausstattung desjenigen, der zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken mit den Produkten umgeht. Der vorliegend nicht angegriffene § 16b Abs. 5 GenTG verpflichtet denjenigen, der die Produkte in den Verkehr bringt, eine Produktinformation mitzuliefern, die neben den Bestimmungen der Genehmigung auch Angaben zur Erfüllung der Pflichten nach § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG enthalten muss. Der ebenfalls nicht beanstandete § 16b Abs. 6 GenTG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung einzelne Aspekte zu § 16b Abs. 3, 4 und 5 GenTG näher zu regeln. § 16a und § 16b GenTG finden auch Anwendung, wenn das Inverkehrbringen durch Rechtsvorschriften geregelt ist, die den Bestimmungen des Gentechnikgesetzes über Freisetzung und Inverkehrbringen vorgehen (vgl. § 14 Abs. 2 GenTG).

16

cc) Das private Nachbarrecht wurde schließlich durch eine Regelung über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen konkretisiert und ergänzt, um sicherzustellen, dass bei wesentlichen Nutzungsbeeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen ein zivilrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch besteht (§ 36a GenTG, Art. 1 Nr. 24 GenTNeuOG 2004).

17

(1) Im privaten Nachbarrecht kann ein Eigentümer von dem Störer gemäß § 1004 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB - in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002, BGBl I S. 42 und 2909, BGBl I 2003, S. 738) die Beseitigung oder die Unterlassung einer Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird oder eine künftige Beeinträchtigung zu besorgen ist. Gemäß § 1004 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Eigentümer jedoch zur Duldung verpflichtet und sein Abwehranspruch ausgeschlossen, wenn die Benutzung seines Grundstücks durch die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und durch ähnliche grenzüberschreitende Einwirkungen nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Eigentümer auch eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. In diesem Fall kann der Eigentümer aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein allgemeiner nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß § 1004 Abs. 1, § 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGHZ 155, 99<102 f.> m.w.N.). Die Vorschrift des § 906 BGB konkretisiert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im öffentlichen Nachbarrecht den Maßstab dessen, was ein Grundstückseigentümer oder -besitzer bei Immissionen von hoher Hand entschädigungs- und schadensersatzlos hinnehmen muss (BGHZ 91, 20<21 f.>; 97, 97 <104>). Vor Einführung des § 36a GenTG war umstritten, ob und inwieweit nach dieser Maßgabe Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf benachbarte Flächen als mögliche "ähnliche Einwirkung" im Sinn von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB Abwehr- und Ausgleichsansprüche auslösen können.

18

(2) Mit § 36a GenTG ist nunmehr festgelegt, dass die in den §§ 1004, 906 BGB geregelten Duldungs-, Abwehr- und Ausgleichsansprüche sowohl für die Übertragung der auf gentechnischen Arbeiten beruhenden Eigenschaften eines Organismus wie für sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen gelten (§ 36a Abs. 1 GenTG).

19

(a) In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG wird der Anwendungsbereich von § 906 BGB hinsichtlich der dort verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe der "wesentlichen Beeinträchtigung" durch die Benutzung eines anderen Grundstücks (§ 36a Abs. 1 GenTG), der einem Grundstücksbenutzer "wirtschaftlich zumutbaren" Maßnahmen zur Verhinderung einer Beeinträchtigung (§ 36a Abs. 2 GenTG) und der "ortsüblichen" Benutzung eines Grundstücks (§ 36a Abs. 3 GenTG) konkretisiert.

20

Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen insbesondere dann eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinn von § 906 BGB dar, wenn die Erzeugnisse des betroffenen Nutzungsberechtigten deswegen nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG) oder ihre beabsichtigte Vermarktung aufgrund der geltenden Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten nur eingeschränkt möglich oder ausgeschlossen ist (§ 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG). Soweit in den einzelnen Fallgruppen Schwellenwerte bestehen, etwa für die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel, sollen diese maßgeblicher Bezugspunkt für die Frage sein, ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist (BTDrucks 15/3088, S. 31). Die in § 36a Abs. 1 GenTG aufgezählten Fälle sind nicht abschließend; wertungsmäßig vergleichbare Fälle sollen entsprechend in die Regelung einbezogen werden (BTDrucks 15/3344, S. 41). Wenn kein Fall des § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und auch keine vergleichbare Beeinträchtigung vorliegt, ist der Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbarflächen unwesentlich und darf gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verboten werden.

21

§ 36a Abs. 2 GenTG knüpft an § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB an, wonach eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden ist, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Gemäß § 36a Abs. 2 GenTG gilt die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 GenTG als wirtschaftlich zumutbar in diesem Sinne.

22

§ 36a Abs. 3 GenTG modifiziert das Kriterium der Ortsüblichkeit im Sinn von § 906 BGB dahingehend, dass es für die Beurteilung nicht darauf ankommt, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.

23

(b) § 36a Abs. 4 GenTG ergänzt das private Nachbarrecht um eine Regelung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises. § 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG enthält eine Ursachenvermutung nach dem Vorbild von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, die zu einer gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer möglicher Verursacher nach § 840 Abs. 1 BGB führt. § 36a Abs. 4 Satz 2 GenTG bestimmt den Vorrang der anteiligen Haftung, soweit eine jeweils nur anteilige Verursachung mehrerer Nachbarn feststeht und eine Aufteilung des Ausgleichs nach § 287 ZPO möglich ist.

24

3. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 beruht ebenfalls auf einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung. Diese brachte im Oktober 2007 Entwürfe für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes (BTDrucks 16/6814) und für die Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes (BTDrucks 16/6557) in den Bundestag ein. Nach einer ersten Lesung und Überweisung an die Ausschüsse wurde der Gesetzentwurf auf Empfehlung des federführenden Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als Artikelgesetz ausgestaltet (BTDrucks 16/7868). Art. 1 des Gesetzes enthielt das zum Teil geänderte Vierte Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes. Art. 2 fügte ein weiteres Gesetz zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes an, in welchem die Maßgaben für die Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" geregelt wurden, und Art. 3 hob die entsprechende Vorgängerregelung in der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung auf. In dieser Textfassung wurde das Gentechnikänderungsgesetz 2008 vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 16/140, S. 14792 B) und passierte unverändert den Bundesrat, der den Vermittlungsausschuss nicht anrief (Bundesrat, Plenarprotokoll, 841. Sitzung, S. 9 C, BRDrucks 52/08). Das Gesetz wurde am 1. April 2008 ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. Sein Artikel 1 ist am 5. April 2008, die Artikel 2 und 3 sind am 1. Mai 2008 in Kraft getreten.

25

Ziel dieser jüngsten Novellierung des Gentechnikrechts war es, Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland zu fördern. Dabei sollten aber der Schutz von Mensch und Umwelt entsprechend dem Vorsorgegrundsatz oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben und die Wahlfreiheit der Landwirte und der Verbraucher sowie die Koexistenz der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen weiterhin gewährleistet werden. Vor diesem Hintergrund wurden Verfahrenserleichterungen für Arbeiten in gentechnischen Anlagen vorgenommen und Ausnahmeregelungen für bestimmte gentechnisch veränderte Organismen ausgedehnt. Eine Verwertung von Produkten, die Anteile von nicht zum Inverkehrbringen zugelassenen Organismen aufweisen, wurde unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen.

26

§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. wurde ersatzlos gestrichen und stattdessen in § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht geregelt (bezüglich § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG im Folgenden: n.F.). Die Pflicht zur Vorsorge muss nunmehr hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachtet werden, als dieser durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder auf Anfrage des Vorsorgepflichtigen die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient (§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F.). Eine zulässige Abweichung von der guten fachlichen Praxis ist der zuständigen Behörde gemäß § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen und nach Maßgabe des neu eingefügten § 16b Abs. 1a GenTG an das Standortregister (§ 16a GenTG) zu melden. Insoweit hat der Bewirtschafter ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2 GenTG spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstücks dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. oder die Tatsache mitzuteilen, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis aufgrund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen (§ 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG). Die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe über Abweichungen von der guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG) wird allgemein zugänglich gemacht. Im Übrigen gilt für die nach § 16b Abs. 1a GenTG erhobenen Daten § 16a GenTG entsprechend (§ 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG).

II.

27

Mit ihrem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 machte die Antragstellerin ursprünglich die Unvereinbarkeit von Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c, Nr. 14 und Nr. 24 GenTNeuOG 2004 mit dem Grundgesetz geltend. Im Hinblick auf das zwischenzeitlich in Kraft getretene Gentechnikänderungsgesetz 2008 rügt sie zuletzt nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 15. Januar 2009 die Unvereinbarkeit von "§ 3 Nr. 3 und 6, § 16a Absätze 1, 3, 4 und 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a GenTG" in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung mit dem Grundgesetz. Soweit die angegriffenen Normen wesentliche Änderungen erfahren haben, stellt die Antragstellerin die alte Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 ausdrücklich nicht mehr zur Überprüfung und wendet sich insbesondere gegen § 16b Abs. 1 GenTG nur in seiner Neufassung nach dem Gentechnikänderungsgesetz 2008. In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin klargestellt, dass § 16b Abs. 1a GenTG Gegenstand der Überprüfung sein soll, soweit der allgemein zugängliche Teil des Standortregisters die auf das betroffene Grundstück des Nachbarn bezogene Angabe umfasst (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG). § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG stellt sie umfänglich und damit auch hinsichtlich solcher Angaben zur Prüfung, die aufgrund des ausdrücklich nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind.

28

Die nach dieser Maßgabe angegriffenen Vorschriften sowie § 16a Abs. 2 GenTG lauten:

29

§ 3

30

Begriffsbestimmungen

31

Im Sinne dieses Gesetzes sind

32

33

3. gentechnisch veränderter Organismus

34

ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt; ein gentechnisch veränderter Organismus ist auch ein Organismus, der durch Kreuzung oder natürliche Rekombination zwischen gentechnisch veränderten Organismen oder mit einem oder mehreren gentechnisch veränderten Organismen oder durch andere Arten der Vermehrung eines gentechnisch veränderten Organismus entstanden ist, sofern das genetische Material des Organismus Eigenschaften aufweist, die auf gentechnische Arbeiten zurückzuführen sind,

35

36

6. Inverkehrbringen

37

die Abgabe von Produkten an Dritte, einschließlich der Bereitstellung für Dritte, und das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes, soweit die Produkte nicht zu gentechnischen Arbeiten in gentechnischen Anlagen oder für genehmigte Freisetzungen bestimmt sind; jedoch gelten

38

a) unter zollamtlicher Überwachung durchgeführter Transitverkehr,

39

b) die Bereitstellung für Dritte, die Abgabe sowie das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes zum Zweck einer genehmigten klinischen Prüfung

40

nicht als Inverkehrbringen,

...

41

§ 16a

42

Standortregister

43

(1) Zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit werden die nach Absatz 2 mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen und die nach Absatz 3 mitzuteilenden Angaben über den Anbau gentechnisch veränderter Organismen in einem Bundesregister erfasst. Das Register wird von der zuständigen Bundesoberbehörde geführt und erfasst die nach Absatz 2 oder Absatz 3 gemeldeten Angaben für das gesamte Bundesgebiet. Das Register muss nach Maßgabe des Absatzes 4 allgemein zugänglich sein.

44

(2) Der Betreiber hat die tatsächliche Durchführung der genehmigten Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen spätestens drei Werktage vor der Freisetzung der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:

45

1. die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus,

46

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

47

3. das Grundstück der Freisetzung sowie die Größe der Freisetzungsfläche,

48

4. den Freisetzungszeitraum.

49

Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen.

50

(3) Der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen ist von demjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, spätestens drei Monate vor dem Anbau der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:

51

1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,

52

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

53

3. den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet,

54

4. das Grundstück des Anbaus sowie die Größe der Anbaufläche.

55

Änderungen in den Angaben sind unverzüglich mitzuteilen.

56

(4) Der allgemein zugängliche Teil des Registers umfasst:

57

1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,

58

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

59

3. das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße.

60

Auskünfte aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers werden im Wege des automatisierten Abrufs über das Internet erteilt.

61

(5) Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers Auskunft auch über die personenbezogenen Daten, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat.

...


62

§ 16b

63

Umgang mit

64

in Verkehr gebrachten Produkten

65

(1) Wer zum Inverkehrbringen zugelassene Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, anbaut, weiterverarbeitet, soweit es sich um Tiere handelt, hält, oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt, hat Vorsorge dafür zu treffen, dass die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange durch die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, durch die Beimischung oder durch sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Er muss diese Pflicht hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachten, als dieser durch schriftliche Vereinbarung mit ihm auf seinen Schutz verzichtet oder ihm auf Anfrage die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient. In der schriftlichen Vereinbarung oder der Anfrage ist der andere über die Rechtsfolgen der Vereinbarung oder die Nichterteilung der Auskünfte aufzuklären und darauf hinzuweisen, dass er zu schützende Rechte Dritter zu beachten hat. Die zulässige Abweichung von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis sind der zuständigen Behörde rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen.

66

(1a) Der Bewirtschafter hat ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2

67

1. die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 oder

68

2. die Tatsache, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis auf Grund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen,

69

der zuständigen Bundesoberbehörde spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstückes mitzuteilen. Der allgemein zugängliche Teil des Registers nach § 16a Abs. 1 Satz 1 umfasst zusätzlich zu der Angabe nach § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe nach Satz 1. Im Übrigen gilt § 16a entsprechend.


70

(2) Beim Anbau von Pflanzen, beim sonstigen Umgang mit Pflanzen und bei der Haltung von Tieren wird die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis erfüllt.

71

(3) Zur guten fachlichen Praxis gehören, soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist, insbesondere

72

1. beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen die Beachtung der Bestimmungen der Genehmigung für das Inverkehrbringen nach § 16 Abs. 5a,

73

2. beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und bei der Herstellung und Ausbringung von Düngemitteln, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, Maßnahmen, um Einträge in andere Grundstücke zu verhindern sowie Auskreuzungen in andere Kulturen benachbarter Flächen und die Weiterverbreitung durch Wildpflanzen zu vermeiden,

74

3. bei der Haltung gentechnisch veränderter Tiere die Verhinderung des Entweichens aus dem zur Haltung vorgesehenen Bereich und des Eindringens anderer Tiere der gleichen Art in diesen Bereich,

75

4. bei Beförderung, Lagerung und Weiterverarbeitung gentechnisch veränderter Organismen die Verhinderung von Verlusten sowie von Vermischungen und Vermengungen mit anderen Erzeugnissen.

76

(4) Wer mit Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, für erwerbswirtschaftliche, gewerbsmäßige oder vergleichbare Zwecke umgeht, muss die Zuverlässigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten und Ausstattung besitzen, um die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erfüllen zu können.

...

77

§ 36a

78

Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen

79

(1) Die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, oder sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dar, wenn entgegen der Absicht des Nutzungsberechtigten wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags Erzeugnisse insbesondere

80

1. nicht in Verkehr gebracht werden dürfen oder

81

2. nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder nach anderen Vorschriften nur unter Hinweis auf die gentechnische Veränderung gekennzeichnet in den Verkehr gebracht werden dürfen oder

82

3. nicht mit einer Kennzeichnung in den Verkehr gebracht werden dürfen, die nach den für die Produktionsweise jeweils geltenden Rechtsvorschriften möglich gewesen wäre.

83

(2) Die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 gilt als wirtschaftlich zumutbar im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

84

(3) Für die Beurteilung der Ortsüblichkeit im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kommt es nicht darauf an, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.

85

(4) Kommen nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls mehrere Nachbarn als Verursacher in Betracht und lässt es sich nicht ermitteln, wer von ihnen die Beeinträchtigung durch seine Handlung verursacht hat, so ist jeder für die Beeinträchtigung verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn jeder nur einen Teil der Beeinträchtigung verursacht hat und eine Aufteilung des Ausgleichs auf die Verursacher gemäß § 287 der Zivilprozessordnung möglich ist.

86

Die Antragstellerin hält diese Vorschriften für materiell verfassungswidrig. Sie trägt im Wesentlichen zur Begründung vor:

87

1. Mit § 36a GenTG habe der Gesetzgeber erheblich in das von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägte, ausgeglichene Haftungsregime der §§ 906, 1004 und 823 BGB eingegriffen und ein über die bislang geltenden Regelungen hinausgehendes Haftungssonderrecht für den Einsatz von Gentechnik geschaffen.§ 36a Abs. 1 GenTG verweise offen und unbestimmt auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten und schaffe damit ein unkalkulierbares und voraussichtlich nicht versicherbares Haftungsrisiko. § 36a Abs. 2 und 3 GenTG schlössen die Ortsüblichkeit einer Nutzung und die wirtschaftliche Zumutbarkeit von Gegenmaßnahmen zu Lasten des Verwenders von Gentechnik aus. Mit § 36a Abs. 4 GenTG werde eine gesamtschuldnerische Haftung ohne Kausalitätsnachweis eingeführt. Der Nachbarschaftsausgleich werde nunmehr regelmäßig nach Maßgabe des bürgerlichrechtlichen Aufopferungsanspruchs analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erfolgen, der häufig auf volle Schadloshaltung gerichtet sei. Verschulden des Verwenders von Gentechnik sei nicht erforderlich, so dass es sich insgesamt um eine verdeckte Gefährdungshaftung handle.

88

a) Diese stehe nicht mit der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der Gentechnik verwendenden Landwirte und Saatguthersteller in Einklang. Die Vorschrift schränke die Freiheit der Berufsausübung gezielt zugunsten des ökologischen Landbaus ein. Sie führe zu Sorgfaltspflichten, die über die Genehmigungsanforderungen und die gute fachliche Praxis hinausgingen, und aufgrund des hohen Haftungsrisikos zu einem faktischen Ausschluss des beruflichen Einsatzes von Gentechnik. Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt.

89

§ 36a Abs. 1 GenTG verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot, da eine wesentliche Beeinträchtigung nicht nur in den aufgezählten, sondern auch in wertungsmäßig vergleichbaren Fällen vorliegen könne, ohne dass die für die Gleichstellung maßgeblichen Gesichtspunkte genannt würden. § 36a Abs. 1 Nr. 3 GenTG verletze das Gebot der Klarheit von Rechtsnormen. Mit der "dynamischen Verweisung" auf Rechtsvorschriften über die nationale Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" und die europäische Produktkennzeichnung mit Bezug auf ökologischen Landbau würden keine klaren Haftungsvoraussetzungen festgelegt. Der Grundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung stehe der Annahme einer wesentlichen Eigentumsbeeinträchtigung durch zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen entgegen. Von diesen gehe kein Risiko für Gesundheit, Umwelt und Eigentum aus. Vielmehr legitimiere die Genehmigung für ein Inverkehrbringen die Verbreitung dieser Organismen im offenen ökologischen System, stelle diese einem natürlichen Organismus gleich und schaffe einen Vertrauenstatbestand zugunsten ihrer Verwender. Der Koexistenzbelang (§ 1 Nr. 2 GenTG) gewährleiste ihre wirtschaftliche Nutzung.

90

Da von dem Anbau zum Inverkehrbringen zugelassener gentechnisch veränderter Organismen keine Gefahr ausgehe, genüge die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des § 36a GenTG nicht den allgemeinen, aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden Anforderungen an Haftungsbestimmungen. Die Haftung für die von vornherein mitbedachten, produktionsbedingten und zufällig eintretenden Folgen des Anbaus müsse jedenfalls durch einen Haftungsfonds oder die Möglichkeit, das Haftungsrisiko zu versichern, gemildert werden. Unverhältnismäßig sei ferner, dass der Verwender von Gentechnik sich weder durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis noch durch ein unabwendbares Ereignis oder ein Mitverschulden des Gläubigers entlasten könne und ihm ein individueller Verursachungsbeitrag nicht nachgewiesen werden müsse.

91

Gemessen an Art. 12 Abs. 1 GG sei § 36a GenTG auch unverhältnismäßig. Die Haftungsregelung wirke wie eine objektive Einschränkung der Berufswahlfreiheit, da Landwirte aufgrund des nicht einschätzbaren Haftungsrisikos den sich herausbildenden Beruf des "GVO-anbauenden Landwirts" meiden würden. Die mit § 36a GenTG verfolgte Zielsetzung, die Wahlfreiheit zwischen gentechnisch veränderten und nicht veränderten Produkten und Produktionsmitteln für Verbraucher und Produzenten zu erhalten und den ökologischen Landbau besonders zu schützen, besitze keinen verfassungsrechtlichen Rang und könne bereits aus diesem Grund die wirtschaftlich erdrosselnde Haftung nicht rechtfertigen. § 36a GenTG sei zur Erreichung des Koexistenzzieles auch weder geeignet noch erforderlich. Denn es werde einseitig der konventionelle und ökologische Landbau geschützt, der gentechnische Landbau jedoch im Wesentlichen verhindert, ohne dass es dieser Haftung bedürfte. Bereits durch die gute fachliche Praxis könnten unbeabsichtigte Auskreuzungen auf das unvermeidbare Maß reduziert werden und eine Haftung sei nur bei Verletzung dieser Bestimmungen geboten. Die Haftung müsse nicht an der Kennzeichnung von Produkten ausgerichtet werden. Man hätte auch einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einrichten können, um die Rahmenbedingungen für die angestrebte Koexistenz zu schaffen. Die Regelung sei zudem nicht angemessen. Das Haftungsrisiko werde einseitig auf die Verwender von Gentechnik verlagert. Hingegen träfen konventionell oder ökologisch arbeitende Landwirte keine Schutz- und Vorsorgepflichten, obwohl gerade Feldbestände in der ökologischen Landwirtschaft eine besondere Empfindlichkeit aufwiesen, die nur aus den Vermarktungsbedingungen für ökologisch erzeugte Produkte resultiere. Damit könne der Geschädigte den Umfang seines Schadensersatzanspruchs nach seinen subjektiven Verwendungswünschen bestimmen. Auch wenn man das nachbarliche Eigentum als zu schützendes Recht ansehe, ergebe sich kein angemessener Ausgleich.

92

b) § 36a GenTG greife ungerechtfertigt in das Eigentum der Verwender von Gentechnik und den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der von der Haftung betroffenen Landwirte und Saatguthersteller ein (Art. 14 Abs. 1 GG). Aufgrund der hohen Sorgfaltspflichten und der nicht einschätzbaren Haftung würden Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen unterbunden und geplante Freisetzungen und kommerzieller Anbau unterlassen. Für das Ziel, die Existenz des ökologischen und konventionellen Anbaus zu sichern und das Eigentum des beeinträchtigten Landwirts zu schützen, sei der Eingriff weder erforderlich noch angemessen. Der Intensität, Tragweite und Schwere des Eingriffs stünden nur geringe Einschränkungen auf Seiten des Nachbarn gegenüber, die einem zufälligen Ereignis gleichzustellen seien. Zudem hätten Landwirtschaftsflächen keinen besonderen sozialen Bezug.

93

c) § 36a GenTG verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Vorschrift führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von gentechnisch wirtschaftenden Landwirten auf der einen und gentechnikfrei wirtschaftenden Landwirten auf der anderen Seite.

94

2. Das in § 16a GenTG geregelte Standortregister verletze die Verwender von Gentechnik in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Indem personenbezogene Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und den Namen, die Anschrift und das Grundeigentum der Betroffenen erhoben und gespeichert würden sowie Dritten - zum Teil öffentlich - zugänglich seien, werde politisch motivierte Feldzerstörung begünstigt und das Eigentum der Verwender von Gentechnik gefährdet. Demgegenüber sei das Standortregister weder geeignet noch erforderlich, um das Ziel der Überwachung etwaiger Auswirkungen verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen auf die Umwelt, die angestrebte Transparenz und die Koexistenz der verschiedenen Anbauformen zu erreichen. Insbesondere wäre dieser Zielsetzung und den Vorgaben des Europarechts bereits mit einer Veröffentlichung der Gemeinde des jeweiligen Standortes Genüge getan. Zur Sicherung der Koexistenz müsse ein berechtigtes Interesse an Auskünften über die nicht allgemein zugänglichen Informationen nur dann anerkannt werden, wenn eine wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung und darüber hinaus substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn drohten.Die Regelungen seien auch nicht angemessen. Transparenz sei kein Wert von Verfassungsrang und könne die Veröffentlichung der genauen Standortdaten gemäß § 16a Abs. 3 Nr. 4 in Verbindung mit § 16a Abs. 4 Nr. 3 GenTG nicht rechtfertigen. Nur durch eine Geheimhaltung der genauen Standortdaten könne der Betroffene zuverlässig vor dem Verlust seines Eigentums und seiner Betriebsmittel geschützt werden. Indem der Staat mit dem Anbauregister gezielt die Möglichkeit eröffne, dass Dritte durch Sachbeschädigungen gegen die Anbauflächen vorgingen, verstoße er gegen seine verfassungsrechtlichen Schutzpflichten. Unangemessen sei ferner, dass Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil gemäß § 16a Abs. 5 GenTG ohne eine vorherige Abwägung des Geheimhaltungsinteresses und des Auskunftsinteresses erteilt werden könnten und zudem die Kriterien für eine Interessenabwägung nicht vorgegeben seien. Schließlich müssten unter dem Gesichtspunkt der Kooperation und Rücksichtnahme die konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte ebenso zur Auskunft verpflichtet werden, denn auch der gentechnisch wirtschaftende Landwirt müsse wissen, ob benachbarte empfindliche Feldbestände aufgebaut und eine gezielte Verdrängung des gentechnischen Landbaus betrieben werde.

95

§ 16a GenTG verletze auch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Der genaue Standort und die Art von gentechnisch veränderten Organismen stellten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar. Diese würden jedenfalls dann durch die Auskunftserteilung aus dem Standortregister nach Maßgabe des § 16a Abs. 4 und 5 GenTG beeinträchtigt, wenn zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen angebaut werden. Der Eingriff sei aus den genannten Gründen unverhältnismäßig.

96

3. Die in § 16b Abs. 1 bis 4 GenTG geregelte Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung seien mit der Berufsfreiheit aller Personen, die verkehrszugelassene gentechnisch veränderte Organismen anbauten, weiterverarbeiteten oder in Verkehr brächten, unvereinbar. Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis (§ 16b Abs. 1 bis 3 GenTG) seien für den bezweckten Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter nicht erforderlich. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter würden durch das Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen ausreichend geschützt. Vorsorgemaßnahmen bräuchten über das zur Sicherung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) Erforderliche auch nicht hinauszugehen. Die mit § 16b Abs. 4 GenTG eingeführten Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Ausstattung kämen einer subjektiven Berufszugangsregelung nahe. Ob jedoch ein wichtiges Gemeinschaftsgut von Verfassungsrang durch den Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen überhaupt betroffen sein könne, sei fraglich. Jedenfalls sei es nicht erforderlich, unabhängig von dem Eintritt einer Gefahr für den Koexistenzbelang und über die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen sowie die nach § 16b Abs. 5 GenTG mitzuliefernde Produktinformation hinaus weitere Anforderungen an die Person und die Ausstattung des Anwenders von gentechnisch veränderten Organismen zu stellen. § 16b Abs. 4 GenTG verletze auch den Bestimmtheitsgrundsatz. Es sei unklar, in welcher Weise die Landwirte den geforderten Nachweis ihrer Fähigkeiten und Ausstattung erbringen können und ob ihre Fähigkeiten abstrakt beurteilt oder durch Inspektionen und Stichprobenkontrollen nachgewiesen würden.

97

4. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG seien im Hinblick auf das Begriffsverständnis des Inverkehrbringens im Zusammenhang mit der Definition des gentechnisch veränderten Organismus mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Denn ein genehmigungspflichtiges Inverkehrbringen liege auch dann vor, wenn ein konventionell oder ökologisch anbauender Landwirt Erzeugnisse abgebe oder bereithalte, die zufällig oder technisch unvermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer genehmigten Freisetzung vermischt worden seien. Es bestünden dann die Abwehr- und Ausgleichsansprüche nach § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG, von denen eine massiv abschreckende Wirkung ausgehe. Dadurch werde insbesondere die Durchführung von Freisetzungsversuchen zum Zweck der Erforschung und Entwicklung transgener Pflanzen durch universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen erheblich erschwert, wenn nicht verhindert. Der Eingriff werde nicht durch entgegenstehende Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt. Dem Koexistenzbelang komme ein solcher Stellenwert nicht zu. Das Eigentum des Nachbarn sei nicht betroffen, da es an einer Substanz- und Gebrauchsbeeinträchtigung fehle. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter seien durch die Freisetzungsgenehmigung hinreichend geschützt. Die Regelung schränke zudem die Berufsfreiheit der an der Forschung beteiligten Unternehmen mit der Wirkung einer objektiven Regelung der Berufswahl ein, ohne dass nachweisbare oder höchstwahrscheinliche, schwere Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut erkennbar seien. Doch auch eine reine Einschränkung der Berufsausübung wäre unverhältnismäßig, da mit der Freisetzungsgenehmigung die Ungefährlichkeit der Organismen für die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter festgestellt sei. Der Gesetzgeber habe auch nicht lediglich zwingende Vorgaben des Europarechts umgesetzt, sondern von einem eigenen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht. Die Richtlinie 2001/18/EG fordere und rechtfertige dieses Begriffsverständnis des Inverkehrbringens nicht. Gleichermaßen zwinge sie nicht zu der Erweiterung des Begriffs "gentechnisch veränderter Organismus".

III.

98

Zu dem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 Stellung genommen haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., das Öko-Institut e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V. und die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V.

99

Im Hinblick auf die Novellierung des Gentechnikrechts durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 haben sich die Bundesregierung, der Deutsche Bauernbund e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. geäußert; der Deutsche Bundestag hat das Protokoll der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 26. November 2007 zur Novelle des Gentechnikgesetzes und der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung sowie die Stellungnahmen der Sachverständigen zu diesem Gesetz übersandt.

100

In der mündlichen Verhandlung haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. ihre Stellungnahmen ergänzt. Geäußert haben sich darüber hinaus die Bundestagsabgeordneten Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) und Miersch (SPD), Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie des Bundesamtes für Naturschutz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V.

101

1. Die Bundesregierung hält die angegriffenen Bestimmungen für verfassungsgemäß. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 wirke sich auf die maßgebenden Rechtsfragen nicht aus.

102

Mit der Neugestaltung des Gentechnikrechts habe der Gesetzgeber die Rechtsstellung aller Beteiligten gestärkt. Das Gesetz fördere die Koexistenz der unterschiedlichen Produktionsmethoden und den verantwortbaren Umgang mit der Gentechnik. Es schütze in angemessener Weise vor möglichen Beeinträchtigungen durch die Gentechnik und stärke dabei die Akzeptanz neuer Techniken. Das Gesetz schaffe einen angemessenen Ausgleich der Grundrechte aller Beteiligten. Dabei schütze es die natürlichen Lebensgrundlagen.

103

a) Der Bund besitze die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11, 17, 20 und 26 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG.

104

b) Die Klarstellung der Begriffe "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG) sei verfassungsgemäß und verletze insbesondere nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG. Zur Sicherung der durch mittelbare Auswirkungen gentechnischer Veränderungen besonders gefährdeten Schutzgüter der Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG und des § 1 GenTG sei es geboten, auch indirekt durch Kreuzung oder natürliche Rekombination entstandene Organismen in den Begriff "gentechnisch veränderter Organismus" einzubeziehen sowie als "Inverkehrbringen" auch die von einer Freisetzungsgenehmigung nicht gedeckte Abgabe von Produkten zu verstehen, die unbeabsichtigt mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer benachbarten Freisetzung vermischt wurden. Demgegenüber seien die Forschung und die Berufsausübung im Zusammenhang mit der Gentechnik weiterhin angemessen möglich; insbesondere könnten gegen unerwünschte Auswirkungen geeignete Vorkehrungen getroffen werden. Vor dem Hintergrund der zuvor streitigen Rechtslage würden die Präzisierungen in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG der Rechtssicherheit dienen und darüber hinaus den verbindlichen europarechtlichen Vorgaben aus Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2001/18/EG entsprechen.

105

c) Das Standortregister (§ 16a GenTG) gewährleiste angemessenen Datenschutz. Es diene dazu, den Schutz- und Vorsorgezweck (§ 1 Nr. 1 GenTG) und das Koexistenzprinzip (§ 1 Nr. 2 GenTG) zu verwirklichen und durch Information der Öffentlichkeit eine Transparenz zu schaffen, die letztlich auch zur Akzeptanz einer verantwortbaren Gentechnik und zur Befriedung beitrage. Diese Rechtsgüter und Belange fänden ihre Grundlage in verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechten und Staatszielbestimmungen. Die angegriffenen Bestimmungen seien zur Zweckerreichung geeignet, angemessen und erforderlich. Aufgrund der erhobenen Angaben über geplante Freisetzungen und den geplanten Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (§ 16a Abs. 2 und 3 GenTG) könnten Gefahrenlagen erkannt, Schadensverläufe nachvollzogen, zukünftige Schäden vermieden und Ersatzansprüche leichter durchgesetzt werden. Ohne diese Angaben sei es erheblich schwieriger, wenn nicht unmöglich, Einträge zu vermeiden oder ihren Verlauf, ihre Ursachen und ihre Wirkungen festzustellen.Demgegenüber sei die ohne erheblichen Aufwand mögliche Mitteilung der Angaben zumutbar. Die Ausgestaltung der Zugänglichkeit zum Standortregister gewährleiste einen angemessenen Schutz von personenbezogenen Daten und Geschäftsgeheimnissen. Insbesondere bleibe die Anonymität personenbezogener Daten im allgemein zugänglichen Teil des Registers gewahrt. Die Kenntnis der genauen Standortangabe und der weiteren allgemein zugänglichen Informationen (§ 16a Abs. 4 GenTG) sei für alle potentiell Betroffenen erforderlich, um ihre Rechtsgüter zu schützen. Vor diesem Hintergrund sei es den Betroffenen nicht zumutbar, zunächst ein überwiegendes Interesse an der Auskunft darzulegen. Zudem überwiege das Informationsinteresse der konventionell wirtschaftenden Nachbarn regelmäßig das Geheimhaltungsinteresse angesichts der von Gentechnik potentiell ausgehenden Gefahren. Auch wäre der erforderliche Verwaltungsaufwand für eine Mitteilung der flurstückgenauen Standortangabe im Antragsverfahren unverhältnismäßig hoch. Der Gesetzgeber dürfe hier typisieren Schließlich sei das Register zur Wahrung des Koexistenzprinzips erforderlich; insbesondere könnten Betroffene ihrerseits Schutzmaßnahmen treffen. Dies läge gerade auch im Interesse des Verwenders von Gentechnik.Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (§ 16a Abs. 5 GenTG) dürften nur aufgrund einer Abwägung des berechtigten Interesses des Antragstellers mit den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen erteilt werden. Wenn es im Einzelfall Anhaltspunkte dafür gebe, dass gewaltbereite Gentechnikgegner Felder der Betroffenen verwüsten würden, sei dies zu berücksichtigen.

106

d) Die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an Person und Ausstattung beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) würden die Berufsausübung in Einklang mit Art. 12 Abs. 1 GG regeln und mit gut nachvollziehbaren Verpflichtungen Rechtssicherheit schaffen. Die Vorsorgepflicht diene dem Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG beschriebenen hochrangigen Rechtsgüter. Die einzelnen Maßnahmen entsprächen dem, was für den verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und in Teilbereichen auch mit Erzeugnissen allgemein erforderlich sei und könnten mit den in Betrieben vorhandenen technischen Möglichkeiten bewältigt werden. Die Regelungen seien hinreichend bestimmt und verhältnismäßig. Auch nach Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen müsse der Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter in der weiteren Praxis im Rahmen des vernünftig Möglichen gewährleistet bleiben. Die näheren Vorgaben zur guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 3 GenTG) stünden allerdings ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass sie zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderlich seien. Auch die Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Fähigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG) seien zum Schutz der überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter zumutbar und Sachkundenachweise bei vergleichbaren Tätigkeiten ohnehin üblich. Mit geringeren Anforderungen sei die Einhaltung der guten fachlichen Praxis im Einzelfall nicht sicherzustellen; eine großflächige staatliche Überwachung wäre insoweit nicht durchführbar und eine zusätzliche Belastung für die Betroffenen.

107

e) Das in § 36a GenTG geschaffene Haftungssystem diene dem Grundsatz der Koexistenz unterschiedlicher Produktionsweisen. Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbargrundstücke seien durch die bisher bekannten Maßnahmen grundsätzlich nicht vollständig zu vermeiden. Anwender müssten aber geeignete Maßnahmen treffen, um solche Einträge einzudämmen. Die Konkretisierung der zivilrechtlichen Unterlassungs- und Haftungsregelungen in § 36a GenTG sei ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zur Erreichung dieses legitimen Zweckes. § 36a GenTG füge sich in das geltende deutsche Nachbar- und Haftungsrecht ein. Ein Verzicht auf Maßnahmen zur Eindämmung von Einträgen auf Nachbargrundstücke berge die Gefahr, dass nicht veränderte Organismen von gentechnisch veränderten Organismen verdrängt würden. Dann würde eine Koexistenz nicht mehr bestehen und unzulässig in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte eingegriffen. Die damit gegebene Lastenverteilung schütze zwar spezifisch die konventionelle und ökologisch arbeitende Landwirtschaft. Dies entspreche aber der Wertentscheidung des Gesetzgebers und den europarechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Vergleichbarkeit von gentechnisch veränderten und konventionellen Produkten.

108

Es sei verfassungsrechtlich auch unbedenklich, wenn nicht zwingend, den Anwender von Gentechnik mit Maßnahmen zur Verhinderung von Einträgen und der Haftung für dadurch erfolgte Einträge zu belasten.

109

Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Die Bestimmung der Ortsüblichkeit (§ 36a Abs. 3 GenTG) differenziere bereits nicht, sondern erfasse alle Eigentümer und Produzenten gleichermaßen. Im Übrigen folge die Zuordnung der Haftung Unterschieden zwischen den Betroffenen von großem Gewicht, welche die unterschiedlichen Haftungsrisiken rechtfertige.

110

Mit § 36a Abs. 1 GenTG habe der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums normiert (Art. 14 Abs. 1 GG). Dynamische Verweisungen auf außerhalb des Gentechnikgesetzes festgelegte Standards seien zulässig und der Begriff "insbesondere" entspreche dem Bestimmtheitserfordernis. Soweit es letztlich zu einer Gefährdungshaftung komme, sei diese ein allgemein anerkanntes Prinzip. Gentechnisch veränderte Kulturen stünden aufgrund der in aller Regel auftretenden Auskreuzungen und Einträge in andere Kulturen in einem besonders ausgeprägten Sozialbezug. Die Präzisierung der wesentlichen Beeinträchtigung in § 36a Abs. 1 GenTG und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit in § 36a Abs. 2 GenTG sichere die Grundrechte der Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG und sei Konsequenz der staatlichen Schutzpflicht für die Grundrechte der Nachbarn. Auch der Betrieb ökologischer und konventioneller Landwirtschaft stelle insoweit einen von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Beruf dar.

111

§ 36a Abs. 4 GenTG normiere eine zulässige und systemgerechte Vermutung der Verursachung. Die Beweislastverteilung stimme mit den herkömmlichen Regeln überein und die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer möglicher Verursacher entspreche der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung für nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche. Die Verteilung der Verantwortung sei verfassungsgemäß. Ein Grundstückseigentümer müsse für die von seinem Grundstück ausgehenden Gefahren einstehen, auch wenn er diese weder verursacht noch verschuldet habe. Der Gesetzgeber sei insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 20a GG verpflichtet, Dritte oder die Allgemeinheit angemessen vor den von einem Grundstück ausgehenden Gefahren zu schützen. Die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Geschädigten (§ 254 BGB) bleibe möglich. Für einen Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt bestehe nach der zugrunde liegenden Risikoverteilung kein Raum, zumal sich in der Übertragung von gentechnisch veränderten Organismen auf ein benachbartes Grundstück nur das typische Risiko ihrer Verwendung realisiere. Auch sei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen weder verpflichtet, eine Haftungshöchstgrenze einzuführen oder einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einzurichten, noch müsse jedes Haftungsrisiko versicherbar sein.

112

2. Die Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und des Bundesamtes für Naturschutz haben zu bestehenden gesundheitlichen und ökologischen Risiken sowie zu Nachteilen für die gentechnikfreie Landwirtschaft Stellung genommen.

113

3. Der Deutsche Bauernbund e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., das Öko-Institut e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. treten dem Normenkontrollantrag entgegen.

114

4. Der Deutsche Bauernverband e.V., der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V., die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V. unterstützen den Normenkontrollantrag.

B.

115

Soweit die Antragstellerin § 16b Abs. 1a GenTG zur Überprüfung stellt, ist der Normenkontrollantrag unzulässig; die Vorschrift ist jedoch wegen ihres engen Regelungszusammenhanges zu § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen (I). Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig (II). Darüber hinaus ist § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung einzubeziehen (III).

I.

116

Der Normenkontrollantrag ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG zu begründen. Hierzu ist substantiiert darzutun, aus welchen rechtlichen Erwägungen die angegriffene Norm mit welcher höherrangigen Norm für unvereinbar gehalten wird (vgl. Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 76 Rn. 61 ; Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 76 Rn. 35). Diese Anforderungen sind in Bezug auf § 16b Abs. 1a GenTG nicht gewahrt. Die Antragstellerin hat mit ihrem letzten Antrag vom 15. Januar 2009, wie sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, § 16b Abs. 1a GenTG in das Verfahren einbezogen, ohne ihre Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz darzulegen. Damit ist § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG nicht genügt.

117

§ 16b Abs. 1a GenTG ist gleichwohl wegen des bestehenden Regelungszusammenhanges zu § 16a GenTG von Amts wegen auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Verfassungswidrigkeit von § 16b Abs. 1a GenTG auf zulässigerweise angegriffene Bestimmungen ausstrahlt oder die Norm notwendiger Bestandteil einer Gesamtregelung ist (vgl. BVerfGE 39, 96 <106>; 40, 296 <309 f.>; 109, 279 <374>). So liegt es hier. Der Umfang und die Tragweite der über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilenden und zu verarbeitenden Angaben erschließt sich erst, wenn die ergänzende Bestimmung in § 16b Abs. 1a GenTG in die Betrachtung einbezogen wird. Die nach § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden und zu veröffentlichenden Angaben werden erst im Kontext der Angaben nach § 16a Abs. 1, 3 und 4 GenTG verständlich.

II.

118

Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig. Die Frage nach dem erforderlichen objektiven Interesse an einer Klärung der Verfassungsmäßigkeit der früheren Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 stellt sich nicht mehr, nachdem die Antragstellerin klargestellt hat, dass sie nur die Unvereinbarkeit der nach dem Inkrafttreten des Gentechnikänderungsgesetzes 2008 bestehenden Rechtslage mit dem Grundgesetz rügt (vgl. hierzu BVerfGE 110, 33 <45> m.w.N.).

III.

119

Über den Normenkontrollantrag hinaus ist auch § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einzubeziehen. Dies ist wegen des inneren Zusammenhangs der angegriffenen Bestimmungen über die nach § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG mit dem nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG notwendig.

C.

120

Der Normenkontrollantrag ist nicht begründet. § 3 Nr. 3 und 6, § 16a Abs. 1, 2, 3, 4 und 5, § 16b Abs. 1, 1a, 2, 3 und 4 sowie § 36a GenTG in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

I.

121

Die angegriffenen Vorschriften sind formell verfassungsgemäß.

122

1. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass der angegriffenen Normen folgt aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG a.F.) und in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG n.F.).

123

a) Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl I S. 3146) in das Grundgesetz eingefügt, um den Bund mit einer klaren Zuständigkeitsgrundlage für den Bereich der Gentechnologie bezogen auf Menschen, Tiere und Pflanzen mit Ausnahme der künstlichen Befruchtung auszustatten (vgl. BTDrucks 12/6000, S. 34 f.; BTDrucks 12/6633, S. 9).

124

Der Kompetenztitel ist weit zu verstehen. Er deckt neben der Humangentechnik auch die Gentechnik in Bezug auf Tiere und Pflanzen und begründet eine umfassende Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Regelung des Rechts der Gentechnik. Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG umfasst daher nicht nur Vorschriften, die Forschung und Entwicklung unter Einsatz gentechnischer Verfahren betreffen, sondern auch sonstige die Verwendung von und den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen regelnde Normen. Danach bewegen sich nicht nur die angegriffenen Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), sondern auch die rechtlich und funktional in das Gentechnikrecht eingebetteten Bestimmungen über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG) und über das Standortregister (§ 16a GenTG) sowie die Ergänzung und Konkretisierung der zivilrechtlichen Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG) in den Grenzen der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG.

125

Ein anderes Verständnis würde zu einer Zersplitterung des Gentechnikrechts in Kernkompetenzen des Bundes nach Art. 72 Abs. 1 GG sowie Erforderlichkeitskompetenzen und Abweichungskompetenzen nach Art. 72 Abs. 2 und Abs. 3 GG in ihrer seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung führen. Eine solche Differenzierung liefe dem Anliegen des verfassungsändernden Gesetzgebers zuwider, den Bund durch die Einführung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG mit einer hinreichend klaren Zuständigkeit für das Gebiet der Gentechnik auszustatten.

126

b) Die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG a.F. und des Art. 72 Abs. 2 GG n.F. liegen vor. Unter Beachtung der dem Gesetzgeber zukommenden Einschätzungsprärogative (vgl. BVerfGE 111, 226 <255> m.w.N.) ist eine bundeseinheitliche Regelung vorliegend im gesamtstaatlichen Interesse jedenfalls zur Wahrung der Rechtseinheit (vgl. BVerfGE 111, 226 <253 f.> m.w.N.) erforderlich.

127

2. Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 und das Gentechnikänderungsgesetz 2008 sind auch ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Zustimmung des Bundesrates zu diesen Gesetzen war nicht notwendig.

128

a) Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 bedurfte insbesondere nicht deshalb der Zustimmung des Bundesrates, weil der in den Bundestag ursprünglich eingebrachte Regierungsentwurf im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in das hier zu prüfende, nicht zustimmungsbedürftige Gesetz und in Bestimmungen über das Verwaltungsverfahren der Länder aufgeteilt wurde (vgl. Art. 84 Abs. 1 2. Halbsatz GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung), welche nachträglich in einem zustimmungsbedürftigen Gesetz verankert werden sollten (vgl. BVerfGE 105, 313 <338> m.w.N.).

129

b) Mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 wurden zwar auch von den Landesbehörden zu beachtende Verfahrensvorschriften novelliert. Gemäß Art. 84 Abs. 1 GG in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 84 Abs. 1 GG n.F.) wird den Belangen der Länder nunmehr jedoch durch die Möglichkeit zur abweichenden Gesetzgebung nach Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG n.F. Rechnung getragen. Weil der Bund vorliegend das Recht zur Abweichungsgesetzgebung für das Verwaltungsverfahren nicht nach Maßgabe von Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. durch eine ausdrückliche Regelung ausgeschlossen hat, bedurfte es auch keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 6 GG n.F. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 ursprünglich zustimmungspflichtige Verfahrensvorschriften geändert wurden. Eine Zustimmungspflicht wurde hierdurch nicht ausgelöst, weil die Änderungen ihrerseits keinen Abweichungsausschluss nach Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. enthalten.

II.

130

Die angegriffenen Vorschriften sind materiell verfassungsgemäß.

131

1. Das Bundesverfassungsgericht kann über den Antrag ohne Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV entscheiden. Zwar wollte der Gesetzgeber insbesondere mit der Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sowie mit der Einrichtung des Standortregisters gemäß § 16a GenTG entsprechende Vorgaben aus Art. 2 Nr. 2 und 4 und Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG umsetzen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 26). Nachdem jedoch sämtliche angegriffenen Vorschriften mit dem Grundgesetz vereinbar sind, kommt es auf die Auslegung gemeinschafts- beziehungsweise unionsrechtlicher Bestimmungen nicht entscheidungserheblich an. Eine Vorlage ist in diesem Fall weder geboten noch zulässig (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. -, NJW 2010, S. 833 <835> Rn. 185).

132

2. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und mit der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit vereinbar.

133

a) Mit der Möglichkeit, gezielt Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um erwünschte Eigenschaften von Organismen zu erzeugen, wie es mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht möglich wäre, greift die Gentechnik in die elementaren Strukturen des Lebens ein. Die Folgen solcher Eingriffe lassen sich, wenn überhaupt, nur schwer wieder rückgängig machen. Die Ausbreitung einmal in die Umwelt ausgebrachten gentechnisch veränderten Materials ist in Abhängigkeit von zahlreichen Faktoren nur schwer oder auch gar nicht begrenzbar. Auf der anderen Seite birgt die Forschung und Produktion von gentechnisch veränderten Organismen auch erhebliche Chancen. Vor allem können mit Hilfe solcher Organismen größere Ernteerträge erzielt und die Resistenz von Pflanzen gegen Schädlinge oder Krankheiten erhöht werden.

134

Neben den Chancen der Gentechnik sind die gesundheitlichen und ökologischen Risiken und insbesondere auch Nachteile für die gentechnikfreie Landwirtschaft zu bedenken. Eine gentechnische Modifikation kann zu verschiedenen nicht beabsichtigten Effekten führen, die sich nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf die landwirtschaftliche Anbaupraxis auswirken können. So sind gegebenenfalls auch konventionell oder ökologisch angebaute Kulturen - bei zufälligem oder technisch nicht zu vermeidendem Vorkommen von gentechnisch veränderten Organismen oberhalb der im europäischen Recht festgesetzten Toleranzschwelle - entsprechend zu kennzeichnen. Auch kann eine Kennzeichnung mit Bezug auf eine ökologische beziehungsweise biologische Produktion oder mit dem noch strengeren Vorgaben unterliegenden Hinweis "Ohne Gentechnik" unzulässig werden. Dadurch bedingt kann der Marktpreis von Erzeugnissen gemindert oder der Absatz erschwert werden. Außerdem können Produzenten zusätzliche Kosten entstehen, weil sie Überwachungssysteme und Maßnahmen zur Minimierung der Vermischung von genetisch veränderten und nicht veränderten Kulturen einführen müssen.

135

Angesichts einer hochkontroversen gesellschaftlichen Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern der Anwendung von Gentechnik bei Kulturpflanzen und eines noch nicht endgültig geklärten Erkenntnisstandes der Wissenschaft insbesondere bei der Beurteilung von Ursachenzusammenhängen und langfristigen Folgen eines solchen Einsatzes von Gentechnik trifft den Gesetzgeber auf diesem Gebiet eine besondere Sorgfaltspflicht. Der Gesetzgeber muss bei der Rechtsetzung nicht nur die von der Nutzung der Gentechnik einerseits und deren Regulierung andererseits betroffenen Interessen, welche insbesondere durch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), die Freiheit der Wissenschaft (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützt werden, in Ausgleich bringen. Sondern er hat gleichermaßen den in Art. 20a GG enthaltenen Auftrag zu beachten, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen (vgl. BVerfGE 118, 79 <110>). Dieser Auftrag kann sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Risikovorsorge gebieten. Zu den nach dieser Maßgabe von Art. 20a GG geschützten Umweltgütern gehören auch die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Sicherung eines artgerechten Lebens bedrohter Tier- und Pflanzenarten.

136

b) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen nicht Art. 12 Abs. 1 GG.

137

aa) Bei den angegriffenen Vorschriften handelt es sich um Definitionen, die im Zusammenwirken mit weiteren Normen zu Grundrechtseingriffen führen können. Die Freiheit der Berufsausübung ist mittelbar berührt. In der Klarstellung, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderte Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind, hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass das Gentechnikgesetz auch in diesen Fällen als rechtlicher Rahmen für die Berufsausübung unter Einsatz von Gentechnik dient und sich damit auf das Gentechnikgesetz gestützte Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG auch auf diese erstrecken.

138

bb) Soweit in die Freiheit der Berufsausübung mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.

139

Die angegriffenen Änderungen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG dienen legitimen Zielen des Gemeinwohls. Sie bezwecken nicht nur eine begriffliche Klarstellung vor dem Hintergrund einer zuvor umstrittenen Rechtslage und dienen damit der Rechtssicherheit, sondern sie stellen auch sicher, dass das Gentechnikgesetz (§ 3 Nr. 3 GenTG) und die besonderen Bestimmungen über das Inverkehrbringen von Produkten (§ 3 Nr. 6 GenTG) möglichst umfassend und insbesondere auch auf die Zufallsnachkommen von legal freigesetzten gentechnisch veränderten Organismen Anwendung finden. Damit dienen die Änderungen den legitimen Zwecken des Gentechnikgesetzes aus § 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und dem Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG).

140

Bei einer Beschränkung der Definition des gentechnisch veränderten Organismus in § 3 Nr. 3 GenTG und damit des Anwendungsbereichs des Gentechnikgesetzes auf gezielt und unmittelbar herbeigeführte gentechnische Veränderungen wären die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von vornherein von jeder gentechnikrechtlichen Kontrolle freigestellt. Dies betrifft nicht nur das Inverkehrbringen (§§ 14 ff., § 16d GenTG), sondern auch den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG), ihre Beobachtung (§ 16c GenTG), ihre Kennzeichnung (§ 17b GenTG), die Mitteilungspflichten der Betreiber und sonstiger Beteiligter (§ 21 GenTG) und die behördlichen Befugnisse (§§ 20, 25, 26, 28 ff. GenTG). Der bezweckte Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange wäre jedoch durch das allgemeine, nicht auf Risikovorsorge, sondern auf Gefahrenabwehr ausgerichtete Polizei- und Ordnungsrecht nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet. Der Gesetzgeber durfte auch die Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen im Allgemeinen und die durch zufällige Auskreuzung entstandenen gentechnisch veränderten Organismen im Besonderen als mit einem allgemeinen Risiko behaftet ansehen und sie mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 GenTG den gentechnikrechtlichen Vorschriften unterstellen. Die Annahme eines solchen "Basisrisikos" (vgl. Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 7. November 2007 - 1 B 33/07 -, juris Rn. 76; VG Hannover, Urteil vom 1. Oktober 2008 - 11 A 4732/07- , NuR 2009, S. 67 <72>; Mecklenburg, NuR 2006, S. 229 <232>) liegt im Bereich der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und setzt keinen wissenschaftlich-empirischen Nachweis des realen Gefährdungspotentials der gentechnisch veränderten Organismen und ihrer Nachkommen voraus. Denn in einer wissenschaftlich ungeklärten Situation wie der vorliegenden ist der Gesetzgeber befugt, die Gefahrenlagen und Risiken zu bewerten, zumal die geschützten Rechtsgüter verfassungsrechtlich verankert sind und ein hohes Gewicht haben. Insbesondere vermindert der Umstand, dass es sich in den Anwendungsfällen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG um nicht beabsichtigte oder technisch nicht zu vermeidende Vorgänge handeln kann, nicht das mit dem Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt und der Vermarktung gentechnisch veränderter Produkte bestehende Risiko unerwünschter oder schädlicher, gegebenenfalls unumkehrbarer Auswirkungen, das im Sinn einer größtmöglichen Vorsorge beherrscht werden soll (vgl. Erwägungsgründe 4 und 5 der Richtlinie 2001/18/EG). Der Gesetzgeber liefe zudem Gefahr, seiner Verantwortung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) nicht gerecht zu werden, wenn er die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen keiner Kontrolle unterstellen würde.

141

c) Eine Verletzung der Eigentumsfreiheit betroffener Landwirte (Art. 14 Abs. 1 GG) aufgrund der Genehmigungspflicht für das Inverkehrbringen von zufällig oder technisch nicht vermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen verunreinigten Produkten durch § 3 Nr. 3 und 6 GenTG kommt aus diesen Gründen ebenfalls nicht in Betracht.

142

d) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen auch nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.

143

aa) Die Wissenschaftsfreiheit ist allerdings im Zusammenwirken mit anderen Eingriffsnormen des Gentechnikgesetzes berührt. Das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit regelt als wertentscheidende Grundsatznorm das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat und schützt als Abwehrrecht die freie wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe (vgl. BVerfGE 15, 256 <263 f.>; 35, 79 <112>; 95, 193 <209>). In diesen Freiraum des Wissenschaftlers fallen vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen beim Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe (vgl. BVerfGE 35, 79 <112>; 47, 327 <367>; 90, 1 <11 f.>; 111, 333 <354>).

144

Danach ist die Erforschung von gentechnisch veränderten Organismen vom Schutzbereich erfasst, auch soweit lebende Organismen zu experimentellen Zwecken in die Umwelt - sei es im Rahmen von Freisetzungsversuchen oder im Rahmen wissenschaftlich begleiteten Erprobungsanbaus verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen - eingebracht werden und sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten können. Art. 5 Abs. 3 GG ist also auch betroffen, wenn die Forschung außerhalb des geschlossenen Systems stattfindet und die Umwelt einschließlich der Rechtsgüter Dritter in das kontrollierte Experiment einbezieht. Dies gilt jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten.

145

Mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderten Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen im Gegensatz zu den für eine Freisetzung bestimmten Organismen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind. Hiermit hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass wissenschaftliche Freilandversuche und ihre unbeabsichtigten Folgen den Kontroll- und Eingriffsbefugnissen des Staates und der Folgenverantwortung der Forschung nach Maßgabe des Gentechnikgesetzes unterfallen. Er hat die Rahmenbedingungen der Forschung abgesteckt und auf die praktische Durchführung, Fragestellung und Methodik von Forschungsprojekten Einfluss genommen. Selbst wenn man in der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG nur eine Klarstellung dessen sehen wollte, was den Normen zuvor durch Auslegung zu entnehmen war, hätte der Gesetzgeber zumindest eine umstrittene Rechtslage im Sinne dieser Auslegung geklärt und einer anderen Interpretation durch die Gerichte entzogen.

146

bb) Soweit in die Wissenschaftsfreiheit mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.

147

Die Wissenschaftsfreiheit kann, wie andere vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte, aufgrund von kollidierendem Verfassungsrecht beschränkt werden (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 57, 70 <99>), wobei es grundsätzlich hierzu einer gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. BVerfGE 83, 130 <142>; 107, 104 <120>; 122, 89 <107>). Ein Konflikt zwischen verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten ist unter Rückgriff auf weitere einschlägige verfassungsrechtliche Bestimmungen und Prinzipien sowie auf den Grundsatz der praktischen Konkordanz durch Verfassungsauslegung zu lösen (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 122, 89 <107>).

148

Der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener und der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die nicht nur eine Beschränkung der Berufsfreiheit und des Eigentums (vgl. oben b und c), sondern auch der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

149

3. Die Bestimmungen über das Standortregister in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind, soweit sie an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfen, mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) und der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar (a bis d).Nichts anderes gilt, soweit § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen betreffen, die nach dem ebenfalls nicht zu beanstandenden § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind (e).

150

a) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) wird durch die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Vorschriften über das Standortregister nicht verletzt.

151

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194>; 96, 171 <181>; 103, 21 <32 f.>; 113, 29 <46>; 115, 320 <341>). Das Recht gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 67, 100 <143>; 84, 239 <279>; 103, 21 <33>; 115, 320 <341>).

152

aa) Bezugspersonen der im Standortregister gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG erfassten und nach Maßgabe von § 16a Abs. 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG zugänglichen Informationen über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen sind die Bewirtschafter der Anbauflächen und ihre in § 16b Abs. 1a GenTG bezeichneten "Nachbarn". Die Pflicht zur Mitteilung der erforderlichen Angaben an die registerführende Stelle trifft gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG die Bewirtschafter der Anbauflächen.

153

Bewirtschafter ist gemäß § 3 Nr. 13a GenTG "eine juristische oder natürliche Person oder nichtrechtsfähige Personenvereinigung, die die Verfügungsgewalt und tatsächliche Sachherrschaft über eine Fläche zum Anbau von gentechnisch veränderten Organismen besitzt". Nachbar ist, wer nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder die zu seinem Schutz erforderlichen Auskünfte nicht erteilt hat.

154

Handelt es sich bei den Betroffenen um natürliche Personen, sind diese Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Juristische Personen des privaten Rechts sind als Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung anerkannt, soweit dieses Grundrecht auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützt ist (vgl. BVerfGE 118, 168 <203>). Auf diese Unterschiede in der Reichweite des Schutzes zwischen natürlichen und juristischen Personen kommt es im vorliegenden Fall einer abstrakten Normenkontrolle jedoch nicht an, da in jedem Fall auch natürliche Personen betroffen sind und der Schutz juristischer Personen nicht weiter reicht.

155

bb) Gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG werden im Standortregister personenbezogene Daten erfasst.

156

Vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sind nur persönliche oder personenbezogene Daten umfasst (vgl. BVerfGE 118, 168 <184> m.w.N.). Unter personenbezogenen Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen (vgl. BVerfGE 65, 1 <42>).

157

Das trifft zunächst auf die nach § 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben über Namen und Anschrift desjenigen zu, der die Anbaufläche bewirtschaftet und auf entsprechende Informationen zum Nachbarn gemäß § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG. Auskunft über sachliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer Personen erteilen die Angaben über die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften sowie das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2 und 4 GenTG) sowie die grundstücksbezogenen Informationen über eine Einschränkung von Schutzmaßnahmen im Verhältnis zu einem Dritten (§ 16b Abs. 1a GenTG). Die Bezugsperson geht für die registerführende Stelle jeweils aus der Mitteilung, welche die Angaben über die persönlichen und sachlichen Verhältnisse der Betroffenen miteinander verbindet, und der gemeinsamen Speicherung der Daten eindeutig hervor.

158

Auf den Wert oder die Sensibilität eines Datums kommt es dabei nicht an. Zwar beschränken sich Name und Anschrift einer Person auf elementare Informationen, die zur Identifizierung benötigt werden. Auch sind die im allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters erfassten Angaben über die Bezeichnung, den spezifischen Erkennungsmarker und die gentechnisch veränderten Eigenschaften des gentechnisch veränderten Organismus (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2, § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 GenTG) bereits nach internationalem und europäischem Recht zur Bekanntgabe an die Öffentlichkeit vorgesehen und können im Internet insbesondere über das Register für veränderte Organismen der Informationsstelle für biologische Sicherheit ("Biosafety Clearing-House", Art. 20 des Protokolls von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt, BGBl II 2003 S. 1506) und über das Gemeinschaftsregister für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel (Art. 28 der Verordnung Nr. 1829/2003) abgerufen werden. Schließlich sind Lage und Größe einer Anbaufläche regelmäßig öffentlich wahrnehmbar, denn Landwirtschaft wird nicht im privaten, sondern im sozialen Raum betrieben. Die Anbaufläche ist in der Natur allerdings im Allgemeinen weder im Hinblick auf den Bewirtschafter noch in Bezug auf den Anbau eines bestimmten Organismus ohne weiteres bestimmbar. Der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung umfasst jedoch alle Informationen, die über die Bezugsperson etwas aussagen können. Er erstreckt sich auch auf Basisdaten wie Name und Anschrift sowie auf offenkundige oder allgemein zugängliche Informationen. Unter den Bedingungen der automatisierten Datenverarbeitung gibt es grundsätzlich kein "belangloses" Datum mehr (vgl. BVerfGE 65, 1 <45>). Durch ihre Verknüpfung erlangen die im Standortregister erfassten Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einen neuen Stellenwert. Zusammengeführt informieren sie insbesondere darüber, dass ein bestimmter gentechnisch veränderter Organismus auf einer bestimmten Fläche von einer bestimmten Person angebaut wird.

159

cc) Die hier zu prüfenden Bestimmungen über das Standortregister ermächtigen die registerführende Stelle zur Erhebung und Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und greifen damit in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein.

160

Beeinträchtigungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung können insbesondere in der Beschaffung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Informationen liegen.

161

(1) Die Bestimmungen über das Mitteilen (Erheben) und Erfassen (Speichern) der personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a GenTG und über die Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (Weitergabe) in § 16a Abs. 5 GenTG stellen demgemäß einen Grundrechtseingriff dar.

162

(2) Die Erteilung von Auskünften aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers gemäß § 16a Abs. 4 und § 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG über personenbezogene Daten durch den automatisierten Abruf über das Internet stellt eine Sonderform der staatlichen Datenübermittlung und damit eine Form der Datenverarbeitung dar (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchstabe b Bundesdatenschutzgesetz - BDSG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003, BGBl I S. 66). Ist auf diesem Weg die Weitergabe personenbezogener Daten vorgesehen, so liegt darin ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

163

Der Gesetzgeber hat allerdings für den allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters nur Angaben vorgesehen, die sachliche Verhältnisse beschreiben (§ 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG). Informationen über persönliche Verhältnisse wie Name und Anschrift einer Person sind hingegen im nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erfasst und werden vom Gesetzgeber als "personenbezogene Daten" bezeichnet (§ 16a Abs. 5 GenTG). Durch diese Aufteilung verlieren die in das Internet eingestellten Daten jedoch nicht ihren Personenbezug. Dieser besteht fort, solange die Bezugsperson "bestimmbar" oder "individualisierbar" bleibt. Daher ist - unbeschadet der vom Gesetzgeber gewählten Unterscheidung zwischen personenbezogenen Daten in § 16a Abs. 5 GenTG und anderen Daten in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG - für die Frage des Grundrechtseingriffs allein die Grenze zwischen Bestimmbarkeit und Nichtbestimmbarkeit der Bezugsperson entscheidend. Danach können vorliegend personenbezogene Informationen über das Internet abgerufen werden. Es ist davon auszugehen, dass eine unbestimmte Zahl von Empfängern über Zusatzwissen verfügt, das es ihnen ohne großen zeitlichen oder finanziellen Aufwand ermöglicht, die Bezugsperson zu identifizieren. Insbesondere Ortsansässigen kann ohne weiteres bekannt sein, wer welche landwirtschaftlich genutzten Flurstücke in einer Gemarkung bewirtschaftet. Jedenfalls für diese Übermittlungsvorgänge wird die registerführende Stelle durch § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG zur Weitergabe personenbezogener Daten ermächtigt.

164

dd) Der Eingriff ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

165

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben (1) und die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (2). Zudem bedarf der effektive Grundrechtsschutz einer den sachlichen Erfordernissen entsprechenden Ausgestaltung des Verfahrens (3).

166

(1) Die Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gemäß § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG entsprechen dem Gebot der Normklarheit und -bestimmtheit.

167

Dieses Gebot findet im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG selbst. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung grundsätzlich bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (vgl. BVerfGE 100, 313 <359 f., 372>; 110, 33 <53>; 113, 348 <375>; 118, 168 <186 f.>). Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt.

168

Nach § 16a Abs. 1 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG dient die Datenerhebung und Datenverarbeitung dem Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange und dem Zweck der Information der Öffentlichkeit.

169

Das Register wird gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 GenTG von der nach § 31 Satz 2 GenTG zuständigen Bundesoberbehörde geführt, der gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a GenTG die erforderlichen Informationen mitzuteilen sind und die gemäß § 16a Abs. 4 und 5, § 16b Abs. 1a Satz 2 und 3 GenTG die Auskünfte aus dem Register erteilt. In § 16a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und in § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG ist dabei präzise bestimmt, wer welche Angaben wann mitzuteilen hat. Des Weiteren ist in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG angegeben, welche Informationen auf welche Weise aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers abgerufen werden können.

170

§ 16a Abs. 5 (ggf. i.V.m. § 16b Abs. 1a Satz 3) GenTG umschreibt schließlich hinreichend präzise die Voraussetzungen für eine Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers. Soweit der Gesetzgeber sich dabei unbestimmter Rechtsbegriffe bedient hat, steht das Bestimmtheitsgebot dem nicht entgegen. Die Begriffe "berechtigtes Interesse" und "überwiegendes schutzwürdiges Interesse" stehen in dem begrenzenden Kontext der Vorschriften zu dem Standortregister und lassen sich in diesem hinreichend konkretisieren.

171

(2) Die zu prüfenden Regelungen über die Erhebung und Verarbeitung der Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind verhältnismäßig.

172

(a) Mit diesen Bestimmungen verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele. Sie dienen der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, der Schaffung einer angemessenen Transparenz sowie den Zwecken des § 1 GenTG. Sie finden eine verfassungsrechtliche Grundlage insbesondere in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG.

173

Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG dient das Standortregister der Information der Öffentlichkeit. Für die Allgemeinheit soll das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt durch Freisetzungen und Anbau transparent gemacht werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 26). Die Schaffung von Transparenz stellt in diesem Zusammenhang einen eigenständigen und legitimen Zweck der Gesetzgebung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die im Standortregister erfassten und veröffentlichten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen leisten innerhalb der demokratischen, pluralistischen Gesellschaft einen wichtigen Beitrag zum öffentlichen Meinungsbildungsprozess. Der öffentliche Meinungsaustausch und die Einbeziehung der Gesellschaft in diese umweltrelevanten Entscheidungen und ihre Umsetzung schützen nicht nur den Einzelnen, sondern stärken die effektive Kontrolle staatlichen Handelns. Um solche Transparenz herzustellen, ist es legitim, bestimmte Daten der Öffentlichkeit allgemein und insoweit ohne weitere Bindung an bestimmte Zwecke zugänglich zu machen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schließt die Schaffung allgemein öffentlicher Dateien - auch solcher mit Personenbezug - nicht generell aus. Insbesondere entspricht das Standortregister dem hohen Stellenwert, den die Richtlinie 2001/18/EG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit beimisst. Den Mitgliedstaaten ist es nach Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG untersagt, im Genehmigungsverfahren vorgelegte Informationen über eine allgemeine Beschreibung von gentechnisch veränderten Organismen, den Namen und die Anschrift des Anmelders, Zweck und Ort der Freisetzung (vgl. Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2001/18/EG) sowie die beabsichtigten Verwendungszwecke als vertrauliche Informationen zu behandeln. In seinem Urteil vom 17. Februar 2009 hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt, dass der Mitteilung der in Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG genannten Informationen kein Vorbehalt zugunsten des Schutzes der öffentlichen Ordnung oder anderer gesetzlich geschützter Interessen entgegengehalten werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - C-552/07 -, Slg. 2009, S. I-987 <1029 f.> Rn. 55 und Tenor Ziffer 2).

174

Das Standortregister kommt auch der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter zugute (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es dient damit insbesondere dem Schutz der menschlichen Gesundheit, der Umwelt und fremden Eigentums vor schädlichen Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Kulturpflanzen und der Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren.

175

Das Standortregister soll ferner die Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf den Koexistenzbelang gemäß § 1 Nr. 2 GenTG und die Information potentiell betroffener Dritter über den geplanten Anbau sicherstellen (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es leistet damit einen Beitrag zur Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des zugrunde liegenden europäischen Koexistenzkonzeptes (hierzu: Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Das Ziel eines verträglichen Nebeneinanders der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsmethoden findet seine verfassungsrechtliche Grundlage nicht nur in der von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Freiheit anderer Erzeuger zur selbstbestimmten Nutzung ihres Eigentums, sondern auch in ihrer von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung.

176

Das Standortregister dient schließlich dem Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Insbesondere kann die Information der Öffentlichkeit über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt ein eigenes Urteil über den staatlich genehmigten und überwachten Einsatz von Gentechnik schaffen und die Akzeptanz der staatlichen Entscheidungen verbessern.

177

(b) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.

178

Das Standortregister kann die effektive Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange unterstützen und trägt damit zur Gefahrenabwehr und Risikovorsorge sowie zur Gewährleistung von Koexistenz bei.

179

Die Information der zuständigen Behörden über die Anbauflächen gentechnisch veränderter Kulturen ermöglicht diesen insbesondere, den Anbau und seine Umweltauswirkungen zu beobachten und zu überwachen, Produktionsprozesse gezielt zu kontrollieren, die ordnungsgemäße Anwendung von Koexistenzmaßnahmen sicherzustellen und standortbezogene wissenschaftliche Begleituntersuchungen durchzuführen, um langfristige oder unvorhergesehene Effekte zu erfassen.

180

Das Standortregister ist geeignet, die Öffentlichkeit und mögliche Betroffene über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt zu informieren und damit die gewünschte Transparenz, Koexistenz und gesellschaftliche Befriedung zu befördern. Insbesondere können sich Nachbarbetriebe und andere mögliche Betroffene rechtzeitig über den beabsichtigten Anbau solcher Organismen informieren und Maßnahmen zum Schutz vor Einträgen in ihre Erzeugnisse ergreifen.

181

(c) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist ein ebenso wirksamer, aber die Betroffenen weniger belastender Weg der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nicht ersichtlich.

182

Die zuständigen staatlichen Stellen verfügen über keine vergleichbaren Informationen, auf die sie zur Erfüllung der Zwecke des Standortregisters zurückgreifen könnten. Diese liegen insbesondere nicht schon aufgrund des Genehmigungsverfahrens zum Inverkehrbringen vor. Das Genehmigungsverfahren ist nicht auf den Bewirtschafter von Anbauflächen, sondern auf denjenigen bezogen, der ein Produkt erstmals in Verkehr bringt (vgl. § 15 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 7 GenTG).

183

Auch die Mitteilungsfrist von drei Monaten vor dem Anbau gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1 GenTG durfte der Gesetzgeber für erforderlich halten, um das Konzept einer abgestimmten Anbauplanung umzusetzen. Denn bis zur Aussaat von gentechnisch veränderten Pflanzen hat nicht nur die Mitteilung an das Standortregister zu erfolgen. Es ist auch der Nachbar zu unterrichten und dessen Angaben sind gegebenenfalls durch eine Anpassung der Anbaupläne zu berücksichtigten. Zudem können schriftliche Vereinbarungen über die gute fachliche Praxis getroffen werden. Diese Änderungen und Vereinbarungen sind wiederum dem Standortregister zu melden. Ferner sind innerbetriebliche Abweichungen von der guten fachlichen Praxis den zuständigen Behörden zu melden.

184

Desgleichen ist die Datenverarbeitung nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 4 und 5, § 16a Abs. 1a GenTG zur Zweckerreichung erforderlich. Ein Antragsverfahren für die Erteilung von Auskünften über die genauen Anbaustandorte würde die mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Zwecke nicht ebenso wirksam umsetzen. Das angestrebte hohe Maß an Transparenz könnte nicht erreicht werden, wenn nur die Gemeinde oder Gemarkung des Standortes gemäß § 16a Abs. 4 GenTG in das Internet eingestellt würde. Auch die Möglichkeit der frühzeitigen Planung, Abstimmung und Koordination konkurrierender Nutzungsinteressen und die Wirtschaftlichkeit der Auskunftserteilung wären mit einem Antragsverfahren nicht gleichermaßen gewährleistet.

185

Eine Begrenzung des berechtigten Interesses an der Auskunftserteilung gemäß § 16a Abs. 5 GenTG auf Fälle, in denen eine "wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung" sowie "substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn" drohen, wäre nicht geeignet, die Information möglicher Betroffener in dem vom Gesetzgeber gewollten Umfang sicherzustellen. Insbesondere in der Phase der Anbauplanung dürfte regelmäßig nicht absehbar sein, ob solche Nachteile zu erwarten sind mit der Folge, dass Auskünfte über Namen und Anschrift der Bewirtschafter nicht oder nur in geringem Maße erteilt werden dürften. Die Möglichkeit, mit Hilfe des Standortregisters lokale Erzeugungsstrukturen durch Anbauplanung aufeinander abzustimmen und die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht gentechnisch veränderten Kulturen zu koordinieren, wäre dann nicht vergleichbar gegeben.

186

(d) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG wahren auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.

187

Erheben und Verarbeiten von personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in der vorgesehenen Form führen allerdings zu einem Eingriff von Gewicht.

188

Die nach § 16a Abs. 3 und § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden Daten werden im Standortregister verknüpft, so dass neue, über die Einzelangabe hinausgehende Informationen entstehen. Die Datenerhebung erlangt zusätzliches Gewicht dadurch, dass sie nach Maßgabe von § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG bußgeldbewehrt ist. Auch stellt die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG durch automatisierten Abruf über das Internet eine besonders weitgehende Form des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die Daten können nach ihrem Abruf beliebig weiter verarbeitet, verknüpft und zu einer Vielzahl von Zwecken - auch für die Planung von Straftaten zum Nachteil eines Bewirtschafters oder Nachbarn - verwendet werden.

189

Das Gewicht des Eingriffs wird jedoch unter verschiedenen Gesichtspunkten gemildert.

190

Den Anlass für den Grundrechtseingriff geben die Betroffenen selbst mit einem Verhalten, das erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Rechtsgüter Dritter haben kann und daher das Bedürfnis nach staatlicher Überwachung und ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründet. Auch ist der mit der Datenerhebung verbundene Aufwand verhältnismäßig gering. Soweit nach § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, wenn eine Mitteilung nach § 16a Abs. 3 Satz 1 oder 3 GenTG nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gemacht wird, ist ein ordnungsgemäßes Verhalten für den Bewirtschafter mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden. Die gemäß § 16a Abs. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben betreffen ausschließlich den Bewirtschafter und seine berufliche Tätigkeit und können von ihm auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden. Das in der Bekanntgabe über das Internet liegende Gewicht wird schließlich dadurch relativiert, dass die Empfänger den Personenbezug erst durch Zusatzwissen oder eine aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erteilte Auskunft herstellen können. Für die überwiegende Zahl der weltweit in Betracht kommenden Informationsempfänger bleiben die Bezugspersonen anonym. Diese Empfänger werden regelmäßig auch kein Interesse daran haben, den konkreten Anbau einer bestimmten Person zuzuordnen.

191

Angesichts der legitimen Gemeinwohlinteressen, denen das Standortregister dient, ist der Eingriff daher nicht unangemessen. Mit der Aufteilung des Registers in einen allgemein zugänglichen und einen nicht allgemein zugänglichen Teil hat der Gesetzgeber einen tragfähigen und aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Kompromiss zwischen dem Informationsinteresse des Staates und der Öffentlichkeit einerseits und dem Geheimhaltungsinteresse der Bezugspersonen andererseits gefunden.

192

Der gesetzlichen Regelung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass durch die Einrichtung des Standortregisters die Wahrscheinlichkeit mutwilliger Zerstörungen von Anbaukulturen erhöht werde. Bereits vor der Einführung des Standortregisters kam es wiederholt zu Behinderungen von Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen, denen mit dem Einsatz des Polizei- und Strafrechts zu begegnen war. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber sein Konzept eines verträglichen Nebeneinanders der unterschiedlichen Produktionsweisen und einer gesellschaftlichen Befriedung umgesetzt und fortentwickelt. Bestandteil des Konzeptes ist - unbeschadet der ohnehin bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben - die transparente Information der Öffentlichkeit über den Einsatz von Gentechnik auf der einen Seite und der Schutz der Nutzer von Gentechnik vor den von dieser Öffentlichkeit ausgehenden Gefahren durch einen nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters und mit den Mitteln des Polizei- und Strafrechts auf der anderen Seite. Der Staat ist, wie auch in anderen Fällen einer Behinderung der Eigentums-, Berufs- oder Forschungsfreiheit durch Dritte verpflichtet, die ungehinderte Betätigung der Grundrechte im Einzelfall zu fördern und zu schützen. Bisher ist nicht erkennbar, dass durch das Standortregister eine Situation so hoher Gefährdung für Bewirtschafter entstanden wäre, dass der Gesetzgeber evident zur Schaffung weitergehender Schutzmechanismen gegen rechtswidrige und strafbare Feldzerstörungen verpflichtet wäre.

193

Auch die Bestimmungen über den nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters in § 16a Abs. 5 GenTG schränken das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht unangemessen ein. Gemäß § 16a Abs. 5 GenTG darf eine Auskunft aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers nur erteilt werden, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat. Den Rechtsanwender trifft damit die Pflicht zur Abwägung, durch die eine einzelfallbezogene Beurteilung erreicht werden kann.

194

(3) Der Grundrechtsschutz ist schließlich auch durch eine angemessene Verfahrensgestaltung abgesichert.

195

Die Verwendung personenbezogener Daten muss auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt sein (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Auch sind Aufklärungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten von Bedeutung (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Diesen Anforderungen ist vorliegend genügt.

196

Die Information der Betroffenen vor der Datenerhebung darüber, welche Daten über das Internet abgerufen werden können und unter welchen Voraussetzungen Auskünfte über die mitgeteilten persönlichen Daten erteilt werden können, ist durch die insoweit klare Gesetzeslage sichergestellt. Dass hierbei bestimmte Daten zur Herstellung von Transparenz der allgemeinen Öffentlichkeit auch ohne weitere Zweckbindung zugänglich gemacht werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

197

Eine Information des gemäß § 16b Abs. 1a GenTG betroffenen Nachbarn über die Mitteilung an das Standortregister kann im Rahmen der Aufklärung über die Rechtsfolgen der schriftlichen Vereinbarung oder der Nichterteilung von Auskünften gemäß § 16b Abs. 1 Satz 3 GenTG erfolgen. Jedenfalls ist der Nachbar ausreichend dadurch geschützt, dass die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten in § 16b Abs. 1a GenTG durch Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Dementsprechend besteht gemäß § 19a Abs. 2 Nr. 3 BDSG keine Pflicht zur Benachrichtigung eines Betroffenen, ohne dessen Kenntnis die Daten aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung erhoben wurden.

198

Eine Benachrichtigung des Betroffenen über den Abruf von Daten aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers erübrigt sich, weil der Betroffene bereits bei der Datenerhebung weiß, welche Daten veröffentlicht werden und sich entsprechend darauf einstellen kann. Im Übrigen sind weitreichende Auskunftspflichten über erhobene und weitergegebene Daten in § 19 BDSG vorgesehen, der gemäß § 16a Abs. 7 GenTG für juristische Personen entsprechend gilt. Gegen § 19 BDSG bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch BVerfGE 120, 351 <365>).

199

Der auf ein bestimmtes Vorhaben bezogene und begrenzte Zweck der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gebietet ferner die Löschung aller nicht oder nicht mehr zur Zweckerreichung erforderlichen Daten (vgl. BVerfGE 113, 29 <58>). Dem ist vorliegend durch die gesetzlich angeordnete Löschung der Daten 15 Jahre nach ihrer erstmaligen Speicherung gemäß § 16a Abs. 6 Satz 2, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG genügt.

200

b) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

201

aa) Die Verpflichtung zur Mitteilung von Angaben über den Anbau an das Standortregister nach Maßgabe von § 16a Abs. 3 GenTG verletzt die von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

202

Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährleistet grundsätzlich auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (vgl. BVerfGE 115, 205 <229>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offengelegt oder verlangt dieser deren Offenlegung, ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden dabei alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.

203

Nach dieser Maßgabe handelt es sich bei den gemäß § 16a Abs. 3 GenTG zu erhebenden Daten über den gentechnisch veränderten Organismus und seinen Standort weder um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse noch erscheint die Erhebung und Verarbeitung dieser Daten geeignet, empfindliche Wettbewerbsnachteile nach sich zu ziehen. Da der Anbau im öffentlichen Raum stattfindet, ist seine Wahrnehmung und Kenntnis von vornherein nicht auf einen begrenzten Kreis von Personen beschränkt, der einem landwirtschaftlichen Betrieb oder Unternehmen zugerechnet werden könnte. Der gentechnisch veränderte Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und der spezifische Erkennungsmarker sind, ohne dass es auf das Standortregister ankommt, im Internet veröffentlicht. Zudem muss der Geheimhaltungswille berechtigten wirtschaftlichen Interessen entspringen, so dass es unerheblich ist, ob ein Unternehmen ein negatives Image, das mit dem Einsatz von Gentechnik verbunden sein mag, abwenden will.

204

bb) Die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben an die registerführende Behörde zu übermitteln, stellt eine Berufsausübungsregelung dar, die aber durch die dargestellten Gemeinwohlbelange von überragendem Gewicht gerechtfertigt ist.

205

Im Übrigen bietet das Grundrecht der Berufsfreiheit grundsätzlich keinen über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinausgehenden Schutz vor staatlichen informationellen Maßnahmen (vgl. BVerfGE 118, 168 <205>).

206

c) Eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder der Gefahr von Eigentumsverletzungen durch Gentechnikgegner kommt aus den gleichen Gründen nicht in Betracht.

207

d) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar.

208

Erfolgt der Anbau zu wissenschaftlichen Zwecken, so betrifft die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben über den Anbau an die registerführende Behörde zu übermitteln, auch die Bedingungen für die Durchführung des Forschungsprojektes und berührt damit den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die darin liegende Einschränkung weist jedoch in Bezug auf die Forschungsfreiheit kein hohes Gewicht auf und ist durch den Schutz der dargestellten kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt.

209

e) Aus denselben Erwägungen sind die in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG enthaltenen Bestimmungen über die dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit durch den Betreiber nach Maßgabe von § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar. Aus den dargestellten Gründen bestehen auch gegen § 16a Abs. 2 GenTG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

210

4. § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Auch eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG kann nicht festgestellt werden.

211

a) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG in ihrer zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

212

aa) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG greifen in die Berufsfreiheit ein. Der Gesetzgeber regelt mit diesen Bestimmungen den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. § 16b Abs. 4 und § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG in der Alternative des Inverkehrbringens knüpfen insoweit unmittelbar an die Betätigung zu Erwerbszwecken an; die weiteren angegriffenen Bestimmungen weisen jedenfalls eine objektiv berufsregelnde Tendenz auf. Denn sie betreffen typischerweise den erwerbswirtschaftlichen oder gewerbsmäßigen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten und verstehen sich in erster Linie als rechtliche Rahmenbedingungen für die Berufsausübung. Die Pflicht, Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange zu treffen, geht dabei über die Abwehr konkreter Gefahren hinaus und verlagert die Eingriffsbefugnisse der Behörde im Vergleich zur polizeirechtlichen Gefahrenabwehr zeitlich und sachlich nach vorn.

213

bb) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

214

(1) Die Regelungen sind hinreichend bestimmt.

215

In § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG definiert der Gesetzgeber den Inhalt und das Ziel der Vorsorgepflicht dahingehend, dass bestimmte Rechtsgüter und Belange "nicht wesentlich beeinträchtigt" werden dürfen. Wann eine Beeinträchtigung wesentlich ist, kann mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln bestimmt werden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen europäische Schwellenwerte zur Kennzeichnungspflicht Orientierung bieten und der Begriff durch die in § 36a Abs. 1 GenTG vorgegebenen Interpretationsregeln näher festgelegt werden (BTDrucks 15/3088, S. 27). § 36a Abs. 1 GenTG knüpft an den Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung in § 906 BGB an. Interpretationsgrundsätze, die sich in diesem Regelungszusammenhang herausgebildet haben, können daher auch bei der Auslegung von § 36a Abs. 1 GenTG herangezogen werden.

216

§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot zu beanstanden. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ausgesprochene Rechtsfolge sind für die Betroffenen in zumutbarer Weise zu erkennen. Sie lassen sich jedenfalls im Wege der Auslegung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen. Die Möglichkeiten einer weitergehenden Regelung sind zudem nach der Eigenart des geregelten Lebenssachverhalts begrenzt. Ob und inwieweit die Vorsorgepflicht im Einzelfall abdingbar ist, kann letztlich nur für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Verhältnisse vor Ort geklärt werden. Die sich aus einer Anwendung von § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ergebenden haftungsrechtlichen Fragen hat der Gesetzgeber in § 16b GenTG nicht geregelt. Insoweit konnte er es bei der allgemeinen vertraglichen und außervertraglichen Haftung und den hierzu - auch im Zusammenhang mit einem vertraglichen Verzicht auf eine günstige Rechtsposition - entwickelten Grundsätzen belassen. Insgesamt begegnet § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. in Bezug auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitserfordernis keinen durchgreifenden Bedenken.

217

Auch § 16b Abs. 2 und 3 GenTG sind hinreichend bestimmt gefasst. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Grundsätze der guten fachlichen Praxis in § 16b Abs. 3 GenTG nicht erschöpfend geregelt hat ("insbesondere"). Der Gesetzgeber durfte mit der offenen Fassung dieser Grundsätze der Vielgestaltigkeit des geregelten Lebenssachverhalts Rechnung tragen. Der Begriff der guten fachlichen Praxis ist einerseits offen genug für neue Entwicklungen und andererseits geeignet, einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen die Landwirte handeln können und müssen. Was im Einzelfall zur guten fachlichen Praxis gehört, lässt sich im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen, insbesondere auch in Anlehnung an die hinter den Regelbeispielen liegenden Wertungen, mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden hinreichend bestimmen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber in § 16b Abs. 6 GenTG die Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung vorgesehen, die die Grundsätze der guten fachlichen Praxis weiter konkretisieren kann.

218

Schließlich sind die in § 16b Abs. 4 GenTG an die Eignung von Person und Ausstattung gestellten Anforderungen ausreichend bezeichnet. Bei der Umschreibung dieser Anforderungen bedient sich der Gesetzgeber unbestimmter Rechtsbegriffe wie "Zuverlässigkeit" und "Kenntnisse", die seit jeher in wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Gesetzen verwendet werden (z. B. § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung und § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gaststättengesetz). Diese Begriffe sind in einer langen Tradition von Gesetzgebung, Verwaltungshandeln und Rechtsprechung so ausgefüllt worden, dass an ihrer rechtsstaatlichen Bestimmtheit nicht zu zweifeln ist, mögen sie auch für jeden neuen Sachbereich neue Konkretisierungen erfordern (vgl. BVerfGE 49, 89 <134>). Ebenso sind die in § 16b Abs. 4 GenTG verwandten Begriffe "Fertigkeiten" und "Ausstattung" mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden hinreichend zu präzisieren. Wozu die Eignung von Person und Ausstattung dienen soll, ist mit dem Verweis auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht gemäß § 16b Abs. 1 GenTG hinreichend geregelt.

219

(2) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verhältnismäßig.

220

(a) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind als Regelungen der Berufsausübung statthaft, weil sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls legitimiert werden, zur Erreichung der Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich sind und den Betroffenen nicht unzumutbar belasten (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 36, 47 <59>; 61, 291 <312>; 68, 272 <282>; 103, 1 <10>; stRspr). Auch die Sachkundeanforderungen des § 16b Abs. 4 GenTG sind Berufsausübungsregelungen.

221

(b) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung dienen legitimen Gemeinwohlzielen.

222

Mit der Vorsorgepflicht soll ein verantwortungsvoller Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und dadurch einer wesentlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG durch Einträge dieser Organismen vorgebeugt werden (§ 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG). Diesem Ziel dienen auch die Grundsätze der guten fachlichen Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung, welche jeweils auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht bezogen sind (§ 16b Abs. 2, 3 und 4 GenTG). Mit der Vorsorgepflicht trägt der Gesetzgeber der - auch bezogen auf den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen bestehenden - Erkenntnis- und Prognoseunsicherheit Rechnung, die aus dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik und dort bestehenden Ungewissheiten resultiert. Die Ausbreitung solcher Organismen soll durch die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis von vornherein möglichst vermieden oder, wenn unvermeidbar, auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Die Anforderungen an die Person und Ausstattung (§ 16b Abs. 4 GenTG) sollen sicherstellen, dass der Anwender hierzu fähig und willens ist und damit die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit gewährleisten (BTDrucks 15/3088, S. 27).

223

§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG dienen damit dem Zweck, Vorsorge gegen schädliche Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte für das Leben und die Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter zu treffen (§ 1 Nr. 1 GenTG). Die Vorschriften konkretisieren zudem die Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) und dienen insoweit insbesondere dem Schutz der Berufs- und Eigentumsfreiheit potentieller Betroffener und dem Ziel, durch die Gewährleistung eines verträglichen Nebeneinanders der landwirtschaftlichen Produktionsformen die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu wahren, Rechts- und Planungssicherheit zu schaffen und eine gesellschaftliche Befriedung zu erreichen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 27). Schließlich verfolgt der Gesetzgeber auch das Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG).

224

(c) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.

225

Soweit der Gesetzgeber das in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. geregelte Verbot koexistenzgefährdender Handlungen durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 gestrichen und zugunsten der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen durch eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht ersetzt hat, bewegt sich die Änderung innerhalb des ihm zukommenden Einschätzungs- und Prognosevorrangs. Sie führt nicht zu einer fehlenden Eignung der Regelung wegen einer nicht hinreichend konsequenten Verfolgung des Vorsorgeziels.

226

(d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist kein gleich wirksames, aber die Betroffenen weniger belastendes Mittel erkennbar, um den angestrebten verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen zu erreichen.

227

Die Erforderlichkeit der Regelungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis kann insbesondere nicht mit dem Argument verneint werden, dass der Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter bereits durch das Bewertungs- und Genehmigungsverfahren im Rahmen der Inverkehrbringensgenehmigung sichergestellt werde. Zwar ist die Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen grundsätzlich mit der Einschätzung verbunden, dass unvertretbare schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter wie die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht zu erwarten sind (§ 16 Abs. 2 Satz 1 GenTG). Es handelt sich jedoch um eine Prognoseentscheidung, welche das Auftreten von nicht vorhergesehenen schädlichen Auswirkungen etwa auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt nicht ausschließen kann. Der Zweck der auf die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 GenTG bezogenen Vorsorgepflicht liegt gerade darin, ergänzend zu den Genehmigungsbedingungen für ein Inverkehrbringen einen verantwortungsvollen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und damit einen möglichst umfassenden und lückenlosen Rechtsgüterschutz nach der Marktfreigabe zu gewährleisten.

228

(e) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung sind auch im engeren Sinn verhältnismäßig.

229

Die in § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG normierten öffentlichrechtlichen Verpflichtungen enthalten strenge Vorgaben für die Berufsausübung unter Einsatz von zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und greifen daher mit nicht unerheblichem Gewicht in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit ein.

230

Die hiermit verbundene Belastung wird schon dadurch begrenzt, dass das Gesetz zugunsten des Einsatzes der "grünen" Gentechnik eine Ausbreitung von gentechnisch veränderten Organismen hinnimmt, die nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG führt. Das Gewicht des Eingriffs wird auch durch die nach § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG n.F. bestehende Möglichkeit gemildert, im Einzelfall aufgrund schriftlicher Zustimmung oder Schweigen des Nachbarn ausschließlich zum Schutz der wirtschaftlichen Koexistenz des anderen (§ 1 Nr. 2 GenTG) bestehende Vorgaben nicht zu beachten. Zudem gehören die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen nur zur guten fachlichen Praxis, "soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist". Sie enthalten - derzeit ergänzt und konkretisiert durch die Verordnung über die gute fachliche Praxis bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen (Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung - GenTPflEV - vom 7. April 2008, BGBl I S. 655), die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) - normative Vorgaben, auf die sich ein Verwender von gentechnisch veränderten Organismen ebenso wie ein möglicher Betroffener einstellen kann. Damit hat sich die Rechts- und Planungssicherheit auch für die Anwender verbessert.Ferner können die zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben erforderlichen Betriebsführungsmaßnahmen auf bereits bestehenden Trennungspraktiken oder -verfahren und bisherigen Erfahrungen mit der Behandlung identitätsgeschützter Pflanzensorten und den Saatguterzeugungspraktiken aufbauen. Schließlich besteht die Möglichkeit, mit Nachbarbetrieben zusammenzuarbeiten. Management und Erzeugung können koordiniert und zum Beispiel Sorten mit unterschiedlichen Blütezeiten verwendet, unterschiedliche Aussaatzeiten vereinbart oder Fruchtfolgen aufeinander abgestimmt werden. Bereits auf diesem Weg können die Kosten für die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht veränderten Kulturen erheblich gesenkt, das Risiko von Auskreuzungen in benachbarte Kulturen minimiert, die Einhaltung der Kennzeichnungsschwellenwerte für Lebensmittel und Futtermittel ermöglicht und letztlich auch Haftungsfälle von vornherein vermieden werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 27 unter Verweis auf die Empfehlung der Kommission vom 23. Juli 2003 mit Leitlinien für die Erarbeitung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen - 2003/556/EG -, ABl EU 2003 Nr. L 189, S. 36).

231

Demgegenüber überwiegen die legitimen Gemeinwohlziele, die den Gesetzgeber zur Normierung der Vorsorgepflicht, der guten fachlichen Praxis und der Eignung von Person und Ausstattung veranlasst haben. Sie könnten, unbeschadet der Einordnung von § 16b Abs. 4 GenTG als Berufsausübungsregelung, sogar eine Regelung der Berufswahl rechtfertigen. Der Schutz von Menschen, Tieren, Pflanzen und der Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge sind verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 20a GG verankert. Die flankierenden, oben dargestellten Regelungsziele dienen ebenfalls wichtigen Belangen des Gemeinwohls und sind wie beispielsweise der Verbraucherschutz auch im Unionsrecht anerkannt.

232

Bei der Verwirklichung dieser Ziele muss dem Gesetzgeber gerade vor dem Hintergrund der breiten gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Debatte um den Einsatz von Gentechnik und seine angemessene staatliche Regulierung ein großzügiger Entscheidungsspielraum zugestanden werden.

233

Setzt man diese betroffenen, verfassungsrechtlich geschützten Rechte und Interessen zueinander ins Verhältnis und bezieht die weiteren flankierenden Regelungsziele in die Abwägung ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung nicht zu beanstanden.

234

Weder beeinträchtigen die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung die am Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen Beteiligten unzumutbar (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) noch stehen die Anforderungen an Person und Ausstattung außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG).

235

Der Gesetzgeber hat den Behörden und Fachgerichten auch genügend Spielraum belassen, um eine verhältnismäßige Anwendung von § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG im Einzelfall sicherzustellen. Dies betrifft insbesondere die Frage, was im Einzelfall zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis gehört. Die allgemein gehaltenen Vorgaben zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis lassen es zu, die tatsächlichen Rahmenbedingungen des Umgangs mit gentechnisch veränderten Organismen im Einzelfall, insbesondere an den konkreten Anbaustandorten, angemessen zu berücksichtigen und den Inhalt der Pflichten auf das Maß zu beschränken, welches jeweils zur Vermeidung wesentlicher Beeinträchtigungen der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG erforderlich ist.

236

Der den Rechtsanwendern belassene Spielraum wahrt dabei die Grenzen der Zumutbarkeit. Die erforderlichen Standards sind sukzessive durch administrative und gerichtliche Vorgaben unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszuformen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Einsatz von Gentechnik grundsätzlich zugelassen ist und nach dem Willen des Gesetzgebers möglich bleiben soll. § 16b GenTG verlangt keine Vorkehrungen, die mit absoluter Sicherheit Risiken für die Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG ausschließen sollen und damit faktisch auf ein Verbot des Umgangs mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen hinauslaufen können. Die Ausbreitung dieser Organismen soll vielmehr durch einen verantwortungsvollen Umgang nur so weit wie möglich vermieden und bei Unvermeidbarkeit auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Anforderungen dürfen daher nach der Gesetzeslage nur so weit gehen, wie sie nach den Gegebenheiten des Einzelfalls erforderlich und zumutbar sind. Innerhalb dieses Rahmens geben derzeit die Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung, die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) den Beteiligten weitere Maßstäbe für die Konkretisierung der angegriffenen Bestimmungen an die Hand. Verbleibende Unsicherheiten führen nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen.

237

Die mit § 16b Abs. 4 GenTG verbundenen Beschränkungen sind aus der Sache heraus legitimiert. Sie beruhen darauf, dass es besonderer theoretischer und praktischer Kenntnisse und einer entsprechenden Betriebsorganisation bedarf, um Einträge in andere Kulturen zu vermeiden oder so weit wie möglich zu reduzieren, und dass die Ausübung des jeweiligen Berufes ohne solche Voraussetzungen unsachgemäß wäre und Gefahren für die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG mit sich bringen würde.

238

b) § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind auch mit der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar.

239

aa) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sind an der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit zu messen, soweit sie nicht ausschließlich für den Umgang zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken gelten. Der Schutzbereich ist insoweit jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten eröffnet.

240

bb) Die Vorgaben der Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis für den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen greifen in die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Freiheit ein, die Fragestellung und Methodik einschließlich der praktischen Durchführung eines Forschungsprojektes frei zu bestimmen.

241

cc) Die legitimen Gemeinwohlbelange, die den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, die Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die aus den schon genannten Gründen auch einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

242

c) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG verletzen nicht Art. 2 Abs. 1 GG.

243

Art. 2 Abs. 1 GG kommt als Prüfungsmaßstab für die Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit von ausländischen Personen und die Verpflichtung von Privatpersonen, die nicht erwerbswirtschaftlich mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen, in Betracht, die nicht unter den Schutz der Berufsfreiheit fallen (Art. 12 Abs. 1 GG). Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit ist jedoch aus den zu Art. 12 Abs. 1 GG genannten Gründen gerechtfertigt (oben C II 4 a bb).

244

Soweit § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. an das Schweigen Rechtsfolgen anknüpft, ist hiermit keine unzumutbare Belastung für den Nachbarn verbunden. Selbst wenn man die Regelung als Fall einer fingierten Willenserklärung und Eingriff in die Privatautonomie ansieht, ist sie jedenfalls gerechtfertigt.

245

Die Anknüpfung von Rechtswirkungen an das Schweigen gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. beseitigt Ungewissheiten über die Zustimmung zu einer bestimmten Anbauplanung und verbessert damit die Planungs- und Rechtssicherheit bei den nach § 3 GenTPflEV mitteilungspflichtigen und nach § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG anzeigepflichtigen Grundstücksnutzungen. Damit verbunden ist das Anliegen des Gesetzgebers, die Abstimmung der Anbauplanung als Mittel zur Sicherung der Koexistenz zu fördern und gleichzeitig den Verwender von Gentechnik zugunsten geschützter Interessen nicht mehr als nötig zu belasten. § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist zur Erreichung dieser legitimen Zielsetzung geeignet und erforderlich.

246

Auch die Angemessenheit ist gewahrt. Der Gesetzgeber wertet typisierend diejenigen Personen, denen der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilen ist, als schutzbedürftig. Wer konventionell oder ökologisch wirtschaftet, soll darauf vertrauen dürfen, dass möglicherweise beeinträchtigender Anbau mitgeteilt und abgestimmt wird. Andererseits verlangt der Gesetzgeber von den so Geschützten, sich auf konkrete Anfrage des Verwenders von gentechnisch veränderten Organismen innerhalb einer Monatsfrist über ihr Schutzbedürfnis zu erklären. Andernfalls wird unterstellt, dass kein Schutzbedarf besteht, so dass der Verwender den geplanten Anbau umsetzen kann. Er wird damit auch von der Unsicherheit der Prüfung entlastet, ob in dem Schweigen ein konkludenter Verzicht liegt. Dieser Ausgleich der möglicherweise gegenläufigen Interessen bewegt sich innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.

247

d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung verletzen auch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht.

248

Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von Gentechnik im Vergleich zu konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirten folgt aus den besonderen Eigenschaften der Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung legitime Gemeinwohlziele, die so gewichtig sind, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch die Ungleichbehandlung rechtfertigen.

249

Soweit § 16b GenTG zwischen denjenigen, die erwerbswirtschaftlich oder vergleichbar mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen und anderen Verwendern von Gentechnik differenziert, beruht dies zum einen darauf, dass gentechnisch veränderte Organismen zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken regelmäßig in größerem Umfang als zu anderen Zwecken eingesetzt werden und die Schutzgüter damit in größerem Ausmaß gefährdet sind. Zum anderen stehen den zusätzlichen Anforderungen im Rahmen des erwerbswirtschaftlichen Umgangs typischerweise auch größere Vorteile aus der Nutzung der Gentechnologie gegenüber. Diese Umstände rechtfertigen die Ungleichbehandlung.

250

Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen im Vergleich zu denjenigen, die solche Organismen zu Versuchszwecken freisetzen, knüpft schließlich daran an, dass in der Freisetzungsgenehmigung die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen im Einzelfall und auf den jeweiligen Versuch und Standort angepasst vorgegeben werden können (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG). Eine angemessene Berücksichtigung konkreter Anbaubedingungen ist hingegen in der Genehmigung zum Inverkehrbringen regelmäßig nicht möglich, da diese für eine Vielzahl von Anbaustandorten und allgemeingültig für jeden Mitgliedstaat erteilt wird. Dieser Umstand rechtfertigt die Differenzierung.

251

5. § 36a GenTG ist mit Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

252

a) Nach der nachbarrechtlichen Konzeption des § 36a GenTG sind Haftungsadressaten die Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks, soweit sie die beeinträchtigende Nutzungsart bestimmen und, wenn die Störung von einer Anlage ausgeht, diejenigen, welche die Anlage halten und von deren Willen die Beseitigung abhängt (vgl. BGHZ 155, 99 <102>).

253

Von § 36a GenTG betroffen sind daher in erster Linie die Verwender von gentechnisch veränderten Organismen in Forschung, Land-, Forst- und Gartenwirtschaft. Zum Kreis der Haftenden gehören ferner juristische Personen des öffentlichen Rechts wie beispielsweise Universitäten jedenfalls dann, wenn sich die Nutzung des emittierenden Grundstücks nicht als schlicht hoheitliches, sondern privatrechtliches Handeln darstellt und sie daher der zivilrechtlichen Haftung unterliegen. Die Frage, ob sie auch bei schlicht-hoheitlichem Handeln zu den Adressaten des § 36a GenTG zählen, bedarf keiner abschließenden Klärung. Wie die bisherige Rechtsprechungspraxis zeigt, ist die Haftung staatlicher Forschungseinrichtungen nach privatem Nachbarrecht nicht ausgeschlossen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 24. August 1999 - 14 U 57/97 -, ZUR 2000, S. 29). Insofern ist die Frage einer Verletzung der Wissenschaftsfreiheit insbesondere von Universitäten in die Prüfung einzubeziehen.

254

b) § 36a GenTG ist mit Art. 14 GG vereinbar.

255

aa) Die Vorschrift regelt in Verbindung mit §§ 906, 1004 BGB, die zu den Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gehören (vgl. BVerfGE 72, 66 <75 f.>), die Rechtsbeziehungen zwischen Grundstücksnachbarn.

256

§ 36a GenTG ist keine eigenständige Haftungsregelung, sondern konkretisiert und ergänzt die bestehende verschuldensunabhängige Störerhaftung im privaten Nachbarrecht (§§ 1004, 906 BGB). § 36a GenTG stellt bei der Auslegung und Anwendung zentraler Begriffe der nachbarrechtlichen Bestimmungen durch Vorgabe zwingender Interpretationsregeln sicher, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch in den Fällen besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Benutzung eines fremden Grundstücks wesentlich beeinträchtigt wird (§ 36a Abs. 1 bis 3 GenTG). Ferner wird das private Nachbarrecht um eine Regelung ergänzt, die Schwierigkeiten beim Kausalitätsbeweis behebt (§ 36a Abs. 4 GenTG).

257

Diese neuen Haftungsregelungen knüpfen nicht nur dem Wortlaut nach in § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG an § 906 BGB und dessen Tatbestandsmerkmale an, sondern fügen sich auch in die Systematik der nachbarrechtlichen Störerhaftung ein. Wie bisher gilt, dass wesentliche Einwirkungen, die entweder nicht ortsüblich oder zwar ortsüblich, aber mit zumutbarem wirtschaftlichen Aufwand zu verhindern sind, nicht hingenommen werden müssen. Derartige Beeinträchtigungen sind rechtswidrig. Hiergegen steht dem Betroffenen grundsätzlich ein auf Unterlassung oder Beseitigung gerichteter Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB zu. Hat ein Nachbar hingegen Einwirkungen zu dulden, so kann ein Anspruch auf angemessenen Ausgleich in Geld nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB oder analog dieser Vorschrift gegeben sein (nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch). Unberührt bleiben der Anspruch auf Schutzvorkehrungen nach § 23 Satz 1 GenTG und der Anspruch auf finanziellen Ausgleich nach § 23 Satz 2 GenTG insbesondere bei Vorliegen einer nach Anhörung (§ 18 Abs. 2 GenTG) erteilten, unanfechtbaren Freisetzungsgenehmigung.

258

Eine § 36a Abs. 4 GenTG entsprechende Regelung kennt das Bürgerliche Gesetzbuch zwar nicht. Die Vorschrift kann jedoch als Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer emittierender Eigentümer und zur Anwendung von § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 BGB und § 287 ZPO auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gesehen werden (vgl. BGHZ 66, 70 <77>; 85, 375 <386 f.>; 101, 106 <111 ff.>).

259

Dieses Verständnis wird durch die Gesetzesmaterialien unterstützt, nach denen durch § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG zentrale Elemente der nachbarrechtlichen Bestimmungen (§§ 906, 1004 BGB) konkretisiert und mit § 36a Abs. 4 GenTG eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 Abs. 1 BGB normiert werden sollten (vgl. BTDrucks 15/3088 S. 31).

260

§ 36a GenTG stellt sich daher nach seinem Sinn und Zweck als Norm der nachbarrechtlichen Störerhaftung dar. Eine neuartige Haftung im System des privaten Nachbarrechts wird hierdurch nicht begründet. Auch die §§ 906, 1004 BGB regeln die Koexistenz von Nachbarn.

261

Der Anspruch auf angemessenen Ausgleich analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu einer Gefährdungshaftung (vgl. BGHZ 155, 99 <103 f.>). Denn im Gegensatz zur Gefährdungshaftung für eine gefährliche Einrichtung im Verhältnis zwischen Nachbarn geht es bei dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht um das Einstehen für Schäden, die allein auf das rechtmäßige Vorhandensein einer Anlage oder eine erlaubte Tätigkeit zurückzuführen sind, sondern um die Haftung für rechtswidrige, aber aus tatsächlichen Gründen zu duldende Störungen aus einer bestimmungsgemäßen Grundstücksnutzung. Der Ausgleich richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380> m.w.N.). Diese Verpflichtung zur Ausgleichsleistung nach den Grundsätzen des Nachbarrechts ist mit einem Schadensersatzanspruch nicht notwendig deckungsgleich; es besteht vielmehr Raum für eine wertende Entscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380>).

262

Konkurrierende konventionell oder ökologisch wirtschaftende Landwirte sind ebenso wie andere Emittenten auch der verschuldensunabhängigen Störerhaftung im Nachbarrecht unterworfen. Die Bezugnahme auf öffentlichrechtliche Grenzwerte (§ 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB) ist der nachbarrechtlichen Störerhaftung ebenso wenig fremd wie die Ursachenvermutung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises bei mehreren Verursachern (§ 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO). Dass die Risiken einer Grundstücksnutzung möglicherweise nicht angemessen kalkuliert und versichert werden können, schließt die nachbarrechtliche Störerhaftung nicht aus. Eine Freistellung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen von der verschuldensunabhängigen Haftung im Nachbarrecht würde im Ergebnis daher keine Benachteiligung beseitigen, sondern diese im Vergleich zu anderen Emittenten privilegieren.

263

bb) § 36a GenTG bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen wegen Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen Abwehransprüche aus § 1004 BGB und Ausgleichsansprüche nach oder analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegen Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks geltend gemacht werden können.

264

Wie die §§ 906, 1004 BGB legt die Norm in generell-abstrakter Weise Rechte und Pflichten der Grundstückseigentümer fest und ist damit Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Vorschrift wahrt die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung zu stellen sind.

265

(1) Die Vorschrift ist hinreichend bestimmt.

266

Die Bezugnahme auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Erzeugnissen, die auch von einem anderen, namentlich dem europäischen Gesetzgeber erlassen und von ihm geändert werden können, ist nicht zu beanstanden.

267

Nach § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG stellen die Pflicht zur Kennzeichnung von Erzeugnissen als gentechnisch verändert (Nr. 2) oder der Verlust einer Kennzeichnungsmöglichkeit hinsichtlich einer bestimmten Produktionsweise (Nr. 3) als Folge eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen eine wesentliche Beeinträchtigung des Eigentums im Sinn von § 906 BGB dar. § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG setzt also die Existenz von "Vorschriften" oder "Rechtsvorschriften" über die Kennzeichnung zwar voraus, um einen Sachverhalt zu definieren, der den Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB oder den Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auslöst. Es handelt sich jedoch nicht um eine Verweisung auf die jeweiligen Kennzeichnungsvorschriften. Diese werden weder zum Bestandteil von § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG noch ändern sich ihr Anwendungsbereich, Rang oder ihre Qualität. Der Gesetzgeber hat vielmehr eine dem Anspruchssteller nachteilige Rechtslage beschrieben, deren Folgen dem Anspruchsschuldner als Verursacher zuzurechnen sind. Eine vergleichbare Regelungstechnik mit Hilfe einer Generalklausel enthält § 823 Abs. 2 BGB, der die Existenz von Schutzgesetzen voraussetzt.

268

Der Gesetzgeber hat auch im Übrigen alle wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen. Nach seinem Willen sollen der Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB und der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehen, wenn der Nutzungsberechtigte eines benachbarten Grundstücks wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen mit einer gesetzlichen Pflicht zur Kennzeichnung belastet wird oder eine ihm vorteilhafte gesetzliche Möglichkeit der Kennzeichnung entfällt. Die Voraussetzungen für eine Kennzeichnung können sich zwar - etwa durch Absenkung oder Anhebung bestimmter Schwellenwerte - ändern. Die für die Haftung relevante Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass eine dem Störer zuzurechnende Rechtspflicht zur Kennzeichnung oder der ihm zuzurechnende Verlust der Möglichkeit einer Kennzeichnung die Benutzung des Nachbargrundstücks wesentlich beeinträchtigen, bleibt davon unberührt. Sie schließt auch eine Verschärfung der Haftung durch eine Absenkung von Kennzeichnungsschwellenwerten ein.

269

§ 36a Abs. 1 GenTG begegnet auch keinen Bedenken im Hinblick auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, soweit die Fallgruppen einer wesentlichen Beeinträchtigung nicht abschließend normiert wurden ("insbesondere").

270

§ 36a Abs. 1 GenTG definiert und konkretisiert den in § 906 BGB enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriff der "wesentlichen Beeinträchtigung" im Zusammenhang mit dem Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen. Soweit der Gesetzgeber die Fälle wesentlicher Beeinträchtigungen nicht abschließend beschrieben hat ("insbesondere"), trägt dies der Vielzahl denkbarer, möglicherweise derzeit nicht vollständig überschaubarer Fallgestaltungen Rechnung.

271

(2) Der Gesetzgeber hat auch die Interessen der Beteiligten und das Gemeinwohl in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht (vgl. BVerfGE 87, 114 <138>; 95, 48 <58>; 98, 17 <37>; 101, 239 <259>; 102, 1 <17>).

272

(a) Mit der Aufnahme des § 36a GenTG verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele.

273

Diese ergeben sich sowohl aus der Funktion der von § 36a GenTG ergänzten und konkretisierten nachbarrechtlichen Bestimmungen (insbesondere § 906 BGB) als auch aus den Zielen des Gentechnikgesetzes1 GenTG).

274

(aa) Wie § 906 BGB bezweckt § 36a GenTG den notwendigen Interessenausgleich von Grundstücksnachbarn bei bestimmten Einwirkungen, die von einem anderen Grundstück ausgehen. Auch diese Norm schützt die von Einwirkungen betroffenen Grundeigentümer in ihrer von Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit, den Eigentumsgegenstand nach eigenen Vorstellungen zu nutzen und über die Verwendung des Eigentumsobjekts frei zu entscheiden. Wie die §§ 1004, 906 BGB weist § 36a GenTG dem Störer die sachliche und finanzielle Verantwortung für die von seinem Grundstück ausgehenden (wesentlichen) Einwirkungen zu. Soweit er nach § 1004 BGB oder nach beziehungsweise analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zur Unterlassung, Beseitigung oder zum angemessenen Ausgleich verpflichtet ist, haftet er - und nicht unbeteiligte Dritte oder die Allgemeinheit - für die Kostenfolgen. Diese Zurechnung hat ihren Grund darin, dass der Störer die Beeinträchtigung veranlasst hat, dass er sie am besten und effektivsten beheben kann und dass ihm die Vorteile aus der störenden Grundstücksnutzung zugute kommen. Schließlich hat § 36a Abs. 4 GenTG wie § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ziel, eine Beweisschwierigkeit des Geschädigten zu überwinden. Dessen Ersatzanspruch soll nicht daran scheitern, dass nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren Beteiligten, deren Handlung den Schaden beziehungsweise die Beeinträchtigung verursacht haben kann, der eigentliche Schädiger gewesen ist (vgl. BGHZ 55, 96 <98>; 101, 106 <111>). Dem Interesse des Eigentümers, Nutzers oder Anlagenbetreibers, zur Haftung nur insoweit herangezogen zu werden, als ihn eine (Mit)Verantwortung für die Beeinträchtigung treffen kann, wird dadurch Rechnung getragen, dass die ihm zuzurechnende Einwirkung nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls geeignet gewesen sein muss, die Beeinträchtigung zu verursachen (§ 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG). Die Gesamtschuld folgt dabei dem für § 840 Abs. 1 BGB maßgeblichen Gesichtspunkt, dass der Geschädigte nicht mit dem Risiko belastet werden darf, dem er bei nur anteilsmäßiger Haftung mehrerer Schadensverursacher ausgesetzt wäre.

275

(bb) Mit dem Schutz der Nachbarn dient § 36a GenTG auch der Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des europäischen Koexistenzkonzeptes (Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Nach § 1 Nr. 2 GenTG ist Ziel des Gesetzes zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel sowohl konventionell oder ökologisch als auch unter Einsatz von Gentechnik erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können. Wie dargelegt, findet diese Zielsetzung ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.

276

Zur Verwirklichung dieses Zwecks soll mit § 36a GenTG sichergestellt werden, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch für Fälle besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Nutzung einer fremden Sache wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 30). Während mit Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis der verantwortungsvolle Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange durch Einträge dieser Organismen von vornherein vermieden werden sollen, dient § 36a GenTG der Abwehr von (dennoch auftretenden) Eigentumsbeeinträchtigungen und dem Ausgleich damit verbundener Vermögensschäden bei benachbarten Produzenten (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Die Wahlfreiheit der Produzenten soll gewahrt und das Eigentum an den jeweiligen Kulturen geschützt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19). Die Ausübung der einen Produktionsmethode soll nicht zu einer wirtschaftlichen Bedrohung der Personen führen, die eine andere Methode anwenden.

277

Mit der Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) soll ferner die Wahlfreiheit für Verbraucher durch Bereitstellung einer breiten, transparent gekennzeichneten Produktpalette gewahrt, Rechts- und Planungssicherheit für alle Seiten sichergestellt und jenseits der Risikodiskussion ein gesellschaftliches Nebeneinander der unterschiedlichen Produktionsweisen sowie eine gesellschaftliche Befriedung erzielt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21).

278

Schließlich wird mit § 36a GenTG das europäische Koexistenzkonzept auf nationaler Ebene umgesetzt. Dies verleiht den mit § 36a GenTG verfolgten Zwecken zusätzliches Gewicht. Insbesondere das Ziel, den Landwirten eine freie Entscheidung zwischen konventionellen oder ökologischen Anbaumethoden oder gentechnisch veränderten Kulturen unter Einhaltung der Regeln für Etikettierung und/oder Sortenreinheit zu ermöglichen, als auch das Ziel, den Verbrauchern die freie Wahl zwischen gentechnikfreien und mit Gentechnik hergestellten Produkten zu garantieren, sind zentrale Anliegen auch auf europäischer Ebene (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Soweit § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG das wegen eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen ohne entsprechende Marktzulassung geltende Verbot des Inverkehrbringens als wesentliche Beeinträchtigung definiert, entspricht dies dem europarechtlich geltenden Anbau- und Vermarktungsverbot für gentechnisch veränderte Organismen, die als Produkte oder in Produkten nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (Art. 6 Abs. 9, Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18/EG).

279

(cc) § 36a GenTG fördert außerdem die Ziele von § 1 Nr. 1 GenTG und damit den Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG). § 36a GenTG kommt diesen Zielen nicht nur als präventives Instrument zur Durchsetzung von Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis zugute. Auch die für den Nachbarn mit der Konkretisierung und Ergänzung der nachbarrechtlichen Vorschriften gewährleistete Möglichkeit, (bestimmte) Einträge abzuwehren, dient dem Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Güter vor möglichen Gefahren der Gentechnik. Dies gilt insbesondere, soweit die Organismen noch nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG).

280

(dd) § 36a GenTG setzt auch den Zweck um, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Die Freisetzung und der Anbau gentechnisch veränderter Kulturen werden grundsätzlich akzeptiert. Nachbarn haben Beeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen im Regelfall zu dulden, soweit gesetzliche Toleranzwerte nicht überschritten oder die Methoden guter fachlicher Praxis gewahrt sind. Die haftungsrechtliche Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen mit dem herkömmlichen Anbau (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann den großräumigen Einsatz gentechnisch veränderter Kulturen fördern.

281

(b) Die Konkretisierung und Ergänzung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist angesichts des breiten Spielraums, den Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gibt (vgl. BVerfGE 53, 257 <293>), zur Erreichung der mit dem Gesetz verfolgten Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich.

282

Es ist auch kein ebenso geeignetes, aber weniger belastendes Mittel erkennbar, das der Gesetzgeber hätte wählen können. Lösungsansätze wie die Einführung eines Mediationsverfahrens und spezieller Anbaugebiete für gentechnisch veränderte Kulturen und für ökologische Erzeugnisse folgen einer anderen Konzeption für die Bewältigung der Koexistenzproblematik und sind nicht geeignet, die mit § 36a GenTG verfolgten Zwecke in ihrer Gesamtheit vergleichbar umzusetzen.

283

Die im Gesetzgebungsverfahren diskutierte Möglichkeit eines freiwilligen Haftungsfonds der Wirtschaft wurde von der Saatgutindustrie abgelehnt (vgl. Deutscher Bundestag, Wortprotokoll der 61. Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 26. November 2007 - Protokoll Nr. 16/61 -, S. 12 Frage Nr. 3). Die Einrichtung eines zumindest teilweise staatlich finanzierten Haftungsfonds stellt kein gleich geeignetes Mittel dar, um die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele zu verwirklichen. Ein Haftungsfonds dient anderen Zielen. Rechtlich würden die Verwender von Gentechnik von der sie als Störer treffenden Folgenverantwortung zumindest teilweise befreit und damit im Vergleich zu ihren Konkurrenten in der konventionellen und ökologischen Produktion besser gestellt. Volkswirtschaftlich entfiele für sie der Anreiz, neben privaten oder betriebswirtschaftlichen Kosten negative externe Effekte bei ihren Aktivitäten zu berücksichtigen. Schädigende Wirkungen der Grundstücksnutzung für Dritte würden über den staatlichen Haftungsfonds von der Allgemeinheit getragen und damit gentechnisch veränderte Produkte bezuschusst werden.

284

(c) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG stellt schließlich einen angemessenen und ausgewogenen Ausgleich der betroffenen Interessen dar.

285

(aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts durch § 36a GenTG gibt einerseits der Nutzung von Grundstücken für genehmigte Freisetzungen und genehmigten Anbau zum Inverkehrbringen strengere Rahmenbedingungen vor. Insbesondere bestehen, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt, nachbarrechtliche Ansprüche auch dann, wenn Einträge von gentechnisch veränderten Organismen mit den Methoden guter fachlicher Praxis nicht zu verhindern sind.

286

(bb) Auf der anderen Seite führt die Vorgabe zwingender Interpretationsregeln für zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Bestimmungen zu mehr Rechts- und Planungssicherheit auch für die Verwender von Gentechnik. Die Gerichte haben vor Einführung des § 36a GenTG die §§ 1004, 906 BGB auf Einträge von DNA durch Pollen, Samen oder auf sonstige Weise angewandt, wobei sich eine gefestigte Rechtsprechung noch nicht herausbilden konnte. Durch bestehende Auslegungsspielräume war die Rechtslage nicht nur für mögliche Betroffene, sondern auch für die Verwender unklar und damit das Haftungsrisiko schwer zu kalkulieren. Diese Lage hat sich nunmehr verbessert. So knüpfen § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG das Vorliegen einer wesentlichen Beeinträchtigung an gemeinschaftsrechtlich wie auch im deutschen Recht festgelegte Grenzwerte, also an normative Standards an, die für den betroffenen Nutzungsberechtigten gelten und auf die sich ein Nachbar ebenso einstellen kann. Mit der haftungsrechtlichen Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen und des herkömmlichen Anbaus (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann der flächendeckende Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in bestimmten Gebieten ermöglicht und gefördert werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verwender von Gentechnik eine vergleichsweise strengere "Sonderhaftung" trifft und sie Einwirkungen der benachbarten Landwirtschaft schutzlos gegenüberstehen. Sie können wesentliche Beeinträchtigungen nach §§ 1004, 906 BGB, die von gentechnikfrei bewirtschafteten Nachbarfeldern ausgehen, ebenfalls abwehren oder, sofern sie zur Duldung verpflichtet sind, einen angemessenen finanziellen Ausgleich verlangen. Die verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Störerhaftung gibt insoweit auch die Rahmenbedingungen für die Berufsausübung der konventionell oder ökologisch arbeitenden Landwirte vor. Hinsichtlich der in § 36a Abs. 4 GenTG geregelten Beweiserleichterung gelten nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vergleichbare Grundsätze nach den allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften (vgl. BGHZ 101, 106 <108>).

287

Die haftenden Grundstückseigentümer und -nutzer haben eine etwaige Störung zudem veranlasst, von ihrem Willen hängt die Beseitigung der Störung ab und ihnen kommen die Vorteile aus der störenden Nutzung zu. Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers findet ihren Grund in der Sachherrschaft über das Eigentum und den damit verbundenen Vorteilen, aber auch Lasten. Wie dem Eigentümer nach geltendem Recht die Vorteile der privaten Nutzung der Sache auch dann zufließen, wenn sie ohne sein Zutun entstehen, muss er die Lasten der Sache im Übrigen selbst dann tragen, wenn die Gefahr nicht durch ihn verursacht worden ist (vgl. BVerfGE 102, 1 <19>).

288

(cc) Mit dem bezweckten Interessenausgleich zwischen Grundstücksnachbarn, der Sicherung der Koexistenz verschiedener landwirtschaftlicher Erzeugungsformen sowie dem Schutz und der Vorsorge vor den Gefahren der Gentechnik werden insbesondere Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt als andernfalls gefährdete Güter von Verfassungsrang geschützt. Weitere wichtige, auch europarechtlich anerkannte Gemeinwohlbelange wie der Schutz der Verbraucher werden gestärkt. Stellt man diese Schutzgüter in die Abwägung der betroffenen Rechte und Interessen ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

289

c) § 36a GenTG greift in die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG ein, ist jedoch auch insoweit verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

290

aa) Die wirtschaftliche Nutzung eines emittierenden Grundstücks zu Erwerbszwecken fällt in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG. Die von § 36a GenTG geregelten Sachverhalte betreffen zwar nicht ausschließlich, jedoch typischerweise ein von Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes berufsbezogenes Verhalten. § 36a GenTG gibt die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die individuelle Erwerbs- und Leistungstätigkeit unter Anwendung von gentechnisch veränderten Organismen vor und dient dem Gesetzgeber auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit diesen Organismen. Insoweit unterscheidet sich § 36a GenTG von § 906 BGB, der gleichermaßen berufsbezogene wie private Grundstücksnutzungen erfasst.

291

§ 36a GenTG ist daher neben Art. 14 Abs. 1 auch an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.

292

bb) § 36a GenTG enthält zwar keinen unmittelbaren Eingriff. Der Grundrechtsschutz ist aber nicht auf unmittelbare Eingriffe beschränkt. Art. 12 Abs. 1 GG entfaltet seine Schutzwirkung dabei auch gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich zwar nicht unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen, jedoch eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfGE 95, 267 <302>; 97, 228 <254>; 111, 191 <213>; stRspr).

293

Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie berufliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen eines Haftungsfalls, die einzelne Verwender von Gentechnik erheblich treffen und von entscheidender Bedeutung für deren weitere berufliche Tätigkeit sein können. Darüber hinaus wird denjenigen, die ein Grundstück erwerbswirtschaftlich nutzen, ein Anreiz vermittelt, einen Haftungsfall durch Einhaltung der guten fachlichen Praxis (§ 16b GenTG) zu vermeiden und die anfallenden Kosten bei ihren Entscheidungen im Rahmen der Berufsausübung und der Marktteilhabe zu veranschlagen. Dies kann die Wahl der Mittel, des Umfangs und der gegenständlichen Ausgestaltung der Betätigung ebenso beeinflussen wie die Entscheidungen über Art, Qualität und Preis der für den Markt produzierten Güter. Die Ergänzung und Konkretisierung nachbarrechtlicher Vorschriften erfasst dabei typischerweise die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte erwerbswirtschaftliche Nutzung von Grundstücken und setzt die Rahmenbedingungen für die entsprechende Berufsausübung. Die Haftung dient dem Gesetzgeber nicht nur zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Grundstücksnachbarn, sondern auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und zur Gewährleistung der Koexistenz verschiedener Anbauformen in der Landwirtschaft.

294

Etwas anderes gilt auch nicht, wenn man in § 36a GenTG nur eine Konkretisierung dessen sehen würde, was nach § 906 BGB und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohnehin gegolten hätte. Die allgemeinen Regeln des Nachbarrechts sind zwar für die Berufsausübung Rahmenbedingungen, welche diese nur reflexhaft treffen. § 36a GenTG kommt jedoch eine gegenüber § 906 BGB eigenständige und nicht nur reflexartig berufsregelnde Wirkung zu. In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG hat der Gesetzgeber zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Haftung nach §§ 1004, 906 BGB durch zwingende Interpretationsregeln konkretisiert und insoweit der Auslegung und einzelfallbezogenen Anwendung durch die Gerichte entzogen. Dies geschieht gerade in Bezug auf Sachverhalte, die typischerweise auf der beruflichen Nutzung von Grundstücken beruhen. Die der Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises dienende Regelung in § 36a Abs. 4 GenTG ist im Anwendungsbereich des Gentechnikrechts für alle Rechtsanwender verbindlich normiert, während das Bürgerliche Gesetzbuch eine entsprechende Vorschrift neben den von der Rechtsprechung analog angewendeten Bestimmungen in § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO nicht kennt.

295

cc) Der mittelbare Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

296

(1) Keine rechtsstaatlichen Bedenken gegen § 36a GenTG bestehen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, vermittelt durch eine Genehmigung zum Inverkehrbringen. Genehmigungsinhaber dürfte beim kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bereits regelmäßig nicht der nach §§ 1004, 906 BGB, § 36a GenTG haftende Landwirt, sondern der Hersteller des zum Inverkehrbringen zugelassenen Saatgutes sein. Jedenfalls darf ein Genehmigungsinhaber aufgrund der öffentlichrechtlichen Genehmigung nicht mit Wirkung für Dritte darauf vertrauen, dass die genehmigte Nutzung keine Beeinträchtigungen oder Schäden verursachen wird.

297

Die Genehmigung trifft, mit Ausnahme der ausdrücklichen Präklusion von Abwehransprüchen in § 23 Satz 1 GenTG, für die zivilrechtliche Haftung keine Aussage, überträgt keine Verantwortung für Beeinträchtigungen auf den Staat und schafft keinen Vertrauenstatbestand, der einer späteren Haftung entgegensteht. Dementsprechend bestimmen Art. 7 Abs. 7 und Art. 19 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, dass die Erteilung der Zulassung die allgemeine zivil- und strafrechtliche Haftung der Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer hinsichtlich des betreffenden Lebens- oder Futtermittels nicht einschränkt. Es kommt auch nicht darauf an, ob dem Inhaber einer gentechnikrechtlichen Genehmigung öffentlichrechtliche Vorgaben gemacht und diese eingehalten wurden. Solche öffentlichrechtlichen Pflichten sollen im Interesse der Allgemeinheit die Risiken der Veränderung von Erbmaterial gering halten. Sie haben jedoch nicht die Funktion, einen Störer oder Schädiger von seiner zivilrechtlichen Verantwortung freizustellen.

298

(2) § 36a GenTG ist eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung.

299

Aus den gleichen Gründen, aus denen die Vorschrift als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums für die Nutzung von Grundstückseigentum anzusehen ist, dient sie auch unter dem Gesichtspunkt der Regelung der Berufsausübung legitimen Gemeinwohlzielen und ist für deren Verfolgung geeignet, erforderlich und angemessen.

300

dd) Soweit nicht vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG umfasste Personen in ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit eingeschränkt werden können, liegt darin ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), der aus denselben Gründen gerechtfertigt ist.

301

d) Die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit ist gleichfalls nicht verletzt.

302

aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie wissenschaftliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Die Norm bestimmt die Voraussetzungen der zivilrechtlichen Folgenverantwortung von Wissenschaftlern und verändert damit die Rahmenbedingungen für eine freie Forschung. Das konkrete Haftungsrisiko, die Folgen eines Haftungsfalls und die für Vorsorgemaßnahmen entstehenden Aufwendungen sind Faktoren, welche für die Entscheidung über Fragestellung, Umfang und praktische Ausführung eines Forschungsprojektes von maßgeblicher Bedeutung sein können. Mit der strengen, verschuldensunabhängigen Haftung kann Forschung dahingehend gesteuert werden, dass Risiken frühzeitig bedacht und Experimente so organisiert und durchgeführt werden, dass Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf andere Grundstücke und damit verbundene Nachteile für Dritte und die Allgemeinheit vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden.

303

bb) Dieser Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit ist gerechtfertigt.

304

Im Bereich der Grundstücksnutzung für Forschungsarbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen stehen sich verschiedene Grundrechte und verfassungsrechtlich geschützte Interessen gegenüber. Denn die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele finden eine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG. Diese sind Verfassungswerte, die auch die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

305

Der Gesetzgeber war um einen Ausgleich der widerstreitenden Rechtspositionen bemüht. Dieses Anliegen verdeutlichen nicht nur die mit § 36a GenTG verfolgten Gemeinwohlziele, sondern auch die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gentechnikänderungsgesetz 2008. Die Regelungen des Gentechnikrechts sollten danach so ausgestaltet werden, dass sie Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland fördern. Gleichzeitig sollte aber der Schutz von Mensch und Umwelt, entsprechend dem Vorsorgegrundsatz, oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben. Die Wahlfreiheit der Landwirte und Verbraucher und die Koexistenz der verschiedenen Bewirtschaftungsformen sollten gewahrt bleiben (BTDrucks 16/6814, S. 10).

306

Diesen Zielsetzungen entsprechend dienen dem Gesetzgeber neben der grundsätzlichen Akzeptanz von Freisetzung und Anbau gentechnisch veränderter Kulturen insbesondere Verfahrenserleichterungen dazu, die Forschung auf dem Gebiet der "grünen" Gentechnik voranzubringen. Andererseits setzt der Gesetzgeber der Forschung mittels einer strengen zivilrechtlichen Haftung dort Grenzen, wo Rechte Dritter gefährdet oder beeinträchtigt werden.

307

Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung berücksichtigt die beteiligten verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter in ausreichendem Maße und wahrt die verfassungsrechtlichen Vorgaben.

308

Zwar unterwirft § 36a GenTG die freie Wissenschaft und Forschung zum Schutz kollidierender Rechtsgüter derselben strengen Haftung, wie sie auch für den sonstigen Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen gilt. Werden nicht zum Inverkehrbringen zugelassene Organismen zu Forschungszwecken freigesetzt, können bereits Einträge ab der Nachweisgrenze zu einer wesentlichen Beeinträchtigung und der damit verbundenen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Haftung führen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG). Werden zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen untersucht und erprobt, sind die Methoden guter fachlicher Praxis zu beachten (§ 16b Abs. 2 und 3 GenTG). Diese gelten gemäß § 36a Abs. 2 GenTG als wirtschaftlich zumutbar. Auch die Forschung ist nicht von der Haftung freigestellt, soweit eine wesentliche Beeinträchtigung nicht bereits durch Schutzmaßnahmen und gute fachliche Praxis verhindert werden kann. Das Risiko eines gewissen, beim Anbau auf offenen Feldern möglicherweise nicht zu vermeidenden Gentransfers tragen auch im Forschungsbereich die Benutzer des emittierenden Grundstücks. Geeignete Standorte für das experimentelle Einbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt müssen von ihnen daher besonders sorgfältig ausgewählt werden. Der Gesetzgeber geht jedoch trotz dieser strengen Haftung davon aus, den Förderungszweck des § 1 Nr. 3 GenTG umsetzen und einen Beitrag für die Sicherung des Forschungsstandorts Deutschland leisten zu können. Seine Annahme, die Forschung bei gleichzeitigem Schutz von Mensch und Umwelt und Wahrung der Koexistenz fördern zu können, ist vertretbar.

309

Bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen ist zugunsten der Wissenschaftsfreiheit zu berücksichtigen, dass gerade eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen befreite Wissenschaft dem Staat und der Gesellschaft im Ergebnis am besten dient (vgl. BVerfGE 47, 327 <369 f.>). Die Forschung im Bereich der "grünen" Gentechnik, sei es Sicherheitsforschung, Entwicklungsforschung oder Begleitforschung, ist zudem von hoher Bedeutung für das Gemeinwohl und dient regelmäßig dem Schutz wesentlicher Belange wie der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Die absichtliche Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen ist in den meisten Fällen ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung neuer Produkte, die von solchen Organismen abgeleitet sind oder diese enthalten (vgl. Erwägungsgrund Nr. 23 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach dem "Stufenprinzip" dürfen die Einschließung solcher Organismen nur dann stufenweise gelockert und ihre Freisetzung ausgeweitet werden, wenn die Bewertung der vorherigen Stufe in Bezug auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt ergeben hat, dass die nächste Stufe eingeleitet werden kann (vgl. Erwägungsgrund Nr. 24 der Richtlinie 2001/18/EG). Gentechnisch veränderte Organismen in Produkten oder als Produkte dürfen für eine Marktfreigabe nur dann in Betracht kommen, wenn sie zuvor im Forschungs- und Entwicklungsstadium in Feldversuchen in Ökosystemen, die von ihrer Anwendung betroffen sein können, ausreichend praktisch erprobt wurden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach der Zulassung findet eine Überwachung und marktbegleitende Beobachtung statt. Neue oder zusätzliche wissenschaftliche Erkenntnisse über Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt können einen Mitgliedstaat berechtigen, den Einsatz und Verkauf eines gentechnisch veränderten Organismus als Produkt oder in einem Produkt vorübergehend einzuschränken oder zu verbieten. Forschung mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann der Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen dienen, indem sie die Grundlagen für die Entwicklung einer guten fachlichen Praxis liefert. Schließlich ist die Wechselwirkung des in die Umwelt eingebrachten gentechnisch veränderten Organismus mit einem umgebenden Ökosystem nicht nur unbeabsichtigte Nebenfolge, sondern unverzichtbarer Gegenstand der Untersuchung. Dies kann der Fall sein, wenn im Rahmen wissenschaftlicher Projekte Basisdaten zur Koexistenz von Anbauformen mit oder ohne Gentechnik erhoben, ausgewertet und in Empfehlungen für die Praxis umgesetzt werden sollen. Aber auch in der Entwicklungs- und Sicherheitsforschung kann die Verbreitung des gentechnisch veränderten Organismus in der Umwelt notwendiger Teil eines Experimentes sein.

310

Zugunsten der kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang - Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt - ist in die Abwägung einzustellen, dass die Forschung an gentechnisch veränderten Organismen sie gefährden kann. Insbesondere die Sicherheits- und Entwicklungsforschung vor der Marktzulassung eines gentechnisch veränderten Organismus kann ein hohes Risikopotential bergen, da noch unklar sein kann, wie dieser Organismus funktioniert und welche Schäden er für Menschen, Pflanzen, Tiere und Biodiversität verursacht. Der Erprobungsanbau von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann das verträgliche Nebeneinander der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen einerseits durch die Erlangung von Daten zur Koexistenz fördern, andererseits durch Auskreuzungen oder andere Einträge dieser Organismen auf benachbarte Flächen die kollidierenden Belange (insbesondere Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) beeinträchtigen. Für jeden Forschungsbereich gilt, dass einmal in die Umwelt absichtlich eingebrachte oder durch einen Störfall freigesetzte Organismen unter Umständen nicht mehr zurückgeholt werden und Beeinträchtigungen oder Schäden an Rechtsgütern Dritter oder der Umwelt damit irreversibel sein können.

311

Bezieht man diese Gesichtspunkte in die Betrachtung ein, so ist die vom Gesetzgeber in § 36a GenTG vorgenommene Gewichtung zugunsten der kollidierenden Gemeinwohlbelange nicht zu beanstanden. Die Grenze der Zumutbarkeit ist auch für die zu Forschungszwecken handelnden Grundstückseigentümer oder Grundstücksnutzer nicht überschritten.

312

e) § 36a GenTG verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz.

313

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.

314

In § 36a Abs. 1, 2 und 4 GenTG werden diejenigen, die ein Grundstück unter Einsatz von Gentechnik nutzen und daher in den Anwendungsbereich der das private Nachbarrecht konkretisierenden und ergänzenden Bestimmungen fallen, ungleich behandelt im Vergleich zu anderen Emittenten, die nach allgemeinem zivilrechtlichen Nachbarrecht haften. Auch wenn die Haftungsbestimmungen damit jeweils andere Personengruppen betreffen, geht es um die unterschiedliche Behandlung verschiedener Sachverhalte, nämlich den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen im Unterschied zur sonstigen Grundstücksnutzung. Daher ist der Gesetzgeber nur an den Willkürmaßstab gebunden.

315

Der Gesetzgeber hat die Differenzierung nach sachbezogenen Kriterien vorgenommen. § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine für die betroffenen Nutzungsberechtigten im Zusammenhang mit Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen geltende Rechtslage und daraus resultierende Nachteile an. Vergleichbare Genehmigungs- und Kennzeichnungspflichten für gentechnisch veränderte Produkte, die durch Einträge aus konventioneller oder ökologischer Produktion ausgelöst werden könnten, bestehen derzeit nicht. In § 36a Abs. 2 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine besondere Rechtslage an, die nur für diejenigen gilt, die mit verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen umgehen. § 36a Abs. 4 GenTG beruht auf dem Anliegen, die von der Rechtsprechung im Rahmen der allgemeinen nachbarrechtlichen Störerhaftung für andere Emittenten entwickelten Grundsätze für den Bereich des Gentechnikrechts gesetzlich zu regeln.

316

Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung die bereits dargestellten, verfassungsrechtlich verankerten legitimen Gemeinwohlziele. Diese sind so gewichtig, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch eine Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Emittenten und erst recht die unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten rechtfertigen.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.

(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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(1) Die Bekanntgabe einer Entscheidung, mit der der Antrag ganz oder teilweise abgelehnt wird, hat innerhalb der Frist nach § 7 Abs. 5 Satz 2 zu erfolgen.

(2) Soweit die Behörde den Antrag ganz oder teilweise ablehnt, hat sie mitzuteilen, ob und wann der Informationszugang ganz oder teilweise zu einem späteren Zeitpunkt voraussichtlich möglich ist.

(3) Der Antrag kann abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits über die begehrten Informationen verfügt oder sich diese in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann.

(4) Gegen die ablehnende Entscheidung sind Widerspruch und Verpflichtungsklage zulässig. Ein Widerspruchsverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung ist auch dann durchzuführen, wenn die Entscheidung von einer obersten Bundesbehörde getroffen wurde.

(1) Für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach diesem Gesetz werden Gebühren und Auslagen erhoben. Dies gilt nicht für die Erteilung einfacher Auskünfte.

(2) Die Gebühren sind auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes so zu bemessen, dass der Informationszugang nach § 1 wirksam in Anspruch genommen werden kann.

(3) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach diesem Gesetz die Gebührentatbestände und Gebührensätze durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen. § 10 des Bundesgebührengesetzes findet keine Anwendung.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen darf nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen darf nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

§ 81 Absatz 6 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels vom 18. Dezember 2007 (Bundesgesetzblatt I Seite 2966) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob die Verzinsungsregelung für Kartellgeldbußen in § 81 Abs. 6 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

I.

2

1. Gemäß § 81 GWB handelt ordnungswidrig, wer gegen bestimmte kartellrechtliche Vorschriften des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (§ 81 Abs. 1 GWB) oder des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verstößt (§ 81 Abs. 2 und 3 GWB).

3

Die vom vorlegenden Oberlandesgericht für verfassungswidrig gehaltene Vorschrift des § 81 Abs. 6 GWB regelt die Verzinsung der wegen einer solchen Ordnungswidrigkeit in einem Bußgeldbescheid festgesetzten Geldbuße. Die Vorschrift ist durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 7. Juli 2005 (BGBl I S. 1954) in das Gesetz eingefügt worden. Sie blieb bei der Neufassung des § 81 GWB durch das Gesetz zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels vom 18. Dezember 2007 (BGBl I S. 2966 <2968>) unverändert und lautet:

4

§ 81

5

Bußgeldvorschriften

6

(1) bis (5) …

7

(6) Im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen sind zu verzinsen; die Verzinsung beginnt zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheides. § 288 Abs. 1 Satz 2 und § 289 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden.

8

(7) bis (10) …

9

Zur Begründung der Vorschrift wird im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 15/3640, S. 67) ausgeführt, in der Praxis habe sich gezeigt, dass für Unternehmen wegen des zum Teil erheblichen Zinsvorteils ein deutlicher Anreiz bestehen könne, die Zahlung der Geldbuße so lange wie möglich hinauszuzögern. Insbesondere im Falle hoher Geldbußen könnten Unternehmen allein dadurch einen erheblichen Zinsgewinn erzielen, dass sie gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegten und diesen kurz vor der gerichtlichen Entscheidung wieder zurücknähmen. Die Zinspflicht sei keine zusätzliche Sanktion, sondern diene allein der Aufrechterhaltung der Sanktionswirkung der eigentlichen Geldbuße (BTDrucks 15/3640, S. 42).

10

Der Bundesrat hatte sich im Gesetzgebungsverfahren gegen die Verzinsungsregelung ausgesprochen, weil sie dem deutschen Ordnungswidrigkeits- und Strafrecht fremd sei und auf Bedenken hinsichtlich Art. 19 Abs. 4 GG stoße (BTDrucks 15/3640, S. 82).

11

2. Die Absätze 4 und 5 des § 81 GWB enthalten Regelungen über die Höhe der Kartellgeldbuße. § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB sieht vor, dass die Ordnungswidrigkeit in bestimmten Fällen mit einer Geldbuße bis zu einer Million € geahndet werden kann. Gegen ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung kann darüber hinaus eine höhere Geldbuße verhängt werden, die 10 % des in dem der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung nicht übersteigen darf (§ 81 Abs. 4 Satz 2 GWB). Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist nach § 81 Abs. 4 Satz 6 GWB sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen. Daneben ist nach überwiegender Auffassung die Bemessungsvorschrift des § 17 Abs. 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) anzuwenden (vgl. Cramer/Pananis, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl. 2009, § 81 Rn. 63 m.w.N.). Danach sind Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft; auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters kommen als Anknüpfungspunkt in Betracht, bleiben jedoch bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten in der Regel unberücksichtigt (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG).

12

3. Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG können Betroffene gegen den Bußgeldbescheid innerhalb von zwei Wochen nach dessen Zustellung Einspruch einlegen. Der Einspruch steht der Vollstreckung des Bußgeldbescheids entgegen, weil Bußgeldentscheidungen nach § 89 OWiG erst nach Eintritt ihrer Rechtskraft vollstreckbar sind. Nach Einlegung eines Einspruchs entscheidet das zuständige Gericht über die Tat, ohne an den Bußgeldbescheid gebunden zu sein. Der Bußgeldbescheid kann aber gleichwohl noch rechtskräftig werden, falls der Einspruch zurückgenommen oder vom Gericht als unzulässig verworfen wird.

II.

13

1. Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Antragstellerin) betreibt in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft ein Versicherungsunternehmen.

14

Mit Bescheid vom 17. März 2005 setzte das Bundeskartellamt gegen sie wegen mehrerer vorsätzlicher Verstöße gegen das Kartellverbot (§ 1 GWB) eine Geldbuße in Höhe von insgesamt 6,4 Mio. € fest. Gegen diesen Bußgeldbescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein. Am 18. Mai 2009 verfügte das Kartellgericht gemäß § 47 Abs. 2 OWiG die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich einer der Taten, für die eine anteilige Geldbuße von 400.000 € festgesetzt worden war. Am 15. Juli 2009 nahm die Antragstellerin ihren Einspruch im Übrigen zurück, was sie mit wirtschaftlichen Erwägungen insbesondere vor dem Hintergrund des für sie völlig unkalkulierbaren Risikos einer Erhöhung der Bußgeldsumme erklärt.

15

Nachdem die Antragstellerin in der Folgezeit die verbliebene Geldbuße in Höhe von 6 Mio. € beglichen hatte, wurde sie vom Bundeskartellamt mit Beschluss vom 11. März 2011, berichtigt durch Beschluss vom 28. April 2011, unter Hinweis auf § 81 Abs. 6 GWB aufgefordert, weitere 1.768.560 € als Zinsen auf die Geldbuße zu zahlen.

16

Dagegen wandte sich die Antragstellerin gemäß § 103 Abs. 1 Nr. 3 OWiG an das vorlegende Oberlandesgericht und machte insbesondere verfassungsrechtliche Einwendungen gegen die Zinsforderung geltend. Die zugrunde liegende Vorschrift des § 81 Abs. 6 GWB verstoße gegen die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung und gegen das Verbot der Doppelbestrafung. Außerdem werde in ihre Berufsfreiheit und in ihr Eigentumsrecht in unverhältnismäßiger Weise eingegriffen. Eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung liege darin, dass nur bei einer Festsetzung durch Bußgeldbescheid, nach überwiegender Auffassung aber nicht bei einer Verurteilung durch das Oberlandesgericht im Einspruchsverfahren Zinsen zu zahlen seien. Ohnehin sei die gesetzliche Grundlage für die Geldbuße wegen Kartellverstößen in § 81 Abs. 4 GWB zu unbestimmt, weshalb auch die daran anknüpfende Verzinsungspflicht verfassungswidrig sei. Schließlich liege mit der Zinsbelastung auch ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG vor, weil sie zu einer unzumutbaren Erschwerung des Rechtswegs führe.

17

2. Das Oberlandesgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht unter mehreren Gesichtspunkten die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 81 Abs. 6 GWB mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.

18

Die gesetzgeberische Entscheidung, denjenigen Bußgeldschuldner mit einer Zinspflicht zu belasten, der die gegen ihn behördlich verhängte Geldbuße nicht zeitnah begleiche, bewirke zwar keine sachwidrige Behinderung des effektiven Rechtsschutzes und sei deshalb mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich unbedenklich. § 81 Abs. 6 GWB verstoße aber in dreifacher Hinsicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

19

Zunächst sei eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zu Lasten von juristischen Personen und Personenvereinigungen darin zu sehen, dass nur sie der Verzinsungspflicht unterworfen seien, obwohl auch natürliche Personen etwa als einzelkaufmännische Unternehmensträger in gleicher Weise wie juristische Personen und Personenvereinigungen durch missbräuchliche Einlegung eines Einspruchs Zinsvorteile erlangen könnten. Dass natürliche Personen aufgrund der Höhe der gegen sie festgesetzten Geldbuße im Unterschied zu juristischen Personen und Personenvereinigungen im Allgemeinen kein Interesse hätten, nur zur Erzielung von Zinsvorteilen den Rechtsweg zu beschreiten, sei nicht festzustellen.

20

Ferner liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung darin, dass § 81 Abs. 6 GWB nur Kartellbußgeldschuldner einer Pflicht zur Verzinsung der Geldbuße unterwerfe, nicht aber auch die Schuldner von Geldbußen aus anderen Rechtsgebieten wie etwa dem Umweltrecht, dem Straßenverkehrsrecht oder dem Datenschutzrecht. Da § 81 Abs. 6 GWB Kartellgeldbußen ohne Rücksicht auf ihre Höhe der Verzinsung unterwerfe, könne die Ungleichbehandlung nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass vor allem im Kartellbereich auch außerordentlich hohe Geldbußen festgesetzt würden. Ebenso wenig könne angenommen werden, dass Kartellgeldbußen an sich weitaus höher ausfallen müssten als Geldbußen wegen anderer Rechtsverstöße. Die unterschiedliche Behandlung der Kartellbußgeldschuldner könne insbesondere nicht mit der Erwägung begründet werden, dass im Kartellbußgeldbereich das Einspruchsrecht in besonderem Maße missbraucht würde, um Zinsvorteile zu erwirtschaften.

21

Schließlich verstoße es gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass nur der Schuldner eines kartellbehördlich festgesetzten Bußgeldes die Geldbuße zu verzinsen habe, der Schuldner einer durch das Kartellgericht festgesetzten Geldbuße hingegen nicht. Die Ungleichbehandlung sei willkürlich. Sie sei nicht deshalb unerheblich, weil das Kartellgericht bei seiner Strafzumessung den erzielten Zinsvorteil bußgelderhöhend berücksichtigen dürfe. Selbst wenn man diesem Standpunkt folgen wollte, läge eine relevante Ungleichbehandlung vor, weil § 81 Abs. 6 GWB für kartellbehördlich festgesetzte Geldbußen zwingend eine Verzinsung in exakt bestimmter Höhe vorschreibe, während das Kartellgericht insoweit einen Spielraum habe. Damit werde der Zweck, Kartellbußgeldschuldner davon abzuhalten, eine Geldbuße allein zur Erzielung von Zinsvorteilen anzufechten, weitgehend verfehlt. Wenn nämlich die gerichtlich verhängte Geldbuße zinsfrei bleibe, während die in einem Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße zu verzinsen sei, fordere diese Rechtslage den Bußgeldschuldner geradezu auf, zur Erzielung von Zinsgewinnen Einspruch einzulegen.

22

Diese Ungleichbehandlungen könnten nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 81 Abs. 6 GWB vermieden werden. Der Inhalt der Vorschrift sei nach seinem Wortlaut und dem in den Gesetzesmaterialien verlautbarten Willen des Gesetzgebers eindeutig. Die Entscheidung des Verfahrens hänge mithin von der Gültigkeit des § 81 Abs. 6 GWB ab.

III.

23

Zu der Vorlage haben die Bundesregierung, das Bundeskartellamt und die Antragstellerin Stellung genommen; der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen haben über die von ihnen bislang verhängten Kartellgeldbußen berichtet.

24

1. Die Bundesregierung hält die vorgelegte Vorschrift für verfassungskonform. Die in § 81 Abs. 6 GWB normierte Verzinsungspflicht verstoße nicht gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Mit dieser Regelung habe der Gesetzgeber Rechtsschutz nicht schlechthin verweigern, sondern nur dessen Inanspruchnahme zugunsten eines systemwidrigen, finanziellen Vorteils verhindern wollen. Dies sei ein verfassungsrechtlich legitimer Zweck.

25

§ 81 Abs. 6 GWB verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das Argument, § 81 Abs. 6 GWB sei objektiv willkürlich, weil die Vorschrift nur für Kartellgeldbußen, nicht aber für andere Geldbußen eine Verzinsungspflicht vorsehe, sei unhaltbar. Der allgemeine Gleichheitssatz enthalte kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen gleich zu regeln. Nur vordergründig einleuchtend sei ferner die Auffassung, wonach es willkürlich sein solle, nur für behördliche, nicht aber für gerichtlich festgesetzte Kartellgeldbußen eine Verzinsungspflicht zu statuieren; denn das gerichtliche Bußgeldverfahren sei ein völlig eigenständiges Verfahren. Art. 3 Abs. 1 GG sei auch nicht deshalb verletzt, weil die Verzinsungspflicht lediglich juristische Personen und Personenvereinigungen treffe, nicht jedoch natürliche Personen. Entscheidend sei die verschiedene Höhe der Geldbußen. Die durchschnittliche Höhe der vom Bundeskartellamt gegen natürliche Personen mit oder ohne Unternehmenseigenschaft zwischen 1993 und 2010 festgesetzten Geldbußen betrage etwa 56.000 €. Eine natürliche Person ohne Unternehmenseigenschaft, die gemäß § 9 OWiG für ein Unternehmen handele, könne nach § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB lediglich mit einer Geldbuße in Höhe von maximal 1 Mio. € belegt werden, das betroffene Unternehmen dagegen nach § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB mit einer Geldbuße in Höhe von 10 % des Jahresumsatzes. Auch in Bezug auf natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft verstoße § 81 Abs. 6 GWB nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil in der Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts seit 1993 keine Fälle bekannt seien, in denen gegen solche Betroffene Bußgeldbescheide ergangen seien, die aufgrund der Höhe der Geldbuße einen zinsbedingten Anreiz zur Einlegung eines Einspruchs gesetzt hätten.

26

2. Das Bundeskartellamt hält die Vorschrift des § 81 Abs. 6 GWB für verfassungsgemäß. Dem Gesetzgeber sei im Bereich des Kartellrechts ein weitreichender Einschätzungsspielraum zuzubilligen. Aufgrund der hohen Komplexität der Kartellbußgeldverfahren und der dadurch gebundenen Arbeitsressourcen bei Oberlandesgerichten, Generalstaatsanwaltschaften und Kartellbehörden gerate durch deren sinnlose Beanspruchung zur Erzielung von Zinsvorteilen das Gemeinwohlinteresse an einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in Gefahr. Die Zinshöhe enthalte keine zusätzliche Sanktionierung und bewege sich innerhalb der Bandbreite der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers. Die Nichteinbeziehung gerichtlicher Bußgeldentscheidungen in die Verzinsungspflicht sei rechtlich nicht zu beanstanden, weil die Inanspruchnahme der staatlichen Ressourcen in diesem Fall nicht fruchtlos allein zur Erlangung eines Zinsvorteils erfolgt sei. Art. 19 Abs. 4 GG enthalte nicht die Garantie, einen einmal eingelegten Rechtsbehelf jederzeit folgenlos zurücknehmen zu können. Selbst ein deutlicher Eingriff in die Rechtsweggarantie wäre mit dem Ziel der Verhinderung der unnötigen Inanspruchnahme der staatlichen Institutionen verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

27

Ein Verstoß der Verzinsungsregelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG könne ebenso wenig festgestellt werden. Die Verzinsungspflicht allein behördlich festgesetzter, nicht hingegen gerichtlich verhängter Geldbußen sei gerechtfertigt, weil dadurch für Personen, die ernsthaft gerichtlichen Rechtsschutz erstrebten, keine abschreckende Wirkung entfaltet werden solle.

28

Eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung bestehe auch nicht zwischen juristischen Personen und Personenvereinigungen auf der einen Seite und natürlichen Personen ohne Unternehmenseigenschaft auf der anderen Seite. Gegen natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft würden deutlich niedrigere Geldbußen verhängt, so dass ein geringerer Anreiz zur Einspruchserhebung allein zur Zinsersparnis bestehe. Des Weiteren liege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, soweit natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft von der Zinszahlungspflicht ausgenommen seien, weil bei ihnen zum einen wegen der persönlichen Belastungen im Einspruchsverfahren mit geringerer Wahrscheinlichkeit mit einer Einspruchserhebung allein zum Zwecke eines Zinsvorteils zu rechnen sei. Zum anderen komme es nur sehr selten zur Verhängung von Kartellgeldbußen gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft.

29

Schließlich liege eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung auch nicht deshalb vor, weil nur Kartellgeldbußen zu verzinsen seien, nicht jedoch Bußgelder aus anderen Rechtsbereichen. Die Differenzierung werde durch das spezifische Regelungsumfeld des Kartellrechts, die parallele Anwendung europäischen und nationalen Rechts sowie die Höhe der Kartellgeldbußen gerechtfertigt.

30

3. Nach Auffassung der Antragstellerin verletzt die Regelung des § 81 Abs. 6 GWB den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die Gefahr missbräuchlicher Einspruchseinlegung von natürlichen Personen sei nicht wesentlich geringer als die von juristischen Personen. Selbst wenn man annähme, dass die Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden könne, erfordere dies jedenfalls nicht die gesetzlich vorgeschriebene Zinshöhe.

31

Die Regelung verstoße außerdem gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Da die Zinspflicht mit Ablauf der zweiwöchigen Einspruchsfrist beginne, könne die Zinszahlung nur vermieden werden, wenn auf den Einspruch verzichtet werde. Entgegen der gesetzgeberischen Absicht, lediglich die Zinsvorteile des Betroffenen abzuschöpfen, sei durch die Verweisung auf § 288 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ein pauschaler Zinssatz angeordnet, der auf dem Kapitalmarkt dauerhaft kaum zu erreichen sei. Im Unterschied zu den Prozesskosten könne die Höhe der Zinslast nicht vorhergesehen werden. Die Zinsnachteile könnten auch nicht durch Zahlung der Geldbuße unter Vorbehalt vermieden werden; denn in diesem Fall würde der Bußgeldbescheid entgegen der Unschuldsvermutung bereits vor Bestandskraft Sanktionswirkungen entfalten.

32

§ 81 Abs. 6 GWB verletze darüber hinaus das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG, weil kein Zinsrahmen mit einer klaren Obergrenze bestimmt sei und die verfassungswidrige Unbestimmtheit der Bußgeldregelung nach § 81 Abs. 4 GWB die Unbestimmtheit der Zinsregelung bewirke. Die Verzinsung der Geldbuße sei eine Strafe im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG, weil sie der Aufrechterhaltung der Sanktionsintensität diene. § 81 Abs. 6 GWB verstoße außerdem gegen das Prinzip schuldangemessenen Strafens und das Übermaßverbot. Schließlich liege auch ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG vor.

B.

33

Die Vorlage ist zulässig.

34

Der Vorlagebeschluss legt ausreichend dar, dass das Ergebnis des Ausgangsrechtsstreits von der Gültigkeit der zur Entscheidung gestellten Regelung abhängt (I.). Darüber hinaus zeigt das vorlegende Gericht hinreichend auf, dass es jedenfalls in Bezug auf eine Ungleichbehandlung natürlicher und juristischer Personen im Bereich von § 81 Abs. 6 GWB von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm überzeugt ist (II.).

I.

35

Gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muss das vorlegende Gericht darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm abhängt (vgl. BVerfGE 105, 48 <56>; 105, 61 <67>). Dazu muss der Vorlagebeschluss mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie das Gericht dieses Ergebnis begründen würde (vgl. BVerfGE 105, 61 <67>). Für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist dabei grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 2, 181 <190 f.>; 105, 61 <67>).

36

Diesen Voraussetzungen wird der Vorlagebeschluss gerecht. Für die Entscheidung des Rechtsstreits, dessen Gegenstand die Verpflichtung der Antragstellerin zur Zahlung von Zinsen auf die gegen sie verhängte Geldbuße ist, ist die Frage der Gültigkeit des § 81 Abs. 6 GWB als der für die Verzinsung maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung unmittelbar entscheidungserheblich. Der Vorlagebeschluss enthält insoweit die erforderliche umfassende rechtliche Würdigung des Sachverhalts (vgl. BVerfGE 127, 224 <244>).

37

An der Entscheidungserheblichkeit fehlt es auch nicht, weil der im Ausgangsverfahren nach § 103 Abs. 1 Nr. 3 OWiG gestellte Antrag bereits unzulässig sein und sich daher die Frage der Gültigkeit der Vorschrift nicht stellen könnte. Allerdings ist eine Unstatthaftigkeit des gestellten Antrags nicht völlig fernliegend. Nach § 103 Abs. 1 Nr. 3 OWiG entscheidet das Gericht über die "sonst bei der Vollstreckung eines Bußgeldbescheids getroffenen Maßnahmen". In der Literatur wird jedoch auch die Auffassung vertreten, die Anforderung der Zinsen sei keine Maßnahme bei der Vollstreckung des Bußgeldbescheids, sondern als Nebenfolge der Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 4 Abs. 5 OWiG zu behandeln (vgl. Burrichter, in: Festschrift für Rainer Bechtold zum 65. Geburtstag, 2006, S. 97 <117>). Dann wären die Zinsen nach § 66 Abs. 1 Nr. 5 OWiG Bestandteil des Bußgeldbescheids, so dass der Einspruch nach § 67 OWiG als der statthafte Rechtsbehelf angesehen werden müsste.

38

Der Vorlagebeschluss geht auf die Statthaftigkeit des Antrags nach § 103 Abs. 1 OWiG nicht ein. Allerdings hat das vorlegende Gericht diese Frage in seiner unmittelbar vorangehenden Entscheidung, mit der es die Vollstreckung der Zinsforderung ausgesetzt hat, erörtert und mit nicht offensichtlich unhaltbaren Erwägungen den Antrag nach § 103 Abs. 1 OWiG als statthaften Rechtsbehelf angesehen. Angesichts des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs beider Entscheidungen bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass das vorlegende Gericht die Frage der Statthaftigkeit des Antrags nach § 103 Abs. 1 OWiG im Vorlagebeschluss nicht abweichend beurteilen und an seiner Rechtsauffassung festhalten wollte. Dies macht eine nochmalige ausdrückliche Erörterung der Zulässigkeit des gestellten Antrags im Vorlagebeschluss entbehrlich.

II.

39

Für die Zulässigkeit einer Vorlage muss das Fachgericht ferner deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt. Hierzu bedarf es eingehender, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehender Darlegungen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 89, 329 <337>).

40

Daran gemessen hat das vorlegende Gericht seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit jedenfalls insoweit ausreichend dargelegt, als es für die Belastung mit Zinsen von einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung juristischer Personen und Personenvereinigungen einerseits und natürlicher Personen als Unternehmensträger andererseits ausgeht. Das vorlegende Gericht hat hierzu seinen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nachvollziehbar geschildert.

41

Für seine Prüfung ist das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht auf die insoweit dargetanen verfassungsrechtlichen Bedenken beschränkt, sondern hat die in zulässiger Weise nach Art. 100 Abs. 1 GG vorgelegte Norm unter allen denkbaren verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen (vgl. BVerfGE 93, 121 <133> m.w.N.).

C.

42

Die Regelung zur Verzinsung einer Geldbuße nach § 81 Abs. 6 GWB ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Sie missachtet weder den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG (I.), noch die Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG (II.), noch die verfassungsrechtlich garantierte Unschuldsvermutung (III.) oder den besonderen Gesetzesvorbehalt aus Art. 103 Abs. 2 GG (IV.).

I.

43

Die Verzinsungspflicht des § 81 Abs. 6 GWB verstößt - entgegen der Ansicht des vorlegenden Gerichts und entgegen in der Literatur geäußerter Bedenken (vgl. etwa Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 2 GWB, 4. Aufl. 2007, § 81 Rn. 465; Vollmer, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht , Bd. 2, 2008, § 81 Rn. 119) - unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

44

1. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 120, 1 <29>; 122, 210 <230>; 129, 49 <68>; stRspr). Hieraus ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 126, 400 <416>; 127, 263 <280>; stRspr). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht nur, dass die Ungleichbehandlung an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium anknüpft, sondern verlangt auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist (vgl. BVerfGE 124, 199 <220>; 129, 49 <68 f.>). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 129, 49 <69> m.w.N.).

45

Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfGE 129, 49 <68 f.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. Januar 2012 - 1 BvL 21/11 -, NVwZ-RR 2012, S. 257 <258>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für Einzelne verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 129, 49 <69>) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 124, 199 <220>; 129, 49 <69>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 129, 49 <69>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. Januar 2012 - 1 BvL 21/11 -, NVwZ-RR 2012, S. 257 <258>). Im Übrigen hängt das Maß der Bindung unter anderem davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Kriterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (BVerfGE 129, 49 <69> m.w.N.).

46

Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht verletzt, wenn hinreichende Sachgründe vorhanden sind, die eine Differenzierung verfassungsrechtlich rechtfertigen können. Dabei ist nicht ausschlaggebend, ob solche Gründe im Gesetzgebungsverfahren erwogen und etwa in den Materialien dokumentiert worden sind. Die Verfassungswidrigkeit lässt sich folglich nicht schon daraus herleiten, dass sich aus den Gesetzesmaterialien keine Gründe für die Verschiedenbehandlung ergeben (vgl. BVerfGE 21, 292 <299>; 85, 238 <245>).

47

2. Daran gemessen verstößt § 81 Abs. 6 GWB nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Eine den allgemeinen Gleichheitssatz missachtende Ungleichbehandlung liegt nicht deshalb vor, weil § 81 Abs. 6 GWB lediglich juristische Personen und Personenvereinigungen, nicht aber natürliche Personen mit oder ohne Unternehmenseigenschaft durch Zinsen auf gegen sie verhängte Geldbußen belastet (a). Des Weiteren folgt eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG weder daraus, dass das Gesetz die Verzinsung nur für Geldbußen aus dem Bereich des Kartellrechts, nicht aber auch für solche aus anderen Regelungsmaterien anordnet (b), noch daraus, dass § 81 Abs. 6 GWB nach überwiegender Ansicht lediglich die behördlich festgesetzte, nicht jedoch die durch eine gerichtliche Entscheidung verhängte kartellrechtliche Geldbuße einer Verzinsungspflicht unterwirft (c).

48

a) Entgegen der Ansicht des vorlegenden Gerichts ist § 81 Abs. 6 GWB nicht deshalb im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG gleichheitswidrig, weil die Verzinsungspflicht ausschließlich juristische Personen und Personenvereinigungen, nicht aber auch natürliche Personen trifft. Dies gilt im Vergleich zu beiden Gruppen natürlicher Personen, die von Kartellgeldbußen als natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft (aa) oder als natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft (bb) betroffen sein können.

49

aa) Nach einhelliger Auffassung werden natürliche Personen von der Regelung in § 81 Abs. 6 GWB selbst dann nicht erfasst, wenn diese ein Unternehmen im Sinne von § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB bilden (vgl. Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 81 Rn. 465; Vollmer, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, a.a.O., § 81 Rn. 119). Da auch natürliche Personen nicht anders als juristische Personen oder Personenvereinigungen kartellrechtliche Ordnungswidrigkeiten begehen können (vgl. Emmerich, Kartellrecht, 11. Aufl. 2008, § 20 Rn. 5 ff.), liegt damit zwar eine Ungleichbehandlung vor, diese ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Insoweit sind strengere, über das Willkürverbot hinausgehende Anforderungen nicht zu stellen.

50

Die Beschränkung auf Kartellgeldbußen gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen lässt sich auf einen hinreichenden Sachgrund stützen. Der Gesetzgeber umschreibt damit eine Fallgruppe, bei der er die tatsächliche Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Einlegung von Einsprüchen, der er zur Schonung staatlicher Ressourcen entgegenwirken will, für besonders groß halten darf. Diese Einschätzung ist nachvollziehbar und bewegt sich im Rahmen des Prognosespielraums des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 110, 141 <168 f.>). Er ist nicht gezwungen, das optimale Abgrenzungskriterium für die Erreichung seiner Ziele zu wählen, sondern kann sich darauf beschränken, ein Kriterium zu wählen, das zwar die wesentlichen, nicht aber alle denkbaren Fälle erfasst. Danach ist die Beschränkung auf Kartellgeldbußen gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen nicht zu beanstanden. Abgesehen davon, dass Kartellgeldbußen gegen natürliche Personen als Unternehmensträger in der behördlichen Praxis faktisch kaum relevant sind (1), erreicht die durchschnittliche Höhe der gegen diese Personengruppe verhängten Kartellgeldbußen anders als bei juristischen Personen keinen Betrag, der finanzielle Vorteile erwarten lässt, um derentwillen eine Einspruchseinlegung nur aus Gründen der Verfahrensverzögerung erwartet werden müsste (2). Zudem können für natürliche Personen mit dem Einspruch individuelle Belastungen verbunden sein, die den Anreiz zur missbräuchlichen Einlegung des Rechtsbehelfs mindern (3).

51

(1) Ausweislich der Angaben in den vom Senat eingeholten Stellungnahmen lässt sich für natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft eine beachtliche Gefahr rechtsmissbräuchlicher Einspruchserhebung zur Erlangung finanzieller Vorteile, die in Form gesparter Kreditzinsen oder durch die weitere Verfügbarkeit vorhandener Mittel für das operative oder investive Geschäft entstehen können, bereits deshalb nicht feststellen, weil in nur unerheblicher Zahl Kartellgeldbußen gegen diese Personengruppe verhängt werden.

52

So hat das Bundeskartellamt im Berichtszeitraum von 1993 bis 2010 überhaupt nur gegen neun natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft Kartellgeldbußen verhängt, während die Behörde im gleichen Zeitraum 563 Kartellbußgeldbescheide gegen juristische Personen erlassen hat. Die gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft ergangenen Bescheide machen demnach nur etwa 1,6 % der Kartellgeldbußen aus, die das Bundeskartellamt insgesamt gegen Unternehmen verhängt hat. Demgegenüber haben zwar die Landeskartellbehörden, deren Zuständigkeit in solchen Konstellationen häufiger gegeben ist (vgl. § 48 Abs. 2 GWB), öfter Geldbußen gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft verhängt. Es waren aber gleichwohl insgesamt lediglich 48 natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft betroffen, was für nur 8 % der insgesamt gegen Unternehmen gerichteten Kartellbußgeldbescheide von Landesbehörden steht.

53

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese geringe Zahl betroffener natürlicher Personen mit Unternehmenseigenschaft künftig spürbar erhöhen wird. Das Bundeskartellamt hat in seiner Stellungnahme nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass - nach der Insolvenz einer großen Drogeriekette Anfang 2012 - aktuell keine einzelkaufmännisch geführten Großunternehmen mehr bekannt sind, bei denen wegen des Geschäftsvolumens die Verhängung hoher Kartellgeldbußen unter Ausschöpfung des erweiterten Bußgeldrahmens des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB zu erwarten sei.

54

(2) Maßgeblich ist insoweit auch, dass die Höhe der Kartellgeldbußen, die sich an natürliche Personen als Unternehmensträger richten, typischerweise deutlich hinter den Beträgen zurückbleibt, die gegen juristische Personen als Geldbußen verhängt werden. Fehlt es an Geldbußen in beträchtlicher Höhe, so sind die zu erzielenden finanziellen Vorteile gering und werden oftmals noch nicht einmal die zusätzlichen Gerichts- und Verfahrenskosten ausgleichen können. Damit ist für natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft der Anreiz vermindert, allein zur Verzögerung des Eintritts der Bestandskraft des Bußgeldbescheids einen offensichtlich aussichtslosen Einspruch zu erheben.

55

Es ist einfachrechtlich bereits umstritten, ob gegenüber natürlichen Personen mit Unternehmenseigenschaft überhaupt der erhöhte, über 1 Mio. € hinausreichende erweitere Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB angewendet werden kann (bejahend etwa Emmerich, a.a.O., § 43 Rn. 20; verneinend hingegen Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 81 Rn. 335 f.). Dessen ungeachtet wird ausweislich der vorgelegten Stellungnahmen in der kartellbehördlichen Praxis selbst der reguläre Höchstbetrag des § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB im Regelfall nicht annähernd erreicht. So hat das Bundeskartellamt in der Vergangenheit gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft Geldbußen lediglich in einer Höhe zwischen 15.000 € und 30.000 € festgesetzt, im Freistaat Bayern bewegten sich die Geldbußen zwischen 600 € und 1.600 €, in Niedersachen zwischen 13.000 € und 16.000 €. In Nordrhein-Westfalen betrug die durchschnittliche Höhe der Kartellgeldbußen gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft etwa 5.000 €. Die vergleichsweise geringe Höhe dieser Geldbußen verspricht offenkundig keine finanziellen Vorteile bei Einlegung eines Einspruchs, die an die Beträge heranreichen können, wie sie sich insbesondere bei den Geldbußen erzielen lassen, die das Bundeskartellamt gegen juristische Personen in Höhe von durchschnittlich 4,6 Mio. € festgesetzt hat.

56

(3) Die vom Bundeskartellamt geschilderten Erfahrungen, nach denen natürliche Personen die mit der Erhebung des Einspruchs verbundenen persönlichen Belastungen regelmäßig intensiver spüren als die Vertreter juristischer Personen, belegen für diese Personengruppe noch ein weiteres spezifisches Hindernis gegen eine rechtsmissbräuchliche Einspruchserhebung.

57

Nach § 73 Abs. 1 OWiG ist der Betroffene grundsätzlich zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet. Die Durchführung eines Einspruchsverfahrens kann daher eine erhebliche persönliche Belastung bei einer natürlichen Person hervorrufen. Die Betroffenen sehen sich - einem Strafprozess vergleichbar - einer persönlichen Anschuldigung, unerwünschtem öffentlichen Interesse und unter Umständen auch einer Berichterstattung in den Medien ausgesetzt. Diese Umstände, die von der Erhebung offensichtlich aussichtsloser Einsprüche allein zur Erzielung eines finanziellen Vorteils abschrecken können, treten bei Kartellgeldbußen gegen juristische Personen nicht in vergleichbarem Maße auf, weil es regelmäßig an der unmittelbaren persönlichen Betroffenheit einzelner Verantwortlicher fehlt.

58

bb) Die Verzinsungspflicht des § 81 Abs. 6 GWB verstößt ferner nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie nur juristische Personen und Personenvereinigungen, nicht aber nach § 9 OWiG haftende natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft betrifft. Auch diese Differenzierung dient in nachvollziehbarer Weise zur Präzisierung der Fallgruppe, für die der Gesetzgeber die rechtsmissbräuchliche Einlegung von Einsprüchen zur Erzielung finanzieller Vorteile befürchtet.

59

Allerdings erreicht die Zahl der Bußgeldbescheide, die wegen Kartellverstößen gegen natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft ergangen sind, eine Größenordnung, die der Zahl der Bußgeldbescheide gegen juristische Personen nahekommt. Nach den vorliegenden Stellungnahmen des Bundeskartellamts und der Landeskartellbehörden stehen für den Berichtszeitraum insgesamt 547 Bußgeldbescheide gegen natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft den 658 Bußgeldbescheiden gegen juristische Personen gegenüber. Dass der Gesetzgeber gleichwohl keinen Anlass gesehen hat, die Verzinsungspflicht auf natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft zu erstrecken, begegnet indessen wegen der typischerweise geringeren Höhe dieser Geldbußen keinen Bedenken.

60

Auch soweit natürliche Personen nicht als Unternehmen tätig werden, erreicht die Höhe der gegen sie nach Maßgabe des § 9 OWiG verhängten Geldbußen regelmäßig kein Niveau, das den Gesetzgeber zu der Annahme veranlassen müsste, Einsprüche dieser Personengruppe könnten in beträchtlicher Zahl allein mit der sachfremden Absicht der Erzielung finanzieller Vorteile eingelegt werden. Ausweislich der Stellungnahmen der Kartellbehörden erreichte die durchschnittliche Höhe der Geldbußen in Baden-Württemberg lediglich 2.200 €, in Hessen etwa 3.800 € und in Nordrhein-Westfalen etwa 11.000 €. Darüber geht die Höhe der Geldbußen in den vom Bundeskartellamt erlassenen insgesamt 510 Bescheiden mit im Durchschnitt etwa 56.000 € zwar erheblich hinaus, erreicht aber trotzdem nicht annähernd die durchschnittliche Bußgeldhöhe von 4,6 Mio. € der im gleichen Zeitraum gegen juristische Personen verhängten 563 Kartellbußgeldbescheide.

61

Diese Unterschiede in der Höhe der Geldbußen sind auch für die Zukunft zu erwarten; denn sie beruhen nicht auf Zufälligkeiten, sondern haben ihre Ursache in den geltenden rechtlichen Bestimmungen. So findet der erweiterte, über 1 Mio. € hinausreichende Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB ausdrücklich nur auf Unternehmen und Unternehmensvereinigungen Anwendung und damit nicht auf natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft, die neben einem Unternehmen aufgrund der Organ- oder Vertreterhaftung nach § 9 OWiG mit einer Geldbuße belegt werden. Überdies erklärt sich die besondere Höhe der Geldbußen wegen Kartellverstößen daraus, dass bei ihrer Bemessung auch das Ziel der Abschöpfung des erlangten wirtschaftlichen Vorteils einfließen kann (vgl. § 81 Abs. 5 GWB, § 17 Abs. 4 OWiG). Diese aus der Ordnungswidrigkeit herrührenden Vorteile werden sich aber regelmäßig nicht im Vermögen des handelnden Organs oder Vertreters ergeben, sondern bei dem von ihnen repräsentierten Unternehmen, und sind daher durch eine entsprechend hohe Geldbuße dort abzuschöpfen. Danach erreichen Geldbußen gegen natürliche Personen auch bei fehlender Unternehmenseigenschaft typischerweise keine Beträge, die im Falle eines Einspruchs beachtliche finanzielle Vorteile erwarten lassen.

62

Zudem mindern die geschilderten persönlichen Belastungen im Zusammenhang mit der Hauptverhandlung (vgl. oben C. I. 2. a aa <3>) für natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft, die aufgrund ihres Organ- oder Vertreterhandelns in die Ahndung von Kartellordnungswidrigkeiten nach § 9 OWiG einbezogen werden, den Anreiz zur Einspruchseinlegung in gleicher Weise wie für natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft. Angesichts all dieser Umstände durfte der Gesetzgeber mithin diese Betroffenen ebenfalls bei der Bestimmung der Fallgruppe unberücksichtigt lassen, bei der er einem Missbrauch von Rechtsmitteln durch die Verzinsung der Geldbußen entgegenwirken will.

63

b) Dem vorlegenden Gericht ist auch insoweit nicht zu folgen, als es eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG daraus herleiten will, dass die Rechtsordnung - soweit für das vorlegende Gericht ersichtlich - neben § 81 Abs. 6 GWB keine weiteren Regelungen zur Verzinsung von Geldbußen kennt. Zwar ist hiernach eine Zinsverpflichtung allein für Kartellgeldbußen geschaffen worden, während Geldbußen, die wegen Ordnungswidrigkeiten in anderen Rechtsgebieten festgesetzt werden, weiterhin nicht zu verzinsen sind. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz lässt sich damit aber nicht begründen, weil es insoweit bereits an vergleichbaren Sachverhalten fehlt, deren unterschiedliche Behandlung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG geprüft werden könnte. Verlangt wird eine Gleichbehandlung nur für "wesentlich Gleiches". An dieser Voraussetzung fehlt es bei Bestimmungen, die verschiedenen rechtlichen Ordnungsbereichen zugehörig sind und in anderen systematischen Zusammenhängen stehen (vgl. BVerfGE 40, 121 <139 f.> m.w.N.).

64

Die Differenzierung hinsichtlich der Verzinsung zwischen Kartellgeldbußen einerseits und sonstigen Geldbußen andererseits betrifft hiernach keine vergleichbaren Sachverhalte. Die Unterscheidung orientiert sich vielmehr an den Tatbeständen für Ordnungswidrigkeiten in den verschiedenen Rechtsgebieten. Nach Mitteilung der Bundesregierung finden sich Normen über die Ahndung von Gesetzesverstößen als Ordnungswidrigkeiten in mehr als dreihundert Gesetzen. Dabei sind die Tatbestände der Ordnungswidrigkeiten in Form eines Annexes dem jeweiligen Fachrecht als "typisches Verwaltungsunrecht" (vgl. BVerfGE 90, 145 <184>) aus unterschiedlichen Rechtsgebieten zugeordnet. Insoweit fehlt es an einem zusammenhängenden rechtlichen Ordnungsbereich, was bezüglich der einzelnen Bußgeldtatbestände der Annahme vergleichbarer Sachverhalte entgegensteht.

65

c) § 81 Abs. 6 GWB ist schließlich nicht deshalb mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar, weil die Norm eine Verzinsung lediglich für Geldbußen bestimmt, die in einem Bußgeldbescheid festgesetzt werden, nicht hingegen auch für solche Geldbußen, deren Festsetzung durch ein Kartellgericht erfolgt. Dieser eingeschränkte Anwendungsbereich der Vorschrift ist zwar einfachrechtlich nicht unumstritten, entspricht aber nicht nur dem Gesetzeswortlaut, sondern auch der nicht zu beanstandenden Auslegung durch das vorlegende Gericht, das damit der überwiegenden Meinung folgt (vgl. Raum, in: Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, 11. Aufl. 2010, § 81 Rn. 179; Achenbach, in: Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 2011, § 81 GWB, Rn. 325; so wohl auch Vollmer, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, a.a.O., § 81 GWB, Rn. 121; a.A. Bechtold, Kartellgesetz, 6. Aufl. 2010, § 81 Rn. 43). Dieses nachvollziehbare, einfachrechtlich vertretbare Auslegungsergebnis ist der Prüfung der Vorlagefrage zugrunde zu legen (vgl. BVerfGE 117, 1 <27>).

66

Die Differenzierung zwischen behördlich und gerichtlich festgesetzten Geldbußen hinsichtlich der Verzinsung ist durch hinreichende Sachgründe gerechtfertigt. Maßgeblich ist insoweit ein großzügiger, auf das Willkürverbot beschränkter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab; denn für die Ungleichbehandlung knüpft das Gesetz weder an Persönlichkeitsmerkmale an, noch geben betroffene Freiheitsrechte Anlass zu einer strengeren Bindung. Die von der Ungleichbehandlung Betroffenen sind im Gegenteil dazu in der Lage, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Differenzierungskriterien zu beeinflussen. Ihnen bleibt es nämlich überlassen, ob sie mit dem Ziel einer gerichtlichen Überprüfung nicht nur Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegen, sondern an diesem Rechtsbehelf auch bis zu einer Entscheidung des Kartellgerichts festhalten.

67

Angesichts des gesetzgeberischen Ziels, der rechtsmissbräuchlichen Einlegung von Einsprüchen zur Erlangung finanzieller Vorteile, entgegenzuwirken, ist es frei von Willkür, wenn nicht sogar naheliegend, dass § 81 Abs. 6 GWB bei einer Entscheidung des Kartellgerichts über die zu verhängende Geldbuße eine Verzinsung nicht zwingend vorschreibt. Denn dessen Regelungszweck verlangt bei einer gerichtlichen Sachentscheidung gerade keine Verzinsung. Führt das betroffene Unternehmen eine gerichtliche Sachentscheidung herbei, so hat es Kartellbehörde und Kartellgericht nicht zweckwidrig nur zur Verfahrensverzögerung belastet, um den Einspruch noch vor ihrer endgültigen Entscheidung zurückzunehmen, sondern es hat im Gegenteil die gerichtliche Sachentscheidung abgewartet, sich ihren rechtlichen Wirkungen einschließlich der Gefahr einer Verböserung der Rechtsfolge unterworfen und damit die staatlichen Institutionen entsprechend ihrer Funktion in Anspruch genommen. Das Gericht ist dann frei, die Höhe einer etwaigen Geldbuße unabhängig von deren bisheriger Höhe selbst festzusetzen und kann damit dem Einzelfall - auch im Blick auf die inzwischen verstrichene Zeit - sachgerecht Rechnung tragen.

II.

68

Die Pflicht zur Verzinsung von Kartellgeldbußen verstößt nicht gegen die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG.

69

1. Der Rechtsweg, den Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsuchenden gewährleistet, bedarf der gesetzlichen Ausgestaltung. Rechtsschutz ist eine staatliche Leistung, deren Voraussetzungen erst geschaffen, deren Art näher bestimmt und deren Umfang im Einzelnen festgelegt werden müssen. Art. 19 Abs. 4 GG gibt dem Gesetzgeber dabei nur die Zielrichtung und die Grundzüge der Regelung vor, lässt ihm im Übrigen aber einen beträchtlichen Gestaltungsspielraum. Doch darf er die Notwendigkeit einer umfassenden Nachprüfung des Verwaltungshandelns in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und eine dem Rechtsschutzbegehren angemessene Entscheidungsart und Entscheidungswirkung nicht verfehlen (BVerfGE 101, 106 <123 f.>; 118, 168 <207>). Damit sind Begrenzungen des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 100, 313 <364>; 109, 279 <364>). Die Ausgestaltung muss aber dem Schutzzweck des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG Genüge tun (vgl. BVerfGE 60, 253 <269>). Dies verbietet Maßnahmen, die darauf abzielen oder geeignet sind, den Rechtsschutz der Betroffenen zu vereiteln (vgl. BVerfGE 69, 1 <49>), insbesondere dürfen zu Lasten der Rechtsuchenden nicht unangemessen hohe verfahrensrechtliche Hindernisse für den Zugang zum Gericht geschaffen werden (vgl. BVerfGE 60, 253 <269>).

70

2. Daran gemessen führt die in § 81 Abs. 6 GWB geregelte Verzinsung weder zu einer gezielten Beeinträchtigung der Rechtsschutzgarantie (a) noch zu einer andersartigen verfassungswidrigen Beeinträchtigung dieses Grundrechts (b).

71

a) Durch die Möglichkeit des Einspruchs gegen Bußgeldbescheide trägt das Gesetz dem durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Recht des Betroffenen Rechnung, gegen einen ihn belastenden Akt der öffentlichen Gewalt ein Gericht anzurufen (vgl. BVerfGE 40, 46 <49>). Demgegenüber verfolgt der Gesetzgeber mit der Einführung der Verzinsungspflicht für Kartellgeldbußen nach § 81 Abs. 6 GWB zwar das Ziel, Unternehmen von Einsprüchen gegen Kartellbußgeldbescheide abzuhalten; er zielt damit jedoch nur auf Einsprüche, die allein zur Erlangung finanzieller Vorteile eingelegt und noch vor dem Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung zurückgenommen werden sollen.

72

Mit der Abwehr eines solchermaßen zweckwidrigen Gebrauchs eines Rechtsmittels ist keine für Art. 19 Abs. 4 GG relevante Beeinträchtigung des Rechtswegs verbunden. Der Zugang zu den Gerichten wird vom Grundgesetz nicht lediglich als formelles Recht, die Gerichte anzurufen, garantiert, sondern zielt auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 93, 1 <13>; 112, 185 <207>). Der damit garantierte Rechtsschutz erfolgt durch eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche richterliche Entscheidung (vgl. BVerfGE 112, 185 <207>). Dies entspricht jedoch nicht der Absicht der betroffenen Unternehmen, die mit dem Einspruch lediglich den Eintritt der Bestandskraft des Bußgeldbescheids verzögern wollen, um auf diese Weise finanzielle Vorteile durch die verspätete Zahlung der gegen sie festgesetzten Geldbuße erzielen zu können. Sie erstreben keine gerichtliche Prüfung und Entscheidung über die ihnen zur Last gelegten Ordnungswidrigkeiten, sondern wollen diese im Gegenteil vermeiden und nehmen daher ihre Rechtsmittel noch vor einer Sachentscheidung durch das Gericht zurück. Diese Betroffenen nutzen den Einspruch nicht um Rechtsschutz zu erlangen, sondern in zweckwidriger, rechtsmissbräuchlicher Weise nur als Mittel der Verzögerung, um finanzielle Vorteile zu erzielen. Eine Inanspruchnahme der Gerichte zu diesem Zweck steht außerhalb des Schutzes von Art. 19 Abs. 4 GG. In gleicher Weise gilt das für Fälle, in denen Betroffene wegen der drohenden Zinsbelastung von der Einlegung eines unzulässigen Einspruchs abgehalten werden; hier ist die Rechtsweggarantie nicht berührt.

73

b) Die Pflicht zur Verzinsung von Kartellgeldbußen kann aber auf andere Weise als Beeinträchtigung des Zugangs zu den Gerichten wirken und damit die Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG berühren. § 81 Abs. 6 GWB kann nämlich dazu führen, dass betroffene Unternehmen, auch wenn sie ernsthaft eine gerichtliche Überprüfung anstreben, wegen der drohenden Zinsbelastung von der Einlegung des Einspruchs abgehalten werden.

74

aa) Die Befürchtung, aufgrund des § 81 Abs. 6 GWB über die festgesetzte Geldbuße hinaus zusätzlich noch mit Zinsen belastet zu werden, ist allerdings mit Blick auf die nach einem Einspruch ergehende Sachentscheidung des Kartellgerichts nicht gerechtfertigt und kann somit nicht zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung von Art. 19 Abs. 4 GG führen. Insoweit ist die vertretbare Auslegung des § 81 Abs. 6 GWB durch das vorlegende Gericht zugrunde zu legen, wonach die Verzinsung ausschließlich für behördlich, nicht aber auch für gerichtlich verhängte Geldbußen gilt (vgl. oben C. I. 2. c). Mithin kann ein betroffenes Unternehmen durch Aufrechterhalten des eingelegten Einspruchs der Zinsbelastung entgehen, wird also durch § 81 Abs. 6 GWB von dem Weg zum Gericht nicht abgehalten, soweit dieser - gemäß der Funktion des Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG - ernsthaft und mit Ziel einer kartellgerichtlichen Sachentscheidung beschritten wird.

75

Nichts anderes folgt aus dem Hinweis in den Gesetzesmaterialien, angesichts des § 81 Abs. 6 GWB möge das Gericht "bei seiner Überprüfung auch den Zeitfaktor (…) berücksichtigen" (BTDrucks 15/3640, S. 67). Für diese Anregung, zwischenzeitlich entstandene finanzielle Vorteile aufgrund der allgemeinen Bemessungsvorschriften in die Bestimmung der Höhe der gerichtlich festgesetzten Geldbuße einfließen zu lassen, war die Einführung der Verzinsungspflicht allenfalls Anlass, nicht jedoch rechtliche Grundlage. Maßgeblich für die gerichtliche Entscheidung über die Höhe der Geldbuße sind auch insoweit allein die Bestimmungen, die nach wie vor generell die Bußgeldbemessung im Ordnungswidrigkeitenrecht regeln und aus verfassungsrechtlicher Sicht auch schon vor Inkrafttreten des § 81 Abs. 6 GWB nicht der Berücksichtigung der finanziellen Vorteile entgegenstanden, die durch die verzögerte Zahlung der Geldbuße ermöglicht wurden.

76

bb) Hingegen berührt die Verzinsungspflicht des § 81 Abs. 6 GWB die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG auch insoweit, als sich bei zunächst ernsthaft mit dem Ziel einer gerichtlichen Sachentscheidung eingelegtem Einspruch für das betroffene Unternehmen nachträglich ein berechtigtes Interesse an der Rücknahme des Einspruchs ergeben kann. Der Betroffene kann den Einspruch gemäß § 71 Abs. 1 OWiG, § 411 Abs. 3 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO) bis zum Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung zurücknehmen und bedarf hierfür erst nach Beginn der Hauptverhandlung der Zustimmung des Gegners (§ 71 Abs. 1 OWiG, § 303 Satz 1 und § 411 Abs. 3 Satz 2 StPO).

77

(1) Ein berechtigtes Interesse an der Rücknahme des Einspruchs kann insbesondere dann bestehen, wenn sich im Lauf des gerichtlichen Verfahrens mit Blick auf die Ahndung der Tat als Ordnungswidrigkeit die Gefahr einer Verböserung manifestiert. Das Kartellgericht ist bei seiner Entscheidung nicht an den Bußgeldbescheid gebunden, sondern setzt die Höhe der Geldbuße selbständig fest (§ 71 Abs. 1 OWiG, § 411 Abs. 4 StPO). Damit muss der Einspruchsführer aber zu seinen Lasten auch mit einer Verböserung (reformatio in peius) im Sinne einer strengeren Ahndung der ihm vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit rechnen (vgl. Bechtold, a.a.O., vor § 81 Rn. 6). Lediglich im Falle des § 72 OWiG, wenn ohne Hauptverhandlung durch Beschluss entschieden wird und die Beteiligten dieser Vorgehensweise nicht widersprechen, kann gemäß § 72 Abs. 3 Satz 2 OWiG von der im Bußgeldbescheid getroffenen Entscheidung nicht zum Nachteil des Betroffenen abgewichen werden. Das Kartellgericht kann demnach das betroffene Unternehmen zur Zahlung einer Geldbuße verurteilen, die die im behördlichen Verfahren festgesetzte Geldbuße um ein Vielfaches überschreitet. Erkennt der Betroffene diese Möglichkeit nach Einlegung des Einspruchs als ernsthafte Gefahr, ist ihm, um sich der Verböserung durch ein Urteil des Kartellgerichts zu entziehen, ein legitimes Interesse an der Rücknahme seines Einspruchs nicht abzusprechen.

78

Mit der Rücknahme des Einspruchs geht allerdings der Eintritt der Bestandskraft des angefochtenen Bußgeldbescheids einher, womit dann auch die dort festgesetzte Geldbuße nach Maßgabe des § 81 Abs. 6 GWB rückwirkend zu verzinsen ist. Das von einer Kartellgeldbuße betroffene Unternehmen muss daher in Erwägung ziehen, dass es nach Einlegung eines Einspruchs einer sich möglicherweise - etwa nach gerichtlichem Hinweis - abzeichnenden Verböserung nur um den Preis einer Verzinsung der angegriffenen Geldbuße zu entgehen vermag. Als Ergebnis dieser Überlegungen könnte einzelnen Betroffenen die Inanspruchnahme von Rechtsschutz wirtschaftlich derart risikobehaftet erscheinen, dass sie von der Einlegung des Einspruchs von Anfang an absehen.

79

(2) Der Umstand, dass die durch die Kartellbehörde festgesetzte Geldbuße im Falle einer Rücknahme des Einspruchs zu verzinsen wäre, kann demnach rechtsschutzhemmende Wirkung entfalten. Dies verstößt jedoch nicht gegen die Verfassung. Der Gesetzgeber hat mit § 81 Abs. 6 GWB bei der ihm übertragenen Ausgestaltung des Rechtsschutzes zwar von der grundsätzlich nicht ausgeschlossenen Möglichkeit einer Begrenzung (vgl. BVerfGE 100, 313 <364>; 109, 279 <364>) Gebrauch gemacht, dabei aber den Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer Weise erschwert.

80

(a) Aus Art. 19 Abs. 4 GG folgt, dass die Inanspruchnahme von Rechtsschutz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 78, 88 <99>; 88, 118 <124>). Dies bedeutet allerdings nicht, dass den Rechtsuchenden der Zugang zu den Gerichten kostenlos oder auch nur ohne Kostenrisiko zur Verfügung stehen muss. Ferner ist es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verwehrt, mit einer Gebührenregelung neben der Deckung der dem Staat entstehenden Kosten auch das Ziel zu verfolgen, einer leichtfertigen oder gar missbräuchlichen Einlegung von Rechtsbehelfen entgegenzuwirken (vgl. BVerfGE 10, 264 <268>; 50, 217 <230 f.>; 85, 337 <346 f.>).

81

Allerdings darf die Bemessung der Verfahrenskosten nicht in einer Weise erfolgen, die es den Betroffenen praktisch unmöglich macht, das Gericht anzurufen (vgl. BVerfGE 11, 139 <143>; 54, 39 <41>). Hierzu muss die Höhe der Kosten gesetzlich so geregelt sein, dass sie vorher überschaubar ist und bei vernünftiger Abwägung mit den Erfolgsaussichten nicht von vornherein rechtsschutzhemmend wirkt (vgl. BVerfGE 11, 139 <143>; 54, 39 <41>). Außerdem dürfen die Kosten nicht außer Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert stehen, den das gerichtliche Verfahren für die einzelnen Beteiligten hat (vgl. BVerfGE 85, 337 <347>). Eine an sich gerechtfertigte Regelung darf schließlich nicht so gestaltet werden, dass sie in ihrer tatsächlichen Auswirkung tendenziell dazu führt, Rechtsschutz vornehmlich nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu eröffnen (vgl. BVerfGE 50, 217 <231>; 117, 163 <197>).

82

(b) Die geschilderten Maßstäbe wurden zwar nicht für den Fall einer Verzinsung von Geldschulden entwickelt, die als staatliche Sanktion entstanden sind. Mit der Zinspflicht für Kartellgeldbußen gemäß § 81 Abs. 6 GWB verfolgt das Gesetz aber ebenso, wie dies auch für die Kostenpflichtigkeit von Gerichtsverfahren zulässig ist, das Ziel, von einer missbräuchlichen Einlegung von Rechtsmitteln abzuhalten. Die geschilderten Grundsätze können daher auch für die Prüfung herangezogen werden, ob der in § 81 Abs. 6 GWB statuierten Pflicht zur Zinszahlung eine unzumutbare rechtsschutzhemmende Wirkung zukommt. Ein solcher prohibitiver Effekt lässt sich jedoch nicht feststellen.

83

(aa) So können die Betroffenen die Größenordnung der möglicherweise anfallenden Zinsen hinreichend im Voraus überschauen. Da eine präzise Prognose aufgrund der Unwägbarkeiten gerichtlicher Verfahren unmöglich ist, kann auch die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleisten, dass den Rechtsuchenden bereits vor Erhebung des Rechtsmittels der genaue Betrag aller im Verfahren anfallenden Kosten vor Augen steht. Ausreichend ist vielmehr, dass für sie absehbar ist, welche Kosten dem Grunde nach überhaupt anfallen und welche Höhe diese Kosten erreichen können.

84

Für ein betroffenes Unternehmen ist aufgrund der Regelung in § 81 Abs. 6 GWB bereits vor Erhebung des Einspruchs ausreichend deutlich zu erkennen, dass und in welchen Fällen Zinsen zu tragen sind. Zwar entscheiden letztlich die künftige Entwicklung des Basiszinssatzes, auf den § 81 Abs. 6 GWB in Verbindung mit § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB verweist, und die Dauer des gerichtlichen Einspruchsverfahrens über die genaue Höhe einer etwaigen Zinslast. Diese Faktoren lassen sich jedoch zumindest insoweit abschätzen und in ihrer Entwicklung kontrollieren, als die anfallenden Kosten der Größenordnung nach überschaubar und damit nicht weniger ungewiss als die üblichen Kosten gerichtlicher Verfahren sind.

85

(bb) Zudem erreichen die nach § 81 Abs. 6 GWB auf die Geldbuße zu zahlenden Zinsen im Regelfall keine Größenordnung, die bei vernünftiger Betrachtung den Rechtsweg für die betroffenen Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen verstellen oder auch nur spürbar erschweren könnte. Der Annahme einer rechtsschutzhemmenden Wirkung steht entgegen, dass die Betroffenen bis zur Rücknahme des Einspruchs oder dessen gerichtlicher Verwerfung als unzulässig die Möglichkeit hatten, während der gesamten Dauer des gerichtlichen Verfahrens entweder Zinsen für Kredite zu sparen oder durch Einsatz der Gelder im operativen oder investiven Geschäftsbereich Einnahmen zu erzielen.

86

(α) Ob es dem betroffenen Unternehmen im Einzelfall möglich war, tatsächlich die gesamte später nach § 81 Abs. 6 GWB zu entrichtende Zinssumme auf dem Kapitalmarkt zu erwirtschaften (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. April 2012 - XI ZR 360/11 -, NJW 2012, S. 2266 ff.), ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn Art. 19 Abs. 4 GG bietet keinen Schutz vor finanziellen Belastungen als Konsequenz der Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels. Lediglich die Höhe der anfallenden finanziellen Nachteile darf keine abschreckende und rechtsschutzhemmende Wirkung entfalten, die einen wirtschaftlich vernünftig Denkenden von Anfang an von der Anrufung der staatlichen Gerichte abhalten könnte. Im Regelfall ist das aber nicht zu erwarten. Gerade die von der Verzinsung der Geldbuße allein betroffenen Unternehmen werden sich als gewinnorientierte Wirtschaftsbetriebe typischerweise nicht durch eine etwaige Differenz zwischen dem nach § 81 Abs. 6 GWB zu zahlenden Zins und den auf dem Kapitalmarkt zu erwirtschaftenden Erträgen von der Erhebung eines ernsthaft verfolgten Einspruchs abschrecken lassen.

87

(β) Im Übrigen verbleibt einem betroffenen Unternehmen, das befürchtet, auf dem Kapitalmarkt den von § 81 Abs. 6 GWB geforderten Zins nicht erwirtschaften zu können und deshalb im Falle einer Rücknahme oder einer Verwerfung des Einspruchs erheblichen finanziellen Nachteilen ausgesetzt zu sein, die Möglichkeit, die geforderte Bußgeldsumme ungeachtet der noch ausstehenden Vollstreckbarkeit innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids zunächst unter Vorbehalt zu zahlen und diese nach Erfolg seines Einspruchs zurückzufordern. Der Einwand, der Bußgeldbescheid würde in diesem Fall seine ahndende Wirkung bereits vor Bestandskraft entfalten und somit gegen die Unschuldsvermutung verstoßen, verkennt, dass der Betroffene nicht zur Zahlung der Geldbuße unter Vorbehalt verpflichtet ist, sondern ihm dieser Weg lediglich zur Reduzierung möglicher Zinsverluste offensteht.

88

(γ) Dem gesetzgeberischen Ziel, lediglich rechtsmissbräuchliche Einsprüche zu verhindern, trägt die Höhe des Zinssatzes nach § 81 Abs. 6 GWB in Verbindung mit § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB Rechnung, entfaltet mithin ebenfalls keine rechtsschutzhemmende Wirkung. Die in § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelte Zinshöhe orientiert sich am Marktzins und soll mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz lediglich den Schaden ausgleichen, den der Gläubiger typischerweise durch den Zahlungsverzug erleidet und der umgekehrt den dem Schuldner typischerweise entstehenden Vorteilen entspricht (vgl. Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl. 2013, § 288 Rn. 2). Anhaltspunkte, die einen Verweis auf die Höhe der Verzugszinsen des Bürgerlichen Gesetzbuchs willkürlich oder mit Blick auf die Rechtsschutzgewährung auch nur sachwidrig erscheinen ließen, sind nicht erkennbar. Das Ziel der Orientierung am Marktzins wird auch dadurch belegt, dass das Gesetz nicht auf die - an sich naheliegende - qualifizierte Zinshöhe des § 288 Abs. 2 BGB verweist, die im Falle eines Zahlungsverzugs ohne Verbraucherbeteiligung gilt, sich aber aus Gründen der Abschreckung säumiger Schuldner (vgl. Grüneberg, in: Palandt, a.a.O., § 288 Rn. 3) mit acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom Marktzins deutlich entfernt.

III.

89

Entgegen einer bisweilen in der Literatur zum Kartellrecht vertretenen Auffassung (vgl. etwa Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 81 Rn. 463; Achenbach, in: Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, a.a.O., § 81 GWB, Rn. 327; Vollmer, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, a.a.O., § 81 Rn. 119) missachtet die in § 81 Abs. 6 GWB geregelte Verzinsung der Geldbuße nicht die verfassungsrechtlich garantierte Unschuldsvermutung.

90

1. Die Unschuldsvermutung ist nicht nur kraft Art. 6 Abs. 2 EMRK Bestandteil des positiven Rechts der Bundesrepublik Deutschland, vielmehr kommt ihr als einer besonderen Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) Verfassungsrang zu (vgl. BVerfGE 74, 358 <370>; 110, 1 <22>). Sie gilt auch, wenn eine Tat nicht strafrechtlich als Delikt, sondern als Ordnungswidrigkeit geahndet werden soll (vgl. BVerfGE 9, 167 <170>). Aus dem Grundsatz der Unschuldsvermutung ergibt sich hier, dass den Betroffenen Tat und Schuld nachgewiesen werden müssen (vgl. BVerfGE 9, 167 <169>; 74, 358 <371>). Solange der gesetzliche Nachweis der Schuld nicht geführt ist, sind die Betroffenen auch vor Nachteilen geschützt, die einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen ist (vgl. BVerfGE 74, 358 <371>; 110, 1 <23> m.w.N.).

91

2. Zweifelhaft ist bereits, ob die Regelung des § 81 Abs. 6 GWB überhaupt zu Nachteilen führt, die im Sinne der Unschuldsvermutung einem Schuldspruch oder einer Ahndung gleichkommen. Selbst wenn dies unterstellt wird, ist sie jedenfalls mit der Unschuldsvermutung vereinbar. Zwar beginnt die Verzinsungspflicht bereits zwei Wochen nach der Zustellung des Bußgeldbescheids und erfasst somit auch noch nicht bestandskräftig geahndete Ordnungswidrigkeiten. Entscheidend ist jedoch, dass diese Verpflichtung bei Erfolg des Einspruchs wieder rückwirkend entfällt, der Betroffene also von Anfang an keine Zinsen schuldet und zwischenzeitlich auch nicht auf Zahlung in Anspruch genommen werden kann. Die Regelung des § 81 Abs. 6 GWB ändert nämlich nichts an dem Zeitpunkt der Fälligkeit, die nicht nur für die Geldbuße, sondern auch für die aus ihr zu zahlenden Zinsen gemäß § 89 OWiG - wie alle festgesetzten Tatfolgen (vgl. Mitsch, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl. 2006, § 89 Rn. 1) - erst mit der Bestandskraft des Bußgeldbescheids eintritt. Die Verzinsungspflicht des § 81 Abs. 6 GWB hat demnach nur Auswirkungen auf die Höhe der insgesamt zu entrichtenden Geldsumme, sie verlagert aber die Zahlungspflicht als solche nicht auf einen Zeitpunkt vor bestandskräftiger Festsetzung der Geldbuße und damit nicht auf einen Zeitpunkt vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Täterschaft und die Schuld der Betroffenen.

IV.

92

Schließlich widerspricht die Regelung zur Verzinsung der Geldbuße gemäß § 81 Abs. 6 GWB nicht dem strengen Gesetzesvorbehalt aus Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 126, 170 <194>).

93

1. An Art. 103 Abs. 2 GG sind zwar auch Sanktionen zu messen, die keine Strafe sind, aber wie eine Strafe wirken (vgl. BVerfGE 35, 311 <320>; 74, 358 <375 f.>; 110, 1 <13 f.>). Diese Voraussetzung ist allerdings nicht schon dann erfüllt, wenn eine Maßnahme mit einer Einbuße an Freiheit oder Vermögen verbunden ist und damit faktisch die Wirkung eines Übels entfaltet. Bei der Beurteilung des pönalen Charakters einer Rechtsfolge sind vielmehr weitere wertende Kriterien heranzuziehen, insbesondere der Rechtsgrund der Anordnung und der vom Gesetzgeber mit ihr verfolgte Zweck (vgl. BVerfGE 110, 1 <14>).

94

Hiernach stellt die Verzinsungspflicht keine strafähnliche Maßnahme dar; denn ihr soll nach dem Willen des Gesetzgebers keine zusätzliche Ahndungswirkung zukommen. Ihr Ziel ist vielmehr, die Angemessenheit der Sanktion, deren Vollstreckbarkeit durch den Einspruch hinausgeschoben wird, trotz der eingetretenen Verzögerung aufrecht zu erhalten, um auf diese Weise von der rechtsmissbräuchlichen Einlegung des Rechtsmittels abzuhalten. Dem trägt die gesetzliche Regelung Rechnung (vgl. oben C. II. 2. b bb <2. b bb>).

95

2. Dessen ungeachtet lässt sich die Bestimmtheit des § 81 Abs. 6 GWB nicht mit dem Argument in Frage stellen, die gesetzlichen Regelungen zur Bemessung der Kartellgeldbuße, an die die Verzinsung anknüpft, seien ihrerseits wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig (so aber Hassemer/Dallmeyer, Gesetzliche Orientierung im deutschen Recht der Kartellgeldbußen und das Grundgesetz, 2010, S. 76 f.). Dabei kann dahinstehen, ob die einschlägigen Bußgeldvorschriften im Bereich des Kartellrechts hinreichend bestimmt sind. Sollten sie sich als verfassungswidrig erweisen, so beträfe dieser Mangel lediglich die Normen zur Bußgeldbemessung. Bei deren Nichtigkeit wäre zwar auch der Verzinsungspflicht die Grundlage entzogen, dies beruhte indessen nicht auf einer Verfassungswidrigkeit der Verzinsungsvorschrift des § 81 Abs. 6 GWB, sondern auf dem Umstand, dass dann eine wirksam festgesetzte Geldbuße fehlte, an der die Verzinsung anknüpfen könnte. Eine etwaige Unbestimmtheit der Regelung zur Bemessung der Hauptschuld ist als solche für die Bestimmtheit der daran anschließenden Zinsregelung ohne Belang.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

Gründe

A.

1

Die Vorlage des Bayerischen Landessozialgerichts betrifft die Frage, ob § 47 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) mit Art. 6 Abs. 5 GG und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.

I.

2

1. a) Das Rentenrecht kennt derzeit drei Regelungen, nach denen bei Versterben des Ehegatten oder des geschiedenen Ehegatten dem überlebenden Ehegatten eine Rente nach dem Sozialgesetzbuch VI zustehen kann: für Verheiratete die Witwen- und Witwerrente und für Geschiedene die Erziehungsrente sowie die Geschiedenenwitwenrente als Altfallregelung für Scheidungen vor dem 1. Juli 1977.

3

b) Hat die Ehe bis zum Tod des Ehegatten bestanden, regelt § 46 SGB VI den Anspruch auf die Witwen- und Witwerrente. Absatz 1 regelt die sogenannte kleine, Absatz 2 die sogenannte große Witwen- und Witwerrente.

4

Die Vorschrift lautet:

5

§ 46 Witwenrente und Witwerrente

6

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

7

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

8

1. ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,

9

2. das 47. Lebensjahr vollendet haben oder

10

3. erwerbsgemindert sind.

11

Als Kinder werden auch berücksichtigt:

12

1. Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,

13

2. Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.

14

Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

15

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

16

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

17

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

18

...

19

c) Wurde die Ehe geschieden und ist der geschiedene Ehegatte verstorben, hängt der Rentenanspruch davon ab, wann die Ehe geschieden wurde. Wurde die Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden, dem Stichtag für das Inkrafttreten des neuen Ehe- und Ehescheidungsrechts mit Versorgungsausgleich, gewährt § 243 SGB VI eine Geschiedenenwitwen- oder -witwerrente (Altfallregelung). Der Anspruch auf diese Rente setzt nach § 243 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI voraus, dass der Anspruchsberechtigte im letzen Jahr vor dem Tode des Versicherten Unterhalt von diesem erhalten oder zumindest einen Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten hat.

20

d) Bei einer Ehescheidung am oder nach dem Stichtag, dem 1. Juli 1977, ist hingegen § 47 SGB VI anwendbar.

21

Die Vorschrift lautet:

22

§ 47 Erziehungsrente

23

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Erziehungsrente, wenn

24

1. ihre Ehe nach dem 30. Juni 1977 geschieden und ihr geschiedener Ehegatte gestorben ist,

25

2. sie ein eigenes Kind oder ein Kind des geschiedenen Ehegatten erziehen (§ 46 Abs. 2),

26

3. sie nicht wieder geheiratet haben und

27

4. sie bis zum Tod des geschiedenen Ehegatten die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

28

(2) Geschiedenen Ehegatten stehen Ehegatten gleich, deren Ehe für nichtig erklärt oder aufgehoben ist.

29

(3) Anspruch auf Erziehungsrente besteht bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch für verwitwete Ehegatten, für die ein Rentensplitting durchgeführt wurde, wenn

30

1. sie ein eigenes Kind oder ein Kind des verstorbenen Ehegatten erziehen (§ 46 Abs. 2),

31

2. sie nicht wieder geheiratet haben und

32

3. sie bis zum Tod des Ehegatten die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

33

...

34

Verfassungsbeschwerden gegen die rechtliche Zuordnung von Scheidungsfolgen in Abhängigkeit von dem genannten Stichtag wurden vom Bundesverfassungsgericht mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 1978 - 1 BvR 814/77, 1 BvR 926/77, 1 BvR 965/77, 1 BvR 966/77, 1 BvR 983/77, 1 BvR 1060/77, 1 BvR 1073/77, 1 BvR 1198/77, 1 BvR 29/78 -, ZfSH 1978, S. 274 f.).

35

e) Die Erziehungsrente nach § 47 SGB VI ist wie die Witwen- und Witwerrente eine Rente wegen Todes, aber im Gegensatz zu jener eine Rente aus eigener Versicherung des überlebenden, geschiedenen Ehegatten. Sie knüpft an die Versichertenstellung und an die Erfüllung der Wartezeit des überlebenden, geschiedenen Ehegatten, nicht des verstorbenen Ehegatten an. Es ist kein Ausschlussgrund für die Renten nach den §§ 46, 47 SGB VI, wenn die erziehende Person bei Versterben des Ehegatten in einer nichtehelichen Beziehung lebt. Anders als die Altfallregelung § 243 SGB VI setzt § 47 SGB VI nicht voraus, dass der geschiedene Ehegatte tatsächlich Unterhalt gewährt hat oder ein Unterhaltsanspruch bestand.

36

Der Kreis der Kinder, deren Erziehung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB VI oder § 47 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI einen Anspruch auf Rente auslöst, wird einheitlich bestimmt. Das Gesetz stellt darauf ab, dass ein eigenes Kind oder ein Kind des verstorbenen Ehegatten erzogen wird. Dabei muss es sich nicht um ein Kind aus der gemeinsamen Ehe, sondern kann es sich auch um ein eigenes, nichteheliches Kind oder um ein eigenes, eheliches Kind aus einer früheren Ehe handeln. Die Erziehung nichtehelicher Kinder des verstorbenen Ehegatten aus einer früheren Beziehung wirkt ebenso anspruchsbegründend wie die Erziehung ehelicher Kinder des Verstorbenen aus einer früheren Ehe. Als "eigene Kinder" gelten ebenfalls Stiefkinder, Pflegekinder, Enkel oder Geschwister sowohl des verstorbenen als auch des erziehenden Ehegatten.

37

2. a) Eine Witwenrente gab es im Rentenversicherungssystem bereits seit 1911 (vgl. Butzer, in: Ruland/Försterling , GK-SGB VI, § 46 Rn. 1). Die Hinterbliebenenrente an geschiedene Ehegatten wurde erst 1942 eingeführt. Mit der Eherechtsreform 1977, die unter anderem das Institut des Versorgungsausgleichs schuf, wurde die Geschiedenenwitwenrente für Ehen gestrichen, die nach dem seit 1. Juli 1977 geltenden Recht geschieden wurden. Für sie sah der Gesetzgeber grundsätzlich kein Bedürfnis mehr, weil über den Versorgungsausgleich alle während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften von Mann und Frau je zur Hälfte aufgeteilt werden. Der geschiedene und nicht wieder verheiratete Ehegatte profitiert von den ihm übertragenen Rentenanwartschaften aber grundsätzlich erst bei Bewilligung einer eigenen Rente. Die Absicherung derjenigen geschiedenen Person, die wegen der Erziehung eines Kindes nicht erwerbstätig sein kann oder aber nur ein geringes Einkommen erzielt, übernahm daher ab 1. Juli 1977 die Erziehungsrente.

38

b) Die Rentenversicherungsträger gingen bei der Auslegung des Begriffs des "waisenrentenberechtigten Kindes" in Vorläufervorschriften zunächst davon aus, dass eine Erziehungsrente nur zu gewähren war, wenn es sich bei dem zu erziehenden Kind um ein Kind des Verstorbenen handelte. Mit Urteilen vom 18. März 1983 - 11 RA 22/82 -, SozR 2200 § 1265 Nr. 70 und vom 13. April 1983 - 4 RJ 53/82 -, SozR 2200, § 1268 Nr. 21 entschied das Bundessozialgericht, dass die früheren wegen Kindererziehung erhöhten Renten auch zu leisten seien, wenn die Waisenrentenberechtigung des Kindes nicht aus demselben Versicherungsverhältnis wie die Witwenrente abzuleiten ist. Damit muss das waisenrentenberechtigte Kind seine Rentenberechtigung nicht aus einem Abstammungsverhältnis zum verstorbenen Ehegatten ableiten. Dadurch war zugleich der Wegfall eines Unterhaltsanspruchs des Kindes und eines Betreuungsunterhaltsanspruchs des überlebenden Ehegatten durch den Tod des Unterhaltsverpflichteten nicht mehr Voraussetzung für den Anspruch auf derartige Renten nach früherem Recht. Entscheidend war nach dieser Rechtsprechung, dass die erhöhten Renten gewährt wurden, um der Witwe, die ein "potentiell waisenrentenberechtigtes" Kind erzieht, im Regelfall den Unterhalt der Familie ohne Erwerbstätigkeit zu ermöglichen (vgl. BSG, Urteil vom 13. April 1983 - 4 RJ 53/82 -, SozR 2200, § 1268 Nr. 21). In der Folgezeit haben die Rentenversicherungsträger die zu den Vorläufervorschriften ergangene Rechtsprechung auf die Erziehungsrente übertragen und diese auch bei Erziehung von eigenen Kindern des überlebenden Elternteils gewährt, die nicht vom Verstorbenen abstammten.

39

c) Die Witwen- und Witwerrente und die Erziehungsrente wurden zum 1. Januar 1992 in das Sozialgesetzbuch Sechstes Buch übernommen und umgestaltet. In Erweiterung des früheren Rechts kommt es auf die Waisenrentenberechtigung des Kindes nunmehr nicht mehr an. Berücksichtigung findet damit ein größerer Kreis von Kindern, die der überlebende Ehegatte erzieht.

40

3. Die Erziehungsrente nach § 47 SGB VI weist in der Praxis nur eine geringe Bedeutung auf. Am 31. Dezember 2009 bezogen 9.788 Personen eine Erziehungsrente. Demgegenüber bezogen 4.891.844 Frauen eine große Witwen- und 540.496 Männer eine große Witwerrente (vgl. Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Rentenbestand am 31. Dezember 2009, Abschnitt 406.00 G, S. 58), davon allerdings nur ein kleiner, nicht näher ausgewiesener Teil wegen Kindererziehung, das Gros wegen Vollendung des 47. Lebensjahres (§ 46 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI). Im Jahr 2009 kamen 1.432 neue Erziehungsrentner hinzu, davon 157 Männer und 1.275 Frauen. Ihr Alter lag zwischen 25 und 64 Jahren, die Mehrheit davon zwischen 41 und 45 Jahren. Die durchschnittliche, monatliche Höhe der Erziehungsrente betrug für Frauen 673,85 €, für Männer 570,05 € und lag damit über der durchschnittlichen großen Witwen- und Witwerrente (vgl. Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Rentenzugang 2009, Abschnitt 402.00 Z, S. 85). Die durchschnittliche Erziehungsrente von Frauen lag in Ostdeutschland pro Monat (704,15 €) etwas höher als in den alten Bundesländern (668,28 €). Bei den Männern war es umgekehrt (Ost: 566,18 €; West: 571,78 €; vgl. Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Rentenzugang 2009, Abschnitt 402.10 Z, S. 143 und Abschnitt 402.20 Z, S. 199).

II.

41

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Klägerin) begehrt die Gewährung einer Erziehungsrente nach § 47 SGB VI. Die 38-jährige Klägerin hat drei Kinder mit drei verschiedenen Männern. Sie war nie verheiratet. Zwei der Kinder sind minderjährig und leben bei ihr. Dabei handelt es sich um eine 1996 geborene Tochter und einen im April 2007 geborenen Sohn. Das älteste Kind, ein 1989 geborener Sohn, besitzt einen eigenen Hausstand. Der Vater des 2007 geborenen Sohnes ist im Mai 2008 verstorben. Er war zwei Monate nach der Geburt dieses Sohnes in eine separate Wohnung in dem Haus gezogen, in dem die Klägerin mit ihren zwei Kindern schon wohnte. Bis zu seinem Tod stand die Klägerin in einer Beziehung zu ihm, die sie als "feste Partnerschaft" bezeichnet. Der Verstorbene habe viel Zeit in der Wohnung der Klägerin verbracht, was diese als "richtige Familie" empfand. Außer einer Rente hatte er kein Einkommen. Unterhalt für seinen Sohn zahlte er nicht, beteiligte sich nach Schilderung der Klägerin aber finanziell an den Einkäufen und machte seinem Sohn ab und zu kleine Geschenke. Die Klägerin bestreitet den Lebensunterhalt für sich und ihre minderjährigen Kinder aus Einkünften aus einer geringfügigen Beschäftigung, aus einer Halbwaisenrente für den Sohn, aus dem Kindesunterhalt, den der Vater ihrer Tochter leistet, aus Kindergeld für beide Kinder und aus ergänzenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

42

Die von der Klägerin beantragte Erziehungsrente lehnte die Rentenversicherung ab, weil die Klägerin mit dem Verstorbenen nie verheiratet war. In ihrem Widerspruch trug die Klägerin vor, sie strebe die Gleichbehandlung mit geschiedenen oder verheirateten Menschen an. Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht blieben ohne Erfolg.

43

Die Berufung begründete die Klägerin damit, sie fühle sich in ihren Grundrechten, insbesondere in Art. 3 GG, verletzt. Es liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor, wenn eine Person, deren Ehe geschieden worden sei, bei Versterben des früheren Ehegatten Erziehungsrente erhalte, eine ledige Person, deren Partner verstorben sei, jedoch nicht. Eine Heiratsabsicht zwischen der Klägerin und dem Verstorbenen habe bestanden.

44

2. Mit Beschluss vom 30. September 2009 hat das Bayerische Landessozialgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Fragen vorgelegt, ob § 47 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch in der Fassung von Artikel 1 Nr. 15 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554) insoweit mit

45

1. Art. 6 Abs. 5 des Grundgesetzes vereinbar ist, als die Norm die Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder der Erziehungsperson und des verstorbenen anderen Elternteils nicht für die Auslösung eines Anspruchs auf Erziehungsrente genügen lässt,

46

2. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar ist, als die Norm die Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder der Erziehungsperson und des verstorbenen anderen Elternteils nicht für die Auslösung eines Anspruchs auf Erziehungsrente ausreichen lässt, andererseits aber die Erziehung nicht gemeinsamer Kinder dafür genügen kann,

47

3. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar ist, als die Norm die Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder der Erziehungsperson und des verstorbenen anderen Elternteils nicht für die Auslösung eines Anspruchs auf Erziehungsrente genügen lässt, die Erziehung gemeinsamer ehelicher dagegen schon.

48

Das Landessozialgericht hält § 47 SGB VI für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 5 GG und mit Art. 3 Abs. 1 GG. Es stellt fest, dass die Klägerin die Leistungsvoraussetzungen für eine Erziehungsrente nicht erfülle. Sie sei zwar Versicherte im Sinne von § 47 Abs. 1 SGB VI, erziehe ein eigenes Kind (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI) und habe "nicht wieder", nämlich nie geheiratet (§ 47 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI). Des Weiteren habe sie die allgemeine Wartezeit erfüllt. Auch sei der Vater ihres 2007 geborenen Sohnes verstorben (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Ein Anspruch scheitere jedoch daran, dass sie von ihm nicht nach dem 30. Juni 1977 geschieden wurde, weil sie nie mit ihm verheiratet gewesen sei.

49

a) Das Landessozialgericht hält die Vorschrift des § 47 SGB VI für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 5 GG, weil ein Leistungsausschluss, der auf dem Fehlen einer Scheidung beruhe, verfassungswidrig sei. § 47 SGB VI verletze Art. 6 Abs. 5 GG, weil das gemeinsame Kind der Klägerin und des Verstorbenen gerade wegen seines Nichtehelichenstatus benachteiligt werde. Es werde deswegen schlechter gestellt, weil seine Eltern nicht miteinander verheiratet gewesen seien. Wären sie geschieden, wäre es eheliches Kind, und seine Mutter, die Klägerin, besäße einen Anspruch auf Erziehungsrente. Das nichteheliche Kind erhielte vermutlich wegen der finanziellen Schlechterstellung seiner Mutter weniger persönliche Betreuung, als wenn seine Eltern geschieden wären, es also ein eheliches Kind wäre, und die Klägerin deshalb eine Erziehungsrente erhalten würde. Wegen des Zusammenhangs einer finanziellen Schlechterstellung der Mutter mit diesem Nachteil für das Kind verweist das Landessozialgericht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Ausgestaltung des Betreuungsunterhalts für eheliche und nichteheliche Kinder (Hinweis auf BVerfGE 118, 45 <63, 65 bis 67>). Die dort angestellten Erwägungen gälten ohne Einschränkung auch für die Vorenthaltung einer Erziehungsrente. Dass die Erziehungsrente der Klägerin und nicht dem Kind gewährt werde, sei unerheblich. Denn Art. 6 Abs. 5 GG verbiete schon die mittelbare Schlechterstellung (Hinweis auf BVerfGE 118, 45 <62>).

50

Eine differenzierende Regelung für nichteheliche Kinder sei verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, wenn eine unterschiedliche tatsächliche Lebenssituation sie zwingend erfordere, um nichteheliche mit ehelichen Kindern gleichzustellen. Fehle es an solchen Gründen, sei eine Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder nur durch kollidierendes Verfassungsrecht zu rechtfertigen (BVerfGE 118, 45 <62> m.w.N.). Danach könne die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nicht auf eine bloße Willkürprüfung beschränkt werden. Vielmehr sei eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung anzustellen.

51

Zwar benachteilige § 47 Abs. 1 SGB VI nach seinem Wortlaut nicht spezifisch nichteheliche Kinder gegenüber ehelichen. Nur im Fall gemeinsamer Kinder ergebe sich ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG. Die diskriminierende Tendenz des § 47 SGB VI folge nicht aus dem Tatbestand der Norm, sondern daraus, dass von ihr in der Realität meistens gemeinsame Kinder aus einer geschiedenen Ehe erfasst und einen Anspruch auf Erziehungsrente auslösen würden, während er bei gemeinsamen Kindern nie verheirateter Eltern nicht entstünde.

52

Der Maßstab zur Beurteilung einer Rechtfertigung der Ungleichbehandlung müsse der gleiche sein, den das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung BVerfGE 118, 45 angelegt habe. Das verfassungsrechtliche Problem entspreche im Wesentlichen dem im Unterhaltsrecht, weil der Erziehungsrente in erster Linie Unterhaltsersatzfunktion zukomme.

53

Es ließen sich keine tatsächlichen oder rechtlichen Unterschiede feststellen, die geeignet wären, die Schlechterstellung der gemeinsamen nichtehelichen gegenüber den gemeinsamen ehelichen Kindern zu rechtfertigen. Weder unterschiedliche tatsächliche Lebensbedingungen noch die nacheheliche Solidarität eigneten sich dazu, die Benachteiligung zu rechtfertigen. Dass die Ehepartner mit der Heirat eine Solidar- und Einstandsgemeinschaft begründeten, die bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vermieden werde, rechtfertige die Ungleichbehandlung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 118, 45) nicht. Der gegenwärtige Rechtszustand zur Erziehungsrente könne auch nicht mit einer Prüfungsfrist für den Gesetzgeber für eine rentenrechtliche Folgeregelung gerechtfertigt werden.

54

Der Gesetzgeber könne die Erziehungsrente nicht als reine Leistung für Geschiedene reservieren. Die Erziehungsrente verfolge zwar das Ziel, eine finanzielle Unterstützung bei Wegfall der Geschiedenenwitwenrente bereitzustellen. Auch sei die Erziehungsrente keine obligatorische Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung. Schutzzweck und Disposivität der Leistung ergäben aber keine Rechtfertigung für eine Differenzierung zu Lasten gemeinsamer nichtehelicher Kinder. Der überlebende Elternteil gemeinsamer nichtehelicher Kinder dürfe von der Erziehungsrente nicht systematisch ausgeschlossen werden. Weil die Erziehungsrente eine Rente aus eigener Versicherung der Erziehungsperson darstelle, dürfe der Ehe zwischen ihr und dem verstorbenen Partner keine derart dominierende Bedeutung beigemessen werden.

55

b) Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG sieht das Landessozialgericht darin, dass gemeinsame Kinder nicht Verheirateter nicht für eine Erziehungsrente ausreichten, während nicht gemeinsame (eheliche oder nichteheliche) Kinder zur Erziehungsrente führen könnten. Von § 47 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI würden auch Kinder privilegiert, welche die erziehende Person oder der verstorbene Ehegatte in eine später geschiedene Ehe eingebracht habe. Solche "Patchwork-Kinder" würden gegenüber dem gemeinsamen Kind aus einer nichtehelichen Beziehung bevorzugt. Waren Eltern nie verheiratet, führe nicht einmal der Tod des leiblichen Vaters zur Gewährung einer Erziehungsrente, während bei "Patchwork-Kindern" schon der Tod eines Stiefelternteils diese Rechtsfolge auslösen könne, wenn der Elternteil und der Stiefelternteil voneinander geschieden seien.

56

c) Die nicht mit dem verstorbenen Partner verheirateten Erziehungspersonen würden gegenüber denjenigen gleichheitswidrig benachteiligt, die mit ihm verheiratet gewesen seien. Dabei sei es unerheblich, dass die Beziehung zwischen der Klägerin und dem Verstorbenen bis zu dessen Tod intakt gewesen sei, obwohl § 47 SGB VI nur zerbrochene Beziehungen erfasse. Denn die entscheidende Gemeinsamkeit, welche die Vergleichbarkeit letztlich herstelle, bestehe darin, dass einerseits in beiden Fällen Mütter nicht in den Genuss einer Witwenrente kommen könnten, weil sie zum Zeitpunkt des Ablebens des Partners nicht mit diesem verheiratet gewesen seien, andererseits in beiden Fällen durch dessen Tod bei typisierender Betrachtung ein Unterhaltszahler verloren gehe. Diese Übereinstimmung werde nicht dadurch in relevanter Weise berührt, dass im einen Fall die Beziehung zum Zeitpunkt des Todes bereits zerbrochen gewesen sei, im anderen Fall nicht. Im Übrigen setze auch § 47 SGB VI nicht stets ein Scheitern der Beziehung voraus, so etwa nicht nach § 47 Abs. 2 SGB VI bei Nichtigerklärung der Ehe wegen Doppelehe. Der strenge Rechtfertigungsmaßstab des Art. 6 Abs. 5 GG müsse zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auf die Schlechterstellung der Erziehungsperson selbst übertragen werden.

III.

57

Zur Vorlage haben sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Deutsche Rentenversicherung Bund, der Deutsche Familiengerichtstag e.V. und der Deutsche Juristinnenbund geäußert.

58

1. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) kommt in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass § 47 SGB VI weder gegen Art. 6 Abs. 5 GG noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.

59

Grundsätzlich behandele § 47 Abs. 1 SGB VI alle ehelichen und nichtehelichen Kinder gleich. Lediglich diejenigen Elternteile nichtehelicher Kinder, die niemals verheiratet gewesen seien, könnten nicht in den Kreis der Anspruchsberechtigten einer Erziehungsrente kommen. Insoweit würden allenfalls nichteheliche Kinder ungleich behandelt, deren Elternteile nie eine Ehe geschlossen hätten. Entscheidend sei das Fehlen einer Ehe und in der Folge davon einer Scheidung. Der Gesetzgeber dürfe die Ehe wegen ihres verfassungsrechtlichen Schutzes gegenüber anderen Lebensformen begünstigen (Hinweis auf BVerfGE 6, 55 <76 f.>; 105, 313 <348>). Die Anwendung des § 47 Abs. 1 SGB VI auf Fälle ohne Ehe würde zu sozialpolitisch unangemessenen Ergebnissen führen. Ein Verzicht auf die Scheidung als Anspruchsvoraussetzung würde eine Erziehungsrente allein aufgrund des Tatbestandes auslösen, dass ein nicht verheirateter Elternteil ein Kind erziehe und eine mit ihm zusammenlebende Person gestorben sei. Die Beziehung zwischen beiden Personen bliebe völlig offen. Eine Begrenzung des Tatbestandes auf leibliche Kinder sei rechtlich ausgeschlossen.

60

2. Nach Auffassung der Deutschen Rentenversicherung Bund verstößt die Regelung des § 47 Abs. 1 SGB VI nicht gegen das Grundgesetz. § 47 SGB VI benachteilige nichteheliche Kinder im Vergleich zu ehelichen Kindern weder unmittelbar noch mittelbar. Eine unmittelbare Ungleichbehandlung sei schon deswegen zu verneinen, weil der Anspruch aus § 47 SGB VI der Erziehungsperson und nicht dem Kind zustehe. Von einer Ungleichbehandlung sei auch deshalb nicht auszugehen, weil der Wortlaut des § 47 SGB VI nicht nach dem Status des Kindes als ehelich oder nichtehelich differenziere.

61

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 2007 (BVerfGE 118, 45) führe zu keiner anderen Beurteilung. Dort gehe es um Unterhaltansprüche, hier sei die Erziehungsrente vom Bestehen eines Unterhaltsanspruchs gegen den Verstorbenen unabhängig. Die Erziehungsrente habe zwar ursprünglich dem Unterhaltsersatz gedient. Mit ihrer Überführung in das SGB VI sei der Zusammenhang zwischen Erziehungsrente und Unterhaltsrecht aber gelöst worden. Nach neuem Recht komme es allein darauf an, dass ein Kind erzogen werde. Auch habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung betont, dass Ehegatten finanziell besser gestellt werden dürfen als Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Zudem lägen Zivilrecht und Sozialversicherungsrecht unterschiedliche Regelungsziele zugrunde. Zivilrechtliche Unterhaltsansprüche seien auf den Interessenausgleich zwischen Personen gerichtet. Bei Rentenansprüchen entscheide der Gesetzgeber über die Absicherung von Risiken. Die gesetzliche Rentenversicherung sei nicht dafür bestimmt, das Risiko abzusichern, wegen Kindererziehung keine Erwerbstätigkeit ausüben zu können.

62

3. Der Deutsche Familiengerichtstag e.V. vertritt in seiner Stellungnahme die Auffassung, dass ein Ausschluss von der Erziehungsrente wegen des Fehlens einer Scheidung gegen Art. 3 Abs. 1 sowie gegen Art. 6 Abs. 1 und 5 GG verstoße. Die Abhängigkeit des Anspruchs auf Erziehungsrente von einer Scheidung verletze sowohl die Grundrechte der Betreuenden als auch mittelbar die des betreuten Kindes, widerspreche dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie und benachteilige gemeinsame nichteheliche Kinder gegenüber anderen Kindern.

63

4. Der Deutsche Juristinnenbund verneint einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG, weil die Möglichkeit des Verzichtes auf eigene Erwerbstätigkeit wegen Kinderbetreuung maßgeblich durch andere Regelungen vorstrukturiert sei und nur einen kurzen, völligen Ausstieg aus der Erwerbstätigkeit nahe lege. Es liege aber ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 5 GG in der Diskriminierung nichtverheirateter Versicherter gegenüber ursprünglich verheirateten Versicherten und ihren Familien vor. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Förderung der Familien nach Art. 6 Abs. 1 GG sei überschritten. Das Gleichstellungsgebot aus Art. 6 Abs. 5 GG erlaube es nicht, an die Ehelichkeit oder Nichtehelichkeit von Familien anzuknüpfen. Rechtfertigende Gründe bestünden weder in der tatsächlichen Lebenssituation noch in den rechtlichen Rahmensetzungen.

B.

64

Die Vorlage ist unzulässig.

65

Die Darlegungen zur Entscheidungserheblichkeit und zur Verfassungswidrigkeit der zur Überprüfung gestellten Norm genügen nicht den Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an die Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG zu stellen sind (vgl. BVerfGE 86, 71 <76 f.>; 105, 48 <56>).

I.

66

Die Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG setzt voraus, dass die Verfassungsmäßigkeit der zur Prüfung vorgelegten Norm für das Ausgangsverfahren entscheidungserheblich ist (vgl. BVerfGE 11, 330 <334>; 107, 218 <232>; stRspr). Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit kommt es auf die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts an. Das gilt jedoch nicht, wenn diese offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 31, 47 <52>; 100, 209 <212>; 105, 61 <67>; stRspr) oder die Entscheidungserheblichkeit von verfassungsrechtlichen Vorfragen abhängt (vgl. BVerfGE 46, 268 <284>; 63, 1 <27>).

67

Die Entscheidungserheblichkeit ist vom vorlegenden Gericht zu begründen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Der Vorlagebeschluss muss hinreichend deutlich erkennen lassen, dass und aus welchen Gründen das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit (vgl. BVerfGE 7, 171 <173 f.>; 107, 59 <85>; stRspr), und sich unter Berücksichtigung der in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen eingehend mit der Rechtslage auseinandersetzen (BVerfGE 47, 109 <114 f.>; 105, 61 <67>; stRspr). Richten sich die Bedenken gegen eine Vorschrift, von deren Anwendung die Entscheidung nicht allein abhängt, müssen die weiteren mit ihr im Zusammenhang stehenden Bestimmungen in die rechtlichen Erwägungen einbezogen werden, soweit dies zum Verständnis der zur Prüfung gestellten Norm oder zur Darlegung ihrer Entscheidungserheblichkeit erforderlich ist.

68

Das vorlegende Gericht muss ferner deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt ist. Auch insoweit bedarf es eingehender, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehender Darlegungen (vgl. BVerfGE 89, 329 <337>; 105, 48 <56>; stRspr).

II.

69

1. Diesen Darlegungsanforderungen werden alle drei Vorlagefragen nicht gerecht. Das Landessozialgericht formuliert im Vorlagebeschluss die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 47 Abs. 1 SGB VI. Dabei versäumt es, die Vorschrift in den Gesamtregelungszusammenhang mit den Renten wegen Todes zu stellen, und zieht für einen möglichen Rentenanspruch der Klägerin die Bestimmung über die große Witwenrente nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI gar nicht in Betracht.

70

Bei dem Verstorbenen handelte es sich um den letzten Lebensgefährten der Klägerin, der nach ihrem Vortrag mit ihr wie in einer "richtigen Familie" zusammenlebte. Nach Angaben der Klägerin bestand Heiratsabsicht. Bei diesem Sachverhalt ist es begründungsbedürftig, warum nicht die Vorschrift zur großen Witwenrente nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI in die Gleichheitsprüfung einbezogen wird, sondern allein die Regelung zur Erziehungsrente, die zusätzlich zum Eingehen einer Ehe noch eine Ehescheidung voraussetzt. Eine Ehescheidung setzt ein Scheitern der Ehe voraus. Hier lebten die Klägerin und ihr verstorbener Partner nach dem Vortrag der Klägerin bis zu dessen Tod jedoch in einer intakten Lebensgemeinschaft. Deshalb hätte das Landessozialgericht darlegen müssen, warum es eine Parallele zur Ehe und damit eine Anwendung des § 46 SGB VI als Bezugspunkt der Gleichheitsprüfung ausschließt und allein auf die Regelung des Scheidungsfolgenrechts abstellt.

71

Die notwendige Einbeziehung des § 46 SGB VI erübrigt sich nicht schon dadurch, dass die Klägerin bei der Rentenversicherung einen Antrag nach § 47 SGB VI und nicht nach § 46 SGB VI gestellt hat und die Klage auf Gewährung einer Erziehungsrente aus § 47 SGB VI gerichtet ist. Denn über das Begehren eines Antragstellers ist im Rentenrecht nach der objektiven Rechtslage zu entscheiden. Wird ein Antrag auf eine bestimmte Rentenart gestellt, deren gesetzliche Voraussetzungen nicht erfüllt sind, der aber den Voraussetzungen für eine andere Rentenart genügt, hat der Rentenversicherungsträger Versicherte so zu stellen, als sei der zutreffende Antrag eingereicht worden, wenn für ihn der Sachverhalt erkennbar war (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 10. Oktober 1996 - L 8 Ar 640/95 -, Breithaupt 1997, S. 533). Wenn sich im Verwaltungsverfahren ein konkreter Anlass ergibt, Versicherte spontan auf klar zutage liegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und die verständige Versicherte mutmaßlich nutzen würden, so folgt der Verletzung von Beratungs- und Auskunftspflichten ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, ohne dass Versicherte um Auskunft und Beratung nachgesucht hätten (sogenannte Spontanberatung, vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 1997 - 8 RKn 1/97 -, BSGE 81, 251). Die Klägerin hatte in ihrem Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vorgetragen, sie strebe die Gleichbehandlung mit geschiedenen oder verheirateten Menschen an. Damit hatte sie auf eine angestrebte Rentengewährung nach § 47 SGB VI oder nach § 46 SGB VI hingewiesen. Eine Berücksichtigung des § 46 SGB VI würde nicht an versicherungsrechtlichen Voraussetzungen scheitern, da der verstorbene Lebensgefährte der Klägerin seit 1. November 2007 eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung bezog.

72

Der Vorlagebeschluss führt aus, ein Anspruch der Klägerin scheitere lediglich am Tatbestandsmerkmal der "Geschiedenheit". § 47 SGB VI setze aber nicht stets ein Scheitern der Beziehung voraus, nämlich nicht bei Nichtigerklärung der Ehe im Sinne des § 47 Abs. 2 SGB VI mit der Folge rückwirkender Kraft (vgl. RGZ 88, 328), zum Beispiel bei einer Doppelehe. Dieser Hinweis trifft nicht mehr zu. Denn zum 1. Juli 1998 ist die Unterscheidung zwischen Nichtigkeit und Aufhebung der Ehe entfallen. §§ 1313, 1314 BGB regeln die Aufhebung der Ehe durch richterliche Entscheidung mit Rechtskraft ex nunc abschließend. Diese Änderung im Familienrecht ist vom Gesetzgeber in § 47 SGB VI noch nicht redaktionell nachvollzogen worden (Butzer, in: Ruland/Försterling , GK-SGB VI, § 47 Rn. 54). § 47 Abs. 2 SGB VI kann sich jetzt nur noch auf die Aufhebung der Ehe ex nunc beziehen (§ 1313 Satz 2 BGB).

73

§ 46 SGB VI setzt nur das Bestehen einer Ehe voraus, während § 47 SGB VI die Eingehung einer Ehe und deren Scheidung voraussetzt. Ein Scheitern der Ehe ist Voraussetzung einer Scheidung und einer Eheaufhebung und damit implizites Tatbestandsmerkmal des § 47 SGB VI. Für die von der Klägerin geltend gemachten Gleichheitsfragen drängt es sich dabei auf, nicht allein auf eine Bestimmung abzustellen, die greift, wenn die Ehe geschieden wurde, sondern angesichts einer bestehenden, intakten Beziehung auch auf diejenige, die für nicht geschiedene Ehen gilt, also auf § 46 SGB VI. Das Landessozialgericht hätte diese mit § 47 SGB VI im Zusammenhang stehende Bestimmung in die rechtlichen Erwägungen einbeziehen müssen.

74

Auf bis zum Tod eines Ehegatten bestehende Ehen wird § 47 SGB VI nur angewendet, wenn Ehegatten ein Rentensplitting nach §§ 120a ff. SGB VI durchgeführt haben und dadurch eine Witwen- oder Witwerrente nach § 46 Abs. 2b SGB VI ausgeschlossen wird. Da dieses Institut aber nur Ehegatten und Lebenspartnern offensteht und ein dem Splitting vergleichbares Arrangement nicht ersichtlich ist, hätte sich das Landessozialgericht damit auseinandersetzen müssen, warum es im Falle der mit ihrem Partner nicht verheirateten Klägerin gerade eine Parallele zu Ehegatten sieht, die ein Rentensplitting durchgeführt haben.

75

Das Landessozialgericht hat in seiner Vorlage § 47 SGB VI nicht von § 46 SGB VI und § 243 SGB VI abgegrenzt und die Norm nicht in das Gesamtleistungssystem der Versorgung bei Versterben eines Ehegatten eingeordnet. Damit ist nicht dargetan, dass es auf die Verfassungsmäßigkeit des § 47 SGB VI entscheidungserheblich ankommt.

76

2. Die Ausführungen des Vorlagebeschlusses zur zweiten Vorlagefrage zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG werden auch in anderer Hinsicht den Darlegungsanforderungen nicht gerecht.

77

Das Landessozialgericht sieht Art. 3 Abs. 1 GG für die Vorlagefrage als einschlägig an. Verglichen werden gemeinsame leibliche Kinder, deren Eltern bis zum Tod des einen Partners eine nichteheliche Lebensgemeinschaft bildeten, mit Kindern eines geschiedenen Paares, die nicht aus der gemeinsamen Verbindung stammen. Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG schließt das Landessozialgericht a minore ad maius aus seinen Ausführungen zu Art. 6 Abs. 5 GG: "Wenn schon im Vergleich eheliche/nichteheliche Kinder eine Verfassungswidrigkeit vorliegt, so muss man diese - auch wenn nicht Art. 6 Abs. 5 GG, sondern der allgemeine Gleichheitssatz einschlägig ist - hier erst recht annehmen". Das Landessozialgericht sieht das Problem im Ausgangsfall darin, dass "nicht einmal der Tod des leiblichen Vaters zur Gewährung einer Erziehungsrente" an die Mutter führt, während "Patchwork-Kinder", also mit dem Verstorbenen nicht verwandte Kinder der Erziehungsperson, diese Rente auslösen können, wenn der Eltern- und der Stiefelternteil voneinander geschieden sind. Letztlich möchte das Landessozialgericht daher aus der besonderen Nähe des Kindes zum Verstorbenen, nämlich seiner leiblichen Abstammung, die Erst-recht-Rentenberechtigung der Erziehungsperson herleiten.

78

Hier setzt sich das Landessozialgericht nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3 Abs. 1 GG im Fürsorgerecht auseinander. Danach kann eine Hinterbliebenenversorgung wie für Witwen und Witwer bei Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder durch den überlebenden Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft durch Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG geboten sein (vgl. BVerfGE 112, 50 <67 ff.>).

79

3. Die dritte Vorlagefrage stellt zusätzlich darauf ab, dass die Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder für einen Anspruch nach § 47 SGB VI nicht genüge, die Erziehung gemeinsamer ehelicher Kinder dafür aber ausreiche. Das Landessozialgericht sieht darin eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Benachteiligung der mit dem verstorbenen Partner nicht verheirateten Erziehungsperson gegenüber einer solchen Erziehungsperson, die mit ihm verheiratet war. Die über Art. 6 Abs. 1 GG geschützte nacheheliche Solidarität sei ungeeignet, einen Differenzierungsgrund zu liefern. Vielmehr müsse der strenge Rechtfertigungsmaßstab des Art. 6 Abs. 5 GG, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, auf die Schlechterstellung der Erziehungsperson selbst übertragen werden. Damit wird letztlich angenommen, Ehen und nichteheliche Lebensgemeinschaften dürften nach Art. 3 Abs. 1 GG in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht unterschiedlich behandelt werden, soweit der Tatbestand auch an die Erziehung eines Kindes anknüpft, denn nach Art. 6 Abs. 5 GG seien eheliche und nichteheliche Kinder gleich zu behandeln. Eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Ehe unter Art. 6 Abs. 1 GG findet nicht statt (BVerfGE 105, 313<348 f.>).Insbesondere fehlen Ausführungen dazu, wann eine rechtlich nicht ausgeformte, nichteheliche Lebensgemeinschaft der Ehe oder einer eingetragenen Lebenspartnerschaft vergleichbar ist, in der auf Dauer rechtlich verbindlich Verantwortung für einander übernommen wird (vgl. BVerfGE 124, 199 <225>). Weiter fehlen Überlegungen dazu, ob es für die den Art. 3 Abs. 1 GG mit prägende Wertung des Art. 6 Abs. 5 GG von Bedeutung ist, dass es nicht um einen Betreuungsunterhaltsanspruch des erziehenden Elternteils gegen den anderen Elternteil geht (vgl. dazu BVerfGE 118, 45), sondern um einen Anspruch gegen einen Dritten, die Rentenversicherung, der in keiner Weise davon abhängig ist, ob durch den Todesfall etwaige Betreuungsunterhaltsansprüche verloren gegangen sind.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.

(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen darf nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.

(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Die Behörden sollen Verzeichnisse führen, aus denen sich die vorhandenen Informationssammlungen und -zwecke erkennen lassen.

(2) Organisations- und Aktenpläne ohne Angabe personenbezogener Daten sind nach Maßgabe dieses Gesetzes allgemein zugänglich zu machen.

(3) Die Behörden sollen die in den Absätzen 1 und 2 genannten Pläne und Verzeichnisse sowie weitere geeignete Informationen in elektronischer Form allgemein zugänglich machen.

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.


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(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.


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(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu;
2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.

(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.

(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.