Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 18. Aug. 2015 - 15 A 97/13
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt von der beklagten Universität eine Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW.
3Am 18. November 2008 beantragte der Kläger, der Geschäftsführer des Vereins Coordination gegen C.-Gefahren e. V. ist, bei der Beklagten, den Kooperationsvertrag ihrer Universitätsklinik mit der Beigeladenen vom 26. März 2008 offenzulegen. Die Beklagte sollte dazu im Einzelnen formulierte Fragen - wie z. B. „Wie wird sichergestellt, dass Konzeption und Auswertung pharmakologischer Studien nicht allein durch ökonomische Interessen beeinflusst werden?“ oder „Wie sind die Rechte an Arznei-Entwicklungen geregelt?“ - beantworten. Es solle öffentlich diskutiert werden, wie viele Rechte eine staatliche Einrichtung wie die Beklagte an ein privatwirtschaftliches Unternehmen wie die Beigeladene abtreten dürfe.
4Mit Schreiben vom 30. März 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ein Informationsanspruch bestehe mit Blick auf § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht. Die Kooperationsvereinbarung mit der Beigeladenen falle in den Bereich von Forschung und Lehre, der vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes NRW ausgenommen sei. Da die Kooperationsvereinbarung mediale Beachtung gefunden habe, sei die Beklagte jedoch bereit, nach Rücksprache mit der federführenden Medizinischen Fakultät eine detaillierte Auskunft zu erteilen. Die Rahmenvereinbarung zwischen dem Klinikum der Beklagten und der Beigeladenen zur Schaffung der Voraussetzungen für eine „präferierte Partnerschaft“ im Bereich der Forschung und Entwicklung innovativer Therapien diene der bundesweiten, vom Wissenschaftsrat und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft formulierten Zielsetzung, durch „Entwicklungspartnerschaften“ oder „strategische Allianzen“ die deutsche Hochschulmedizin und die international ins Hintertreffen geratene klinische Forschung wieder nachhaltig zu stärken. Zugleich werde die Unabhängigkeit der öffentlichen universitären und der privaten wirtschaftlichen Forschungsinteressen voneinander sichergestellt. „Bevorzugte Partnerschaft“ bedeute in dieser Rahmenvereinbarung, dass man auf Seiten des Unternehmens bei der anstehenden klinischen Testung neuer Substanzen und umgekehrt auf der Seite des Universitätsklinikums bei der Verfolgung neuer aus der Grundlagenwissenschaft stammender Entwicklungsvorhaben möglicherweise therapeutisch wirksamer Substanzen immer zuerst prüfe, ob sich die hierfür erforderlichen Forschungsarbeiten erfolgversprechend in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Partner durchführen ließen, bevor andere sich anbietende Kooperationsbeziehungen für die Verwirklichung der Projekte gesucht und eingegangen würden. Inhaltlich solle sich die Kooperation nach dem derzeitigen Stand der beidseitigen klinischen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben auf die Gebiete der Kardiologie, der Onkologie, der Augenheilkunde, der Neurologie und Psychiatrie sowie der Kinderheilkunde erstrecken. Ein gemeinsamer Lenkungsausschuss („Steering Committee“) mit paritätischer Besetzung treffe die Auswahl unter den in Frage kommenden Einzelprojekten, erstelle den Forschungsplan und kontrolliere in einem geregelten Verfahren die planungsadäquate Umsetzung der Projekte. Die organisatorische Vorbereitung und Sicherstellung aller hierfür erforderlichen Verfahrensschritte obliege dem Geschäftsführer des Lenkungsausschusses („Liaison Officer“). Diese zentrale Funktion übernehme der Leiter des Zentrums für klinische Studien der Medizinischen Fakultät der Beklagten. Als neue partnerschaftlich konzipierte und organisierte Struktur schließe das Kooperationsabkommen ein Graduiertenkolleg für „Pharmakologie und Therapieforschung“ mit ein. Darin würden Graduierten der Fächer Medizin, Chemie, Biologie, Biochemie und Pharmazie zwei- und dreijährige Promotionspfade an der Medizinischen sowie an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät zur Verfügung gestellt. Inhaltlich sollten die Doktorarbeiten aus den Forschungsgebieten der Toxikologie, Tiermodell-Entwicklung und Identifikation von Biomarkern bei internistischen und neurologischen Erkrankungen im Vordergrund stehen. Die Einrichtung des Kollegs erfolge nach den etablierten Strukturvorgaben und Gütekriterien unter dem Dach der „Graduate School of Biological Science“ der Beklagten, so dass auch für diesen Bestandteil der Kooperation die Unabhängigkeit von rein wirtschaftlichen Interessen sichergestellt sei. Nach alledem sei gewährleistet, dass die Entscheidungen über die Aufnahme von innovativen Vorhaben oder Dissertationsprojekten frei nach den jeweiligen Entwicklungsperspektiven erfolgten. Sie würden weder direkt noch indirekt durch wirtschaftliche Interessen beeinflusst. Die Vereinbarung enthalte keinerlei Bedingungen, die der für Drittmittelforschung üblichen Publikationsverpflichtung gemäß § 71 HG NRW entgegenstünden. Aus der Rahmenvereinbarung ergäben sich keine Einschränkungen des freien akademischen Austauschs im Allgemeinen und der Publikationsfreiheit im Besonderen. Publikationsentscheidungen, die den Gegenstand und die Ergebnisse der Zusammenarbeit beträfen, würden nach Beratung im Lenkungsausschuss herbeigeführt. Die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich sämtlicher schutzrechtsfähiger und nicht schutzrechtsfähiger Ergebnisse richte sich nach der Sponsoreneigenschaft i.S.v. § 4 Abs. 24 AMG. Sollten gemeinsame Entwicklungserfolge zur Vermarktung von patentrechtlich geschützten Produkten aufgrund von Patenten führen, die im Rahmen der Kooperationsvereinbarung angemeldet und erteilt worden seien, erhielten die jeweils Beteiligten ab Vermarktungsbeginn und für die Laufzeit der betreffenden Patente eine angemessene Vergütung nach den Vorgaben den Arbeitnehmererfindergesetzes. Der Umgang mit Informationen aus der Forschungs- und Entwicklungskooperation unterliege Geheimhaltungs- und Nichtverwendungspflichten, die beide Partner wechselseitig eingegangen seien. Industrielle Drittmittel für die Entwicklung und Erprobung neuer Medikamente würden in der Regel nur dann in Anspruch genommen, wenn die betreffenden klinischen Studien mit den Zielsetzungen der fünf an der Medizinischen Fakultät und dem Klinikum der Beklagten etablierten und von unabhängigen wissenschaftlichen Expertenkommissionen fortlaufend evaluierten Forschungsschwerpunkten übereinstimmten. Dafür sorge die Zielvereinbarung der Beklagten mit dem zuständigen Landesministerium. Auftragsforschung außerhalb der Zielgebiete würde Nachteile bei der leistungsorientierten Mittelvergabe des Landeszuschusses und vielen anderen Strukturierungsmaßnahmen der Medizinischen Fakultät mit sich bringen. Die Einwerbung öffentlicher Drittmittel vor allem von Seiten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Europäischen Kommission stelle ein ungleich höherwertigeres Gütekriterium für die leistungsorientierte Mittelvergabe dar. Schließlich überprüfe die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät jedes klinische Forschungs- und Entwicklungsvorhaben vor seiner Einleitung. Die juristische Seite des Abschlusses aller Verträge überprüfe das Rektorat der Beklagten.
5Unter dem 30. Juni 2009 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, dass der Rahmenvertrag aus ihrer Sicht Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse beinhalte. Bei einer Veröffentlichung der individuell ausgehandelten Vertragskonditionen würde der Wettbewerb unter den pharmazeutischen Unternehmen um kooperierende Kliniken sowie der Wettbewerb unter den Kliniken um derartige Kooperationen beeinträchtigt. Gerade im Bereich der Forschungs- und Entwicklungsverträge seien die in Rede stehenden Vertragsregelungen wichtige Elemente der Zusammenarbeit. Zudem eröffne eine detaillierte Veröffentlichung der Forschungskooperation, ihrer Ziele und der exakten Vorgehensweise zur Erreichung dieser Ziele Wettbewerbern Hinweise auf mögliche künftige Forschungs- und Geschäftsfelder. Dadurch entstünden der Beigeladenen Wettbewerbsnachteile. Um diese zu vermeiden, seien Verschwiegenheitsklauseln in Bezug auf alle Informationen im Zusammenhang mit der Kooperation Vertragsbestandteil.
6Nachdem der Kläger mit Schreiben an die Beklagte vom 26. Mai 2009 und vom 15. Juli 2010 - u. a. gestützt auf eine Stellungnahme des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW vom 16. Juni 2010 - an seinem Informationsbegehren festhielt, weil § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht einschlägig sei und etliche Fragen trotz der Antwort der Beklagten vom 30. März 2009 offengeblieben seien, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 20. August 2010 ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, ein Informationszugangsanspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW bestehe nicht. Da das klägerische Begehren den Bereich von Forschung und Lehre betreffe, sei das Informationsfreiheitsgesetz NRW gemäß § 2 Abs. 3 IFG NRW unanwendbar. Diese Regelung wolle sicherstellen, dass das Informationsfreiheitsgesetz NRW nicht in den Schutzbereich des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG eingreife. Dieses schütze auch unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten, die sich nicht auf bestimmte Forschungs- und Lehrvorhaben bezögen. In diesem Bereich müsse die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der Universitäten vor äußerem Druck - etwa durch unkontrollierte Informationsverbreitung - geschützt werden. Auch der in Rede stehende Vertrag behandle unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten. Sein Regelungsgehalt - sachliche und organisatorische Beiträge zur Findung und Durchführung von Einzelprojekten, Aufbau eines Graduiertenkollegs, finanzielle Kompensation einzelner Leistungen, Umgang mit Ergebnissen und Verteilung der Nutzungsrechte, Vertraulichkeit, Exklusivität der Kooperation in den Einzelprojekten, Verfahren bei der wissenschaftlichen Veröffentlichung aus Einzelprojekten, Haftung, Laufzeit, vertragstechnische Formalia - entspreche demjenigen jedes anderen Drittmittelvertrags. Unabhängig davon schütze Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG die Universität im wissenschaftlichen Wettbewerb. Würde das Informationsfreiheitsgesetz NRW für diesen Rahmenvertrag gelten und einen Auskunftsanspruch gewähren, könnten Wettbewerber die genaue Positionierung der Beklagten erfahren, ohne selbst ihre Positionierung öffentlich machen zu müssen. Sie könnten ihr eigenes Verhalten im wissenschaftlichen Wettbewerb um Forschungsgelder darauf einstellen und damit ihre Position einseitig stärken. Dies könnten die Zugangsbeschränkungen der §§ 8, 9 IFG NRW allein nicht wirksam verhindern.
7Der Ablehnungsbescheid vom 20. August 2010 war nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.
8Der Kläger hat am 8. Mai 2011 Klage erhoben.
9Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, ihm stehe der geltend gemachte Informationszugangsanspruch nach § 4 Abs. 1 IFG NRW als Privatperson zu, auch wenn er Geschäftsführer eines konzernkritischen Vereins sei. § 2 Abs. 3 IFG NRW schließe die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes NRW vorliegend nicht aus. Die Rahmenvereinbarung sei keine Forschung im engeren Sinn. Sie enthalte ausschließlich organisatorische Regelungen für zukünftige und derzeit noch nicht konkret festgelegte Forschungsprojekte. Nicht unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten wie z. B. die Planung wissenschaftlicher Vorhaben, die Koordinierung wissenschaftlicher Arbeit, die organisatorische Betreuung und Sicherung der Durchführung von Forschungsvorhaben, d. h. insbesondere die haushaltsmäßige Betreuung einschließlich der Mittelvergabe, sowie die Errichtung und der Einsatz von wissenschaftlichen Einrichtungen und Arbeitsgruppen seien nicht von dem Informationsfreiheitsgesetz NRW ausgenommen. Der Freiraum wissenschaftlicher Einrichtungen vor staatlicher Einflussnahme sei insoweit durch §§ 6 ff. IFG NRW hinreichend geschützt. Abgesehen davon behandle die Rahmenvereinbarung keine unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten. Der Rahmenvertrag berühre die Forschung nicht unmittelbar. Er bestimme nur in allgemeiner Form, wie zukünftig neue Forschungsfelder ausgewählt und neue Forschungsvorhaben nachfolgend organisatorisch umgesetzt würden. Sobald sich ein Forschungsvorhaben hinreichend konkretisiert habe, müssten die Einzelheiten des jeweiligen Vorhabens also erst noch in einer weiteren gesonderten Vereinbarung ausgehandelt werden. Die Forschungsplanung beginne nicht bereits mit der Schaffung eines allgemeinen Regelungsgerüsts für noch nicht benannte Forschungsprojekte, sondern allenfalls mit der Konkretisierung einzelner Forschungsthemen und -projekte. Es würden auch keine Forschungsstrategien offengelegt. Eine andere Betrachtungsweise würde dem Grundrecht auf freien Informationszugang aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG, dem Willkürverbot der Art. 3 Abs. 1 GG einschließlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG nicht gerecht. § 2 Abs. 3 IFG NRW sei demgemäß zumindest verfassungskonform auszulegen, wobei diese Möglichkeit in Anbetracht der genannten verfassungsrechtlichen Vorgaben als letztlich nicht gegeben erscheine. Dies gelte gerade auch in dem hier betroffenen Bereich der Forschung und Lehre an Hochschulen, in dem eine weitestgehende Transparenz herzustellen sei. Eine Beschränkung des Informationszugangs gemäß dem voraussetzungslosen § 4 Abs. 1 IFG NRW auf die klassische staatliche Eingriffsverwaltung gebe es nicht. Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz setze daher auch § 2 Abs. 3 IFG NRW eine Gefahr der Beeinträchtigung öffentlicher Belange bzw. einen mehr als geringfügigen Schaden voraus, der dem Interesse der Allgemeinheit an der Gewährung des Informationszugangs nach einer umfassenden Güterabwägung ähnlich der in § 8 Satz 3 IFG NRW vorgesehenen vorgehe. Diese Gefährdungslage sei konkret darzulegen, weil andernfalls die Begründungslast für Informationszugangsansprüche gesetzeswidrig umgekehrt würde. Ausnahmen vom Informationszugang seien ohnehin eng zu interpretieren. § 2 Abs. 3 IFG NRW verletze auch deshalb ohne sachlichen Grund das Regel-Ausnahme-Prinzip. Abstrakte Auswirkungen auf Forschung und Lehre, wie sie von der Beklagten eingewandt würden, füllten § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht aus. Weder aus den Landtagsprotokollen noch aus dem Gesetzestext ließen sich Hinweise darauf entnehmen, dass im Gesetzgebungsverfahren Überlegungen dazu angestellt worden seien, von welcher Art die Gefährdungen für Forschung und Lehre durch einen Informationszugang sein dürften und warum man solchen Gefährdungen ausschließlich und speziell mit der gesetzlichen Ausnahme einer absoluten Geheimhaltung gerecht zu werden versuche, anstatt dem ansonsten im Informationsfreiheitsgesetz NRW geregelten Prinzip eines freien und voraussetzungslosen Informationszugangs den Vorrang zu geben. Die Informationsfreiheit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG und das Demokratieprinzip forderten eine umfassende Publizität staatlichen Handelns. Dem komme § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht nach. Er sei in mehrerlei Hinsicht unverhältnismäßig. Bei alledem sei zu berücksichtigen, wie sich die Hochschullandschaft allgemein in Richtung einer zunehmenden Ökonomisierung verändere. Eine „Flucht ins Privatrecht“ dürfe den gesetzlichen Informationsanspruch nicht aushebeln. Dies zeige auch der Blick auf die Rechtslage in Bundesländern, die in Bezug auf Hochschulen einen unbeschränkten Informationszugang eröffneten. Auch dies erfordere eine verfassungsrechtliche Überprüfung von § 2 Abs. 3 IFG NRW. Im Ergebnis bleibe festzuhalten, dass den besonderen Gefahren, die im Zusammenhang mit dem Reformkonzept der sog. unternehmerischen Hochschule sowie der damit verbundenen industrienahen Forschung auf der Grundlage von geheimen Kooperationsverträgen drohten, nur dadurch wirksam begegnet werden könne, dass man zwecks hinreichender Kontrolle auch in diesem durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Bereich von Gesetzes wegen und ganz allgemein mehr Transparenz und Öffentlichkeit verlange. Es werde deswegen beantragt, das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 2 Abs. 3 IFG NRW mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Ein Verweigerungsrecht nach § 8 IFG NRW bestehe ebenfalls nicht. Die Beigeladene habe nicht substantiiert dargelegt, woraus sich eine Beeinträchtigung im Wettbewerb pharmazeutischer Unternehmen ergäbe, wenn die Rahmenvereinbarung öffentlich gemacht würde. Die einzelnen Forschungs- und Geschäftsfelder müssten aufgrund der Rahmenvereinbarung erst noch durch eine Kommission ausgehandelt werden. Es sei nach erfolgtem Vertragsschluss kaum denkbar, inwieweit mögliche Konkurrenten einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Offenlegung der begehrten Informationen ziehen könnten und der Beigeladenen dadurch ein messbarer Schaden entstehe. Ein hinreichender Schutz der Beigeladenen könne insoweit durch die Schwärzung einzelner Passagen gewährt werden. Demgegenüber habe der Kläger sein überwiegendes Interesse an dem Informationszugang dargetan. Er habe darauf hingewiesen, dass die European Medicines Agency mehr unabhängige Pharma-Forschung fordere, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werde. Da die Beklagte nun eine Kooperation mit der Industrie begonnen habe, müsse öffentlich diskutiert werden, wie viele Rechte sie an ein privatwirtschaftliches Unternehmen abgetreten habe. Um die Geheimhaltungsbedürftigkeit des Rahmenvertrags abschließend zu klären, müsse ggf. ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO eingeleitet werden.
10Der Kläger hat beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung ihres ablehnenden Bescheids vom 20. August 2010 zu verpflichten, ihm eine Kopie der Rahmenvereinbarung mit der Beigeladenen über Forschungsprojekte und die Errichtung eines Graduiertenkollegs zu überlassen.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hat vorgetragen, § 2 Abs. 3 IFG NRW sei einschlägig und schließe einen Informationszugangsanspruch des Klägers aus. Das Gesetz verwende bewusst eine weite Formulierung, um eine Gefährdung der Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung zu vermeiden. § 2 Abs. 3 IFG NRW gehe über den Regelungsgehalt der §§ 6 ff. IFG NRW hinaus. Würden nicht auch die unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten von § 2 Abs. 3 IFG NRW umfasst, wäre er überflüssig, weil der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG außerhalb der unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten erst recht den Ausnahmetatbeständen der §§ 6 ff. IFG NRW zuzuordnen wäre. Die §§ 6 ff. IFG genügten allerdings nicht einmal zur Vermeidung eines Eingriffs in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Der Rahmenvertrag beziehe sich auf Forschung und Lehre bzw. auf unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten. Dies sei im Schreiben vom 30. März 2009 und im Ablehnungsbescheid vom 20. August 2010 umfangreich ausgeführt worden. Darauf werde Bezug genommen. Namentlich sei Forschungsplanung die Planung wissenschaftlicher Vorhaben. Diese sei wesentlicher Gegenstand der Rahmenvereinbarung. An der Unmittelbarkeit dieser Regelungen fehle es nicht. Die Rahmenvereinbarung sei verbindlich. Sie steuere unmittelbar die Auswahl und Vorbereitung von Forschungsvorhaben. Dies sei bei typisierender und wertender Betrachtung unmittelbar wissenschaftsrelevant. Die Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG und das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG beeinflussten die Auslegung von § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht. Überdies sei systematisch zwischen der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW und den Ausschlusstatbeständen der §§ 6 ff. IFG NRW zu unterscheiden. Das Tatbestandsmerkmal einer konkreten Gefährdung könne in § 2 Abs. 3 IFG NRW ebenso wenig hineingelesen werden wie eine Interessenabwägung. Die abweichende Rechtslage in anderen Bundesländern bzw. im Bund sei dafür irrelevant. Dass eine Offenbarung des Rahmenvertrags gleichbedeutend mit einer Offenlage von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen i.S.v. § 8 IFG NRW wäre und ihr dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde, habe die Beigeladene hinreichend konkret dargelegt. Der Rahmenvertrag verhalte sich umfangreich zu Vergütungen, finanziellen Beteiligungen und zur Nutzung von Forschungsergebnissen. Durch das Bekanntwerden dieser Informationen würde der Beigeladenen ein wirtschaftlicher Schaden entstehen. Sie habe ein schutzwürdiges Interesse daran, dass diese Regelungen ihren Konkurrenten nicht bekannt würden, um die Exklusivität der Rahmenvereinbarung zu sichern. Diese werde deswegen durch eine besondere Geheimhaltungsvereinbarung ergänzt.
15Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie hat vorgetragen, der Kläger sei schon nicht i.S.v. § 4 Abs. 1 IFG NRW antragsbefugt. Er werde von dem Verein, dessen Geschäftsführer er sei, lediglich mit seinem Informationsbegehren vorgeschoben. Das Informationsbegehren sei auch unbegründet. Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes NRW sei nach § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht eröffnet. Dieser wolle bereits Gefährdungen der Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung vorbeugen. Diese ließen sich über die Ausschlussgründe der §§ 6 ff. IFG NRW nicht ebenso effektiv und nachhaltig vermeiden. Nur so könne der grundrechtlichen Gewährleistung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG Rechnung getragen werden. Eine Differenzierung zwischen Forschung und Lehre sowie unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten habe keine Stütze im Gesetz. Dies bestätige der Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes NRW. Es sei auf die Ausübung der Wissenschaftsfreiheit durch die Hochschule nicht zugeschnitten, welche keine klassischen staatlichen Aufgaben wahrnehme. Die Rahmenvereinbarung betreffe Forschung und Lehre i.S.d. § 2 Abs. 3 IFG NRW. Der Forschungsbegriff sei weit zu verstehen. Den durch ihn vermittelten Schutz genieße die gesamte praktische Durchführung eines Forschungsprojekts, die Organisation und Planung der Forschung sowie die Auftrags- und Industrieforschung. Der Schutz erstrecke sich auch auf die administrativ notwendige Akzessorietät zu Forschung und Lehre und somit auch auf den Rahmenvertrag. Dieser gebe den Rahmen für die Forschungskooperation der Vertragsparteien verbindlich vor. Er berühre die Forschung unmittelbar, indem er allgemeingültige forschungsrelevante Rahmenbedingungen aufstelle. Die Kooperationspartner zögen nicht zuletzt aus Praktikabilitätsgründen für eine Vielzahl von Projekten bedeutsame Fragen gleichsam vor die Klammer. Ohne eine solche Rahmenvereinbarung sei eine Forschungskooperation der Beklagten mit Dritten rechtlich gar nicht möglich. § 2 Abs. 3 IFG NRW sei eine Bereichsausnahme. Diese sei nicht verfassungskonform erweiternd auszulegen. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG und Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG hätten auf seine Anwendung keinen Einfluss. Der streitgegenständliche Rahmenvertrag sei schon keine allgemein zugängliche Quelle. Andere informationsfreiheitsrechtliche Bestimmungen der Bundesländer bzw. des Bundes seien für diese Frage unergiebig. § 2 Abs. 3 IFG NRW biete auch keinen Raum für eine umfassende Güterabwägung. Hilfsweise werde die Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen i.S.v. § 8 IFG NRW geltend gemacht. Bei einer Offenbarung der Rahmenvereinbarung würden die Konkurrenten der Beigeladenen in die Lage versetzt, die einzelnen Kautelen der Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der Beigeladenen genau zu studieren. Sie würden dadurch Kenntnis von wirtschaftlichen und strategischen Überlegungen der Beigeladenen erhalten. Dies hätte unmittelbare negative Konsequenzen für deren Situation am Markt und würde die Wettbewerbsfähigkeit der Konkurrenten entsprechend stärken. Dies gelte umso mehr, als die Rahmenvereinbarung die Bedingungen für eine Vielzahl künftiger Forschungsprojekte festlegen solle. Außerdem gebe es keinen Marktstandard für derartige Kooperationsverträge. Diese seien immer Gegenstand intensiver Verhandlungen. Würde der streitige Rahmenvertrag öffentlich, wüsste die gesamte Branche, zu welchen Bedingungen die Beklagte und die Beigeladene Forschungskooperationen eingingen. Beide Vertragsparteien hätten darunter auf Jahre hinaus zu leiden. Diese Informationen könnten von Wettbewerbern dazu genutzt werden, um zu Lasten der Beigeladenen bei künftigen Kooperationen mit Hochschulen bessere Angebote vorzulegen und die Beigeladene somit im Wettbewerb um besonders qualifizierte Kooperationspartner auszustechen. Umgekehrt würden potentielle Partner der Beigeladenen in die Lage versetzt, mindestens ein Angebot zu verlangen, das den mit der Beklagten vereinbarten Rahmenbedingungen entspreche. Auch dies würde die wirtschaftliche Situation der Beigeladenen nachteilig beeinflussen. Besonders die Regelungen über die Kompensation ließen Rückschlüsse darauf zu, welchen finanziellen Wert die Beigeladene der Kooperation mit der Beklagten beimesse. Angaben darüber könnten signifikant nachteilige Auswirkungen auf die Beigeladene haben. Denn Informationen über Forschungsausgaben seien höchst sensibel. Sie erlaubten konkrete Schlussfolgerungen auf die konkreten Aktivitäten der Betroffenen. Es sei davon auszugehen, dass Wettbewerber diese Erkenntnisse im eigenen Interesse verwerten würden. Dasselbe gelte für die Klauseln des Rahmenvertrags über die Verwertung und Veröffentlichung, die Ziele der Zusammenarbeit und die Haftung. Nach alledem würde der Beigeladenen durch den Informationszugang ein wirtschaftlicher Schaden entstehen, weil sich ihre Situation am Markt erheblich verschlechtern würde. Die bloße Schwärzung der Zahlenangaben im Rahmenvertrag könne diesen Schadenseintritt nicht verhindern. Auch aus den nicht unkenntlich gemachten Informationen über die Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen der Beigeladenen und der Beklagten könnten Erkenntnisse über die wirtschaftlichen und strategischen Überlegungen der Beigeladenen gewonnen werden.
18Mit Urteil vom 6. Dezember 2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW darauf, dass ihm die Beklagte den Inhalt der Rahmenvereinbarung mit der Beigeladenen zur Verfügung stelle. Die Beklagte sei bei Abschluss der Rahmenvereinbarung zumindest weitgehend im Bereich der Forschung tätig geworden. Daher gelte das Informationsfreiheitsgesetz NRW gemäß § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht. Diese Vorschrift, die nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen einschränkend auszulegen sei, beziehe sich auf das verfassungsrechtliche Begriffsverständnis des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG umfasse auch vorbereitende und begleitende Tätigkeiten, die einen wesentlichen Teil des Forschungsprozesses darstellten. Dazu zählten die Forschungsplanung und das Einwerben von Drittmitteln, die dem einzelnen Wissenschaftler die Durchführung konkreter Forschungsvorhaben ermöglichten. Dieser Bereich sei vorliegend betroffen. Soweit der Rahmenvertrag Regelungen enthalte, die ausschließlich die wirtschaftliche Verwertung etwaiger Forschungsergebnisse beträfen, könne der Antrag auf Informationszugang nach § 8 IFG NRW abgelehnt werden.
19Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.
20Der Kläger hat am 21. Dezember 2012 Berufung gegen das ihm am 13. Dezember 2012 zugestellte Urteil eingelegt.
21Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger ergänzend im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt fehlerhaft ermittelt. Um den Inhalt der Rahmenvereinbarung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO aufzuklären, hätte das Verwaltungsgericht ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO durchführen müssen. Nur so könne der Vertragsgegenstand rechtlich bewertet werden. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte sich im Hinblick auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit des Rahmenvertrags widersprüchlich verhalten habe. So habe eine Pressesprecherin der Beklagten in einem Zeitungsinterview am 21. November 2012 erklärt, der Rahmenvertrag enthalte keine geheimhaltungspflichtigen („kritischen“) Informationen. Das Verwaltungsgericht habe in der Konsequenz auch die materielle Rechtslage unzutreffend beurteilt. Es hätte sich mit der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 IFG NRW auseinandersetzen müssen. Das Informationsfreiheitsgesetz NRW diene wie die Informationsfreiheitsgesetze der anderen Bundesländer und des Bundes dazu, dem Informationsfreiheitsrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG und dem Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG umfassend Rechnung zu tragen. Daran müsse sich die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW messen lassen. Die Freiheit von Forschung und Lehre werde in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vorbehaltlos gewährleistet. Sie könne aber aufgrund von kollidierendem Verfassungsrecht eingeschränkt werden. Dazu müsse allgemein eine Abwägung aller Einzelfallumstände erfolgen, wobei insbesondere Grad und Schwere der jeweils festzustellenden Grundrechtsbeeinträchtigung den Ausschlag gäben. Dabei sei auch das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG zu berücksichtigen, zumal sich die Drittmittelfinanzierung immer weiter ausweite. Es sei nicht nachvollziehbar, warum durch die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW eine vergleichbare Geheimhaltungspflicht sowie eine darauf beruhende Begrenzung des Anspruchs auf voraussetzungslosen Informationszugang Gültigkeit haben solle wie bei anderen verfassungsrechtlich geschützten öffentlichen Belangen z. B. der Landesverteidigung, des Verfassungsschutzes und der öffentlichen Ordnung nach § 6 IFG NRW. Der Rahmenvertrag zwischen der Beklagten und der Beigeladenen verstoße seinerseits gegen Art. 5 Abs. 3 GG, weil die insoweit eingebundenen Wissenschaftler mit hoher Wahrscheinlichkeit Regeln unterworfen würden, die ihnen die für ihre Tätigkeit elementare Freiheit der Bewertung der erzielten Forschungsergebnisse ebenso entzögen wie die Freiheit der Methodenwahl und der Publikation. Einer derartigen Gefahr lasse sich nur durch ein Mehr an Transparenz begegnen. Im Interesse eines Mindestmaßes an Sicherheit und zur Vereinheitlichung der Gesetzeslage erscheine es als unverzichtbar, für die Informationsverweigerung generell die Darlegung einer konkreten Gefährdung für das betreffende Schutzgut zu verlangen. Ausnahmetatbestände seien eng auszulegen. Allgemeine Verweise auf eine angebliche Gefährdung der Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung reichten nicht aus. § 2 Abs. 3 IFG NRW verstoße weiterhin gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens sei ohne jede nachvollziehbare Begründung und damit willkürlich von einer Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit durch den freien Informationszugang ausgegangen worden. Ein Geheimnisschutz im Wege der Ausschlusstatbestände der §§ 6 ff. IFG NRW habe ohne Weiteres ausgereicht. Auch ansonsten sei § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht verhältnismäßig. Dies gebiete eine Vorlage der Rechtssache an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG. Schließlich greife der Ablehnungsgrund des § 8 IFG NRW nach wie vor nicht ein.
22Der Kläger beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres ablehnenden Bescheids vom 20. August 2010 zu verpflichten, ihm eine Kopie der Rahmenvereinbarung mit der Beigeladenen vom 26. März 2008 über Forschungsprojekte und die Errichtung eines Graduiertenkollegs zu überlassen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, der gerügte Verfahrensfehler liege nicht vor. Der Pressebericht vom 21. November 2012, auf den der Kläger verweise, enthalte keine zutreffende Wiedergabe der Erklärung der Pressesprecherin der Beklagten. Dass die Offenlegung des Rahmenvertrags dem Kläger Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zugänglich machen würde, habe das Verwaltungsgericht auf der Grundlage u. a. der Beschreibungen der Beklagten erkennen können. Im Einzelnen lasse sich der Inhalt der Rahmenvereinbarung wie folgt umschreiben: Die Präambel beschreibe in allgemeiner Form die auf die Herstellung einer präferierten Partnerschaft gerichteten Zielsetzung. Abschnitt 1 benenne als Gegenstand der Vereinbarung die Kooperation bei Forschungs- und Entwicklungsvorhaben insbesondere auf beispielhaft bezeichneten medizinischen Gebieten sowie die Förderung der wissenschaftlichen Ausbildung junger Wissenschaftler. Außerdem werde das „Steering Committee“ geregelt, dessen Mitglieder in einem Anhang namentlich bezeichnet seien und dass für bestimmte Entscheidungen zuständig sei. Abschnitt 2 regle Einzelheiten der Durchführung der Zusammenarbeit. Dazu gehörten die Gründung des Graduiertenkollegs und die Bestimmung, dass die Beklagte den „Liaison Officer“ benenne und welche Aufgaben diesem oblägen. Abschnitt 3 verhalte sich zur Information der Beigeladenen über den Fortgang der Zusammenarbeit, insbesondere die laufenden Einzelprojekte. Abschnitt 4 normiere die finanzielle Kompensation der Zusammenarbeit durch die Beigeladene. Abschnitt 5 treffe Regelungen zu der Verwendung der Forschungsergebnisse und zu den Nutzungsrechten. Abschnitt 6 beziehe sich unter Verweis auf eine als Anlage beigefügte Geheimhaltungsvereinbarung auf die Geheimhaltungspflichten. Abschnitt 7 regle in einem Satz die Informationspflicht der Beklagten gegenüber der Beigeladenen bei einer Zusammenarbeit mit Dritten über vereinbarte Einzelprojekte, wenn dadurch Interessenkollisionen entstehen könnten. Abschnitt 8 betreffe die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen. Abschnitt 9 regle Haftung und Garantie, Abschnitt 10 Laufzeit und Kündigung der Vereinbarung, Abschnitt 11 enthalte sonstige Bestimmungen wie z.B. die Anwendung deutschen Rechts und die Schriftformklausel. § 2 Abs. 3 IFG NRW sei verfassungsgemäß. Aus dem Demokratieprinzip ergebe sich keine Verpflichtung des Staates zur Offenlegung von Verwaltungsvorgängen. Bei der Gestaltung gesetzlicher Regelungen habe der Gesetzgeber einen weiten Spielraum. Ein Verfassungsverstoß folge auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG oder dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. § 2 Abs. 3 IFG NRW bewirke keinen Grundrechtseingriff, sondern schütze im Gegenteil das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die Erwägungen des Klägers zur Transparenz als verbindlichem Grundprinzip in der öffentlich finanzierten Wissenschaft seien rechtspolitischer Natur. Zu § 8 IFG NRW trage die Berufung nichts vor, was der Entscheidung des Verwaltungsgerichts widerspreche. Ergänzend werde auf § 71a HG NRW hingewiesen. Dieser enthalte eine abschließende Normierung der Unterrichtung der Öffentlichkeit über Forschungen der Hochschule mit Drittmitteln. Seine spezifisch auf die Hochschule bezogenen Regelungen trügen dem Ausschluss der Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes NRW nach Maßgabe von § 2 Abs. 3 IFG NRW Rechnung.
27Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
28die Berufung zurückzuweisen.
29Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, die Verfahrensrüge greife nicht durch. Wie die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung zutreffend ausgeführt habe, habe das Verwaltungsgericht nicht gegen §§ 86 Abs. 1, 99 Abs. 2 VwGO verstoßen. Das vom Kläger behauptete Prinzip des freien Informationszugangs gebe es nicht. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG begründe keine Pflicht des Gesetzgebers, einen allgemeinen Zugang zu Behördenakten zu ermöglichen. Der Kläger könne sich nicht auf § 2 Abs. 3 IFG NRW, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG berufen. Diese Vorschriften schützten die Beklagte. Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber habe im Übrigen gerade durch § 2 Abs. 3 IFG NRW den Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung Genüge getan. Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Der Gesetzgeber habe mit § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht Gleiches ungleich behandelt. Im föderalen Bundesstaat seien abweichende Rechtslagen unbedenklich, soweit der jeweilige Gesetzgeber im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz tätig werde. Es bleibe auch dabei, dass der Ablehnungsgrund des § 8 IFG NRW vorliege.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt des von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
31E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
32Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
33Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
34Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 20. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 4 Abs. 1 IFG NRW, ihm eine Kopie der Rahmenvereinbarung mit der Beigeladenen vom 26. März 2008 über Forschungsprojekte und die Errichtung eines Graduiertenkollegs zu überlassen.
35Zwar ist der Kläger grundsätzlich nach § 4 Abs. 1 IFG NRW anspruchsberechtigt (dazu I.). Allerdings ist das Informationsfreiheitsgesetz NRW nicht anwendbar. Die streitgegenständliche Rahmenvereinbarung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen fällt in den Bereich von Forschung und Lehre i.S.v. § 2 Abs. 3 IFG NRW. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen nicht (dazu II.). Einzelne Regelungen der Rahmenvereinbarung enthalten zudem Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen. Dies rechtfertigt die Ablehnung des Informationszugangsgesuchs des Klägers insoweit auch gemäß § 8 Satz 1 IFG NRW (dazu III.). Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, bedarf es weder der von dem Kläger angeregten Zeugenvernehmung einer Pressesprecherin der Beklagten noch eines in-camera-Verfahrens gemäß § 99 Abs. 2 VwGO (dazu IV.). Schließlich kann der Kläger den zur Entscheidung gestellten Informationsanspruch auch nicht aus § 71a HG NRW ableiten (dazu V.).
36I. Der Kläger ist grundsätzlich nach § 4 Abs. 1 IFG NRW anspruchsberechtigt.
37Nach dieser Vorschrift hat jede natürliche Person nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen.
38Der Kläger ist eine natürliche Person im Sinne dieser Bestimmung. Er wird trotz seiner Eigenschaft als Geschäftsführer eines Vereins, welcher der Beigeladenen kritisch gegenübersteht, als solche tätig. Der Kläger handelt bei der Verfolgung seines Informationsbegehrens im eigenen Namen und nicht nur als Vertreter bzw. Organwalter des Vereins.
39Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 28. Juli 2008 - 8 A 1548/07 -, juris Rn. 1 (hinsichtlich eines Insolvenzverwalters); Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 4 Rn. 384 f.
40Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger von dem Verein lediglich vorgeschoben wird und an den begehrten Informationen keinerlei persönliches Interesse hat. Von einem Rechtsmissbrauch kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein.
41Vgl. zu diesem Problemkreis VG Düsseldorf, Beschluss vom 27. August 2014 - 26 K 3308/14 -, juris Rn. 12 ff.; Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 4 Rn. 403 ff.
42II. Allerdings ist der Anspruch des Klägers nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW nicht begründet, weil die streitgegenständliche Rahmenvereinbarung i.S.v. § 2 Abs. 3 IFG NRW den Bereich von Forschung und Lehre betrifft. Für eine einschränkende Auslegung, die unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten aus der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW ausklammert, ist kein Raum (dazu 1.). § 2 Abs. 3 IFG NRW ist sowohl abstrakt als auch in dieser Interpretation verfassungsgemäß (dazu 2.). Einer Vorlage der Bestimmung an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Überprüfung ihrer Grundgesetzkonformität bedarf es somit nicht (dazu 3.).
431. a) Gemäß § 2 Abs. 3 IFG NRW gilt das Informationsfreiheitsgesetz NRW für Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Prüfungseinrichtungen nur, soweit sie nicht im Bereich von Forschung, Lehre, Leistungsbeurteilungen und Prüfungen tätig werden.
44Diese Bereichsausnahme greift im Hinblick auf die Rahmenvereinbarung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen vom 26. März 2008 über Forschungsprojekte und die Errichtung eines Graduiertenkollegs ein.
45Mit den Begriffen Forschung und Lehre bezieht sich § 2 Abs. 3 IFG NRW auf das verfassungsrechtliche Begriffsverständnis des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Durch den Zugang zu amtlichen Informationen soll es insbesondere nicht dazu kommen, dass die Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung gefährdet werden.
46Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 10; Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 2 Rn. 286.
47Das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit regelt als wertentscheidende Grundsatznorm das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat und schützt als Abwehrrecht die freie wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe. Wissenschaft ist ein grundsätzlich von Fremdbestimmung freier Bereich autonomer Verantwortung. Diesem Freiheitsrecht liegt der Gedanke zugrunde, dass eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen freie Wissenschaft Staat und Gesellschaft im Ergebnis am besten dient. Den Kernbereich wissenschaftlicher Betätigung stellen die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe dar. Zur Sicherung dieses Bereichs gewährleistet Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht nur die Freiheit von staatlichen Geboten und Verboten, sondern verpflichtet den Staat auch zu Schutz und Förderung und gewährt den in der Wissenschaft Tätigen Teilhabe an öffentlichen Ressourcen und an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs.
48Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1 = DVBl. 2011, 100 = juris Rn. 143, Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 - 1 BvR 462/06 -, BVerfGE 122, 89 = NJW 2009, 2190 = juris Rn. 40, und vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 911/00, 1 BvR 927/00, 1 BvR 928/00 -, BVerfGE 111, 333 = DVBl. 2005, 109 = juris Rn. 136, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 -, BVerfGE 35, 79 = NJW 1973, 1176 = juris Rn. 92 und 98.
49Forschung i.S.d. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist als Unterfall von Wissenschaft jede geistige Tätigkeit mit dem Ziel, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen. Grundrechtlich geschützte Forschung ist auch die Zweck-, Auftrags- oder Ressortforschung, wenn die Tätigkeit nach den Kriterien der Wissenschaftlichkeit und mit wissenschaftlichen Methoden ausgeführt wird. Für den Grundrechtsschutz ist gleichgültig, wer die Vertragspartner einer Auftragsforschung sind, also wer den Auftrag erteilt (Staat, Private) und wo geforscht wird (Universität, außeruniversitäre staatliche Einrichtung, private Einrichtung).
50Vgl. BAG, Urteil vom 19. März 2008 - 7 AZR 1100/06 -, BAGE 126, 211 = NZA 2009, 84 = juris Rn. 34 unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 -, BVerfGE 35, 79 = NJW 1973, 1176 = juris; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 137; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 6. Aufl. 2010, Art. 5 Abs. 3 Rn. 355 und 361; Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/ Henneke, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 45; Britz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 Rn. 19 ff.
51Die Forschungsfreiheit umfasst die Fragestellung und die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung des Forschungsergebnisses und seine Verbreitung. Daraus ergibt sich zum einen, dass auch im Bereich der Teilhabe am öffentlichen Wissenschaftsbetrieb jedenfalls der oben umschriebene Kernbereich wissenschaftlicher Betätigung grundsätzlich der Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers vorbehalten bleiben muss. Dem einzelnen Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erwächst aus der Wertentscheidung aber zum anderen auch ein Recht auf solche staatlichen Maßnahmen auch organisatorischer Art, die zum Schutz seines grundrechtlich gesicherten Freiheitsraums unerlässlich sind, weil sie ihm freie wissenschaftliche Betätigung überhaupt erst ermöglichen. Wäre dies nicht der Fall, so würde die wertentscheidende Grundsatznorm ihrer Schutzwirkung weitgehend beraubt. Diese Befugnis des einzelnen Grundrechtsträgers, gegenüber der öffentlichen Gewalt die Beachtung der wertentscheidenden Grundsatznorm durchsetzen zu können, gehört zum Inhalt des Individualgrundrechts, dessen Wirkungskraft dadurch verstärkt wird. Ein effektiver Grundrechtsschutz erfordert adäquate organisationsrechtliche Vorkehrungen.
52Vgl. BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 -, BVerfGE 35, 79 = NJW 1973, 1176 = juris Rn. 92 und 97 f. und 110.
53Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit ist deshalb auch im Bereich derjenigen Angelegenheiten, die als „wissenschaftsrelevant“ angesehen werden müssen, d. h. die Forschung und Lehre unmittelbar berühren, durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG begrenzt. Gleichermaßen geschützt sind mit anderen Worten alle Aktivtäten der Forschung mit allen vorbereitenden und unterstützenden Tätigkeiten. Dazu zählen insbesondere die Planung wissenschaftlicher Vorhaben, d. h. die Forschungsplanung, das Aufstellen von Lehrprogrammen und die Planung des Lehrangebotes, die Koordinierung der wissenschaftlichen Arbeit, also das Abstimmen der Forschungsvorhaben und der Lehrangebote aufeinander, die Harmonisierung der Lehraufgaben mit den Forschungsvorhaben, ferner die organisatorische Betreuung und Sicherung der Durchführung von Forschungsvorhaben und Lehrveranstaltungen, insbesondere ihre haushaltsmäßige Betreuung einschließlich der Mittelvergabe, die Errichtung und der Einsatz von wissenschaftlichen Einrichtungen und Arbeitsgruppen, die Festsetzung der Beteiligungsverhältnisse bei wissenschaftlichen Gemeinschaftsaufgaben, die Festlegung und Durchführung von Studien- und Prüfungsordnungen. Schließlich sind hierher auch die Personalentscheidungen in Angelegenheiten der Hochschullehrer und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter zu rechnen.
54Vgl. BVerfG, Urteile vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1 = DVBl. 2011, 100 = juris Rn. 240, und vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 -, BVerfGE 35, 79 = NJW 1973, 1176 = juris Rn. 115; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 138; Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Henneke, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 45; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 6. Aufl. 2010, Art. 5 Abs. 3 Rn. 370 f.; Britz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 Rn. 25.
55Dies zugrunde gelegt, ist die streitige Rahmenvereinbarung insgesamt dem Bereich von Forschung und Lehre im Verständnis des § 2 Abs. 3 IFG NRW zuzurechnen. Sie ist in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG einbezogen, der mit der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW deckungsgleich ist.
56Der Rahmenvertrag regelt Forschungs- und Lehrangelegenheiten jedenfalls in Gestalt von unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten. Dies geht aus der hinreichend konkreten Schilderung des Vertragsinhalts durch die Beklagte namentlich in ihrem Schreiben an den Kläger vom 30. März 2009 und präzisiert durch ihren Schriftsatz vom 17. August 2015 hervor. Darin hat die Beklagte zum Regelungsgehalt Folgendes ausgeführt: Das Kooperationsabkommen betreffe zum einen im Wesentlichen die Organisation und die Auswahl von pharmazeutischen Forschungsvorhaben, die Strukturbedingungen von deren Finanzierung sowie die Verwertung von deren Ergebnissen. Im Einzelnen solle sich die Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der Beigeladenen auf die Gebiete der Kardiologie, der Onkologie, der Augenheilkunde, der Neurologie und Psychatrie sowie der Kinderheilkunde erstrecken. Ein gemeinsamer Lenkungsausschuss („Steering Committee“) mit paritätischer Besetzung treffe die Auswahl unter den in Frage kommenden Einzelprojekten, erstelle den Forschungsplan und kontrolliere in einem geregelten Verfahren die planungsadäquate Umsetzung der Projekte. Die organisatorische Vorbereitung und Sicherstellung aller hierfür erforderlichen Verfahrensschritte obliege dem Geschäftsführer des Lenkungsausschusses („Liaison Officer“). Diese zentrale Funktion übernehme der Leiter des Zentrums für klinische Studien der Medizinischen Fakultät der Beklagten. Zum anderen schließe der Kontrakt ein Graduiertenkolleg für „Pharmakologie und Therapieforschung“ ein. Darin würden Graduierten der Fächer Medizin, Chemie, Biologie, Biochemie und Pharmazie zwei- und dreijährige Promotionspfade an der Medizinischen sowie an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät zur Verfügung gestellt. Inhaltlich sollten die Doktorarbeiten aus den Forschungsgebieten der Toxikologie, Tiermodell-Entwicklung und Identifikation von Biomarkern bei internistischen und neurologischen Erkrankungen im Vordergrund stehen. Die Einrichtung des Kollegs erfolge nach den etablierten Strukturvorgaben und Gütekriterien unter dem Dach der „Graduate School of Biological Science“ der Beklagten. Auch diese wissenschaftsbezogene Organisationsentscheidung stellt Forschung und Lehre i.S.d. § 2 Abs. 3 IFG NRW, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG dar.
57Dass die Auswahl der einzelnen Forschungsprojekte auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung erst später erfolgt, ist für die Qualifizierung als unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheit und damit die Anwendung des § 2 Abs. 3 IFG NRW unerheblich. Ungeachtet dieses Umstands stellt der Vertrag verbindlich strukturell die Weichen für das Ob und das Wie der Durchführung von Forschungsprojekten und damit für die Gewinnung von Forschungsergebnissen einschließlich deren nachfolgender Verwertung innerhalb der vereinbarten Forschungspartnerschaft. Von derartigen organisatorischen Grundentscheidungen ist der Erfolg jeder Forschungsarbeit im universitären Bereich oder an außeruniversitären Forschungsinstituten abhängig oder wird von ihr doch erheblich beeinflusst. Ihr Bezug zu Forschung und Lehre ist unmittelbar.
58Soweit einzelne Regelungen der Rahmenvereinbarung für sich gesehen keine unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten betreffen (etwa Laufzeit, Kündigungsfrist), unterfallen sie trotzdem der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW, weil die Beklagte mit dem Vertragswerk insgesamt im Bereich Forschung und Lehre tätig wird. Eine isolierte Einordnung dieser Nebenregelungen wird dem Gesamtzweck der Vereinbarung nicht gerecht.
59b) Für eine einschränkende Auslegung, die unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten jenseits des Kernbereichs des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG aus dem Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 IFG NRW ausklammert, ist kein Raum.
60Anders Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 2 Rn. 298 ff.
61Der Wortlaut des § 2 Abs. 3 IFG NRW unterscheidet nicht zwischen dem Kernbereich und Randbereichen von Forschung und Lehre. Auch die Gesetzesbegründung differenziert mit Blick auf § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht nach verschiedenen Graden der Schutzwürdigkeit von grundrechtlich geschützten wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrvorhaben. Der Gesetzgeber hat die Norm - wie schon angesprochen - unumschränkt damit begründet, dass der Informationszugang nicht dazu führen soll, dass die Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung gefährdet werden.
62Vgl. nochmals die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 10.
63Darin kommt die bewusste gesetzgeberische Entscheidung zugunsten einer dem Informationsfreiheitsgesetz NRW vorgelagerten Bereichsausnahme und zulasten eines in das System des Informationsfreiheitsgesetzes NRW integrierten Ausschlussgrundes gemäß §§ 6 ff. IFG NRW zum Ausdruck. Diese Konstruktion des § 2 Abs. 3 IFG NRW gepaart mit seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung im Gesetz versperrt Interpretationsansätze, die ihn einem der Ablehnungsgründe der §§ 6 ff. IFG NRW angleichen oder nach dem Vorbild des § 8 Satz 3 IFG NRW contra legem um eine Abwägungsklausel anreichern wollen. Die generelle Beobachtung, dass informationsfreiheitsrechtliche Ausnahmetatbestände regelmäßig eng zu verstehen sind,
64vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 39, Beschluss vom 9. November 2010 - 7 B 43.10 -, NVwZ 2011, 235 = juris Rn. 12; OVG NRW, Urteile vom 2. Juni 2015 - 15 A 1997/12 - juris Rn. 85, und vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981 = juris Rn. 52,
65ändert an diesem speziellen Befund nichts.
66Die gesetzgeberische Entscheidung zugunsten einer informationsfreiheitsrechtlichen Bereichsausnahme wird zusätzlich durch den durch Art. 1 des Hochschulzukunftsgesetzes NRW vom 16. September 2014 (GV. NRW. S. 547) in das Hochschulgesetz NRW neu eingefügten § 71a HG NRW unterstrichen, der Regelungen zur Transparenz bei der Forschung mit Drittmitteln statuiert. Gemäß § 71a Abs. 1 HG NRW informiert das Rektorat die Öffentlichkeit in geeigneter Weise über abgeschlossene Forschungsvorhaben, die aus Mitteln Dritter finanziert werden. Hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten gelten die §§ 9 und 10 IFG NRW entsprechend (§ 71a Abs. 2 HG NRW); eine Information findet nicht statt, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch die Gefahr des Eintritts eines wirtschaftlichen Schadens entsteht (§ 71a Abs. 3 Satz 1 HG NRW). Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber hat sich damit auch in der neuesten gesetzgeberischen Entwicklung dagegen entschieden, universitäre Forschungs-, Entwicklungs- und Lehrvorhaben mit subjektiv-rechtlich ausgestalteten Informationszugangsansprüchen Dritter nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW zu konfrontieren. Vielmehr hat der Gesetzgeber es bei einer bloßen (objektiv-rechtlichen) Informationsverpflichtung der Hochschule belassen, die im Hinblick auf den Schutz personenbezogener Daten und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Schutzmechanismen ähnlich den im Informationsfreiheitsgesetz NRW vorgesehenen unterliegt.
67Vgl. insoweit die Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung LT-Drs 16/5410, S. 375.
682. Eine restriktive Lesart des § 2 Abs. 3 IFG NRW, wie sie der Kläger befürwortet, ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten.
69a) Dies gilt zunächst mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.
70Soweit neben den Kernbereich der Forschungs- und Lehrfreiheit ein Sektor unmittelbar wissenschaftsrelevanter Angelegenheiten gestellt wird, genießt auch dieser den umfassenden Schutz des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG; er ist nicht vom Schutzbereich des Grundrechts ausgenommen. Dies hat zur Konsequenz, dass auch diesbezüglich das allgemeine Eingriffs- und verfassungsrechtliche Rechtfertigungsregime gilt. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG schützt gegen jegliche Eingriffe in die Autonomie von Wissenschaft und Hochschulen. Der Staat muss die Wissenschaftsfreiheit ggf. auch vor Störungen durch Dritte schützen.
71Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 911/00, 1 BvR 927/00, 1 BvR 928/00 -, BVerfGE 111, 333 = DVBl. 2005, 109 = juris Rn. 134 ff., und vom 7. Oktober 1980 - 1 BvR 1289/78 -, BVerfGE 55, 37 = NJW 1981, 741 = juris Rn. 117; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 142 und 145; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 6. Aufl. 2010, Art. 5 Abs. 3 Rn. 413; Britz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 Rn. 35 ff.
72Bei der Umsetzung dieses grundrechtlichen Auftrags hat er einen erheblichen Gestaltungsspielraum.
73Vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1995 - 1 BvR 1379/94, 1 BvR 1413/94 -, BVerfGE 93, 85 = DVBl. 1995, 1076 = juris Rn. 38, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71, 1 BvR 325/72 -, BVerfGE 35, 79 = NJW 1973, 1176 = juris Rn. 90; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 146; Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Henneke, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 47; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 6. Aufl. 2010, Art. 5 Abs. 3 Rn. 413; Britz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 Rn. 42 ff.
74Hiervon ausgehend ist nicht ersichtlich, dass einer Tangierung der Wissenschaftsfreiheit in einzelnen Fällen der Drittmittelforschung nur durch Eröffnung eines subjektiven Informationsanspruchs für jedermann begegnet werden kann. Vielmehr ist es angesichts der grundgesetzlichen Wertentscheidung, die der Autonomie von Forschung und Lehre gegenüber dem Staat und ggf. auch privaten Dritten einen hohen Stellenwert beimisst, nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber mit § 2 Abs. 3 IFG NRW Forschung und Lehre gegenüber allgemeinen Informationszugangsansprüchen immunisiert, indem er die Bereichsausnahme mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG parallelisiert hat.
75Ähnlich argumentieren das VG Mainz, Beschluss vom 7. September 2009 - 3 L 762/09.MZ -, juris Rn. 4 (zu § 2 IFG Rh.-Pf.); sowie das VG Braunschweig, Urteil vom 26. Juni 2013 - 5 A 33/11 -, juris Rn. 21 (zu § 6 Satz 1 IFG).
76b) § 2 Abs. 3 IFG NRW verstößt weder abstrakt noch in dieser konkretisierenden Auslegung gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG, dem zufolge jeder das Recht hat, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.
77§ 2 Abs. 3 IFG NRW greift schon nicht in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG ein.
78Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG ergibt sich kein verfassungsunmittelbares Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle. Erst nach Herstellung der allgemeinen Zugänglichkeit und nur in ihrem Umfang kann der grundrechtliche Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG betroffen sein. Hoheitliche Beeinträchtigungen dieses Zugangs sind Grundrechtseingriffe. Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle, wenn sie geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen. Geeignet als Informationsquellen sind alle Träger von Informationen, darunter auch Ereignisse und Vorgänge. Geschützt ist daher nicht nur die Unterrichtung aus der Informationsquelle, sondern auch die Informationsaufnahme an einer Quelle. Das Grundrecht gewährleistet aber nur das Recht, sich ungehindert aus einer schon für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmten Quelle zu unterrichten. Fehlt es an dieser Bestimmung, ist die Informationsbeschaffung nicht vom Grundrecht der Informationsfreiheit geschützt. Das Grundrecht umfasst allerdings ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Zugang in Fällen, in denen eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle aufgrund (einfach-)rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist, der Staat den Zugang aber verweigert.
79Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 - 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99 -, BVerfGE 103, 44 = DVBl 2001, 456 = juris Rn. 55 f.; OVG NRW, Beschluss vom 27. Juni 2012 - 5 B 1463/11 -, DVBl. 2012, 1113 = juris Rn. 26; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 24 f. und 28; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 244; Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Henneke, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 15; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 6. Aufl 2010, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 50; Bethge, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 59a ff.
80Ausgehend davon ist ein Eingriff durch § 2 Abs. 3 IFG NRW in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG zu verneinen. § 2 Abs. 3 IFG NRW nimmt amtliche Informationen im Bereich von Forschung und Lehre gerade von der allgemeinen Zugänglichkeit aus. Einen Anspruch, den Informationszugang auch auf diesen Typ von Informationen auszudehnen, verschafft Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG nicht.
81Vgl. dazu auch VG Braunschweig, Urteil vom 26. Juni 2013 - 5 A 33/11 -, juris Rn. 27 (im Hinblick auf § 6 Satz 1 IFG); genauso für die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. August 2014 - OVG 12 B 14.12 -, NVwZ-RR 2015, 123 = juris Rn. 25.
82c) § 2 Abs. 3 IFG NRW steht nicht im Widerspruch zu dem Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG.
83Auch die Öffentlichkeit der staatlichen Beratungs- und Entscheidungsprozesse ist Bestandteil des demokratischen Prinzips. Als Kontrollinstrument staatlicher Machtausübung ist sie zugleich ein rechtsstaatliches Anliegen. Das Öffentlichkeitsgebot gilt abgeschwächt auch für die Exekutive. Insbesondere ist die Regierung verpflichtet, der Öffentlichkeit ihre Politik, ihre Maßnahmen und Vorhaben sowie die künftig zu lösenden Fragen darzulegen und zu erläutern. Daher ist die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung nicht nur zulässig, sondern auch notwendig, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten. Konkrete Publizitätspflichten vermag das Demokratieprinzip aber weder für die Regierung noch für die Verwaltung zu begründen.
84Vgl. zum Ganzen BVerfG, Urteil vom 4. Juli 2007 - 2 BvE 1/06, 2 BvE 2/06, 2 BvE 3/06, 2 BvE 4/06 -, BVerfGE 118, 277 = NVwZ 2007, 916 = juris Rn. 270, Beschluss vom 23. Februar 1983 - 2 BvR 1765/82 -, BVerfGE 63, 230 = NJW 1983, 1105 = juris Rn. 53; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 20 Rn. 11 ff., jeweils m.w.N.
85Aus diesem Grund gebietet das Demokratieprinzip dem Gesetzgeber nicht, den Informationszugang auch hinsichtlich des Bereichs von Forschung und Lehre einzuführen. Ein solcher ist auch nicht zwingend vonnöten, um die im demokratischen Gemeinwesen notwendige politische Publizität herzustellen. Eine substantielle öffentliche Diskussion über und eine effektive öffentliche Kontrolle von Forschungsvorhaben - einschließlich unmittelbar wissenschaftsrelevanter Angelegenheiten -, die gleichzeitig das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG respektiert, kann auch ohne einen korrespondierenden Informationszugangsanspruch durch das Informationsfreiheitsgesetz NRW stattfinden. Diskussionen über die Richtung und die Möglichkeitsbedingungen von Forschung und Lehre können im öffentlichen, d. h. auch parlamentarischen Raum geführt werden. Auch auf diese Weise erscheint das Verhältnis zwischen einer politisch-rechtlichen Einflussnahme auf Forschung und Lehre einerseits und deren verfassungsrechtlich garantierter Autonomie andererseits als vertretbar austariert.
86d) § 2 Abs. 3 IFG NRW steht mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG im Einklang.
87Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt nicht, unter allen Umständen Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht schon verletzt, wenn der Gesetzgeber Differenzierungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt. Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will. Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen. Zu einer Differenzierung bei ungleichen Sachverhalten ist der Gesetzgeber danach nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf.
88Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07 -, BVerfGE 133, 377 = DVBl. 2013, 909 = juris Rn. 86, und vom 16. Juli 2012 - 1 BvR 2983/10 -, NVwZ 2012, 1535 = juris Rn. 41 ff., jeweils m.w.N.
89Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für Einzelne verfügbar sind. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Im Übrigen hängt das Maß der Bindung u. a. davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Kriterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird.
90Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 1 BvL 18/11 -, BVerfGE 133, 1 = NJW 2013, 1418 = juris Rn. 45, m.w.N.
91Zieht man diese Grundsätze heran, scheidet die Annahme aus, dass § 2 Abs. 3 IFG NRW dem Gleichheitssatz zuwiderläuft.
92Es fehlt schon an einer Ungleichbehandlung vergleichbarer Personen und Sachverhalte. § 2 Abs. 3 IFG NRW behandelt alle von ihm betroffenen Normadressaten gleich. Wie die informationsfreiheitsrechtliche Rechtslage im Bund oder in anderen Bundesländern ist, ist für diese Bewertung unerheblich. Dies sind andere Normgeber mit anderen Normadressaten. Wird der Landesgesetzgeber - wie hier - innerhalb seiner Gesetzgebungskompetenz tätig, können sich die davon Betroffenen zur Begründung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf abweichende Regelungen im Bund und in anderen Ländern berufen.
93Vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 -, BVerfGE 106, 225 = NVwZ 2003, 720 = juris Rn. 48, m.w.N.
94Dass der Gesetzgeber sich mit § 2 Abs. 3 IFG NRW für das Modell der Bereichsausnahme - und anders als etwa bei der vom Kläger angeführten Landesverteidigung gegen eine Ausgestaltung als nachgelagerter Ablehnungsgrund, der in §§ 6 ff. IFG NRW eingegliedert wäre - entschieden hat, liegt innerhalb seines oben erwähnten weiten Gestaltungsspielraums und ist ebenfalls mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG bedenkenfrei.
953. Einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Überprüfung der Grundgesetzkonformität von § 2 Abs. 3 IFG NRW bedarf es somit nicht.
96Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt (Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG).
97Vgl. zu den inhaltlichen Anforderungen an einen Vorlagebeschluss im Einzelnen etwa BVerfG, Beschlüsse vom 12. Februar 2014 - 1 BvL 7/11 -, juris Rn. 9, und vom 2. Mai 2012 - 1 BvL 20/09 -, BVerfGE 131, 1 = NJW 2012, 2176 = juris Rn. 66 ff., jeweils m.w.N.
98Danach kommt eine Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht, weil § 2 Abs. 3 IFG NRW aus den genannten Gründen verfassungsgemäß ist.
99III. Soweit einzelne Regelungen der Rahmenvereinbarung zwischen der Beklagten und der Beigeladenen vom 26. März 2008 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen enthalten, ist insofern zudem die Ablehnung des Informationszugangsgesuchs des Klägers gemäß § 8 Satz 1 IFG NRW gerechtfertigt.
100Der Antrag auf Informationszugang ist gemäß § 8 Satz 1 IFG NRW abzulehnen, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.
101Geschäftsgeheimnisse i.S.v. § 8 Satz 1 IFG NRW betreffen den kaufmännischen Teil eines Gewerbebetriebes, der nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist und mit Blick auf die berechtigten wirtschaftlichen Interessen nach dem Willen des Unternehmers geheim gehalten werden soll. Hierzu zählen Preiskalkulationen, Bezugsquellen, Ertragslage, Kreditwürdigkeit, Geschäftsverbindungen, Marktstrategien sowie Kundenlisten.
102Vgl. OVG NRW, Urteile vom 2. Juni 2015 - 15 A 1997/12 -, juris Rn. 115, und vom 17. Mai 2006 - 8 A 1642/05 -, NWVBl. 2006, 292 = juris Rn. 64; zu § 6 Satz 2 IFG Bund: OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981= juris Rn. 125 ff.,
103Ein wirtschaftlicher Schaden ist anzunehmen, wenn die in Anspruch genommene öffentliche Stelle oder der betroffene Dritte, auf den sich die begehrte amtliche Information bezieht, konkret und substantiiert deutlich machen, dass sich ihre Wettbewerbssituation durch die Offenbarung des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses nachhaltig verschlechtern wird.
104Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 1997/12 -, juris Rn. 119; Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 8 Rn. 878 f.
105Diese Voraussetzungen sind im konkreten Fall gegeben. Namentlich haben die Beigeladene in ihrem Schreiben an die Beklagte vom 30. Juni 2009 sowie im Zuge des gerichtlichen Verfahrens die Beklagte mit ihrem den Vertragsinhalt konkretisierenden Schriftsatz vom 17. August 2015 hinreichend konkret dargelegt, dass ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis offenbart würde, wenn der Kläger den streitbefangenen Informationszugang erhielte. Die Beigeladene und die Beigeladenen haben damit auch hinreichend substantiiert aufgezeigt, dass der Beigeladenen durch die Gewährung des Informationszugangs ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.
106Nach dem plausiblen Vorbringen der Beklagten und der Beigeladenen enthält der Rahmenvertrag Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, weil er die Forschungskooperation der Beigeladenen mit der Beklagten, ihre Ziele und die exakte Vorgehensweise zur Erreichung dieser Ziele - insbesondere in den Abschnitten 1 und 2 der Vereinbarung - detailliert beschreibt. Daraus lassen sich für Wettbewerber Rückschlüsse auf Marktstrategien und aktuelle sowie zukünftige Forschungsprojekte der Beigeladenen im pharmazeutischen Bereich ziehen. Es ließe sich ferner anhand der individuell ausgehandelten Vertragskonditionen - etwa in den Abschnitten 4 und 5 des Vertragswerks zur finanziellen Kompensation, zur Verwendung der Forschungsergebnisse und der Nutzungsrechte - erkennen, unter welchen Bedingungen die Beigeladene augenscheinlich bereit ist, die Geschäftsbeziehung einer Forschungskooperation mit einer Universität einzugehen.
107Es ist im Weiteren nachvollziehbar, dass der Beigeladenen ein wirtschaftlicher Schaden entstünde, wenn der Rahmenvertrag im Detail publik würde. Dadurch würde sich ihre Marktsituation in der Pharma-Branche absehbar nachhaltig verschlechtern. Konkurrenten der Beigeladenen würden durch eine Kenntnis der Vertragsklauseln in die Lage versetzt, die erkennbaren Marktstrategien der Beigeladenen zu durchkreuzen oder ihr beim Abschluss von Forschungskooperationen zuvorzukommen, indem sie bessere Vertragsbedingungen anböten als die Beigeladene. Würde der Beigeladenen der Wettbewerb um besonders qualifizierte (universitäre) Kooperationspartner erschwert, würde ihre Forschungsarbeit, ihre Innovationsfähigkeit und damit ihre Marktbeständigkeit Schaden nehmen.
108Es ist auch überzeugend, dass eine bloße Schwärzung einzelner Zahlenangaben im Rahmenvertrag diesen Schadenseintritt nicht verhindern könnte. Auch aus den nicht unkenntlich gemachten Informationen über die Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen der Beigeladenen und der Beklagten können Schlussfolgerungen im Hinblick auf die wirtschaftlichen und strategischen (Forschungs‑)Überlegungen der Beigeladenen gezogen werden.
109Der Ablehnungsgrund des § 8 Satz 1 IFG NRW ist nicht gemäß § 8 Satz 3 IFG NRW ausgeschlossen.
110Nach dieser Vorschrift gilt § 8 Satz 1 IFG NRW nicht, wenn die Allgemeinheit ein überwiegendes Interesse an der Gewährung des Informationszugangs hat und der eintretende Schaden nur geringfügig wäre.
111Das Interesse der Allgemeinheit ist entsprechend dem Zweck des Gesetzes ‑ interessierten Personen Zugang zu einer bestimmten amtlichen Information zu verschaffen - anhand des Kreises der von einem Verwaltungshandeln im weitesten Sinne Betroffenen zu bestimmen.
112Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 9. Juli 2004 - 26 K 4163/03 -, juris Rn. 26; Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 8 Rn. 910.
113Ist ein Interesse der Allgemeinheit festzustellen und der zu erwartende wirtschaftliche Schaden geringfügig, fällt die Abwägung regelmäßig zugunsten der Informationsfreiheit aus. Ob ein Schaden geringfügig ist, ist jedoch im Lichte des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG zu beurteilen, unter dessen Schutz Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse stehen. Dieser verfassungsrechtliche Schutz indiziert wiederum, dass die Geringfügigkeit eines wirtschaftlichen Schadens grundsätzlich nur ausnahmsweise anzunehmen ist und ein Informationszugang demgegenüber nur in Frage kommt, wenn er zum Schutz eindeutig höherrangiger Rechtsgüter der Allgemeinheit erforderlich ist.
114Vgl. OVG S.-H., Beschluss vom 22. Juni 2005 - 4 LB 30/04 -, juris Rn. 62 (zu § 11 IFG S.-H.); Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 8 Rn. 912 ff.
115Vorliegend ist dies nicht der Fall.
116Die Beklagte und die Beigeladene haben - wie ausgeführt - verdeutlicht, dass sich die Marktposition der Beigeladenen im Pharma-Bereich im Falle einer Offenlegung des Rahmenvertrags - in seiner unteilbaren Gesamtheit - erheblich verschlechtern kann. Dies ist keine geringfügige Schadensposition, weil die Wettbewerbsfähigkeit der Beigeladenen nicht zuletzt von einer innovativen und qualifizierten Forschungsarbeit abhängt. Dagegen fallen keine eindeutig überwiegenden Allgemeininteressen ins Gewicht. Der Rahmenvertrag betrifft nur die Forschungszusammenarbeit zwischen der Beklagten und der Beigeladenen. Eigene Interessen Dritter werden durch ihn nicht unmittelbar berührt. Außerdem informieren die Angaben, welche die Beklagte in ihrem Schreiben an den Kläger vom 30. März 2009 und in ihrem Schriftsatz vom 17. August 2015 zu dem Vertragsinhalt gemacht haben, so eingehend über diesen, dass schon auf dieser Grundlage eine substantielle Debatte über Forschungspartnerschaften von Universitäten und Pharmaunternehmen oder darüber, wie viele Rechte eine staatliche Einrichtung wie die Beklagte an ein privatwirtschaftliches Unternehmen abtreten darf, stattfinden kann.
117IV. Um zu dieser Überzeugung zu gelangen, bedarf es weder der von dem Kläger angeregten Zeugenvernehmung einer Pressesprecherin der Beklagten (dazu 1.) noch eines in-camera-Verfahrens gemäß § 99 Abs. 2 VwGO (dazu 2.).
1181. Wie die Pressesprecherin der Beklagten den Vertragsinhalt in einem Pressegespräch eingestuft hat, ist für dessen informationsfreiheitsrechtliche Qualifizierung ohne Belang. Abgesehen davon hat die Pressesprecherin in dem von dem Kläger vorgelegten Zeitungsartikel vom 21. November 2012 lediglich kundgetan, sie sehe keine kritischen Vertragsinhalte, die „einer Veröffentlichung nach entsprechendem Richterspruch“ entgegenstünden. Damit ist letztlich nur erklärt, die Beklagte werde sich nach Beendigung des gerichtlichen Verfahrens im Falle ihres Unterliegens rechtskonform verhalten.
1192. Auf der nach §§ 86 Abs. 1, Abs. 2, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beurteilenden Ebene der informationsfreiheitsrechtlichen Sachverhaltsfeststellung und ‑würdigung ist zu prüfen, ob anhand des konkreten Inhalts der zur Verfügung stehenden Akten bzw. mittels der dazu gemachten behördlichen Angaben verifiziert werden kann, dass ein Ablehnungsgrund (auch) hinsichtlich der nicht zur Verfügung stehenden (Teile der) Information vorliegt.
120Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 7 A 15.10 -, NVwZ 2013, 1285 = juris Rn. 20, m.w.N; OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 89.
121Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten ist, folgt nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das in-camera-Verfahren des § 99 Abs. 2 VwGO. Dies gilt sowohl mit Blick auf prozedurale als auch hinsichtlich materieller Geheimhaltungsgründe. Auch für deren Feststellung muss der konkrete Akteninhalt nicht zwingend rechtserheblich sein. Das Hauptsachegericht muss zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären. Je nach Fallkonstellation fordert es vor Erlass eines Beweisbeschlusses die aktenverweigernde Stelle ggf. auf, weitere Angaben mit abstrakter Umschreibung zur Kategorisierung der einzelnen in den zurückgehaltenen Akten befindlichen Schriftstücke einschließlich der Anlagen etwa in Form eines mit (paginierten) Blattzahlen spezifizierten Inhaltsverzeichnisses zu machen. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder eines Erörterungstermins kann hinreichende Grundlage für die Feststellung sein, dass eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen entscheidungserheblich ist, weil die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - nicht ausreichen, um zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten fachgesetzlichen Ausnahmegründe vorliegen.
122Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. April 2011 - 20 F 20.10 -, NVwZ 2011, 880 = juris Rn. 8, vom 2. November 2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233 = juris Rn. 12 f., vom 25. Juni 2010 - 20 F 1.10 -, NVwZ 2010, 1495 = juris Rn. 7; OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 91.
123Gemessen daran ist ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst. Bereits mit Hilfe des vorliegenden Akteninhalts und des - ausführlichen - Vortrags der Beklagten und der Beigeladenen zu der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG und zu dem Ausschlussgrund des § 8 IFG NRW lässt sich hinreichend sicher beurteilen, dass diese Bestimmungen eingreifen und einem Informationszugangsanspruch des Klägers entgegenstehen. Die Beklagte und die Beigeladene haben die Rahmenvereinbarung vom 26. März 2008 - zuletzt mit dem Schriftsatz der Beklagten vom 17. August 2015 - genau genug umschrieben, um dem erkennenden Senat eine inhaltliche Prüfung dieser Ausnahmen von dem Informationsanspruch zu ermöglichen. Diese Prüfung führt zu dem beschriebenen Ergebnis.
124V. Schließlich kann der Kläger den zur Entscheidung gestellten Informationsanspruch auch nicht aus § 71a HG NRW ableiten. Dies ergibt sich aus den Ausführungen unter II. 1. b), wonach diese Bestimmung lediglich einen objektiven Informationsauftrag an die Hochschule enthält, nicht aber ein subjektives, anspruchsförmiges Informationsrecht.
125Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
126Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
127Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 18. Aug. 2015 - 15 A 97/13
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Im Sinne dieses Gesetzes ist
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amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden. Fertigarzneimittel sind nicht Zwischenprodukte, die für eine weitere Verarbeitung durch einen Hersteller bestimmt sind.
(2) Blutzubereitungen sind Arzneimittel, die aus Blut gewonnene Blut-, Plasma- oder Serumkonserven, Blutbestandteile oder Zubereitungen aus Blutbestandteilen sind oder als Wirkstoffe enthalten.
(3) Sera sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Absatz 1, die Antikörper, Antikörperfragmente oder Fusionsproteine mit einem funktionellen Antikörperbestandteil als Wirkstoff enthalten und wegen dieses Wirkstoffs angewendet werden. Sera gelten nicht als Blutzubereitungen im Sinne des Absatzes 2 oder als Gewebezubereitungen im Sinne des Absatzes 30.
(4) Impfstoffe sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1, die Antigene oder rekombinante Nukleinsäuren enthalten und die dazu bestimmt sind, beim Menschen zur Erzeugung von spezifischen Abwehr- und Schutzstoffen angewendet zu werden und, soweit sie rekombinante Nukleinsäuren enthalten, ausschließlich zur Vorbeugung oder Behandlung von Infektionskrankheiten bestimmt sind.
(5) Allergene sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1, die Antigene oder Haptene enthalten und dazu bestimmt sind, beim Menschen zur Erkennung von spezifischen Abwehr- oder Schutzstoffen angewendet zu werden (Testallergene), oder Stoffe enthalten, die zur antigenspezifischen Verminderung einer spezifischen immunologischen Überempfindlichkeit angewendet werden (Therapieallergene).
(6) (weggefallen)
(7) (weggefallen)
(8) Radioaktive Arzneimittel sind Arzneimittel, die radioaktive Stoffe sind oder enthalten und ionisierende Strahlen spontan aussenden und die dazu bestimmt sind, wegen dieser Eigenschaften angewendet zu werden; als radioaktive Arzneimittel gelten auch für die Radiomarkierung anderer Stoffe vor der Verabreichung hergestellte Radionuklide (Vorstufen) sowie die zur Herstellung von radioaktiven Arzneimitteln bestimmten Systeme mit einem fixierten Mutterradionuklid, das ein Tochterradionuklid bildet, (Generatoren).
(9) Arzneimittel für neuartige Therapien sind Gentherapeutika, somatische Zelltherapeutika oder biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 324 vom 10.12.2007, S. 121; L 87 vom 31.3.2009, S. 174), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1243 (ABl. L 198 vom 25.07.2019, S. 241) geändert worden ist.
(10) (weggefallen)
(11) (weggefallen)
(12) (weggefallen)
(13) Nebenwirkungen sind schädliche und unbeabsichtigte Reaktionen auf das Arzneimittel. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind Nebenwirkungen, die tödlich oder lebensbedrohend sind, eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären Behandlung erforderlich machen, zu bleibender oder schwerwiegender Behinderung, Invalidität, kongenitalen Anomalien oder Geburtsfehlern führen. Unerwartete Nebenwirkungen sind Nebenwirkungen, deren Art, Ausmaß oder Ergebnis von der Fachinformation des Arzneimittels abweichen.
(14) Herstellen ist das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe.
(15) Qualität ist die Beschaffenheit eines Arzneimittels, die nach Identität, Gehalt, Reinheit, sonstigen chemischen, physikalischen, biologischen Eigenschaften oder durch das Herstellungsverfahren bestimmt wird.
(16) Eine Charge ist die jeweils aus derselben Ausgangsmenge in einem einheitlichen Herstellungsvorgang oder bei einem kontinuierlichen Herstellungsverfahren in einem bestimmten Zeitraum erzeugte Menge eines Arzneimittels.
(17) Inverkehrbringen ist das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere.
(18) Der pharmazeutische Unternehmer ist bei zulassungs- oder registrierungspflichtigen Arzneimitteln der Inhaber der Zulassung oder Registrierung. Pharmazeutischer Unternehmer ist auch, wer Arzneimittel im Parallelvertrieb oder sonst unter seinem Namen in den Verkehr bringt, außer in den Fällen des § 9 Abs. 1 Satz 2.
(19) Wirkstoffe sind Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimitteln als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden oder bei ihrer Verwendung in der Arzneimittelherstellung zu arzneilich wirksamen Bestandteilen der Arzneimittel zu werden.
(20) Ein Hilfsstoff ist jeder Bestandteil eines Arzneimittels, mit Ausnahme des Wirkstoffs und des Verpackungsmaterials.
(21) Xenogene Arzneimittel sind zur Anwendung im oder am Menschen bestimmte Arzneimittel, die lebende tierische Gewebe oder Zellen sind oder enthalten.
(22) Großhandel mit Arzneimitteln ist jede berufs- oder gewerbsmäßige zum Zwecke des Handeltreibens ausgeübte Tätigkeit, die in der Beschaffung, der Lagerung, der Abgabe oder Ausfuhr von Arzneimitteln besteht, mit Ausnahme der Abgabe von Arzneimitteln an andere Verbraucher als Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte oder Krankenhäuser.
(22a) Arzneimittelvermittlung ist jede berufs- oder gewerbsmäßig ausgeübte Tätigkeit von Personen, die, ohne Großhandel zu betreiben, selbstständig und im fremden Namen mit Arzneimitteln handeln, ohne tatsächliche Verfügungsgewalt über die Arzneimittel zu erlangen.
(23) Klinische Prüfung ist eine solche im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG (ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 1; L 311 vom 17.11.2016, S. 25). Keine klinische Prüfung ist eine nichtinterventionelle Studie im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 4 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.
(24) Sponsor ist eine Person, ein Unternehmen, eine Einrichtung oder eine Organisation im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 14 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.
(25) Prüfer ist eine Person im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 15 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014. Hauptprüfer ist eine Person im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 16 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.
(26) Homöopathisches Arzneimittel ist ein Arzneimittel, das nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren hergestellt worden ist. Ein homöopathisches Arzneimittel kann auch mehrere Wirkstoffe enthalten.
(27) Ein mit der Anwendung des Arzneimittels verbundenes Risiko ist
- a)
jedes Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten oder die öffentliche Gesundheit, - b)
jedes Risiko unerwünschter Auswirkungen auf die Umwelt.
(28) Das Nutzen-Risiko-Verhältnis umfasst eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko nach Absatz 27 Buchstabe a.
(29) Pflanzliche Arzneimittel sind Arzneimittel, die als Wirkstoff ausschließlich einen oder mehrere pflanzliche Stoffe oder eine oder mehrere pflanzliche Zubereitungen oder eine oder mehrere solcher pflanzlichen Stoffe in Kombination mit einer oder mehreren solcher pflanzlichen Zubereitungen enthalten.
(30) Gewebezubereitungen sind Arzneimittel, die Gewebe im Sinne von § 1a Nr. 4 des Transplantationsgesetzes sind oder aus solchen Geweben hergestellt worden sind. Menschliche Samen- und Eizellen (Keimzellen) sowie imprägnierte Eizellen und Embryonen sind weder Arzneimittel noch Gewebezubereitungen.
(30a) Einheitlicher Europäischer Code oder „SEC“ ist die eindeutige Kennnummer für in der Europäischen Union verteilte Gewebe oder Gewebezubereitungen gemäß Anhang VII der Richtlinie 2006/86/EG der Kommission vom 24. Oktober 2006 zur Umsetzung der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit, der Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und unerwünschter Reaktionen sowie bestimmter technischer Anforderungen an die Kodierung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen (ABl. L 294 vom 25.10.2006, S. 32), die zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2015/565 (ABl. L 93 vom 9.4.2015, S. 43) geändert worden ist.
(30b) EU-Gewebeeinrichtungs-Code ist die eindeutige Kennnummer für Gewebeeinrichtungen in der Europäischen Union. Für den Geltungsbereich dieses Gesetzes gilt er für alle Einrichtungen, die erlaubnispflichtige Tätigkeiten mit Geweben, Gewebezubereitungen oder mit hämatopoetischen Stammzellen oder Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut durchführen. Der EU-Gewebeeinrichtungs-Code besteht gemäß Anhang VII der Richtlinie 2006/86/EG aus einem ISO-Ländercode und der Gewebeeinrichtungsnummer des EU-Kompendiums der Gewebeeinrichtungen.
(30c) EU-Kompendium der Gewebeeinrichtungen ist das Register, in dem alle von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union genehmigten, lizenzierten, benannten oder zugelassenen Gewebeeinrichtungen enthalten sind und das die Informationen über diese Einrichtungen gemäß Anhang VIII der Richtlinie 2006/86/EG in der jeweils geltenden Fassung enthält. Für den Geltungsbereich dieses Gesetzes enthält das Register alle Einrichtungen, die erlaubnispflichtige Tätigkeiten mit Geweben, Gewebezubereitungen oder mit hämatopoetischen Stammzellen oder Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut durchführen.
(30d) EU-Kompendium der Gewebe- und Zellprodukte ist das Register aller in der Europäischen Union in Verkehr befindlichen Arten von Geweben, Gewebezubereitungen oder von hämatopoetischen Stammzellen oder Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut mit den jeweiligen Produktcodes.
(31) Rekonstitution eines Fertigarzneimittels ist die Überführung in seine anwendungsfähige Form unmittelbar vor seiner Anwendung gemäß den Angaben der Packungsbeilage oder im Rahmen der klinischen Prüfung nach Maßgabe des Prüfplans.
(32) Verbringen ist jede Beförderung in den, durch den oder aus dem Geltungsbereich des Gesetzes. Einfuhr ist die Überführung von unter das Arzneimittelgesetz fallenden Produkten aus Drittstaaten, die nicht Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, in den zollrechtlich freien Verkehr. Produkte gemäß Satz 2 gelten als eingeführt, wenn sie entgegen den Zollvorschriften in den Wirtschaftskreislauf überführt wurden. Ausfuhr ist jedes Verbringen in Drittstaaten, die nicht Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind.
(33) Anthroposophisches Arzneimittel ist ein Arzneimittel, das nach der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis entwickelt wurde, nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren oder nach einem besonderen anthroposophischen Zubereitungsverfahren hergestellt worden ist und das bestimmt ist, entsprechend den Grundsätzen der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis angewendet zu werden.
(34) Eine Unbedenklichkeitsstudie ist jede Studie zu einem zugelassenen Arzneimittel, die durchgeführt wird, um ein Sicherheitsrisiko zu ermitteln, zu beschreiben oder zu quantifizieren, das Sicherheitsprofil eines Arzneimittels zu bestätigen oder die Effizienz von Risikomanagement-Maßnahmen zu messen.
(35) (weggefallen)
(36) Das Risikomanagement-System umfasst Tätigkeiten im Bereich der Pharmakovigilanz und Maßnahmen, durch die Risiken im Zusammenhang mit einem Arzneimittel ermittelt, beschrieben, vermieden oder minimiert werden sollen; dazu gehört auch die Bewertung der Wirksamkeit derartiger Tätigkeiten und Maßnahmen.
(37) Der Risikomanagement-Plan ist eine detaillierte Beschreibung des Risikomanagement-Systems.
(38) Das Pharmakovigilanz-System ist ein System, das der Inhaber der Zulassung und die zuständige Bundesoberbehörde anwenden, um insbesondere den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen, und das der Überwachung der Sicherheit zugelassener Arzneimittel und der Entdeckung sämtlicher Änderungen des Nutzen-Risiko-Verhältnisses dient.
(39) Die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation ist eine detaillierte Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems, das der Inhaber der Zulassung auf eines oder mehrere zugelassene Arzneimittel anwendet.
(40) Ein gefälschtes Arzneimittel ist ein Arzneimittel mit falschen Angaben über
- 1.
die Identität, einschließlich seiner Verpackung, seiner Kennzeichnung, seiner Bezeichnung oder seiner Zusammensetzung in Bezug auf einen oder mehrere seiner Bestandteile, einschließlich der Hilfsstoffe und des Gehalts dieser Bestandteile, - 2.
die Herkunft, einschließlich des Herstellers, das Herstellungsland, das Herkunftsland und den Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen oder den Inhaber der Zulassung oder - 3.
den in Aufzeichnungen und Dokumenten beschriebenen Vertriebsweg.
(41) Ein gefälschter Wirkstoff ist ein Wirkstoff, dessen Kennzeichnung auf dem Behältnis nicht den tatsächlichen Inhalt angibt oder dessen Begleitdokumentation nicht alle beteiligten Hersteller oder nicht den tatsächlichen Vertriebsweg widerspiegelt.
(42) EU-Portal ist das gemäß Artikel 80 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 auf EU-Ebene eingerichtete und unterhaltene Portal für die Übermittlung von Daten und Informationen im Zusammenhang mit klinischen Prüfungen.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.
(2) Der Antragsteller soll über den Abschluss des jeweiligen Verfahrens informiert werden.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.
(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.
(1) Die Bekanntgabe einer Entscheidung, mit der der Antrag ganz oder teilweise abgelehnt wird, hat innerhalb der Frist nach § 7 Abs. 5 Satz 2 zu erfolgen.
(2) Soweit die Behörde den Antrag ganz oder teilweise ablehnt, hat sie mitzuteilen, ob und wann der Informationszugang ganz oder teilweise zu einem späteren Zeitpunkt voraussichtlich möglich ist.
(3) Der Antrag kann abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits über die begehrten Informationen verfügt oder sich diese in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann.
(4) Gegen die ablehnende Entscheidung sind Widerspruch und Verpflichtungsklage zulässig. Ein Widerspruchsverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung ist auch dann durchzuführen, wenn die Entscheidung von einer obersten Bundesbehörde getroffen wurde.
(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.
(2) Der Antragsteller soll über den Abschluss des jeweiligen Verfahrens informiert werden.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.
(2) Der Antragsteller soll über den Abschluss des jeweiligen Verfahrens informiert werden.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.
(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.
(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.
(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.
(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.
(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.
(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.
(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.
(2) Der Antragsteller soll über den Abschluss des jeweiligen Verfahrens informiert werden.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.
(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.
(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.
(2) Der Antragsteller soll über den Abschluss des jeweiligen Verfahrens informiert werden.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.
(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.
(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen darf nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.
(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.
(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.
(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.
(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.
(2) Der Antragsteller soll über den Abschluss des jeweiligen Verfahrens informiert werden.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.
(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.
(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.
(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.
(1) Der Antrag auf Informationszugang soll abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter.
(2) Der Antragsteller soll über den Abschluss des jeweiligen Verfahrens informiert werden.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
1
Gründe:
2Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung mit dem sinngemäßen Antrag,
3den Antragsgegner unter Aufhebung seines Bescheides vom 7. April 2014 zu verpflichten, der Antragstellerin eine Liste der in der Kreisverwaltung des Beklagten vorhandenen Mobilfunkgeräte nebst Rufnummern per Email zu übersenden,
4keine hinreichende Erfolgsaussichten bietet und zudem mutwillig ist, § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO.
5Hinreichende Aussicht auf Erfolg bedeutet bei einer an Art. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffs einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst und nur dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss ist, andererseits aber auch, dass Prozesskostenhilfe versagt werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsschutzbegehrens darf dabei nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Schwierige, bislang nicht hinreichend geklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren geklärt werden.
6BVerfG, Beschlüsse vom 30. Oktober 1991 - 1 BvR 1386/91 - NJW 1992, 889 und vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 u.a. - NJW 1991, 413; OVG NRW, Beschluss vom 30. Dezember 1997 - 24 E 799/97 -.
7Ausgehend von diesen Grundsätzen scheitert die Gewährung von Prozesskostenhilfe vorliegend daran, dass die Erfolgschance der Antragstellerin in dem beabsichtigten Klageverfahren nur gering ist.
8Die beabsichtigte Klage wäre aller Voraussicht nach unbegründet.
9Gemäß § 4 Abs. 1 IFG NRW hat jede natürliche Person nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 genannten Stellen – zu denen auch der Antragsgegner gehört - Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen. Bei der begehrten Liste dürfte es sich um eine derartige Information im Sinne des Informationsfreiheitsrechts handeln.
10Für die Einordnung einer Liste mit Durchwahl-Nummern als amtliche Information: VG Düsseldorf, Urteil vom 1. März 2014 – 26 K 4682/13 – , m.w.N.
11Gemäß § 6 S. 2 IFG NRW ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Information zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung missbräuchlich verwendet werden soll. Konkrete Anhaltspunkte für eine derartige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bestehen zwar nicht. Die genannte Vorschrift, die als zwingende Rechtsfolge die Ablehnung des Antrags auf Informationszugang vorsieht, enthält aber keine abschließende Regelung über den Anspruchsausschluss wegen unzulässiger Rechtsausübung.
12Gerade Anspruchsnormen, die - wie § 4 Abs. 1 IFG - offen und voraussetzungslos ausgestaltet sind, können ein Einfallstor für eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der hierdurch gewährten Rechtsstellung sein. Deshalb kann auch der Geltendmachung des Zugangsanspruchs nach dem Informationsfreiheitsgesetz wie grundsätzlich jedem Rechtsanspruch über gesetzlich geregelte Ausschlussfälle hinaus der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung bzw. des Rechtsmissbrauchs entgegenstehen, wobei die Geltendmachung dieser Einrede im pflichtgemäßen Ermessen der auskunftspflichtigen Stelle steht.
13Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs ist im Zusammenhang mit der Geltendmachung des Rechtsanspruchs gemäß § 4 Abs. 1 IFG allerdings nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen gerechtfertigt. Es ist zu bedenken, dass der Gesetzgeber gerade darauf verzichtet hat, den Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen von besonderen, das Zugangsgesuch im konkreten Fall rechtfertigenden Gründen abhängig zu machen. Folglich sind die Motive des Antragstellers bei der Verfolgung des Anspruchs auf Informationserteilung nach dem Informationsfreiheitsgesetz für seine Anspruchsberechtigung in aller Regel unerheblich.
14Vgl. zur bundesgesetzlichen Regelung: Hess. VGH, Beschluss vom 2. März 2010 - 6 A 1684/08 - Juris, mit weiteren Nachweisen.
15Das voraussetzungslose Zugangsrecht nach dem Informationsfreiheitsgesetz unterscheidet sich in grundsätzlicher Weise von dem Informationszugang in anderen Rechtsbereichen, der nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt wird (vgl. die Gesetzesbegründung zum IFG des Bundes, BT-Drucks. 15/4493, S. 7). Der Gesetzgeber hat es damit zugelassen, dass Informationsbegehren auch aus egoistischen und womöglich auch aus fragwürdigen Beweggründen angebracht werden.
16Hess. VGH, Beschluss vom 2. März 2010, a.a.O..
17Die Grenze zur unzulässigen Rechtsausübung bzw. zum Rechtsmissbrauch ist unter Berücksichtigung der in §§ 226 und 242 BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken aber dann überschritten, wenn der Verfolgung des Rechtsanspruchs offensichtlich keinerlei nachvollziehbare Motive zu Grunde liegen, sondern das Handeln des Anspruchsinhabers offenkundig und zweifelsfrei allein von der Absicht geprägt ist, die Behörde oder einen Drittbetroffenen zu schikanieren oder zu belästigen oder einem anderen Schaden zuzufügen
18Hess. VGH, Beschluss vom 24. März 2010 – 6 A 1832/09 – juris
19Vorliegend verhält es sich so, dass der Antragsgegner auf seiner Homepage eine alphabetisch geordnete Liste mit den Durchwahl-Telefonnummern der Ansprechpartner der Verwaltung bereit hält. Somit ist für jeden – auch ortsfremden - Bürger sichergestellt, dass der für ihn – in welcher Angelegenheit auch immer - zuständige Ansprechpartner ohne telefonischen Zwischenkontakt angewählt werden kann und mithin während der allgemeinen Dienstzeit für ihn prinzipiell erreichbar ist.
20http://kleve.de/C12572B30025D73F/html/AE214093DDDC2594C1257316004A9264?opendocument&nid1=62389
21Dass eine solche Erreichbarkeit nicht gegeben ist, hat die Antragstellerin nicht dargetan. Sie benennt auch keinen Grund, aus dem heraus sie die Zugänglichmachung einer Liste der in der Kreisverwaltung vorhandenen Mobilfunkgeräte nebst Rufnummern – ohne Namensnennung der zugeordneten Benutzer - begehrt. Das Gericht kann aber einen Zweck, für den eine derartige Liste von Mobilfunknummern verwendet werden kann, ohne dass diese Verwendung rechtsmissbräuchlich wäre, nicht erkennen. Ein örtlicher Bezug der Antragstellerin zum örtlichen Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners ist nicht gegeben, zumindest nicht ersichtlich. Für die telefonische Erreichbarkeit der zuständigen Sachbearbeiter ist die begehrte Auflistung – wie bereits dargestellt – nicht erforderlich und im Übrigen auch wegen der fehlenden namentlichen Zuordnung nicht von praktischem Nutzen. Ginge es der Antragstellerin lediglich um die Anzahl der vorgehaltenen Mobiltelefone, so bedürfte es nicht der von ihr zusätzlich begehrten Mitteilung der Rufnummern. Trotz eines ausdrücklichen Hinweises des Gerichts in der Verfügung vom 20. Juni 2014, dass ein örtlicher Bezug zur Kreisverwaltung des Antragsgegners nicht erkennbar ist, hat die Antragstellerin jegliche Angabe zu ihren Beweggründen unter Hinweis auf die ihres Erachtens gegebene Rechtslage – von ihr als voraussetzungsloser Informationsanspruch bezeichnet - unterlassen. Dem Antragsgegner steht aber das Recht zu, das Verlangen einer Information, die ersichtlich für unlautere Zwecke (Missbrauch von Mobilfunknummern) benötigt werden kann, unter Berücksichtigung der in §§ 226 und 242 BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen. Dies gilt auch dann, wenn der/die Auskunftsuchende keinen unlauteren Zweck, sondern gar keinen Zweck verfolgen sollte, weil der Informationsfreiheitsanspruch nicht dazu dient, Arbeitszeit und Arbeitskraft des Verwaltungspersonals mit der Erteilung von Auskünften zu belasten, die der Antragsteller nur um der Auskunft willen begehrt.
22Vor diesem Hintergrund fehlt der beabsichtigten Rechtsverfolgung die hinreichende Erfolgsaussicht.
23Die beabsichtigte Rechtsverfolgung erweist sich überdies als mutwillig.
24Mutwillig ist die Rechtsverfolgung dann, wenn eine verständige Partei, die den Rechtsstreit auf eigene Kosten finanzieren muss, von der Prozessführung absehen oder sie nicht in gleicher Weise vornehmen würde bzw. wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (§ 114 Abs. 2 ZPO in der ab dem 1. Januar 2014 geltenden Fassung des Gesetzes vom 31. August 2013 BGBl. I S. 3533). Unter dem zuletzt genannten Gesichtspunkt erscheint die Vorgehensweise der Antragstellerin als mutwillig. Mit Rücksicht auf das Kostenrisiko, das typischerweise mit der Einleitung eines Gerichtsverfahrens einhergeht, würde eine verständige und vermögende Partei einen Prozess, der ihr in keiner Weise einen Vorteil oder Nutzen bringt, nicht führen.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.
(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tenor
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§ 3 Nummern 3 und 6, § 16a Absätze 1 bis 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik in der zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung vom 1. April 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 499) geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
Gründe
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A.
- 1
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Der Normenkontrollantrag betrifft die Vereinbarkeit von Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz - GenTG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1993, BGBl I S. 2066; zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2542) mit dem Grundgesetz. Angegriffen werden Regelungen über die Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), über das Standortregister (§ 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG), über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG), welche auf das Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts (im Folgenden: Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 - GenTNeuOG 2004) vom 21. Dezember 2004 (BGBl I 2005 S. 186) und das Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung (im Folgenden: Gentechnikänderungsgesetz 2008 - GenTÄndG 2008) vom 1. April 2008 (BGBl I S. 499) zurückgehen.
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I.
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1. Die gezielte Neukombination des genetischen Materials von Lebewesen mit technischen Methoden (Gentechnik; vgl. BTDrucks 11/5622, S. 19) eröffnet die Möglichkeit, planmäßig Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um Organismen mit erwünschten Eigenschaften zu erzeugen, die mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht herstellbar wären. Dementsprechend ist ein gentechnisch veränderter Organismus im Sinne des Gentechnikgesetzes ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt (§ 3 Nr. 3 GenTG).
- 3
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Der Normenkontrollantrag betrifft vornehmlich den Einsatz von Gentechnik bei Kulturpflanzen sowohl zu kommerziellen Zwecken, etwa in der Landwirtschaft und der Saatgutproduktion, als auch zu Forschungszwecken. Durch diese umgangssprachlich als "grüne" Gentechnik bezeichnete Anwendung sollen agronomisch wünschenswerte Ergebnisse wie Produktivitätssteigerungen oder Reduktionen von Umweltbeeinträchtigungen erzielt werden. Pflanzen sollen beispielsweise ernährungsphysiologische Vorteile und einen besseren Geschmack erhalten, eine längere Lagerfähigkeit aufweisen, Rohstoffe liefern oder Arzneimittel produzieren. Risiken und Chancen dieser Nutzung der Gentechnik sind umstritten und nicht abschließend geklärt. Durch den Transfer von Genmaterial auch über Artgrenzen hinweg können einerseits wünschenswerte Eigenschaften gezielt beeinflusst werden, andererseits besteht das Risiko, dass es zu unerwünschten Nebenfolgen kommt. Indem gentechnisch veränderte Organismen zu experimentellen Zwecken oder in Form von kommerziellen Produkten in die Umwelt ausgebracht werden, können sie sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten. Diese Auswirkungen können unumkehrbar sein.
- 4
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Vor diesem Hintergrund dient eine umfangreiche Gesetzgebung dazu, die mit dem gezielten Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt verbundenen Risiken zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu kontrollieren und sowohl eine Grundlage für den Einsatz der neuen Technologie zu schaffen als auch die Interessen der gentechnikfreien Landwirtschaft zu wahren. Wesentliche rechtliche Vorgaben des Unionsgesetzgebers sind festgelegt in der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl EG Nr. L 106, S. 1; im Folgenden: Richtlinie 2001/18/EG) und der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl EU Nr. L 268, S. 1; im Folgenden: Verordnung
Nr. 1829/2003).
- 5
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Bundesrechtliche Grundlage für das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt sind in erster Linie das 1990 in Kraft getretene und nachfolgend mehrfach geänderte Gentechnikgesetz und dessen Bestimmungen über Freisetzungen solcher Organismen und das Inverkehrbringen von Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen.
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2. Das am 4. Februar 2005 in Kraft getretene Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 beruht auf einer im Mai 2004 in den Bundestag eingebrachten Gesetzesvorlage der Bundesregierung (BTDrucks 15/3088). Nach einer ersten Lesung, Überweisung an die Ausschüsse und Durchführung einer Expertenanhörung empfahl der federführende Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft die Annahme des Entwurfs der Bundesregierung in einer vom Ausschuss geänderten Fassung (BTDrucks 15/3344). Insbesondere waren zustimmungspflichtige Teile aus der Gesetzesvorlage herausgenommen worden, um eine zügige Verabschiedung des Gesetzes mit den materiellen Regelungen zu gewährleisten. Den Ländervollzug betreffende Verfahrensvorschriften sollten in einem späteren, zustimmungspflichtigen Gesetz vorgelegt werden. In der Ausschussfassung wurde der Gesetzentwurf vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 15/115, S. 10517 B). Der Bundesrat rief den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes an (Bundesrat, Plenarprotokoll, 802. Sitzung, S. 361 D) und legte nach Abschluss des Verfahrens gegen das Gesetz Einspruch ein (Bundesrat, Plenarprotokoll, 805. Sitzung, S. 544 A; BTDrucks 15/4159). Der Bundestag wies den Einspruch zurück (Plenarprotokoll 15/143, S. 13338 D). Das Gesetz wurde am 21. Dezember 2004 ausgefertigt und im Februar 2005 im Bundesgesetzblatt verkündet.
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Schwerpunkt des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 war die Umsetzung der Richtlinie 2001/18/EG und die Gewährleistung einer Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen.
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a) Mit einer Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG, Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c GenTNeuOG 2004) wollte der Gesetzgeber auf der Grundlage von Art. 2 Nr. 2 und 4 der Richtlinie 2001/18/EG klarstellen, dass insbesondere auch Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderter Organismen im Sinne des § 3 Nr. 3 GenTG darstellen (BTDrucks 15/3344, S. 39) und, selbst wenn sie auf eine genehmigte Freisetzung zurückgehen, unter den Begriff des Inverkehrbringens im Sinne des § 3 Nr. 6 GenTG und damit in den Anwendungsbereich des Gentechnikgesetzes (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 GenTG) und seiner Vorschriften über das Inverkehrbringen fallen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 56). Hintergrund war die vor dem Inkrafttreten des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 umstrittene Frage, ob Produkte aus konventioneller Produktion, die infolge eines unbeabsichtigten Eintrages von gentechnisch veränderten Organismen Eigenschaften aufweisen, die auf gentechnischen Veränderungen beruhen, einer gentechnikrechtlichen Genehmigung bedürfen, wenn sie in Verkehr gebracht werden sollen.
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b) Auf der Grundlage von Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG, eingefügt durch Art. 43 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, sollte durch mehrere Instrumente das unbeabsichtigte Vorhandensein von gentechnisch veränderten Organismen in anderen Produkten verhindert und eine Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen gewährleistet werden. Damit verbunden war das Anliegen, die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu sichern und jenseits der Risikodiskussion zu einer gesellschaftlichen Befriedung zu gelangen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass der großflächige Anbau einer gentechnisch veränderten Kulturpflanze ebenso wie eine Freisetzung in kleinerem Maßstab zu Auskreuzungen auf benachbarte Grundstücke führen und damit Wirtschaftsteilnehmer betreffen kann, die auf den Einsatz von Gentechnik verzichten wollen oder nach den geltenden Vorschriften über den ökologischen Landbau und die Kennzeichnung von ökologisch erzeugten Produkten verzichten müssen. Um diesen Entwicklungen in der Land- und Lebensmittelwirtschaft Rechnung zu tragen, wurde der Koexistenzbelang als Gesetzeszweck aufgenommen (§ 1 Nr. 2 GenTG). Zweck des Gentechnikgesetzes gemäß § 1 GenTG ist nunmehr,
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1. unter Berücksichtigung ethischer Werte, Leben und Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter vor schädlichen Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen und Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren zu treffen,
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2. die Möglichkeit zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel, konventionell, ökologisch oder unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können,
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3. den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen.
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Das Ziel der Gewährleistung der Koexistenz wurde mit den angegriffenen Bestimmungen über das Standortregister, über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen weiter konkretisiert.
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aa) Zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben aus Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG und als Beitrag zur Sicherung der Koexistenz wurde ein Standortregister eingerichtet (§ 16a GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004). Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 GenTG werden in dem vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als zuständiger Bundesoberbehörde (vgl. § 31 Satz 2 GenTG) geführten Standortregister die gemeldeten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen für das gesamte Bundesgebiet zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit erfasst. Soll eine genehmigte Freisetzung durchgeführt werden, so hat der Betreiber (vgl. § 3 Nr. 7 GenTG) spätestens drei Werktage vor der Durchführung die Freisetzung, die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, das Grundstück der Freisetzung und die Größe der Freisetzungsfläche und den Freisetzungszeitraum dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu melden (§ 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GenTG). Soll eine zugelassene gentechnisch veränderte Pflanze angebaut werden, muss der Bewirtschafter (vgl. § 3 Nr. 13a GenTG) dieses Vorhaben spätestens drei Monate vor dem Anbau dem Bundesamt melden sowie die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche mitteilen (§ 16a Abs. 3 Satz 1 und 2 GenTG). Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen (§ 16a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3 GenTG). Das Standortregister ist zum Teil allgemein zugänglich. Auskünfte über die Bezeichnung und - im Fall des Anbaus - der spezifische Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße werden durch automatisierten Abruf über das Internet erteilt (§ 16a Abs. 4 GenTG). Über die im Übrigen nicht allgemein zugänglichen Informationen wird grundsätzlich Auskunft erteilt, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat (§ 16a Abs. 5 GenTG). Zur Gewährleistung von Datensicherheit und Datenschutz sind dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu treffen (§ 16a Abs. 6 Satz 1 GenTG). Die Daten des Bundesregisters werden nach Ablauf von 15 Jahren nach ihrer erstmaligen Speicherung gelöscht (§ 16a Abs. 6 Satz 2 GenTG).
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bb) Als weiterer Beitrag zur Gewährleistung der Koexistenz wurden eine Vorsorgepflicht und Anforderungen an die gute fachliche Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen eingeführt (§ 16b GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004), wodurch Einträge dieser Organismen vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden sollen. § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG verpflichtet denjenigen zur Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange, der mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen, auf näher bestimmte Art und Weise umgeht oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt. Die Erfüllung der Vorsorgepflicht nach § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG wird für die Bereiche des Umgangs mit gentechnisch veränderten Pflanzen und der Haltung von gentechnisch veränderten Tieren durch Bestimmungen über eine gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 2 und 3 GenTG präzisiert. Gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG in seiner bis zum 4. April 2008 geltenden Fassung (im Folgenden: § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F.) waren Handlungen ausdrücklich unzulässig, soweit aufgrund der Umstände des Einzelfalles die Erreichung der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange nicht gewährleistet war. Ergänzend zu den Verhaltenspflichten des § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG trifft § 16b Abs. 4 GenTG eine Regelung über die zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderliche Eignung von Person und Ausstattung desjenigen, der zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken mit den Produkten umgeht. Der vorliegend nicht angegriffene § 16b Abs. 5 GenTG verpflichtet denjenigen, der die Produkte in den Verkehr bringt, eine Produktinformation mitzuliefern, die neben den Bestimmungen der Genehmigung auch Angaben zur Erfüllung der Pflichten nach § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG enthalten muss. Der ebenfalls nicht beanstandete § 16b Abs. 6 GenTG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung einzelne Aspekte zu § 16b Abs. 3, 4 und 5 GenTG näher zu regeln. § 16a und § 16b GenTG finden auch Anwendung, wenn das Inverkehrbringen durch Rechtsvorschriften geregelt ist, die den Bestimmungen des Gentechnikgesetzes über Freisetzung und Inverkehrbringen vorgehen (vgl. § 14 Abs. 2 GenTG).
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cc) Das private Nachbarrecht wurde schließlich durch eine Regelung über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen konkretisiert und ergänzt, um sicherzustellen, dass bei wesentlichen Nutzungsbeeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen ein zivilrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch besteht (§ 36a GenTG, Art. 1 Nr. 24 GenTNeuOG 2004).
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(1) Im privaten Nachbarrecht kann ein Eigentümer von dem Störer gemäß § 1004 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB - in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002, BGBl I S. 42 und 2909, BGBl I 2003, S. 738) die Beseitigung oder die Unterlassung einer Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird oder eine künftige Beeinträchtigung zu besorgen ist. Gemäß § 1004 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Eigentümer jedoch zur Duldung verpflichtet und sein Abwehranspruch ausgeschlossen, wenn die Benutzung seines Grundstücks durch die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und durch ähnliche grenzüberschreitende Einwirkungen nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Eigentümer auch eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. In diesem Fall kann der Eigentümer aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein allgemeiner nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß § 1004 Abs. 1, § 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGHZ 155, 99<102 f.> m.w.N.). Die Vorschrift des § 906 BGB konkretisiert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im öffentlichen Nachbarrecht den Maßstab dessen, was ein Grundstückseigentümer oder -besitzer bei Immissionen von hoher Hand entschädigungs- und schadensersatzlos hinnehmen muss (BGHZ 91, 20<21 f.>; 97, 97 <104>). Vor Einführung des § 36a GenTG war umstritten, ob und inwieweit nach dieser Maßgabe Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf benachbarte Flächen als mögliche "ähnliche Einwirkung" im Sinn von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB Abwehr- und Ausgleichsansprüche auslösen können.
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(2) Mit § 36a GenTG ist nunmehr festgelegt, dass die in den §§ 1004, 906 BGB geregelten Duldungs-, Abwehr- und Ausgleichsansprüche sowohl für die Übertragung der auf gentechnischen Arbeiten beruhenden Eigenschaften eines Organismus wie für sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen gelten (§ 36a Abs. 1 GenTG).
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(a) In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG wird der Anwendungsbereich von § 906 BGB hinsichtlich der dort verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe der "wesentlichen Beeinträchtigung" durch die Benutzung eines anderen Grundstücks (§ 36a Abs. 1 GenTG), der einem Grundstücksbenutzer "wirtschaftlich zumutbaren" Maßnahmen zur Verhinderung einer Beeinträchtigung (§ 36a Abs. 2 GenTG) und der "ortsüblichen" Benutzung eines Grundstücks (§ 36a Abs. 3 GenTG) konkretisiert.
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Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen insbesondere dann eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinn von § 906 BGB dar, wenn die Erzeugnisse des betroffenen Nutzungsberechtigten deswegen nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG) oder ihre beabsichtigte Vermarktung aufgrund der geltenden Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten nur eingeschränkt möglich oder ausgeschlossen ist (§ 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG). Soweit in den einzelnen Fallgruppen Schwellenwerte bestehen, etwa für die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel, sollen diese maßgeblicher Bezugspunkt für die Frage sein, ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist (BTDrucks 15/3088, S. 31). Die in § 36a Abs. 1 GenTG aufgezählten Fälle sind nicht abschließend; wertungsmäßig vergleichbare Fälle sollen entsprechend in die Regelung einbezogen werden (BTDrucks 15/3344, S. 41). Wenn kein Fall des § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und auch keine vergleichbare Beeinträchtigung vorliegt, ist der Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbarflächen unwesentlich und darf gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verboten werden.
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§ 36a Abs. 2 GenTG knüpft an § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB an, wonach eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden ist, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Gemäß § 36a Abs. 2 GenTG gilt die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 GenTG als wirtschaftlich zumutbar in diesem Sinne.
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§ 36a Abs. 3 GenTG modifiziert das Kriterium der Ortsüblichkeit im Sinn von § 906 BGB dahingehend, dass es für die Beurteilung nicht darauf ankommt, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.
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(b) § 36a Abs. 4 GenTG ergänzt das private Nachbarrecht um eine Regelung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises. § 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG enthält eine Ursachenvermutung nach dem Vorbild von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, die zu einer gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer möglicher Verursacher nach § 840 Abs. 1 BGB führt. § 36a Abs. 4 Satz 2 GenTG bestimmt den Vorrang der anteiligen Haftung, soweit eine jeweils nur anteilige Verursachung mehrerer Nachbarn feststeht und eine Aufteilung des Ausgleichs nach § 287 ZPO möglich ist.
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3. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 beruht ebenfalls auf einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung. Diese brachte im Oktober 2007 Entwürfe für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes (BTDrucks 16/6814) und für die Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes (BTDrucks 16/6557) in den Bundestag ein. Nach einer ersten Lesung und Überweisung an die Ausschüsse wurde der Gesetzentwurf auf Empfehlung des federführenden Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als Artikelgesetz ausgestaltet (BTDrucks 16/7868). Art. 1 des Gesetzes enthielt das zum Teil geänderte Vierte Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes. Art. 2 fügte ein weiteres Gesetz zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes an, in welchem die Maßgaben für die Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" geregelt wurden, und Art. 3 hob die entsprechende Vorgängerregelung in der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung auf. In dieser Textfassung wurde das Gentechnikänderungsgesetz 2008 vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 16/140, S. 14792 B) und passierte unverändert den Bundesrat, der den Vermittlungsausschuss nicht anrief (Bundesrat, Plenarprotokoll, 841. Sitzung, S. 9 C, BRDrucks 52/08). Das Gesetz wurde am 1. April 2008 ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. Sein Artikel 1 ist am 5. April 2008, die Artikel 2 und 3 sind am 1. Mai 2008 in Kraft getreten.
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Ziel dieser jüngsten Novellierung des Gentechnikrechts war es, Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland zu fördern. Dabei sollten aber der Schutz von Mensch und Umwelt entsprechend dem Vorsorgegrundsatz oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben und die Wahlfreiheit der Landwirte und der Verbraucher sowie die Koexistenz der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen weiterhin gewährleistet werden. Vor diesem Hintergrund wurden Verfahrenserleichterungen für Arbeiten in gentechnischen Anlagen vorgenommen und Ausnahmeregelungen für bestimmte gentechnisch veränderte Organismen ausgedehnt. Eine Verwertung von Produkten, die Anteile von nicht zum Inverkehrbringen zugelassenen Organismen aufweisen, wurde unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen.
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§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. wurde ersatzlos gestrichen und stattdessen in § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht geregelt (bezüglich § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG im Folgenden: n.F.). Die Pflicht zur Vorsorge muss nunmehr hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachtet werden, als dieser durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder auf Anfrage des Vorsorgepflichtigen die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient (§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F.). Eine zulässige Abweichung von der guten fachlichen Praxis ist der zuständigen Behörde gemäß § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen und nach Maßgabe des neu eingefügten § 16b Abs. 1a GenTG an das Standortregister (§ 16a GenTG) zu melden. Insoweit hat der Bewirtschafter ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2 GenTG spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstücks dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. oder die Tatsache mitzuteilen, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis aufgrund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen (§ 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG). Die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe über Abweichungen von der guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG) wird allgemein zugänglich gemacht. Im Übrigen gilt für die nach § 16b Abs. 1a GenTG erhobenen Daten § 16a GenTG entsprechend (§ 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG).
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II.
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Mit ihrem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 machte die Antragstellerin ursprünglich die Unvereinbarkeit von Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c, Nr. 14 und Nr. 24 GenTNeuOG 2004 mit dem Grundgesetz geltend. Im Hinblick auf das zwischenzeitlich in Kraft getretene Gentechnikänderungsgesetz 2008 rügt sie zuletzt nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 15. Januar 2009 die Unvereinbarkeit von "§ 3 Nr. 3 und 6, § 16a Absätze 1, 3, 4 und 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a GenTG" in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung mit dem Grundgesetz. Soweit die angegriffenen Normen wesentliche Änderungen erfahren haben, stellt die Antragstellerin die alte Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 ausdrücklich nicht mehr zur Überprüfung und wendet sich insbesondere gegen § 16b Abs. 1 GenTG nur in seiner Neufassung nach dem Gentechnikänderungsgesetz 2008. In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin klargestellt, dass § 16b Abs. 1a GenTG Gegenstand der Überprüfung sein soll, soweit der allgemein zugängliche Teil des Standortregisters die auf das betroffene Grundstück des Nachbarn bezogene Angabe umfasst (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG). § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG stellt sie umfänglich und damit auch hinsichtlich solcher Angaben zur Prüfung, die aufgrund des ausdrücklich nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind.
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Die nach dieser Maßgabe angegriffenen Vorschriften sowie § 16a Abs. 2 GenTG lauten:
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§ 3
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Begriffsbestimmungen
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Im Sinne dieses Gesetzes sind
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…
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3. gentechnisch veränderter Organismus
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ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt; ein gentechnisch veränderter Organismus ist auch ein Organismus, der durch Kreuzung oder natürliche Rekombination zwischen gentechnisch veränderten Organismen oder mit einem oder mehreren gentechnisch veränderten Organismen oder durch andere Arten der Vermehrung eines gentechnisch veränderten Organismus entstanden ist, sofern das genetische Material des Organismus Eigenschaften aufweist, die auf gentechnische Arbeiten zurückzuführen sind,
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…
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6. Inverkehrbringen
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die Abgabe von Produkten an Dritte, einschließlich der Bereitstellung für Dritte, und das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes, soweit die Produkte nicht zu gentechnischen Arbeiten in gentechnischen Anlagen oder für genehmigte Freisetzungen bestimmt sind; jedoch gelten
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a) unter zollamtlicher Überwachung durchgeführter Transitverkehr,
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b) die Bereitstellung für Dritte, die Abgabe sowie das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes zum Zweck einer genehmigten klinischen Prüfung
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nicht als Inverkehrbringen,
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...
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§ 16a
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Standortregister
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(1) Zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit werden die nach Absatz 2 mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen und die nach Absatz 3 mitzuteilenden Angaben über den Anbau gentechnisch veränderter Organismen in einem Bundesregister erfasst. Das Register wird von der zuständigen Bundesoberbehörde geführt und erfasst die nach Absatz 2 oder Absatz 3 gemeldeten Angaben für das gesamte Bundesgebiet. Das Register muss nach Maßgabe des Absatzes 4 allgemein zugänglich sein.
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(2) Der Betreiber hat die tatsächliche Durchführung der genehmigten Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen spätestens drei Werktage vor der Freisetzung der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:
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1. die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus,
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2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,
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3. das Grundstück der Freisetzung sowie die Größe der Freisetzungsfläche,
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4. den Freisetzungszeitraum.
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Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen.
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(3) Der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen ist von demjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, spätestens drei Monate vor dem Anbau der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:
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1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,
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2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,
- 53
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3. den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet,
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4. das Grundstück des Anbaus sowie die Größe der Anbaufläche.
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Änderungen in den Angaben sind unverzüglich mitzuteilen.
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(4) Der allgemein zugängliche Teil des Registers umfasst:
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1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,
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2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,
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3. das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße.
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Auskünfte aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers werden im Wege des automatisierten Abrufs über das Internet erteilt.
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(5) Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers Auskunft auch über die personenbezogenen Daten, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat.
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...
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§ 16b
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Umgang mit
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in Verkehr gebrachten Produkten
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(1) Wer zum Inverkehrbringen zugelassene Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, anbaut, weiterverarbeitet, soweit es sich um Tiere handelt, hält, oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt, hat Vorsorge dafür zu treffen, dass die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange durch die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, durch die Beimischung oder durch sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Er muss diese Pflicht hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachten, als dieser durch schriftliche Vereinbarung mit ihm auf seinen Schutz verzichtet oder ihm auf Anfrage die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient. In der schriftlichen Vereinbarung oder der Anfrage ist der andere über die Rechtsfolgen der Vereinbarung oder die Nichterteilung der Auskünfte aufzuklären und darauf hinzuweisen, dass er zu schützende Rechte Dritter zu beachten hat. Die zulässige Abweichung von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis sind der zuständigen Behörde rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen.
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(1a) Der Bewirtschafter hat ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2
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1. die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 oder
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2. die Tatsache, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis auf Grund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen,
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der zuständigen Bundesoberbehörde spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstückes mitzuteilen. Der allgemein zugängliche Teil des Registers nach § 16a Abs. 1 Satz 1 umfasst zusätzlich zu der Angabe nach § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe nach Satz 1. Im Übrigen gilt § 16a entsprechend.
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(2) Beim Anbau von Pflanzen, beim sonstigen Umgang mit Pflanzen und bei der Haltung von Tieren wird die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis erfüllt.
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(3) Zur guten fachlichen Praxis gehören, soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist, insbesondere
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1. beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen die Beachtung der Bestimmungen der Genehmigung für das Inverkehrbringen nach § 16 Abs. 5a,
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2. beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und bei der Herstellung und Ausbringung von Düngemitteln, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, Maßnahmen, um Einträge in andere Grundstücke zu verhindern sowie Auskreuzungen in andere Kulturen benachbarter Flächen und die Weiterverbreitung durch Wildpflanzen zu vermeiden,
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3. bei der Haltung gentechnisch veränderter Tiere die Verhinderung des Entweichens aus dem zur Haltung vorgesehenen Bereich und des Eindringens anderer Tiere der gleichen Art in diesen Bereich,
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4. bei Beförderung, Lagerung und Weiterverarbeitung gentechnisch veränderter Organismen die Verhinderung von Verlusten sowie von Vermischungen und Vermengungen mit anderen Erzeugnissen.
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(4) Wer mit Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, für erwerbswirtschaftliche, gewerbsmäßige oder vergleichbare Zwecke umgeht, muss die Zuverlässigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten und Ausstattung besitzen, um die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erfüllen zu können.
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...
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§ 36a
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Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen
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(1) Die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, oder sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dar, wenn entgegen der Absicht des Nutzungsberechtigten wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags Erzeugnisse insbesondere
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1. nicht in Verkehr gebracht werden dürfen oder
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2. nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder nach anderen Vorschriften nur unter Hinweis auf die gentechnische Veränderung gekennzeichnet in den Verkehr gebracht werden dürfen oder
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3. nicht mit einer Kennzeichnung in den Verkehr gebracht werden dürfen, die nach den für die Produktionsweise jeweils geltenden Rechtsvorschriften möglich gewesen wäre.
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(2) Die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 gilt als wirtschaftlich zumutbar im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
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(3) Für die Beurteilung der Ortsüblichkeit im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kommt es nicht darauf an, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.
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(4) Kommen nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls mehrere Nachbarn als Verursacher in Betracht und lässt es sich nicht ermitteln, wer von ihnen die Beeinträchtigung durch seine Handlung verursacht hat, so ist jeder für die Beeinträchtigung verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn jeder nur einen Teil der Beeinträchtigung verursacht hat und eine Aufteilung des Ausgleichs auf die Verursacher gemäß § 287 der Zivilprozessordnung möglich ist.
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Die Antragstellerin hält diese Vorschriften für materiell verfassungswidrig. Sie trägt im Wesentlichen zur Begründung vor:
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1. Mit § 36a GenTG habe der Gesetzgeber erheblich in das von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägte, ausgeglichene Haftungsregime der §§ 906, 1004 und 823 BGB eingegriffen und ein über die bislang geltenden Regelungen hinausgehendes Haftungssonderrecht für den Einsatz von Gentechnik geschaffen.§ 36a Abs. 1 GenTG verweise offen und unbestimmt auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten und schaffe damit ein unkalkulierbares und voraussichtlich nicht versicherbares Haftungsrisiko. § 36a Abs. 2 und 3 GenTG schlössen die Ortsüblichkeit einer Nutzung und die wirtschaftliche Zumutbarkeit von Gegenmaßnahmen zu Lasten des Verwenders von Gentechnik aus. Mit § 36a Abs. 4 GenTG werde eine gesamtschuldnerische Haftung ohne Kausalitätsnachweis eingeführt. Der Nachbarschaftsausgleich werde nunmehr regelmäßig nach Maßgabe des bürgerlichrechtlichen Aufopferungsanspruchs analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erfolgen, der häufig auf volle Schadloshaltung gerichtet sei. Verschulden des Verwenders von Gentechnik sei nicht erforderlich, so dass es sich insgesamt um eine verdeckte Gefährdungshaftung handle.
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a) Diese stehe nicht mit der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der Gentechnik verwendenden Landwirte und Saatguthersteller in Einklang. Die Vorschrift schränke die Freiheit der Berufsausübung gezielt zugunsten des ökologischen Landbaus ein. Sie führe zu Sorgfaltspflichten, die über die Genehmigungsanforderungen und die gute fachliche Praxis hinausgingen, und aufgrund des hohen Haftungsrisikos zu einem faktischen Ausschluss des beruflichen Einsatzes von Gentechnik. Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt.
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§ 36a Abs. 1 GenTG verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot, da eine wesentliche Beeinträchtigung nicht nur in den aufgezählten, sondern auch in wertungsmäßig vergleichbaren Fällen vorliegen könne, ohne dass die für die Gleichstellung maßgeblichen Gesichtspunkte genannt würden. § 36a Abs. 1 Nr. 3 GenTG verletze das Gebot der Klarheit von Rechtsnormen. Mit der "dynamischen Verweisung" auf Rechtsvorschriften über die nationale Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" und die europäische Produktkennzeichnung mit Bezug auf ökologischen Landbau würden keine klaren Haftungsvoraussetzungen festgelegt. Der Grundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung stehe der Annahme einer wesentlichen Eigentumsbeeinträchtigung durch zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen entgegen. Von diesen gehe kein Risiko für Gesundheit, Umwelt und Eigentum aus. Vielmehr legitimiere die Genehmigung für ein Inverkehrbringen die Verbreitung dieser Organismen im offenen ökologischen System, stelle diese einem natürlichen Organismus gleich und schaffe einen Vertrauenstatbestand zugunsten ihrer Verwender. Der Koexistenzbelang (§ 1 Nr. 2 GenTG) gewährleiste ihre wirtschaftliche Nutzung.
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Da von dem Anbau zum Inverkehrbringen zugelassener gentechnisch veränderter Organismen keine Gefahr ausgehe, genüge die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des § 36a GenTG nicht den allgemeinen, aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden Anforderungen an Haftungsbestimmungen. Die Haftung für die von vornherein mitbedachten, produktionsbedingten und zufällig eintretenden Folgen des Anbaus müsse jedenfalls durch einen Haftungsfonds oder die Möglichkeit, das Haftungsrisiko zu versichern, gemildert werden. Unverhältnismäßig sei ferner, dass der Verwender von Gentechnik sich weder durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis noch durch ein unabwendbares Ereignis oder ein Mitverschulden des Gläubigers entlasten könne und ihm ein individueller Verursachungsbeitrag nicht nachgewiesen werden müsse.
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Gemessen an Art. 12 Abs. 1 GG sei § 36a GenTG auch unverhältnismäßig. Die Haftungsregelung wirke wie eine objektive Einschränkung der Berufswahlfreiheit, da Landwirte aufgrund des nicht einschätzbaren Haftungsrisikos den sich herausbildenden Beruf des "GVO-anbauenden Landwirts" meiden würden. Die mit § 36a GenTG verfolgte Zielsetzung, die Wahlfreiheit zwischen gentechnisch veränderten und nicht veränderten Produkten und Produktionsmitteln für Verbraucher und Produzenten zu erhalten und den ökologischen Landbau besonders zu schützen, besitze keinen verfassungsrechtlichen Rang und könne bereits aus diesem Grund die wirtschaftlich erdrosselnde Haftung nicht rechtfertigen. § 36a GenTG sei zur Erreichung des Koexistenzzieles auch weder geeignet noch erforderlich. Denn es werde einseitig der konventionelle und ökologische Landbau geschützt, der gentechnische Landbau jedoch im Wesentlichen verhindert, ohne dass es dieser Haftung bedürfte. Bereits durch die gute fachliche Praxis könnten unbeabsichtigte Auskreuzungen auf das unvermeidbare Maß reduziert werden und eine Haftung sei nur bei Verletzung dieser Bestimmungen geboten. Die Haftung müsse nicht an der Kennzeichnung von Produkten ausgerichtet werden. Man hätte auch einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einrichten können, um die Rahmenbedingungen für die angestrebte Koexistenz zu schaffen. Die Regelung sei zudem nicht angemessen. Das Haftungsrisiko werde einseitig auf die Verwender von Gentechnik verlagert. Hingegen träfen konventionell oder ökologisch arbeitende Landwirte keine Schutz- und Vorsorgepflichten, obwohl gerade Feldbestände in der ökologischen Landwirtschaft eine besondere Empfindlichkeit aufwiesen, die nur aus den Vermarktungsbedingungen für ökologisch erzeugte Produkte resultiere. Damit könne der Geschädigte den Umfang seines Schadensersatzanspruchs nach seinen subjektiven Verwendungswünschen bestimmen. Auch wenn man das nachbarliche Eigentum als zu schützendes Recht ansehe, ergebe sich kein angemessener Ausgleich.
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b) § 36a GenTG greife ungerechtfertigt in das Eigentum der Verwender von Gentechnik und den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der von der Haftung betroffenen Landwirte und Saatguthersteller ein (Art. 14 Abs. 1 GG). Aufgrund der hohen Sorgfaltspflichten und der nicht einschätzbaren Haftung würden Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen unterbunden und geplante Freisetzungen und kommerzieller Anbau unterlassen. Für das Ziel, die Existenz des ökologischen und konventionellen Anbaus zu sichern und das Eigentum des beeinträchtigten Landwirts zu schützen, sei der Eingriff weder erforderlich noch angemessen. Der Intensität, Tragweite und Schwere des Eingriffs stünden nur geringe Einschränkungen auf Seiten des Nachbarn gegenüber, die einem zufälligen Ereignis gleichzustellen seien. Zudem hätten Landwirtschaftsflächen keinen besonderen sozialen Bezug.
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c) § 36a GenTG verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Vorschrift führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von gentechnisch wirtschaftenden Landwirten auf der einen und gentechnikfrei wirtschaftenden Landwirten auf der anderen Seite.
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2. Das in § 16a GenTG geregelte Standortregister verletze die Verwender von Gentechnik in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Indem personenbezogene Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und den Namen, die Anschrift und das Grundeigentum der Betroffenen erhoben und gespeichert würden sowie Dritten - zum Teil öffentlich - zugänglich seien, werde politisch motivierte Feldzerstörung begünstigt und das Eigentum der Verwender von Gentechnik gefährdet. Demgegenüber sei das Standortregister weder geeignet noch erforderlich, um das Ziel der Überwachung etwaiger Auswirkungen verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen auf die Umwelt, die angestrebte Transparenz und die Koexistenz der verschiedenen Anbauformen zu erreichen. Insbesondere wäre dieser Zielsetzung und den Vorgaben des Europarechts bereits mit einer Veröffentlichung der Gemeinde des jeweiligen Standortes Genüge getan. Zur Sicherung der Koexistenz müsse ein berechtigtes Interesse an Auskünften über die nicht allgemein zugänglichen Informationen nur dann anerkannt werden, wenn eine wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung und darüber hinaus substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn drohten.Die Regelungen seien auch nicht angemessen. Transparenz sei kein Wert von Verfassungsrang und könne die Veröffentlichung der genauen Standortdaten gemäß § 16a Abs. 3 Nr. 4 in Verbindung mit § 16a Abs. 4 Nr. 3 GenTG nicht rechtfertigen. Nur durch eine Geheimhaltung der genauen Standortdaten könne der Betroffene zuverlässig vor dem Verlust seines Eigentums und seiner Betriebsmittel geschützt werden. Indem der Staat mit dem Anbauregister gezielt die Möglichkeit eröffne, dass Dritte durch Sachbeschädigungen gegen die Anbauflächen vorgingen, verstoße er gegen seine verfassungsrechtlichen Schutzpflichten. Unangemessen sei ferner, dass Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil gemäß § 16a Abs. 5 GenTG ohne eine vorherige Abwägung des Geheimhaltungsinteresses und des Auskunftsinteresses erteilt werden könnten und zudem die Kriterien für eine Interessenabwägung nicht vorgegeben seien. Schließlich müssten unter dem Gesichtspunkt der Kooperation und Rücksichtnahme die konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte ebenso zur Auskunft verpflichtet werden, denn auch der gentechnisch wirtschaftende Landwirt müsse wissen, ob benachbarte empfindliche Feldbestände aufgebaut und eine gezielte Verdrängung des gentechnischen Landbaus betrieben werde.
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§ 16a GenTG verletze auch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Der genaue Standort und die Art von gentechnisch veränderten Organismen stellten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar. Diese würden jedenfalls dann durch die Auskunftserteilung aus dem Standortregister nach Maßgabe des § 16a Abs. 4 und 5 GenTG beeinträchtigt, wenn zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen angebaut werden. Der Eingriff sei aus den genannten Gründen unverhältnismäßig.
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3. Die in § 16b Abs. 1 bis 4 GenTG geregelte Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung seien mit der Berufsfreiheit aller Personen, die verkehrszugelassene gentechnisch veränderte Organismen anbauten, weiterverarbeiteten oder in Verkehr brächten, unvereinbar. Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis (§ 16b Abs. 1 bis 3 GenTG) seien für den bezweckten Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter nicht erforderlich. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter würden durch das Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen ausreichend geschützt. Vorsorgemaßnahmen bräuchten über das zur Sicherung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) Erforderliche auch nicht hinauszugehen. Die mit § 16b Abs. 4 GenTG eingeführten Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Ausstattung kämen einer subjektiven Berufszugangsregelung nahe. Ob jedoch ein wichtiges Gemeinschaftsgut von Verfassungsrang durch den Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen überhaupt betroffen sein könne, sei fraglich. Jedenfalls sei es nicht erforderlich, unabhängig von dem Eintritt einer Gefahr für den Koexistenzbelang und über die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen sowie die nach § 16b Abs. 5 GenTG mitzuliefernde Produktinformation hinaus weitere Anforderungen an die Person und die Ausstattung des Anwenders von gentechnisch veränderten Organismen zu stellen. § 16b Abs. 4 GenTG verletze auch den Bestimmtheitsgrundsatz. Es sei unklar, in welcher Weise die Landwirte den geforderten Nachweis ihrer Fähigkeiten und Ausstattung erbringen können und ob ihre Fähigkeiten abstrakt beurteilt oder durch Inspektionen und Stichprobenkontrollen nachgewiesen würden.
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4. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG seien im Hinblick auf das Begriffsverständnis des Inverkehrbringens im Zusammenhang mit der Definition des gentechnisch veränderten Organismus mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Denn ein genehmigungspflichtiges Inverkehrbringen liege auch dann vor, wenn ein konventionell oder ökologisch anbauender Landwirt Erzeugnisse abgebe oder bereithalte, die zufällig oder technisch unvermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer genehmigten Freisetzung vermischt worden seien. Es bestünden dann die Abwehr- und Ausgleichsansprüche nach § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG, von denen eine massiv abschreckende Wirkung ausgehe. Dadurch werde insbesondere die Durchführung von Freisetzungsversuchen zum Zweck der Erforschung und Entwicklung transgener Pflanzen durch universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen erheblich erschwert, wenn nicht verhindert. Der Eingriff werde nicht durch entgegenstehende Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt. Dem Koexistenzbelang komme ein solcher Stellenwert nicht zu. Das Eigentum des Nachbarn sei nicht betroffen, da es an einer Substanz- und Gebrauchsbeeinträchtigung fehle. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter seien durch die Freisetzungsgenehmigung hinreichend geschützt. Die Regelung schränke zudem die Berufsfreiheit der an der Forschung beteiligten Unternehmen mit der Wirkung einer objektiven Regelung der Berufswahl ein, ohne dass nachweisbare oder höchstwahrscheinliche, schwere Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut erkennbar seien. Doch auch eine reine Einschränkung der Berufsausübung wäre unverhältnismäßig, da mit der Freisetzungsgenehmigung die Ungefährlichkeit der Organismen für die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter festgestellt sei. Der Gesetzgeber habe auch nicht lediglich zwingende Vorgaben des Europarechts umgesetzt, sondern von einem eigenen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht. Die Richtlinie 2001/18/EG fordere und rechtfertige dieses Begriffsverständnis des Inverkehrbringens nicht. Gleichermaßen zwinge sie nicht zu der Erweiterung des Begriffs "gentechnisch veränderter Organismus".
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III.
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Zu dem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 Stellung genommen haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., das Öko-Institut e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V. und die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V.
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Im Hinblick auf die Novellierung des Gentechnikrechts durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 haben sich die Bundesregierung, der Deutsche Bauernbund e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. geäußert; der Deutsche Bundestag hat das Protokoll der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 26. November 2007 zur Novelle des Gentechnikgesetzes und der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung sowie die Stellungnahmen der Sachverständigen zu diesem Gesetz übersandt.
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In der mündlichen Verhandlung haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. ihre Stellungnahmen ergänzt. Geäußert haben sich darüber hinaus die Bundestagsabgeordneten Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) und Miersch (SPD), Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie des Bundesamtes für Naturschutz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V.
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1. Die Bundesregierung hält die angegriffenen Bestimmungen für verfassungsgemäß. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 wirke sich auf die maßgebenden Rechtsfragen nicht aus.
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Mit der Neugestaltung des Gentechnikrechts habe der Gesetzgeber die Rechtsstellung aller Beteiligten gestärkt. Das Gesetz fördere die Koexistenz der unterschiedlichen Produktionsmethoden und den verantwortbaren Umgang mit der Gentechnik. Es schütze in angemessener Weise vor möglichen Beeinträchtigungen durch die Gentechnik und stärke dabei die Akzeptanz neuer Techniken. Das Gesetz schaffe einen angemessenen Ausgleich der Grundrechte aller Beteiligten. Dabei schütze es die natürlichen Lebensgrundlagen.
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a) Der Bund besitze die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11, 17, 20 und 26 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG.
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b) Die Klarstellung der Begriffe "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG) sei verfassungsgemäß und verletze insbesondere nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG. Zur Sicherung der durch mittelbare Auswirkungen gentechnischer Veränderungen besonders gefährdeten Schutzgüter der Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG und des § 1 GenTG sei es geboten, auch indirekt durch Kreuzung oder natürliche Rekombination entstandene Organismen in den Begriff "gentechnisch veränderter Organismus" einzubeziehen sowie als "Inverkehrbringen" auch die von einer Freisetzungsgenehmigung nicht gedeckte Abgabe von Produkten zu verstehen, die unbeabsichtigt mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer benachbarten Freisetzung vermischt wurden. Demgegenüber seien die Forschung und die Berufsausübung im Zusammenhang mit der Gentechnik weiterhin angemessen möglich; insbesondere könnten gegen unerwünschte Auswirkungen geeignete Vorkehrungen getroffen werden. Vor dem Hintergrund der zuvor streitigen Rechtslage würden die Präzisierungen in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG der Rechtssicherheit dienen und darüber hinaus den verbindlichen europarechtlichen Vorgaben aus Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2001/18/EG entsprechen.
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c) Das Standortregister (§ 16a GenTG) gewährleiste angemessenen Datenschutz. Es diene dazu, den Schutz- und Vorsorgezweck (§ 1 Nr. 1 GenTG) und das Koexistenzprinzip (§ 1 Nr. 2 GenTG) zu verwirklichen und durch Information der Öffentlichkeit eine Transparenz zu schaffen, die letztlich auch zur Akzeptanz einer verantwortbaren Gentechnik und zur Befriedung beitrage. Diese Rechtsgüter und Belange fänden ihre Grundlage in verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechten und Staatszielbestimmungen. Die angegriffenen Bestimmungen seien zur Zweckerreichung geeignet, angemessen und erforderlich. Aufgrund der erhobenen Angaben über geplante Freisetzungen und den geplanten Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (§ 16a Abs. 2 und 3 GenTG) könnten Gefahrenlagen erkannt, Schadensverläufe nachvollzogen, zukünftige Schäden vermieden und Ersatzansprüche leichter durchgesetzt werden. Ohne diese Angaben sei es erheblich schwieriger, wenn nicht unmöglich, Einträge zu vermeiden oder ihren Verlauf, ihre Ursachen und ihre Wirkungen festzustellen.Demgegenüber sei die ohne erheblichen Aufwand mögliche Mitteilung der Angaben zumutbar. Die Ausgestaltung der Zugänglichkeit zum Standortregister gewährleiste einen angemessenen Schutz von personenbezogenen Daten und Geschäftsgeheimnissen. Insbesondere bleibe die Anonymität personenbezogener Daten im allgemein zugänglichen Teil des Registers gewahrt. Die Kenntnis der genauen Standortangabe und der weiteren allgemein zugänglichen Informationen (§ 16a Abs. 4 GenTG) sei für alle potentiell Betroffenen erforderlich, um ihre Rechtsgüter zu schützen. Vor diesem Hintergrund sei es den Betroffenen nicht zumutbar, zunächst ein überwiegendes Interesse an der Auskunft darzulegen. Zudem überwiege das Informationsinteresse der konventionell wirtschaftenden Nachbarn regelmäßig das Geheimhaltungsinteresse angesichts der von Gentechnik potentiell ausgehenden Gefahren. Auch wäre der erforderliche Verwaltungsaufwand für eine Mitteilung der flurstückgenauen Standortangabe im Antragsverfahren unverhältnismäßig hoch. Der Gesetzgeber dürfe hier typisieren Schließlich sei das Register zur Wahrung des Koexistenzprinzips erforderlich; insbesondere könnten Betroffene ihrerseits Schutzmaßnahmen treffen. Dies läge gerade auch im Interesse des Verwenders von Gentechnik.Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (§ 16a Abs. 5 GenTG) dürften nur aufgrund einer Abwägung des berechtigten Interesses des Antragstellers mit den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen erteilt werden. Wenn es im Einzelfall Anhaltspunkte dafür gebe, dass gewaltbereite Gentechnikgegner Felder der Betroffenen verwüsten würden, sei dies zu berücksichtigen.
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d) Die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an Person und Ausstattung beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) würden die Berufsausübung in Einklang mit Art. 12 Abs. 1 GG regeln und mit gut nachvollziehbaren Verpflichtungen Rechtssicherheit schaffen. Die Vorsorgepflicht diene dem Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG beschriebenen hochrangigen Rechtsgüter. Die einzelnen Maßnahmen entsprächen dem, was für den verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und in Teilbereichen auch mit Erzeugnissen allgemein erforderlich sei und könnten mit den in Betrieben vorhandenen technischen Möglichkeiten bewältigt werden. Die Regelungen seien hinreichend bestimmt und verhältnismäßig. Auch nach Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen müsse der Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter in der weiteren Praxis im Rahmen des vernünftig Möglichen gewährleistet bleiben. Die näheren Vorgaben zur guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 3 GenTG) stünden allerdings ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass sie zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderlich seien. Auch die Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Fähigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG) seien zum Schutz der überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter zumutbar und Sachkundenachweise bei vergleichbaren Tätigkeiten ohnehin üblich. Mit geringeren Anforderungen sei die Einhaltung der guten fachlichen Praxis im Einzelfall nicht sicherzustellen; eine großflächige staatliche Überwachung wäre insoweit nicht durchführbar und eine zusätzliche Belastung für die Betroffenen.
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e) Das in § 36a GenTG geschaffene Haftungssystem diene dem Grundsatz der Koexistenz unterschiedlicher Produktionsweisen. Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbargrundstücke seien durch die bisher bekannten Maßnahmen grundsätzlich nicht vollständig zu vermeiden. Anwender müssten aber geeignete Maßnahmen treffen, um solche Einträge einzudämmen. Die Konkretisierung der zivilrechtlichen Unterlassungs- und Haftungsregelungen in § 36a GenTG sei ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zur Erreichung dieses legitimen Zweckes. § 36a GenTG füge sich in das geltende deutsche Nachbar- und Haftungsrecht ein. Ein Verzicht auf Maßnahmen zur Eindämmung von Einträgen auf Nachbargrundstücke berge die Gefahr, dass nicht veränderte Organismen von gentechnisch veränderten Organismen verdrängt würden. Dann würde eine Koexistenz nicht mehr bestehen und unzulässig in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte eingegriffen. Die damit gegebene Lastenverteilung schütze zwar spezifisch die konventionelle und ökologisch arbeitende Landwirtschaft. Dies entspreche aber der Wertentscheidung des Gesetzgebers und den europarechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Vergleichbarkeit von gentechnisch veränderten und konventionellen Produkten.
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Es sei verfassungsrechtlich auch unbedenklich, wenn nicht zwingend, den Anwender von Gentechnik mit Maßnahmen zur Verhinderung von Einträgen und der Haftung für dadurch erfolgte Einträge zu belasten.
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Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Die Bestimmung der Ortsüblichkeit (§ 36a Abs. 3 GenTG) differenziere bereits nicht, sondern erfasse alle Eigentümer und Produzenten gleichermaßen. Im Übrigen folge die Zuordnung der Haftung Unterschieden zwischen den Betroffenen von großem Gewicht, welche die unterschiedlichen Haftungsrisiken rechtfertige.
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Mit § 36a Abs. 1 GenTG habe der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums normiert (Art. 14 Abs. 1 GG). Dynamische Verweisungen auf außerhalb des Gentechnikgesetzes festgelegte Standards seien zulässig und der Begriff "insbesondere" entspreche dem Bestimmtheitserfordernis. Soweit es letztlich zu einer Gefährdungshaftung komme, sei diese ein allgemein anerkanntes Prinzip. Gentechnisch veränderte Kulturen stünden aufgrund der in aller Regel auftretenden Auskreuzungen und Einträge in andere Kulturen in einem besonders ausgeprägten Sozialbezug. Die Präzisierung der wesentlichen Beeinträchtigung in § 36a Abs. 1 GenTG und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit in § 36a Abs. 2 GenTG sichere die Grundrechte der Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG und sei Konsequenz der staatlichen Schutzpflicht für die Grundrechte der Nachbarn. Auch der Betrieb ökologischer und konventioneller Landwirtschaft stelle insoweit einen von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Beruf dar.
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§ 36a Abs. 4 GenTG normiere eine zulässige und systemgerechte Vermutung der Verursachung. Die Beweislastverteilung stimme mit den herkömmlichen Regeln überein und die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer möglicher Verursacher entspreche der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung für nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche. Die Verteilung der Verantwortung sei verfassungsgemäß. Ein Grundstückseigentümer müsse für die von seinem Grundstück ausgehenden Gefahren einstehen, auch wenn er diese weder verursacht noch verschuldet habe. Der Gesetzgeber sei insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 20a GG verpflichtet, Dritte oder die Allgemeinheit angemessen vor den von einem Grundstück ausgehenden Gefahren zu schützen. Die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Geschädigten (§ 254 BGB) bleibe möglich. Für einen Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt bestehe nach der zugrunde liegenden Risikoverteilung kein Raum, zumal sich in der Übertragung von gentechnisch veränderten Organismen auf ein benachbartes Grundstück nur das typische Risiko ihrer Verwendung realisiere. Auch sei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen weder verpflichtet, eine Haftungshöchstgrenze einzuführen oder einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einzurichten, noch müsse jedes Haftungsrisiko versicherbar sein.
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2. Die Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und des Bundesamtes für Naturschutz haben zu bestehenden gesundheitlichen und ökologischen Risiken sowie zu Nachteilen für die gentechnikfreie Landwirtschaft Stellung genommen.
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3. Der Deutsche Bauernbund e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., das Öko-Institut e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. treten dem Normenkontrollantrag entgegen.
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4. Der Deutsche Bauernverband e.V., der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V., die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V. unterstützen den Normenkontrollantrag.
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B.
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Soweit die Antragstellerin § 16b Abs. 1a GenTG zur Überprüfung stellt, ist der Normenkontrollantrag unzulässig; die Vorschrift ist jedoch wegen ihres engen Regelungszusammenhanges zu § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen (I). Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig (II). Darüber hinaus ist § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung einzubeziehen (III).
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I.
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Der Normenkontrollantrag ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG zu begründen. Hierzu ist substantiiert darzutun, aus welchen rechtlichen Erwägungen die angegriffene Norm mit welcher höherrangigen Norm für unvereinbar gehalten wird (vgl. Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 76 Rn. 61
; Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 76 Rn. 35). Diese Anforderungen sind in Bezug auf § 16b Abs. 1a GenTG nicht gewahrt. Die Antragstellerin hat mit ihrem letzten Antrag vom 15. Januar 2009, wie sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, § 16b Abs. 1a GenTG in das Verfahren einbezogen, ohne ihre Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz darzulegen. Damit ist § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG nicht genügt.
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§ 16b Abs. 1a GenTG ist gleichwohl wegen des bestehenden Regelungszusammenhanges zu § 16a GenTG von Amts wegen auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Verfassungswidrigkeit von § 16b Abs. 1a GenTG auf zulässigerweise angegriffene Bestimmungen ausstrahlt oder die Norm notwendiger Bestandteil einer Gesamtregelung ist (vgl. BVerfGE 39, 96 <106>; 40, 296 <309 f.>; 109, 279 <374>). So liegt es hier. Der Umfang und die Tragweite der über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilenden und zu verarbeitenden Angaben erschließt sich erst, wenn die ergänzende Bestimmung in § 16b Abs. 1a GenTG in die Betrachtung einbezogen wird. Die nach § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden und zu veröffentlichenden Angaben werden erst im Kontext der Angaben nach § 16a Abs. 1, 3 und 4 GenTG verständlich.
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II.
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Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig. Die Frage nach dem erforderlichen objektiven Interesse an einer Klärung der Verfassungsmäßigkeit der früheren Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 stellt sich nicht mehr, nachdem die Antragstellerin klargestellt hat, dass sie nur die Unvereinbarkeit der nach dem Inkrafttreten des Gentechnikänderungsgesetzes 2008 bestehenden Rechtslage mit dem Grundgesetz rügt (vgl. hierzu BVerfGE 110, 33 <45> m.w.N.).
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III.
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Über den Normenkontrollantrag hinaus ist auch § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einzubeziehen. Dies ist wegen des inneren Zusammenhangs der angegriffenen Bestimmungen über die nach § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG mit dem nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG notwendig.
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C.
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Der Normenkontrollantrag ist nicht begründet. § 3 Nr. 3 und 6, § 16a Abs. 1, 2, 3, 4 und 5, § 16b Abs. 1, 1a, 2, 3 und 4 sowie § 36a GenTG in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
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I.
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Die angegriffenen Vorschriften sind formell verfassungsgemäß.
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1. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass der angegriffenen Normen folgt aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG a.F.) und in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG n.F.).
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a) Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl I S. 3146) in das Grundgesetz eingefügt, um den Bund mit einer klaren Zuständigkeitsgrundlage für den Bereich der Gentechnologie bezogen auf Menschen, Tiere und Pflanzen mit Ausnahme der künstlichen Befruchtung auszustatten (vgl. BTDrucks 12/6000, S. 34 f.; BTDrucks 12/6633, S. 9).
- 124
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Der Kompetenztitel ist weit zu verstehen. Er deckt neben der Humangentechnik auch die Gentechnik in Bezug auf Tiere und Pflanzen und begründet eine umfassende Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Regelung des Rechts der Gentechnik. Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG umfasst daher nicht nur Vorschriften, die Forschung und Entwicklung unter Einsatz gentechnischer Verfahren betreffen, sondern auch sonstige die Verwendung von und den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen regelnde Normen. Danach bewegen sich nicht nur die angegriffenen Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), sondern auch die rechtlich und funktional in das Gentechnikrecht eingebetteten Bestimmungen über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG) und über das Standortregister (§ 16a GenTG) sowie die Ergänzung und Konkretisierung der zivilrechtlichen Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG) in den Grenzen der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG.
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Ein anderes Verständnis würde zu einer Zersplitterung des Gentechnikrechts in Kernkompetenzen des Bundes nach Art. 72 Abs. 1 GG sowie Erforderlichkeitskompetenzen und Abweichungskompetenzen nach Art. 72 Abs. 2 und Abs. 3 GG in ihrer seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung führen. Eine solche Differenzierung liefe dem Anliegen des verfassungsändernden Gesetzgebers zuwider, den Bund durch die Einführung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG mit einer hinreichend klaren Zuständigkeit für das Gebiet der Gentechnik auszustatten.
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b) Die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG a.F. und des Art. 72 Abs. 2 GG n.F. liegen vor. Unter Beachtung der dem Gesetzgeber zukommenden Einschätzungsprärogative (vgl. BVerfGE 111, 226 <255> m.w.N.) ist eine bundeseinheitliche Regelung vorliegend im gesamtstaatlichen Interesse jedenfalls zur Wahrung der Rechtseinheit (vgl. BVerfGE 111, 226 <253 f.> m.w.N.) erforderlich.
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2. Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 und das Gentechnikänderungsgesetz 2008 sind auch ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Zustimmung des Bundesrates zu diesen Gesetzen war nicht notwendig.
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a) Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 bedurfte insbesondere nicht deshalb der Zustimmung des Bundesrates, weil der in den Bundestag ursprünglich eingebrachte Regierungsentwurf im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in das hier zu prüfende, nicht zustimmungsbedürftige Gesetz und in Bestimmungen über das Verwaltungsverfahren der Länder aufgeteilt wurde (vgl. Art. 84 Abs. 1 2. Halbsatz GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung), welche nachträglich in einem zustimmungsbedürftigen Gesetz verankert werden sollten (vgl. BVerfGE 105, 313 <338> m.w.N.).
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b) Mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 wurden zwar auch von den Landesbehörden zu beachtende Verfahrensvorschriften novelliert. Gemäß Art. 84 Abs. 1 GG in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 84 Abs. 1 GG n.F.) wird den Belangen der Länder nunmehr jedoch durch die Möglichkeit zur abweichenden Gesetzgebung nach Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG n.F. Rechnung getragen. Weil der Bund vorliegend das Recht zur Abweichungsgesetzgebung für das Verwaltungsverfahren nicht nach Maßgabe von Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. durch eine ausdrückliche Regelung ausgeschlossen hat, bedurfte es auch keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 6 GG n.F. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 ursprünglich zustimmungspflichtige Verfahrensvorschriften geändert wurden. Eine Zustimmungspflicht wurde hierdurch nicht ausgelöst, weil die Änderungen ihrerseits keinen Abweichungsausschluss nach Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. enthalten.
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II.
- 130
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Die angegriffenen Vorschriften sind materiell verfassungsgemäß.
- 131
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1. Das Bundesverfassungsgericht kann über den Antrag ohne Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV entscheiden. Zwar wollte der Gesetzgeber insbesondere mit der Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sowie mit der Einrichtung des Standortregisters gemäß § 16a GenTG entsprechende Vorgaben aus Art. 2 Nr. 2 und 4 und Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG umsetzen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 26). Nachdem jedoch sämtliche angegriffenen Vorschriften mit dem Grundgesetz vereinbar sind, kommt es auf die Auslegung gemeinschafts- beziehungsweise unionsrechtlicher Bestimmungen nicht entscheidungserheblich an. Eine Vorlage ist in diesem Fall weder geboten noch zulässig (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. -, NJW 2010, S. 833 <835> Rn. 185).
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2. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und mit der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit vereinbar.
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a) Mit der Möglichkeit, gezielt Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um erwünschte Eigenschaften von Organismen zu erzeugen, wie es mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht möglich wäre, greift die Gentechnik in die elementaren Strukturen des Lebens ein. Die Folgen solcher Eingriffe lassen sich, wenn überhaupt, nur schwer wieder rückgängig machen. Die Ausbreitung einmal in die Umwelt ausgebrachten gentechnisch veränderten Materials ist in Abhängigkeit von zahlreichen Faktoren nur schwer oder auch gar nicht begrenzbar. Auf der anderen Seite birgt die Forschung und Produktion von gentechnisch veränderten Organismen auch erhebliche Chancen. Vor allem können mit Hilfe solcher Organismen größere Ernteerträge erzielt und die Resistenz von Pflanzen gegen Schädlinge oder Krankheiten erhöht werden.
- 134
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Neben den Chancen der Gentechnik sind die gesundheitlichen und ökologischen Risiken und insbesondere auch Nachteile für die gentechnikfreie Landwirtschaft zu bedenken. Eine gentechnische Modifikation kann zu verschiedenen nicht beabsichtigten Effekten führen, die sich nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf die landwirtschaftliche Anbaupraxis auswirken können. So sind gegebenenfalls auch konventionell oder ökologisch angebaute Kulturen - bei zufälligem oder technisch nicht zu vermeidendem Vorkommen von gentechnisch veränderten Organismen oberhalb der im europäischen Recht festgesetzten Toleranzschwelle - entsprechend zu kennzeichnen. Auch kann eine Kennzeichnung mit Bezug auf eine ökologische beziehungsweise biologische Produktion oder mit dem noch strengeren Vorgaben unterliegenden Hinweis "Ohne Gentechnik" unzulässig werden. Dadurch bedingt kann der Marktpreis von Erzeugnissen gemindert oder der Absatz erschwert werden. Außerdem können Produzenten zusätzliche Kosten entstehen, weil sie Überwachungssysteme und Maßnahmen zur Minimierung der Vermischung von genetisch veränderten und nicht veränderten Kulturen einführen müssen.
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Angesichts einer hochkontroversen gesellschaftlichen Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern der Anwendung von Gentechnik bei Kulturpflanzen und eines noch nicht endgültig geklärten Erkenntnisstandes der Wissenschaft insbesondere bei der Beurteilung von Ursachenzusammenhängen und langfristigen Folgen eines solchen Einsatzes von Gentechnik trifft den Gesetzgeber auf diesem Gebiet eine besondere Sorgfaltspflicht. Der Gesetzgeber muss bei der Rechtsetzung nicht nur die von der Nutzung der Gentechnik einerseits und deren Regulierung andererseits betroffenen Interessen, welche insbesondere durch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), die Freiheit der Wissenschaft (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützt werden, in Ausgleich bringen. Sondern er hat gleichermaßen den in Art. 20a GG enthaltenen Auftrag zu beachten, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen (vgl. BVerfGE 118, 79 <110>). Dieser Auftrag kann sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Risikovorsorge gebieten. Zu den nach dieser Maßgabe von Art. 20a GG geschützten Umweltgütern gehören auch die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Sicherung eines artgerechten Lebens bedrohter Tier- und Pflanzenarten.
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b) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen nicht Art. 12 Abs. 1 GG.
- 137
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aa) Bei den angegriffenen Vorschriften handelt es sich um Definitionen, die im Zusammenwirken mit weiteren Normen zu Grundrechtseingriffen führen können. Die Freiheit der Berufsausübung ist mittelbar berührt. In der Klarstellung, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderte Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind, hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass das Gentechnikgesetz auch in diesen Fällen als rechtlicher Rahmen für die Berufsausübung unter Einsatz von Gentechnik dient und sich damit auf das Gentechnikgesetz gestützte Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG auch auf diese erstrecken.
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bb) Soweit in die Freiheit der Berufsausübung mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.
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Die angegriffenen Änderungen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG dienen legitimen Zielen des Gemeinwohls. Sie bezwecken nicht nur eine begriffliche Klarstellung vor dem Hintergrund einer zuvor umstrittenen Rechtslage und dienen damit der Rechtssicherheit, sondern sie stellen auch sicher, dass das Gentechnikgesetz (§ 3 Nr. 3 GenTG) und die besonderen Bestimmungen über das Inverkehrbringen von Produkten (§ 3 Nr. 6 GenTG) möglichst umfassend und insbesondere auch auf die Zufallsnachkommen von legal freigesetzten gentechnisch veränderten Organismen Anwendung finden. Damit dienen die Änderungen den legitimen Zwecken des Gentechnikgesetzes aus § 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und dem Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG).
- 140
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Bei einer Beschränkung der Definition des gentechnisch veränderten Organismus in § 3 Nr. 3 GenTG und damit des Anwendungsbereichs des Gentechnikgesetzes auf gezielt und unmittelbar herbeigeführte gentechnische Veränderungen wären die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von vornherein von jeder gentechnikrechtlichen Kontrolle freigestellt. Dies betrifft nicht nur das Inverkehrbringen (§§ 14 ff., § 16d GenTG), sondern auch den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG), ihre Beobachtung (§ 16c GenTG), ihre Kennzeichnung (§ 17b GenTG), die Mitteilungspflichten der Betreiber und sonstiger Beteiligter (§ 21 GenTG) und die behördlichen Befugnisse (§§ 20, 25, 26, 28 ff. GenTG). Der bezweckte Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange wäre jedoch durch das allgemeine, nicht auf Risikovorsorge, sondern auf Gefahrenabwehr ausgerichtete Polizei- und Ordnungsrecht nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet. Der Gesetzgeber durfte auch die Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen im Allgemeinen und die durch zufällige Auskreuzung entstandenen gentechnisch veränderten Organismen im Besonderen als mit einem allgemeinen Risiko behaftet ansehen und sie mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 GenTG den gentechnikrechtlichen Vorschriften unterstellen. Die Annahme eines solchen "Basisrisikos" (vgl. Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 7. November 2007 - 1 B 33/07 -, juris Rn. 76; VG Hannover, Urteil vom 1. Oktober 2008 - 11 A 4732/07- , NuR 2009, S. 67 <72>; Mecklenburg, NuR 2006, S. 229 <232>) liegt im Bereich der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und setzt keinen wissenschaftlich-empirischen Nachweis des realen Gefährdungspotentials der gentechnisch veränderten Organismen und ihrer Nachkommen voraus. Denn in einer wissenschaftlich ungeklärten Situation wie der vorliegenden ist der Gesetzgeber befugt, die Gefahrenlagen und Risiken zu bewerten, zumal die geschützten Rechtsgüter verfassungsrechtlich verankert sind und ein hohes Gewicht haben. Insbesondere vermindert der Umstand, dass es sich in den Anwendungsfällen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG um nicht beabsichtigte oder technisch nicht zu vermeidende Vorgänge handeln kann, nicht das mit dem Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt und der Vermarktung gentechnisch veränderter Produkte bestehende Risiko unerwünschter oder schädlicher, gegebenenfalls unumkehrbarer Auswirkungen, das im Sinn einer größtmöglichen Vorsorge beherrscht werden soll (vgl. Erwägungsgründe 4 und 5 der Richtlinie 2001/18/EG). Der Gesetzgeber liefe zudem Gefahr, seiner Verantwortung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) nicht gerecht zu werden, wenn er die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen keiner Kontrolle unterstellen würde.
- 141
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c) Eine Verletzung der Eigentumsfreiheit betroffener Landwirte (Art. 14 Abs. 1 GG) aufgrund der Genehmigungspflicht für das Inverkehrbringen von zufällig oder technisch nicht vermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen verunreinigten Produkten durch § 3 Nr. 3 und 6 GenTG kommt aus diesen Gründen ebenfalls nicht in Betracht.
- 142
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d) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen auch nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.
- 143
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aa) Die Wissenschaftsfreiheit ist allerdings im Zusammenwirken mit anderen Eingriffsnormen des Gentechnikgesetzes berührt. Das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit regelt als wertentscheidende Grundsatznorm das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat und schützt als Abwehrrecht die freie wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe (vgl. BVerfGE 15, 256 <263 f.>; 35, 79 <112>; 95, 193 <209>). In diesen Freiraum des Wissenschaftlers fallen vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen beim Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe (vgl. BVerfGE 35, 79 <112>; 47, 327 <367>; 90, 1 <11 f.>; 111, 333 <354>).
- 144
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Danach ist die Erforschung von gentechnisch veränderten Organismen vom Schutzbereich erfasst, auch soweit lebende Organismen zu experimentellen Zwecken in die Umwelt - sei es im Rahmen von Freisetzungsversuchen oder im Rahmen wissenschaftlich begleiteten Erprobungsanbaus verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen - eingebracht werden und sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten können. Art. 5 Abs. 3 GG ist also auch betroffen, wenn die Forschung außerhalb des geschlossenen Systems stattfindet und die Umwelt einschließlich der Rechtsgüter Dritter in das kontrollierte Experiment einbezieht. Dies gilt jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten.
- 145
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Mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderten Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen im Gegensatz zu den für eine Freisetzung bestimmten Organismen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind. Hiermit hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass wissenschaftliche Freilandversuche und ihre unbeabsichtigten Folgen den Kontroll- und Eingriffsbefugnissen des Staates und der Folgenverantwortung der Forschung nach Maßgabe des Gentechnikgesetzes unterfallen. Er hat die Rahmenbedingungen der Forschung abgesteckt und auf die praktische Durchführung, Fragestellung und Methodik von Forschungsprojekten Einfluss genommen. Selbst wenn man in der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG nur eine Klarstellung dessen sehen wollte, was den Normen zuvor durch Auslegung zu entnehmen war, hätte der Gesetzgeber zumindest eine umstrittene Rechtslage im Sinne dieser Auslegung geklärt und einer anderen Interpretation durch die Gerichte entzogen.
- 146
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bb) Soweit in die Wissenschaftsfreiheit mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.
- 147
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Die Wissenschaftsfreiheit kann, wie andere vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte, aufgrund von kollidierendem Verfassungsrecht beschränkt werden (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 57, 70 <99>), wobei es grundsätzlich hierzu einer gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. BVerfGE 83, 130 <142>; 107, 104 <120>; 122, 89 <107>). Ein Konflikt zwischen verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten ist unter Rückgriff auf weitere einschlägige verfassungsrechtliche Bestimmungen und Prinzipien sowie auf den Grundsatz der praktischen Konkordanz durch Verfassungsauslegung zu lösen (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 122, 89 <107>).
- 148
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Der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener und der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die nicht nur eine Beschränkung der Berufsfreiheit und des Eigentums (vgl. oben b und c), sondern auch der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.
- 149
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3. Die Bestimmungen über das Standortregister in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind, soweit sie an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfen, mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) und der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar (a bis d).Nichts anderes gilt, soweit § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen betreffen, die nach dem ebenfalls nicht zu beanstandenden § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind (e).
- 150
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a) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) wird durch die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Vorschriften über das Standortregister nicht verletzt.
- 151
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Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194>; 96, 171 <181>; 103, 21 <32 f.>; 113, 29 <46>; 115, 320 <341>). Das Recht gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 67, 100 <143>; 84, 239 <279>; 103, 21 <33>; 115, 320 <341>).
- 152
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aa) Bezugspersonen der im Standortregister gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG erfassten und nach Maßgabe von § 16a Abs. 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG zugänglichen Informationen über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen sind die Bewirtschafter der Anbauflächen und ihre in § 16b Abs. 1a GenTG bezeichneten "Nachbarn". Die Pflicht zur Mitteilung der erforderlichen Angaben an die registerführende Stelle trifft gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG die Bewirtschafter der Anbauflächen.
- 153
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Bewirtschafter ist gemäß § 3 Nr. 13a GenTG "eine juristische oder natürliche Person oder nichtrechtsfähige Personenvereinigung, die die Verfügungsgewalt und tatsächliche Sachherrschaft über eine Fläche zum Anbau von gentechnisch veränderten Organismen besitzt". Nachbar ist, wer nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder die zu seinem Schutz erforderlichen Auskünfte nicht erteilt hat.
- 154
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Handelt es sich bei den Betroffenen um natürliche Personen, sind diese Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Juristische Personen des privaten Rechts sind als Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung anerkannt, soweit dieses Grundrecht auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützt ist (vgl. BVerfGE 118, 168 <203>). Auf diese Unterschiede in der Reichweite des Schutzes zwischen natürlichen und juristischen Personen kommt es im vorliegenden Fall einer abstrakten Normenkontrolle jedoch nicht an, da in jedem Fall auch natürliche Personen betroffen sind und der Schutz juristischer Personen nicht weiter reicht.
- 155
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bb) Gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG werden im Standortregister personenbezogene Daten erfasst.
- 156
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Vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sind nur persönliche oder personenbezogene Daten umfasst (vgl. BVerfGE 118, 168 <184> m.w.N.). Unter personenbezogenen Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen (vgl. BVerfGE 65, 1 <42>).
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Das trifft zunächst auf die nach § 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben über Namen und Anschrift desjenigen zu, der die Anbaufläche bewirtschaftet und auf entsprechende Informationen zum Nachbarn gemäß § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG. Auskunft über sachliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer Personen erteilen die Angaben über die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften sowie das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2 und 4 GenTG) sowie die grundstücksbezogenen Informationen über eine Einschränkung von Schutzmaßnahmen im Verhältnis zu einem Dritten (§ 16b Abs. 1a GenTG). Die Bezugsperson geht für die registerführende Stelle jeweils aus der Mitteilung, welche die Angaben über die persönlichen und sachlichen Verhältnisse der Betroffenen miteinander verbindet, und der gemeinsamen Speicherung der Daten eindeutig hervor.
- 158
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Auf den Wert oder die Sensibilität eines Datums kommt es dabei nicht an. Zwar beschränken sich Name und Anschrift einer Person auf elementare Informationen, die zur Identifizierung benötigt werden. Auch sind die im allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters erfassten Angaben über die Bezeichnung, den spezifischen Erkennungsmarker und die gentechnisch veränderten Eigenschaften des gentechnisch veränderten Organismus (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2, § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 GenTG) bereits nach internationalem und europäischem Recht zur Bekanntgabe an die Öffentlichkeit vorgesehen und können im Internet insbesondere über das Register für veränderte Organismen der Informationsstelle für biologische Sicherheit ("Biosafety Clearing-House", Art. 20 des Protokolls von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt, BGBl II 2003 S. 1506) und über das Gemeinschaftsregister für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel (Art. 28 der Verordnung
Nr. 1829/2003) abgerufen werden. Schließlich sind Lage und Größe einer Anbaufläche regelmäßig öffentlich wahrnehmbar, denn Landwirtschaft wird nicht im privaten, sondern im sozialen Raum betrieben. Die Anbaufläche ist in der Natur allerdings im Allgemeinen weder im Hinblick auf den Bewirtschafter noch in Bezug auf den Anbau eines bestimmten Organismus ohne weiteres bestimmbar. Der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung umfasst jedoch alle Informationen, die über die Bezugsperson etwas aussagen können. Er erstreckt sich auch auf Basisdaten wie Name und Anschrift sowie auf offenkundige oder allgemein zugängliche Informationen. Unter den Bedingungen der automatisierten Datenverarbeitung gibt es grundsätzlich kein "belangloses" Datum mehr (vgl. BVerfGE 65, 1 <45>). Durch ihre Verknüpfung erlangen die im Standortregister erfassten Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einen neuen Stellenwert. Zusammengeführt informieren sie insbesondere darüber, dass ein bestimmter gentechnisch veränderter Organismus auf einer bestimmten Fläche von einer bestimmten Person angebaut wird.
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cc) Die hier zu prüfenden Bestimmungen über das Standortregister ermächtigen die registerführende Stelle zur Erhebung und Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und greifen damit in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein.
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Beeinträchtigungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung können insbesondere in der Beschaffung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Informationen liegen.
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(1) Die Bestimmungen über das Mitteilen (Erheben) und Erfassen (Speichern) der personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a GenTG und über die Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (Weitergabe) in § 16a Abs. 5 GenTG stellen demgemäß einen Grundrechtseingriff dar.
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(2) Die Erteilung von Auskünften aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers gemäß § 16a Abs. 4 und § 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG über personenbezogene Daten durch den automatisierten Abruf über das Internet stellt eine Sonderform der staatlichen Datenübermittlung und damit eine Form der Datenverarbeitung dar (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchstabe b Bundesdatenschutzgesetz - BDSG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003, BGBl I S. 66). Ist auf diesem Weg die Weitergabe personenbezogener Daten vorgesehen, so liegt darin ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
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Der Gesetzgeber hat allerdings für den allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters nur Angaben vorgesehen, die sachliche Verhältnisse beschreiben (§ 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG). Informationen über persönliche Verhältnisse wie Name und Anschrift einer Person sind hingegen im nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erfasst und werden vom Gesetzgeber als "personenbezogene Daten" bezeichnet (§ 16a Abs. 5 GenTG). Durch diese Aufteilung verlieren die in das Internet eingestellten Daten jedoch nicht ihren Personenbezug. Dieser besteht fort, solange die Bezugsperson "bestimmbar" oder "individualisierbar" bleibt. Daher ist - unbeschadet der vom Gesetzgeber gewählten Unterscheidung zwischen personenbezogenen Daten in § 16a Abs. 5 GenTG und anderen Daten in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG - für die Frage des Grundrechtseingriffs allein die Grenze zwischen Bestimmbarkeit und Nichtbestimmbarkeit der Bezugsperson entscheidend. Danach können vorliegend personenbezogene Informationen über das Internet abgerufen werden. Es ist davon auszugehen, dass eine unbestimmte Zahl von Empfängern über Zusatzwissen verfügt, das es ihnen ohne großen zeitlichen oder finanziellen Aufwand ermöglicht, die Bezugsperson zu identifizieren. Insbesondere Ortsansässigen kann ohne weiteres bekannt sein, wer welche landwirtschaftlich genutzten Flurstücke in einer Gemarkung bewirtschaftet. Jedenfalls für diese Übermittlungsvorgänge wird die registerführende Stelle durch § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG zur Weitergabe personenbezogener Daten ermächtigt.
- 164
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dd) Der Eingriff ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
- 165
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Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben (1) und die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (2). Zudem bedarf der effektive Grundrechtsschutz einer den sachlichen Erfordernissen entsprechenden Ausgestaltung des Verfahrens (3).
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(1) Die Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gemäß § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG entsprechen dem Gebot der Normklarheit und -bestimmtheit.
- 167
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Dieses Gebot findet im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG selbst. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung grundsätzlich bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (vgl. BVerfGE 100, 313 <359 f., 372>; 110, 33 <53>; 113, 348 <375>; 118, 168 <186 f.>). Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt.
- 168
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Nach § 16a Abs. 1 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG dient die Datenerhebung und Datenverarbeitung dem Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange und dem Zweck der Information der Öffentlichkeit.
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Das Register wird gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 GenTG von der nach § 31 Satz 2 GenTG zuständigen Bundesoberbehörde geführt, der gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a GenTG die erforderlichen Informationen mitzuteilen sind und die gemäß § 16a Abs. 4 und 5, § 16b Abs. 1a Satz 2 und 3 GenTG die Auskünfte aus dem Register erteilt. In § 16a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und in § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG ist dabei präzise bestimmt, wer welche Angaben wann mitzuteilen hat. Des Weiteren ist in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG angegeben, welche Informationen auf welche Weise aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers abgerufen werden können.
- 170
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§ 16a Abs. 5 (ggf. i.V.m. § 16b Abs. 1a Satz 3) GenTG umschreibt schließlich hinreichend präzise die Voraussetzungen für eine Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers. Soweit der Gesetzgeber sich dabei unbestimmter Rechtsbegriffe bedient hat, steht das Bestimmtheitsgebot dem nicht entgegen. Die Begriffe "berechtigtes Interesse" und "überwiegendes schutzwürdiges Interesse" stehen in dem begrenzenden Kontext der Vorschriften zu dem Standortregister und lassen sich in diesem hinreichend konkretisieren.
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(2) Die zu prüfenden Regelungen über die Erhebung und Verarbeitung der Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind verhältnismäßig.
- 172
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(a) Mit diesen Bestimmungen verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele. Sie dienen der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, der Schaffung einer angemessenen Transparenz sowie den Zwecken des § 1 GenTG. Sie finden eine verfassungsrechtliche Grundlage insbesondere in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG.
- 173
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Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG dient das Standortregister der Information der Öffentlichkeit. Für die Allgemeinheit soll das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt durch Freisetzungen und Anbau transparent gemacht werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 26). Die Schaffung von Transparenz stellt in diesem Zusammenhang einen eigenständigen und legitimen Zweck der Gesetzgebung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die im Standortregister erfassten und veröffentlichten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen leisten innerhalb der demokratischen, pluralistischen Gesellschaft einen wichtigen Beitrag zum öffentlichen Meinungsbildungsprozess. Der öffentliche Meinungsaustausch und die Einbeziehung der Gesellschaft in diese umweltrelevanten Entscheidungen und ihre Umsetzung schützen nicht nur den Einzelnen, sondern stärken die effektive Kontrolle staatlichen Handelns. Um solche Transparenz herzustellen, ist es legitim, bestimmte Daten der Öffentlichkeit allgemein und insoweit ohne weitere Bindung an bestimmte Zwecke zugänglich zu machen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schließt die Schaffung allgemein öffentlicher Dateien - auch solcher mit Personenbezug - nicht generell aus. Insbesondere entspricht das Standortregister dem hohen Stellenwert, den die Richtlinie 2001/18/EG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit beimisst. Den Mitgliedstaaten ist es nach Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG untersagt, im Genehmigungsverfahren vorgelegte Informationen über eine allgemeine Beschreibung von gentechnisch veränderten Organismen, den Namen und die Anschrift des Anmelders, Zweck und Ort der Freisetzung (vgl. Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2001/18/EG) sowie die beabsichtigten Verwendungszwecke als vertrauliche Informationen zu behandeln. In seinem Urteil vom 17. Februar 2009 hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt, dass der Mitteilung der in Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG genannten Informationen kein Vorbehalt zugunsten des Schutzes der öffentlichen Ordnung oder anderer gesetzlich geschützter Interessen entgegengehalten werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - C-552/07 -, Slg. 2009, S. I-987 <1029 f.> Rn. 55 und Tenor Ziffer 2).
- 174
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Das Standortregister kommt auch der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter zugute (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es dient damit insbesondere dem Schutz der menschlichen Gesundheit, der Umwelt und fremden Eigentums vor schädlichen Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Kulturpflanzen und der Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren.
- 175
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Das Standortregister soll ferner die Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf den Koexistenzbelang gemäß § 1 Nr. 2 GenTG und die Information potentiell betroffener Dritter über den geplanten Anbau sicherstellen (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es leistet damit einen Beitrag zur Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des zugrunde liegenden europäischen Koexistenzkonzeptes (hierzu: Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Das Ziel eines verträglichen Nebeneinanders der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsmethoden findet seine verfassungsrechtliche Grundlage nicht nur in der von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Freiheit anderer Erzeuger zur selbstbestimmten Nutzung ihres Eigentums, sondern auch in ihrer von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung.
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Das Standortregister dient schließlich dem Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Insbesondere kann die Information der Öffentlichkeit über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt ein eigenes Urteil über den staatlich genehmigten und überwachten Einsatz von Gentechnik schaffen und die Akzeptanz der staatlichen Entscheidungen verbessern.
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(b) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.
- 178
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Das Standortregister kann die effektive Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange unterstützen und trägt damit zur Gefahrenabwehr und Risikovorsorge sowie zur Gewährleistung von Koexistenz bei.
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Die Information der zuständigen Behörden über die Anbauflächen gentechnisch veränderter Kulturen ermöglicht diesen insbesondere, den Anbau und seine Umweltauswirkungen zu beobachten und zu überwachen, Produktionsprozesse gezielt zu kontrollieren, die ordnungsgemäße Anwendung von Koexistenzmaßnahmen sicherzustellen und standortbezogene wissenschaftliche Begleituntersuchungen durchzuführen, um langfristige oder unvorhergesehene Effekte zu erfassen.
- 180
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Das Standortregister ist geeignet, die Öffentlichkeit und mögliche Betroffene über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt zu informieren und damit die gewünschte Transparenz, Koexistenz und gesellschaftliche Befriedung zu befördern. Insbesondere können sich Nachbarbetriebe und andere mögliche Betroffene rechtzeitig über den beabsichtigten Anbau solcher Organismen informieren und Maßnahmen zum Schutz vor Einträgen in ihre Erzeugnisse ergreifen.
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(c) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist ein ebenso wirksamer, aber die Betroffenen weniger belastender Weg der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nicht ersichtlich.
- 182
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Die zuständigen staatlichen Stellen verfügen über keine vergleichbaren Informationen, auf die sie zur Erfüllung der Zwecke des Standortregisters zurückgreifen könnten. Diese liegen insbesondere nicht schon aufgrund des Genehmigungsverfahrens zum Inverkehrbringen vor. Das Genehmigungsverfahren ist nicht auf den Bewirtschafter von Anbauflächen, sondern auf denjenigen bezogen, der ein Produkt erstmals in Verkehr bringt (vgl. § 15 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 7 GenTG).
- 183
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Auch die Mitteilungsfrist von drei Monaten vor dem Anbau gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1 GenTG durfte der Gesetzgeber für erforderlich halten, um das Konzept einer abgestimmten Anbauplanung umzusetzen. Denn bis zur Aussaat von gentechnisch veränderten Pflanzen hat nicht nur die Mitteilung an das Standortregister zu erfolgen. Es ist auch der Nachbar zu unterrichten und dessen Angaben sind gegebenenfalls durch eine Anpassung der Anbaupläne zu berücksichtigten. Zudem können schriftliche Vereinbarungen über die gute fachliche Praxis getroffen werden. Diese Änderungen und Vereinbarungen sind wiederum dem Standortregister zu melden. Ferner sind innerbetriebliche Abweichungen von der guten fachlichen Praxis den zuständigen Behörden zu melden.
- 184
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Desgleichen ist die Datenverarbeitung nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 4 und 5, § 16a Abs. 1a GenTG zur Zweckerreichung erforderlich. Ein Antragsverfahren für die Erteilung von Auskünften über die genauen Anbaustandorte würde die mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Zwecke nicht ebenso wirksam umsetzen. Das angestrebte hohe Maß an Transparenz könnte nicht erreicht werden, wenn nur die Gemeinde oder Gemarkung des Standortes gemäß § 16a Abs. 4 GenTG in das Internet eingestellt würde. Auch die Möglichkeit der frühzeitigen Planung, Abstimmung und Koordination konkurrierender Nutzungsinteressen und die Wirtschaftlichkeit der Auskunftserteilung wären mit einem Antragsverfahren nicht gleichermaßen gewährleistet.
- 185
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Eine Begrenzung des berechtigten Interesses an der Auskunftserteilung gemäß § 16a Abs. 5 GenTG auf Fälle, in denen eine "wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung" sowie "substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn" drohen, wäre nicht geeignet, die Information möglicher Betroffener in dem vom Gesetzgeber gewollten Umfang sicherzustellen. Insbesondere in der Phase der Anbauplanung dürfte regelmäßig nicht absehbar sein, ob solche Nachteile zu erwarten sind mit der Folge, dass Auskünfte über Namen und Anschrift der Bewirtschafter nicht oder nur in geringem Maße erteilt werden dürften. Die Möglichkeit, mit Hilfe des Standortregisters lokale Erzeugungsstrukturen durch Anbauplanung aufeinander abzustimmen und die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht gentechnisch veränderten Kulturen zu koordinieren, wäre dann nicht vergleichbar gegeben.
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(d) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG wahren auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.
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Erheben und Verarbeiten von personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in der vorgesehenen Form führen allerdings zu einem Eingriff von Gewicht.
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Die nach § 16a Abs. 3 und § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden Daten werden im Standortregister verknüpft, so dass neue, über die Einzelangabe hinausgehende Informationen entstehen. Die Datenerhebung erlangt zusätzliches Gewicht dadurch, dass sie nach Maßgabe von § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG bußgeldbewehrt ist. Auch stellt die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG durch automatisierten Abruf über das Internet eine besonders weitgehende Form des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die Daten können nach ihrem Abruf beliebig weiter verarbeitet, verknüpft und zu einer Vielzahl von Zwecken - auch für die Planung von Straftaten zum Nachteil eines Bewirtschafters oder Nachbarn - verwendet werden.
- 189
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Das Gewicht des Eingriffs wird jedoch unter verschiedenen Gesichtspunkten gemildert.
- 190
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Den Anlass für den Grundrechtseingriff geben die Betroffenen selbst mit einem Verhalten, das erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Rechtsgüter Dritter haben kann und daher das Bedürfnis nach staatlicher Überwachung und ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründet. Auch ist der mit der Datenerhebung verbundene Aufwand verhältnismäßig gering. Soweit nach § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, wenn eine Mitteilung nach § 16a Abs. 3 Satz 1 oder 3 GenTG nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gemacht wird, ist ein ordnungsgemäßes Verhalten für den Bewirtschafter mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden. Die gemäß § 16a Abs. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben betreffen ausschließlich den Bewirtschafter und seine berufliche Tätigkeit und können von ihm auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden. Das in der Bekanntgabe über das Internet liegende Gewicht wird schließlich dadurch relativiert, dass die Empfänger den Personenbezug erst durch Zusatzwissen oder eine aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erteilte Auskunft herstellen können. Für die überwiegende Zahl der weltweit in Betracht kommenden Informationsempfänger bleiben die Bezugspersonen anonym. Diese Empfänger werden regelmäßig auch kein Interesse daran haben, den konkreten Anbau einer bestimmten Person zuzuordnen.
- 191
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Angesichts der legitimen Gemeinwohlinteressen, denen das Standortregister dient, ist der Eingriff daher nicht unangemessen. Mit der Aufteilung des Registers in einen allgemein zugänglichen und einen nicht allgemein zugänglichen Teil hat der Gesetzgeber einen tragfähigen und aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Kompromiss zwischen dem Informationsinteresse des Staates und der Öffentlichkeit einerseits und dem Geheimhaltungsinteresse der Bezugspersonen andererseits gefunden.
- 192
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Der gesetzlichen Regelung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass durch die Einrichtung des Standortregisters die Wahrscheinlichkeit mutwilliger Zerstörungen von Anbaukulturen erhöht werde. Bereits vor der Einführung des Standortregisters kam es wiederholt zu Behinderungen von Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen, denen mit dem Einsatz des Polizei- und Strafrechts zu begegnen war. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber sein Konzept eines verträglichen Nebeneinanders der unterschiedlichen Produktionsweisen und einer gesellschaftlichen Befriedung umgesetzt und fortentwickelt. Bestandteil des Konzeptes ist - unbeschadet der ohnehin bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben - die transparente Information der Öffentlichkeit über den Einsatz von Gentechnik auf der einen Seite und der Schutz der Nutzer von Gentechnik vor den von dieser Öffentlichkeit ausgehenden Gefahren durch einen nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters und mit den Mitteln des Polizei- und Strafrechts auf der anderen Seite. Der Staat ist, wie auch in anderen Fällen einer Behinderung der Eigentums-, Berufs- oder Forschungsfreiheit durch Dritte verpflichtet, die ungehinderte Betätigung der Grundrechte im Einzelfall zu fördern und zu schützen. Bisher ist nicht erkennbar, dass durch das Standortregister eine Situation so hoher Gefährdung für Bewirtschafter entstanden wäre, dass der Gesetzgeber evident zur Schaffung weitergehender Schutzmechanismen gegen rechtswidrige und strafbare Feldzerstörungen verpflichtet wäre.
- 193
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Auch die Bestimmungen über den nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters in § 16a Abs. 5 GenTG schränken das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht unangemessen ein. Gemäß § 16a Abs. 5 GenTG darf eine Auskunft aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers nur erteilt werden, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat. Den Rechtsanwender trifft damit die Pflicht zur Abwägung, durch die eine einzelfallbezogene Beurteilung erreicht werden kann.
- 194
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(3) Der Grundrechtsschutz ist schließlich auch durch eine angemessene Verfahrensgestaltung abgesichert.
- 195
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Die Verwendung personenbezogener Daten muss auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt sein (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Auch sind Aufklärungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten von Bedeutung (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Diesen Anforderungen ist vorliegend genügt.
- 196
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Die Information der Betroffenen vor der Datenerhebung darüber, welche Daten über das Internet abgerufen werden können und unter welchen Voraussetzungen Auskünfte über die mitgeteilten persönlichen Daten erteilt werden können, ist durch die insoweit klare Gesetzeslage sichergestellt. Dass hierbei bestimmte Daten zur Herstellung von Transparenz der allgemeinen Öffentlichkeit auch ohne weitere Zweckbindung zugänglich gemacht werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Eine Information des gemäß § 16b Abs. 1a GenTG betroffenen Nachbarn über die Mitteilung an das Standortregister kann im Rahmen der Aufklärung über die Rechtsfolgen der schriftlichen Vereinbarung oder der Nichterteilung von Auskünften gemäß § 16b Abs. 1 Satz 3 GenTG erfolgen. Jedenfalls ist der Nachbar ausreichend dadurch geschützt, dass die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten in § 16b Abs. 1a GenTG durch Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Dementsprechend besteht gemäß § 19a Abs. 2 Nr. 3 BDSG keine Pflicht zur Benachrichtigung eines Betroffenen, ohne dessen Kenntnis die Daten aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung erhoben wurden.
- 198
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Eine Benachrichtigung des Betroffenen über den Abruf von Daten aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers erübrigt sich, weil der Betroffene bereits bei der Datenerhebung weiß, welche Daten veröffentlicht werden und sich entsprechend darauf einstellen kann. Im Übrigen sind weitreichende Auskunftspflichten über erhobene und weitergegebene Daten in § 19 BDSG vorgesehen, der gemäß § 16a Abs. 7 GenTG für juristische Personen entsprechend gilt. Gegen § 19 BDSG bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch BVerfGE 120, 351 <365>).
- 199
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Der auf ein bestimmtes Vorhaben bezogene und begrenzte Zweck der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gebietet ferner die Löschung aller nicht oder nicht mehr zur Zweckerreichung erforderlichen Daten (vgl. BVerfGE 113, 29 <58>). Dem ist vorliegend durch die gesetzlich angeordnete Löschung der Daten 15 Jahre nach ihrer erstmaligen Speicherung gemäß § 16a Abs. 6 Satz 2, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG genügt.
- 200
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b) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.
- 201
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aa) Die Verpflichtung zur Mitteilung von Angaben über den Anbau an das Standortregister nach Maßgabe von § 16a Abs. 3 GenTG verletzt die von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.
- 202
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Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährleistet grundsätzlich auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (vgl. BVerfGE 115, 205 <229>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offengelegt oder verlangt dieser deren Offenlegung, ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden dabei alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.
- 203
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Nach dieser Maßgabe handelt es sich bei den gemäß § 16a Abs. 3 GenTG zu erhebenden Daten über den gentechnisch veränderten Organismus und seinen Standort weder um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse noch erscheint die Erhebung und Verarbeitung dieser Daten geeignet, empfindliche Wettbewerbsnachteile nach sich zu ziehen. Da der Anbau im öffentlichen Raum stattfindet, ist seine Wahrnehmung und Kenntnis von vornherein nicht auf einen begrenzten Kreis von Personen beschränkt, der einem landwirtschaftlichen Betrieb oder Unternehmen zugerechnet werden könnte. Der gentechnisch veränderte Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und der spezifische Erkennungsmarker sind, ohne dass es auf das Standortregister ankommt, im Internet veröffentlicht. Zudem muss der Geheimhaltungswille berechtigten wirtschaftlichen Interessen entspringen, so dass es unerheblich ist, ob ein Unternehmen ein negatives Image, das mit dem Einsatz von Gentechnik verbunden sein mag, abwenden will.
- 204
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bb) Die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben an die registerführende Behörde zu übermitteln, stellt eine Berufsausübungsregelung dar, die aber durch die dargestellten Gemeinwohlbelange von überragendem Gewicht gerechtfertigt ist.
- 205
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Im Übrigen bietet das Grundrecht der Berufsfreiheit grundsätzlich keinen über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinausgehenden Schutz vor staatlichen informationellen Maßnahmen (vgl. BVerfGE 118, 168 <205>).
- 206
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c) Eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder der Gefahr von Eigentumsverletzungen durch Gentechnikgegner kommt aus den gleichen Gründen nicht in Betracht.
- 207
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d) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar.
- 208
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Erfolgt der Anbau zu wissenschaftlichen Zwecken, so betrifft die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben über den Anbau an die registerführende Behörde zu übermitteln, auch die Bedingungen für die Durchführung des Forschungsprojektes und berührt damit den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die darin liegende Einschränkung weist jedoch in Bezug auf die Forschungsfreiheit kein hohes Gewicht auf und ist durch den Schutz der dargestellten kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt.
- 209
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e) Aus denselben Erwägungen sind die in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG enthaltenen Bestimmungen über die dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit durch den Betreiber nach Maßgabe von § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar. Aus den dargestellten Gründen bestehen auch gegen § 16a Abs. 2 GenTG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
- 210
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4. § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Auch eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG kann nicht festgestellt werden.
- 211
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a) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG in ihrer zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.
- 212
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aa) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG greifen in die Berufsfreiheit ein. Der Gesetzgeber regelt mit diesen Bestimmungen den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. § 16b Abs. 4 und § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG in der Alternative des Inverkehrbringens knüpfen insoweit unmittelbar an die Betätigung zu Erwerbszwecken an; die weiteren angegriffenen Bestimmungen weisen jedenfalls eine objektiv berufsregelnde Tendenz auf. Denn sie betreffen typischerweise den erwerbswirtschaftlichen oder gewerbsmäßigen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten und verstehen sich in erster Linie als rechtliche Rahmenbedingungen für die Berufsausübung. Die Pflicht, Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange zu treffen, geht dabei über die Abwehr konkreter Gefahren hinaus und verlagert die Eingriffsbefugnisse der Behörde im Vergleich zur polizeirechtlichen Gefahrenabwehr zeitlich und sachlich nach vorn.
- 213
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bb) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
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(1) Die Regelungen sind hinreichend bestimmt.
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In § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG definiert der Gesetzgeber den Inhalt und das Ziel der Vorsorgepflicht dahingehend, dass bestimmte Rechtsgüter und Belange "nicht wesentlich beeinträchtigt" werden dürfen. Wann eine Beeinträchtigung wesentlich ist, kann mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln bestimmt werden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen europäische Schwellenwerte zur Kennzeichnungspflicht Orientierung bieten und der Begriff durch die in § 36a Abs. 1 GenTG vorgegebenen Interpretationsregeln näher festgelegt werden (BTDrucks 15/3088, S. 27). § 36a Abs. 1 GenTG knüpft an den Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung in § 906 BGB an. Interpretationsgrundsätze, die sich in diesem Regelungszusammenhang herausgebildet haben, können daher auch bei der Auslegung von § 36a Abs. 1 GenTG herangezogen werden.
- 216
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§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot zu beanstanden. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ausgesprochene Rechtsfolge sind für die Betroffenen in zumutbarer Weise zu erkennen. Sie lassen sich jedenfalls im Wege der Auslegung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen. Die Möglichkeiten einer weitergehenden Regelung sind zudem nach der Eigenart des geregelten Lebenssachverhalts begrenzt. Ob und inwieweit die Vorsorgepflicht im Einzelfall abdingbar ist, kann letztlich nur für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Verhältnisse vor Ort geklärt werden. Die sich aus einer Anwendung von § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ergebenden haftungsrechtlichen Fragen hat der Gesetzgeber in § 16b GenTG nicht geregelt. Insoweit konnte er es bei der allgemeinen vertraglichen und außervertraglichen Haftung und den hierzu - auch im Zusammenhang mit einem vertraglichen Verzicht auf eine günstige Rechtsposition - entwickelten Grundsätzen belassen. Insgesamt begegnet § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. in Bezug auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitserfordernis keinen durchgreifenden Bedenken.
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Auch § 16b Abs. 2 und 3 GenTG sind hinreichend bestimmt gefasst. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Grundsätze der guten fachlichen Praxis in § 16b Abs. 3 GenTG nicht erschöpfend geregelt hat ("insbesondere"). Der Gesetzgeber durfte mit der offenen Fassung dieser Grundsätze der Vielgestaltigkeit des geregelten Lebenssachverhalts Rechnung tragen. Der Begriff der guten fachlichen Praxis ist einerseits offen genug für neue Entwicklungen und andererseits geeignet, einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen die Landwirte handeln können und müssen. Was im Einzelfall zur guten fachlichen Praxis gehört, lässt sich im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen, insbesondere auch in Anlehnung an die hinter den Regelbeispielen liegenden Wertungen, mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden hinreichend bestimmen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber in § 16b Abs. 6 GenTG die Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung vorgesehen, die die Grundsätze der guten fachlichen Praxis weiter konkretisieren kann.
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Schließlich sind die in § 16b Abs. 4 GenTG an die Eignung von Person und Ausstattung gestellten Anforderungen ausreichend bezeichnet. Bei der Umschreibung dieser Anforderungen bedient sich der Gesetzgeber unbestimmter Rechtsbegriffe wie "Zuverlässigkeit" und "Kenntnisse", die seit jeher in wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Gesetzen verwendet werden (z. B. § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung und § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gaststättengesetz). Diese Begriffe sind in einer langen Tradition von Gesetzgebung, Verwaltungshandeln und Rechtsprechung so ausgefüllt worden, dass an ihrer rechtsstaatlichen Bestimmtheit nicht zu zweifeln ist, mögen sie auch für jeden neuen Sachbereich neue Konkretisierungen erfordern (vgl. BVerfGE 49, 89 <134>). Ebenso sind die in § 16b Abs. 4 GenTG verwandten Begriffe "Fertigkeiten" und "Ausstattung" mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden hinreichend zu präzisieren. Wozu die Eignung von Person und Ausstattung dienen soll, ist mit dem Verweis auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht gemäß § 16b Abs. 1 GenTG hinreichend geregelt.
- 219
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(2) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verhältnismäßig.
- 220
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(a) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind als Regelungen der Berufsausübung statthaft, weil sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls legitimiert werden, zur Erreichung der Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich sind und den Betroffenen nicht unzumutbar belasten (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 36, 47 <59>; 61, 291 <312>; 68, 272 <282>; 103, 1 <10>; stRspr). Auch die Sachkundeanforderungen des § 16b Abs. 4 GenTG sind Berufsausübungsregelungen.
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(b) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung dienen legitimen Gemeinwohlzielen.
- 222
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Mit der Vorsorgepflicht soll ein verantwortungsvoller Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und dadurch einer wesentlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG durch Einträge dieser Organismen vorgebeugt werden (§ 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG). Diesem Ziel dienen auch die Grundsätze der guten fachlichen Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung, welche jeweils auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht bezogen sind (§ 16b Abs. 2, 3 und 4 GenTG). Mit der Vorsorgepflicht trägt der Gesetzgeber der - auch bezogen auf den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen bestehenden - Erkenntnis- und Prognoseunsicherheit Rechnung, die aus dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik und dort bestehenden Ungewissheiten resultiert. Die Ausbreitung solcher Organismen soll durch die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis von vornherein möglichst vermieden oder, wenn unvermeidbar, auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Die Anforderungen an die Person und Ausstattung (§ 16b Abs. 4 GenTG) sollen sicherstellen, dass der Anwender hierzu fähig und willens ist und damit die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit gewährleisten (BTDrucks 15/3088, S. 27).
- 223
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§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG dienen damit dem Zweck, Vorsorge gegen schädliche Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte für das Leben und die Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter zu treffen (§ 1 Nr. 1 GenTG). Die Vorschriften konkretisieren zudem die Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) und dienen insoweit insbesondere dem Schutz der Berufs- und Eigentumsfreiheit potentieller Betroffener und dem Ziel, durch die Gewährleistung eines verträglichen Nebeneinanders der landwirtschaftlichen Produktionsformen die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu wahren, Rechts- und Planungssicherheit zu schaffen und eine gesellschaftliche Befriedung zu erreichen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 27). Schließlich verfolgt der Gesetzgeber auch das Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG).
- 224
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(c) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.
- 225
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Soweit der Gesetzgeber das in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. geregelte Verbot koexistenzgefährdender Handlungen durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 gestrichen und zugunsten der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen durch eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht ersetzt hat, bewegt sich die Änderung innerhalb des ihm zukommenden Einschätzungs- und Prognosevorrangs. Sie führt nicht zu einer fehlenden Eignung der Regelung wegen einer nicht hinreichend konsequenten Verfolgung des Vorsorgeziels.
- 226
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(d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist kein gleich wirksames, aber die Betroffenen weniger belastendes Mittel erkennbar, um den angestrebten verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen zu erreichen.
- 227
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Die Erforderlichkeit der Regelungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis kann insbesondere nicht mit dem Argument verneint werden, dass der Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter bereits durch das Bewertungs- und Genehmigungsverfahren im Rahmen der Inverkehrbringensgenehmigung sichergestellt werde. Zwar ist die Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen grundsätzlich mit der Einschätzung verbunden, dass unvertretbare schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter wie die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht zu erwarten sind (§ 16 Abs. 2 Satz 1 GenTG). Es handelt sich jedoch um eine Prognoseentscheidung, welche das Auftreten von nicht vorhergesehenen schädlichen Auswirkungen etwa auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt nicht ausschließen kann. Der Zweck der auf die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 GenTG bezogenen Vorsorgepflicht liegt gerade darin, ergänzend zu den Genehmigungsbedingungen für ein Inverkehrbringen einen verantwortungsvollen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und damit einen möglichst umfassenden und lückenlosen Rechtsgüterschutz nach der Marktfreigabe zu gewährleisten.
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(e) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung sind auch im engeren Sinn verhältnismäßig.
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Die in § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG normierten öffentlichrechtlichen Verpflichtungen enthalten strenge Vorgaben für die Berufsausübung unter Einsatz von zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und greifen daher mit nicht unerheblichem Gewicht in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit ein.
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Die hiermit verbundene Belastung wird schon dadurch begrenzt, dass das Gesetz zugunsten des Einsatzes der "grünen" Gentechnik eine Ausbreitung von gentechnisch veränderten Organismen hinnimmt, die nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG führt. Das Gewicht des Eingriffs wird auch durch die nach § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG n.F. bestehende Möglichkeit gemildert, im Einzelfall aufgrund schriftlicher Zustimmung oder Schweigen des Nachbarn ausschließlich zum Schutz der wirtschaftlichen Koexistenz des anderen (§ 1 Nr. 2 GenTG) bestehende Vorgaben nicht zu beachten. Zudem gehören die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen nur zur guten fachlichen Praxis, "soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist". Sie enthalten - derzeit ergänzt und konkretisiert durch die Verordnung über die gute fachliche Praxis bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen (Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung - GenTPflEV - vom 7. April 2008, BGBl I S. 655), die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) - normative Vorgaben, auf die sich ein Verwender von gentechnisch veränderten Organismen ebenso wie ein möglicher Betroffener einstellen kann. Damit hat sich die Rechts- und Planungssicherheit auch für die Anwender verbessert.Ferner können die zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben erforderlichen Betriebsführungsmaßnahmen auf bereits bestehenden Trennungspraktiken oder -verfahren und bisherigen Erfahrungen mit der Behandlung identitätsgeschützter Pflanzensorten und den Saatguterzeugungspraktiken aufbauen. Schließlich besteht die Möglichkeit, mit Nachbarbetrieben zusammenzuarbeiten. Management und Erzeugung können koordiniert und zum Beispiel Sorten mit unterschiedlichen Blütezeiten verwendet, unterschiedliche Aussaatzeiten vereinbart oder Fruchtfolgen aufeinander abgestimmt werden. Bereits auf diesem Weg können die Kosten für die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht veränderten Kulturen erheblich gesenkt, das Risiko von Auskreuzungen in benachbarte Kulturen minimiert, die Einhaltung der Kennzeichnungsschwellenwerte für Lebensmittel und Futtermittel ermöglicht und letztlich auch Haftungsfälle von vornherein vermieden werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 27 unter Verweis auf die Empfehlung der Kommission vom 23. Juli 2003 mit Leitlinien für die Erarbeitung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen - 2003/556/EG -, ABl EU 2003 Nr. L 189, S. 36).
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Demgegenüber überwiegen die legitimen Gemeinwohlziele, die den Gesetzgeber zur Normierung der Vorsorgepflicht, der guten fachlichen Praxis und der Eignung von Person und Ausstattung veranlasst haben. Sie könnten, unbeschadet der Einordnung von § 16b Abs. 4 GenTG als Berufsausübungsregelung, sogar eine Regelung der Berufswahl rechtfertigen. Der Schutz von Menschen, Tieren, Pflanzen und der Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge sind verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 20a GG verankert. Die flankierenden, oben dargestellten Regelungsziele dienen ebenfalls wichtigen Belangen des Gemeinwohls und sind wie beispielsweise der Verbraucherschutz auch im Unionsrecht anerkannt.
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Bei der Verwirklichung dieser Ziele muss dem Gesetzgeber gerade vor dem Hintergrund der breiten gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Debatte um den Einsatz von Gentechnik und seine angemessene staatliche Regulierung ein großzügiger Entscheidungsspielraum zugestanden werden.
- 233
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Setzt man diese betroffenen, verfassungsrechtlich geschützten Rechte und Interessen zueinander ins Verhältnis und bezieht die weiteren flankierenden Regelungsziele in die Abwägung ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung nicht zu beanstanden.
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Weder beeinträchtigen die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung die am Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen Beteiligten unzumutbar (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) noch stehen die Anforderungen an Person und Ausstattung außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG).
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Der Gesetzgeber hat den Behörden und Fachgerichten auch genügend Spielraum belassen, um eine verhältnismäßige Anwendung von § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG im Einzelfall sicherzustellen. Dies betrifft insbesondere die Frage, was im Einzelfall zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis gehört. Die allgemein gehaltenen Vorgaben zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis lassen es zu, die tatsächlichen Rahmenbedingungen des Umgangs mit gentechnisch veränderten Organismen im Einzelfall, insbesondere an den konkreten Anbaustandorten, angemessen zu berücksichtigen und den Inhalt der Pflichten auf das Maß zu beschränken, welches jeweils zur Vermeidung wesentlicher Beeinträchtigungen der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG erforderlich ist.
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Der den Rechtsanwendern belassene Spielraum wahrt dabei die Grenzen der Zumutbarkeit. Die erforderlichen Standards sind sukzessive durch administrative und gerichtliche Vorgaben unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszuformen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Einsatz von Gentechnik grundsätzlich zugelassen ist und nach dem Willen des Gesetzgebers möglich bleiben soll. § 16b GenTG verlangt keine Vorkehrungen, die mit absoluter Sicherheit Risiken für die Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG ausschließen sollen und damit faktisch auf ein Verbot des Umgangs mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen hinauslaufen können. Die Ausbreitung dieser Organismen soll vielmehr durch einen verantwortungsvollen Umgang nur so weit wie möglich vermieden und bei Unvermeidbarkeit auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Anforderungen dürfen daher nach der Gesetzeslage nur so weit gehen, wie sie nach den Gegebenheiten des Einzelfalls erforderlich und zumutbar sind. Innerhalb dieses Rahmens geben derzeit die Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung, die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) den Beteiligten weitere Maßstäbe für die Konkretisierung der angegriffenen Bestimmungen an die Hand. Verbleibende Unsicherheiten führen nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen.
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Die mit § 16b Abs. 4 GenTG verbundenen Beschränkungen sind aus der Sache heraus legitimiert. Sie beruhen darauf, dass es besonderer theoretischer und praktischer Kenntnisse und einer entsprechenden Betriebsorganisation bedarf, um Einträge in andere Kulturen zu vermeiden oder so weit wie möglich zu reduzieren, und dass die Ausübung des jeweiligen Berufes ohne solche Voraussetzungen unsachgemäß wäre und Gefahren für die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG mit sich bringen würde.
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b) § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind auch mit der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar.
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aa) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sind an der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit zu messen, soweit sie nicht ausschließlich für den Umgang zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken gelten. Der Schutzbereich ist insoweit jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten eröffnet.
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bb) Die Vorgaben der Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis für den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen greifen in die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Freiheit ein, die Fragestellung und Methodik einschließlich der praktischen Durchführung eines Forschungsprojektes frei zu bestimmen.
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cc) Die legitimen Gemeinwohlbelange, die den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, die Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die aus den schon genannten Gründen auch einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.
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c) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG verletzen nicht Art. 2 Abs. 1 GG.
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Art. 2 Abs. 1 GG kommt als Prüfungsmaßstab für die Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit von ausländischen Personen und die Verpflichtung von Privatpersonen, die nicht erwerbswirtschaftlich mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen, in Betracht, die nicht unter den Schutz der Berufsfreiheit fallen (Art. 12 Abs. 1 GG). Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit ist jedoch aus den zu Art. 12 Abs. 1 GG genannten Gründen gerechtfertigt (oben C II 4 a bb).
- 244
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Soweit § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. an das Schweigen Rechtsfolgen anknüpft, ist hiermit keine unzumutbare Belastung für den Nachbarn verbunden. Selbst wenn man die Regelung als Fall einer fingierten Willenserklärung und Eingriff in die Privatautonomie ansieht, ist sie jedenfalls gerechtfertigt.
- 245
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Die Anknüpfung von Rechtswirkungen an das Schweigen gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. beseitigt Ungewissheiten über die Zustimmung zu einer bestimmten Anbauplanung und verbessert damit die Planungs- und Rechtssicherheit bei den nach § 3 GenTPflEV mitteilungspflichtigen und nach § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG anzeigepflichtigen Grundstücksnutzungen. Damit verbunden ist das Anliegen des Gesetzgebers, die Abstimmung der Anbauplanung als Mittel zur Sicherung der Koexistenz zu fördern und gleichzeitig den Verwender von Gentechnik zugunsten geschützter Interessen nicht mehr als nötig zu belasten. § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist zur Erreichung dieser legitimen Zielsetzung geeignet und erforderlich.
- 246
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Auch die Angemessenheit ist gewahrt. Der Gesetzgeber wertet typisierend diejenigen Personen, denen der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilen ist, als schutzbedürftig. Wer konventionell oder ökologisch wirtschaftet, soll darauf vertrauen dürfen, dass möglicherweise beeinträchtigender Anbau mitgeteilt und abgestimmt wird. Andererseits verlangt der Gesetzgeber von den so Geschützten, sich auf konkrete Anfrage des Verwenders von gentechnisch veränderten Organismen innerhalb einer Monatsfrist über ihr Schutzbedürfnis zu erklären. Andernfalls wird unterstellt, dass kein Schutzbedarf besteht, so dass der Verwender den geplanten Anbau umsetzen kann. Er wird damit auch von der Unsicherheit der Prüfung entlastet, ob in dem Schweigen ein konkludenter Verzicht liegt. Dieser Ausgleich der möglicherweise gegenläufigen Interessen bewegt sich innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.
- 247
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d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung verletzen auch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht.
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Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von Gentechnik im Vergleich zu konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirten folgt aus den besonderen Eigenschaften der Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung legitime Gemeinwohlziele, die so gewichtig sind, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch die Ungleichbehandlung rechtfertigen.
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Soweit § 16b GenTG zwischen denjenigen, die erwerbswirtschaftlich oder vergleichbar mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen und anderen Verwendern von Gentechnik differenziert, beruht dies zum einen darauf, dass gentechnisch veränderte Organismen zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken regelmäßig in größerem Umfang als zu anderen Zwecken eingesetzt werden und die Schutzgüter damit in größerem Ausmaß gefährdet sind. Zum anderen stehen den zusätzlichen Anforderungen im Rahmen des erwerbswirtschaftlichen Umgangs typischerweise auch größere Vorteile aus der Nutzung der Gentechnologie gegenüber. Diese Umstände rechtfertigen die Ungleichbehandlung.
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Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen im Vergleich zu denjenigen, die solche Organismen zu Versuchszwecken freisetzen, knüpft schließlich daran an, dass in der Freisetzungsgenehmigung die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen im Einzelfall und auf den jeweiligen Versuch und Standort angepasst vorgegeben werden können (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG). Eine angemessene Berücksichtigung konkreter Anbaubedingungen ist hingegen in der Genehmigung zum Inverkehrbringen regelmäßig nicht möglich, da diese für eine Vielzahl von Anbaustandorten und allgemeingültig für jeden Mitgliedstaat erteilt wird. Dieser Umstand rechtfertigt die Differenzierung.
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5. § 36a GenTG ist mit Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
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a) Nach der nachbarrechtlichen Konzeption des § 36a GenTG sind Haftungsadressaten die Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks, soweit sie die beeinträchtigende Nutzungsart bestimmen und, wenn die Störung von einer Anlage ausgeht, diejenigen, welche die Anlage halten und von deren Willen die Beseitigung abhängt (vgl. BGHZ 155, 99 <102>).
- 253
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Von § 36a GenTG betroffen sind daher in erster Linie die Verwender von gentechnisch veränderten Organismen in Forschung, Land-, Forst- und Gartenwirtschaft. Zum Kreis der Haftenden gehören ferner juristische Personen des öffentlichen Rechts wie beispielsweise Universitäten jedenfalls dann, wenn sich die Nutzung des emittierenden Grundstücks nicht als schlicht hoheitliches, sondern privatrechtliches Handeln darstellt und sie daher der zivilrechtlichen Haftung unterliegen. Die Frage, ob sie auch bei schlicht-hoheitlichem Handeln zu den Adressaten des § 36a GenTG zählen, bedarf keiner abschließenden Klärung. Wie die bisherige Rechtsprechungspraxis zeigt, ist die Haftung staatlicher Forschungseinrichtungen nach privatem Nachbarrecht nicht ausgeschlossen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 24. August 1999 - 14 U 57/97 -, ZUR 2000, S. 29). Insofern ist die Frage einer Verletzung der Wissenschaftsfreiheit insbesondere von Universitäten in die Prüfung einzubeziehen.
- 254
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b) § 36a GenTG ist mit Art. 14 GG vereinbar.
- 255
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aa) Die Vorschrift regelt in Verbindung mit §§ 906, 1004 BGB, die zu den Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gehören (vgl. BVerfGE 72, 66 <75 f.>), die Rechtsbeziehungen zwischen Grundstücksnachbarn.
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§ 36a GenTG ist keine eigenständige Haftungsregelung, sondern konkretisiert und ergänzt die bestehende verschuldensunabhängige Störerhaftung im privaten Nachbarrecht (§§ 1004, 906 BGB). § 36a GenTG stellt bei der Auslegung und Anwendung zentraler Begriffe der nachbarrechtlichen Bestimmungen durch Vorgabe zwingender Interpretationsregeln sicher, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch in den Fällen besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Benutzung eines fremden Grundstücks wesentlich beeinträchtigt wird (§ 36a Abs. 1 bis 3 GenTG). Ferner wird das private Nachbarrecht um eine Regelung ergänzt, die Schwierigkeiten beim Kausalitätsbeweis behebt (§ 36a Abs. 4 GenTG).
- 257
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Diese neuen Haftungsregelungen knüpfen nicht nur dem Wortlaut nach in § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG an § 906 BGB und dessen Tatbestandsmerkmale an, sondern fügen sich auch in die Systematik der nachbarrechtlichen Störerhaftung ein. Wie bisher gilt, dass wesentliche Einwirkungen, die entweder nicht ortsüblich oder zwar ortsüblich, aber mit zumutbarem wirtschaftlichen Aufwand zu verhindern sind, nicht hingenommen werden müssen. Derartige Beeinträchtigungen sind rechtswidrig. Hiergegen steht dem Betroffenen grundsätzlich ein auf Unterlassung oder Beseitigung gerichteter Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB zu. Hat ein Nachbar hingegen Einwirkungen zu dulden, so kann ein Anspruch auf angemessenen Ausgleich in Geld nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB oder analog dieser Vorschrift gegeben sein (nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch). Unberührt bleiben der Anspruch auf Schutzvorkehrungen nach § 23 Satz 1 GenTG und der Anspruch auf finanziellen Ausgleich nach § 23 Satz 2 GenTG insbesondere bei Vorliegen einer nach Anhörung (§ 18 Abs. 2 GenTG) erteilten, unanfechtbaren Freisetzungsgenehmigung.
- 258
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Eine § 36a Abs. 4 GenTG entsprechende Regelung kennt das Bürgerliche Gesetzbuch zwar nicht. Die Vorschrift kann jedoch als Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer emittierender Eigentümer und zur Anwendung von § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 BGB und § 287 ZPO auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gesehen werden (vgl. BGHZ 66, 70 <77>; 85, 375 <386 f.>; 101, 106 <111 ff.>).
- 259
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Dieses Verständnis wird durch die Gesetzesmaterialien unterstützt, nach denen durch § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG zentrale Elemente der nachbarrechtlichen Bestimmungen (§§ 906, 1004 BGB) konkretisiert und mit § 36a Abs. 4 GenTG eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 Abs. 1 BGB normiert werden sollten (vgl. BTDrucks 15/3088 S. 31).
- 260
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§ 36a GenTG stellt sich daher nach seinem Sinn und Zweck als Norm der nachbarrechtlichen Störerhaftung dar. Eine neuartige Haftung im System des privaten Nachbarrechts wird hierdurch nicht begründet. Auch die §§ 906, 1004 BGB regeln die Koexistenz von Nachbarn.
- 261
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Der Anspruch auf angemessenen Ausgleich analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu einer Gefährdungshaftung (vgl. BGHZ 155, 99 <103 f.>). Denn im Gegensatz zur Gefährdungshaftung für eine gefährliche Einrichtung im Verhältnis zwischen Nachbarn geht es bei dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht um das Einstehen für Schäden, die allein auf das rechtmäßige Vorhandensein einer Anlage oder eine erlaubte Tätigkeit zurückzuführen sind, sondern um die Haftung für rechtswidrige, aber aus tatsächlichen Gründen zu duldende Störungen aus einer bestimmungsgemäßen Grundstücksnutzung. Der Ausgleich richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380> m.w.N.). Diese Verpflichtung zur Ausgleichsleistung nach den Grundsätzen des Nachbarrechts ist mit einem Schadensersatzanspruch nicht notwendig deckungsgleich; es besteht vielmehr Raum für eine wertende Entscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380>).
- 262
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Konkurrierende konventionell oder ökologisch wirtschaftende Landwirte sind ebenso wie andere Emittenten auch der verschuldensunabhängigen Störerhaftung im Nachbarrecht unterworfen. Die Bezugnahme auf öffentlichrechtliche Grenzwerte (§ 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB) ist der nachbarrechtlichen Störerhaftung ebenso wenig fremd wie die Ursachenvermutung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises bei mehreren Verursachern (§ 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO). Dass die Risiken einer Grundstücksnutzung möglicherweise nicht angemessen kalkuliert und versichert werden können, schließt die nachbarrechtliche Störerhaftung nicht aus. Eine Freistellung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen von der verschuldensunabhängigen Haftung im Nachbarrecht würde im Ergebnis daher keine Benachteiligung beseitigen, sondern diese im Vergleich zu anderen Emittenten privilegieren.
- 263
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bb) § 36a GenTG bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen wegen Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen Abwehransprüche aus § 1004 BGB und Ausgleichsansprüche nach oder analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegen Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks geltend gemacht werden können.
- 264
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Wie die §§ 906, 1004 BGB legt die Norm in generell-abstrakter Weise Rechte und Pflichten der Grundstückseigentümer fest und ist damit Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Vorschrift wahrt die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung zu stellen sind.
- 265
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(1) Die Vorschrift ist hinreichend bestimmt.
- 266
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Die Bezugnahme auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Erzeugnissen, die auch von einem anderen, namentlich dem europäischen Gesetzgeber erlassen und von ihm geändert werden können, ist nicht zu beanstanden.
- 267
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Nach § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG stellen die Pflicht zur Kennzeichnung von Erzeugnissen als gentechnisch verändert (Nr. 2) oder der Verlust einer Kennzeichnungsmöglichkeit hinsichtlich einer bestimmten Produktionsweise (Nr. 3) als Folge eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen eine wesentliche Beeinträchtigung des Eigentums im Sinn von § 906 BGB dar. § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG setzt also die Existenz von "Vorschriften" oder "Rechtsvorschriften" über die Kennzeichnung zwar voraus, um einen Sachverhalt zu definieren, der den Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB oder den Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auslöst. Es handelt sich jedoch nicht um eine Verweisung auf die jeweiligen Kennzeichnungsvorschriften. Diese werden weder zum Bestandteil von § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG noch ändern sich ihr Anwendungsbereich, Rang oder ihre Qualität. Der Gesetzgeber hat vielmehr eine dem Anspruchssteller nachteilige Rechtslage beschrieben, deren Folgen dem Anspruchsschuldner als Verursacher zuzurechnen sind. Eine vergleichbare Regelungstechnik mit Hilfe einer Generalklausel enthält § 823 Abs. 2 BGB, der die Existenz von Schutzgesetzen voraussetzt.
- 268
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Der Gesetzgeber hat auch im Übrigen alle wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen. Nach seinem Willen sollen der Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB und der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehen, wenn der Nutzungsberechtigte eines benachbarten Grundstücks wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen mit einer gesetzlichen Pflicht zur Kennzeichnung belastet wird oder eine ihm vorteilhafte gesetzliche Möglichkeit der Kennzeichnung entfällt. Die Voraussetzungen für eine Kennzeichnung können sich zwar - etwa durch Absenkung oder Anhebung bestimmter Schwellenwerte - ändern. Die für die Haftung relevante Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass eine dem Störer zuzurechnende Rechtspflicht zur Kennzeichnung oder der ihm zuzurechnende Verlust der Möglichkeit einer Kennzeichnung die Benutzung des Nachbargrundstücks wesentlich beeinträchtigen, bleibt davon unberührt. Sie schließt auch eine Verschärfung der Haftung durch eine Absenkung von Kennzeichnungsschwellenwerten ein.
- 269
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§ 36a Abs. 1 GenTG begegnet auch keinen Bedenken im Hinblick auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, soweit die Fallgruppen einer wesentlichen Beeinträchtigung nicht abschließend normiert wurden ("insbesondere").
- 270
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§ 36a Abs. 1 GenTG definiert und konkretisiert den in § 906 BGB enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriff der "wesentlichen Beeinträchtigung" im Zusammenhang mit dem Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen. Soweit der Gesetzgeber die Fälle wesentlicher Beeinträchtigungen nicht abschließend beschrieben hat ("insbesondere"), trägt dies der Vielzahl denkbarer, möglicherweise derzeit nicht vollständig überschaubarer Fallgestaltungen Rechnung.
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(2) Der Gesetzgeber hat auch die Interessen der Beteiligten und das Gemeinwohl in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht (vgl. BVerfGE 87, 114 <138>; 95, 48 <58>; 98, 17 <37>; 101, 239 <259>; 102, 1 <17>).
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(a) Mit der Aufnahme des § 36a GenTG verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele.
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Diese ergeben sich sowohl aus der Funktion der von § 36a GenTG ergänzten und konkretisierten nachbarrechtlichen Bestimmungen (insbesondere § 906 BGB) als auch aus den Zielen des Gentechnikgesetzes (§ 1 GenTG).
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(aa) Wie § 906 BGB bezweckt § 36a GenTG den notwendigen Interessenausgleich von Grundstücksnachbarn bei bestimmten Einwirkungen, die von einem anderen Grundstück ausgehen. Auch diese Norm schützt die von Einwirkungen betroffenen Grundeigentümer in ihrer von Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit, den Eigentumsgegenstand nach eigenen Vorstellungen zu nutzen und über die Verwendung des Eigentumsobjekts frei zu entscheiden. Wie die §§ 1004, 906 BGB weist § 36a GenTG dem Störer die sachliche und finanzielle Verantwortung für die von seinem Grundstück ausgehenden (wesentlichen) Einwirkungen zu. Soweit er nach § 1004 BGB oder nach beziehungsweise analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zur Unterlassung, Beseitigung oder zum angemessenen Ausgleich verpflichtet ist, haftet er - und nicht unbeteiligte Dritte oder die Allgemeinheit - für die Kostenfolgen. Diese Zurechnung hat ihren Grund darin, dass der Störer die Beeinträchtigung veranlasst hat, dass er sie am besten und effektivsten beheben kann und dass ihm die Vorteile aus der störenden Grundstücksnutzung zugute kommen. Schließlich hat § 36a Abs. 4 GenTG wie § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ziel, eine Beweisschwierigkeit des Geschädigten zu überwinden. Dessen Ersatzanspruch soll nicht daran scheitern, dass nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren Beteiligten, deren Handlung den Schaden beziehungsweise die Beeinträchtigung verursacht haben kann, der eigentliche Schädiger gewesen ist (vgl. BGHZ 55, 96 <98>; 101, 106 <111>). Dem Interesse des Eigentümers, Nutzers oder Anlagenbetreibers, zur Haftung nur insoweit herangezogen zu werden, als ihn eine (Mit)Verantwortung für die Beeinträchtigung treffen kann, wird dadurch Rechnung getragen, dass die ihm zuzurechnende Einwirkung nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls geeignet gewesen sein muss, die Beeinträchtigung zu verursachen (§ 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG). Die Gesamtschuld folgt dabei dem für § 840 Abs. 1 BGB maßgeblichen Gesichtspunkt, dass der Geschädigte nicht mit dem Risiko belastet werden darf, dem er bei nur anteilsmäßiger Haftung mehrerer Schadensverursacher ausgesetzt wäre.
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(bb) Mit dem Schutz der Nachbarn dient § 36a GenTG auch der Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des europäischen Koexistenzkonzeptes (Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Nach § 1 Nr. 2 GenTG ist Ziel des Gesetzes zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel sowohl konventionell oder ökologisch als auch unter Einsatz von Gentechnik erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können. Wie dargelegt, findet diese Zielsetzung ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.
- 276
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Zur Verwirklichung dieses Zwecks soll mit § 36a GenTG sichergestellt werden, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch für Fälle besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Nutzung einer fremden Sache wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 30). Während mit Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis der verantwortungsvolle Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange durch Einträge dieser Organismen von vornherein vermieden werden sollen, dient § 36a GenTG der Abwehr von (dennoch auftretenden) Eigentumsbeeinträchtigungen und dem Ausgleich damit verbundener Vermögensschäden bei benachbarten Produzenten (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Die Wahlfreiheit der Produzenten soll gewahrt und das Eigentum an den jeweiligen Kulturen geschützt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19). Die Ausübung der einen Produktionsmethode soll nicht zu einer wirtschaftlichen Bedrohung der Personen führen, die eine andere Methode anwenden.
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Mit der Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) soll ferner die Wahlfreiheit für Verbraucher durch Bereitstellung einer breiten, transparent gekennzeichneten Produktpalette gewahrt, Rechts- und Planungssicherheit für alle Seiten sichergestellt und jenseits der Risikodiskussion ein gesellschaftliches Nebeneinander der unterschiedlichen Produktionsweisen sowie eine gesellschaftliche Befriedung erzielt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21).
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Schließlich wird mit § 36a GenTG das europäische Koexistenzkonzept auf nationaler Ebene umgesetzt. Dies verleiht den mit § 36a GenTG verfolgten Zwecken zusätzliches Gewicht. Insbesondere das Ziel, den Landwirten eine freie Entscheidung zwischen konventionellen oder ökologischen Anbaumethoden oder gentechnisch veränderten Kulturen unter Einhaltung der Regeln für Etikettierung und/oder Sortenreinheit zu ermöglichen, als auch das Ziel, den Verbrauchern die freie Wahl zwischen gentechnikfreien und mit Gentechnik hergestellten Produkten zu garantieren, sind zentrale Anliegen auch auf europäischer Ebene (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Soweit § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG das wegen eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen ohne entsprechende Marktzulassung geltende Verbot des Inverkehrbringens als wesentliche Beeinträchtigung definiert, entspricht dies dem europarechtlich geltenden Anbau- und Vermarktungsverbot für gentechnisch veränderte Organismen, die als Produkte oder in Produkten nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (Art. 6 Abs. 9, Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18/EG).
- 279
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(cc) § 36a GenTG fördert außerdem die Ziele von § 1 Nr. 1 GenTG und damit den Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG). § 36a GenTG kommt diesen Zielen nicht nur als präventives Instrument zur Durchsetzung von Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis zugute. Auch die für den Nachbarn mit der Konkretisierung und Ergänzung der nachbarrechtlichen Vorschriften gewährleistete Möglichkeit, (bestimmte) Einträge abzuwehren, dient dem Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Güter vor möglichen Gefahren der Gentechnik. Dies gilt insbesondere, soweit die Organismen noch nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG).
- 280
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(dd) § 36a GenTG setzt auch den Zweck um, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Die Freisetzung und der Anbau gentechnisch veränderter Kulturen werden grundsätzlich akzeptiert. Nachbarn haben Beeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen im Regelfall zu dulden, soweit gesetzliche Toleranzwerte nicht überschritten oder die Methoden guter fachlicher Praxis gewahrt sind. Die haftungsrechtliche Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen mit dem herkömmlichen Anbau (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann den großräumigen Einsatz gentechnisch veränderter Kulturen fördern.
- 281
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(b) Die Konkretisierung und Ergänzung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist angesichts des breiten Spielraums, den Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gibt (vgl. BVerfGE 53, 257 <293>), zur Erreichung der mit dem Gesetz verfolgten Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich.
- 282
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Es ist auch kein ebenso geeignetes, aber weniger belastendes Mittel erkennbar, das der Gesetzgeber hätte wählen können. Lösungsansätze wie die Einführung eines Mediationsverfahrens und spezieller Anbaugebiete für gentechnisch veränderte Kulturen und für ökologische Erzeugnisse folgen einer anderen Konzeption für die Bewältigung der Koexistenzproblematik und sind nicht geeignet, die mit § 36a GenTG verfolgten Zwecke in ihrer Gesamtheit vergleichbar umzusetzen.
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Die im Gesetzgebungsverfahren diskutierte Möglichkeit eines freiwilligen Haftungsfonds der Wirtschaft wurde von der Saatgutindustrie abgelehnt (vgl. Deutscher Bundestag, Wortprotokoll der 61. Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 26. November 2007 - Protokoll Nr. 16/61 -, S. 12 Frage Nr. 3). Die Einrichtung eines zumindest teilweise staatlich finanzierten Haftungsfonds stellt kein gleich geeignetes Mittel dar, um die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele zu verwirklichen. Ein Haftungsfonds dient anderen Zielen. Rechtlich würden die Verwender von Gentechnik von der sie als Störer treffenden Folgenverantwortung zumindest teilweise befreit und damit im Vergleich zu ihren Konkurrenten in der konventionellen und ökologischen Produktion besser gestellt. Volkswirtschaftlich entfiele für sie der Anreiz, neben privaten oder betriebswirtschaftlichen Kosten negative externe Effekte bei ihren Aktivitäten zu berücksichtigen. Schädigende Wirkungen der Grundstücksnutzung für Dritte würden über den staatlichen Haftungsfonds von der Allgemeinheit getragen und damit gentechnisch veränderte Produkte bezuschusst werden.
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(c) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG stellt schließlich einen angemessenen und ausgewogenen Ausgleich der betroffenen Interessen dar.
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(aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts durch § 36a GenTG gibt einerseits der Nutzung von Grundstücken für genehmigte Freisetzungen und genehmigten Anbau zum Inverkehrbringen strengere Rahmenbedingungen vor. Insbesondere bestehen, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt, nachbarrechtliche Ansprüche auch dann, wenn Einträge von gentechnisch veränderten Organismen mit den Methoden guter fachlicher Praxis nicht zu verhindern sind.
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(bb) Auf der anderen Seite führt die Vorgabe zwingender Interpretationsregeln für zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Bestimmungen zu mehr Rechts- und Planungssicherheit auch für die Verwender von Gentechnik. Die Gerichte haben vor Einführung des § 36a GenTG die §§ 1004, 906 BGB auf Einträge von DNA durch Pollen, Samen oder auf sonstige Weise angewandt, wobei sich eine gefestigte Rechtsprechung noch nicht herausbilden konnte. Durch bestehende Auslegungsspielräume war die Rechtslage nicht nur für mögliche Betroffene, sondern auch für die Verwender unklar und damit das Haftungsrisiko schwer zu kalkulieren. Diese Lage hat sich nunmehr verbessert. So knüpfen § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG das Vorliegen einer wesentlichen Beeinträchtigung an gemeinschaftsrechtlich wie auch im deutschen Recht festgelegte Grenzwerte, also an normative Standards an, die für den betroffenen Nutzungsberechtigten gelten und auf die sich ein Nachbar ebenso einstellen kann. Mit der haftungsrechtlichen Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen und des herkömmlichen Anbaus (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann der flächendeckende Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in bestimmten Gebieten ermöglicht und gefördert werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verwender von Gentechnik eine vergleichsweise strengere "Sonderhaftung" trifft und sie Einwirkungen der benachbarten Landwirtschaft schutzlos gegenüberstehen. Sie können wesentliche Beeinträchtigungen nach §§ 1004, 906 BGB, die von gentechnikfrei bewirtschafteten Nachbarfeldern ausgehen, ebenfalls abwehren oder, sofern sie zur Duldung verpflichtet sind, einen angemessenen finanziellen Ausgleich verlangen. Die verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Störerhaftung gibt insoweit auch die Rahmenbedingungen für die Berufsausübung der konventionell oder ökologisch arbeitenden Landwirte vor. Hinsichtlich der in § 36a Abs. 4 GenTG geregelten Beweiserleichterung gelten nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vergleichbare Grundsätze nach den allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften (vgl. BGHZ 101, 106 <108>).
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Die haftenden Grundstückseigentümer und -nutzer haben eine etwaige Störung zudem veranlasst, von ihrem Willen hängt die Beseitigung der Störung ab und ihnen kommen die Vorteile aus der störenden Nutzung zu. Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers findet ihren Grund in der Sachherrschaft über das Eigentum und den damit verbundenen Vorteilen, aber auch Lasten. Wie dem Eigentümer nach geltendem Recht die Vorteile der privaten Nutzung der Sache auch dann zufließen, wenn sie ohne sein Zutun entstehen, muss er die Lasten der Sache im Übrigen selbst dann tragen, wenn die Gefahr nicht durch ihn verursacht worden ist (vgl. BVerfGE 102, 1 <19>).
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(cc) Mit dem bezweckten Interessenausgleich zwischen Grundstücksnachbarn, der Sicherung der Koexistenz verschiedener landwirtschaftlicher Erzeugungsformen sowie dem Schutz und der Vorsorge vor den Gefahren der Gentechnik werden insbesondere Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt als andernfalls gefährdete Güter von Verfassungsrang geschützt. Weitere wichtige, auch europarechtlich anerkannte Gemeinwohlbelange wie der Schutz der Verbraucher werden gestärkt. Stellt man diese Schutzgüter in die Abwägung der betroffenen Rechte und Interessen ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
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c) § 36a GenTG greift in die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG ein, ist jedoch auch insoweit verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
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aa) Die wirtschaftliche Nutzung eines emittierenden Grundstücks zu Erwerbszwecken fällt in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG. Die von § 36a GenTG geregelten Sachverhalte betreffen zwar nicht ausschließlich, jedoch typischerweise ein von Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes berufsbezogenes Verhalten. § 36a GenTG gibt die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die individuelle Erwerbs- und Leistungstätigkeit unter Anwendung von gentechnisch veränderten Organismen vor und dient dem Gesetzgeber auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit diesen Organismen. Insoweit unterscheidet sich § 36a GenTG von § 906 BGB, der gleichermaßen berufsbezogene wie private Grundstücksnutzungen erfasst.
- 291
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§ 36a GenTG ist daher neben Art. 14 Abs. 1 auch an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.
- 292
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bb) § 36a GenTG enthält zwar keinen unmittelbaren Eingriff. Der Grundrechtsschutz ist aber nicht auf unmittelbare Eingriffe beschränkt. Art. 12 Abs. 1 GG entfaltet seine Schutzwirkung dabei auch gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich zwar nicht unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen, jedoch eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfGE 95, 267 <302>; 97, 228 <254>; 111, 191 <213>; stRspr).
- 293
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Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie berufliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen eines Haftungsfalls, die einzelne Verwender von Gentechnik erheblich treffen und von entscheidender Bedeutung für deren weitere berufliche Tätigkeit sein können. Darüber hinaus wird denjenigen, die ein Grundstück erwerbswirtschaftlich nutzen, ein Anreiz vermittelt, einen Haftungsfall durch Einhaltung der guten fachlichen Praxis (§ 16b GenTG) zu vermeiden und die anfallenden Kosten bei ihren Entscheidungen im Rahmen der Berufsausübung und der Marktteilhabe zu veranschlagen. Dies kann die Wahl der Mittel, des Umfangs und der gegenständlichen Ausgestaltung der Betätigung ebenso beeinflussen wie die Entscheidungen über Art, Qualität und Preis der für den Markt produzierten Güter. Die Ergänzung und Konkretisierung nachbarrechtlicher Vorschriften erfasst dabei typischerweise die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte erwerbswirtschaftliche Nutzung von Grundstücken und setzt die Rahmenbedingungen für die entsprechende Berufsausübung. Die Haftung dient dem Gesetzgeber nicht nur zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Grundstücksnachbarn, sondern auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und zur Gewährleistung der Koexistenz verschiedener Anbauformen in der Landwirtschaft.
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Etwas anderes gilt auch nicht, wenn man in § 36a GenTG nur eine Konkretisierung dessen sehen würde, was nach § 906 BGB und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohnehin gegolten hätte. Die allgemeinen Regeln des Nachbarrechts sind zwar für die Berufsausübung Rahmenbedingungen, welche diese nur reflexhaft treffen. § 36a GenTG kommt jedoch eine gegenüber § 906 BGB eigenständige und nicht nur reflexartig berufsregelnde Wirkung zu. In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG hat der Gesetzgeber zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Haftung nach §§ 1004, 906 BGB durch zwingende Interpretationsregeln konkretisiert und insoweit der Auslegung und einzelfallbezogenen Anwendung durch die Gerichte entzogen. Dies geschieht gerade in Bezug auf Sachverhalte, die typischerweise auf der beruflichen Nutzung von Grundstücken beruhen. Die der Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises dienende Regelung in § 36a Abs. 4 GenTG ist im Anwendungsbereich des Gentechnikrechts für alle Rechtsanwender verbindlich normiert, während das Bürgerliche Gesetzbuch eine entsprechende Vorschrift neben den von der Rechtsprechung analog angewendeten Bestimmungen in § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO nicht kennt.
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cc) Der mittelbare Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
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(1) Keine rechtsstaatlichen Bedenken gegen § 36a GenTG bestehen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, vermittelt durch eine Genehmigung zum Inverkehrbringen. Genehmigungsinhaber dürfte beim kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bereits regelmäßig nicht der nach §§ 1004, 906 BGB, § 36a GenTG haftende Landwirt, sondern der Hersteller des zum Inverkehrbringen zugelassenen Saatgutes sein. Jedenfalls darf ein Genehmigungsinhaber aufgrund der öffentlichrechtlichen Genehmigung nicht mit Wirkung für Dritte darauf vertrauen, dass die genehmigte Nutzung keine Beeinträchtigungen oder Schäden verursachen wird.
- 297
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Die Genehmigung trifft, mit Ausnahme der ausdrücklichen Präklusion von Abwehransprüchen in § 23 Satz 1 GenTG, für die zivilrechtliche Haftung keine Aussage, überträgt keine Verantwortung für Beeinträchtigungen auf den Staat und schafft keinen Vertrauenstatbestand, der einer späteren Haftung entgegensteht. Dementsprechend bestimmen Art. 7 Abs. 7 und Art. 19 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, dass die Erteilung der Zulassung die allgemeine zivil- und strafrechtliche Haftung der Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer hinsichtlich des betreffenden Lebens- oder Futtermittels nicht einschränkt. Es kommt auch nicht darauf an, ob dem Inhaber einer gentechnikrechtlichen Genehmigung öffentlichrechtliche Vorgaben gemacht und diese eingehalten wurden. Solche öffentlichrechtlichen Pflichten sollen im Interesse der Allgemeinheit die Risiken der Veränderung von Erbmaterial gering halten. Sie haben jedoch nicht die Funktion, einen Störer oder Schädiger von seiner zivilrechtlichen Verantwortung freizustellen.
- 298
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(2) § 36a GenTG ist eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung.
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Aus den gleichen Gründen, aus denen die Vorschrift als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums für die Nutzung von Grundstückseigentum anzusehen ist, dient sie auch unter dem Gesichtspunkt der Regelung der Berufsausübung legitimen Gemeinwohlzielen und ist für deren Verfolgung geeignet, erforderlich und angemessen.
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dd) Soweit nicht vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG umfasste Personen in ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit eingeschränkt werden können, liegt darin ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), der aus denselben Gründen gerechtfertigt ist.
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d) Die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit ist gleichfalls nicht verletzt.
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aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie wissenschaftliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Die Norm bestimmt die Voraussetzungen der zivilrechtlichen Folgenverantwortung von Wissenschaftlern und verändert damit die Rahmenbedingungen für eine freie Forschung. Das konkrete Haftungsrisiko, die Folgen eines Haftungsfalls und die für Vorsorgemaßnahmen entstehenden Aufwendungen sind Faktoren, welche für die Entscheidung über Fragestellung, Umfang und praktische Ausführung eines Forschungsprojektes von maßgeblicher Bedeutung sein können. Mit der strengen, verschuldensunabhängigen Haftung kann Forschung dahingehend gesteuert werden, dass Risiken frühzeitig bedacht und Experimente so organisiert und durchgeführt werden, dass Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf andere Grundstücke und damit verbundene Nachteile für Dritte und die Allgemeinheit vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden.
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bb) Dieser Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit ist gerechtfertigt.
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Im Bereich der Grundstücksnutzung für Forschungsarbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen stehen sich verschiedene Grundrechte und verfassungsrechtlich geschützte Interessen gegenüber. Denn die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele finden eine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG. Diese sind Verfassungswerte, die auch die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.
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Der Gesetzgeber war um einen Ausgleich der widerstreitenden Rechtspositionen bemüht. Dieses Anliegen verdeutlichen nicht nur die mit § 36a GenTG verfolgten Gemeinwohlziele, sondern auch die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gentechnikänderungsgesetz 2008. Die Regelungen des Gentechnikrechts sollten danach so ausgestaltet werden, dass sie Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland fördern. Gleichzeitig sollte aber der Schutz von Mensch und Umwelt, entsprechend dem Vorsorgegrundsatz, oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben. Die Wahlfreiheit der Landwirte und Verbraucher und die Koexistenz der verschiedenen Bewirtschaftungsformen sollten gewahrt bleiben (BTDrucks 16/6814, S. 10).
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Diesen Zielsetzungen entsprechend dienen dem Gesetzgeber neben der grundsätzlichen Akzeptanz von Freisetzung und Anbau gentechnisch veränderter Kulturen insbesondere Verfahrenserleichterungen dazu, die Forschung auf dem Gebiet der "grünen" Gentechnik voranzubringen. Andererseits setzt der Gesetzgeber der Forschung mittels einer strengen zivilrechtlichen Haftung dort Grenzen, wo Rechte Dritter gefährdet oder beeinträchtigt werden.
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Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung berücksichtigt die beteiligten verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter in ausreichendem Maße und wahrt die verfassungsrechtlichen Vorgaben.
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Zwar unterwirft § 36a GenTG die freie Wissenschaft und Forschung zum Schutz kollidierender Rechtsgüter derselben strengen Haftung, wie sie auch für den sonstigen Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen gilt. Werden nicht zum Inverkehrbringen zugelassene Organismen zu Forschungszwecken freigesetzt, können bereits Einträge ab der Nachweisgrenze zu einer wesentlichen Beeinträchtigung und der damit verbundenen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Haftung führen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG). Werden zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen untersucht und erprobt, sind die Methoden guter fachlicher Praxis zu beachten (§ 16b Abs. 2 und 3 GenTG). Diese gelten gemäß § 36a Abs. 2 GenTG als wirtschaftlich zumutbar. Auch die Forschung ist nicht von der Haftung freigestellt, soweit eine wesentliche Beeinträchtigung nicht bereits durch Schutzmaßnahmen und gute fachliche Praxis verhindert werden kann. Das Risiko eines gewissen, beim Anbau auf offenen Feldern möglicherweise nicht zu vermeidenden Gentransfers tragen auch im Forschungsbereich die Benutzer des emittierenden Grundstücks. Geeignete Standorte für das experimentelle Einbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt müssen von ihnen daher besonders sorgfältig ausgewählt werden. Der Gesetzgeber geht jedoch trotz dieser strengen Haftung davon aus, den Förderungszweck des § 1 Nr. 3 GenTG umsetzen und einen Beitrag für die Sicherung des Forschungsstandorts Deutschland leisten zu können. Seine Annahme, die Forschung bei gleichzeitigem Schutz von Mensch und Umwelt und Wahrung der Koexistenz fördern zu können, ist vertretbar.
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Bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen ist zugunsten der Wissenschaftsfreiheit zu berücksichtigen, dass gerade eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen befreite Wissenschaft dem Staat und der Gesellschaft im Ergebnis am besten dient (vgl. BVerfGE 47, 327 <369 f.>). Die Forschung im Bereich der "grünen" Gentechnik, sei es Sicherheitsforschung, Entwicklungsforschung oder Begleitforschung, ist zudem von hoher Bedeutung für das Gemeinwohl und dient regelmäßig dem Schutz wesentlicher Belange wie der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Die absichtliche Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen ist in den meisten Fällen ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung neuer Produkte, die von solchen Organismen abgeleitet sind oder diese enthalten (vgl. Erwägungsgrund Nr. 23 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach dem "Stufenprinzip" dürfen die Einschließung solcher Organismen nur dann stufenweise gelockert und ihre Freisetzung ausgeweitet werden, wenn die Bewertung der vorherigen Stufe in Bezug auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt ergeben hat, dass die nächste Stufe eingeleitet werden kann (vgl. Erwägungsgrund Nr. 24 der Richtlinie 2001/18/EG). Gentechnisch veränderte Organismen in Produkten oder als Produkte dürfen für eine Marktfreigabe nur dann in Betracht kommen, wenn sie zuvor im Forschungs- und Entwicklungsstadium in Feldversuchen in Ökosystemen, die von ihrer Anwendung betroffen sein können, ausreichend praktisch erprobt wurden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach der Zulassung findet eine Überwachung und marktbegleitende Beobachtung statt. Neue oder zusätzliche wissenschaftliche Erkenntnisse über Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt können einen Mitgliedstaat berechtigen, den Einsatz und Verkauf eines gentechnisch veränderten Organismus als Produkt oder in einem Produkt vorübergehend einzuschränken oder zu verbieten. Forschung mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann der Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen dienen, indem sie die Grundlagen für die Entwicklung einer guten fachlichen Praxis liefert. Schließlich ist die Wechselwirkung des in die Umwelt eingebrachten gentechnisch veränderten Organismus mit einem umgebenden Ökosystem nicht nur unbeabsichtigte Nebenfolge, sondern unverzichtbarer Gegenstand der Untersuchung. Dies kann der Fall sein, wenn im Rahmen wissenschaftlicher Projekte Basisdaten zur Koexistenz von Anbauformen mit oder ohne Gentechnik erhoben, ausgewertet und in Empfehlungen für die Praxis umgesetzt werden sollen. Aber auch in der Entwicklungs- und Sicherheitsforschung kann die Verbreitung des gentechnisch veränderten Organismus in der Umwelt notwendiger Teil eines Experimentes sein.
- 310
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Zugunsten der kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang - Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt - ist in die Abwägung einzustellen, dass die Forschung an gentechnisch veränderten Organismen sie gefährden kann. Insbesondere die Sicherheits- und Entwicklungsforschung vor der Marktzulassung eines gentechnisch veränderten Organismus kann ein hohes Risikopotential bergen, da noch unklar sein kann, wie dieser Organismus funktioniert und welche Schäden er für Menschen, Pflanzen, Tiere und Biodiversität verursacht. Der Erprobungsanbau von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann das verträgliche Nebeneinander der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen einerseits durch die Erlangung von Daten zur Koexistenz fördern, andererseits durch Auskreuzungen oder andere Einträge dieser Organismen auf benachbarte Flächen die kollidierenden Belange (insbesondere Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) beeinträchtigen. Für jeden Forschungsbereich gilt, dass einmal in die Umwelt absichtlich eingebrachte oder durch einen Störfall freigesetzte Organismen unter Umständen nicht mehr zurückgeholt werden und Beeinträchtigungen oder Schäden an Rechtsgütern Dritter oder der Umwelt damit irreversibel sein können.
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Bezieht man diese Gesichtspunkte in die Betrachtung ein, so ist die vom Gesetzgeber in § 36a GenTG vorgenommene Gewichtung zugunsten der kollidierenden Gemeinwohlbelange nicht zu beanstanden. Die Grenze der Zumutbarkeit ist auch für die zu Forschungszwecken handelnden Grundstückseigentümer oder Grundstücksnutzer nicht überschritten.
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e) § 36a GenTG verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz.
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Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.
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In § 36a Abs. 1, 2 und 4 GenTG werden diejenigen, die ein Grundstück unter Einsatz von Gentechnik nutzen und daher in den Anwendungsbereich der das private Nachbarrecht konkretisierenden und ergänzenden Bestimmungen fallen, ungleich behandelt im Vergleich zu anderen Emittenten, die nach allgemeinem zivilrechtlichen Nachbarrecht haften. Auch wenn die Haftungsbestimmungen damit jeweils andere Personengruppen betreffen, geht es um die unterschiedliche Behandlung verschiedener Sachverhalte, nämlich den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen im Unterschied zur sonstigen Grundstücksnutzung. Daher ist der Gesetzgeber nur an den Willkürmaßstab gebunden.
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Der Gesetzgeber hat die Differenzierung nach sachbezogenen Kriterien vorgenommen. § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine für die betroffenen Nutzungsberechtigten im Zusammenhang mit Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen geltende Rechtslage und daraus resultierende Nachteile an. Vergleichbare Genehmigungs- und Kennzeichnungspflichten für gentechnisch veränderte Produkte, die durch Einträge aus konventioneller oder ökologischer Produktion ausgelöst werden könnten, bestehen derzeit nicht. In § 36a Abs. 2 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine besondere Rechtslage an, die nur für diejenigen gilt, die mit verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen umgehen. § 36a Abs. 4 GenTG beruht auf dem Anliegen, die von der Rechtsprechung im Rahmen der allgemeinen nachbarrechtlichen Störerhaftung für andere Emittenten entwickelten Grundsätze für den Bereich des Gentechnikrechts gesetzlich zu regeln.
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Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung die bereits dargestellten, verfassungsrechtlich verankerten legitimen Gemeinwohlziele. Diese sind so gewichtig, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch eine Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Emittenten und erst recht die unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten rechtfertigen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tenor
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§ 3 Nummern 3 und 6, § 16a Absätze 1 bis 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik in der zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung vom 1. April 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 499) geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
Gründe
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A.
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Der Normenkontrollantrag betrifft die Vereinbarkeit von Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz - GenTG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1993, BGBl I S. 2066; zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2542) mit dem Grundgesetz. Angegriffen werden Regelungen über die Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), über das Standortregister (§ 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG), über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG), welche auf das Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts (im Folgenden: Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 - GenTNeuOG 2004) vom 21. Dezember 2004 (BGBl I 2005 S. 186) und das Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung (im Folgenden: Gentechnikänderungsgesetz 2008 - GenTÄndG 2008) vom 1. April 2008 (BGBl I S. 499) zurückgehen.
-
I.
- 2
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1. Die gezielte Neukombination des genetischen Materials von Lebewesen mit technischen Methoden (Gentechnik; vgl. BTDrucks 11/5622, S. 19) eröffnet die Möglichkeit, planmäßig Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um Organismen mit erwünschten Eigenschaften zu erzeugen, die mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht herstellbar wären. Dementsprechend ist ein gentechnisch veränderter Organismus im Sinne des Gentechnikgesetzes ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt (§ 3 Nr. 3 GenTG).
- 3
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Der Normenkontrollantrag betrifft vornehmlich den Einsatz von Gentechnik bei Kulturpflanzen sowohl zu kommerziellen Zwecken, etwa in der Landwirtschaft und der Saatgutproduktion, als auch zu Forschungszwecken. Durch diese umgangssprachlich als "grüne" Gentechnik bezeichnete Anwendung sollen agronomisch wünschenswerte Ergebnisse wie Produktivitätssteigerungen oder Reduktionen von Umweltbeeinträchtigungen erzielt werden. Pflanzen sollen beispielsweise ernährungsphysiologische Vorteile und einen besseren Geschmack erhalten, eine längere Lagerfähigkeit aufweisen, Rohstoffe liefern oder Arzneimittel produzieren. Risiken und Chancen dieser Nutzung der Gentechnik sind umstritten und nicht abschließend geklärt. Durch den Transfer von Genmaterial auch über Artgrenzen hinweg können einerseits wünschenswerte Eigenschaften gezielt beeinflusst werden, andererseits besteht das Risiko, dass es zu unerwünschten Nebenfolgen kommt. Indem gentechnisch veränderte Organismen zu experimentellen Zwecken oder in Form von kommerziellen Produkten in die Umwelt ausgebracht werden, können sie sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten. Diese Auswirkungen können unumkehrbar sein.
- 4
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Vor diesem Hintergrund dient eine umfangreiche Gesetzgebung dazu, die mit dem gezielten Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt verbundenen Risiken zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu kontrollieren und sowohl eine Grundlage für den Einsatz der neuen Technologie zu schaffen als auch die Interessen der gentechnikfreien Landwirtschaft zu wahren. Wesentliche rechtliche Vorgaben des Unionsgesetzgebers sind festgelegt in der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl EG Nr. L 106, S. 1; im Folgenden: Richtlinie 2001/18/EG) und der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl EU Nr. L 268, S. 1; im Folgenden: Verordnung
Nr. 1829/2003).
- 5
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Bundesrechtliche Grundlage für das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt sind in erster Linie das 1990 in Kraft getretene und nachfolgend mehrfach geänderte Gentechnikgesetz und dessen Bestimmungen über Freisetzungen solcher Organismen und das Inverkehrbringen von Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen.
- 6
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2. Das am 4. Februar 2005 in Kraft getretene Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 beruht auf einer im Mai 2004 in den Bundestag eingebrachten Gesetzesvorlage der Bundesregierung (BTDrucks 15/3088). Nach einer ersten Lesung, Überweisung an die Ausschüsse und Durchführung einer Expertenanhörung empfahl der federführende Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft die Annahme des Entwurfs der Bundesregierung in einer vom Ausschuss geänderten Fassung (BTDrucks 15/3344). Insbesondere waren zustimmungspflichtige Teile aus der Gesetzesvorlage herausgenommen worden, um eine zügige Verabschiedung des Gesetzes mit den materiellen Regelungen zu gewährleisten. Den Ländervollzug betreffende Verfahrensvorschriften sollten in einem späteren, zustimmungspflichtigen Gesetz vorgelegt werden. In der Ausschussfassung wurde der Gesetzentwurf vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 15/115, S. 10517 B). Der Bundesrat rief den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes an (Bundesrat, Plenarprotokoll, 802. Sitzung, S. 361 D) und legte nach Abschluss des Verfahrens gegen das Gesetz Einspruch ein (Bundesrat, Plenarprotokoll, 805. Sitzung, S. 544 A; BTDrucks 15/4159). Der Bundestag wies den Einspruch zurück (Plenarprotokoll 15/143, S. 13338 D). Das Gesetz wurde am 21. Dezember 2004 ausgefertigt und im Februar 2005 im Bundesgesetzblatt verkündet.
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Schwerpunkt des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 war die Umsetzung der Richtlinie 2001/18/EG und die Gewährleistung einer Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen.
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a) Mit einer Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG, Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c GenTNeuOG 2004) wollte der Gesetzgeber auf der Grundlage von Art. 2 Nr. 2 und 4 der Richtlinie 2001/18/EG klarstellen, dass insbesondere auch Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderter Organismen im Sinne des § 3 Nr. 3 GenTG darstellen (BTDrucks 15/3344, S. 39) und, selbst wenn sie auf eine genehmigte Freisetzung zurückgehen, unter den Begriff des Inverkehrbringens im Sinne des § 3 Nr. 6 GenTG und damit in den Anwendungsbereich des Gentechnikgesetzes (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 GenTG) und seiner Vorschriften über das Inverkehrbringen fallen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 56). Hintergrund war die vor dem Inkrafttreten des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 umstrittene Frage, ob Produkte aus konventioneller Produktion, die infolge eines unbeabsichtigten Eintrages von gentechnisch veränderten Organismen Eigenschaften aufweisen, die auf gentechnischen Veränderungen beruhen, einer gentechnikrechtlichen Genehmigung bedürfen, wenn sie in Verkehr gebracht werden sollen.
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b) Auf der Grundlage von Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG, eingefügt durch Art. 43 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, sollte durch mehrere Instrumente das unbeabsichtigte Vorhandensein von gentechnisch veränderten Organismen in anderen Produkten verhindert und eine Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen gewährleistet werden. Damit verbunden war das Anliegen, die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu sichern und jenseits der Risikodiskussion zu einer gesellschaftlichen Befriedung zu gelangen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass der großflächige Anbau einer gentechnisch veränderten Kulturpflanze ebenso wie eine Freisetzung in kleinerem Maßstab zu Auskreuzungen auf benachbarte Grundstücke führen und damit Wirtschaftsteilnehmer betreffen kann, die auf den Einsatz von Gentechnik verzichten wollen oder nach den geltenden Vorschriften über den ökologischen Landbau und die Kennzeichnung von ökologisch erzeugten Produkten verzichten müssen. Um diesen Entwicklungen in der Land- und Lebensmittelwirtschaft Rechnung zu tragen, wurde der Koexistenzbelang als Gesetzeszweck aufgenommen (§ 1 Nr. 2 GenTG). Zweck des Gentechnikgesetzes gemäß § 1 GenTG ist nunmehr,
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1. unter Berücksichtigung ethischer Werte, Leben und Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter vor schädlichen Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen und Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren zu treffen,
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2. die Möglichkeit zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel, konventionell, ökologisch oder unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können,
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3. den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen.
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Das Ziel der Gewährleistung der Koexistenz wurde mit den angegriffenen Bestimmungen über das Standortregister, über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen weiter konkretisiert.
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aa) Zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben aus Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG und als Beitrag zur Sicherung der Koexistenz wurde ein Standortregister eingerichtet (§ 16a GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004). Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 GenTG werden in dem vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als zuständiger Bundesoberbehörde (vgl. § 31 Satz 2 GenTG) geführten Standortregister die gemeldeten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen für das gesamte Bundesgebiet zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit erfasst. Soll eine genehmigte Freisetzung durchgeführt werden, so hat der Betreiber (vgl. § 3 Nr. 7 GenTG) spätestens drei Werktage vor der Durchführung die Freisetzung, die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, das Grundstück der Freisetzung und die Größe der Freisetzungsfläche und den Freisetzungszeitraum dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu melden (§ 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GenTG). Soll eine zugelassene gentechnisch veränderte Pflanze angebaut werden, muss der Bewirtschafter (vgl. § 3 Nr. 13a GenTG) dieses Vorhaben spätestens drei Monate vor dem Anbau dem Bundesamt melden sowie die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche mitteilen (§ 16a Abs. 3 Satz 1 und 2 GenTG). Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen (§ 16a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3 GenTG). Das Standortregister ist zum Teil allgemein zugänglich. Auskünfte über die Bezeichnung und - im Fall des Anbaus - der spezifische Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße werden durch automatisierten Abruf über das Internet erteilt (§ 16a Abs. 4 GenTG). Über die im Übrigen nicht allgemein zugänglichen Informationen wird grundsätzlich Auskunft erteilt, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat (§ 16a Abs. 5 GenTG). Zur Gewährleistung von Datensicherheit und Datenschutz sind dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu treffen (§ 16a Abs. 6 Satz 1 GenTG). Die Daten des Bundesregisters werden nach Ablauf von 15 Jahren nach ihrer erstmaligen Speicherung gelöscht (§ 16a Abs. 6 Satz 2 GenTG).
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bb) Als weiterer Beitrag zur Gewährleistung der Koexistenz wurden eine Vorsorgepflicht und Anforderungen an die gute fachliche Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen eingeführt (§ 16b GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004), wodurch Einträge dieser Organismen vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden sollen. § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG verpflichtet denjenigen zur Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange, der mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen, auf näher bestimmte Art und Weise umgeht oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt. Die Erfüllung der Vorsorgepflicht nach § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG wird für die Bereiche des Umgangs mit gentechnisch veränderten Pflanzen und der Haltung von gentechnisch veränderten Tieren durch Bestimmungen über eine gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 2 und 3 GenTG präzisiert. Gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG in seiner bis zum 4. April 2008 geltenden Fassung (im Folgenden: § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F.) waren Handlungen ausdrücklich unzulässig, soweit aufgrund der Umstände des Einzelfalles die Erreichung der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange nicht gewährleistet war. Ergänzend zu den Verhaltenspflichten des § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG trifft § 16b Abs. 4 GenTG eine Regelung über die zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderliche Eignung von Person und Ausstattung desjenigen, der zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken mit den Produkten umgeht. Der vorliegend nicht angegriffene § 16b Abs. 5 GenTG verpflichtet denjenigen, der die Produkte in den Verkehr bringt, eine Produktinformation mitzuliefern, die neben den Bestimmungen der Genehmigung auch Angaben zur Erfüllung der Pflichten nach § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG enthalten muss. Der ebenfalls nicht beanstandete § 16b Abs. 6 GenTG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung einzelne Aspekte zu § 16b Abs. 3, 4 und 5 GenTG näher zu regeln. § 16a und § 16b GenTG finden auch Anwendung, wenn das Inverkehrbringen durch Rechtsvorschriften geregelt ist, die den Bestimmungen des Gentechnikgesetzes über Freisetzung und Inverkehrbringen vorgehen (vgl. § 14 Abs. 2 GenTG).
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cc) Das private Nachbarrecht wurde schließlich durch eine Regelung über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen konkretisiert und ergänzt, um sicherzustellen, dass bei wesentlichen Nutzungsbeeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen ein zivilrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch besteht (§ 36a GenTG, Art. 1 Nr. 24 GenTNeuOG 2004).
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(1) Im privaten Nachbarrecht kann ein Eigentümer von dem Störer gemäß § 1004 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB - in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002, BGBl I S. 42 und 2909, BGBl I 2003, S. 738) die Beseitigung oder die Unterlassung einer Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird oder eine künftige Beeinträchtigung zu besorgen ist. Gemäß § 1004 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Eigentümer jedoch zur Duldung verpflichtet und sein Abwehranspruch ausgeschlossen, wenn die Benutzung seines Grundstücks durch die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und durch ähnliche grenzüberschreitende Einwirkungen nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Eigentümer auch eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. In diesem Fall kann der Eigentümer aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein allgemeiner nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß § 1004 Abs. 1, § 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGHZ 155, 99<102 f.> m.w.N.). Die Vorschrift des § 906 BGB konkretisiert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im öffentlichen Nachbarrecht den Maßstab dessen, was ein Grundstückseigentümer oder -besitzer bei Immissionen von hoher Hand entschädigungs- und schadensersatzlos hinnehmen muss (BGHZ 91, 20<21 f.>; 97, 97 <104>). Vor Einführung des § 36a GenTG war umstritten, ob und inwieweit nach dieser Maßgabe Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf benachbarte Flächen als mögliche "ähnliche Einwirkung" im Sinn von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB Abwehr- und Ausgleichsansprüche auslösen können.
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(2) Mit § 36a GenTG ist nunmehr festgelegt, dass die in den §§ 1004, 906 BGB geregelten Duldungs-, Abwehr- und Ausgleichsansprüche sowohl für die Übertragung der auf gentechnischen Arbeiten beruhenden Eigenschaften eines Organismus wie für sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen gelten (§ 36a Abs. 1 GenTG).
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(a) In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG wird der Anwendungsbereich von § 906 BGB hinsichtlich der dort verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe der "wesentlichen Beeinträchtigung" durch die Benutzung eines anderen Grundstücks (§ 36a Abs. 1 GenTG), der einem Grundstücksbenutzer "wirtschaftlich zumutbaren" Maßnahmen zur Verhinderung einer Beeinträchtigung (§ 36a Abs. 2 GenTG) und der "ortsüblichen" Benutzung eines Grundstücks (§ 36a Abs. 3 GenTG) konkretisiert.
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Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen insbesondere dann eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinn von § 906 BGB dar, wenn die Erzeugnisse des betroffenen Nutzungsberechtigten deswegen nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG) oder ihre beabsichtigte Vermarktung aufgrund der geltenden Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten nur eingeschränkt möglich oder ausgeschlossen ist (§ 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG). Soweit in den einzelnen Fallgruppen Schwellenwerte bestehen, etwa für die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel, sollen diese maßgeblicher Bezugspunkt für die Frage sein, ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist (BTDrucks 15/3088, S. 31). Die in § 36a Abs. 1 GenTG aufgezählten Fälle sind nicht abschließend; wertungsmäßig vergleichbare Fälle sollen entsprechend in die Regelung einbezogen werden (BTDrucks 15/3344, S. 41). Wenn kein Fall des § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und auch keine vergleichbare Beeinträchtigung vorliegt, ist der Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbarflächen unwesentlich und darf gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verboten werden.
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§ 36a Abs. 2 GenTG knüpft an § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB an, wonach eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden ist, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Gemäß § 36a Abs. 2 GenTG gilt die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 GenTG als wirtschaftlich zumutbar in diesem Sinne.
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§ 36a Abs. 3 GenTG modifiziert das Kriterium der Ortsüblichkeit im Sinn von § 906 BGB dahingehend, dass es für die Beurteilung nicht darauf ankommt, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.
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(b) § 36a Abs. 4 GenTG ergänzt das private Nachbarrecht um eine Regelung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises. § 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG enthält eine Ursachenvermutung nach dem Vorbild von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, die zu einer gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer möglicher Verursacher nach § 840 Abs. 1 BGB führt. § 36a Abs. 4 Satz 2 GenTG bestimmt den Vorrang der anteiligen Haftung, soweit eine jeweils nur anteilige Verursachung mehrerer Nachbarn feststeht und eine Aufteilung des Ausgleichs nach § 287 ZPO möglich ist.
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3. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 beruht ebenfalls auf einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung. Diese brachte im Oktober 2007 Entwürfe für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes (BTDrucks 16/6814) und für die Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes (BTDrucks 16/6557) in den Bundestag ein. Nach einer ersten Lesung und Überweisung an die Ausschüsse wurde der Gesetzentwurf auf Empfehlung des federführenden Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als Artikelgesetz ausgestaltet (BTDrucks 16/7868). Art. 1 des Gesetzes enthielt das zum Teil geänderte Vierte Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes. Art. 2 fügte ein weiteres Gesetz zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes an, in welchem die Maßgaben für die Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" geregelt wurden, und Art. 3 hob die entsprechende Vorgängerregelung in der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung auf. In dieser Textfassung wurde das Gentechnikänderungsgesetz 2008 vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 16/140, S. 14792 B) und passierte unverändert den Bundesrat, der den Vermittlungsausschuss nicht anrief (Bundesrat, Plenarprotokoll, 841. Sitzung, S. 9 C, BRDrucks 52/08). Das Gesetz wurde am 1. April 2008 ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. Sein Artikel 1 ist am 5. April 2008, die Artikel 2 und 3 sind am 1. Mai 2008 in Kraft getreten.
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Ziel dieser jüngsten Novellierung des Gentechnikrechts war es, Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland zu fördern. Dabei sollten aber der Schutz von Mensch und Umwelt entsprechend dem Vorsorgegrundsatz oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben und die Wahlfreiheit der Landwirte und der Verbraucher sowie die Koexistenz der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen weiterhin gewährleistet werden. Vor diesem Hintergrund wurden Verfahrenserleichterungen für Arbeiten in gentechnischen Anlagen vorgenommen und Ausnahmeregelungen für bestimmte gentechnisch veränderte Organismen ausgedehnt. Eine Verwertung von Produkten, die Anteile von nicht zum Inverkehrbringen zugelassenen Organismen aufweisen, wurde unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen.
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§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. wurde ersatzlos gestrichen und stattdessen in § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht geregelt (bezüglich § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG im Folgenden: n.F.). Die Pflicht zur Vorsorge muss nunmehr hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachtet werden, als dieser durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder auf Anfrage des Vorsorgepflichtigen die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient (§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F.). Eine zulässige Abweichung von der guten fachlichen Praxis ist der zuständigen Behörde gemäß § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen und nach Maßgabe des neu eingefügten § 16b Abs. 1a GenTG an das Standortregister (§ 16a GenTG) zu melden. Insoweit hat der Bewirtschafter ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2 GenTG spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstücks dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. oder die Tatsache mitzuteilen, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis aufgrund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen (§ 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG). Die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe über Abweichungen von der guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG) wird allgemein zugänglich gemacht. Im Übrigen gilt für die nach § 16b Abs. 1a GenTG erhobenen Daten § 16a GenTG entsprechend (§ 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG).
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II.
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Mit ihrem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 machte die Antragstellerin ursprünglich die Unvereinbarkeit von Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c, Nr. 14 und Nr. 24 GenTNeuOG 2004 mit dem Grundgesetz geltend. Im Hinblick auf das zwischenzeitlich in Kraft getretene Gentechnikänderungsgesetz 2008 rügt sie zuletzt nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 15. Januar 2009 die Unvereinbarkeit von "§ 3 Nr. 3 und 6, § 16a Absätze 1, 3, 4 und 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a GenTG" in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung mit dem Grundgesetz. Soweit die angegriffenen Normen wesentliche Änderungen erfahren haben, stellt die Antragstellerin die alte Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 ausdrücklich nicht mehr zur Überprüfung und wendet sich insbesondere gegen § 16b Abs. 1 GenTG nur in seiner Neufassung nach dem Gentechnikänderungsgesetz 2008. In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin klargestellt, dass § 16b Abs. 1a GenTG Gegenstand der Überprüfung sein soll, soweit der allgemein zugängliche Teil des Standortregisters die auf das betroffene Grundstück des Nachbarn bezogene Angabe umfasst (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG). § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG stellt sie umfänglich und damit auch hinsichtlich solcher Angaben zur Prüfung, die aufgrund des ausdrücklich nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind.
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Die nach dieser Maßgabe angegriffenen Vorschriften sowie § 16a Abs. 2 GenTG lauten:
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§ 3
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Begriffsbestimmungen
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Im Sinne dieses Gesetzes sind
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…
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3. gentechnisch veränderter Organismus
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ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt; ein gentechnisch veränderter Organismus ist auch ein Organismus, der durch Kreuzung oder natürliche Rekombination zwischen gentechnisch veränderten Organismen oder mit einem oder mehreren gentechnisch veränderten Organismen oder durch andere Arten der Vermehrung eines gentechnisch veränderten Organismus entstanden ist, sofern das genetische Material des Organismus Eigenschaften aufweist, die auf gentechnische Arbeiten zurückzuführen sind,
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…
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6. Inverkehrbringen
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die Abgabe von Produkten an Dritte, einschließlich der Bereitstellung für Dritte, und das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes, soweit die Produkte nicht zu gentechnischen Arbeiten in gentechnischen Anlagen oder für genehmigte Freisetzungen bestimmt sind; jedoch gelten
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a) unter zollamtlicher Überwachung durchgeführter Transitverkehr,
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b) die Bereitstellung für Dritte, die Abgabe sowie das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes zum Zweck einer genehmigten klinischen Prüfung
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nicht als Inverkehrbringen,
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...
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§ 16a
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Standortregister
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(1) Zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit werden die nach Absatz 2 mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen und die nach Absatz 3 mitzuteilenden Angaben über den Anbau gentechnisch veränderter Organismen in einem Bundesregister erfasst. Das Register wird von der zuständigen Bundesoberbehörde geführt und erfasst die nach Absatz 2 oder Absatz 3 gemeldeten Angaben für das gesamte Bundesgebiet. Das Register muss nach Maßgabe des Absatzes 4 allgemein zugänglich sein.
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(2) Der Betreiber hat die tatsächliche Durchführung der genehmigten Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen spätestens drei Werktage vor der Freisetzung der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:
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1. die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus,
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2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,
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3. das Grundstück der Freisetzung sowie die Größe der Freisetzungsfläche,
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4. den Freisetzungszeitraum.
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Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen.
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(3) Der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen ist von demjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, spätestens drei Monate vor dem Anbau der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:
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1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,
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2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,
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3. den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet,
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4. das Grundstück des Anbaus sowie die Größe der Anbaufläche.
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Änderungen in den Angaben sind unverzüglich mitzuteilen.
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(4) Der allgemein zugängliche Teil des Registers umfasst:
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1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,
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2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,
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3. das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße.
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Auskünfte aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers werden im Wege des automatisierten Abrufs über das Internet erteilt.
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(5) Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers Auskunft auch über die personenbezogenen Daten, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat.
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...
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§ 16b
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Umgang mit
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in Verkehr gebrachten Produkten
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(1) Wer zum Inverkehrbringen zugelassene Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, anbaut, weiterverarbeitet, soweit es sich um Tiere handelt, hält, oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt, hat Vorsorge dafür zu treffen, dass die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange durch die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, durch die Beimischung oder durch sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Er muss diese Pflicht hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachten, als dieser durch schriftliche Vereinbarung mit ihm auf seinen Schutz verzichtet oder ihm auf Anfrage die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient. In der schriftlichen Vereinbarung oder der Anfrage ist der andere über die Rechtsfolgen der Vereinbarung oder die Nichterteilung der Auskünfte aufzuklären und darauf hinzuweisen, dass er zu schützende Rechte Dritter zu beachten hat. Die zulässige Abweichung von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis sind der zuständigen Behörde rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen.
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(1a) Der Bewirtschafter hat ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2
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1. die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 oder
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2. die Tatsache, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis auf Grund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen,
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der zuständigen Bundesoberbehörde spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstückes mitzuteilen. Der allgemein zugängliche Teil des Registers nach § 16a Abs. 1 Satz 1 umfasst zusätzlich zu der Angabe nach § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe nach Satz 1. Im Übrigen gilt § 16a entsprechend.
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(2) Beim Anbau von Pflanzen, beim sonstigen Umgang mit Pflanzen und bei der Haltung von Tieren wird die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis erfüllt.
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(3) Zur guten fachlichen Praxis gehören, soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist, insbesondere
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1. beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen die Beachtung der Bestimmungen der Genehmigung für das Inverkehrbringen nach § 16 Abs. 5a,
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2. beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und bei der Herstellung und Ausbringung von Düngemitteln, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, Maßnahmen, um Einträge in andere Grundstücke zu verhindern sowie Auskreuzungen in andere Kulturen benachbarter Flächen und die Weiterverbreitung durch Wildpflanzen zu vermeiden,
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3. bei der Haltung gentechnisch veränderter Tiere die Verhinderung des Entweichens aus dem zur Haltung vorgesehenen Bereich und des Eindringens anderer Tiere der gleichen Art in diesen Bereich,
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4. bei Beförderung, Lagerung und Weiterverarbeitung gentechnisch veränderter Organismen die Verhinderung von Verlusten sowie von Vermischungen und Vermengungen mit anderen Erzeugnissen.
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(4) Wer mit Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, für erwerbswirtschaftliche, gewerbsmäßige oder vergleichbare Zwecke umgeht, muss die Zuverlässigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten und Ausstattung besitzen, um die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erfüllen zu können.
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...
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§ 36a
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Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen
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(1) Die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, oder sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dar, wenn entgegen der Absicht des Nutzungsberechtigten wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags Erzeugnisse insbesondere
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1. nicht in Verkehr gebracht werden dürfen oder
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2. nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder nach anderen Vorschriften nur unter Hinweis auf die gentechnische Veränderung gekennzeichnet in den Verkehr gebracht werden dürfen oder
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3. nicht mit einer Kennzeichnung in den Verkehr gebracht werden dürfen, die nach den für die Produktionsweise jeweils geltenden Rechtsvorschriften möglich gewesen wäre.
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(2) Die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 gilt als wirtschaftlich zumutbar im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
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(3) Für die Beurteilung der Ortsüblichkeit im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kommt es nicht darauf an, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.
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(4) Kommen nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls mehrere Nachbarn als Verursacher in Betracht und lässt es sich nicht ermitteln, wer von ihnen die Beeinträchtigung durch seine Handlung verursacht hat, so ist jeder für die Beeinträchtigung verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn jeder nur einen Teil der Beeinträchtigung verursacht hat und eine Aufteilung des Ausgleichs auf die Verursacher gemäß § 287 der Zivilprozessordnung möglich ist.
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Die Antragstellerin hält diese Vorschriften für materiell verfassungswidrig. Sie trägt im Wesentlichen zur Begründung vor:
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1. Mit § 36a GenTG habe der Gesetzgeber erheblich in das von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägte, ausgeglichene Haftungsregime der §§ 906, 1004 und 823 BGB eingegriffen und ein über die bislang geltenden Regelungen hinausgehendes Haftungssonderrecht für den Einsatz von Gentechnik geschaffen.§ 36a Abs. 1 GenTG verweise offen und unbestimmt auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten und schaffe damit ein unkalkulierbares und voraussichtlich nicht versicherbares Haftungsrisiko. § 36a Abs. 2 und 3 GenTG schlössen die Ortsüblichkeit einer Nutzung und die wirtschaftliche Zumutbarkeit von Gegenmaßnahmen zu Lasten des Verwenders von Gentechnik aus. Mit § 36a Abs. 4 GenTG werde eine gesamtschuldnerische Haftung ohne Kausalitätsnachweis eingeführt. Der Nachbarschaftsausgleich werde nunmehr regelmäßig nach Maßgabe des bürgerlichrechtlichen Aufopferungsanspruchs analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erfolgen, der häufig auf volle Schadloshaltung gerichtet sei. Verschulden des Verwenders von Gentechnik sei nicht erforderlich, so dass es sich insgesamt um eine verdeckte Gefährdungshaftung handle.
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a) Diese stehe nicht mit der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der Gentechnik verwendenden Landwirte und Saatguthersteller in Einklang. Die Vorschrift schränke die Freiheit der Berufsausübung gezielt zugunsten des ökologischen Landbaus ein. Sie führe zu Sorgfaltspflichten, die über die Genehmigungsanforderungen und die gute fachliche Praxis hinausgingen, und aufgrund des hohen Haftungsrisikos zu einem faktischen Ausschluss des beruflichen Einsatzes von Gentechnik. Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt.
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§ 36a Abs. 1 GenTG verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot, da eine wesentliche Beeinträchtigung nicht nur in den aufgezählten, sondern auch in wertungsmäßig vergleichbaren Fällen vorliegen könne, ohne dass die für die Gleichstellung maßgeblichen Gesichtspunkte genannt würden. § 36a Abs. 1 Nr. 3 GenTG verletze das Gebot der Klarheit von Rechtsnormen. Mit der "dynamischen Verweisung" auf Rechtsvorschriften über die nationale Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" und die europäische Produktkennzeichnung mit Bezug auf ökologischen Landbau würden keine klaren Haftungsvoraussetzungen festgelegt. Der Grundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung stehe der Annahme einer wesentlichen Eigentumsbeeinträchtigung durch zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen entgegen. Von diesen gehe kein Risiko für Gesundheit, Umwelt und Eigentum aus. Vielmehr legitimiere die Genehmigung für ein Inverkehrbringen die Verbreitung dieser Organismen im offenen ökologischen System, stelle diese einem natürlichen Organismus gleich und schaffe einen Vertrauenstatbestand zugunsten ihrer Verwender. Der Koexistenzbelang (§ 1 Nr. 2 GenTG) gewährleiste ihre wirtschaftliche Nutzung.
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Da von dem Anbau zum Inverkehrbringen zugelassener gentechnisch veränderter Organismen keine Gefahr ausgehe, genüge die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des § 36a GenTG nicht den allgemeinen, aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden Anforderungen an Haftungsbestimmungen. Die Haftung für die von vornherein mitbedachten, produktionsbedingten und zufällig eintretenden Folgen des Anbaus müsse jedenfalls durch einen Haftungsfonds oder die Möglichkeit, das Haftungsrisiko zu versichern, gemildert werden. Unverhältnismäßig sei ferner, dass der Verwender von Gentechnik sich weder durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis noch durch ein unabwendbares Ereignis oder ein Mitverschulden des Gläubigers entlasten könne und ihm ein individueller Verursachungsbeitrag nicht nachgewiesen werden müsse.
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Gemessen an Art. 12 Abs. 1 GG sei § 36a GenTG auch unverhältnismäßig. Die Haftungsregelung wirke wie eine objektive Einschränkung der Berufswahlfreiheit, da Landwirte aufgrund des nicht einschätzbaren Haftungsrisikos den sich herausbildenden Beruf des "GVO-anbauenden Landwirts" meiden würden. Die mit § 36a GenTG verfolgte Zielsetzung, die Wahlfreiheit zwischen gentechnisch veränderten und nicht veränderten Produkten und Produktionsmitteln für Verbraucher und Produzenten zu erhalten und den ökologischen Landbau besonders zu schützen, besitze keinen verfassungsrechtlichen Rang und könne bereits aus diesem Grund die wirtschaftlich erdrosselnde Haftung nicht rechtfertigen. § 36a GenTG sei zur Erreichung des Koexistenzzieles auch weder geeignet noch erforderlich. Denn es werde einseitig der konventionelle und ökologische Landbau geschützt, der gentechnische Landbau jedoch im Wesentlichen verhindert, ohne dass es dieser Haftung bedürfte. Bereits durch die gute fachliche Praxis könnten unbeabsichtigte Auskreuzungen auf das unvermeidbare Maß reduziert werden und eine Haftung sei nur bei Verletzung dieser Bestimmungen geboten. Die Haftung müsse nicht an der Kennzeichnung von Produkten ausgerichtet werden. Man hätte auch einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einrichten können, um die Rahmenbedingungen für die angestrebte Koexistenz zu schaffen. Die Regelung sei zudem nicht angemessen. Das Haftungsrisiko werde einseitig auf die Verwender von Gentechnik verlagert. Hingegen träfen konventionell oder ökologisch arbeitende Landwirte keine Schutz- und Vorsorgepflichten, obwohl gerade Feldbestände in der ökologischen Landwirtschaft eine besondere Empfindlichkeit aufwiesen, die nur aus den Vermarktungsbedingungen für ökologisch erzeugte Produkte resultiere. Damit könne der Geschädigte den Umfang seines Schadensersatzanspruchs nach seinen subjektiven Verwendungswünschen bestimmen. Auch wenn man das nachbarliche Eigentum als zu schützendes Recht ansehe, ergebe sich kein angemessener Ausgleich.
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b) § 36a GenTG greife ungerechtfertigt in das Eigentum der Verwender von Gentechnik und den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der von der Haftung betroffenen Landwirte und Saatguthersteller ein (Art. 14 Abs. 1 GG). Aufgrund der hohen Sorgfaltspflichten und der nicht einschätzbaren Haftung würden Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen unterbunden und geplante Freisetzungen und kommerzieller Anbau unterlassen. Für das Ziel, die Existenz des ökologischen und konventionellen Anbaus zu sichern und das Eigentum des beeinträchtigten Landwirts zu schützen, sei der Eingriff weder erforderlich noch angemessen. Der Intensität, Tragweite und Schwere des Eingriffs stünden nur geringe Einschränkungen auf Seiten des Nachbarn gegenüber, die einem zufälligen Ereignis gleichzustellen seien. Zudem hätten Landwirtschaftsflächen keinen besonderen sozialen Bezug.
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c) § 36a GenTG verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Vorschrift führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von gentechnisch wirtschaftenden Landwirten auf der einen und gentechnikfrei wirtschaftenden Landwirten auf der anderen Seite.
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2. Das in § 16a GenTG geregelte Standortregister verletze die Verwender von Gentechnik in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Indem personenbezogene Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und den Namen, die Anschrift und das Grundeigentum der Betroffenen erhoben und gespeichert würden sowie Dritten - zum Teil öffentlich - zugänglich seien, werde politisch motivierte Feldzerstörung begünstigt und das Eigentum der Verwender von Gentechnik gefährdet. Demgegenüber sei das Standortregister weder geeignet noch erforderlich, um das Ziel der Überwachung etwaiger Auswirkungen verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen auf die Umwelt, die angestrebte Transparenz und die Koexistenz der verschiedenen Anbauformen zu erreichen. Insbesondere wäre dieser Zielsetzung und den Vorgaben des Europarechts bereits mit einer Veröffentlichung der Gemeinde des jeweiligen Standortes Genüge getan. Zur Sicherung der Koexistenz müsse ein berechtigtes Interesse an Auskünften über die nicht allgemein zugänglichen Informationen nur dann anerkannt werden, wenn eine wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung und darüber hinaus substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn drohten.Die Regelungen seien auch nicht angemessen. Transparenz sei kein Wert von Verfassungsrang und könne die Veröffentlichung der genauen Standortdaten gemäß § 16a Abs. 3 Nr. 4 in Verbindung mit § 16a Abs. 4 Nr. 3 GenTG nicht rechtfertigen. Nur durch eine Geheimhaltung der genauen Standortdaten könne der Betroffene zuverlässig vor dem Verlust seines Eigentums und seiner Betriebsmittel geschützt werden. Indem der Staat mit dem Anbauregister gezielt die Möglichkeit eröffne, dass Dritte durch Sachbeschädigungen gegen die Anbauflächen vorgingen, verstoße er gegen seine verfassungsrechtlichen Schutzpflichten. Unangemessen sei ferner, dass Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil gemäß § 16a Abs. 5 GenTG ohne eine vorherige Abwägung des Geheimhaltungsinteresses und des Auskunftsinteresses erteilt werden könnten und zudem die Kriterien für eine Interessenabwägung nicht vorgegeben seien. Schließlich müssten unter dem Gesichtspunkt der Kooperation und Rücksichtnahme die konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte ebenso zur Auskunft verpflichtet werden, denn auch der gentechnisch wirtschaftende Landwirt müsse wissen, ob benachbarte empfindliche Feldbestände aufgebaut und eine gezielte Verdrängung des gentechnischen Landbaus betrieben werde.
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§ 16a GenTG verletze auch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Der genaue Standort und die Art von gentechnisch veränderten Organismen stellten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar. Diese würden jedenfalls dann durch die Auskunftserteilung aus dem Standortregister nach Maßgabe des § 16a Abs. 4 und 5 GenTG beeinträchtigt, wenn zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen angebaut werden. Der Eingriff sei aus den genannten Gründen unverhältnismäßig.
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3. Die in § 16b Abs. 1 bis 4 GenTG geregelte Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung seien mit der Berufsfreiheit aller Personen, die verkehrszugelassene gentechnisch veränderte Organismen anbauten, weiterverarbeiteten oder in Verkehr brächten, unvereinbar. Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis (§ 16b Abs. 1 bis 3 GenTG) seien für den bezweckten Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter nicht erforderlich. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter würden durch das Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen ausreichend geschützt. Vorsorgemaßnahmen bräuchten über das zur Sicherung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) Erforderliche auch nicht hinauszugehen. Die mit § 16b Abs. 4 GenTG eingeführten Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Ausstattung kämen einer subjektiven Berufszugangsregelung nahe. Ob jedoch ein wichtiges Gemeinschaftsgut von Verfassungsrang durch den Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen überhaupt betroffen sein könne, sei fraglich. Jedenfalls sei es nicht erforderlich, unabhängig von dem Eintritt einer Gefahr für den Koexistenzbelang und über die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen sowie die nach § 16b Abs. 5 GenTG mitzuliefernde Produktinformation hinaus weitere Anforderungen an die Person und die Ausstattung des Anwenders von gentechnisch veränderten Organismen zu stellen. § 16b Abs. 4 GenTG verletze auch den Bestimmtheitsgrundsatz. Es sei unklar, in welcher Weise die Landwirte den geforderten Nachweis ihrer Fähigkeiten und Ausstattung erbringen können und ob ihre Fähigkeiten abstrakt beurteilt oder durch Inspektionen und Stichprobenkontrollen nachgewiesen würden.
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4. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG seien im Hinblick auf das Begriffsverständnis des Inverkehrbringens im Zusammenhang mit der Definition des gentechnisch veränderten Organismus mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Denn ein genehmigungspflichtiges Inverkehrbringen liege auch dann vor, wenn ein konventionell oder ökologisch anbauender Landwirt Erzeugnisse abgebe oder bereithalte, die zufällig oder technisch unvermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer genehmigten Freisetzung vermischt worden seien. Es bestünden dann die Abwehr- und Ausgleichsansprüche nach § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG, von denen eine massiv abschreckende Wirkung ausgehe. Dadurch werde insbesondere die Durchführung von Freisetzungsversuchen zum Zweck der Erforschung und Entwicklung transgener Pflanzen durch universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen erheblich erschwert, wenn nicht verhindert. Der Eingriff werde nicht durch entgegenstehende Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt. Dem Koexistenzbelang komme ein solcher Stellenwert nicht zu. Das Eigentum des Nachbarn sei nicht betroffen, da es an einer Substanz- und Gebrauchsbeeinträchtigung fehle. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter seien durch die Freisetzungsgenehmigung hinreichend geschützt. Die Regelung schränke zudem die Berufsfreiheit der an der Forschung beteiligten Unternehmen mit der Wirkung einer objektiven Regelung der Berufswahl ein, ohne dass nachweisbare oder höchstwahrscheinliche, schwere Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut erkennbar seien. Doch auch eine reine Einschränkung der Berufsausübung wäre unverhältnismäßig, da mit der Freisetzungsgenehmigung die Ungefährlichkeit der Organismen für die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter festgestellt sei. Der Gesetzgeber habe auch nicht lediglich zwingende Vorgaben des Europarechts umgesetzt, sondern von einem eigenen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht. Die Richtlinie 2001/18/EG fordere und rechtfertige dieses Begriffsverständnis des Inverkehrbringens nicht. Gleichermaßen zwinge sie nicht zu der Erweiterung des Begriffs "gentechnisch veränderter Organismus".
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III.
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Zu dem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 Stellung genommen haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., das Öko-Institut e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V. und die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V.
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Im Hinblick auf die Novellierung des Gentechnikrechts durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 haben sich die Bundesregierung, der Deutsche Bauernbund e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. geäußert; der Deutsche Bundestag hat das Protokoll der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 26. November 2007 zur Novelle des Gentechnikgesetzes und der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung sowie die Stellungnahmen der Sachverständigen zu diesem Gesetz übersandt.
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In der mündlichen Verhandlung haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. ihre Stellungnahmen ergänzt. Geäußert haben sich darüber hinaus die Bundestagsabgeordneten Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) und Miersch (SPD), Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie des Bundesamtes für Naturschutz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V.
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1. Die Bundesregierung hält die angegriffenen Bestimmungen für verfassungsgemäß. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 wirke sich auf die maßgebenden Rechtsfragen nicht aus.
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Mit der Neugestaltung des Gentechnikrechts habe der Gesetzgeber die Rechtsstellung aller Beteiligten gestärkt. Das Gesetz fördere die Koexistenz der unterschiedlichen Produktionsmethoden und den verantwortbaren Umgang mit der Gentechnik. Es schütze in angemessener Weise vor möglichen Beeinträchtigungen durch die Gentechnik und stärke dabei die Akzeptanz neuer Techniken. Das Gesetz schaffe einen angemessenen Ausgleich der Grundrechte aller Beteiligten. Dabei schütze es die natürlichen Lebensgrundlagen.
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a) Der Bund besitze die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11, 17, 20 und 26 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG.
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b) Die Klarstellung der Begriffe "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG) sei verfassungsgemäß und verletze insbesondere nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG. Zur Sicherung der durch mittelbare Auswirkungen gentechnischer Veränderungen besonders gefährdeten Schutzgüter der Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG und des § 1 GenTG sei es geboten, auch indirekt durch Kreuzung oder natürliche Rekombination entstandene Organismen in den Begriff "gentechnisch veränderter Organismus" einzubeziehen sowie als "Inverkehrbringen" auch die von einer Freisetzungsgenehmigung nicht gedeckte Abgabe von Produkten zu verstehen, die unbeabsichtigt mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer benachbarten Freisetzung vermischt wurden. Demgegenüber seien die Forschung und die Berufsausübung im Zusammenhang mit der Gentechnik weiterhin angemessen möglich; insbesondere könnten gegen unerwünschte Auswirkungen geeignete Vorkehrungen getroffen werden. Vor dem Hintergrund der zuvor streitigen Rechtslage würden die Präzisierungen in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG der Rechtssicherheit dienen und darüber hinaus den verbindlichen europarechtlichen Vorgaben aus Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2001/18/EG entsprechen.
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c) Das Standortregister (§ 16a GenTG) gewährleiste angemessenen Datenschutz. Es diene dazu, den Schutz- und Vorsorgezweck (§ 1 Nr. 1 GenTG) und das Koexistenzprinzip (§ 1 Nr. 2 GenTG) zu verwirklichen und durch Information der Öffentlichkeit eine Transparenz zu schaffen, die letztlich auch zur Akzeptanz einer verantwortbaren Gentechnik und zur Befriedung beitrage. Diese Rechtsgüter und Belange fänden ihre Grundlage in verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechten und Staatszielbestimmungen. Die angegriffenen Bestimmungen seien zur Zweckerreichung geeignet, angemessen und erforderlich. Aufgrund der erhobenen Angaben über geplante Freisetzungen und den geplanten Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (§ 16a Abs. 2 und 3 GenTG) könnten Gefahrenlagen erkannt, Schadensverläufe nachvollzogen, zukünftige Schäden vermieden und Ersatzansprüche leichter durchgesetzt werden. Ohne diese Angaben sei es erheblich schwieriger, wenn nicht unmöglich, Einträge zu vermeiden oder ihren Verlauf, ihre Ursachen und ihre Wirkungen festzustellen.Demgegenüber sei die ohne erheblichen Aufwand mögliche Mitteilung der Angaben zumutbar. Die Ausgestaltung der Zugänglichkeit zum Standortregister gewährleiste einen angemessenen Schutz von personenbezogenen Daten und Geschäftsgeheimnissen. Insbesondere bleibe die Anonymität personenbezogener Daten im allgemein zugänglichen Teil des Registers gewahrt. Die Kenntnis der genauen Standortangabe und der weiteren allgemein zugänglichen Informationen (§ 16a Abs. 4 GenTG) sei für alle potentiell Betroffenen erforderlich, um ihre Rechtsgüter zu schützen. Vor diesem Hintergrund sei es den Betroffenen nicht zumutbar, zunächst ein überwiegendes Interesse an der Auskunft darzulegen. Zudem überwiege das Informationsinteresse der konventionell wirtschaftenden Nachbarn regelmäßig das Geheimhaltungsinteresse angesichts der von Gentechnik potentiell ausgehenden Gefahren. Auch wäre der erforderliche Verwaltungsaufwand für eine Mitteilung der flurstückgenauen Standortangabe im Antragsverfahren unverhältnismäßig hoch. Der Gesetzgeber dürfe hier typisieren Schließlich sei das Register zur Wahrung des Koexistenzprinzips erforderlich; insbesondere könnten Betroffene ihrerseits Schutzmaßnahmen treffen. Dies läge gerade auch im Interesse des Verwenders von Gentechnik.Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (§ 16a Abs. 5 GenTG) dürften nur aufgrund einer Abwägung des berechtigten Interesses des Antragstellers mit den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen erteilt werden. Wenn es im Einzelfall Anhaltspunkte dafür gebe, dass gewaltbereite Gentechnikgegner Felder der Betroffenen verwüsten würden, sei dies zu berücksichtigen.
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d) Die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an Person und Ausstattung beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) würden die Berufsausübung in Einklang mit Art. 12 Abs. 1 GG regeln und mit gut nachvollziehbaren Verpflichtungen Rechtssicherheit schaffen. Die Vorsorgepflicht diene dem Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG beschriebenen hochrangigen Rechtsgüter. Die einzelnen Maßnahmen entsprächen dem, was für den verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und in Teilbereichen auch mit Erzeugnissen allgemein erforderlich sei und könnten mit den in Betrieben vorhandenen technischen Möglichkeiten bewältigt werden. Die Regelungen seien hinreichend bestimmt und verhältnismäßig. Auch nach Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen müsse der Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter in der weiteren Praxis im Rahmen des vernünftig Möglichen gewährleistet bleiben. Die näheren Vorgaben zur guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 3 GenTG) stünden allerdings ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass sie zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderlich seien. Auch die Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Fähigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG) seien zum Schutz der überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter zumutbar und Sachkundenachweise bei vergleichbaren Tätigkeiten ohnehin üblich. Mit geringeren Anforderungen sei die Einhaltung der guten fachlichen Praxis im Einzelfall nicht sicherzustellen; eine großflächige staatliche Überwachung wäre insoweit nicht durchführbar und eine zusätzliche Belastung für die Betroffenen.
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e) Das in § 36a GenTG geschaffene Haftungssystem diene dem Grundsatz der Koexistenz unterschiedlicher Produktionsweisen. Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbargrundstücke seien durch die bisher bekannten Maßnahmen grundsätzlich nicht vollständig zu vermeiden. Anwender müssten aber geeignete Maßnahmen treffen, um solche Einträge einzudämmen. Die Konkretisierung der zivilrechtlichen Unterlassungs- und Haftungsregelungen in § 36a GenTG sei ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zur Erreichung dieses legitimen Zweckes. § 36a GenTG füge sich in das geltende deutsche Nachbar- und Haftungsrecht ein. Ein Verzicht auf Maßnahmen zur Eindämmung von Einträgen auf Nachbargrundstücke berge die Gefahr, dass nicht veränderte Organismen von gentechnisch veränderten Organismen verdrängt würden. Dann würde eine Koexistenz nicht mehr bestehen und unzulässig in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte eingegriffen. Die damit gegebene Lastenverteilung schütze zwar spezifisch die konventionelle und ökologisch arbeitende Landwirtschaft. Dies entspreche aber der Wertentscheidung des Gesetzgebers und den europarechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Vergleichbarkeit von gentechnisch veränderten und konventionellen Produkten.
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Es sei verfassungsrechtlich auch unbedenklich, wenn nicht zwingend, den Anwender von Gentechnik mit Maßnahmen zur Verhinderung von Einträgen und der Haftung für dadurch erfolgte Einträge zu belasten.
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Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Die Bestimmung der Ortsüblichkeit (§ 36a Abs. 3 GenTG) differenziere bereits nicht, sondern erfasse alle Eigentümer und Produzenten gleichermaßen. Im Übrigen folge die Zuordnung der Haftung Unterschieden zwischen den Betroffenen von großem Gewicht, welche die unterschiedlichen Haftungsrisiken rechtfertige.
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Mit § 36a Abs. 1 GenTG habe der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums normiert (Art. 14 Abs. 1 GG). Dynamische Verweisungen auf außerhalb des Gentechnikgesetzes festgelegte Standards seien zulässig und der Begriff "insbesondere" entspreche dem Bestimmtheitserfordernis. Soweit es letztlich zu einer Gefährdungshaftung komme, sei diese ein allgemein anerkanntes Prinzip. Gentechnisch veränderte Kulturen stünden aufgrund der in aller Regel auftretenden Auskreuzungen und Einträge in andere Kulturen in einem besonders ausgeprägten Sozialbezug. Die Präzisierung der wesentlichen Beeinträchtigung in § 36a Abs. 1 GenTG und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit in § 36a Abs. 2 GenTG sichere die Grundrechte der Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG und sei Konsequenz der staatlichen Schutzpflicht für die Grundrechte der Nachbarn. Auch der Betrieb ökologischer und konventioneller Landwirtschaft stelle insoweit einen von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Beruf dar.
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§ 36a Abs. 4 GenTG normiere eine zulässige und systemgerechte Vermutung der Verursachung. Die Beweislastverteilung stimme mit den herkömmlichen Regeln überein und die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer möglicher Verursacher entspreche der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung für nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche. Die Verteilung der Verantwortung sei verfassungsgemäß. Ein Grundstückseigentümer müsse für die von seinem Grundstück ausgehenden Gefahren einstehen, auch wenn er diese weder verursacht noch verschuldet habe. Der Gesetzgeber sei insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 20a GG verpflichtet, Dritte oder die Allgemeinheit angemessen vor den von einem Grundstück ausgehenden Gefahren zu schützen. Die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Geschädigten (§ 254 BGB) bleibe möglich. Für einen Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt bestehe nach der zugrunde liegenden Risikoverteilung kein Raum, zumal sich in der Übertragung von gentechnisch veränderten Organismen auf ein benachbartes Grundstück nur das typische Risiko ihrer Verwendung realisiere. Auch sei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen weder verpflichtet, eine Haftungshöchstgrenze einzuführen oder einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einzurichten, noch müsse jedes Haftungsrisiko versicherbar sein.
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2. Die Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und des Bundesamtes für Naturschutz haben zu bestehenden gesundheitlichen und ökologischen Risiken sowie zu Nachteilen für die gentechnikfreie Landwirtschaft Stellung genommen.
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3. Der Deutsche Bauernbund e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., das Öko-Institut e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. treten dem Normenkontrollantrag entgegen.
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4. Der Deutsche Bauernverband e.V., der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V., die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V. unterstützen den Normenkontrollantrag.
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B.
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Soweit die Antragstellerin § 16b Abs. 1a GenTG zur Überprüfung stellt, ist der Normenkontrollantrag unzulässig; die Vorschrift ist jedoch wegen ihres engen Regelungszusammenhanges zu § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen (I). Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig (II). Darüber hinaus ist § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung einzubeziehen (III).
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I.
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Der Normenkontrollantrag ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG zu begründen. Hierzu ist substantiiert darzutun, aus welchen rechtlichen Erwägungen die angegriffene Norm mit welcher höherrangigen Norm für unvereinbar gehalten wird (vgl. Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 76 Rn. 61
; Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 76 Rn. 35). Diese Anforderungen sind in Bezug auf § 16b Abs. 1a GenTG nicht gewahrt. Die Antragstellerin hat mit ihrem letzten Antrag vom 15. Januar 2009, wie sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, § 16b Abs. 1a GenTG in das Verfahren einbezogen, ohne ihre Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz darzulegen. Damit ist § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG nicht genügt.
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§ 16b Abs. 1a GenTG ist gleichwohl wegen des bestehenden Regelungszusammenhanges zu § 16a GenTG von Amts wegen auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Verfassungswidrigkeit von § 16b Abs. 1a GenTG auf zulässigerweise angegriffene Bestimmungen ausstrahlt oder die Norm notwendiger Bestandteil einer Gesamtregelung ist (vgl. BVerfGE 39, 96 <106>; 40, 296 <309 f.>; 109, 279 <374>). So liegt es hier. Der Umfang und die Tragweite der über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilenden und zu verarbeitenden Angaben erschließt sich erst, wenn die ergänzende Bestimmung in § 16b Abs. 1a GenTG in die Betrachtung einbezogen wird. Die nach § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden und zu veröffentlichenden Angaben werden erst im Kontext der Angaben nach § 16a Abs. 1, 3 und 4 GenTG verständlich.
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II.
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Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig. Die Frage nach dem erforderlichen objektiven Interesse an einer Klärung der Verfassungsmäßigkeit der früheren Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 stellt sich nicht mehr, nachdem die Antragstellerin klargestellt hat, dass sie nur die Unvereinbarkeit der nach dem Inkrafttreten des Gentechnikänderungsgesetzes 2008 bestehenden Rechtslage mit dem Grundgesetz rügt (vgl. hierzu BVerfGE 110, 33 <45> m.w.N.).
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III.
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Über den Normenkontrollantrag hinaus ist auch § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einzubeziehen. Dies ist wegen des inneren Zusammenhangs der angegriffenen Bestimmungen über die nach § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG mit dem nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG notwendig.
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C.
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Der Normenkontrollantrag ist nicht begründet. § 3 Nr. 3 und 6, § 16a Abs. 1, 2, 3, 4 und 5, § 16b Abs. 1, 1a, 2, 3 und 4 sowie § 36a GenTG in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
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I.
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Die angegriffenen Vorschriften sind formell verfassungsgemäß.
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1. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass der angegriffenen Normen folgt aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG a.F.) und in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG n.F.).
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a) Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl I S. 3146) in das Grundgesetz eingefügt, um den Bund mit einer klaren Zuständigkeitsgrundlage für den Bereich der Gentechnologie bezogen auf Menschen, Tiere und Pflanzen mit Ausnahme der künstlichen Befruchtung auszustatten (vgl. BTDrucks 12/6000, S. 34 f.; BTDrucks 12/6633, S. 9).
- 124
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Der Kompetenztitel ist weit zu verstehen. Er deckt neben der Humangentechnik auch die Gentechnik in Bezug auf Tiere und Pflanzen und begründet eine umfassende Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Regelung des Rechts der Gentechnik. Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG umfasst daher nicht nur Vorschriften, die Forschung und Entwicklung unter Einsatz gentechnischer Verfahren betreffen, sondern auch sonstige die Verwendung von und den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen regelnde Normen. Danach bewegen sich nicht nur die angegriffenen Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), sondern auch die rechtlich und funktional in das Gentechnikrecht eingebetteten Bestimmungen über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG) und über das Standortregister (§ 16a GenTG) sowie die Ergänzung und Konkretisierung der zivilrechtlichen Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG) in den Grenzen der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG.
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Ein anderes Verständnis würde zu einer Zersplitterung des Gentechnikrechts in Kernkompetenzen des Bundes nach Art. 72 Abs. 1 GG sowie Erforderlichkeitskompetenzen und Abweichungskompetenzen nach Art. 72 Abs. 2 und Abs. 3 GG in ihrer seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung führen. Eine solche Differenzierung liefe dem Anliegen des verfassungsändernden Gesetzgebers zuwider, den Bund durch die Einführung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG mit einer hinreichend klaren Zuständigkeit für das Gebiet der Gentechnik auszustatten.
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b) Die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG a.F. und des Art. 72 Abs. 2 GG n.F. liegen vor. Unter Beachtung der dem Gesetzgeber zukommenden Einschätzungsprärogative (vgl. BVerfGE 111, 226 <255> m.w.N.) ist eine bundeseinheitliche Regelung vorliegend im gesamtstaatlichen Interesse jedenfalls zur Wahrung der Rechtseinheit (vgl. BVerfGE 111, 226 <253 f.> m.w.N.) erforderlich.
- 127
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2. Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 und das Gentechnikänderungsgesetz 2008 sind auch ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Zustimmung des Bundesrates zu diesen Gesetzen war nicht notwendig.
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a) Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 bedurfte insbesondere nicht deshalb der Zustimmung des Bundesrates, weil der in den Bundestag ursprünglich eingebrachte Regierungsentwurf im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in das hier zu prüfende, nicht zustimmungsbedürftige Gesetz und in Bestimmungen über das Verwaltungsverfahren der Länder aufgeteilt wurde (vgl. Art. 84 Abs. 1 2. Halbsatz GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung), welche nachträglich in einem zustimmungsbedürftigen Gesetz verankert werden sollten (vgl. BVerfGE 105, 313 <338> m.w.N.).
- 129
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b) Mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 wurden zwar auch von den Landesbehörden zu beachtende Verfahrensvorschriften novelliert. Gemäß Art. 84 Abs. 1 GG in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 84 Abs. 1 GG n.F.) wird den Belangen der Länder nunmehr jedoch durch die Möglichkeit zur abweichenden Gesetzgebung nach Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG n.F. Rechnung getragen. Weil der Bund vorliegend das Recht zur Abweichungsgesetzgebung für das Verwaltungsverfahren nicht nach Maßgabe von Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. durch eine ausdrückliche Regelung ausgeschlossen hat, bedurfte es auch keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 6 GG n.F. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 ursprünglich zustimmungspflichtige Verfahrensvorschriften geändert wurden. Eine Zustimmungspflicht wurde hierdurch nicht ausgelöst, weil die Änderungen ihrerseits keinen Abweichungsausschluss nach Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. enthalten.
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II.
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Die angegriffenen Vorschriften sind materiell verfassungsgemäß.
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1. Das Bundesverfassungsgericht kann über den Antrag ohne Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV entscheiden. Zwar wollte der Gesetzgeber insbesondere mit der Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sowie mit der Einrichtung des Standortregisters gemäß § 16a GenTG entsprechende Vorgaben aus Art. 2 Nr. 2 und 4 und Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG umsetzen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 26). Nachdem jedoch sämtliche angegriffenen Vorschriften mit dem Grundgesetz vereinbar sind, kommt es auf die Auslegung gemeinschafts- beziehungsweise unionsrechtlicher Bestimmungen nicht entscheidungserheblich an. Eine Vorlage ist in diesem Fall weder geboten noch zulässig (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. -, NJW 2010, S. 833 <835> Rn. 185).
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2. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und mit der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit vereinbar.
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a) Mit der Möglichkeit, gezielt Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um erwünschte Eigenschaften von Organismen zu erzeugen, wie es mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht möglich wäre, greift die Gentechnik in die elementaren Strukturen des Lebens ein. Die Folgen solcher Eingriffe lassen sich, wenn überhaupt, nur schwer wieder rückgängig machen. Die Ausbreitung einmal in die Umwelt ausgebrachten gentechnisch veränderten Materials ist in Abhängigkeit von zahlreichen Faktoren nur schwer oder auch gar nicht begrenzbar. Auf der anderen Seite birgt die Forschung und Produktion von gentechnisch veränderten Organismen auch erhebliche Chancen. Vor allem können mit Hilfe solcher Organismen größere Ernteerträge erzielt und die Resistenz von Pflanzen gegen Schädlinge oder Krankheiten erhöht werden.
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Neben den Chancen der Gentechnik sind die gesundheitlichen und ökologischen Risiken und insbesondere auch Nachteile für die gentechnikfreie Landwirtschaft zu bedenken. Eine gentechnische Modifikation kann zu verschiedenen nicht beabsichtigten Effekten führen, die sich nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf die landwirtschaftliche Anbaupraxis auswirken können. So sind gegebenenfalls auch konventionell oder ökologisch angebaute Kulturen - bei zufälligem oder technisch nicht zu vermeidendem Vorkommen von gentechnisch veränderten Organismen oberhalb der im europäischen Recht festgesetzten Toleranzschwelle - entsprechend zu kennzeichnen. Auch kann eine Kennzeichnung mit Bezug auf eine ökologische beziehungsweise biologische Produktion oder mit dem noch strengeren Vorgaben unterliegenden Hinweis "Ohne Gentechnik" unzulässig werden. Dadurch bedingt kann der Marktpreis von Erzeugnissen gemindert oder der Absatz erschwert werden. Außerdem können Produzenten zusätzliche Kosten entstehen, weil sie Überwachungssysteme und Maßnahmen zur Minimierung der Vermischung von genetisch veränderten und nicht veränderten Kulturen einführen müssen.
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Angesichts einer hochkontroversen gesellschaftlichen Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern der Anwendung von Gentechnik bei Kulturpflanzen und eines noch nicht endgültig geklärten Erkenntnisstandes der Wissenschaft insbesondere bei der Beurteilung von Ursachenzusammenhängen und langfristigen Folgen eines solchen Einsatzes von Gentechnik trifft den Gesetzgeber auf diesem Gebiet eine besondere Sorgfaltspflicht. Der Gesetzgeber muss bei der Rechtsetzung nicht nur die von der Nutzung der Gentechnik einerseits und deren Regulierung andererseits betroffenen Interessen, welche insbesondere durch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), die Freiheit der Wissenschaft (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützt werden, in Ausgleich bringen. Sondern er hat gleichermaßen den in Art. 20a GG enthaltenen Auftrag zu beachten, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen (vgl. BVerfGE 118, 79 <110>). Dieser Auftrag kann sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Risikovorsorge gebieten. Zu den nach dieser Maßgabe von Art. 20a GG geschützten Umweltgütern gehören auch die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Sicherung eines artgerechten Lebens bedrohter Tier- und Pflanzenarten.
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b) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen nicht Art. 12 Abs. 1 GG.
- 137
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aa) Bei den angegriffenen Vorschriften handelt es sich um Definitionen, die im Zusammenwirken mit weiteren Normen zu Grundrechtseingriffen führen können. Die Freiheit der Berufsausübung ist mittelbar berührt. In der Klarstellung, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderte Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind, hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass das Gentechnikgesetz auch in diesen Fällen als rechtlicher Rahmen für die Berufsausübung unter Einsatz von Gentechnik dient und sich damit auf das Gentechnikgesetz gestützte Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG auch auf diese erstrecken.
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bb) Soweit in die Freiheit der Berufsausübung mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.
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Die angegriffenen Änderungen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG dienen legitimen Zielen des Gemeinwohls. Sie bezwecken nicht nur eine begriffliche Klarstellung vor dem Hintergrund einer zuvor umstrittenen Rechtslage und dienen damit der Rechtssicherheit, sondern sie stellen auch sicher, dass das Gentechnikgesetz (§ 3 Nr. 3 GenTG) und die besonderen Bestimmungen über das Inverkehrbringen von Produkten (§ 3 Nr. 6 GenTG) möglichst umfassend und insbesondere auch auf die Zufallsnachkommen von legal freigesetzten gentechnisch veränderten Organismen Anwendung finden. Damit dienen die Änderungen den legitimen Zwecken des Gentechnikgesetzes aus § 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und dem Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG).
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Bei einer Beschränkung der Definition des gentechnisch veränderten Organismus in § 3 Nr. 3 GenTG und damit des Anwendungsbereichs des Gentechnikgesetzes auf gezielt und unmittelbar herbeigeführte gentechnische Veränderungen wären die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von vornherein von jeder gentechnikrechtlichen Kontrolle freigestellt. Dies betrifft nicht nur das Inverkehrbringen (§§ 14 ff., § 16d GenTG), sondern auch den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG), ihre Beobachtung (§ 16c GenTG), ihre Kennzeichnung (§ 17b GenTG), die Mitteilungspflichten der Betreiber und sonstiger Beteiligter (§ 21 GenTG) und die behördlichen Befugnisse (§§ 20, 25, 26, 28 ff. GenTG). Der bezweckte Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange wäre jedoch durch das allgemeine, nicht auf Risikovorsorge, sondern auf Gefahrenabwehr ausgerichtete Polizei- und Ordnungsrecht nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet. Der Gesetzgeber durfte auch die Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen im Allgemeinen und die durch zufällige Auskreuzung entstandenen gentechnisch veränderten Organismen im Besonderen als mit einem allgemeinen Risiko behaftet ansehen und sie mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 GenTG den gentechnikrechtlichen Vorschriften unterstellen. Die Annahme eines solchen "Basisrisikos" (vgl. Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 7. November 2007 - 1 B 33/07 -, juris Rn. 76; VG Hannover, Urteil vom 1. Oktober 2008 - 11 A 4732/07- , NuR 2009, S. 67 <72>; Mecklenburg, NuR 2006, S. 229 <232>) liegt im Bereich der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und setzt keinen wissenschaftlich-empirischen Nachweis des realen Gefährdungspotentials der gentechnisch veränderten Organismen und ihrer Nachkommen voraus. Denn in einer wissenschaftlich ungeklärten Situation wie der vorliegenden ist der Gesetzgeber befugt, die Gefahrenlagen und Risiken zu bewerten, zumal die geschützten Rechtsgüter verfassungsrechtlich verankert sind und ein hohes Gewicht haben. Insbesondere vermindert der Umstand, dass es sich in den Anwendungsfällen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG um nicht beabsichtigte oder technisch nicht zu vermeidende Vorgänge handeln kann, nicht das mit dem Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt und der Vermarktung gentechnisch veränderter Produkte bestehende Risiko unerwünschter oder schädlicher, gegebenenfalls unumkehrbarer Auswirkungen, das im Sinn einer größtmöglichen Vorsorge beherrscht werden soll (vgl. Erwägungsgründe 4 und 5 der Richtlinie 2001/18/EG). Der Gesetzgeber liefe zudem Gefahr, seiner Verantwortung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) nicht gerecht zu werden, wenn er die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen keiner Kontrolle unterstellen würde.
- 141
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c) Eine Verletzung der Eigentumsfreiheit betroffener Landwirte (Art. 14 Abs. 1 GG) aufgrund der Genehmigungspflicht für das Inverkehrbringen von zufällig oder technisch nicht vermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen verunreinigten Produkten durch § 3 Nr. 3 und 6 GenTG kommt aus diesen Gründen ebenfalls nicht in Betracht.
- 142
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d) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen auch nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.
- 143
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aa) Die Wissenschaftsfreiheit ist allerdings im Zusammenwirken mit anderen Eingriffsnormen des Gentechnikgesetzes berührt. Das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit regelt als wertentscheidende Grundsatznorm das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat und schützt als Abwehrrecht die freie wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe (vgl. BVerfGE 15, 256 <263 f.>; 35, 79 <112>; 95, 193 <209>). In diesen Freiraum des Wissenschaftlers fallen vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen beim Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe (vgl. BVerfGE 35, 79 <112>; 47, 327 <367>; 90, 1 <11 f.>; 111, 333 <354>).
- 144
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Danach ist die Erforschung von gentechnisch veränderten Organismen vom Schutzbereich erfasst, auch soweit lebende Organismen zu experimentellen Zwecken in die Umwelt - sei es im Rahmen von Freisetzungsversuchen oder im Rahmen wissenschaftlich begleiteten Erprobungsanbaus verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen - eingebracht werden und sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten können. Art. 5 Abs. 3 GG ist also auch betroffen, wenn die Forschung außerhalb des geschlossenen Systems stattfindet und die Umwelt einschließlich der Rechtsgüter Dritter in das kontrollierte Experiment einbezieht. Dies gilt jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten.
- 145
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Mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderten Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen im Gegensatz zu den für eine Freisetzung bestimmten Organismen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind. Hiermit hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass wissenschaftliche Freilandversuche und ihre unbeabsichtigten Folgen den Kontroll- und Eingriffsbefugnissen des Staates und der Folgenverantwortung der Forschung nach Maßgabe des Gentechnikgesetzes unterfallen. Er hat die Rahmenbedingungen der Forschung abgesteckt und auf die praktische Durchführung, Fragestellung und Methodik von Forschungsprojekten Einfluss genommen. Selbst wenn man in der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG nur eine Klarstellung dessen sehen wollte, was den Normen zuvor durch Auslegung zu entnehmen war, hätte der Gesetzgeber zumindest eine umstrittene Rechtslage im Sinne dieser Auslegung geklärt und einer anderen Interpretation durch die Gerichte entzogen.
- 146
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bb) Soweit in die Wissenschaftsfreiheit mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.
- 147
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Die Wissenschaftsfreiheit kann, wie andere vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte, aufgrund von kollidierendem Verfassungsrecht beschränkt werden (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 57, 70 <99>), wobei es grundsätzlich hierzu einer gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. BVerfGE 83, 130 <142>; 107, 104 <120>; 122, 89 <107>). Ein Konflikt zwischen verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten ist unter Rückgriff auf weitere einschlägige verfassungsrechtliche Bestimmungen und Prinzipien sowie auf den Grundsatz der praktischen Konkordanz durch Verfassungsauslegung zu lösen (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 122, 89 <107>).
- 148
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Der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener und der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die nicht nur eine Beschränkung der Berufsfreiheit und des Eigentums (vgl. oben b und c), sondern auch der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.
- 149
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3. Die Bestimmungen über das Standortregister in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind, soweit sie an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfen, mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) und der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar (a bis d).Nichts anderes gilt, soweit § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen betreffen, die nach dem ebenfalls nicht zu beanstandenden § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind (e).
- 150
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a) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) wird durch die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Vorschriften über das Standortregister nicht verletzt.
- 151
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Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194>; 96, 171 <181>; 103, 21 <32 f.>; 113, 29 <46>; 115, 320 <341>). Das Recht gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 67, 100 <143>; 84, 239 <279>; 103, 21 <33>; 115, 320 <341>).
- 152
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aa) Bezugspersonen der im Standortregister gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG erfassten und nach Maßgabe von § 16a Abs. 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG zugänglichen Informationen über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen sind die Bewirtschafter der Anbauflächen und ihre in § 16b Abs. 1a GenTG bezeichneten "Nachbarn". Die Pflicht zur Mitteilung der erforderlichen Angaben an die registerführende Stelle trifft gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG die Bewirtschafter der Anbauflächen.
- 153
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Bewirtschafter ist gemäß § 3 Nr. 13a GenTG "eine juristische oder natürliche Person oder nichtrechtsfähige Personenvereinigung, die die Verfügungsgewalt und tatsächliche Sachherrschaft über eine Fläche zum Anbau von gentechnisch veränderten Organismen besitzt". Nachbar ist, wer nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder die zu seinem Schutz erforderlichen Auskünfte nicht erteilt hat.
- 154
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Handelt es sich bei den Betroffenen um natürliche Personen, sind diese Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Juristische Personen des privaten Rechts sind als Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung anerkannt, soweit dieses Grundrecht auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützt ist (vgl. BVerfGE 118, 168 <203>). Auf diese Unterschiede in der Reichweite des Schutzes zwischen natürlichen und juristischen Personen kommt es im vorliegenden Fall einer abstrakten Normenkontrolle jedoch nicht an, da in jedem Fall auch natürliche Personen betroffen sind und der Schutz juristischer Personen nicht weiter reicht.
- 155
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bb) Gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG werden im Standortregister personenbezogene Daten erfasst.
- 156
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Vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sind nur persönliche oder personenbezogene Daten umfasst (vgl. BVerfGE 118, 168 <184> m.w.N.). Unter personenbezogenen Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen (vgl. BVerfGE 65, 1 <42>).
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Das trifft zunächst auf die nach § 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben über Namen und Anschrift desjenigen zu, der die Anbaufläche bewirtschaftet und auf entsprechende Informationen zum Nachbarn gemäß § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG. Auskunft über sachliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer Personen erteilen die Angaben über die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften sowie das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2 und 4 GenTG) sowie die grundstücksbezogenen Informationen über eine Einschränkung von Schutzmaßnahmen im Verhältnis zu einem Dritten (§ 16b Abs. 1a GenTG). Die Bezugsperson geht für die registerführende Stelle jeweils aus der Mitteilung, welche die Angaben über die persönlichen und sachlichen Verhältnisse der Betroffenen miteinander verbindet, und der gemeinsamen Speicherung der Daten eindeutig hervor.
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Auf den Wert oder die Sensibilität eines Datums kommt es dabei nicht an. Zwar beschränken sich Name und Anschrift einer Person auf elementare Informationen, die zur Identifizierung benötigt werden. Auch sind die im allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters erfassten Angaben über die Bezeichnung, den spezifischen Erkennungsmarker und die gentechnisch veränderten Eigenschaften des gentechnisch veränderten Organismus (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2, § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 GenTG) bereits nach internationalem und europäischem Recht zur Bekanntgabe an die Öffentlichkeit vorgesehen und können im Internet insbesondere über das Register für veränderte Organismen der Informationsstelle für biologische Sicherheit ("Biosafety Clearing-House", Art. 20 des Protokolls von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt, BGBl II 2003 S. 1506) und über das Gemeinschaftsregister für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel (Art. 28 der Verordnung
Nr. 1829/2003) abgerufen werden. Schließlich sind Lage und Größe einer Anbaufläche regelmäßig öffentlich wahrnehmbar, denn Landwirtschaft wird nicht im privaten, sondern im sozialen Raum betrieben. Die Anbaufläche ist in der Natur allerdings im Allgemeinen weder im Hinblick auf den Bewirtschafter noch in Bezug auf den Anbau eines bestimmten Organismus ohne weiteres bestimmbar. Der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung umfasst jedoch alle Informationen, die über die Bezugsperson etwas aussagen können. Er erstreckt sich auch auf Basisdaten wie Name und Anschrift sowie auf offenkundige oder allgemein zugängliche Informationen. Unter den Bedingungen der automatisierten Datenverarbeitung gibt es grundsätzlich kein "belangloses" Datum mehr (vgl. BVerfGE 65, 1 <45>). Durch ihre Verknüpfung erlangen die im Standortregister erfassten Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einen neuen Stellenwert. Zusammengeführt informieren sie insbesondere darüber, dass ein bestimmter gentechnisch veränderter Organismus auf einer bestimmten Fläche von einer bestimmten Person angebaut wird.
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cc) Die hier zu prüfenden Bestimmungen über das Standortregister ermächtigen die registerführende Stelle zur Erhebung und Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und greifen damit in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein.
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Beeinträchtigungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung können insbesondere in der Beschaffung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Informationen liegen.
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(1) Die Bestimmungen über das Mitteilen (Erheben) und Erfassen (Speichern) der personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a GenTG und über die Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (Weitergabe) in § 16a Abs. 5 GenTG stellen demgemäß einen Grundrechtseingriff dar.
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(2) Die Erteilung von Auskünften aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers gemäß § 16a Abs. 4 und § 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG über personenbezogene Daten durch den automatisierten Abruf über das Internet stellt eine Sonderform der staatlichen Datenübermittlung und damit eine Form der Datenverarbeitung dar (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchstabe b Bundesdatenschutzgesetz - BDSG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003, BGBl I S. 66). Ist auf diesem Weg die Weitergabe personenbezogener Daten vorgesehen, so liegt darin ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
- 163
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Der Gesetzgeber hat allerdings für den allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters nur Angaben vorgesehen, die sachliche Verhältnisse beschreiben (§ 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG). Informationen über persönliche Verhältnisse wie Name und Anschrift einer Person sind hingegen im nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erfasst und werden vom Gesetzgeber als "personenbezogene Daten" bezeichnet (§ 16a Abs. 5 GenTG). Durch diese Aufteilung verlieren die in das Internet eingestellten Daten jedoch nicht ihren Personenbezug. Dieser besteht fort, solange die Bezugsperson "bestimmbar" oder "individualisierbar" bleibt. Daher ist - unbeschadet der vom Gesetzgeber gewählten Unterscheidung zwischen personenbezogenen Daten in § 16a Abs. 5 GenTG und anderen Daten in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG - für die Frage des Grundrechtseingriffs allein die Grenze zwischen Bestimmbarkeit und Nichtbestimmbarkeit der Bezugsperson entscheidend. Danach können vorliegend personenbezogene Informationen über das Internet abgerufen werden. Es ist davon auszugehen, dass eine unbestimmte Zahl von Empfängern über Zusatzwissen verfügt, das es ihnen ohne großen zeitlichen oder finanziellen Aufwand ermöglicht, die Bezugsperson zu identifizieren. Insbesondere Ortsansässigen kann ohne weiteres bekannt sein, wer welche landwirtschaftlich genutzten Flurstücke in einer Gemarkung bewirtschaftet. Jedenfalls für diese Übermittlungsvorgänge wird die registerführende Stelle durch § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG zur Weitergabe personenbezogener Daten ermächtigt.
- 164
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dd) Der Eingriff ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
- 165
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Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben (1) und die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (2). Zudem bedarf der effektive Grundrechtsschutz einer den sachlichen Erfordernissen entsprechenden Ausgestaltung des Verfahrens (3).
- 166
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(1) Die Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gemäß § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG entsprechen dem Gebot der Normklarheit und -bestimmtheit.
- 167
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Dieses Gebot findet im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG selbst. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung grundsätzlich bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (vgl. BVerfGE 100, 313 <359 f., 372>; 110, 33 <53>; 113, 348 <375>; 118, 168 <186 f.>). Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt.
- 168
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Nach § 16a Abs. 1 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG dient die Datenerhebung und Datenverarbeitung dem Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange und dem Zweck der Information der Öffentlichkeit.
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Das Register wird gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 GenTG von der nach § 31 Satz 2 GenTG zuständigen Bundesoberbehörde geführt, der gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a GenTG die erforderlichen Informationen mitzuteilen sind und die gemäß § 16a Abs. 4 und 5, § 16b Abs. 1a Satz 2 und 3 GenTG die Auskünfte aus dem Register erteilt. In § 16a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und in § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG ist dabei präzise bestimmt, wer welche Angaben wann mitzuteilen hat. Des Weiteren ist in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG angegeben, welche Informationen auf welche Weise aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers abgerufen werden können.
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§ 16a Abs. 5 (ggf. i.V.m. § 16b Abs. 1a Satz 3) GenTG umschreibt schließlich hinreichend präzise die Voraussetzungen für eine Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers. Soweit der Gesetzgeber sich dabei unbestimmter Rechtsbegriffe bedient hat, steht das Bestimmtheitsgebot dem nicht entgegen. Die Begriffe "berechtigtes Interesse" und "überwiegendes schutzwürdiges Interesse" stehen in dem begrenzenden Kontext der Vorschriften zu dem Standortregister und lassen sich in diesem hinreichend konkretisieren.
- 171
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(2) Die zu prüfenden Regelungen über die Erhebung und Verarbeitung der Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind verhältnismäßig.
- 172
-
(a) Mit diesen Bestimmungen verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele. Sie dienen der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, der Schaffung einer angemessenen Transparenz sowie den Zwecken des § 1 GenTG. Sie finden eine verfassungsrechtliche Grundlage insbesondere in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG.
- 173
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Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG dient das Standortregister der Information der Öffentlichkeit. Für die Allgemeinheit soll das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt durch Freisetzungen und Anbau transparent gemacht werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 26). Die Schaffung von Transparenz stellt in diesem Zusammenhang einen eigenständigen und legitimen Zweck der Gesetzgebung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die im Standortregister erfassten und veröffentlichten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen leisten innerhalb der demokratischen, pluralistischen Gesellschaft einen wichtigen Beitrag zum öffentlichen Meinungsbildungsprozess. Der öffentliche Meinungsaustausch und die Einbeziehung der Gesellschaft in diese umweltrelevanten Entscheidungen und ihre Umsetzung schützen nicht nur den Einzelnen, sondern stärken die effektive Kontrolle staatlichen Handelns. Um solche Transparenz herzustellen, ist es legitim, bestimmte Daten der Öffentlichkeit allgemein und insoweit ohne weitere Bindung an bestimmte Zwecke zugänglich zu machen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schließt die Schaffung allgemein öffentlicher Dateien - auch solcher mit Personenbezug - nicht generell aus. Insbesondere entspricht das Standortregister dem hohen Stellenwert, den die Richtlinie 2001/18/EG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit beimisst. Den Mitgliedstaaten ist es nach Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG untersagt, im Genehmigungsverfahren vorgelegte Informationen über eine allgemeine Beschreibung von gentechnisch veränderten Organismen, den Namen und die Anschrift des Anmelders, Zweck und Ort der Freisetzung (vgl. Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2001/18/EG) sowie die beabsichtigten Verwendungszwecke als vertrauliche Informationen zu behandeln. In seinem Urteil vom 17. Februar 2009 hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt, dass der Mitteilung der in Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG genannten Informationen kein Vorbehalt zugunsten des Schutzes der öffentlichen Ordnung oder anderer gesetzlich geschützter Interessen entgegengehalten werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - C-552/07 -, Slg. 2009, S. I-987 <1029 f.> Rn. 55 und Tenor Ziffer 2).
- 174
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Das Standortregister kommt auch der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter zugute (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es dient damit insbesondere dem Schutz der menschlichen Gesundheit, der Umwelt und fremden Eigentums vor schädlichen Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Kulturpflanzen und der Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren.
- 175
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Das Standortregister soll ferner die Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf den Koexistenzbelang gemäß § 1 Nr. 2 GenTG und die Information potentiell betroffener Dritter über den geplanten Anbau sicherstellen (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es leistet damit einen Beitrag zur Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des zugrunde liegenden europäischen Koexistenzkonzeptes (hierzu: Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Das Ziel eines verträglichen Nebeneinanders der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsmethoden findet seine verfassungsrechtliche Grundlage nicht nur in der von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Freiheit anderer Erzeuger zur selbstbestimmten Nutzung ihres Eigentums, sondern auch in ihrer von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung.
- 176
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Das Standortregister dient schließlich dem Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Insbesondere kann die Information der Öffentlichkeit über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt ein eigenes Urteil über den staatlich genehmigten und überwachten Einsatz von Gentechnik schaffen und die Akzeptanz der staatlichen Entscheidungen verbessern.
- 177
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(b) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.
- 178
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Das Standortregister kann die effektive Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange unterstützen und trägt damit zur Gefahrenabwehr und Risikovorsorge sowie zur Gewährleistung von Koexistenz bei.
- 179
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Die Information der zuständigen Behörden über die Anbauflächen gentechnisch veränderter Kulturen ermöglicht diesen insbesondere, den Anbau und seine Umweltauswirkungen zu beobachten und zu überwachen, Produktionsprozesse gezielt zu kontrollieren, die ordnungsgemäße Anwendung von Koexistenzmaßnahmen sicherzustellen und standortbezogene wissenschaftliche Begleituntersuchungen durchzuführen, um langfristige oder unvorhergesehene Effekte zu erfassen.
- 180
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Das Standortregister ist geeignet, die Öffentlichkeit und mögliche Betroffene über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt zu informieren und damit die gewünschte Transparenz, Koexistenz und gesellschaftliche Befriedung zu befördern. Insbesondere können sich Nachbarbetriebe und andere mögliche Betroffene rechtzeitig über den beabsichtigten Anbau solcher Organismen informieren und Maßnahmen zum Schutz vor Einträgen in ihre Erzeugnisse ergreifen.
- 181
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(c) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist ein ebenso wirksamer, aber die Betroffenen weniger belastender Weg der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nicht ersichtlich.
- 182
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Die zuständigen staatlichen Stellen verfügen über keine vergleichbaren Informationen, auf die sie zur Erfüllung der Zwecke des Standortregisters zurückgreifen könnten. Diese liegen insbesondere nicht schon aufgrund des Genehmigungsverfahrens zum Inverkehrbringen vor. Das Genehmigungsverfahren ist nicht auf den Bewirtschafter von Anbauflächen, sondern auf denjenigen bezogen, der ein Produkt erstmals in Verkehr bringt (vgl. § 15 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 7 GenTG).
- 183
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Auch die Mitteilungsfrist von drei Monaten vor dem Anbau gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1 GenTG durfte der Gesetzgeber für erforderlich halten, um das Konzept einer abgestimmten Anbauplanung umzusetzen. Denn bis zur Aussaat von gentechnisch veränderten Pflanzen hat nicht nur die Mitteilung an das Standortregister zu erfolgen. Es ist auch der Nachbar zu unterrichten und dessen Angaben sind gegebenenfalls durch eine Anpassung der Anbaupläne zu berücksichtigten. Zudem können schriftliche Vereinbarungen über die gute fachliche Praxis getroffen werden. Diese Änderungen und Vereinbarungen sind wiederum dem Standortregister zu melden. Ferner sind innerbetriebliche Abweichungen von der guten fachlichen Praxis den zuständigen Behörden zu melden.
- 184
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Desgleichen ist die Datenverarbeitung nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 4 und 5, § 16a Abs. 1a GenTG zur Zweckerreichung erforderlich. Ein Antragsverfahren für die Erteilung von Auskünften über die genauen Anbaustandorte würde die mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Zwecke nicht ebenso wirksam umsetzen. Das angestrebte hohe Maß an Transparenz könnte nicht erreicht werden, wenn nur die Gemeinde oder Gemarkung des Standortes gemäß § 16a Abs. 4 GenTG in das Internet eingestellt würde. Auch die Möglichkeit der frühzeitigen Planung, Abstimmung und Koordination konkurrierender Nutzungsinteressen und die Wirtschaftlichkeit der Auskunftserteilung wären mit einem Antragsverfahren nicht gleichermaßen gewährleistet.
- 185
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Eine Begrenzung des berechtigten Interesses an der Auskunftserteilung gemäß § 16a Abs. 5 GenTG auf Fälle, in denen eine "wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung" sowie "substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn" drohen, wäre nicht geeignet, die Information möglicher Betroffener in dem vom Gesetzgeber gewollten Umfang sicherzustellen. Insbesondere in der Phase der Anbauplanung dürfte regelmäßig nicht absehbar sein, ob solche Nachteile zu erwarten sind mit der Folge, dass Auskünfte über Namen und Anschrift der Bewirtschafter nicht oder nur in geringem Maße erteilt werden dürften. Die Möglichkeit, mit Hilfe des Standortregisters lokale Erzeugungsstrukturen durch Anbauplanung aufeinander abzustimmen und die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht gentechnisch veränderten Kulturen zu koordinieren, wäre dann nicht vergleichbar gegeben.
- 186
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(d) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG wahren auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.
- 187
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Erheben und Verarbeiten von personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in der vorgesehenen Form führen allerdings zu einem Eingriff von Gewicht.
- 188
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Die nach § 16a Abs. 3 und § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden Daten werden im Standortregister verknüpft, so dass neue, über die Einzelangabe hinausgehende Informationen entstehen. Die Datenerhebung erlangt zusätzliches Gewicht dadurch, dass sie nach Maßgabe von § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG bußgeldbewehrt ist. Auch stellt die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG durch automatisierten Abruf über das Internet eine besonders weitgehende Form des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die Daten können nach ihrem Abruf beliebig weiter verarbeitet, verknüpft und zu einer Vielzahl von Zwecken - auch für die Planung von Straftaten zum Nachteil eines Bewirtschafters oder Nachbarn - verwendet werden.
- 189
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Das Gewicht des Eingriffs wird jedoch unter verschiedenen Gesichtspunkten gemildert.
- 190
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Den Anlass für den Grundrechtseingriff geben die Betroffenen selbst mit einem Verhalten, das erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Rechtsgüter Dritter haben kann und daher das Bedürfnis nach staatlicher Überwachung und ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründet. Auch ist der mit der Datenerhebung verbundene Aufwand verhältnismäßig gering. Soweit nach § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, wenn eine Mitteilung nach § 16a Abs. 3 Satz 1 oder 3 GenTG nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gemacht wird, ist ein ordnungsgemäßes Verhalten für den Bewirtschafter mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden. Die gemäß § 16a Abs. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben betreffen ausschließlich den Bewirtschafter und seine berufliche Tätigkeit und können von ihm auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden. Das in der Bekanntgabe über das Internet liegende Gewicht wird schließlich dadurch relativiert, dass die Empfänger den Personenbezug erst durch Zusatzwissen oder eine aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erteilte Auskunft herstellen können. Für die überwiegende Zahl der weltweit in Betracht kommenden Informationsempfänger bleiben die Bezugspersonen anonym. Diese Empfänger werden regelmäßig auch kein Interesse daran haben, den konkreten Anbau einer bestimmten Person zuzuordnen.
- 191
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Angesichts der legitimen Gemeinwohlinteressen, denen das Standortregister dient, ist der Eingriff daher nicht unangemessen. Mit der Aufteilung des Registers in einen allgemein zugänglichen und einen nicht allgemein zugänglichen Teil hat der Gesetzgeber einen tragfähigen und aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Kompromiss zwischen dem Informationsinteresse des Staates und der Öffentlichkeit einerseits und dem Geheimhaltungsinteresse der Bezugspersonen andererseits gefunden.
- 192
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Der gesetzlichen Regelung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass durch die Einrichtung des Standortregisters die Wahrscheinlichkeit mutwilliger Zerstörungen von Anbaukulturen erhöht werde. Bereits vor der Einführung des Standortregisters kam es wiederholt zu Behinderungen von Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen, denen mit dem Einsatz des Polizei- und Strafrechts zu begegnen war. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber sein Konzept eines verträglichen Nebeneinanders der unterschiedlichen Produktionsweisen und einer gesellschaftlichen Befriedung umgesetzt und fortentwickelt. Bestandteil des Konzeptes ist - unbeschadet der ohnehin bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben - die transparente Information der Öffentlichkeit über den Einsatz von Gentechnik auf der einen Seite und der Schutz der Nutzer von Gentechnik vor den von dieser Öffentlichkeit ausgehenden Gefahren durch einen nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters und mit den Mitteln des Polizei- und Strafrechts auf der anderen Seite. Der Staat ist, wie auch in anderen Fällen einer Behinderung der Eigentums-, Berufs- oder Forschungsfreiheit durch Dritte verpflichtet, die ungehinderte Betätigung der Grundrechte im Einzelfall zu fördern und zu schützen. Bisher ist nicht erkennbar, dass durch das Standortregister eine Situation so hoher Gefährdung für Bewirtschafter entstanden wäre, dass der Gesetzgeber evident zur Schaffung weitergehender Schutzmechanismen gegen rechtswidrige und strafbare Feldzerstörungen verpflichtet wäre.
- 193
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Auch die Bestimmungen über den nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters in § 16a Abs. 5 GenTG schränken das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht unangemessen ein. Gemäß § 16a Abs. 5 GenTG darf eine Auskunft aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers nur erteilt werden, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat. Den Rechtsanwender trifft damit die Pflicht zur Abwägung, durch die eine einzelfallbezogene Beurteilung erreicht werden kann.
- 194
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(3) Der Grundrechtsschutz ist schließlich auch durch eine angemessene Verfahrensgestaltung abgesichert.
- 195
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Die Verwendung personenbezogener Daten muss auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt sein (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Auch sind Aufklärungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten von Bedeutung (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Diesen Anforderungen ist vorliegend genügt.
- 196
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Die Information der Betroffenen vor der Datenerhebung darüber, welche Daten über das Internet abgerufen werden können und unter welchen Voraussetzungen Auskünfte über die mitgeteilten persönlichen Daten erteilt werden können, ist durch die insoweit klare Gesetzeslage sichergestellt. Dass hierbei bestimmte Daten zur Herstellung von Transparenz der allgemeinen Öffentlichkeit auch ohne weitere Zweckbindung zugänglich gemacht werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
- 197
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Eine Information des gemäß § 16b Abs. 1a GenTG betroffenen Nachbarn über die Mitteilung an das Standortregister kann im Rahmen der Aufklärung über die Rechtsfolgen der schriftlichen Vereinbarung oder der Nichterteilung von Auskünften gemäß § 16b Abs. 1 Satz 3 GenTG erfolgen. Jedenfalls ist der Nachbar ausreichend dadurch geschützt, dass die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten in § 16b Abs. 1a GenTG durch Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Dementsprechend besteht gemäß § 19a Abs. 2 Nr. 3 BDSG keine Pflicht zur Benachrichtigung eines Betroffenen, ohne dessen Kenntnis die Daten aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung erhoben wurden.
- 198
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Eine Benachrichtigung des Betroffenen über den Abruf von Daten aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers erübrigt sich, weil der Betroffene bereits bei der Datenerhebung weiß, welche Daten veröffentlicht werden und sich entsprechend darauf einstellen kann. Im Übrigen sind weitreichende Auskunftspflichten über erhobene und weitergegebene Daten in § 19 BDSG vorgesehen, der gemäß § 16a Abs. 7 GenTG für juristische Personen entsprechend gilt. Gegen § 19 BDSG bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch BVerfGE 120, 351 <365>).
- 199
-
Der auf ein bestimmtes Vorhaben bezogene und begrenzte Zweck der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gebietet ferner die Löschung aller nicht oder nicht mehr zur Zweckerreichung erforderlichen Daten (vgl. BVerfGE 113, 29 <58>). Dem ist vorliegend durch die gesetzlich angeordnete Löschung der Daten 15 Jahre nach ihrer erstmaligen Speicherung gemäß § 16a Abs. 6 Satz 2, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG genügt.
- 200
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b) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.
- 201
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aa) Die Verpflichtung zur Mitteilung von Angaben über den Anbau an das Standortregister nach Maßgabe von § 16a Abs. 3 GenTG verletzt die von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.
- 202
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Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährleistet grundsätzlich auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (vgl. BVerfGE 115, 205 <229>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offengelegt oder verlangt dieser deren Offenlegung, ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden dabei alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.
- 203
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Nach dieser Maßgabe handelt es sich bei den gemäß § 16a Abs. 3 GenTG zu erhebenden Daten über den gentechnisch veränderten Organismus und seinen Standort weder um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse noch erscheint die Erhebung und Verarbeitung dieser Daten geeignet, empfindliche Wettbewerbsnachteile nach sich zu ziehen. Da der Anbau im öffentlichen Raum stattfindet, ist seine Wahrnehmung und Kenntnis von vornherein nicht auf einen begrenzten Kreis von Personen beschränkt, der einem landwirtschaftlichen Betrieb oder Unternehmen zugerechnet werden könnte. Der gentechnisch veränderte Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und der spezifische Erkennungsmarker sind, ohne dass es auf das Standortregister ankommt, im Internet veröffentlicht. Zudem muss der Geheimhaltungswille berechtigten wirtschaftlichen Interessen entspringen, so dass es unerheblich ist, ob ein Unternehmen ein negatives Image, das mit dem Einsatz von Gentechnik verbunden sein mag, abwenden will.
- 204
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bb) Die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben an die registerführende Behörde zu übermitteln, stellt eine Berufsausübungsregelung dar, die aber durch die dargestellten Gemeinwohlbelange von überragendem Gewicht gerechtfertigt ist.
- 205
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Im Übrigen bietet das Grundrecht der Berufsfreiheit grundsätzlich keinen über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinausgehenden Schutz vor staatlichen informationellen Maßnahmen (vgl. BVerfGE 118, 168 <205>).
- 206
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c) Eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder der Gefahr von Eigentumsverletzungen durch Gentechnikgegner kommt aus den gleichen Gründen nicht in Betracht.
- 207
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d) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar.
- 208
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Erfolgt der Anbau zu wissenschaftlichen Zwecken, so betrifft die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben über den Anbau an die registerführende Behörde zu übermitteln, auch die Bedingungen für die Durchführung des Forschungsprojektes und berührt damit den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die darin liegende Einschränkung weist jedoch in Bezug auf die Forschungsfreiheit kein hohes Gewicht auf und ist durch den Schutz der dargestellten kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt.
- 209
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e) Aus denselben Erwägungen sind die in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG enthaltenen Bestimmungen über die dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit durch den Betreiber nach Maßgabe von § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar. Aus den dargestellten Gründen bestehen auch gegen § 16a Abs. 2 GenTG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
- 210
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4. § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Auch eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG kann nicht festgestellt werden.
- 211
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a) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG in ihrer zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.
- 212
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aa) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG greifen in die Berufsfreiheit ein. Der Gesetzgeber regelt mit diesen Bestimmungen den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. § 16b Abs. 4 und § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG in der Alternative des Inverkehrbringens knüpfen insoweit unmittelbar an die Betätigung zu Erwerbszwecken an; die weiteren angegriffenen Bestimmungen weisen jedenfalls eine objektiv berufsregelnde Tendenz auf. Denn sie betreffen typischerweise den erwerbswirtschaftlichen oder gewerbsmäßigen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten und verstehen sich in erster Linie als rechtliche Rahmenbedingungen für die Berufsausübung. Die Pflicht, Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange zu treffen, geht dabei über die Abwehr konkreter Gefahren hinaus und verlagert die Eingriffsbefugnisse der Behörde im Vergleich zur polizeirechtlichen Gefahrenabwehr zeitlich und sachlich nach vorn.
- 213
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bb) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
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(1) Die Regelungen sind hinreichend bestimmt.
- 215
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In § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG definiert der Gesetzgeber den Inhalt und das Ziel der Vorsorgepflicht dahingehend, dass bestimmte Rechtsgüter und Belange "nicht wesentlich beeinträchtigt" werden dürfen. Wann eine Beeinträchtigung wesentlich ist, kann mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln bestimmt werden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen europäische Schwellenwerte zur Kennzeichnungspflicht Orientierung bieten und der Begriff durch die in § 36a Abs. 1 GenTG vorgegebenen Interpretationsregeln näher festgelegt werden (BTDrucks 15/3088, S. 27). § 36a Abs. 1 GenTG knüpft an den Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung in § 906 BGB an. Interpretationsgrundsätze, die sich in diesem Regelungszusammenhang herausgebildet haben, können daher auch bei der Auslegung von § 36a Abs. 1 GenTG herangezogen werden.
- 216
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§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot zu beanstanden. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ausgesprochene Rechtsfolge sind für die Betroffenen in zumutbarer Weise zu erkennen. Sie lassen sich jedenfalls im Wege der Auslegung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen. Die Möglichkeiten einer weitergehenden Regelung sind zudem nach der Eigenart des geregelten Lebenssachverhalts begrenzt. Ob und inwieweit die Vorsorgepflicht im Einzelfall abdingbar ist, kann letztlich nur für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Verhältnisse vor Ort geklärt werden. Die sich aus einer Anwendung von § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ergebenden haftungsrechtlichen Fragen hat der Gesetzgeber in § 16b GenTG nicht geregelt. Insoweit konnte er es bei der allgemeinen vertraglichen und außervertraglichen Haftung und den hierzu - auch im Zusammenhang mit einem vertraglichen Verzicht auf eine günstige Rechtsposition - entwickelten Grundsätzen belassen. Insgesamt begegnet § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. in Bezug auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitserfordernis keinen durchgreifenden Bedenken.
- 217
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Auch § 16b Abs. 2 und 3 GenTG sind hinreichend bestimmt gefasst. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Grundsätze der guten fachlichen Praxis in § 16b Abs. 3 GenTG nicht erschöpfend geregelt hat ("insbesondere"). Der Gesetzgeber durfte mit der offenen Fassung dieser Grundsätze der Vielgestaltigkeit des geregelten Lebenssachverhalts Rechnung tragen. Der Begriff der guten fachlichen Praxis ist einerseits offen genug für neue Entwicklungen und andererseits geeignet, einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen die Landwirte handeln können und müssen. Was im Einzelfall zur guten fachlichen Praxis gehört, lässt sich im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen, insbesondere auch in Anlehnung an die hinter den Regelbeispielen liegenden Wertungen, mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden hinreichend bestimmen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber in § 16b Abs. 6 GenTG die Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung vorgesehen, die die Grundsätze der guten fachlichen Praxis weiter konkretisieren kann.
- 218
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Schließlich sind die in § 16b Abs. 4 GenTG an die Eignung von Person und Ausstattung gestellten Anforderungen ausreichend bezeichnet. Bei der Umschreibung dieser Anforderungen bedient sich der Gesetzgeber unbestimmter Rechtsbegriffe wie "Zuverlässigkeit" und "Kenntnisse", die seit jeher in wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Gesetzen verwendet werden (z. B. § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung und § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gaststättengesetz). Diese Begriffe sind in einer langen Tradition von Gesetzgebung, Verwaltungshandeln und Rechtsprechung so ausgefüllt worden, dass an ihrer rechtsstaatlichen Bestimmtheit nicht zu zweifeln ist, mögen sie auch für jeden neuen Sachbereich neue Konkretisierungen erfordern (vgl. BVerfGE 49, 89 <134>). Ebenso sind die in § 16b Abs. 4 GenTG verwandten Begriffe "Fertigkeiten" und "Ausstattung" mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden hinreichend zu präzisieren. Wozu die Eignung von Person und Ausstattung dienen soll, ist mit dem Verweis auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht gemäß § 16b Abs. 1 GenTG hinreichend geregelt.
- 219
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(2) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verhältnismäßig.
- 220
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(a) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind als Regelungen der Berufsausübung statthaft, weil sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls legitimiert werden, zur Erreichung der Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich sind und den Betroffenen nicht unzumutbar belasten (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 36, 47 <59>; 61, 291 <312>; 68, 272 <282>; 103, 1 <10>; stRspr). Auch die Sachkundeanforderungen des § 16b Abs. 4 GenTG sind Berufsausübungsregelungen.
- 221
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(b) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung dienen legitimen Gemeinwohlzielen.
- 222
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Mit der Vorsorgepflicht soll ein verantwortungsvoller Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und dadurch einer wesentlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG durch Einträge dieser Organismen vorgebeugt werden (§ 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG). Diesem Ziel dienen auch die Grundsätze der guten fachlichen Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung, welche jeweils auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht bezogen sind (§ 16b Abs. 2, 3 und 4 GenTG). Mit der Vorsorgepflicht trägt der Gesetzgeber der - auch bezogen auf den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen bestehenden - Erkenntnis- und Prognoseunsicherheit Rechnung, die aus dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik und dort bestehenden Ungewissheiten resultiert. Die Ausbreitung solcher Organismen soll durch die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis von vornherein möglichst vermieden oder, wenn unvermeidbar, auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Die Anforderungen an die Person und Ausstattung (§ 16b Abs. 4 GenTG) sollen sicherstellen, dass der Anwender hierzu fähig und willens ist und damit die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit gewährleisten (BTDrucks 15/3088, S. 27).
- 223
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§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG dienen damit dem Zweck, Vorsorge gegen schädliche Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte für das Leben und die Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter zu treffen (§ 1 Nr. 1 GenTG). Die Vorschriften konkretisieren zudem die Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) und dienen insoweit insbesondere dem Schutz der Berufs- und Eigentumsfreiheit potentieller Betroffener und dem Ziel, durch die Gewährleistung eines verträglichen Nebeneinanders der landwirtschaftlichen Produktionsformen die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu wahren, Rechts- und Planungssicherheit zu schaffen und eine gesellschaftliche Befriedung zu erreichen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 27). Schließlich verfolgt der Gesetzgeber auch das Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG).
- 224
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(c) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.
- 225
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Soweit der Gesetzgeber das in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. geregelte Verbot koexistenzgefährdender Handlungen durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 gestrichen und zugunsten der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen durch eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht ersetzt hat, bewegt sich die Änderung innerhalb des ihm zukommenden Einschätzungs- und Prognosevorrangs. Sie führt nicht zu einer fehlenden Eignung der Regelung wegen einer nicht hinreichend konsequenten Verfolgung des Vorsorgeziels.
- 226
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(d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist kein gleich wirksames, aber die Betroffenen weniger belastendes Mittel erkennbar, um den angestrebten verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen zu erreichen.
- 227
-
Die Erforderlichkeit der Regelungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis kann insbesondere nicht mit dem Argument verneint werden, dass der Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter bereits durch das Bewertungs- und Genehmigungsverfahren im Rahmen der Inverkehrbringensgenehmigung sichergestellt werde. Zwar ist die Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen grundsätzlich mit der Einschätzung verbunden, dass unvertretbare schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter wie die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht zu erwarten sind (§ 16 Abs. 2 Satz 1 GenTG). Es handelt sich jedoch um eine Prognoseentscheidung, welche das Auftreten von nicht vorhergesehenen schädlichen Auswirkungen etwa auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt nicht ausschließen kann. Der Zweck der auf die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 GenTG bezogenen Vorsorgepflicht liegt gerade darin, ergänzend zu den Genehmigungsbedingungen für ein Inverkehrbringen einen verantwortungsvollen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und damit einen möglichst umfassenden und lückenlosen Rechtsgüterschutz nach der Marktfreigabe zu gewährleisten.
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(e) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung sind auch im engeren Sinn verhältnismäßig.
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Die in § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG normierten öffentlichrechtlichen Verpflichtungen enthalten strenge Vorgaben für die Berufsausübung unter Einsatz von zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und greifen daher mit nicht unerheblichem Gewicht in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit ein.
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Die hiermit verbundene Belastung wird schon dadurch begrenzt, dass das Gesetz zugunsten des Einsatzes der "grünen" Gentechnik eine Ausbreitung von gentechnisch veränderten Organismen hinnimmt, die nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG führt. Das Gewicht des Eingriffs wird auch durch die nach § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG n.F. bestehende Möglichkeit gemildert, im Einzelfall aufgrund schriftlicher Zustimmung oder Schweigen des Nachbarn ausschließlich zum Schutz der wirtschaftlichen Koexistenz des anderen (§ 1 Nr. 2 GenTG) bestehende Vorgaben nicht zu beachten. Zudem gehören die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen nur zur guten fachlichen Praxis, "soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist". Sie enthalten - derzeit ergänzt und konkretisiert durch die Verordnung über die gute fachliche Praxis bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen (Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung - GenTPflEV - vom 7. April 2008, BGBl I S. 655), die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) - normative Vorgaben, auf die sich ein Verwender von gentechnisch veränderten Organismen ebenso wie ein möglicher Betroffener einstellen kann. Damit hat sich die Rechts- und Planungssicherheit auch für die Anwender verbessert.Ferner können die zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben erforderlichen Betriebsführungsmaßnahmen auf bereits bestehenden Trennungspraktiken oder -verfahren und bisherigen Erfahrungen mit der Behandlung identitätsgeschützter Pflanzensorten und den Saatguterzeugungspraktiken aufbauen. Schließlich besteht die Möglichkeit, mit Nachbarbetrieben zusammenzuarbeiten. Management und Erzeugung können koordiniert und zum Beispiel Sorten mit unterschiedlichen Blütezeiten verwendet, unterschiedliche Aussaatzeiten vereinbart oder Fruchtfolgen aufeinander abgestimmt werden. Bereits auf diesem Weg können die Kosten für die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht veränderten Kulturen erheblich gesenkt, das Risiko von Auskreuzungen in benachbarte Kulturen minimiert, die Einhaltung der Kennzeichnungsschwellenwerte für Lebensmittel und Futtermittel ermöglicht und letztlich auch Haftungsfälle von vornherein vermieden werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 27 unter Verweis auf die Empfehlung der Kommission vom 23. Juli 2003 mit Leitlinien für die Erarbeitung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen - 2003/556/EG -, ABl EU 2003 Nr. L 189, S. 36).
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Demgegenüber überwiegen die legitimen Gemeinwohlziele, die den Gesetzgeber zur Normierung der Vorsorgepflicht, der guten fachlichen Praxis und der Eignung von Person und Ausstattung veranlasst haben. Sie könnten, unbeschadet der Einordnung von § 16b Abs. 4 GenTG als Berufsausübungsregelung, sogar eine Regelung der Berufswahl rechtfertigen. Der Schutz von Menschen, Tieren, Pflanzen und der Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge sind verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 20a GG verankert. Die flankierenden, oben dargestellten Regelungsziele dienen ebenfalls wichtigen Belangen des Gemeinwohls und sind wie beispielsweise der Verbraucherschutz auch im Unionsrecht anerkannt.
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Bei der Verwirklichung dieser Ziele muss dem Gesetzgeber gerade vor dem Hintergrund der breiten gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Debatte um den Einsatz von Gentechnik und seine angemessene staatliche Regulierung ein großzügiger Entscheidungsspielraum zugestanden werden.
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Setzt man diese betroffenen, verfassungsrechtlich geschützten Rechte und Interessen zueinander ins Verhältnis und bezieht die weiteren flankierenden Regelungsziele in die Abwägung ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung nicht zu beanstanden.
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Weder beeinträchtigen die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung die am Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen Beteiligten unzumutbar (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) noch stehen die Anforderungen an Person und Ausstattung außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG).
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Der Gesetzgeber hat den Behörden und Fachgerichten auch genügend Spielraum belassen, um eine verhältnismäßige Anwendung von § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG im Einzelfall sicherzustellen. Dies betrifft insbesondere die Frage, was im Einzelfall zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis gehört. Die allgemein gehaltenen Vorgaben zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis lassen es zu, die tatsächlichen Rahmenbedingungen des Umgangs mit gentechnisch veränderten Organismen im Einzelfall, insbesondere an den konkreten Anbaustandorten, angemessen zu berücksichtigen und den Inhalt der Pflichten auf das Maß zu beschränken, welches jeweils zur Vermeidung wesentlicher Beeinträchtigungen der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG erforderlich ist.
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Der den Rechtsanwendern belassene Spielraum wahrt dabei die Grenzen der Zumutbarkeit. Die erforderlichen Standards sind sukzessive durch administrative und gerichtliche Vorgaben unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszuformen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Einsatz von Gentechnik grundsätzlich zugelassen ist und nach dem Willen des Gesetzgebers möglich bleiben soll. § 16b GenTG verlangt keine Vorkehrungen, die mit absoluter Sicherheit Risiken für die Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG ausschließen sollen und damit faktisch auf ein Verbot des Umgangs mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen hinauslaufen können. Die Ausbreitung dieser Organismen soll vielmehr durch einen verantwortungsvollen Umgang nur so weit wie möglich vermieden und bei Unvermeidbarkeit auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Anforderungen dürfen daher nach der Gesetzeslage nur so weit gehen, wie sie nach den Gegebenheiten des Einzelfalls erforderlich und zumutbar sind. Innerhalb dieses Rahmens geben derzeit die Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung, die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) den Beteiligten weitere Maßstäbe für die Konkretisierung der angegriffenen Bestimmungen an die Hand. Verbleibende Unsicherheiten führen nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen.
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Die mit § 16b Abs. 4 GenTG verbundenen Beschränkungen sind aus der Sache heraus legitimiert. Sie beruhen darauf, dass es besonderer theoretischer und praktischer Kenntnisse und einer entsprechenden Betriebsorganisation bedarf, um Einträge in andere Kulturen zu vermeiden oder so weit wie möglich zu reduzieren, und dass die Ausübung des jeweiligen Berufes ohne solche Voraussetzungen unsachgemäß wäre und Gefahren für die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG mit sich bringen würde.
- 238
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b) § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind auch mit der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar.
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aa) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sind an der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit zu messen, soweit sie nicht ausschließlich für den Umgang zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken gelten. Der Schutzbereich ist insoweit jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten eröffnet.
- 240
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bb) Die Vorgaben der Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis für den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen greifen in die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Freiheit ein, die Fragestellung und Methodik einschließlich der praktischen Durchführung eines Forschungsprojektes frei zu bestimmen.
- 241
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cc) Die legitimen Gemeinwohlbelange, die den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, die Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die aus den schon genannten Gründen auch einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.
- 242
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c) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG verletzen nicht Art. 2 Abs. 1 GG.
- 243
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Art. 2 Abs. 1 GG kommt als Prüfungsmaßstab für die Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit von ausländischen Personen und die Verpflichtung von Privatpersonen, die nicht erwerbswirtschaftlich mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen, in Betracht, die nicht unter den Schutz der Berufsfreiheit fallen (Art. 12 Abs. 1 GG). Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit ist jedoch aus den zu Art. 12 Abs. 1 GG genannten Gründen gerechtfertigt (oben C II 4 a bb).
- 244
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Soweit § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. an das Schweigen Rechtsfolgen anknüpft, ist hiermit keine unzumutbare Belastung für den Nachbarn verbunden. Selbst wenn man die Regelung als Fall einer fingierten Willenserklärung und Eingriff in die Privatautonomie ansieht, ist sie jedenfalls gerechtfertigt.
- 245
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Die Anknüpfung von Rechtswirkungen an das Schweigen gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. beseitigt Ungewissheiten über die Zustimmung zu einer bestimmten Anbauplanung und verbessert damit die Planungs- und Rechtssicherheit bei den nach § 3 GenTPflEV mitteilungspflichtigen und nach § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG anzeigepflichtigen Grundstücksnutzungen. Damit verbunden ist das Anliegen des Gesetzgebers, die Abstimmung der Anbauplanung als Mittel zur Sicherung der Koexistenz zu fördern und gleichzeitig den Verwender von Gentechnik zugunsten geschützter Interessen nicht mehr als nötig zu belasten. § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist zur Erreichung dieser legitimen Zielsetzung geeignet und erforderlich.
- 246
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Auch die Angemessenheit ist gewahrt. Der Gesetzgeber wertet typisierend diejenigen Personen, denen der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilen ist, als schutzbedürftig. Wer konventionell oder ökologisch wirtschaftet, soll darauf vertrauen dürfen, dass möglicherweise beeinträchtigender Anbau mitgeteilt und abgestimmt wird. Andererseits verlangt der Gesetzgeber von den so Geschützten, sich auf konkrete Anfrage des Verwenders von gentechnisch veränderten Organismen innerhalb einer Monatsfrist über ihr Schutzbedürfnis zu erklären. Andernfalls wird unterstellt, dass kein Schutzbedarf besteht, so dass der Verwender den geplanten Anbau umsetzen kann. Er wird damit auch von der Unsicherheit der Prüfung entlastet, ob in dem Schweigen ein konkludenter Verzicht liegt. Dieser Ausgleich der möglicherweise gegenläufigen Interessen bewegt sich innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.
- 247
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d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung verletzen auch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht.
- 248
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Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von Gentechnik im Vergleich zu konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirten folgt aus den besonderen Eigenschaften der Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung legitime Gemeinwohlziele, die so gewichtig sind, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch die Ungleichbehandlung rechtfertigen.
- 249
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Soweit § 16b GenTG zwischen denjenigen, die erwerbswirtschaftlich oder vergleichbar mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen und anderen Verwendern von Gentechnik differenziert, beruht dies zum einen darauf, dass gentechnisch veränderte Organismen zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken regelmäßig in größerem Umfang als zu anderen Zwecken eingesetzt werden und die Schutzgüter damit in größerem Ausmaß gefährdet sind. Zum anderen stehen den zusätzlichen Anforderungen im Rahmen des erwerbswirtschaftlichen Umgangs typischerweise auch größere Vorteile aus der Nutzung der Gentechnologie gegenüber. Diese Umstände rechtfertigen die Ungleichbehandlung.
- 250
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Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen im Vergleich zu denjenigen, die solche Organismen zu Versuchszwecken freisetzen, knüpft schließlich daran an, dass in der Freisetzungsgenehmigung die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen im Einzelfall und auf den jeweiligen Versuch und Standort angepasst vorgegeben werden können (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG). Eine angemessene Berücksichtigung konkreter Anbaubedingungen ist hingegen in der Genehmigung zum Inverkehrbringen regelmäßig nicht möglich, da diese für eine Vielzahl von Anbaustandorten und allgemeingültig für jeden Mitgliedstaat erteilt wird. Dieser Umstand rechtfertigt die Differenzierung.
- 251
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5. § 36a GenTG ist mit Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
- 252
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a) Nach der nachbarrechtlichen Konzeption des § 36a GenTG sind Haftungsadressaten die Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks, soweit sie die beeinträchtigende Nutzungsart bestimmen und, wenn die Störung von einer Anlage ausgeht, diejenigen, welche die Anlage halten und von deren Willen die Beseitigung abhängt (vgl. BGHZ 155, 99 <102>).
- 253
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Von § 36a GenTG betroffen sind daher in erster Linie die Verwender von gentechnisch veränderten Organismen in Forschung, Land-, Forst- und Gartenwirtschaft. Zum Kreis der Haftenden gehören ferner juristische Personen des öffentlichen Rechts wie beispielsweise Universitäten jedenfalls dann, wenn sich die Nutzung des emittierenden Grundstücks nicht als schlicht hoheitliches, sondern privatrechtliches Handeln darstellt und sie daher der zivilrechtlichen Haftung unterliegen. Die Frage, ob sie auch bei schlicht-hoheitlichem Handeln zu den Adressaten des § 36a GenTG zählen, bedarf keiner abschließenden Klärung. Wie die bisherige Rechtsprechungspraxis zeigt, ist die Haftung staatlicher Forschungseinrichtungen nach privatem Nachbarrecht nicht ausgeschlossen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 24. August 1999 - 14 U 57/97 -, ZUR 2000, S. 29). Insofern ist die Frage einer Verletzung der Wissenschaftsfreiheit insbesondere von Universitäten in die Prüfung einzubeziehen.
- 254
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b) § 36a GenTG ist mit Art. 14 GG vereinbar.
- 255
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aa) Die Vorschrift regelt in Verbindung mit §§ 906, 1004 BGB, die zu den Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gehören (vgl. BVerfGE 72, 66 <75 f.>), die Rechtsbeziehungen zwischen Grundstücksnachbarn.
- 256
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§ 36a GenTG ist keine eigenständige Haftungsregelung, sondern konkretisiert und ergänzt die bestehende verschuldensunabhängige Störerhaftung im privaten Nachbarrecht (§§ 1004, 906 BGB). § 36a GenTG stellt bei der Auslegung und Anwendung zentraler Begriffe der nachbarrechtlichen Bestimmungen durch Vorgabe zwingender Interpretationsregeln sicher, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch in den Fällen besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Benutzung eines fremden Grundstücks wesentlich beeinträchtigt wird (§ 36a Abs. 1 bis 3 GenTG). Ferner wird das private Nachbarrecht um eine Regelung ergänzt, die Schwierigkeiten beim Kausalitätsbeweis behebt (§ 36a Abs. 4 GenTG).
- 257
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Diese neuen Haftungsregelungen knüpfen nicht nur dem Wortlaut nach in § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG an § 906 BGB und dessen Tatbestandsmerkmale an, sondern fügen sich auch in die Systematik der nachbarrechtlichen Störerhaftung ein. Wie bisher gilt, dass wesentliche Einwirkungen, die entweder nicht ortsüblich oder zwar ortsüblich, aber mit zumutbarem wirtschaftlichen Aufwand zu verhindern sind, nicht hingenommen werden müssen. Derartige Beeinträchtigungen sind rechtswidrig. Hiergegen steht dem Betroffenen grundsätzlich ein auf Unterlassung oder Beseitigung gerichteter Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB zu. Hat ein Nachbar hingegen Einwirkungen zu dulden, so kann ein Anspruch auf angemessenen Ausgleich in Geld nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB oder analog dieser Vorschrift gegeben sein (nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch). Unberührt bleiben der Anspruch auf Schutzvorkehrungen nach § 23 Satz 1 GenTG und der Anspruch auf finanziellen Ausgleich nach § 23 Satz 2 GenTG insbesondere bei Vorliegen einer nach Anhörung (§ 18 Abs. 2 GenTG) erteilten, unanfechtbaren Freisetzungsgenehmigung.
- 258
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Eine § 36a Abs. 4 GenTG entsprechende Regelung kennt das Bürgerliche Gesetzbuch zwar nicht. Die Vorschrift kann jedoch als Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer emittierender Eigentümer und zur Anwendung von § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 BGB und § 287 ZPO auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gesehen werden (vgl. BGHZ 66, 70 <77>; 85, 375 <386 f.>; 101, 106 <111 ff.>).
- 259
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Dieses Verständnis wird durch die Gesetzesmaterialien unterstützt, nach denen durch § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG zentrale Elemente der nachbarrechtlichen Bestimmungen (§§ 906, 1004 BGB) konkretisiert und mit § 36a Abs. 4 GenTG eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 Abs. 1 BGB normiert werden sollten (vgl. BTDrucks 15/3088 S. 31).
- 260
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§ 36a GenTG stellt sich daher nach seinem Sinn und Zweck als Norm der nachbarrechtlichen Störerhaftung dar. Eine neuartige Haftung im System des privaten Nachbarrechts wird hierdurch nicht begründet. Auch die §§ 906, 1004 BGB regeln die Koexistenz von Nachbarn.
- 261
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Der Anspruch auf angemessenen Ausgleich analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu einer Gefährdungshaftung (vgl. BGHZ 155, 99 <103 f.>). Denn im Gegensatz zur Gefährdungshaftung für eine gefährliche Einrichtung im Verhältnis zwischen Nachbarn geht es bei dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht um das Einstehen für Schäden, die allein auf das rechtmäßige Vorhandensein einer Anlage oder eine erlaubte Tätigkeit zurückzuführen sind, sondern um die Haftung für rechtswidrige, aber aus tatsächlichen Gründen zu duldende Störungen aus einer bestimmungsgemäßen Grundstücksnutzung. Der Ausgleich richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380> m.w.N.). Diese Verpflichtung zur Ausgleichsleistung nach den Grundsätzen des Nachbarrechts ist mit einem Schadensersatzanspruch nicht notwendig deckungsgleich; es besteht vielmehr Raum für eine wertende Entscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380>).
- 262
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Konkurrierende konventionell oder ökologisch wirtschaftende Landwirte sind ebenso wie andere Emittenten auch der verschuldensunabhängigen Störerhaftung im Nachbarrecht unterworfen. Die Bezugnahme auf öffentlichrechtliche Grenzwerte (§ 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB) ist der nachbarrechtlichen Störerhaftung ebenso wenig fremd wie die Ursachenvermutung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises bei mehreren Verursachern (§ 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO). Dass die Risiken einer Grundstücksnutzung möglicherweise nicht angemessen kalkuliert und versichert werden können, schließt die nachbarrechtliche Störerhaftung nicht aus. Eine Freistellung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen von der verschuldensunabhängigen Haftung im Nachbarrecht würde im Ergebnis daher keine Benachteiligung beseitigen, sondern diese im Vergleich zu anderen Emittenten privilegieren.
- 263
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bb) § 36a GenTG bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen wegen Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen Abwehransprüche aus § 1004 BGB und Ausgleichsansprüche nach oder analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegen Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks geltend gemacht werden können.
- 264
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Wie die §§ 906, 1004 BGB legt die Norm in generell-abstrakter Weise Rechte und Pflichten der Grundstückseigentümer fest und ist damit Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Vorschrift wahrt die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung zu stellen sind.
- 265
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(1) Die Vorschrift ist hinreichend bestimmt.
- 266
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Die Bezugnahme auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Erzeugnissen, die auch von einem anderen, namentlich dem europäischen Gesetzgeber erlassen und von ihm geändert werden können, ist nicht zu beanstanden.
- 267
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Nach § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG stellen die Pflicht zur Kennzeichnung von Erzeugnissen als gentechnisch verändert (Nr. 2) oder der Verlust einer Kennzeichnungsmöglichkeit hinsichtlich einer bestimmten Produktionsweise (Nr. 3) als Folge eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen eine wesentliche Beeinträchtigung des Eigentums im Sinn von § 906 BGB dar. § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG setzt also die Existenz von "Vorschriften" oder "Rechtsvorschriften" über die Kennzeichnung zwar voraus, um einen Sachverhalt zu definieren, der den Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB oder den Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auslöst. Es handelt sich jedoch nicht um eine Verweisung auf die jeweiligen Kennzeichnungsvorschriften. Diese werden weder zum Bestandteil von § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG noch ändern sich ihr Anwendungsbereich, Rang oder ihre Qualität. Der Gesetzgeber hat vielmehr eine dem Anspruchssteller nachteilige Rechtslage beschrieben, deren Folgen dem Anspruchsschuldner als Verursacher zuzurechnen sind. Eine vergleichbare Regelungstechnik mit Hilfe einer Generalklausel enthält § 823 Abs. 2 BGB, der die Existenz von Schutzgesetzen voraussetzt.
- 268
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Der Gesetzgeber hat auch im Übrigen alle wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen. Nach seinem Willen sollen der Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB und der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehen, wenn der Nutzungsberechtigte eines benachbarten Grundstücks wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen mit einer gesetzlichen Pflicht zur Kennzeichnung belastet wird oder eine ihm vorteilhafte gesetzliche Möglichkeit der Kennzeichnung entfällt. Die Voraussetzungen für eine Kennzeichnung können sich zwar - etwa durch Absenkung oder Anhebung bestimmter Schwellenwerte - ändern. Die für die Haftung relevante Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass eine dem Störer zuzurechnende Rechtspflicht zur Kennzeichnung oder der ihm zuzurechnende Verlust der Möglichkeit einer Kennzeichnung die Benutzung des Nachbargrundstücks wesentlich beeinträchtigen, bleibt davon unberührt. Sie schließt auch eine Verschärfung der Haftung durch eine Absenkung von Kennzeichnungsschwellenwerten ein.
- 269
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§ 36a Abs. 1 GenTG begegnet auch keinen Bedenken im Hinblick auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, soweit die Fallgruppen einer wesentlichen Beeinträchtigung nicht abschließend normiert wurden ("insbesondere").
- 270
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§ 36a Abs. 1 GenTG definiert und konkretisiert den in § 906 BGB enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriff der "wesentlichen Beeinträchtigung" im Zusammenhang mit dem Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen. Soweit der Gesetzgeber die Fälle wesentlicher Beeinträchtigungen nicht abschließend beschrieben hat ("insbesondere"), trägt dies der Vielzahl denkbarer, möglicherweise derzeit nicht vollständig überschaubarer Fallgestaltungen Rechnung.
- 271
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(2) Der Gesetzgeber hat auch die Interessen der Beteiligten und das Gemeinwohl in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht (vgl. BVerfGE 87, 114 <138>; 95, 48 <58>; 98, 17 <37>; 101, 239 <259>; 102, 1 <17>).
- 272
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(a) Mit der Aufnahme des § 36a GenTG verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele.
- 273
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Diese ergeben sich sowohl aus der Funktion der von § 36a GenTG ergänzten und konkretisierten nachbarrechtlichen Bestimmungen (insbesondere § 906 BGB) als auch aus den Zielen des Gentechnikgesetzes (§ 1 GenTG).
- 274
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(aa) Wie § 906 BGB bezweckt § 36a GenTG den notwendigen Interessenausgleich von Grundstücksnachbarn bei bestimmten Einwirkungen, die von einem anderen Grundstück ausgehen. Auch diese Norm schützt die von Einwirkungen betroffenen Grundeigentümer in ihrer von Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit, den Eigentumsgegenstand nach eigenen Vorstellungen zu nutzen und über die Verwendung des Eigentumsobjekts frei zu entscheiden. Wie die §§ 1004, 906 BGB weist § 36a GenTG dem Störer die sachliche und finanzielle Verantwortung für die von seinem Grundstück ausgehenden (wesentlichen) Einwirkungen zu. Soweit er nach § 1004 BGB oder nach beziehungsweise analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zur Unterlassung, Beseitigung oder zum angemessenen Ausgleich verpflichtet ist, haftet er - und nicht unbeteiligte Dritte oder die Allgemeinheit - für die Kostenfolgen. Diese Zurechnung hat ihren Grund darin, dass der Störer die Beeinträchtigung veranlasst hat, dass er sie am besten und effektivsten beheben kann und dass ihm die Vorteile aus der störenden Grundstücksnutzung zugute kommen. Schließlich hat § 36a Abs. 4 GenTG wie § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ziel, eine Beweisschwierigkeit des Geschädigten zu überwinden. Dessen Ersatzanspruch soll nicht daran scheitern, dass nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren Beteiligten, deren Handlung den Schaden beziehungsweise die Beeinträchtigung verursacht haben kann, der eigentliche Schädiger gewesen ist (vgl. BGHZ 55, 96 <98>; 101, 106 <111>). Dem Interesse des Eigentümers, Nutzers oder Anlagenbetreibers, zur Haftung nur insoweit herangezogen zu werden, als ihn eine (Mit)Verantwortung für die Beeinträchtigung treffen kann, wird dadurch Rechnung getragen, dass die ihm zuzurechnende Einwirkung nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls geeignet gewesen sein muss, die Beeinträchtigung zu verursachen (§ 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG). Die Gesamtschuld folgt dabei dem für § 840 Abs. 1 BGB maßgeblichen Gesichtspunkt, dass der Geschädigte nicht mit dem Risiko belastet werden darf, dem er bei nur anteilsmäßiger Haftung mehrerer Schadensverursacher ausgesetzt wäre.
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(bb) Mit dem Schutz der Nachbarn dient § 36a GenTG auch der Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des europäischen Koexistenzkonzeptes (Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Nach § 1 Nr. 2 GenTG ist Ziel des Gesetzes zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel sowohl konventionell oder ökologisch als auch unter Einsatz von Gentechnik erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können. Wie dargelegt, findet diese Zielsetzung ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.
- 276
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Zur Verwirklichung dieses Zwecks soll mit § 36a GenTG sichergestellt werden, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch für Fälle besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Nutzung einer fremden Sache wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 30). Während mit Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis der verantwortungsvolle Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange durch Einträge dieser Organismen von vornherein vermieden werden sollen, dient § 36a GenTG der Abwehr von (dennoch auftretenden) Eigentumsbeeinträchtigungen und dem Ausgleich damit verbundener Vermögensschäden bei benachbarten Produzenten (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Die Wahlfreiheit der Produzenten soll gewahrt und das Eigentum an den jeweiligen Kulturen geschützt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19). Die Ausübung der einen Produktionsmethode soll nicht zu einer wirtschaftlichen Bedrohung der Personen führen, die eine andere Methode anwenden.
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Mit der Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) soll ferner die Wahlfreiheit für Verbraucher durch Bereitstellung einer breiten, transparent gekennzeichneten Produktpalette gewahrt, Rechts- und Planungssicherheit für alle Seiten sichergestellt und jenseits der Risikodiskussion ein gesellschaftliches Nebeneinander der unterschiedlichen Produktionsweisen sowie eine gesellschaftliche Befriedung erzielt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21).
- 278
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Schließlich wird mit § 36a GenTG das europäische Koexistenzkonzept auf nationaler Ebene umgesetzt. Dies verleiht den mit § 36a GenTG verfolgten Zwecken zusätzliches Gewicht. Insbesondere das Ziel, den Landwirten eine freie Entscheidung zwischen konventionellen oder ökologischen Anbaumethoden oder gentechnisch veränderten Kulturen unter Einhaltung der Regeln für Etikettierung und/oder Sortenreinheit zu ermöglichen, als auch das Ziel, den Verbrauchern die freie Wahl zwischen gentechnikfreien und mit Gentechnik hergestellten Produkten zu garantieren, sind zentrale Anliegen auch auf europäischer Ebene (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Soweit § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG das wegen eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen ohne entsprechende Marktzulassung geltende Verbot des Inverkehrbringens als wesentliche Beeinträchtigung definiert, entspricht dies dem europarechtlich geltenden Anbau- und Vermarktungsverbot für gentechnisch veränderte Organismen, die als Produkte oder in Produkten nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (Art. 6 Abs. 9, Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18/EG).
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(cc) § 36a GenTG fördert außerdem die Ziele von § 1 Nr. 1 GenTG und damit den Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG). § 36a GenTG kommt diesen Zielen nicht nur als präventives Instrument zur Durchsetzung von Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis zugute. Auch die für den Nachbarn mit der Konkretisierung und Ergänzung der nachbarrechtlichen Vorschriften gewährleistete Möglichkeit, (bestimmte) Einträge abzuwehren, dient dem Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Güter vor möglichen Gefahren der Gentechnik. Dies gilt insbesondere, soweit die Organismen noch nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG).
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(dd) § 36a GenTG setzt auch den Zweck um, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Die Freisetzung und der Anbau gentechnisch veränderter Kulturen werden grundsätzlich akzeptiert. Nachbarn haben Beeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen im Regelfall zu dulden, soweit gesetzliche Toleranzwerte nicht überschritten oder die Methoden guter fachlicher Praxis gewahrt sind. Die haftungsrechtliche Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen mit dem herkömmlichen Anbau (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann den großräumigen Einsatz gentechnisch veränderter Kulturen fördern.
- 281
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(b) Die Konkretisierung und Ergänzung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist angesichts des breiten Spielraums, den Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gibt (vgl. BVerfGE 53, 257 <293>), zur Erreichung der mit dem Gesetz verfolgten Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich.
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Es ist auch kein ebenso geeignetes, aber weniger belastendes Mittel erkennbar, das der Gesetzgeber hätte wählen können. Lösungsansätze wie die Einführung eines Mediationsverfahrens und spezieller Anbaugebiete für gentechnisch veränderte Kulturen und für ökologische Erzeugnisse folgen einer anderen Konzeption für die Bewältigung der Koexistenzproblematik und sind nicht geeignet, die mit § 36a GenTG verfolgten Zwecke in ihrer Gesamtheit vergleichbar umzusetzen.
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Die im Gesetzgebungsverfahren diskutierte Möglichkeit eines freiwilligen Haftungsfonds der Wirtschaft wurde von der Saatgutindustrie abgelehnt (vgl. Deutscher Bundestag, Wortprotokoll der 61. Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 26. November 2007 - Protokoll Nr. 16/61 -, S. 12 Frage Nr. 3). Die Einrichtung eines zumindest teilweise staatlich finanzierten Haftungsfonds stellt kein gleich geeignetes Mittel dar, um die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele zu verwirklichen. Ein Haftungsfonds dient anderen Zielen. Rechtlich würden die Verwender von Gentechnik von der sie als Störer treffenden Folgenverantwortung zumindest teilweise befreit und damit im Vergleich zu ihren Konkurrenten in der konventionellen und ökologischen Produktion besser gestellt. Volkswirtschaftlich entfiele für sie der Anreiz, neben privaten oder betriebswirtschaftlichen Kosten negative externe Effekte bei ihren Aktivitäten zu berücksichtigen. Schädigende Wirkungen der Grundstücksnutzung für Dritte würden über den staatlichen Haftungsfonds von der Allgemeinheit getragen und damit gentechnisch veränderte Produkte bezuschusst werden.
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(c) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG stellt schließlich einen angemessenen und ausgewogenen Ausgleich der betroffenen Interessen dar.
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(aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts durch § 36a GenTG gibt einerseits der Nutzung von Grundstücken für genehmigte Freisetzungen und genehmigten Anbau zum Inverkehrbringen strengere Rahmenbedingungen vor. Insbesondere bestehen, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt, nachbarrechtliche Ansprüche auch dann, wenn Einträge von gentechnisch veränderten Organismen mit den Methoden guter fachlicher Praxis nicht zu verhindern sind.
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(bb) Auf der anderen Seite führt die Vorgabe zwingender Interpretationsregeln für zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Bestimmungen zu mehr Rechts- und Planungssicherheit auch für die Verwender von Gentechnik. Die Gerichte haben vor Einführung des § 36a GenTG die §§ 1004, 906 BGB auf Einträge von DNA durch Pollen, Samen oder auf sonstige Weise angewandt, wobei sich eine gefestigte Rechtsprechung noch nicht herausbilden konnte. Durch bestehende Auslegungsspielräume war die Rechtslage nicht nur für mögliche Betroffene, sondern auch für die Verwender unklar und damit das Haftungsrisiko schwer zu kalkulieren. Diese Lage hat sich nunmehr verbessert. So knüpfen § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG das Vorliegen einer wesentlichen Beeinträchtigung an gemeinschaftsrechtlich wie auch im deutschen Recht festgelegte Grenzwerte, also an normative Standards an, die für den betroffenen Nutzungsberechtigten gelten und auf die sich ein Nachbar ebenso einstellen kann. Mit der haftungsrechtlichen Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen und des herkömmlichen Anbaus (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann der flächendeckende Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in bestimmten Gebieten ermöglicht und gefördert werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verwender von Gentechnik eine vergleichsweise strengere "Sonderhaftung" trifft und sie Einwirkungen der benachbarten Landwirtschaft schutzlos gegenüberstehen. Sie können wesentliche Beeinträchtigungen nach §§ 1004, 906 BGB, die von gentechnikfrei bewirtschafteten Nachbarfeldern ausgehen, ebenfalls abwehren oder, sofern sie zur Duldung verpflichtet sind, einen angemessenen finanziellen Ausgleich verlangen. Die verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Störerhaftung gibt insoweit auch die Rahmenbedingungen für die Berufsausübung der konventionell oder ökologisch arbeitenden Landwirte vor. Hinsichtlich der in § 36a Abs. 4 GenTG geregelten Beweiserleichterung gelten nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vergleichbare Grundsätze nach den allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften (vgl. BGHZ 101, 106 <108>).
- 287
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Die haftenden Grundstückseigentümer und -nutzer haben eine etwaige Störung zudem veranlasst, von ihrem Willen hängt die Beseitigung der Störung ab und ihnen kommen die Vorteile aus der störenden Nutzung zu. Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers findet ihren Grund in der Sachherrschaft über das Eigentum und den damit verbundenen Vorteilen, aber auch Lasten. Wie dem Eigentümer nach geltendem Recht die Vorteile der privaten Nutzung der Sache auch dann zufließen, wenn sie ohne sein Zutun entstehen, muss er die Lasten der Sache im Übrigen selbst dann tragen, wenn die Gefahr nicht durch ihn verursacht worden ist (vgl. BVerfGE 102, 1 <19>).
- 288
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(cc) Mit dem bezweckten Interessenausgleich zwischen Grundstücksnachbarn, der Sicherung der Koexistenz verschiedener landwirtschaftlicher Erzeugungsformen sowie dem Schutz und der Vorsorge vor den Gefahren der Gentechnik werden insbesondere Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt als andernfalls gefährdete Güter von Verfassungsrang geschützt. Weitere wichtige, auch europarechtlich anerkannte Gemeinwohlbelange wie der Schutz der Verbraucher werden gestärkt. Stellt man diese Schutzgüter in die Abwägung der betroffenen Rechte und Interessen ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
- 289
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c) § 36a GenTG greift in die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG ein, ist jedoch auch insoweit verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
- 290
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aa) Die wirtschaftliche Nutzung eines emittierenden Grundstücks zu Erwerbszwecken fällt in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG. Die von § 36a GenTG geregelten Sachverhalte betreffen zwar nicht ausschließlich, jedoch typischerweise ein von Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes berufsbezogenes Verhalten. § 36a GenTG gibt die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die individuelle Erwerbs- und Leistungstätigkeit unter Anwendung von gentechnisch veränderten Organismen vor und dient dem Gesetzgeber auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit diesen Organismen. Insoweit unterscheidet sich § 36a GenTG von § 906 BGB, der gleichermaßen berufsbezogene wie private Grundstücksnutzungen erfasst.
- 291
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§ 36a GenTG ist daher neben Art. 14 Abs. 1 auch an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.
- 292
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bb) § 36a GenTG enthält zwar keinen unmittelbaren Eingriff. Der Grundrechtsschutz ist aber nicht auf unmittelbare Eingriffe beschränkt. Art. 12 Abs. 1 GG entfaltet seine Schutzwirkung dabei auch gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich zwar nicht unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen, jedoch eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfGE 95, 267 <302>; 97, 228 <254>; 111, 191 <213>; stRspr).
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Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie berufliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen eines Haftungsfalls, die einzelne Verwender von Gentechnik erheblich treffen und von entscheidender Bedeutung für deren weitere berufliche Tätigkeit sein können. Darüber hinaus wird denjenigen, die ein Grundstück erwerbswirtschaftlich nutzen, ein Anreiz vermittelt, einen Haftungsfall durch Einhaltung der guten fachlichen Praxis (§ 16b GenTG) zu vermeiden und die anfallenden Kosten bei ihren Entscheidungen im Rahmen der Berufsausübung und der Marktteilhabe zu veranschlagen. Dies kann die Wahl der Mittel, des Umfangs und der gegenständlichen Ausgestaltung der Betätigung ebenso beeinflussen wie die Entscheidungen über Art, Qualität und Preis der für den Markt produzierten Güter. Die Ergänzung und Konkretisierung nachbarrechtlicher Vorschriften erfasst dabei typischerweise die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte erwerbswirtschaftliche Nutzung von Grundstücken und setzt die Rahmenbedingungen für die entsprechende Berufsausübung. Die Haftung dient dem Gesetzgeber nicht nur zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Grundstücksnachbarn, sondern auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und zur Gewährleistung der Koexistenz verschiedener Anbauformen in der Landwirtschaft.
- 294
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Etwas anderes gilt auch nicht, wenn man in § 36a GenTG nur eine Konkretisierung dessen sehen würde, was nach § 906 BGB und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohnehin gegolten hätte. Die allgemeinen Regeln des Nachbarrechts sind zwar für die Berufsausübung Rahmenbedingungen, welche diese nur reflexhaft treffen. § 36a GenTG kommt jedoch eine gegenüber § 906 BGB eigenständige und nicht nur reflexartig berufsregelnde Wirkung zu. In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG hat der Gesetzgeber zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Haftung nach §§ 1004, 906 BGB durch zwingende Interpretationsregeln konkretisiert und insoweit der Auslegung und einzelfallbezogenen Anwendung durch die Gerichte entzogen. Dies geschieht gerade in Bezug auf Sachverhalte, die typischerweise auf der beruflichen Nutzung von Grundstücken beruhen. Die der Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises dienende Regelung in § 36a Abs. 4 GenTG ist im Anwendungsbereich des Gentechnikrechts für alle Rechtsanwender verbindlich normiert, während das Bürgerliche Gesetzbuch eine entsprechende Vorschrift neben den von der Rechtsprechung analog angewendeten Bestimmungen in § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO nicht kennt.
- 295
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cc) Der mittelbare Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
- 296
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(1) Keine rechtsstaatlichen Bedenken gegen § 36a GenTG bestehen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, vermittelt durch eine Genehmigung zum Inverkehrbringen. Genehmigungsinhaber dürfte beim kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bereits regelmäßig nicht der nach §§ 1004, 906 BGB, § 36a GenTG haftende Landwirt, sondern der Hersteller des zum Inverkehrbringen zugelassenen Saatgutes sein. Jedenfalls darf ein Genehmigungsinhaber aufgrund der öffentlichrechtlichen Genehmigung nicht mit Wirkung für Dritte darauf vertrauen, dass die genehmigte Nutzung keine Beeinträchtigungen oder Schäden verursachen wird.
- 297
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Die Genehmigung trifft, mit Ausnahme der ausdrücklichen Präklusion von Abwehransprüchen in § 23 Satz 1 GenTG, für die zivilrechtliche Haftung keine Aussage, überträgt keine Verantwortung für Beeinträchtigungen auf den Staat und schafft keinen Vertrauenstatbestand, der einer späteren Haftung entgegensteht. Dementsprechend bestimmen Art. 7 Abs. 7 und Art. 19 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, dass die Erteilung der Zulassung die allgemeine zivil- und strafrechtliche Haftung der Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer hinsichtlich des betreffenden Lebens- oder Futtermittels nicht einschränkt. Es kommt auch nicht darauf an, ob dem Inhaber einer gentechnikrechtlichen Genehmigung öffentlichrechtliche Vorgaben gemacht und diese eingehalten wurden. Solche öffentlichrechtlichen Pflichten sollen im Interesse der Allgemeinheit die Risiken der Veränderung von Erbmaterial gering halten. Sie haben jedoch nicht die Funktion, einen Störer oder Schädiger von seiner zivilrechtlichen Verantwortung freizustellen.
- 298
-
(2) § 36a GenTG ist eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung.
- 299
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Aus den gleichen Gründen, aus denen die Vorschrift als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums für die Nutzung von Grundstückseigentum anzusehen ist, dient sie auch unter dem Gesichtspunkt der Regelung der Berufsausübung legitimen Gemeinwohlzielen und ist für deren Verfolgung geeignet, erforderlich und angemessen.
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dd) Soweit nicht vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG umfasste Personen in ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit eingeschränkt werden können, liegt darin ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), der aus denselben Gründen gerechtfertigt ist.
- 301
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d) Die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit ist gleichfalls nicht verletzt.
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aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie wissenschaftliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Die Norm bestimmt die Voraussetzungen der zivilrechtlichen Folgenverantwortung von Wissenschaftlern und verändert damit die Rahmenbedingungen für eine freie Forschung. Das konkrete Haftungsrisiko, die Folgen eines Haftungsfalls und die für Vorsorgemaßnahmen entstehenden Aufwendungen sind Faktoren, welche für die Entscheidung über Fragestellung, Umfang und praktische Ausführung eines Forschungsprojektes von maßgeblicher Bedeutung sein können. Mit der strengen, verschuldensunabhängigen Haftung kann Forschung dahingehend gesteuert werden, dass Risiken frühzeitig bedacht und Experimente so organisiert und durchgeführt werden, dass Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf andere Grundstücke und damit verbundene Nachteile für Dritte und die Allgemeinheit vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden.
- 303
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bb) Dieser Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit ist gerechtfertigt.
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Im Bereich der Grundstücksnutzung für Forschungsarbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen stehen sich verschiedene Grundrechte und verfassungsrechtlich geschützte Interessen gegenüber. Denn die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele finden eine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG. Diese sind Verfassungswerte, die auch die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.
- 305
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Der Gesetzgeber war um einen Ausgleich der widerstreitenden Rechtspositionen bemüht. Dieses Anliegen verdeutlichen nicht nur die mit § 36a GenTG verfolgten Gemeinwohlziele, sondern auch die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gentechnikänderungsgesetz 2008. Die Regelungen des Gentechnikrechts sollten danach so ausgestaltet werden, dass sie Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland fördern. Gleichzeitig sollte aber der Schutz von Mensch und Umwelt, entsprechend dem Vorsorgegrundsatz, oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben. Die Wahlfreiheit der Landwirte und Verbraucher und die Koexistenz der verschiedenen Bewirtschaftungsformen sollten gewahrt bleiben (BTDrucks 16/6814, S. 10).
- 306
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Diesen Zielsetzungen entsprechend dienen dem Gesetzgeber neben der grundsätzlichen Akzeptanz von Freisetzung und Anbau gentechnisch veränderter Kulturen insbesondere Verfahrenserleichterungen dazu, die Forschung auf dem Gebiet der "grünen" Gentechnik voranzubringen. Andererseits setzt der Gesetzgeber der Forschung mittels einer strengen zivilrechtlichen Haftung dort Grenzen, wo Rechte Dritter gefährdet oder beeinträchtigt werden.
- 307
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Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung berücksichtigt die beteiligten verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter in ausreichendem Maße und wahrt die verfassungsrechtlichen Vorgaben.
- 308
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Zwar unterwirft § 36a GenTG die freie Wissenschaft und Forschung zum Schutz kollidierender Rechtsgüter derselben strengen Haftung, wie sie auch für den sonstigen Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen gilt. Werden nicht zum Inverkehrbringen zugelassene Organismen zu Forschungszwecken freigesetzt, können bereits Einträge ab der Nachweisgrenze zu einer wesentlichen Beeinträchtigung und der damit verbundenen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Haftung führen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG). Werden zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen untersucht und erprobt, sind die Methoden guter fachlicher Praxis zu beachten (§ 16b Abs. 2 und 3 GenTG). Diese gelten gemäß § 36a Abs. 2 GenTG als wirtschaftlich zumutbar. Auch die Forschung ist nicht von der Haftung freigestellt, soweit eine wesentliche Beeinträchtigung nicht bereits durch Schutzmaßnahmen und gute fachliche Praxis verhindert werden kann. Das Risiko eines gewissen, beim Anbau auf offenen Feldern möglicherweise nicht zu vermeidenden Gentransfers tragen auch im Forschungsbereich die Benutzer des emittierenden Grundstücks. Geeignete Standorte für das experimentelle Einbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt müssen von ihnen daher besonders sorgfältig ausgewählt werden. Der Gesetzgeber geht jedoch trotz dieser strengen Haftung davon aus, den Förderungszweck des § 1 Nr. 3 GenTG umsetzen und einen Beitrag für die Sicherung des Forschungsstandorts Deutschland leisten zu können. Seine Annahme, die Forschung bei gleichzeitigem Schutz von Mensch und Umwelt und Wahrung der Koexistenz fördern zu können, ist vertretbar.
- 309
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Bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen ist zugunsten der Wissenschaftsfreiheit zu berücksichtigen, dass gerade eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen befreite Wissenschaft dem Staat und der Gesellschaft im Ergebnis am besten dient (vgl. BVerfGE 47, 327 <369 f.>). Die Forschung im Bereich der "grünen" Gentechnik, sei es Sicherheitsforschung, Entwicklungsforschung oder Begleitforschung, ist zudem von hoher Bedeutung für das Gemeinwohl und dient regelmäßig dem Schutz wesentlicher Belange wie der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Die absichtliche Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen ist in den meisten Fällen ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung neuer Produkte, die von solchen Organismen abgeleitet sind oder diese enthalten (vgl. Erwägungsgrund Nr. 23 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach dem "Stufenprinzip" dürfen die Einschließung solcher Organismen nur dann stufenweise gelockert und ihre Freisetzung ausgeweitet werden, wenn die Bewertung der vorherigen Stufe in Bezug auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt ergeben hat, dass die nächste Stufe eingeleitet werden kann (vgl. Erwägungsgrund Nr. 24 der Richtlinie 2001/18/EG). Gentechnisch veränderte Organismen in Produkten oder als Produkte dürfen für eine Marktfreigabe nur dann in Betracht kommen, wenn sie zuvor im Forschungs- und Entwicklungsstadium in Feldversuchen in Ökosystemen, die von ihrer Anwendung betroffen sein können, ausreichend praktisch erprobt wurden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach der Zulassung findet eine Überwachung und marktbegleitende Beobachtung statt. Neue oder zusätzliche wissenschaftliche Erkenntnisse über Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt können einen Mitgliedstaat berechtigen, den Einsatz und Verkauf eines gentechnisch veränderten Organismus als Produkt oder in einem Produkt vorübergehend einzuschränken oder zu verbieten. Forschung mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann der Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen dienen, indem sie die Grundlagen für die Entwicklung einer guten fachlichen Praxis liefert. Schließlich ist die Wechselwirkung des in die Umwelt eingebrachten gentechnisch veränderten Organismus mit einem umgebenden Ökosystem nicht nur unbeabsichtigte Nebenfolge, sondern unverzichtbarer Gegenstand der Untersuchung. Dies kann der Fall sein, wenn im Rahmen wissenschaftlicher Projekte Basisdaten zur Koexistenz von Anbauformen mit oder ohne Gentechnik erhoben, ausgewertet und in Empfehlungen für die Praxis umgesetzt werden sollen. Aber auch in der Entwicklungs- und Sicherheitsforschung kann die Verbreitung des gentechnisch veränderten Organismus in der Umwelt notwendiger Teil eines Experimentes sein.
- 310
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Zugunsten der kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang - Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt - ist in die Abwägung einzustellen, dass die Forschung an gentechnisch veränderten Organismen sie gefährden kann. Insbesondere die Sicherheits- und Entwicklungsforschung vor der Marktzulassung eines gentechnisch veränderten Organismus kann ein hohes Risikopotential bergen, da noch unklar sein kann, wie dieser Organismus funktioniert und welche Schäden er für Menschen, Pflanzen, Tiere und Biodiversität verursacht. Der Erprobungsanbau von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann das verträgliche Nebeneinander der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen einerseits durch die Erlangung von Daten zur Koexistenz fördern, andererseits durch Auskreuzungen oder andere Einträge dieser Organismen auf benachbarte Flächen die kollidierenden Belange (insbesondere Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) beeinträchtigen. Für jeden Forschungsbereich gilt, dass einmal in die Umwelt absichtlich eingebrachte oder durch einen Störfall freigesetzte Organismen unter Umständen nicht mehr zurückgeholt werden und Beeinträchtigungen oder Schäden an Rechtsgütern Dritter oder der Umwelt damit irreversibel sein können.
- 311
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Bezieht man diese Gesichtspunkte in die Betrachtung ein, so ist die vom Gesetzgeber in § 36a GenTG vorgenommene Gewichtung zugunsten der kollidierenden Gemeinwohlbelange nicht zu beanstanden. Die Grenze der Zumutbarkeit ist auch für die zu Forschungszwecken handelnden Grundstückseigentümer oder Grundstücksnutzer nicht überschritten.
- 312
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e) § 36a GenTG verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz.
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Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.
- 314
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In § 36a Abs. 1, 2 und 4 GenTG werden diejenigen, die ein Grundstück unter Einsatz von Gentechnik nutzen und daher in den Anwendungsbereich der das private Nachbarrecht konkretisierenden und ergänzenden Bestimmungen fallen, ungleich behandelt im Vergleich zu anderen Emittenten, die nach allgemeinem zivilrechtlichen Nachbarrecht haften. Auch wenn die Haftungsbestimmungen damit jeweils andere Personengruppen betreffen, geht es um die unterschiedliche Behandlung verschiedener Sachverhalte, nämlich den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen im Unterschied zur sonstigen Grundstücksnutzung. Daher ist der Gesetzgeber nur an den Willkürmaßstab gebunden.
- 315
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Der Gesetzgeber hat die Differenzierung nach sachbezogenen Kriterien vorgenommen. § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine für die betroffenen Nutzungsberechtigten im Zusammenhang mit Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen geltende Rechtslage und daraus resultierende Nachteile an. Vergleichbare Genehmigungs- und Kennzeichnungspflichten für gentechnisch veränderte Produkte, die durch Einträge aus konventioneller oder ökologischer Produktion ausgelöst werden könnten, bestehen derzeit nicht. In § 36a Abs. 2 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine besondere Rechtslage an, die nur für diejenigen gilt, die mit verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen umgehen. § 36a Abs. 4 GenTG beruht auf dem Anliegen, die von der Rechtsprechung im Rahmen der allgemeinen nachbarrechtlichen Störerhaftung für andere Emittenten entwickelten Grundsätze für den Bereich des Gentechnikrechts gesetzlich zu regeln.
- 316
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Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung die bereits dargestellten, verfassungsrechtlich verankerten legitimen Gemeinwohlziele. Diese sind so gewichtig, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch eine Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Emittenten und erst recht die unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten rechtfertigen.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.
(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Auskunftserteilung nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW.
3Der Kläger - ein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer - war von Dezember 2005 bis Dezember 2010 Kommanditist der N. erste Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG und von November 2006 bis Dezember 2010 der N. zweite Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG sowie der N. dritte Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG. Von November 2004 bis Dezember 2010 war der Kläger Kommanditist der S. Immobilien GmbH & Co. KG. Seit Dezember 2010 firmieren diese Gesellschaften als Ltd. & Co. KG. Von Juni 2008 bis März 2011 war der Kläger zudem Geschäftsführer der Komplementärin der drei N. -Gesellschaften und von August 2008 bis März 2011 Geschäftsführer der früheren Komplementärgesellschaft der S. Immobilien, der S. Immobilien Verwaltungs GmbH.
4Diesen Gesellschaften waren durch Bewilligungsbescheide der zuständigen kommunalen Behörden Wohnungsbaufördermittel zugewandt worden. Auf der Grundlage dieser Bewilligungsbescheide hatte die Wohnungsbauförderungsanstalt (WfA) - die Rechtsvorgängerin der beklagten NRW.Bank - Förderdarlehen gewährt. Wegen der Abwicklung und Begleitung des Förderrechtsverhältnisses hatte der Kläger jedenfalls seit Dezember 2005 bis zu seinem Ausscheiden als Kommanditist im Dezember 2010 für die Investoren Gespräche mit der WfA bzw. später der Beklagten über Förderrechtsangelegenheiten im Zusammenhang mit den Fördervorhaben geführt.
5Zur Sicherung der Darlehensansprüche der WfA hatte der Kläger Bürgschaften gegenüber der WfA begeben. Aus diesen Bürgschaftsverpflichtungen nimmt ihn die Beklagte zivilrechtlich in Anspruch.
6Am 12. Mai 2011 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Auskunftserteilung gemäß § 4 IFG NRW. Die Beklagte sollte ihm u. a. folgende Informationen zur Verfügung stellen:
7„ 1. Wann erfolgten die Auszahlungen der von der NRW.Bank gewährten Darlehen an die N. erste Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. erste Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG), an die N. zweite Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. zweite Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG), an die N. dritte Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. dritte Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG) sowie an die S. Immobilien GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als S. Immobilien Ltd. & Co. KG)?
82. Auf welcher öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlage erfolgte die jeweilige Auszahlung der in Ziffer 1 genannten Darlehen durch die NRW.Bank und wurden die jeweiligen Auszahlungsvoraussetzungen im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Auszahlung durch die NRW.Bank auch eingehalten?
9…“
10Zur Begründung seines Antrags führte der Kläger aus, die Beklagte bzw. ihre Vorgängerin, die WfA, habe für Bauprojekte der in dem Antrag bezeichneten Gesellschaften Darlehen gewährt und ausgereicht. Er, der Kläger, werde von der Beklagten aus Bürgschaftsverpflichtungen im Hinblick auf diese Darlehen in Anspruch genommen. Er habe daher ein Interesse daran, die begehrten Auskünfte zu erhalten. Die Beklagte sei zu diesen nach § 4 IFG NRW verpflichtet.
11Mit Bescheid vom 17. Juni 2011, zugestellt am 20. Juni 2011, lehnte die Beklagte die Auskunftserteilung u. a. zu den Fragen 1. und 2. aus dem Antrag vom 12. Mai 2011 ab. Zur Begründung führte sie aus, einer Auskunft zu dem Zeitpunkt der Auszahlungen der Förderdarlehen stehe das Bankgeheimnis entgegen. Das Bankgeheimnis sei als vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht Teil des Bundesrechts. Als solches genieße es gemäß Art. 31 GG Vorrang vor abweichendem Landesrecht. Unabhängig davon greife der Ablehnungsgrund des § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW. Aufgrund seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der in Rede stehenden Gesellschaften und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er seit Dezember 2005 verantwortlicher Gesprächspartner der Beklagten für die Abwicklung des Förderrechtsverhältnisses gewesen sei, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger Informationen über den Zeitpunkt der Auszahlung der Darlehen an die Darlehensnehmer gehabt habe. Bei der ihm in seiner damaligen Funktion obliegenden Sorgfalt sei er zumindest verpflichtet gewesen, sich Kenntnis über die für die Abwicklung des Förderrechtsverhältnisses maßgeblichen Tatsachen zu verschaffen. Hierzu sei er aufgrund seiner beruflichen Qualifikation auch in der Lage gewesen. Das allgemeine öffentliche Interesse an einer Transparenz der Vorgänge der Verwaltung rechtfertige ein Informationsbegehren nicht, wenn der Antragsteller - wie hier - bereits über die begehrten Informationen verfüge. Dies gelte ungeachtet der Tatsache, dass der Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Auskunft über Daten der Auszahlung der Darlehensvaluta gering sein möge. Sehe man das Bankgeheimnis lediglich als vertragliche Verpflichtung der Beklagten an, wäre diese Verpflichtung hilfsweise bei der Ausübung des Ablehnungsermessens aus § 5 Abs. 4 IFG NRW zu berücksichtigen. Sollte der Kläger die ihm aus seiner früheren Tätigkeit bekannten Informationen nicht mehr in Händen halten, würde sich nichts anderes ergeben. Dem Auskunftsbegehren zu 2. stehe aus entsprechenden Erwägungen § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW entgegen. Die Frage nach den jeweiligen Auszahlungsvoraussetzungen setze eine rechtliche Bewertung voraus und ziele daher nicht auf eine amtliche Information.
12Der Kläger hat am 20. Juli 2011 Klage erhoben.
13Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte könne sich gegenüber seinem Informationsanspruch nicht auf das Bankgeheimnis berufen. Das nur als Richterrecht existierende allgemeine Bankgeheimnis werde durch die spezialgesetzlichen Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes NRW - wie dessen § 8 zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - verdrängt. Eine ermessensfehlerfreie Ablehnung der beantragten Informationserteilung nach § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG sei nicht möglich. Es komme hierfür nicht darauf an, ob der Kläger - etwa aufgrund seiner Organstellung in der Vergangenheit - Kenntnis von den begehrten Informationen hätte haben müssen.
14Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 6. Juli 2012 hat der Kläger die Klage zurückgenommen, soweit diese sich auf die Mitteilung der öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlage der Darlehensauszahlungen und die Einhaltung der jeweiligen Auszahlungsvoraussetzungen bezog.
15Der Kläger hat daraufhin beantragt,
16die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheids vom 17. Juni 2011 zu verpflichten, folgende Auskünfte zu erteilen:
17Wann erfolgten die Auszahlungen der von der NRW.Bank gewährten Darlehen an die N. erste Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. erste Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG), an die N. zweite Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. zweite Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG), an die N. dritte Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. dritte Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG) sowie an die S. Immobilien GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als S. Immobilien Ltd. & Co. KG)?
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie hat vorgetragen, das Informationsfreiheitsgesetz NRW könne das Bankgeheimnis nicht verdrängen. Es gelte die allgemeine Kollisionsregel des Art. 31 GG, derzufolge Bundesrecht Landesrecht breche. Auch das vorkonstitutionelle Bundesrecht unterfalle dieser Vorrangregel. Nach diesen Maßstäben werde das Informationsfreiheitsgesetz NRW gemäß Art. 31 GG durch das Bankgeheimnis verdrängt, das als vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht Teil des einfachen Bundesrechts sei. Das Bankgeheimnis untersage der Beklagten als von dessen Anwendungsbereich erfasstem Kreditinstitut die Herausgabe solcher Informationen, die im Zusammenhang mit den Geschäftsbeziehungen zum Kunden stünden. Auch die Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW beträfen - soweit es um öffentlich-rechtliche Kreditinstitute gehe - solche dort vorhandenen Daten, die dem Bankgeheimnis unterlägen. Auch diese Daten erfüllten den Begriff der amtlichen Information. Damit läge eine Regelung des gleichen Gegenstands vor. Zwischen beiden Normen gebe es eine echte Kollision. Des Weiteren stehe dem Informationsanspruch § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW entgegen. Der Kläger bestreite nicht, dass ihm die betreffenden Informationen als solche vorlägen, etwa weil sie ihm von dritter Seite zugänglich gemacht worden seien. Letzteres sei für die Anwendung des § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG ausreichend. Im Übrigen müsse sich der Kläger entgegenhalten lassen, die einmal erlangte Information verloren zu haben. Darauf lasse er sich bezeichnenderweise nicht ausdrücklich ein.
21Mit Urteil vom 6. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren im Umfang der Klagerücknahme eingestellt und der Klage im Übrigen unter teilweiser Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 17. Juni 2011 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe einen Auskunftsanspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Die Beklagte sei gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 IFG NRW auskunftspflichtige Stelle. Das Bankgeheimnis sei keine besondere Rechtsvorschrift i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW, die den Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW vorgehe. §§ 8, 9 IFG NRW stünden dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Dasselbe gelte für § 5 Abs. 4 IFG NRW.
22Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.
23Die Beklagte hat am 24. August 2012 Berufung gegen das ihr am 25. Juli 2012 zugestellte Urteil eingelegt.
24Zur Begründung ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen: Sie unterliege auch in der Rechtsform der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts den Anforderungen des Bankgeheimnisses. Die von dem Kläger begehrte Information über die Zeitpunkte der Auszahlungen der jeweiligen Darlehensvaluta falle in den Anwendungsbereich des Bankgeheimnisses. Das Bankgeheimnis genieße Vorrang gegenüber landesrechtlich begründeten Auskunftsansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW. Als vorkonstitutionelles Bundesrecht verdränge das Bankgeheimnis das Informationsfreiheitsgesetz NRW nach der grundgesetzlichen Kollisionsregel des Art. 31 GG. Dies habe das Verwaltungsgericht außer Acht gelassen, als es auf § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW abgestellt habe. Diese Vorschrift sei nicht einschlägig, weil ihr Zweck nur die Bestimmung des Verhältnisses verschiedener Informationszugangsrechte untereinander sei. Das Bankgeheimnis habe absoluten Verbotscharakter. Nur in Einzelfällen könne es im Wege der Interessenabwägung eingeschränkt werden. Es bestehe auch keine Gesetzgebungskompetenz des Landes zur Einschränkung des Bankgeheimnisses. Des Weiteren stehe dem streitigen Informationszugangsanspruch § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW entgegen. Dem Kläger sei aufgrund seiner Tätigkeit als Gesellschafter der Komplementärgesellschaften der Darlehensnehmer im Zeitraum von Juni 2008 bis März 2011 und vor allem aufgrund der Tatsache, dass er seit 2005 als verantwortlicher Ansprechpartner der Beklagten die Verhandlungen und Gespräche über die Abwicklung des Förderrechtsverhältnisses geführt habe, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bekannt gewesen, wann die Auszahlung der Darlehen an die Darlehensnehmer erfolgt sei. Dagegen habe sich der Kläger im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens nicht gewandt. Ob die Kenntnis gerade durch die Beklagte vermittelt worden sei, sei nicht maßgeblich. Der Kläger habe die einmal erlangte Information aufbewahren müssen. Es könne nicht darauf abgestellt werden, ob der Kläger die Information nach Aufgabe der Geschäftsführerstellung habe zurücklassen müssen.
25Die Beklagte beantragt,
26das angefochtene Urteil zu ändern und die noch anhängige Klage abzuweisen.
27Der Kläger beantragt,
28die Berufung zurückzuweisen.
29Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass das Bankgeheimnis nicht als vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht Teil des einfachen Bundesrechts sei. Vielmehr handele es sich bei dem Bankgeheimnis um eine vertragliche Verpflichtung. Art. 31 GG komme nicht zum Tragen. Aus § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW folge, dass nur solche Vorschriften als vorrangig in Betracht zu ziehen seien, die denselben Sachverhalt abschließend regelten oder deren Schutzzweck einem umfassenden Informationsanspruch zuwiderlaufe. Das Bankgeheimnis sei auch kein absolutes Verbotsgesetz. Ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der Beklagten i.S.v. § 8 IFG NRW werde nicht offenbart. § 9 IFG NRW und § 5 Abs. 4 IFG NRW griffen nicht zugunsten der Beklagten ein. Die maßgeblichen Gespräche mit der Beklagten habe seinerzeit federführend der Architekt G. geführt. Im Übrigen sei sein Beitrag im Zusammenhang mit der Finanzierung der Kommanditgesellschaften nur noch von untergeordneter Bedeutung gewesen.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt des von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
31E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
32Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
33Das Verwaltungsgericht hat der Klage im noch streitgegenständlichen Umfang zu Recht stattgegeben.
34Der Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), soweit die Beklagte dem Kläger die mit dem noch anhängigen Klageantrag begehrten Informationen zu den Zeitpunkten der Darlehensauszahlungen verweigert hat.
35Der Kläger hat einen diesbezüglichen Anspruch auf Informationszugang gemäß § 4 Abs. 1 IFG NRW (dazu I.). Die Anwendung des § 4 Abs. 1 IFG NRW ist nicht durch das Bankgeheimnis ausgeschlossen (dazu II.). Ablehnungsgründe, die dem Informationsanspruch des Klägers entgegenstehen, liegen nicht vor (dazu III.).
36I. Der Kläger kann den geltend gemachten Informationszugangsanspruch auf § 4 Abs. 1 IFG NRW stützen.
37Nach dieser Vorschrift hat jede natürliche Person nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen.
38Diese Voraussetzungen sind gegeben.
39Die beklagte NRW.Bank ist eine anspruchsverpflichtete Stelle i.S.v. § 2 IFG NRW (dazu 1.). Das noch anhängige Informationsverlangen hinsichtlich der in dem Klageantrag bezeichneten Zeitpunkte bestimmter Darlehensauszahlungen betrifft amtliche Informationen i.S.d. § 3 Satz 1 IFG NRW (dazu 2.).
401. Die beklagte NRW.Bank fällt in den von § 2 IFG NRW definierten Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes NRW.
41§ 2 Abs. 1 Satz 1 IFG NRW zufolge gilt dieses Gesetz für die Verwaltungstätigkeit der Behörden, Einrichtungen und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und deren Vereinigungen (öffentliche Stellen). Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (§ 2 Abs. 1 Satz 2 IFG NRW). Sofern eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnimmt, gilt sie als Behörde im Sinne dieses Gesetzes (§ 2 Abs. 4 IFG NRW).
42Der Begriff der Verwaltungstätigkeit in § 2 Abs. 1 IFG NRW ist weit auszulegen. Er umfasst die Verwaltung im formellen und materiellen Sinn. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes NRW ist es, staatliches Handeln transparent zu machen und durch den freien Zugang zu Informationen nicht nur die Nachvollziehbarkeit, sondern auch die Akzeptanz behördlicher Entscheidungen zu steigern. Dementsprechend war es Intention des Gesetzgebers, einen möglichst weiten und umfassenden Informationsanspruch zu schaffen und die Ausschlussgründe eng zu fassen.
43Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. Oktober 2010 - 8 A 875/09 -, juris Rn. 30 f., unter Hinweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 9 und S. 10.
44Unter Verwaltung im formellen Sinn ist die gesamte Tätigkeit der Exekutive zu verstehen, unabhängig davon, ob es sich um eine Tätigkeit materiell verwaltender Art handelt. Entscheidend ist die Einordnung des Handelnden in den Staatsaufbau. Ausgehend davon liegt eine Verwaltungstätigkeit dann vor, wenn eine Stelle aus dem Bereich der Exekutive und nicht der Legislative oder Judikative tätig wird. Darüber hinaus erfasst § 2 Abs. 1 IFG NRW die Verwaltung im materiellen Sinn, wie sich aus der Behördendefinition in § 2 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 IFG NRW ergibt. Der materielle Verwaltungsbegriff knüpft an die ausgeübte Funktion bzw. den verfolgten Zweck der Tätigkeit an, unabhängig davon, wer sie ausübt. Maßgeblich ist, ob materielle Verwaltungsaufgaben (in Abgrenzung zu Aufgaben der Legislative oder Judikative) wahrgenommen werden.
45Vgl. OVG NRW, Urteile vom 7. Oktober 2010 - 8 A 875/09 -, juris Rn. 33 ff., und vom 17. Mai 2006 - 8 A 1642/05 -, NWVBl. 2006, 292 = juris Rn. 34, Beschlüsse vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, NJW 2005, 2028 = juris Rn. 9, und vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, NVwZ-RR 2003, 800 = juris Rn. 12; ebenso zu § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG Bund: BVerwG, Urteile vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 22, und vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 11.
46Gemessen an diesen Maßstäben ist die beklagte NRW.Bank in formeller wie in materieller Hinsicht eine Stelle, die i.S.v. § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IFG NRW Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt und als solche aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes NRW in Anspruch genommen werden kann.
47Dass die NRW.Bank bereits formell als öffentliche Stelle i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 IFG NRW qualifiziert werden kann, ergibt sich aus ihrer (öffentlich-rechtlichen) Konstruktion nach dem Gesetz über die NRW.Bank vom 16. März 2004 (GV. NRW. S. 126; im Folgenden: NRW.Bank-G).
48Vgl. im Übrigen für die öffentlich-rechtlich organisierten Sparkassen- und Giroverbände: Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 2 Rn. 152.
49Nach dessen § 1 ist die NRW.Bank ein Kreditinstitut in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 NRW.Bank-G steht sie unmittelbar unter der staatlichen Aufsicht des Innenministeriums, die im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung im Einvernehmen mit dem für das Wohnungswesen zuständigen Ministerium ausgeübt wird (§ 11 Abs. 1 Satz 2 NRW.Bank-G). Gewährträger der NRW.Bank ist gemäß § 4 Abs. 1 NRW.Bank-G das Land Nordrhein-Westfalen. Dieses stellt sicher, dass die NRW.Bank ihre Aufgaben erfüllen kann und trägt solchermaßen die Anstaltslast (§ 4 Abs. 2 NRW.Bank-G).
50Auch materiell kommt die NRW.Bank öffentlichen Verwaltungsaufgaben nach. Dies schreibt § 3 Abs. 1 Satz 1 NRW.Bank-G fest. Er bestimmt, dass die NRW.BANK den staatlichen Auftrag hat, das Land und seine kommunalen Körperschaften bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben, insbesondere in den Bereichen der Struktur-, Wirtschafts-, Sozial- und Wohnraumpolitik, zu unterstützen und dabei Fördermaßnahmen im Einklang mit den Beihilfevorschriften der Europäischen Gemeinschaft durchzuführen und zu verwalten.
512. Mit seinem noch anhängigen Klagebegehren, von der Beklagten die Auszahlungszeitpunkte bestimmter Darlehen zu erfahren, zielt der Kläger auf eine amtliche Information i.S.d. § 3 Satz 1 IFG NRW.
52§ 3 Satz 1 IFG NRW definiert Informationen im Sinne dieses Gesetzes als alle in Schrift-, Bild-, Ton- oder Datenverarbeitungsform oder auf sonstigen Informationsträgern vorhandenen Informationen, die im dienstlichen Zusammenhang erlangt wurden.
53Auch der hiermit verwendete Begriff der Information soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine möglichst offene und umfassende Auslegung des Informationsfreiheitsgesetzes NRW sicherstellen
54Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 45, unter Hinweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 10.
55Ein dienstlicher Zusammenhang der Information ist jedenfalls zu bejahen, wenn die Unterlagen dienstlichen Zwecken dienen, also dazu bestimmt sind, zu einem (Verwaltungs-)Vorgang zu gehören. Mit den dienstlichen Zwecken sind die von der öffentlichen Stelle zu erfüllenden Aufgaben gemeint. Erfasst sind jedenfalls Informationen, die von einer öffentlichen Stelle in Ausübung ihrer Verwaltungstätigkeit zielgerichtet erlangt wurden und die daher einen inhaltlichen Bezug zu der Verwaltungstätigkeit aufweisen.
56Vgl. Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 3 Rn. 354 f.; siehe dazu außerdem OVG NRW, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 49.
57Legt man diese Begriffsbestimmung zugrunde, ist die von dem Kläger beanspruchte Auskunft über den Auszahlungszeitpunkt bestimmter Darlehen, welche die Beklagte gewährt hatte, eine amtliche Information im Verständnis des § 3 Satz 1 IFG NRW. Die Beklagte bewilligte diese Darlehen im Rahmen der Erfüllung der ihr zugewiesenen öffentlichen Aufgabe der Wohnungsbauförderung. Mit dieser Aufgabenwahrnehmung steht der Zeitpunkt der Darlehensauskehrung in einem unmittelbaren dienstlichen Zusammenhang.
58II. Die Anwendung des § 4 Abs. 1 IFG NRW ist nicht durch das Bankgeheimnis ausgeschlossen. Das Bankgeheimnis ist weder eine besondere Vorschrift i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW, die den Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes NRW vorgeht (dazu 1.), noch verdrängt es die landesgesetzlichen Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW gemäß Art. 31 GG (dazu 2.).
591. Das Bankgeheimnis ist keine besondere Vorschrift i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW, die den Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes NRW vorgeht.
60Soweit besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht bestehen, gehen sie gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW den Vorschriften dieses Gesetzes vor.
61Wie das Tatbestandsmerkmal „soweit“ zeigt, zieht § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW nur solche Vorschriften als vorrangig in Betracht, die denselben Sachverhalt bereichsspezifisch abschließend - sei es identisch, sei es abweichend - regeln. Konkurrenzfragen sind in jedem konkreten Einzelfall durch eine systematische, an Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung der jeweiligen Informationszugangsrechte zu klären. Um die Bestimmung des Verhältnisses verschiedener Informationszugangsrechte untereinander vornehmen zu können, müssen vor allem deren jeweilige Regelungsmaterien berücksichtigt werden. Eine Vorrangigkeit im Sinne einer Ausschließlichkeit ist nur dort anzunehmen, wo die jeweiligen Rechte die gleichen Anliegen verfolgen und/oder identische Zielgruppen erfassen. Eine besondere Rechtsvorschrift i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW liegt daher nur dann vor, wenn ihr Anwendungsbereich in sachlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Informationen, die der Rechtsvorschrift unterfallen, und/oder in persönlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Personen, auf welche die Rechtsvorschrift Anwendung findet, beschränkt ist.
62Vgl. OVG NRW, Urteile vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 54 ff., und vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 1162 = juris Rn. 29, Beschlüsse vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, NJW 2005, 2028 = juris Rn. 14 ff., und vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, NVwZ-RR 2003, 800 = juris Rn. 20.
63Wenn spezialgesetzliche Regelungen - des Bundes- oder des Landesrechts - für einen gesonderten Sachbereich oder für bestimmte Personengruppen einen begrenzten Informationsanspruch vorsehen, ist deshalb in jedem konkreten Einzelfall zu untersuchen, ob diese Grenzen auch für den Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW bindend sind. Das ist anzunehmen, wenn ein umfassender Informationsanspruch dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwider laufen würde. Lässt sich derartiges nicht feststellen, gelangt der Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW zur Anwendung.
64Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 1162 = juris Rn. 29, Beschluss vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, NJW 2005, 2028 = juris Rn. 16 ff; siehe außerdem die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 11.
65Daran gemessen ist das Bankgeheimnis keine besondere Vorschrift i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW. Dies gilt losgelöst davon, ob das Bankgeheimnis als vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht im Rang eines Bundesgesetzes steht oder bloß als (AGB-)vertragliche Verpflichtung gilt.
66Offen gelassen von BGH, Vorlagebeschluss vom 17. Oktober 2013 - I ZR 51/12 -, juris Rn. 22 (mit lediglich mittelbarer Bezugnahme auf § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO), Urteile vom 27. Oktober 2009 - IX ZR 225/08 -, BGHZ 183, 60 = NJW 2010, 361 = juris Rn. 18, und vom 27. Februar 2007 - IX ZR 195/05 -, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = juris Rn. 23; gesetzliches Gewohnheitsrecht verneinen ausdrücklich OLG Naumburg, Urteil vom 15. März 2012 - 9 U 208/11 -, juris Rn. 24, und OLG Köln, Urteil vom 15. September 2005 - 8 U 21/05 -, NJW-RR 2006, 263 = juris Rn. 26; mit Tendenz zur AGB-rechtlichen Verortung OLG Stuttgart, Urteil vom 13. Dezember 2005 - 6 U 119/05 -, juris Rn. 93; auch für eine rechtsgeschäftliche Qualifikation Cahn, WM 2004, 2041, 2042 (mit Hinweisen auf entgegengesetzte Literaturstandpunkte); Klüwer/Meister, WM 2004, 1157, sprechen von einer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung; ebenso Toth-Fehrer/Schick, ZIP 2004, 491, 493.
67Ebenso kann dahinstehen, ob als „besondere Vorschriften“ nur positivrechtliche Bestimmungen in Betracht kommen,
68offen gelassen von OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 1162 = juris Rn. 29,
69zu denen das Bankgeheimnis mangels Kodifizierung nicht zählt.
70Jedenfalls regelt das Bankgeheimnis nicht bereichsspezifisch den Informationszugang außenstehender Dritter zu amtlichen Informationen, die öffentlich-rechtliche Kreditinstitute vorhalten. Es scheidet daher als besondere Vorschrift nach dem Verständnis des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW aus.
71a) Inhalt des Bankgeheimnisses ist die Pflicht eines Kreditinstituts zur Verschwiegenheit über kundenbezogene Tatsachen und Wertungen, die ihm aufgrund, aus Anlass oder im Rahmen der Geschäftsverbindung zum Kunden bekannt geworden sind und die der Kunde geheimzuhalten wünscht. Erforderlich ist, dass ein innerer Zusammenhang zwischen der Kenntniserlangung von dem Geheimnis durch das Kreditinstitut und dem Bestehen der Geschäftsverbindung gegeben ist. Die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses ist eine besondere Ausprägung der allgemeinen Pflicht der Bank, die Vermögensinteressen des Vertragspartners zu schützen und nicht zu beeinträchtigen.
72Vgl. BGH, Urteile vom 27. Februar 2007 - IX ZR 195/05 -, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = juris Rn. 23, und vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03 -, BGHZ 166, 84 = NJW 2006, 830 = juris Rn. 35.
73Das Bankgeheimnis betrifft damit weder ausdrücklich noch konkludent - und auch nicht mittelbar über das Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO - das Bestehen eines Informationszugangsanspruchs gegenüber öffentlich-rechtlich organisierten Kreditinstituten. Es bezieht sich lediglich auf das Pflichtenverhältnis zwischen der Bank und ihrem Vertragspartner. Seine Verletzung kann zu zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen führen,
74vgl. insofern wiederum BGH, Vorlagebeschluss vom 17. Oktober 2013 - I ZR 51/12 -, juris Rn. 22 (auch zu § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO), Urteile vom 27. Februar 2007 - IX ZR 195/05 -, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = juris Rn. 18 und Rn. 32, und vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03 -, BGHZ 166, 84 = NJW 2006, 830 = juris Rn. 34 ff.,
75oder in Zivilprozessen in das besagte Zeugnisverweigerungsrecht von Bankmitarbeitern aus Gründen ihres Gewerbes münden. In Ermangelung einer entsprechenden Regelungsaussage kann es aber nicht das Regime öffentlich-rechtlicher Informationszugangsgesetze sperren.
76b) Unbeschadet dessen lässt sich zudem keine ständige und langandauernde gewohnheitsrechtliche Übung dahingehend feststellen, dass das Bankgeheimnis den Informationszugang auch in öffentlich-rechtlichen Förderrechtsverhältnissen sperrt, in die öffentlich-rechtliche Kreditinstitute als Darlehensgeber eingebunden sind. WfA bzw. heute NRW.Bank nehmen bei der Vergabe von Wohnungsbauförderdarlehen öffentliche Aufgaben wahr. Sie unterliegen dabei besonderen Transparenzanforderungen. Die Darlehensvergabe stellt in dieser Konstellation allein die Umsetzung eines vorgeschalteten behördlichen Zuwendungsbescheids dar, aufgrund dessen der Zuwendungsempfänger erhöhten öffentlich-rechtlichen Bindungen bei der Inanspruchnahme und Verwendung der Förderung unterliegt. Da der Zuwendungsempfänger der Förderbank, die gleichsam als verlängerter Arm der Bewilligungsbehörde handelt, somit nicht als gewöhnlicher Bankkunde im allgemeinen Geschäftsverkehr gegenübertritt, der die Entgegennahme eines Darlehens zu bestimmten Konditionen annehmen oder ablehnen kann, kann er in dieser besonderen Situation auch nicht darauf vertrauen, dass die Umstände der Darlehensauskehr und –abwicklung, soweit sie - wie hier - amtliche Informationen i.S.v. § 3 Satz 1 IFG NRW sind, ohne Weiteres geheimbleiben.
77c) Gegen ein Verständnis des Bankgeheimnisses als „besondere Vorschrift“, welche die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes NRW vollständig blockiert, spricht außerdem, dass das Informationsfreiheitsgesetz NRW im Hinblick auf das grundlegende Verhältnis zwischen Informationszugangsanspruch und etwaigen Ausschlusstatbeständen aus Gründen des Geheimnisschutzes einen integrativen Ansatz verfolgt.
78Das Informationsfreiheitsgesetz NRW hat den Anspruch, den Informationszugang ohne Bedingungen für die Bürgerinnen und Bürger des Landes Nordrhein-Westfalen umfassend sowie verfahrensunabhängig auszugestalten. Ziel des Gesetzes ist es, ein allgemeines Informationszugangsrecht als Jedermanns-Recht zu eröffnen. Ein rechtliches oder berechtigtes Interesse ist nicht nachzuweisen. Ausnahmeklauseln sollen entsprechend der Bedeutung des Informationszugangsanspruchs eng interpretiert und nur für bestimmte Ausnahmefälle vorgesehen werden.
79Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 2 und S. 9.
80Diese Absicht des Gesetzgebers findet sich unmittelbar im Gesetz wieder. § 4 Abs. 1 IFG NRW formuliert einen allgemeinen Informationszugangsanspruch, dem bei einem - wie oben unter I. 1. gezeigt - weiten Begriffsverständnis öffentliche Stellen des Landes i.S.d. § 2 IFG NRW im Rahmen ihrer Verwaltungstätigkeit ausgesetzt sind. Die Ausnahmen von dem Informationszugangsanspruch bilden namentlich § 6 IFG NRW (Schutz öffentlicher Belange und der Rechtsdurchsetzung), § 7 IFG NRW (Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses), § 8 IFG NRW (Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse) und § 9 IFG NRW (Schutz personenbezogener Daten) ab. Zum Rangverhältnis des Informationsfreiheitsgesetzes NRW zu Spezialvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen äußert sich die den Ausschlussgründen vorgelagerte Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW.
81Aus dieser Systematik ergibt sich, dass ein etwaiger Ausschluss des Anspruchs aus § 4 Abs. 1 IFG NRW zum Schutz des Bankgeheimnisses erst innerhalb des Informationsfreiheitsgesetzes NRW nach Maßgabe der Ausschlussgründe der §§ 6 ff. IFG NRW zu beurteilen ist. In diese ist das Bankgeheimnis genauso wie das Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO - soweit methodisch möglich - informationsfreiheitsrechtlich zu integrieren.
82So auch mit Blick auf das Steuergeheimnis des § 30 AO: OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 915 = juris Rn. 72, ebenso zu §§ 421 ff. ZPO: OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, NVwZ-RR 2003, 800 juris Rn. 21 ff.
83Nicht hinnehmbare Geheimnisschutzlücken sind dadurch nicht zu befürchten. Die Einschränkungen, denen der Zugangsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW durch die in §§ 6 ff. IFG NRW getroffenen Regelungen unterliegt, stellen hinreichend sicher, dass private Belange der am Verwaltungsverfahren Beteiligten oder unbeteiligter Dritter, die einer Offenbarung des Akteninhalts oder Teilen von diesem entgegenstehen, in gleich effektiver Weise wie durch das Bankgeheimnis selbst geschützt werden.
84Vgl. insofern wiederum OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 915 = juris Rn. 65, Beschluss vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, NJW 2005, 2028 = juris Rn. 26.
85d) Diese Lesart wird durch einen Blick auf das vergleichbar strukturierte Informationsfreiheitsgesetz des Bundes gestützt.
86Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes implementiert gleichfalls ein umfassendes Regelungskonzept. Es bringt das Auskunftsinteresse und Belange des Daten- und Geheimnisschutzes zueinander in Ausgleich. Die Informationsfreiheitsgesetze der Länder wurden bei seiner Erarbeitung ausgewertet. Soweit sich für vergleichbare Sachverhalte eine einheitliche Begriffsbestimmung gebildet hat, wurde diese übernommen.
87Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 7.
88Diese gesetzgeberische Grundidee spiegelt sich in den einzelnen Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes wider. § 1 Abs. 1 IFG Bund gewährt einen freien (voraussetzungslosen) Informationszugangsanspruch für jedermann gegenüber den Behörden des Bundes. Der Informationszugang ist lediglich ausgeschlossen, wenn im Einzelfall einer der im Informationsfreiheitsgesetz des Bundes vorgesehenen Versagungsgründe - § 3 IFG Bund (Schutz von besonderen öffentlichen Belangen), § 4 IFG Bund (Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses, § 5 IFG Bund (Schutz personenbezogener Daten) sowie § 6 IFG Bund (Schutz des geistigen Eigentums und von Betriebsgeheimnissen) - eingreift. Diese Ausnahmetatbestände sind konkret und präzise. Nach den üblichen Auslegungsregelungen sind sie eng zu verstehen.
89Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 9; das Gebot einer engen Auslegung der Ausnahmetatbestände des § 3 IFG Bund betonen daran anschließend BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 39, Beschluss vom 9. November 2010 - 7 B 43.10 -, NVwZ 2011, 235 = juris Rn. 12; OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981 = juris Rn. 52.
90Spezialgesetzliche Geheimhaltungsvorschriften, die als Ausschlussgründe gegen einen Anspruch auf Informationszugang in Frage kommen, sperren daher nach der Systematik des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes dessen Anwendbarkeit nicht von vornherein und pauschal. Sie können aber in das Informationsfreiheitsgesetz integrierte Ausschlussgründe darstellen bzw. zu solchen werden, soweit sie von einem der Versagungstatbestände der §§ 3 ff. IFG Bund in Bezug genommen werden oder in diesem sachlich aufgehen.
91Vgl. insofern BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 18.12 -, ZIP 2015, 496 = juris Rn. 40 (zu § 9 Abs. 1 KWG und § 3 Nr. 4 IFG Bund); OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 79 (zu § 97 Abs. 7 Satz 7 SGB V und § 3 Nr. 4 IFG Bund); Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 147 und Rn. 152 (zum Bankgeheimnis und §§ 3 Nr. 4, 6 Satz 2 IFG Bund).
92Diesen integrativen Befund unterstreicht die Vorrangregel des § 1 Abs. 3 IFG Bund, die § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW auf der Ebene des Bundesrechts entspricht.
93§ 1 Abs. 3 IFG Bund zufolge gehen dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (nur) Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme des § 29 VwVfG und des § 25 SGB X vor.
94Eine (Komplett-)Sperrwirkung gegenüber dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes kann demnach nur eine fachgesetzliche Spezialnorm entfalten, die einen mit dem Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz identischen sachlichen Regelungsgegenstand hat und die sich als spezialgesetzliche Bestimmung im Verhältnis zu dem Informationsfreiheitsgesetz als abschließend versteht. Auch im Bereich des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes sind Konkurrenzfragen in jedem konkreten Einzelfall durch eine systematische, an Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung der jeweiligen Informationszugangsrechte zu klären.
95Vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 46, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 9; OVG NRW, Urteil vom 26. Oktober 2011 - 8 A 2593/10 -, DVBl. 2012, 365 = juris Rn. 169.
96Eine derartige fachgesetzliche Spezialnorm ist das Bankgeheimnis losgelöst von seiner normativen Verortung aber - wie dargelegt - nicht, so dass insoweit auch bundesrechtlich kein anderes Ergebnis erzielt würde als unter dem Regime des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW.
97Dass das Bankgeheimnis keine umfassende Sperrwirkung in Relation zu dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes entfalten kann, lässt sich schließlich auch exemplarisch aus seiner informationsfreiheitsrechtlich orientieren Gegenüberstellung mit einer vergleichbaren Geheimhaltungsnorm wie § 9 Abs. 1 Satz 1 KWG ableiten. Dieses Ergebnis ist wegen der Funktionsparallelität von § 1 Abs. 3 IFG Bund und § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW auf das Landesrecht übertragbar.
98In ähnlicher Weise wie das Bankgeheimnis regelt § 9 Abs. 1 Satz 1 KWG, dass u. a. die bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht beschäftigten Personen, soweit sie zur Durchführung dieses Gesetzes tätig werden, die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Instituts oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten dürfen, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist.
99§ 9 Abs. 1 Satz 1 KWG verriegelt indessen nicht den Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes als Ganzes. Vielmehr beinhaltet er eine erst namentlich im Rahmen von § 3 Nr. 4 IFG Bund bzw. ggf. von § 6 Satz 2 IFG Bund beachtliche Verschwiegenheitspflicht. Wie das generelle Bankgeheimnis erschöpft er sich nicht in einer formellen Verschwiegenheitspflicht, sondern umschreibt die Geheimhaltungsbedürftigkeit zugleich nach materiellen Kriterien, was seine informationsfreiheitliche Eingliederung in den Katalog der Ausschlussgründe der §§ 3 ff. IFG NRW sowohl ermöglicht als auch gebietet.
100Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 18.12 -, ZIP 2015, 496 = juris Rn. 40.
1012. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass das Bankgeheimnis - selbst wenn es sich um Gewohnheitsrecht im Rang eines Bundesgesetzes handelt - die landesgesetzlichen Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW nicht gemäß Art. 31 GG verdrängt.
102Gemäß Art. 31 GG bricht Bundesrecht Landesrecht.
103Art. 31 GG regelt als eine grundlegende Vorschrift des Bundesstaatsprinzips die Lösung von Widersprüchen zwischen Bundes- und Landesrecht. Er bestimmt das Rangverhältnis für alle Arten von Rechtssätzen jeder Rangstufe. Art. 31 GG löst die Kollision von Normen und setzt daher zunächst voraus, dass die Regelungen des Bundes- und Landesrechts auf denselben Sachverhalt anwendbar sind und zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen. Können die sich in ihrem Regelungsbereich überschneidenden Normen bei ihrer Anwendung zu verschiedenen Ergebnissen führen, bricht Bundesrecht jeder Rangordnung eine landesrechtliche Regelung auch dann, wenn sie Bestandteil des Landesverfassungsrechts ist.
104Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Juni 2009 - 1 BvR 198/08 -, NVwZ 2009, 1426 = juris Rn. 26, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08 -, BVerfGE 121, 317 = NJW 2008, 2409 = juris Rn. 99, Beschlüsse vom 5. Juni 1998 - 2 BvL 2/97 -, BVerfGE 98, 145 = NJW 1999, 1095 = juris Rn. 49, und vom 15. Oktober 1997 - 2 BvN 1/95 -, BVerfGE 96, 345 = NJW 1998, 1296 = juris Rn. 62.
105Nach diesen Grundsätzen verdrängt das Bankgeheimnis § 4 Abs. 1 IFG NRW auch nach Art. 31 GG nicht, wobei es wiederum nicht auf die genaue normative Klassifikation des Bankgeheimnisses ankommt. Art. 31 GG hat keinen anderen Regelungsgehalt als § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW, weswegen dieser als einfachgesetzliche (landesrechtliche) Entsprechung der verfassungsrechtlichen Kollisionsnorm angesehen werden kann.
106Vgl. dazu auch OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, NVwZ-RR 2003, 800 = juris Rn. 20.
107Beide Kollisionsregeln gelangen zu demselben Resultat, weil das Bankgeheimnis, auch wenn es sich um ein Bundesgesetz handelte, keine Sperrwirkung entfaltet. Insoweit wird auf die der Sache nach deckungsgleichen Ausführungen unter II. 1. verwiesen.
108Im Anschluss daran kann auch kompetenzrechtlich keine Konfliktlage zwischen dem Bundes(Verfassungs-)recht und dem Informationsfreiheitsgesetz NRW bestehen.
109Dem Land Nordrhein-Westfalen steht für den Erlass seines Informationsfreiheitsgesetzes eine Gesetzgebungskompetenz nach Art. 70 Abs. 1 GG auch insoweit zu, als das Gesetz im Einzelfall Informationszugangsansprüche gegen öffentlich-rechtliche Kreditinstitute betreffen kann, die sich auf das Bankgeheimnis berufen. Es handelt sich bei dem Informationsfreiheitsrecht auch in dieser Hinsicht nicht um in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallendes Recht der Wirtschaft nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG.
110Der Bund hat sich beim Erlass des Informationsfreiheitsgesetzes auf seine Annexkompetenz für das Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit den ihm zugewiesenen Sachkompetenzen gestützt. Nur soweit der Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber den Behörden des Bundes geregelt wird, ist eine Bundeskompetenz gegeben.
111Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 7, sowie BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2007 - 7 B 9.07 -, NWVBl. 2008, 59 = juris Rn. 8 ff.; OVG NRW, Urteil vom 9. November 2006 - 8 A 1679/04 -, NWVBl. 2007, 187 = juris Rn. 74 ff.; siehe darüber hinaus BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 -, BVerwGE 146, 56 = DVBl. 2013, 1118 = juris Rn. 17 ff (keine Gesetzgebungskompetenz der Länder für eine Verpflichtung des Bundenachrichtendienstes zu Auskünften nach einem Pressegesetz des Landes).
112Im Übrigen, soweit es um den Informationszugang zu öffentlichen Stellen eines Landes geht, zu denen auch öffentlich-rechtliche Kreditinstitute zählen, liegt die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern. Diese reichern insofern ihr Verwaltungsverfahrensrecht aufgrund von Art. 70 Abs. 1 GG mit materiellen Informationszugangsansprüchen an. Sie gestalten diese Ansprüche aus, treffen dabei aber keine Regelungen zu Inhalt und Reichweite des Bankgeheimnisses als solchem. Dieses kommt informationsfreiheitsrechtlich - wie dargestellt - erst und nur im normativen Rahmen der §§ 6 ff. IFG NRW zur Geltung, was kompetenzrechtlich bedenkenfrei ist.
113Vgl. in diesem Kontext nochmals BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2007 - 7 B 9.07 -, NWVBl. 2008, 59 = juris Rn. 8 ff.; OVG NRW, Urteil vom 9. November 2006 - 8 A 1679/04 -, NWVBl. 2007, 187 = juris Rn. 74 ff.
114Unabhängig davon könnte der Bundesgesetzgeber zwar etwa Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG heranziehen, um das Bankgeheimnis in Gesetzesform zu gießen. Er hat von dieser Kompetenz aber für die hier in Rede stehende Konstellation (Förderbank) bislang keinen Gebrauch gemacht (s. dazu 1a) und b)).
115III. Dem Anspruch des Klägers aus § 4 Abs. 1 IFG NRW stehen keine Ablehnungsgründe entgegen. Die Versagungstatbestände aus § 8 Satz 1 IFG NRW (dazu 1.), aus § 9 IFG NRW (dazu 2.) und aus § 5 Abs. 4 IFG NRW (dazu 3.) greifen nicht ein. Andere Ausschlussgründe kommen nicht in Betracht und werden von der Beklagten auch nicht angeführt.
1161. Die Beklagte kann sich gegenüber dem Informationszugangsanspruch des Klägers nicht erfolgreich auf § 8 Satz 1 IFG NRW berufen.
117§ 8 Satz 1 IFG NRW bestimmt, dass der Antrag auf Informationszugang abzulehnen ist, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.
118Geschäftsgeheimnisse in diesem Sinne betreffen den kaufmännischen Teil eines Gewerbebetriebes, der nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist und mit Blick auf die berechtigten wirtschaftlichen Interessen nach dem Willen des Unternehmers geheim gehalten werden sollen. Hierzu zählen Preiskalkulationen, Bezugsquellen, Ertragslage, Kreditwürdigkeit, Geschäftsverbindungen, Marktstrategien sowie Kundenlisten.
119Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Mai 2006 - 8 A 1642/05 -, NWVBl. 2006, 292 = juris Rn. 64; zum bundesrechtlichen Begriff des § 6 Satz 2 IFG Bund: OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981= juris Rn. 125 ff.,
120Erfasst ist davon prinzipiell auch das Bankgeheimnis mit dem oben skizzierten Inhalt als Grundlage des Geschäftsmodells „Bank“, das auf der Vertraulichkeit der Geschäftsbeziehung zwischen Bankkunde und Bank beruht, mag diese im Einzelfall auch öffentlich-rechtlichen Charakter tragen.
121Die Beklagte erfüllt aber die zusätzliche Voraussetzung des § 8 Satz 1 IFG NRW nicht, dass ihr durch die Übermittlung der Information ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.
122Ein wirtschaftlicher Schaden ist anzunehmen, wenn die in Anspruch genommene öffentliche Stelle konkret und substantiiert deutlich macht, dass sich ihre Wettbewerbssituation durch die Offenbarung des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses nachhaltig verschlechtern wird.
123Vgl. Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 8 Rn. 878 f.
124Diese Voraussetzung ist im konkreten Fall nicht gegeben.
125Die Beklagte hat nicht hinreichend substantiiert und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die Offenbarung der in dem noch anhängigen Klageantrag bezeichneten Auszahlungszeitpunkte bestimmter Darlehen ihr oder dem Darlehensnehmer einen wirtschaftlichen Schaden zufügen würde. Allein der Umstand, dass die Beklagte dem Kläger die verlangte - im konkreten Einzelfall sehr eingegrenzte und spezifische - Auskunft erteilt, die überdies eine unmittelbare sachliche Beziehung zu der früheren Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der Komplementärgesellschaften der (Förder-)Darlehensnehmer und als Bürge für diese Darlehen hat, verschlechtert ihre Wettbewerbsposition als Bank absehbar nicht. Im Zuge einer zivilrechtlichen Inanspruchnahme des Klägers durch die Beklagte aus der übernommenen Bürgschaft müsste die Beklagte zu der Auszahlung der Darlehen und zu dem Auszahlungszeitpunkt ohnehin vortragen, um einen Anspruch aus §§ 765 ff. BGB gegen den Kläger schlüssig zu machen. Deswegen ist auch kein Wertungswiderspruch zwischen der Bejahung eines Informationszugangsanspruchs des Klägers und einem Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu erkennen, das im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis bestehen kann. Überdies ist in Förderrechtsverhältnissen, die der Umsetzung eines vorgeschalteten Zuwendungsbescheids dienen, eine solche Verschlechterung der Marktposition der Beklagten nicht denkbar. Dies zieht zusätzlich die Schutzwürdigkeit der Angaben über die Auszahlungszeitpunkte in Zweifel.
126Soweit man für den wirtschaftlichen Schaden i.S.v. § 8 Satz 1 IFG NRW (auch) auf die Darlehensnehmer abstellt, ergibt sich nichts anderes. Es ist gleichfalls nicht ersichtlich, dass diesen oder ihren Rechtsnachfolgern aus der Offenlegung der Auszahlungszeitpunkte der Darlehen gegenüber dem Kläger ein wirtschaftlicher Schaden erwachsen kann. Es ist insbesondere nicht zu ersehen, dass deren Kreditwürdigkeit wegen dieser speziellen Information, die aus einem öffentlich-rechtlichen Förderrechtsverhältnis stammt, Schaden nimmt.
1272. Im Weiteren steht dem streitgegenständlichen Anspruch des Klägers aus § 4 Abs. 1 IFG NRW nicht der Ausschlussgrund des § 9 IFG NRW entgegen.
128Der Antrag auf Informationszugang ist gemäß § 9 Abs. 1 Hs. 1 IFG NRW abzulehnen, soweit durch das Bekanntwerden der Information personenbezogene Daten offenbart werden und keine der in § 9 Abs. 1 Hs. 2 IFG NRW aufgezählten Ausnahmen vorliegt.
129Der Begriff der personenbezogenen Daten des § 9 Abs. 1 Hs. 1 IFG NRW entspricht dem in § 3 Abs. 1 BDSG verwendeten. Diesem zufolge sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person.
130Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. April 2015 - 15 A 2342/12 -, und vom 27. Januar 2010 - 8 A 203/09 -, juris Rn. 9.
131Danach ist § 9 Abs. 1 IFG NRW nicht einschlägig, weil die im Streit befindlichen Informationen keine natürliche Person und damit keine personenbezogenen Daten betreffen. Es ist auch nicht zu erkennen, dass durch die Bekanntgabe der Auszahlungszeitpunkte konkrete Rückschlüsse auf die persönlichen Verhältnisse der hinter den Gesellschaften stehenden natürlichen Personen möglich werden.
132Eine mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungskonforme Erweiterung des Schutzbereichs des § 9 Abs. 1 IFG NRW auf juristische Personen wie die Darlehensnehmer der Beklagten ist nicht geboten. Deren Geschäftsgeheimnisse, denen das Bankgeheimnis informationsfreiheitsrechtlich grundsätzlich zugeordnet werden kann, werden - wie ausgeführt - grundsätzlich durch § 8 Satz 1 IFG NRW hinreichend geschützt.
1333. Zuletzt greift der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 4 IFG NRW nicht zugunsten der Beklagten ein.
134Nach dieser Vorschrift kann der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden, wenn die Information der Antragstellerin oder dem Antragsteller bereits zur Verfügung gestellt worden ist oder wenn sich die Antragstellerin oder der Antragsteller die Information in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann.
135§ 5 Abs. 4 IFG NRW liegt die Erwägung zugrunde, dass die Beschränkung des Informationszugangs sachgerecht ist, wenn der Zugang zu den gewünschten Informationen in den in der Norm genannten Fällen im Ergebnis gewährleistet ist.
136Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 12.
137§ 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW ist bei teleologischer Betrachtung dahingehend zu verstehen, dass es für eine Ablehnung des Informationsbegehrens ausreichen kann, dass der Antragsteller tatsächlich - aus welchen Gründen auch immer - über die Information verfügt. Sie muss ihm also nicht gerade durch eine öffentliche Stelle zur Verfügung gestellt worden sein. Für diese Auslegung spricht der Sinn und Zweck der Regelung, bei Wahrung des Informationszugangs unnötigen Aufwand für die öffentlichen Stellen zu vermeiden. Insofern ist § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG bis zur Schwelle der Unverhältnismäßigkeit auch Ausdruck einer Obliegenheit des Antragstellers, sich die Kenntnis von einmal erlangten Informationen im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren im eigenen Interesse dauerhaft zu erhalten.
138Vgl. Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 5 Rn. 650 f.
139Eine allgemeine Pflicht, sich die amtlichen Informationen selbst zu beschaffen, statuiert § 5 Abs. 4 IFG NRW indes nicht. Dies gilt - wie § 5 Abs. 4 Alt. 2 IFG NRW klarstellt - allenfalls für die Konstellation, dass sich die Information aus allgemein zugänglichen Quellen gewinnen lässt.
140Stützt sich die Behörde auf den in ihrem Ermessen stehenden Versagungstatbestand aus § 5 Abs. 4 IFG NRW, muss sie bei ihrer Ermessensausübung konkret und substantiiert darlegen, dass dessen Voraussetzungen gegeben sind. Nur unter dieser Bedingung ist es bei der - oben angesprochen - gebotenen engen Auslegung der informationsfreiheitsrechtlichen Ausnahmetatbestände gerechtfertigt, aus Gründen der Vermeidung von Verwaltungsaufwand den (erneuten) Informationszugang abzulehnen.
141Vgl. dazu auch OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 915 = juris Rn. 81; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2015 - OVG 12 N 88.13 -, juris Rn. 11; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23. April 2010 - 10 A 10091/10 -, juris Rn. 34 (jeweils zu § 9 Abs. 3 IFG Bund).
142Ausgehend davon kann die Beklagte ihre Ablehnungsentscheidung nicht erfolgreich mit dem Verweis auf § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW begründen.
143Die Beklagte hat nicht hinreichend substantiiert, dass der Kläger in der Vergangenheit entgegen seinem Vortrag Kenntnis von den Zeitpunkten der Darlehensauszahlungen hatte. Die Beklagte legt nicht dar, wer konkret dem Kläger diese Informationen wann und unter welchen Umständen zur Verfügung gestellt haben soll. Dass der Kläger für die Darlehensnehmer mit der WfA bzw. der Beklagten Gespräche über die Abwicklung des Förderverhältnisses geführt hat, reicht dafür nicht. Der Kläger hat in seiner Berufungserwiderung bestritten, dabei eine federführende Rolle eingenommen zu haben. Dagegen, dass der Kläger über die Informationen verfügt, spricht zudem maßgeblich das vorliegende Verfahren selbst. Der Kläger würde diese Klage mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht anstrengen und weiterverfolgen, wenn er diese Informationen schon hätte.
144Da es an der Substantiierung der (vormaligen) Kenntnis des Klägers von den Informationen über die Zeitpunkte der Darlehensauskehrungen durch die Beklagte fehlt, kommt es nicht darauf an, ob der Kläger diese Informationen womöglich sorgfaltswidrig wieder verloren hat.
145Selbst wenn dies zu bejahen wäre, hätte die Beklagte, um den Ablehnungsgrund des § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW auszufüllen, zusätzlich auf Ermessensseite plausibilisieren müssen, warum es für sie einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand darstellt, dem Kläger die Auszahlungszeitpunkte nochmals mitzuteilen. Dies hat die Beklagte aber nicht getan. Vielmehr hat sie in ihrem Ablehnungsbescheid vom 17. Juni 2011 eingeräumt, dass der Verwaltungsaufwand, der erforderlich ist, um das klägerische Begehren zu erfüllen, gering ist.
146Da die Zeitpunkte der Darlehensvalutierungen nicht anhand allgemein zugänglicher Quellen i.S.d. § 5 Abs. 4 Alt. 2 IFG NRW ermittelbar sind, traf den Kläger schließlich keine anspruchsvernichtende Pflicht, sich die Informationen selbst zu beschaffen.
147Um zu der vorstehenden Überzeugung zu gelangen, ist die von Beklagtenseite schriftsätzlich angeregte Beteiligtenvernehmung des Klägers nach § 96 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht geboten.
148Wie sich § 98 VwGO i.V.m. § 450 Abs. 2 ZPO entnehmen lässt, ist die Beteiligtenvernehmung auch im Verwaltungsprozess lediglich nachrangig zulässig. Sie dient als letztes Hilfsmittel zur Aufklärung des Sachverhalts, wenn trotz Ausschöpfen aller anderen Beweismittel noch Zweifel verbleiben. Es muss weiterhin eine gewisse Wahrscheinlichkeit für (oder gegen) die unter Beweis gestellte Behauptung des Beteiligten bestehen.
149Vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 12. März 2014 - 5 B 48.13 -, NVwZ-RR 2014, 660 = juris Rn. 17, vom 5. Juni 2013 - 5 B 11.13 -, juris Rn. 11, und vom 21. Juni 2007 - 2 B 28.07 -, juris Rn. 12 f.
150Nach diesen Grundsätzen war eine förmliche Beteiligtenvernehmung des Klägers nicht angezeigt. Wie ausgeführt, fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger über die beanspruchten Informationen verfügt oder verfügt hat.
151Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
152Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
153Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
154Zwar können das Verständnis und die Auslegung der bundesrechtlichen Bestimmungen, die bei der Subsumtion unter den landesrechtlichen Begriff der „besonderen Rechtsvorschrift“ i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW zugrunde zu legen sind, Gegenstand revisionsgerichtlicher Prüfung sein.
155Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2012 - 7 B 53.11 -, DVBl. 2012, 970 = juris Rn. 6.
156Allerdings kommt der Frage, ob das Bankgeheimnis unter § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW zu subsumieren ist und eine „Vollsperrung“ des Informationsfreiheitsgesetzes NRW nach sich ziehen kann, auch dann keine grundsätzliche Bedeutung zu, wenn man das nicht kodifizierte Bankgeheimnis als revisibles Recht begreift. Diese Frage lässt sich auf der Basis des Informationsfreiheitsgesetzes NRW und der zugehörigen Gesetzesmaterialen sowie der einschlägigen Rechtsprechung ohne Weiteres im oben genannten Sinn beantworten, ohne dass ein weitergehender Klärungsbedarf erkennbar wird. Dasselbe gilt für die Anwendung und Reichweite von Art. 31 GG und für die Frage der Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers für das Informationsfreiheitsgesetz NRW in Angelegenheiten, die in einem Sachzusammenhang mit dem Bankgeheimnis und öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten stehen.
157Vgl. insofern zu § 30 AO: BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2012 - 7 B 53.11 -, DVBl. 2012, 970 = juris Rn. 7 ff.
(1) Die Bekanntgabe einer Entscheidung, mit der der Antrag ganz oder teilweise abgelehnt wird, hat innerhalb der Frist nach § 7 Abs. 5 Satz 2 zu erfolgen.
(2) Soweit die Behörde den Antrag ganz oder teilweise ablehnt, hat sie mitzuteilen, ob und wann der Informationszugang ganz oder teilweise zu einem späteren Zeitpunkt voraussichtlich möglich ist.
(3) Der Antrag kann abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits über die begehrten Informationen verfügt oder sich diese in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann.
(4) Gegen die ablehnende Entscheidung sind Widerspruch und Verpflichtungsklage zulässig. Ein Widerspruchsverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung ist auch dann durchzuführen, wenn die Entscheidung von einer obersten Bundesbehörde getroffen wurde.
(1) Für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach diesem Gesetz werden Gebühren und Auslagen erhoben. Dies gilt nicht für die Erteilung einfacher Auskünfte.
(2) Die Gebühren sind auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes so zu bemessen, dass der Informationszugang nach § 1 wirksam in Anspruch genommen werden kann.
(3) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach diesem Gesetz die Gebührentatbestände und Gebührensätze durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen. § 10 des Bundesgebührengesetzes findet keine Anwendung.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen darf nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen darf nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Tenor
-
§ 81 Absatz 6 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels vom 18. Dezember 2007 (Bundesgesetzblatt I Seite 2966) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Gründe
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A.
- 1
-
Die Vorlage betrifft die Frage, ob die Verzinsungsregelung für Kartellgeldbußen in § 81 Abs. 6 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
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I.
- 2
-
1. Gemäß § 81 GWB handelt ordnungswidrig, wer gegen bestimmte kartellrechtliche Vorschriften des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (§ 81 Abs. 1 GWB) oder des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verstößt (§ 81 Abs. 2 und 3 GWB).
- 3
-
Die vom vorlegenden Oberlandesgericht für verfassungswidrig gehaltene Vorschrift des § 81 Abs. 6 GWB regelt die Verzinsung der wegen einer solchen Ordnungswidrigkeit in einem Bußgeldbescheid festgesetzten Geldbuße. Die Vorschrift ist durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 7. Juli 2005 (BGBl I S. 1954) in das Gesetz eingefügt worden. Sie blieb bei der Neufassung des § 81 GWB durch das Gesetz zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels vom 18. Dezember 2007 (BGBl I S. 2966 <2968>) unverändert und lautet:
- 4
-
§ 81
- 5
-
Bußgeldvorschriften
- 6
-
(1) bis (5) …
- 7
-
(6) Im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen sind zu verzinsen; die Verzinsung beginnt zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheides. § 288 Abs. 1 Satz 2 und § 289 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden.
- 8
-
(7) bis (10) …
- 9
-
Zur Begründung der Vorschrift wird im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 15/3640, S. 67) ausgeführt, in der Praxis habe sich gezeigt, dass für Unternehmen wegen des zum Teil erheblichen Zinsvorteils ein deutlicher Anreiz bestehen könne, die Zahlung der Geldbuße so lange wie möglich hinauszuzögern. Insbesondere im Falle hoher Geldbußen könnten Unternehmen allein dadurch einen erheblichen Zinsgewinn erzielen, dass sie gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegten und diesen kurz vor der gerichtlichen Entscheidung wieder zurücknähmen. Die Zinspflicht sei keine zusätzliche Sanktion, sondern diene allein der Aufrechterhaltung der Sanktionswirkung der eigentlichen Geldbuße (BTDrucks 15/3640, S. 42).
- 10
-
Der Bundesrat hatte sich im Gesetzgebungsverfahren gegen die Verzinsungsregelung ausgesprochen, weil sie dem deutschen Ordnungswidrigkeits- und Strafrecht fremd sei und auf Bedenken hinsichtlich Art. 19 Abs. 4 GG stoße (BTDrucks 15/3640, S. 82).
- 11
-
2. Die Absätze 4 und 5 des § 81 GWB enthalten Regelungen über die Höhe der Kartellgeldbuße. § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB sieht vor, dass die Ordnungswidrigkeit in bestimmten Fällen mit einer Geldbuße bis zu einer Million € geahndet werden kann. Gegen ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung kann darüber hinaus eine höhere Geldbuße verhängt werden, die 10 % des in dem der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung nicht übersteigen darf (§ 81 Abs. 4 Satz 2 GWB). Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist nach § 81 Abs. 4 Satz 6 GWB sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen. Daneben ist nach überwiegender Auffassung die Bemessungsvorschrift des § 17 Abs. 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) anzuwenden (vgl. Cramer/Pananis, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl. 2009, § 81 Rn. 63 m.w.N.). Danach sind Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft; auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters kommen als Anknüpfungspunkt in Betracht, bleiben jedoch bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten in der Regel unberücksichtigt (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG).
- 12
-
3. Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG können Betroffene gegen den Bußgeldbescheid innerhalb von zwei Wochen nach dessen Zustellung Einspruch einlegen. Der Einspruch steht der Vollstreckung des Bußgeldbescheids entgegen, weil Bußgeldentscheidungen nach § 89 OWiG erst nach Eintritt ihrer Rechtskraft vollstreckbar sind. Nach Einlegung eines Einspruchs entscheidet das zuständige Gericht über die Tat, ohne an den Bußgeldbescheid gebunden zu sein. Der Bußgeldbescheid kann aber gleichwohl noch rechtskräftig werden, falls der Einspruch zurückgenommen oder vom Gericht als unzulässig verworfen wird.
-
II.
- 13
-
1. Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Antragstellerin) betreibt in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft ein Versicherungsunternehmen.
- 14
-
Mit Bescheid vom 17. März 2005 setzte das Bundeskartellamt gegen sie wegen mehrerer vorsätzlicher Verstöße gegen das Kartellverbot (§ 1 GWB) eine Geldbuße in Höhe von insgesamt 6,4 Mio. € fest. Gegen diesen Bußgeldbescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein. Am 18. Mai 2009 verfügte das Kartellgericht gemäß § 47 Abs. 2 OWiG die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich einer der Taten, für die eine anteilige Geldbuße von 400.000 € festgesetzt worden war. Am 15. Juli 2009 nahm die Antragstellerin ihren Einspruch im Übrigen zurück, was sie mit wirtschaftlichen Erwägungen insbesondere vor dem Hintergrund des für sie völlig unkalkulierbaren Risikos einer Erhöhung der Bußgeldsumme erklärt.
- 15
-
Nachdem die Antragstellerin in der Folgezeit die verbliebene Geldbuße in Höhe von 6 Mio. € beglichen hatte, wurde sie vom Bundeskartellamt mit Beschluss vom 11. März 2011, berichtigt durch Beschluss vom 28. April 2011, unter Hinweis auf § 81 Abs. 6 GWB aufgefordert, weitere 1.768.560 € als Zinsen auf die Geldbuße zu zahlen.
- 16
-
Dagegen wandte sich die Antragstellerin gemäß § 103 Abs. 1 Nr. 3 OWiG an das vorlegende Oberlandesgericht und machte insbesondere verfassungsrechtliche Einwendungen gegen die Zinsforderung geltend. Die zugrunde liegende Vorschrift des § 81 Abs. 6 GWB verstoße gegen die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung und gegen das Verbot der Doppelbestrafung. Außerdem werde in ihre Berufsfreiheit und in ihr Eigentumsrecht in unverhältnismäßiger Weise eingegriffen. Eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung liege darin, dass nur bei einer Festsetzung durch Bußgeldbescheid, nach überwiegender Auffassung aber nicht bei einer Verurteilung durch das Oberlandesgericht im Einspruchsverfahren Zinsen zu zahlen seien. Ohnehin sei die gesetzliche Grundlage für die Geldbuße wegen Kartellverstößen in § 81 Abs. 4 GWB zu unbestimmt, weshalb auch die daran anknüpfende Verzinsungspflicht verfassungswidrig sei. Schließlich liege mit der Zinsbelastung auch ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG vor, weil sie zu einer unzumutbaren Erschwerung des Rechtswegs führe.
- 17
-
2. Das Oberlandesgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht unter mehreren Gesichtspunkten die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 81 Abs. 6 GWB mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.
- 18
-
Die gesetzgeberische Entscheidung, denjenigen Bußgeldschuldner mit einer Zinspflicht zu belasten, der die gegen ihn behördlich verhängte Geldbuße nicht zeitnah begleiche, bewirke zwar keine sachwidrige Behinderung des effektiven Rechtsschutzes und sei deshalb mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich unbedenklich. § 81 Abs. 6 GWB verstoße aber in dreifacher Hinsicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
- 19
-
Zunächst sei eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zu Lasten von juristischen Personen und Personenvereinigungen darin zu sehen, dass nur sie der Verzinsungspflicht unterworfen seien, obwohl auch natürliche Personen etwa als einzelkaufmännische Unternehmensträger in gleicher Weise wie juristische Personen und Personenvereinigungen durch missbräuchliche Einlegung eines Einspruchs Zinsvorteile erlangen könnten. Dass natürliche Personen aufgrund der Höhe der gegen sie festgesetzten Geldbuße im Unterschied zu juristischen Personen und Personenvereinigungen im Allgemeinen kein Interesse hätten, nur zur Erzielung von Zinsvorteilen den Rechtsweg zu beschreiten, sei nicht festzustellen.
- 20
-
Ferner liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung darin, dass § 81 Abs. 6 GWB nur Kartellbußgeldschuldner einer Pflicht zur Verzinsung der Geldbuße unterwerfe, nicht aber auch die Schuldner von Geldbußen aus anderen Rechtsgebieten wie etwa dem Umweltrecht, dem Straßenverkehrsrecht oder dem Datenschutzrecht. Da § 81 Abs. 6 GWB Kartellgeldbußen ohne Rücksicht auf ihre Höhe der Verzinsung unterwerfe, könne die Ungleichbehandlung nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass vor allem im Kartellbereich auch außerordentlich hohe Geldbußen festgesetzt würden. Ebenso wenig könne angenommen werden, dass Kartellgeldbußen an sich weitaus höher ausfallen müssten als Geldbußen wegen anderer Rechtsverstöße. Die unterschiedliche Behandlung der Kartellbußgeldschuldner könne insbesondere nicht mit der Erwägung begründet werden, dass im Kartellbußgeldbereich das Einspruchsrecht in besonderem Maße missbraucht würde, um Zinsvorteile zu erwirtschaften.
- 21
-
Schließlich verstoße es gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass nur der Schuldner eines kartellbehördlich festgesetzten Bußgeldes die Geldbuße zu verzinsen habe, der Schuldner einer durch das Kartellgericht festgesetzten Geldbuße hingegen nicht. Die Ungleichbehandlung sei willkürlich. Sie sei nicht deshalb unerheblich, weil das Kartellgericht bei seiner Strafzumessung den erzielten Zinsvorteil bußgelderhöhend berücksichtigen dürfe. Selbst wenn man diesem Standpunkt folgen wollte, läge eine relevante Ungleichbehandlung vor, weil § 81 Abs. 6 GWB für kartellbehördlich festgesetzte Geldbußen zwingend eine Verzinsung in exakt bestimmter Höhe vorschreibe, während das Kartellgericht insoweit einen Spielraum habe. Damit werde der Zweck, Kartellbußgeldschuldner davon abzuhalten, eine Geldbuße allein zur Erzielung von Zinsvorteilen anzufechten, weitgehend verfehlt. Wenn nämlich die gerichtlich verhängte Geldbuße zinsfrei bleibe, während die in einem Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße zu verzinsen sei, fordere diese Rechtslage den Bußgeldschuldner geradezu auf, zur Erzielung von Zinsgewinnen Einspruch einzulegen.
- 22
-
Diese Ungleichbehandlungen könnten nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 81 Abs. 6 GWB vermieden werden. Der Inhalt der Vorschrift sei nach seinem Wortlaut und dem in den Gesetzesmaterialien verlautbarten Willen des Gesetzgebers eindeutig. Die Entscheidung des Verfahrens hänge mithin von der Gültigkeit des § 81 Abs. 6 GWB ab.
-
III.
- 23
-
Zu der Vorlage haben die Bundesregierung, das Bundeskartellamt und die Antragstellerin Stellung genommen; der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen haben über die von ihnen bislang verhängten Kartellgeldbußen berichtet.
- 24
-
1. Die Bundesregierung hält die vorgelegte Vorschrift für verfassungskonform. Die in § 81 Abs. 6 GWB normierte Verzinsungspflicht verstoße nicht gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Mit dieser Regelung habe der Gesetzgeber Rechtsschutz nicht schlechthin verweigern, sondern nur dessen Inanspruchnahme zugunsten eines systemwidrigen, finanziellen Vorteils verhindern wollen. Dies sei ein verfassungsrechtlich legitimer Zweck.
- 25
-
§ 81 Abs. 6 GWB verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das Argument, § 81 Abs. 6 GWB sei objektiv willkürlich, weil die Vorschrift nur für Kartellgeldbußen, nicht aber für andere Geldbußen eine Verzinsungspflicht vorsehe, sei unhaltbar. Der allgemeine Gleichheitssatz enthalte kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen gleich zu regeln. Nur vordergründig einleuchtend sei ferner die Auffassung, wonach es willkürlich sein solle, nur für behördliche, nicht aber für gerichtlich festgesetzte Kartellgeldbußen eine Verzinsungspflicht zu statuieren; denn das gerichtliche Bußgeldverfahren sei ein völlig eigenständiges Verfahren. Art. 3 Abs. 1 GG sei auch nicht deshalb verletzt, weil die Verzinsungspflicht lediglich juristische Personen und Personenvereinigungen treffe, nicht jedoch natürliche Personen. Entscheidend sei die verschiedene Höhe der Geldbußen. Die durchschnittliche Höhe der vom Bundeskartellamt gegen natürliche Personen mit oder ohne Unternehmenseigenschaft zwischen 1993 und 2010 festgesetzten Geldbußen betrage etwa 56.000 €. Eine natürliche Person ohne Unternehmenseigenschaft, die gemäß § 9 OWiG für ein Unternehmen handele, könne nach § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB lediglich mit einer Geldbuße in Höhe von maximal 1 Mio. € belegt werden, das betroffene Unternehmen dagegen nach § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB mit einer Geldbuße in Höhe von 10 % des Jahresumsatzes. Auch in Bezug auf natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft verstoße § 81 Abs. 6 GWB nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil in der Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts seit 1993 keine Fälle bekannt seien, in denen gegen solche Betroffene Bußgeldbescheide ergangen seien, die aufgrund der Höhe der Geldbuße einen zinsbedingten Anreiz zur Einlegung eines Einspruchs gesetzt hätten.
- 26
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2. Das Bundeskartellamt hält die Vorschrift des § 81 Abs. 6 GWB für verfassungsgemäß. Dem Gesetzgeber sei im Bereich des Kartellrechts ein weitreichender Einschätzungsspielraum zuzubilligen. Aufgrund der hohen Komplexität der Kartellbußgeldverfahren und der dadurch gebundenen Arbeitsressourcen bei Oberlandesgerichten, Generalstaatsanwaltschaften und Kartellbehörden gerate durch deren sinnlose Beanspruchung zur Erzielung von Zinsvorteilen das Gemeinwohlinteresse an einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in Gefahr. Die Zinshöhe enthalte keine zusätzliche Sanktionierung und bewege sich innerhalb der Bandbreite der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers. Die Nichteinbeziehung gerichtlicher Bußgeldentscheidungen in die Verzinsungspflicht sei rechtlich nicht zu beanstanden, weil die Inanspruchnahme der staatlichen Ressourcen in diesem Fall nicht fruchtlos allein zur Erlangung eines Zinsvorteils erfolgt sei. Art. 19 Abs. 4 GG enthalte nicht die Garantie, einen einmal eingelegten Rechtsbehelf jederzeit folgenlos zurücknehmen zu können. Selbst ein deutlicher Eingriff in die Rechtsweggarantie wäre mit dem Ziel der Verhinderung der unnötigen Inanspruchnahme der staatlichen Institutionen verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
- 27
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Ein Verstoß der Verzinsungsregelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG könne ebenso wenig festgestellt werden. Die Verzinsungspflicht allein behördlich festgesetzter, nicht hingegen gerichtlich verhängter Geldbußen sei gerechtfertigt, weil dadurch für Personen, die ernsthaft gerichtlichen Rechtsschutz erstrebten, keine abschreckende Wirkung entfaltet werden solle.
- 28
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Eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung bestehe auch nicht zwischen juristischen Personen und Personenvereinigungen auf der einen Seite und natürlichen Personen ohne Unternehmenseigenschaft auf der anderen Seite. Gegen natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft würden deutlich niedrigere Geldbußen verhängt, so dass ein geringerer Anreiz zur Einspruchserhebung allein zur Zinsersparnis bestehe. Des Weiteren liege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, soweit natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft von der Zinszahlungspflicht ausgenommen seien, weil bei ihnen zum einen wegen der persönlichen Belastungen im Einspruchsverfahren mit geringerer Wahrscheinlichkeit mit einer Einspruchserhebung allein zum Zwecke eines Zinsvorteils zu rechnen sei. Zum anderen komme es nur sehr selten zur Verhängung von Kartellgeldbußen gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft.
- 29
-
Schließlich liege eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung auch nicht deshalb vor, weil nur Kartellgeldbußen zu verzinsen seien, nicht jedoch Bußgelder aus anderen Rechtsbereichen. Die Differenzierung werde durch das spezifische Regelungsumfeld des Kartellrechts, die parallele Anwendung europäischen und nationalen Rechts sowie die Höhe der Kartellgeldbußen gerechtfertigt.
- 30
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3. Nach Auffassung der Antragstellerin verletzt die Regelung des § 81 Abs. 6 GWB den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die Gefahr missbräuchlicher Einspruchseinlegung von natürlichen Personen sei nicht wesentlich geringer als die von juristischen Personen. Selbst wenn man annähme, dass die Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden könne, erfordere dies jedenfalls nicht die gesetzlich vorgeschriebene Zinshöhe.
- 31
-
Die Regelung verstoße außerdem gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Da die Zinspflicht mit Ablauf der zweiwöchigen Einspruchsfrist beginne, könne die Zinszahlung nur vermieden werden, wenn auf den Einspruch verzichtet werde. Entgegen der gesetzgeberischen Absicht, lediglich die Zinsvorteile des Betroffenen abzuschöpfen, sei durch die Verweisung auf § 288 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ein pauschaler Zinssatz angeordnet, der auf dem Kapitalmarkt dauerhaft kaum zu erreichen sei. Im Unterschied zu den Prozesskosten könne die Höhe der Zinslast nicht vorhergesehen werden. Die Zinsnachteile könnten auch nicht durch Zahlung der Geldbuße unter Vorbehalt vermieden werden; denn in diesem Fall würde der Bußgeldbescheid entgegen der Unschuldsvermutung bereits vor Bestandskraft Sanktionswirkungen entfalten.
- 32
-
§ 81 Abs. 6 GWB verletze darüber hinaus das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG, weil kein Zinsrahmen mit einer klaren Obergrenze bestimmt sei und die verfassungswidrige Unbestimmtheit der Bußgeldregelung nach § 81 Abs. 4 GWB die Unbestimmtheit der Zinsregelung bewirke. Die Verzinsung der Geldbuße sei eine Strafe im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG, weil sie der Aufrechterhaltung der Sanktionsintensität diene. § 81 Abs. 6 GWB verstoße außerdem gegen das Prinzip schuldangemessenen Strafens und das Übermaßverbot. Schließlich liege auch ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG vor.
-
B.
- 33
-
Die Vorlage ist zulässig.
- 34
-
Der Vorlagebeschluss legt ausreichend dar, dass das Ergebnis des Ausgangsrechtsstreits von der Gültigkeit der zur Entscheidung gestellten Regelung abhängt (I.). Darüber hinaus zeigt das vorlegende Gericht hinreichend auf, dass es jedenfalls in Bezug auf eine Ungleichbehandlung natürlicher und juristischer Personen im Bereich von § 81 Abs. 6 GWB von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm überzeugt ist (II.).
-
I.
- 35
-
Gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muss das vorlegende Gericht darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm abhängt (vgl. BVerfGE 105, 48 <56>; 105, 61 <67>). Dazu muss der Vorlagebeschluss mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie das Gericht dieses Ergebnis begründen würde (vgl. BVerfGE 105, 61 <67>). Für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist dabei grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 2, 181 <190 f.>; 105, 61 <67>).
- 36
-
Diesen Voraussetzungen wird der Vorlagebeschluss gerecht. Für die Entscheidung des Rechtsstreits, dessen Gegenstand die Verpflichtung der Antragstellerin zur Zahlung von Zinsen auf die gegen sie verhängte Geldbuße ist, ist die Frage der Gültigkeit des § 81 Abs. 6 GWB als der für die Verzinsung maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung unmittelbar entscheidungserheblich. Der Vorlagebeschluss enthält insoweit die erforderliche umfassende rechtliche Würdigung des Sachverhalts (vgl. BVerfGE 127, 224 <244>).
- 37
-
An der Entscheidungserheblichkeit fehlt es auch nicht, weil der im Ausgangsverfahren nach § 103 Abs. 1 Nr. 3 OWiG gestellte Antrag bereits unzulässig sein und sich daher die Frage der Gültigkeit der Vorschrift nicht stellen könnte. Allerdings ist eine Unstatthaftigkeit des gestellten Antrags nicht völlig fernliegend. Nach § 103 Abs. 1 Nr. 3 OWiG entscheidet das Gericht über die "sonst bei der Vollstreckung eines Bußgeldbescheids getroffenen Maßnahmen". In der Literatur wird jedoch auch die Auffassung vertreten, die Anforderung der Zinsen sei keine Maßnahme bei der Vollstreckung des Bußgeldbescheids, sondern als Nebenfolge der Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 4 Abs. 5 OWiG zu behandeln (vgl. Burrichter, in: Festschrift für Rainer Bechtold zum 65. Geburtstag, 2006, S. 97 <117>). Dann wären die Zinsen nach § 66 Abs. 1 Nr. 5 OWiG Bestandteil des Bußgeldbescheids, so dass der Einspruch nach § 67 OWiG als der statthafte Rechtsbehelf angesehen werden müsste.
- 38
-
Der Vorlagebeschluss geht auf die Statthaftigkeit des Antrags nach § 103 Abs. 1 OWiG nicht ein. Allerdings hat das vorlegende Gericht diese Frage in seiner unmittelbar vorangehenden Entscheidung, mit der es die Vollstreckung der Zinsforderung ausgesetzt hat, erörtert und mit nicht offensichtlich unhaltbaren Erwägungen den Antrag nach § 103 Abs. 1 OWiG als statthaften Rechtsbehelf angesehen. Angesichts des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs beider Entscheidungen bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass das vorlegende Gericht die Frage der Statthaftigkeit des Antrags nach § 103 Abs. 1 OWiG im Vorlagebeschluss nicht abweichend beurteilen und an seiner Rechtsauffassung festhalten wollte. Dies macht eine nochmalige ausdrückliche Erörterung der Zulässigkeit des gestellten Antrags im Vorlagebeschluss entbehrlich.
-
II.
- 39
-
Für die Zulässigkeit einer Vorlage muss das Fachgericht ferner deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt. Hierzu bedarf es eingehender, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehender Darlegungen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 89, 329 <337>).
- 40
-
Daran gemessen hat das vorlegende Gericht seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit jedenfalls insoweit ausreichend dargelegt, als es für die Belastung mit Zinsen von einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung juristischer Personen und Personenvereinigungen einerseits und natürlicher Personen als Unternehmensträger andererseits ausgeht. Das vorlegende Gericht hat hierzu seinen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nachvollziehbar geschildert.
- 41
-
Für seine Prüfung ist das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht auf die insoweit dargetanen verfassungsrechtlichen Bedenken beschränkt, sondern hat die in zulässiger Weise nach Art. 100 Abs. 1 GG vorgelegte Norm unter allen denkbaren verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen (vgl. BVerfGE 93, 121 <133> m.w.N.).
-
C.
- 42
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Die Regelung zur Verzinsung einer Geldbuße nach § 81 Abs. 6 GWB ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Sie missachtet weder den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG (I.), noch die Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG (II.), noch die verfassungsrechtlich garantierte Unschuldsvermutung (III.) oder den besonderen Gesetzesvorbehalt aus Art. 103 Abs. 2 GG (IV.).
-
I.
- 43
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Die Verzinsungspflicht des § 81 Abs. 6 GWB verstößt - entgegen der Ansicht des vorlegenden Gerichts und entgegen in der Literatur geäußerter Bedenken (vgl. etwa Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 2 GWB, 4. Aufl. 2007, § 81 Rn. 465; Vollmer, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht
, Bd. 2, 2008, § 81 Rn. 119) - unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
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1. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 120, 1 <29>; 122, 210 <230>; 129, 49 <68>; stRspr). Hieraus ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 126, 400 <416>; 127, 263 <280>; stRspr). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht nur, dass die Ungleichbehandlung an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium anknüpft, sondern verlangt auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist (vgl. BVerfGE 124, 199 <220>; 129, 49 <68 f.>). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 129, 49 <69> m.w.N.).
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Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfGE 129, 49 <68 f.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. Januar 2012 - 1 BvL 21/11 -, NVwZ-RR 2012, S. 257 <258>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für Einzelne verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 129, 49 <69>) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 124, 199 <220>; 129, 49 <69>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 129, 49 <69>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. Januar 2012 - 1 BvL 21/11 -, NVwZ-RR 2012, S. 257 <258>). Im Übrigen hängt das Maß der Bindung unter anderem davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Kriterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (BVerfGE 129, 49 <69> m.w.N.).
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Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht verletzt, wenn hinreichende Sachgründe vorhanden sind, die eine Differenzierung verfassungsrechtlich rechtfertigen können. Dabei ist nicht ausschlaggebend, ob solche Gründe im Gesetzgebungsverfahren erwogen und etwa in den Materialien dokumentiert worden sind. Die Verfassungswidrigkeit lässt sich folglich nicht schon daraus herleiten, dass sich aus den Gesetzesmaterialien keine Gründe für die Verschiedenbehandlung ergeben (vgl. BVerfGE 21, 292 <299>; 85, 238 <245>).
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2. Daran gemessen verstößt § 81 Abs. 6 GWB nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Eine den allgemeinen Gleichheitssatz missachtende Ungleichbehandlung liegt nicht deshalb vor, weil § 81 Abs. 6 GWB lediglich juristische Personen und Personenvereinigungen, nicht aber natürliche Personen mit oder ohne Unternehmenseigenschaft durch Zinsen auf gegen sie verhängte Geldbußen belastet (a). Des Weiteren folgt eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG weder daraus, dass das Gesetz die Verzinsung nur für Geldbußen aus dem Bereich des Kartellrechts, nicht aber auch für solche aus anderen Regelungsmaterien anordnet (b), noch daraus, dass § 81 Abs. 6 GWB nach überwiegender Ansicht lediglich die behördlich festgesetzte, nicht jedoch die durch eine gerichtliche Entscheidung verhängte kartellrechtliche Geldbuße einer Verzinsungspflicht unterwirft (c).
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a) Entgegen der Ansicht des vorlegenden Gerichts ist § 81 Abs. 6 GWB nicht deshalb im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG gleichheitswidrig, weil die Verzinsungspflicht ausschließlich juristische Personen und Personenvereinigungen, nicht aber auch natürliche Personen trifft. Dies gilt im Vergleich zu beiden Gruppen natürlicher Personen, die von Kartellgeldbußen als natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft (aa) oder als natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft (bb) betroffen sein können.
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aa) Nach einhelliger Auffassung werden natürliche Personen von der Regelung in § 81 Abs. 6 GWB selbst dann nicht erfasst, wenn diese ein Unternehmen im Sinne von § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB bilden (vgl. Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 81 Rn. 465; Vollmer, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, a.a.O., § 81 Rn. 119). Da auch natürliche Personen nicht anders als juristische Personen oder Personenvereinigungen kartellrechtliche Ordnungswidrigkeiten begehen können (vgl. Emmerich, Kartellrecht, 11. Aufl. 2008, § 20 Rn. 5 ff.), liegt damit zwar eine Ungleichbehandlung vor, diese ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Insoweit sind strengere, über das Willkürverbot hinausgehende Anforderungen nicht zu stellen.
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Die Beschränkung auf Kartellgeldbußen gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen lässt sich auf einen hinreichenden Sachgrund stützen. Der Gesetzgeber umschreibt damit eine Fallgruppe, bei der er die tatsächliche Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Einlegung von Einsprüchen, der er zur Schonung staatlicher Ressourcen entgegenwirken will, für besonders groß halten darf. Diese Einschätzung ist nachvollziehbar und bewegt sich im Rahmen des Prognosespielraums des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 110, 141 <168 f.>). Er ist nicht gezwungen, das optimale Abgrenzungskriterium für die Erreichung seiner Ziele zu wählen, sondern kann sich darauf beschränken, ein Kriterium zu wählen, das zwar die wesentlichen, nicht aber alle denkbaren Fälle erfasst. Danach ist die Beschränkung auf Kartellgeldbußen gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen nicht zu beanstanden. Abgesehen davon, dass Kartellgeldbußen gegen natürliche Personen als Unternehmensträger in der behördlichen Praxis faktisch kaum relevant sind (1), erreicht die durchschnittliche Höhe der gegen diese Personengruppe verhängten Kartellgeldbußen anders als bei juristischen Personen keinen Betrag, der finanzielle Vorteile erwarten lässt, um derentwillen eine Einspruchseinlegung nur aus Gründen der Verfahrensverzögerung erwartet werden müsste (2). Zudem können für natürliche Personen mit dem Einspruch individuelle Belastungen verbunden sein, die den Anreiz zur missbräuchlichen Einlegung des Rechtsbehelfs mindern (3).
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(1) Ausweislich der Angaben in den vom Senat eingeholten Stellungnahmen lässt sich für natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft eine beachtliche Gefahr rechtsmissbräuchlicher Einspruchserhebung zur Erlangung finanzieller Vorteile, die in Form gesparter Kreditzinsen oder durch die weitere Verfügbarkeit vorhandener Mittel für das operative oder investive Geschäft entstehen können, bereits deshalb nicht feststellen, weil in nur unerheblicher Zahl Kartellgeldbußen gegen diese Personengruppe verhängt werden.
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So hat das Bundeskartellamt im Berichtszeitraum von 1993 bis 2010 überhaupt nur gegen neun natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft Kartellgeldbußen verhängt, während die Behörde im gleichen Zeitraum 563 Kartellbußgeldbescheide gegen juristische Personen erlassen hat. Die gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft ergangenen Bescheide machen demnach nur etwa 1,6 % der Kartellgeldbußen aus, die das Bundeskartellamt insgesamt gegen Unternehmen verhängt hat. Demgegenüber haben zwar die Landeskartellbehörden, deren Zuständigkeit in solchen Konstellationen häufiger gegeben ist (vgl. § 48 Abs. 2 GWB), öfter Geldbußen gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft verhängt. Es waren aber gleichwohl insgesamt lediglich 48 natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft betroffen, was für nur 8 % der insgesamt gegen Unternehmen gerichteten Kartellbußgeldbescheide von Landesbehörden steht.
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Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese geringe Zahl betroffener natürlicher Personen mit Unternehmenseigenschaft künftig spürbar erhöhen wird. Das Bundeskartellamt hat in seiner Stellungnahme nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass - nach der Insolvenz einer großen Drogeriekette Anfang 2012 - aktuell keine einzelkaufmännisch geführten Großunternehmen mehr bekannt sind, bei denen wegen des Geschäftsvolumens die Verhängung hoher Kartellgeldbußen unter Ausschöpfung des erweiterten Bußgeldrahmens des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB zu erwarten sei.
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(2) Maßgeblich ist insoweit auch, dass die Höhe der Kartellgeldbußen, die sich an natürliche Personen als Unternehmensträger richten, typischerweise deutlich hinter den Beträgen zurückbleibt, die gegen juristische Personen als Geldbußen verhängt werden. Fehlt es an Geldbußen in beträchtlicher Höhe, so sind die zu erzielenden finanziellen Vorteile gering und werden oftmals noch nicht einmal die zusätzlichen Gerichts- und Verfahrenskosten ausgleichen können. Damit ist für natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft der Anreiz vermindert, allein zur Verzögerung des Eintritts der Bestandskraft des Bußgeldbescheids einen offensichtlich aussichtslosen Einspruch zu erheben.
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Es ist einfachrechtlich bereits umstritten, ob gegenüber natürlichen Personen mit Unternehmenseigenschaft überhaupt der erhöhte, über 1 Mio. € hinausreichende erweitere Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB angewendet werden kann (bejahend etwa Emmerich, a.a.O., § 43 Rn. 20; verneinend hingegen Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 81 Rn. 335 f.). Dessen ungeachtet wird ausweislich der vorgelegten Stellungnahmen in der kartellbehördlichen Praxis selbst der reguläre Höchstbetrag des § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB im Regelfall nicht annähernd erreicht. So hat das Bundeskartellamt in der Vergangenheit gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft Geldbußen lediglich in einer Höhe zwischen 15.000 € und 30.000 € festgesetzt, im Freistaat Bayern bewegten sich die Geldbußen zwischen 600 € und 1.600 €, in Niedersachen zwischen 13.000 € und 16.000 €. In Nordrhein-Westfalen betrug die durchschnittliche Höhe der Kartellgeldbußen gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft etwa 5.000 €. Die vergleichsweise geringe Höhe dieser Geldbußen verspricht offenkundig keine finanziellen Vorteile bei Einlegung eines Einspruchs, die an die Beträge heranreichen können, wie sie sich insbesondere bei den Geldbußen erzielen lassen, die das Bundeskartellamt gegen juristische Personen in Höhe von durchschnittlich 4,6 Mio. € festgesetzt hat.
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(3) Die vom Bundeskartellamt geschilderten Erfahrungen, nach denen natürliche Personen die mit der Erhebung des Einspruchs verbundenen persönlichen Belastungen regelmäßig intensiver spüren als die Vertreter juristischer Personen, belegen für diese Personengruppe noch ein weiteres spezifisches Hindernis gegen eine rechtsmissbräuchliche Einspruchserhebung.
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Nach § 73 Abs. 1 OWiG ist der Betroffene grundsätzlich zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet. Die Durchführung eines Einspruchsverfahrens kann daher eine erhebliche persönliche Belastung bei einer natürlichen Person hervorrufen. Die Betroffenen sehen sich - einem Strafprozess vergleichbar - einer persönlichen Anschuldigung, unerwünschtem öffentlichen Interesse und unter Umständen auch einer Berichterstattung in den Medien ausgesetzt. Diese Umstände, die von der Erhebung offensichtlich aussichtsloser Einsprüche allein zur Erzielung eines finanziellen Vorteils abschrecken können, treten bei Kartellgeldbußen gegen juristische Personen nicht in vergleichbarem Maße auf, weil es regelmäßig an der unmittelbaren persönlichen Betroffenheit einzelner Verantwortlicher fehlt.
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bb) Die Verzinsungspflicht des § 81 Abs. 6 GWB verstößt ferner nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie nur juristische Personen und Personenvereinigungen, nicht aber nach § 9 OWiG haftende natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft betrifft. Auch diese Differenzierung dient in nachvollziehbarer Weise zur Präzisierung der Fallgruppe, für die der Gesetzgeber die rechtsmissbräuchliche Einlegung von Einsprüchen zur Erzielung finanzieller Vorteile befürchtet.
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Allerdings erreicht die Zahl der Bußgeldbescheide, die wegen Kartellverstößen gegen natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft ergangen sind, eine Größenordnung, die der Zahl der Bußgeldbescheide gegen juristische Personen nahekommt. Nach den vorliegenden Stellungnahmen des Bundeskartellamts und der Landeskartellbehörden stehen für den Berichtszeitraum insgesamt 547 Bußgeldbescheide gegen natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft den 658 Bußgeldbescheiden gegen juristische Personen gegenüber. Dass der Gesetzgeber gleichwohl keinen Anlass gesehen hat, die Verzinsungspflicht auf natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft zu erstrecken, begegnet indessen wegen der typischerweise geringeren Höhe dieser Geldbußen keinen Bedenken.
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Auch soweit natürliche Personen nicht als Unternehmen tätig werden, erreicht die Höhe der gegen sie nach Maßgabe des § 9 OWiG verhängten Geldbußen regelmäßig kein Niveau, das den Gesetzgeber zu der Annahme veranlassen müsste, Einsprüche dieser Personengruppe könnten in beträchtlicher Zahl allein mit der sachfremden Absicht der Erzielung finanzieller Vorteile eingelegt werden. Ausweislich der Stellungnahmen der Kartellbehörden erreichte die durchschnittliche Höhe der Geldbußen in Baden-Württemberg lediglich 2.200 €, in Hessen etwa 3.800 € und in Nordrhein-Westfalen etwa 11.000 €. Darüber geht die Höhe der Geldbußen in den vom Bundeskartellamt erlassenen insgesamt 510 Bescheiden mit im Durchschnitt etwa 56.000 € zwar erheblich hinaus, erreicht aber trotzdem nicht annähernd die durchschnittliche Bußgeldhöhe von 4,6 Mio. € der im gleichen Zeitraum gegen juristische Personen verhängten 563 Kartellbußgeldbescheide.
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Diese Unterschiede in der Höhe der Geldbußen sind auch für die Zukunft zu erwarten; denn sie beruhen nicht auf Zufälligkeiten, sondern haben ihre Ursache in den geltenden rechtlichen Bestimmungen. So findet der erweiterte, über 1 Mio. € hinausreichende Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB ausdrücklich nur auf Unternehmen und Unternehmensvereinigungen Anwendung und damit nicht auf natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft, die neben einem Unternehmen aufgrund der Organ- oder Vertreterhaftung nach § 9 OWiG mit einer Geldbuße belegt werden. Überdies erklärt sich die besondere Höhe der Geldbußen wegen Kartellverstößen daraus, dass bei ihrer Bemessung auch das Ziel der Abschöpfung des erlangten wirtschaftlichen Vorteils einfließen kann (vgl. § 81 Abs. 5 GWB, § 17 Abs. 4 OWiG). Diese aus der Ordnungswidrigkeit herrührenden Vorteile werden sich aber regelmäßig nicht im Vermögen des handelnden Organs oder Vertreters ergeben, sondern bei dem von ihnen repräsentierten Unternehmen, und sind daher durch eine entsprechend hohe Geldbuße dort abzuschöpfen. Danach erreichen Geldbußen gegen natürliche Personen auch bei fehlender Unternehmenseigenschaft typischerweise keine Beträge, die im Falle eines Einspruchs beachtliche finanzielle Vorteile erwarten lassen.
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Zudem mindern die geschilderten persönlichen Belastungen im Zusammenhang mit der Hauptverhandlung (vgl. oben C. I. 2. a aa <3>) für natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft, die aufgrund ihres Organ- oder Vertreterhandelns in die Ahndung von Kartellordnungswidrigkeiten nach § 9 OWiG einbezogen werden, den Anreiz zur Einspruchseinlegung in gleicher Weise wie für natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft. Angesichts all dieser Umstände durfte der Gesetzgeber mithin diese Betroffenen ebenfalls bei der Bestimmung der Fallgruppe unberücksichtigt lassen, bei der er einem Missbrauch von Rechtsmitteln durch die Verzinsung der Geldbußen entgegenwirken will.
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b) Dem vorlegenden Gericht ist auch insoweit nicht zu folgen, als es eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG daraus herleiten will, dass die Rechtsordnung - soweit für das vorlegende Gericht ersichtlich - neben § 81 Abs. 6 GWB keine weiteren Regelungen zur Verzinsung von Geldbußen kennt. Zwar ist hiernach eine Zinsverpflichtung allein für Kartellgeldbußen geschaffen worden, während Geldbußen, die wegen Ordnungswidrigkeiten in anderen Rechtsgebieten festgesetzt werden, weiterhin nicht zu verzinsen sind. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz lässt sich damit aber nicht begründen, weil es insoweit bereits an vergleichbaren Sachverhalten fehlt, deren unterschiedliche Behandlung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG geprüft werden könnte. Verlangt wird eine Gleichbehandlung nur für "wesentlich Gleiches". An dieser Voraussetzung fehlt es bei Bestimmungen, die verschiedenen rechtlichen Ordnungsbereichen zugehörig sind und in anderen systematischen Zusammenhängen stehen (vgl. BVerfGE 40, 121 <139 f.> m.w.N.).
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Die Differenzierung hinsichtlich der Verzinsung zwischen Kartellgeldbußen einerseits und sonstigen Geldbußen andererseits betrifft hiernach keine vergleichbaren Sachverhalte. Die Unterscheidung orientiert sich vielmehr an den Tatbeständen für Ordnungswidrigkeiten in den verschiedenen Rechtsgebieten. Nach Mitteilung der Bundesregierung finden sich Normen über die Ahndung von Gesetzesverstößen als Ordnungswidrigkeiten in mehr als dreihundert Gesetzen. Dabei sind die Tatbestände der Ordnungswidrigkeiten in Form eines Annexes dem jeweiligen Fachrecht als "typisches Verwaltungsunrecht" (vgl. BVerfGE 90, 145 <184>) aus unterschiedlichen Rechtsgebieten zugeordnet. Insoweit fehlt es an einem zusammenhängenden rechtlichen Ordnungsbereich, was bezüglich der einzelnen Bußgeldtatbestände der Annahme vergleichbarer Sachverhalte entgegensteht.
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c) § 81 Abs. 6 GWB ist schließlich nicht deshalb mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar, weil die Norm eine Verzinsung lediglich für Geldbußen bestimmt, die in einem Bußgeldbescheid festgesetzt werden, nicht hingegen auch für solche Geldbußen, deren Festsetzung durch ein Kartellgericht erfolgt. Dieser eingeschränkte Anwendungsbereich der Vorschrift ist zwar einfachrechtlich nicht unumstritten, entspricht aber nicht nur dem Gesetzeswortlaut, sondern auch der nicht zu beanstandenden Auslegung durch das vorlegende Gericht, das damit der überwiegenden Meinung folgt (vgl. Raum, in: Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, 11. Aufl. 2010, § 81 Rn. 179; Achenbach, in: Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 2011, § 81 GWB, Rn. 325; so wohl auch Vollmer, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, a.a.O., § 81 GWB, Rn. 121; a.A. Bechtold, Kartellgesetz, 6. Aufl. 2010, § 81 Rn. 43). Dieses nachvollziehbare, einfachrechtlich vertretbare Auslegungsergebnis ist der Prüfung der Vorlagefrage zugrunde zu legen (vgl. BVerfGE 117, 1 <27>).
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Die Differenzierung zwischen behördlich und gerichtlich festgesetzten Geldbußen hinsichtlich der Verzinsung ist durch hinreichende Sachgründe gerechtfertigt. Maßgeblich ist insoweit ein großzügiger, auf das Willkürverbot beschränkter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab; denn für die Ungleichbehandlung knüpft das Gesetz weder an Persönlichkeitsmerkmale an, noch geben betroffene Freiheitsrechte Anlass zu einer strengeren Bindung. Die von der Ungleichbehandlung Betroffenen sind im Gegenteil dazu in der Lage, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Differenzierungskriterien zu beeinflussen. Ihnen bleibt es nämlich überlassen, ob sie mit dem Ziel einer gerichtlichen Überprüfung nicht nur Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegen, sondern an diesem Rechtsbehelf auch bis zu einer Entscheidung des Kartellgerichts festhalten.
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Angesichts des gesetzgeberischen Ziels, der rechtsmissbräuchlichen Einlegung von Einsprüchen zur Erlangung finanzieller Vorteile, entgegenzuwirken, ist es frei von Willkür, wenn nicht sogar naheliegend, dass § 81 Abs. 6 GWB bei einer Entscheidung des Kartellgerichts über die zu verhängende Geldbuße eine Verzinsung nicht zwingend vorschreibt. Denn dessen Regelungszweck verlangt bei einer gerichtlichen Sachentscheidung gerade keine Verzinsung. Führt das betroffene Unternehmen eine gerichtliche Sachentscheidung herbei, so hat es Kartellbehörde und Kartellgericht nicht zweckwidrig nur zur Verfahrensverzögerung belastet, um den Einspruch noch vor ihrer endgültigen Entscheidung zurückzunehmen, sondern es hat im Gegenteil die gerichtliche Sachentscheidung abgewartet, sich ihren rechtlichen Wirkungen einschließlich der Gefahr einer Verböserung der Rechtsfolge unterworfen und damit die staatlichen Institutionen entsprechend ihrer Funktion in Anspruch genommen. Das Gericht ist dann frei, die Höhe einer etwaigen Geldbuße unabhängig von deren bisheriger Höhe selbst festzusetzen und kann damit dem Einzelfall - auch im Blick auf die inzwischen verstrichene Zeit - sachgerecht Rechnung tragen.
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II.
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Die Pflicht zur Verzinsung von Kartellgeldbußen verstößt nicht gegen die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG.
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1. Der Rechtsweg, den Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsuchenden gewährleistet, bedarf der gesetzlichen Ausgestaltung. Rechtsschutz ist eine staatliche Leistung, deren Voraussetzungen erst geschaffen, deren Art näher bestimmt und deren Umfang im Einzelnen festgelegt werden müssen. Art. 19 Abs. 4 GG gibt dem Gesetzgeber dabei nur die Zielrichtung und die Grundzüge der Regelung vor, lässt ihm im Übrigen aber einen beträchtlichen Gestaltungsspielraum. Doch darf er die Notwendigkeit einer umfassenden Nachprüfung des Verwaltungshandelns in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und eine dem Rechtsschutzbegehren angemessene Entscheidungsart und Entscheidungswirkung nicht verfehlen (BVerfGE 101, 106 <123 f.>; 118, 168 <207>). Damit sind Begrenzungen des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 100, 313 <364>; 109, 279 <364>). Die Ausgestaltung muss aber dem Schutzzweck des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG Genüge tun (vgl. BVerfGE 60, 253 <269>). Dies verbietet Maßnahmen, die darauf abzielen oder geeignet sind, den Rechtsschutz der Betroffenen zu vereiteln (vgl. BVerfGE 69, 1 <49>), insbesondere dürfen zu Lasten der Rechtsuchenden nicht unangemessen hohe verfahrensrechtliche Hindernisse für den Zugang zum Gericht geschaffen werden (vgl. BVerfGE 60, 253 <269>).
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2. Daran gemessen führt die in § 81 Abs. 6 GWB geregelte Verzinsung weder zu einer gezielten Beeinträchtigung der Rechtsschutzgarantie (a) noch zu einer andersartigen verfassungswidrigen Beeinträchtigung dieses Grundrechts (b).
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a) Durch die Möglichkeit des Einspruchs gegen Bußgeldbescheide trägt das Gesetz dem durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Recht des Betroffenen Rechnung, gegen einen ihn belastenden Akt der öffentlichen Gewalt ein Gericht anzurufen (vgl. BVerfGE 40, 46 <49>). Demgegenüber verfolgt der Gesetzgeber mit der Einführung der Verzinsungspflicht für Kartellgeldbußen nach § 81 Abs. 6 GWB zwar das Ziel, Unternehmen von Einsprüchen gegen Kartellbußgeldbescheide abzuhalten; er zielt damit jedoch nur auf Einsprüche, die allein zur Erlangung finanzieller Vorteile eingelegt und noch vor dem Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung zurückgenommen werden sollen.
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Mit der Abwehr eines solchermaßen zweckwidrigen Gebrauchs eines Rechtsmittels ist keine für Art. 19 Abs. 4 GG relevante Beeinträchtigung des Rechtswegs verbunden. Der Zugang zu den Gerichten wird vom Grundgesetz nicht lediglich als formelles Recht, die Gerichte anzurufen, garantiert, sondern zielt auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 93, 1 <13>; 112, 185 <207>). Der damit garantierte Rechtsschutz erfolgt durch eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche richterliche Entscheidung (vgl. BVerfGE 112, 185 <207>). Dies entspricht jedoch nicht der Absicht der betroffenen Unternehmen, die mit dem Einspruch lediglich den Eintritt der Bestandskraft des Bußgeldbescheids verzögern wollen, um auf diese Weise finanzielle Vorteile durch die verspätete Zahlung der gegen sie festgesetzten Geldbuße erzielen zu können. Sie erstreben keine gerichtliche Prüfung und Entscheidung über die ihnen zur Last gelegten Ordnungswidrigkeiten, sondern wollen diese im Gegenteil vermeiden und nehmen daher ihre Rechtsmittel noch vor einer Sachentscheidung durch das Gericht zurück. Diese Betroffenen nutzen den Einspruch nicht um Rechtsschutz zu erlangen, sondern in zweckwidriger, rechtsmissbräuchlicher Weise nur als Mittel der Verzögerung, um finanzielle Vorteile zu erzielen. Eine Inanspruchnahme der Gerichte zu diesem Zweck steht außerhalb des Schutzes von Art. 19 Abs. 4 GG. In gleicher Weise gilt das für Fälle, in denen Betroffene wegen der drohenden Zinsbelastung von der Einlegung eines unzulässigen Einspruchs abgehalten werden; hier ist die Rechtsweggarantie nicht berührt.
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b) Die Pflicht zur Verzinsung von Kartellgeldbußen kann aber auf andere Weise als Beeinträchtigung des Zugangs zu den Gerichten wirken und damit die Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG berühren. § 81 Abs. 6 GWB kann nämlich dazu führen, dass betroffene Unternehmen, auch wenn sie ernsthaft eine gerichtliche Überprüfung anstreben, wegen der drohenden Zinsbelastung von der Einlegung des Einspruchs abgehalten werden.
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aa) Die Befürchtung, aufgrund des § 81 Abs. 6 GWB über die festgesetzte Geldbuße hinaus zusätzlich noch mit Zinsen belastet zu werden, ist allerdings mit Blick auf die nach einem Einspruch ergehende Sachentscheidung des Kartellgerichts nicht gerechtfertigt und kann somit nicht zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung von Art. 19 Abs. 4 GG führen. Insoweit ist die vertretbare Auslegung des § 81 Abs. 6 GWB durch das vorlegende Gericht zugrunde zu legen, wonach die Verzinsung ausschließlich für behördlich, nicht aber auch für gerichtlich verhängte Geldbußen gilt (vgl. oben C. I. 2. c). Mithin kann ein betroffenes Unternehmen durch Aufrechterhalten des eingelegten Einspruchs der Zinsbelastung entgehen, wird also durch § 81 Abs. 6 GWB von dem Weg zum Gericht nicht abgehalten, soweit dieser - gemäß der Funktion des Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG - ernsthaft und mit Ziel einer kartellgerichtlichen Sachentscheidung beschritten wird.
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Nichts anderes folgt aus dem Hinweis in den Gesetzesmaterialien, angesichts des § 81 Abs. 6 GWB möge das Gericht "bei seiner Überprüfung auch den Zeitfaktor (…) berücksichtigen" (BTDrucks 15/3640, S. 67). Für diese Anregung, zwischenzeitlich entstandene finanzielle Vorteile aufgrund der allgemeinen Bemessungsvorschriften in die Bestimmung der Höhe der gerichtlich festgesetzten Geldbuße einfließen zu lassen, war die Einführung der Verzinsungspflicht allenfalls Anlass, nicht jedoch rechtliche Grundlage. Maßgeblich für die gerichtliche Entscheidung über die Höhe der Geldbuße sind auch insoweit allein die Bestimmungen, die nach wie vor generell die Bußgeldbemessung im Ordnungswidrigkeitenrecht regeln und aus verfassungsrechtlicher Sicht auch schon vor Inkrafttreten des § 81 Abs. 6 GWB nicht der Berücksichtigung der finanziellen Vorteile entgegenstanden, die durch die verzögerte Zahlung der Geldbuße ermöglicht wurden.
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bb) Hingegen berührt die Verzinsungspflicht des § 81 Abs. 6 GWB die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG auch insoweit, als sich bei zunächst ernsthaft mit dem Ziel einer gerichtlichen Sachentscheidung eingelegtem Einspruch für das betroffene Unternehmen nachträglich ein berechtigtes Interesse an der Rücknahme des Einspruchs ergeben kann. Der Betroffene kann den Einspruch gemäß § 71 Abs. 1 OWiG, § 411 Abs. 3 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO) bis zum Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung zurücknehmen und bedarf hierfür erst nach Beginn der Hauptverhandlung der Zustimmung des Gegners (§ 71 Abs. 1 OWiG, § 303 Satz 1 und § 411 Abs. 3 Satz 2 StPO).
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(1) Ein berechtigtes Interesse an der Rücknahme des Einspruchs kann insbesondere dann bestehen, wenn sich im Lauf des gerichtlichen Verfahrens mit Blick auf die Ahndung der Tat als Ordnungswidrigkeit die Gefahr einer Verböserung manifestiert. Das Kartellgericht ist bei seiner Entscheidung nicht an den Bußgeldbescheid gebunden, sondern setzt die Höhe der Geldbuße selbständig fest (§ 71 Abs. 1 OWiG, § 411 Abs. 4 StPO). Damit muss der Einspruchsführer aber zu seinen Lasten auch mit einer Verböserung (reformatio in peius) im Sinne einer strengeren Ahndung der ihm vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit rechnen (vgl. Bechtold, a.a.O., vor § 81 Rn. 6). Lediglich im Falle des § 72 OWiG, wenn ohne Hauptverhandlung durch Beschluss entschieden wird und die Beteiligten dieser Vorgehensweise nicht widersprechen, kann gemäß § 72 Abs. 3 Satz 2 OWiG von der im Bußgeldbescheid getroffenen Entscheidung nicht zum Nachteil des Betroffenen abgewichen werden. Das Kartellgericht kann demnach das betroffene Unternehmen zur Zahlung einer Geldbuße verurteilen, die die im behördlichen Verfahren festgesetzte Geldbuße um ein Vielfaches überschreitet. Erkennt der Betroffene diese Möglichkeit nach Einlegung des Einspruchs als ernsthafte Gefahr, ist ihm, um sich der Verböserung durch ein Urteil des Kartellgerichts zu entziehen, ein legitimes Interesse an der Rücknahme seines Einspruchs nicht abzusprechen.
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Mit der Rücknahme des Einspruchs geht allerdings der Eintritt der Bestandskraft des angefochtenen Bußgeldbescheids einher, womit dann auch die dort festgesetzte Geldbuße nach Maßgabe des § 81 Abs. 6 GWB rückwirkend zu verzinsen ist. Das von einer Kartellgeldbuße betroffene Unternehmen muss daher in Erwägung ziehen, dass es nach Einlegung eines Einspruchs einer sich möglicherweise - etwa nach gerichtlichem Hinweis - abzeichnenden Verböserung nur um den Preis einer Verzinsung der angegriffenen Geldbuße zu entgehen vermag. Als Ergebnis dieser Überlegungen könnte einzelnen Betroffenen die Inanspruchnahme von Rechtsschutz wirtschaftlich derart risikobehaftet erscheinen, dass sie von der Einlegung des Einspruchs von Anfang an absehen.
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(2) Der Umstand, dass die durch die Kartellbehörde festgesetzte Geldbuße im Falle einer Rücknahme des Einspruchs zu verzinsen wäre, kann demnach rechtsschutzhemmende Wirkung entfalten. Dies verstößt jedoch nicht gegen die Verfassung. Der Gesetzgeber hat mit § 81 Abs. 6 GWB bei der ihm übertragenen Ausgestaltung des Rechtsschutzes zwar von der grundsätzlich nicht ausgeschlossenen Möglichkeit einer Begrenzung (vgl. BVerfGE 100, 313 <364>; 109, 279 <364>) Gebrauch gemacht, dabei aber den Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer Weise erschwert.
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(a) Aus Art. 19 Abs. 4 GG folgt, dass die Inanspruchnahme von Rechtsschutz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 78, 88 <99>; 88, 118 <124>). Dies bedeutet allerdings nicht, dass den Rechtsuchenden der Zugang zu den Gerichten kostenlos oder auch nur ohne Kostenrisiko zur Verfügung stehen muss. Ferner ist es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verwehrt, mit einer Gebührenregelung neben der Deckung der dem Staat entstehenden Kosten auch das Ziel zu verfolgen, einer leichtfertigen oder gar missbräuchlichen Einlegung von Rechtsbehelfen entgegenzuwirken (vgl. BVerfGE 10, 264 <268>; 50, 217 <230 f.>; 85, 337 <346 f.>).
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Allerdings darf die Bemessung der Verfahrenskosten nicht in einer Weise erfolgen, die es den Betroffenen praktisch unmöglich macht, das Gericht anzurufen (vgl. BVerfGE 11, 139 <143>; 54, 39 <41>). Hierzu muss die Höhe der Kosten gesetzlich so geregelt sein, dass sie vorher überschaubar ist und bei vernünftiger Abwägung mit den Erfolgsaussichten nicht von vornherein rechtsschutzhemmend wirkt (vgl. BVerfGE 11, 139 <143>; 54, 39 <41>). Außerdem dürfen die Kosten nicht außer Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert stehen, den das gerichtliche Verfahren für die einzelnen Beteiligten hat (vgl. BVerfGE 85, 337 <347>). Eine an sich gerechtfertigte Regelung darf schließlich nicht so gestaltet werden, dass sie in ihrer tatsächlichen Auswirkung tendenziell dazu führt, Rechtsschutz vornehmlich nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu eröffnen (vgl. BVerfGE 50, 217 <231>; 117, 163 <197>).
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(b) Die geschilderten Maßstäbe wurden zwar nicht für den Fall einer Verzinsung von Geldschulden entwickelt, die als staatliche Sanktion entstanden sind. Mit der Zinspflicht für Kartellgeldbußen gemäß § 81 Abs. 6 GWB verfolgt das Gesetz aber ebenso, wie dies auch für die Kostenpflichtigkeit von Gerichtsverfahren zulässig ist, das Ziel, von einer missbräuchlichen Einlegung von Rechtsmitteln abzuhalten. Die geschilderten Grundsätze können daher auch für die Prüfung herangezogen werden, ob der in § 81 Abs. 6 GWB statuierten Pflicht zur Zinszahlung eine unzumutbare rechtsschutzhemmende Wirkung zukommt. Ein solcher prohibitiver Effekt lässt sich jedoch nicht feststellen.
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(aa) So können die Betroffenen die Größenordnung der möglicherweise anfallenden Zinsen hinreichend im Voraus überschauen. Da eine präzise Prognose aufgrund der Unwägbarkeiten gerichtlicher Verfahren unmöglich ist, kann auch die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleisten, dass den Rechtsuchenden bereits vor Erhebung des Rechtsmittels der genaue Betrag aller im Verfahren anfallenden Kosten vor Augen steht. Ausreichend ist vielmehr, dass für sie absehbar ist, welche Kosten dem Grunde nach überhaupt anfallen und welche Höhe diese Kosten erreichen können.
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Für ein betroffenes Unternehmen ist aufgrund der Regelung in § 81 Abs. 6 GWB bereits vor Erhebung des Einspruchs ausreichend deutlich zu erkennen, dass und in welchen Fällen Zinsen zu tragen sind. Zwar entscheiden letztlich die künftige Entwicklung des Basiszinssatzes, auf den § 81 Abs. 6 GWB in Verbindung mit § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB verweist, und die Dauer des gerichtlichen Einspruchsverfahrens über die genaue Höhe einer etwaigen Zinslast. Diese Faktoren lassen sich jedoch zumindest insoweit abschätzen und in ihrer Entwicklung kontrollieren, als die anfallenden Kosten der Größenordnung nach überschaubar und damit nicht weniger ungewiss als die üblichen Kosten gerichtlicher Verfahren sind.
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(bb) Zudem erreichen die nach § 81 Abs. 6 GWB auf die Geldbuße zu zahlenden Zinsen im Regelfall keine Größenordnung, die bei vernünftiger Betrachtung den Rechtsweg für die betroffenen Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen verstellen oder auch nur spürbar erschweren könnte. Der Annahme einer rechtsschutzhemmenden Wirkung steht entgegen, dass die Betroffenen bis zur Rücknahme des Einspruchs oder dessen gerichtlicher Verwerfung als unzulässig die Möglichkeit hatten, während der gesamten Dauer des gerichtlichen Verfahrens entweder Zinsen für Kredite zu sparen oder durch Einsatz der Gelder im operativen oder investiven Geschäftsbereich Einnahmen zu erzielen.
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(α) Ob es dem betroffenen Unternehmen im Einzelfall möglich war, tatsächlich die gesamte später nach § 81 Abs. 6 GWB zu entrichtende Zinssumme auf dem Kapitalmarkt zu erwirtschaften (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. April 2012 - XI ZR 360/11 -, NJW 2012, S. 2266 ff.), ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn Art. 19 Abs. 4 GG bietet keinen Schutz vor finanziellen Belastungen als Konsequenz der Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels. Lediglich die Höhe der anfallenden finanziellen Nachteile darf keine abschreckende und rechtsschutzhemmende Wirkung entfalten, die einen wirtschaftlich vernünftig Denkenden von Anfang an von der Anrufung der staatlichen Gerichte abhalten könnte. Im Regelfall ist das aber nicht zu erwarten. Gerade die von der Verzinsung der Geldbuße allein betroffenen Unternehmen werden sich als gewinnorientierte Wirtschaftsbetriebe typischerweise nicht durch eine etwaige Differenz zwischen dem nach § 81 Abs. 6 GWB zu zahlenden Zins und den auf dem Kapitalmarkt zu erwirtschaftenden Erträgen von der Erhebung eines ernsthaft verfolgten Einspruchs abschrecken lassen.
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(β) Im Übrigen verbleibt einem betroffenen Unternehmen, das befürchtet, auf dem Kapitalmarkt den von § 81 Abs. 6 GWB geforderten Zins nicht erwirtschaften zu können und deshalb im Falle einer Rücknahme oder einer Verwerfung des Einspruchs erheblichen finanziellen Nachteilen ausgesetzt zu sein, die Möglichkeit, die geforderte Bußgeldsumme ungeachtet der noch ausstehenden Vollstreckbarkeit innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids zunächst unter Vorbehalt zu zahlen und diese nach Erfolg seines Einspruchs zurückzufordern. Der Einwand, der Bußgeldbescheid würde in diesem Fall seine ahndende Wirkung bereits vor Bestandskraft entfalten und somit gegen die Unschuldsvermutung verstoßen, verkennt, dass der Betroffene nicht zur Zahlung der Geldbuße unter Vorbehalt verpflichtet ist, sondern ihm dieser Weg lediglich zur Reduzierung möglicher Zinsverluste offensteht.
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(γ) Dem gesetzgeberischen Ziel, lediglich rechtsmissbräuchliche Einsprüche zu verhindern, trägt die Höhe des Zinssatzes nach § 81 Abs. 6 GWB in Verbindung mit § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB Rechnung, entfaltet mithin ebenfalls keine rechtsschutzhemmende Wirkung. Die in § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelte Zinshöhe orientiert sich am Marktzins und soll mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz lediglich den Schaden ausgleichen, den der Gläubiger typischerweise durch den Zahlungsverzug erleidet und der umgekehrt den dem Schuldner typischerweise entstehenden Vorteilen entspricht (vgl. Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl. 2013, § 288 Rn. 2). Anhaltspunkte, die einen Verweis auf die Höhe der Verzugszinsen des Bürgerlichen Gesetzbuchs willkürlich oder mit Blick auf die Rechtsschutzgewährung auch nur sachwidrig erscheinen ließen, sind nicht erkennbar. Das Ziel der Orientierung am Marktzins wird auch dadurch belegt, dass das Gesetz nicht auf die - an sich naheliegende - qualifizierte Zinshöhe des § 288 Abs. 2 BGB verweist, die im Falle eines Zahlungsverzugs ohne Verbraucherbeteiligung gilt, sich aber aus Gründen der Abschreckung säumiger Schuldner (vgl. Grüneberg, in: Palandt, a.a.O., § 288 Rn. 3) mit acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom Marktzins deutlich entfernt.
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III.
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Entgegen einer bisweilen in der Literatur zum Kartellrecht vertretenen Auffassung (vgl. etwa Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 81 Rn. 463; Achenbach, in: Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, a.a.O., § 81 GWB, Rn. 327; Vollmer, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, a.a.O., § 81 Rn. 119) missachtet die in § 81 Abs. 6 GWB geregelte Verzinsung der Geldbuße nicht die verfassungsrechtlich garantierte Unschuldsvermutung.
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1. Die Unschuldsvermutung ist nicht nur kraft Art. 6 Abs. 2 EMRK Bestandteil des positiven Rechts der Bundesrepublik Deutschland, vielmehr kommt ihr als einer besonderen Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) Verfassungsrang zu (vgl. BVerfGE 74, 358 <370>; 110, 1 <22>). Sie gilt auch, wenn eine Tat nicht strafrechtlich als Delikt, sondern als Ordnungswidrigkeit geahndet werden soll (vgl. BVerfGE 9, 167 <170>). Aus dem Grundsatz der Unschuldsvermutung ergibt sich hier, dass den Betroffenen Tat und Schuld nachgewiesen werden müssen (vgl. BVerfGE 9, 167 <169>; 74, 358 <371>). Solange der gesetzliche Nachweis der Schuld nicht geführt ist, sind die Betroffenen auch vor Nachteilen geschützt, die einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen ist (vgl. BVerfGE 74, 358 <371>; 110, 1 <23> m.w.N.).
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2. Zweifelhaft ist bereits, ob die Regelung des § 81 Abs. 6 GWB überhaupt zu Nachteilen führt, die im Sinne der Unschuldsvermutung einem Schuldspruch oder einer Ahndung gleichkommen. Selbst wenn dies unterstellt wird, ist sie jedenfalls mit der Unschuldsvermutung vereinbar. Zwar beginnt die Verzinsungspflicht bereits zwei Wochen nach der Zustellung des Bußgeldbescheids und erfasst somit auch noch nicht bestandskräftig geahndete Ordnungswidrigkeiten. Entscheidend ist jedoch, dass diese Verpflichtung bei Erfolg des Einspruchs wieder rückwirkend entfällt, der Betroffene also von Anfang an keine Zinsen schuldet und zwischenzeitlich auch nicht auf Zahlung in Anspruch genommen werden kann. Die Regelung des § 81 Abs. 6 GWB ändert nämlich nichts an dem Zeitpunkt der Fälligkeit, die nicht nur für die Geldbuße, sondern auch für die aus ihr zu zahlenden Zinsen gemäß § 89 OWiG - wie alle festgesetzten Tatfolgen (vgl. Mitsch, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl. 2006, § 89 Rn. 1) - erst mit der Bestandskraft des Bußgeldbescheids eintritt. Die Verzinsungspflicht des § 81 Abs. 6 GWB hat demnach nur Auswirkungen auf die Höhe der insgesamt zu entrichtenden Geldsumme, sie verlagert aber die Zahlungspflicht als solche nicht auf einen Zeitpunkt vor bestandskräftiger Festsetzung der Geldbuße und damit nicht auf einen Zeitpunkt vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Täterschaft und die Schuld der Betroffenen.
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IV.
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Schließlich widerspricht die Regelung zur Verzinsung der Geldbuße gemäß § 81 Abs. 6 GWB nicht dem strengen Gesetzesvorbehalt aus Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 126, 170 <194>).
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1. An Art. 103 Abs. 2 GG sind zwar auch Sanktionen zu messen, die keine Strafe sind, aber wie eine Strafe wirken (vgl. BVerfGE 35, 311 <320>; 74, 358 <375 f.>; 110, 1 <13 f.>). Diese Voraussetzung ist allerdings nicht schon dann erfüllt, wenn eine Maßnahme mit einer Einbuße an Freiheit oder Vermögen verbunden ist und damit faktisch die Wirkung eines Übels entfaltet. Bei der Beurteilung des pönalen Charakters einer Rechtsfolge sind vielmehr weitere wertende Kriterien heranzuziehen, insbesondere der Rechtsgrund der Anordnung und der vom Gesetzgeber mit ihr verfolgte Zweck (vgl. BVerfGE 110, 1 <14>).
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Hiernach stellt die Verzinsungspflicht keine strafähnliche Maßnahme dar; denn ihr soll nach dem Willen des Gesetzgebers keine zusätzliche Ahndungswirkung zukommen. Ihr Ziel ist vielmehr, die Angemessenheit der Sanktion, deren Vollstreckbarkeit durch den Einspruch hinausgeschoben wird, trotz der eingetretenen Verzögerung aufrecht zu erhalten, um auf diese Weise von der rechtsmissbräuchlichen Einlegung des Rechtsmittels abzuhalten. Dem trägt die gesetzliche Regelung Rechnung (vgl. oben C. II. 2. b bb <2. b bb>).
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2. Dessen ungeachtet lässt sich die Bestimmtheit des § 81 Abs. 6 GWB nicht mit dem Argument in Frage stellen, die gesetzlichen Regelungen zur Bemessung der Kartellgeldbuße, an die die Verzinsung anknüpft, seien ihrerseits wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig (so aber Hassemer/Dallmeyer, Gesetzliche Orientierung im deutschen Recht der Kartellgeldbußen und das Grundgesetz, 2010, S. 76 f.). Dabei kann dahinstehen, ob die einschlägigen Bußgeldvorschriften im Bereich des Kartellrechts hinreichend bestimmt sind. Sollten sie sich als verfassungswidrig erweisen, so beträfe dieser Mangel lediglich die Normen zur Bußgeldbemessung. Bei deren Nichtigkeit wäre zwar auch der Verzinsungspflicht die Grundlage entzogen, dies beruhte indessen nicht auf einer Verfassungswidrigkeit der Verzinsungsvorschrift des § 81 Abs. 6 GWB, sondern auf dem Umstand, dass dann eine wirksam festgesetzte Geldbuße fehlte, an der die Verzinsung anknüpfen könnte. Eine etwaige Unbestimmtheit der Regelung zur Bemessung der Hauptschuld ist als solche für die Bestimmtheit der daran anschließenden Zinsregelung ohne Belang.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.
(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.
(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
Gründe
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A.
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Die Vorlage des Bayerischen Landessozialgerichts betrifft die Frage, ob § 47 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) mit Art. 6 Abs. 5 GG und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.
-
I.
- 2
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1. a) Das Rentenrecht kennt derzeit drei Regelungen, nach denen bei Versterben des Ehegatten oder des geschiedenen Ehegatten dem überlebenden Ehegatten eine Rente nach dem Sozialgesetzbuch VI zustehen kann: für Verheiratete die Witwen- und Witwerrente und für Geschiedene die Erziehungsrente sowie die Geschiedenenwitwenrente als Altfallregelung für Scheidungen vor dem 1. Juli 1977.
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b) Hat die Ehe bis zum Tod des Ehegatten bestanden, regelt § 46 SGB VI den Anspruch auf die Witwen- und Witwerrente. Absatz 1 regelt die sogenannte kleine, Absatz 2 die sogenannte große Witwen- und Witwerrente.
- 4
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Die Vorschrift lautet:
- 5
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§ 46 Witwenrente und Witwerrente
- 6
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(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.
- 7
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(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie
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1. ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
- 9
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2. das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
- 10
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3. erwerbsgemindert sind.
- 11
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Als Kinder werden auch berücksichtigt:
- 12
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1. Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
- 13
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2. Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
- 14
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Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.
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(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
- 16
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(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.
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(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).
- 18
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...
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c) Wurde die Ehe geschieden und ist der geschiedene Ehegatte verstorben, hängt der Rentenanspruch davon ab, wann die Ehe geschieden wurde. Wurde die Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden, dem Stichtag für das Inkrafttreten des neuen Ehe- und Ehescheidungsrechts mit Versorgungsausgleich, gewährt § 243 SGB VI eine Geschiedenenwitwen- oder -witwerrente (Altfallregelung). Der Anspruch auf diese Rente setzt nach § 243 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI voraus, dass der Anspruchsberechtigte im letzen Jahr vor dem Tode des Versicherten Unterhalt von diesem erhalten oder zumindest einen Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten hat.
- 20
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d) Bei einer Ehescheidung am oder nach dem Stichtag, dem 1. Juli 1977, ist hingegen § 47 SGB VI anwendbar.
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Die Vorschrift lautet:
- 22
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§ 47 Erziehungsrente
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(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Erziehungsrente, wenn
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1. ihre Ehe nach dem 30. Juni 1977 geschieden und ihr geschiedener Ehegatte gestorben ist,
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2. sie ein eigenes Kind oder ein Kind des geschiedenen Ehegatten erziehen (§ 46 Abs. 2),
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3. sie nicht wieder geheiratet haben und
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4. sie bis zum Tod des geschiedenen Ehegatten die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
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(2) Geschiedenen Ehegatten stehen Ehegatten gleich, deren Ehe für nichtig erklärt oder aufgehoben ist.
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(3) Anspruch auf Erziehungsrente besteht bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch für verwitwete Ehegatten, für die ein Rentensplitting durchgeführt wurde, wenn
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1. sie ein eigenes Kind oder ein Kind des verstorbenen Ehegatten erziehen (§ 46 Abs. 2),
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2. sie nicht wieder geheiratet haben und
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3. sie bis zum Tod des Ehegatten die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
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...
- 34
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Verfassungsbeschwerden gegen die rechtliche Zuordnung von Scheidungsfolgen in Abhängigkeit von dem genannten Stichtag wurden vom Bundesverfassungsgericht mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 1978 - 1 BvR 814/77, 1 BvR 926/77, 1 BvR 965/77, 1 BvR 966/77, 1 BvR 983/77, 1 BvR 1060/77, 1 BvR 1073/77, 1 BvR 1198/77, 1 BvR 29/78 -, ZfSH 1978, S. 274 f.).
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e) Die Erziehungsrente nach § 47 SGB VI ist wie die Witwen- und Witwerrente eine Rente wegen Todes, aber im Gegensatz zu jener eine Rente aus eigener Versicherung des überlebenden, geschiedenen Ehegatten. Sie knüpft an die Versichertenstellung und an die Erfüllung der Wartezeit des überlebenden, geschiedenen Ehegatten, nicht des verstorbenen Ehegatten an. Es ist kein Ausschlussgrund für die Renten nach den §§ 46, 47 SGB VI, wenn die erziehende Person bei Versterben des Ehegatten in einer nichtehelichen Beziehung lebt. Anders als die Altfallregelung § 243 SGB VI setzt § 47 SGB VI nicht voraus, dass der geschiedene Ehegatte tatsächlich Unterhalt gewährt hat oder ein Unterhaltsanspruch bestand.
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Der Kreis der Kinder, deren Erziehung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB VI oder § 47 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI einen Anspruch auf Rente auslöst, wird einheitlich bestimmt. Das Gesetz stellt darauf ab, dass ein eigenes Kind oder ein Kind des verstorbenen Ehegatten erzogen wird. Dabei muss es sich nicht um ein Kind aus der gemeinsamen Ehe, sondern kann es sich auch um ein eigenes, nichteheliches Kind oder um ein eigenes, eheliches Kind aus einer früheren Ehe handeln. Die Erziehung nichtehelicher Kinder des verstorbenen Ehegatten aus einer früheren Beziehung wirkt ebenso anspruchsbegründend wie die Erziehung ehelicher Kinder des Verstorbenen aus einer früheren Ehe. Als "eigene Kinder" gelten ebenfalls Stiefkinder, Pflegekinder, Enkel oder Geschwister sowohl des verstorbenen als auch des erziehenden Ehegatten.
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2. a) Eine Witwenrente gab es im Rentenversicherungssystem bereits seit 1911 (vgl. Butzer, in: Ruland/Försterling
, GK-SGB VI, § 46 Rn. 1). Die Hinterbliebenenrente an geschiedene Ehegatten wurde erst 1942 eingeführt. Mit der Eherechtsreform 1977, die unter anderem das Institut des Versorgungsausgleichs schuf, wurde die Geschiedenenwitwenrente für Ehen gestrichen, die nach dem seit 1. Juli 1977 geltenden Recht geschieden wurden. Für sie sah der Gesetzgeber grundsätzlich kein Bedürfnis mehr, weil über den Versorgungsausgleich alle während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften von Mann und Frau je zur Hälfte aufgeteilt werden. Der geschiedene und nicht wieder verheiratete Ehegatte profitiert von den ihm übertragenen Rentenanwartschaften aber grundsätzlich erst bei Bewilligung einer eigenen Rente. Die Absicherung derjenigen geschiedenen Person, die wegen der Erziehung eines Kindes nicht erwerbstätig sein kann oder aber nur ein geringes Einkommen erzielt, übernahm daher ab 1. Juli 1977 die Erziehungsrente.
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b) Die Rentenversicherungsträger gingen bei der Auslegung des Begriffs des "waisenrentenberechtigten Kindes" in Vorläufervorschriften zunächst davon aus, dass eine Erziehungsrente nur zu gewähren war, wenn es sich bei dem zu erziehenden Kind um ein Kind des Verstorbenen handelte. Mit Urteilen vom 18. März 1983 - 11 RA 22/82 -, SozR 2200 § 1265 Nr. 70 und vom 13. April 1983 - 4 RJ 53/82 -, SozR 2200, § 1268 Nr. 21 entschied das Bundessozialgericht, dass die früheren wegen Kindererziehung erhöhten Renten auch zu leisten seien, wenn die Waisenrentenberechtigung des Kindes nicht aus demselben Versicherungsverhältnis wie die Witwenrente abzuleiten ist. Damit muss das waisenrentenberechtigte Kind seine Rentenberechtigung nicht aus einem Abstammungsverhältnis zum verstorbenen Ehegatten ableiten. Dadurch war zugleich der Wegfall eines Unterhaltsanspruchs des Kindes und eines Betreuungsunterhaltsanspruchs des überlebenden Ehegatten durch den Tod des Unterhaltsverpflichteten nicht mehr Voraussetzung für den Anspruch auf derartige Renten nach früherem Recht. Entscheidend war nach dieser Rechtsprechung, dass die erhöhten Renten gewährt wurden, um der Witwe, die ein "potentiell waisenrentenberechtigtes" Kind erzieht, im Regelfall den Unterhalt der Familie ohne Erwerbstätigkeit zu ermöglichen (vgl. BSG, Urteil vom 13. April 1983 - 4 RJ 53/82 -, SozR 2200, § 1268 Nr. 21). In der Folgezeit haben die Rentenversicherungsträger die zu den Vorläufervorschriften ergangene Rechtsprechung auf die Erziehungsrente übertragen und diese auch bei Erziehung von eigenen Kindern des überlebenden Elternteils gewährt, die nicht vom Verstorbenen abstammten.
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c) Die Witwen- und Witwerrente und die Erziehungsrente wurden zum 1. Januar 1992 in das Sozialgesetzbuch Sechstes Buch übernommen und umgestaltet. In Erweiterung des früheren Rechts kommt es auf die Waisenrentenberechtigung des Kindes nunmehr nicht mehr an. Berücksichtigung findet damit ein größerer Kreis von Kindern, die der überlebende Ehegatte erzieht.
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3. Die Erziehungsrente nach § 47 SGB VI weist in der Praxis nur eine geringe Bedeutung auf. Am 31. Dezember 2009 bezogen 9.788 Personen eine Erziehungsrente. Demgegenüber bezogen 4.891.844 Frauen eine große Witwen- und 540.496 Männer eine große Witwerrente (vgl. Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Rentenbestand am 31. Dezember 2009, Abschnitt 406.00 G, S. 58), davon allerdings nur ein kleiner, nicht näher ausgewiesener Teil wegen Kindererziehung, das Gros wegen Vollendung des 47. Lebensjahres (§ 46 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI). Im Jahr 2009 kamen 1.432 neue Erziehungsrentner hinzu, davon 157 Männer und 1.275 Frauen. Ihr Alter lag zwischen 25 und 64 Jahren, die Mehrheit davon zwischen 41 und 45 Jahren. Die durchschnittliche, monatliche Höhe der Erziehungsrente betrug für Frauen 673,85 €, für Männer 570,05 € und lag damit über der durchschnittlichen großen Witwen- und Witwerrente (vgl. Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Rentenzugang 2009, Abschnitt 402.00 Z, S. 85). Die durchschnittliche Erziehungsrente von Frauen lag in Ostdeutschland pro Monat (704,15 €) etwas höher als in den alten Bundesländern (668,28 €). Bei den Männern war es umgekehrt (Ost: 566,18 €; West: 571,78 €; vgl. Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Rentenzugang 2009, Abschnitt 402.10 Z, S. 143 und Abschnitt 402.20 Z, S. 199).
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II.
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1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Klägerin) begehrt die Gewährung einer Erziehungsrente nach § 47 SGB VI. Die 38-jährige Klägerin hat drei Kinder mit drei verschiedenen Männern. Sie war nie verheiratet. Zwei der Kinder sind minderjährig und leben bei ihr. Dabei handelt es sich um eine 1996 geborene Tochter und einen im April 2007 geborenen Sohn. Das älteste Kind, ein 1989 geborener Sohn, besitzt einen eigenen Hausstand. Der Vater des 2007 geborenen Sohnes ist im Mai 2008 verstorben. Er war zwei Monate nach der Geburt dieses Sohnes in eine separate Wohnung in dem Haus gezogen, in dem die Klägerin mit ihren zwei Kindern schon wohnte. Bis zu seinem Tod stand die Klägerin in einer Beziehung zu ihm, die sie als "feste Partnerschaft" bezeichnet. Der Verstorbene habe viel Zeit in der Wohnung der Klägerin verbracht, was diese als "richtige Familie" empfand. Außer einer Rente hatte er kein Einkommen. Unterhalt für seinen Sohn zahlte er nicht, beteiligte sich nach Schilderung der Klägerin aber finanziell an den Einkäufen und machte seinem Sohn ab und zu kleine Geschenke. Die Klägerin bestreitet den Lebensunterhalt für sich und ihre minderjährigen Kinder aus Einkünften aus einer geringfügigen Beschäftigung, aus einer Halbwaisenrente für den Sohn, aus dem Kindesunterhalt, den der Vater ihrer Tochter leistet, aus Kindergeld für beide Kinder und aus ergänzenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
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Die von der Klägerin beantragte Erziehungsrente lehnte die Rentenversicherung ab, weil die Klägerin mit dem Verstorbenen nie verheiratet war. In ihrem Widerspruch trug die Klägerin vor, sie strebe die Gleichbehandlung mit geschiedenen oder verheirateten Menschen an. Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht blieben ohne Erfolg.
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Die Berufung begründete die Klägerin damit, sie fühle sich in ihren Grundrechten, insbesondere in Art. 3 GG, verletzt. Es liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor, wenn eine Person, deren Ehe geschieden worden sei, bei Versterben des früheren Ehegatten Erziehungsrente erhalte, eine ledige Person, deren Partner verstorben sei, jedoch nicht. Eine Heiratsabsicht zwischen der Klägerin und dem Verstorbenen habe bestanden.
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2. Mit Beschluss vom 30. September 2009 hat das Bayerische Landessozialgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Fragen vorgelegt, ob § 47 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch in der Fassung von Artikel 1 Nr. 15 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554) insoweit mit
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1. Art. 6 Abs. 5 des Grundgesetzes vereinbar ist, als die Norm die Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder der Erziehungsperson und des verstorbenen anderen Elternteils nicht für die Auslösung eines Anspruchs auf Erziehungsrente genügen lässt,
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2. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar ist, als die Norm die Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder der Erziehungsperson und des verstorbenen anderen Elternteils nicht für die Auslösung eines Anspruchs auf Erziehungsrente ausreichen lässt, andererseits aber die Erziehung nicht gemeinsamer Kinder dafür genügen kann,
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3. Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar ist, als die Norm die Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder der Erziehungsperson und des verstorbenen anderen Elternteils nicht für die Auslösung eines Anspruchs auf Erziehungsrente genügen lässt, die Erziehung gemeinsamer ehelicher dagegen schon.
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Das Landessozialgericht hält § 47 SGB VI für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 5 GG und mit Art. 3 Abs. 1 GG. Es stellt fest, dass die Klägerin die Leistungsvoraussetzungen für eine Erziehungsrente nicht erfülle. Sie sei zwar Versicherte im Sinne von § 47 Abs. 1 SGB VI, erziehe ein eigenes Kind (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI) und habe "nicht wieder", nämlich nie geheiratet (§ 47 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI). Des Weiteren habe sie die allgemeine Wartezeit erfüllt. Auch sei der Vater ihres 2007 geborenen Sohnes verstorben (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Ein Anspruch scheitere jedoch daran, dass sie von ihm nicht nach dem 30. Juni 1977 geschieden wurde, weil sie nie mit ihm verheiratet gewesen sei.
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a) Das Landessozialgericht hält die Vorschrift des § 47 SGB VI für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 5 GG, weil ein Leistungsausschluss, der auf dem Fehlen einer Scheidung beruhe, verfassungswidrig sei. § 47 SGB VI verletze Art. 6 Abs. 5 GG, weil das gemeinsame Kind der Klägerin und des Verstorbenen gerade wegen seines Nichtehelichenstatus benachteiligt werde. Es werde deswegen schlechter gestellt, weil seine Eltern nicht miteinander verheiratet gewesen seien. Wären sie geschieden, wäre es eheliches Kind, und seine Mutter, die Klägerin, besäße einen Anspruch auf Erziehungsrente. Das nichteheliche Kind erhielte vermutlich wegen der finanziellen Schlechterstellung seiner Mutter weniger persönliche Betreuung, als wenn seine Eltern geschieden wären, es also ein eheliches Kind wäre, und die Klägerin deshalb eine Erziehungsrente erhalten würde. Wegen des Zusammenhangs einer finanziellen Schlechterstellung der Mutter mit diesem Nachteil für das Kind verweist das Landessozialgericht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Ausgestaltung des Betreuungsunterhalts für eheliche und nichteheliche Kinder (Hinweis auf BVerfGE 118, 45 <63, 65 bis 67>). Die dort angestellten Erwägungen gälten ohne Einschränkung auch für die Vorenthaltung einer Erziehungsrente. Dass die Erziehungsrente der Klägerin und nicht dem Kind gewährt werde, sei unerheblich. Denn Art. 6 Abs. 5 GG verbiete schon die mittelbare Schlechterstellung (Hinweis auf BVerfGE 118, 45 <62>).
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Eine differenzierende Regelung für nichteheliche Kinder sei verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, wenn eine unterschiedliche tatsächliche Lebenssituation sie zwingend erfordere, um nichteheliche mit ehelichen Kindern gleichzustellen. Fehle es an solchen Gründen, sei eine Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder nur durch kollidierendes Verfassungsrecht zu rechtfertigen (BVerfGE 118, 45 <62> m.w.N.). Danach könne die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nicht auf eine bloße Willkürprüfung beschränkt werden. Vielmehr sei eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung anzustellen.
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Zwar benachteilige § 47 Abs. 1 SGB VI nach seinem Wortlaut nicht spezifisch nichteheliche Kinder gegenüber ehelichen. Nur im Fall gemeinsamer Kinder ergebe sich ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG. Die diskriminierende Tendenz des § 47 SGB VI folge nicht aus dem Tatbestand der Norm, sondern daraus, dass von ihr in der Realität meistens gemeinsame Kinder aus einer geschiedenen Ehe erfasst und einen Anspruch auf Erziehungsrente auslösen würden, während er bei gemeinsamen Kindern nie verheirateter Eltern nicht entstünde.
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Der Maßstab zur Beurteilung einer Rechtfertigung der Ungleichbehandlung müsse der gleiche sein, den das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung BVerfGE 118, 45 angelegt habe. Das verfassungsrechtliche Problem entspreche im Wesentlichen dem im Unterhaltsrecht, weil der Erziehungsrente in erster Linie Unterhaltsersatzfunktion zukomme.
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Es ließen sich keine tatsächlichen oder rechtlichen Unterschiede feststellen, die geeignet wären, die Schlechterstellung der gemeinsamen nichtehelichen gegenüber den gemeinsamen ehelichen Kindern zu rechtfertigen. Weder unterschiedliche tatsächliche Lebensbedingungen noch die nacheheliche Solidarität eigneten sich dazu, die Benachteiligung zu rechtfertigen. Dass die Ehepartner mit der Heirat eine Solidar- und Einstandsgemeinschaft begründeten, die bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vermieden werde, rechtfertige die Ungleichbehandlung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 118, 45) nicht. Der gegenwärtige Rechtszustand zur Erziehungsrente könne auch nicht mit einer Prüfungsfrist für den Gesetzgeber für eine rentenrechtliche Folgeregelung gerechtfertigt werden.
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Der Gesetzgeber könne die Erziehungsrente nicht als reine Leistung für Geschiedene reservieren. Die Erziehungsrente verfolge zwar das Ziel, eine finanzielle Unterstützung bei Wegfall der Geschiedenenwitwenrente bereitzustellen. Auch sei die Erziehungsrente keine obligatorische Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung. Schutzzweck und Disposivität der Leistung ergäben aber keine Rechtfertigung für eine Differenzierung zu Lasten gemeinsamer nichtehelicher Kinder. Der überlebende Elternteil gemeinsamer nichtehelicher Kinder dürfe von der Erziehungsrente nicht systematisch ausgeschlossen werden. Weil die Erziehungsrente eine Rente aus eigener Versicherung der Erziehungsperson darstelle, dürfe der Ehe zwischen ihr und dem verstorbenen Partner keine derart dominierende Bedeutung beigemessen werden.
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b) Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG sieht das Landessozialgericht darin, dass gemeinsame Kinder nicht Verheirateter nicht für eine Erziehungsrente ausreichten, während nicht gemeinsame (eheliche oder nichteheliche) Kinder zur Erziehungsrente führen könnten. Von § 47 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI würden auch Kinder privilegiert, welche die erziehende Person oder der verstorbene Ehegatte in eine später geschiedene Ehe eingebracht habe. Solche "Patchwork-Kinder" würden gegenüber dem gemeinsamen Kind aus einer nichtehelichen Beziehung bevorzugt. Waren Eltern nie verheiratet, führe nicht einmal der Tod des leiblichen Vaters zur Gewährung einer Erziehungsrente, während bei "Patchwork-Kindern" schon der Tod eines Stiefelternteils diese Rechtsfolge auslösen könne, wenn der Elternteil und der Stiefelternteil voneinander geschieden seien.
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c) Die nicht mit dem verstorbenen Partner verheirateten Erziehungspersonen würden gegenüber denjenigen gleichheitswidrig benachteiligt, die mit ihm verheiratet gewesen seien. Dabei sei es unerheblich, dass die Beziehung zwischen der Klägerin und dem Verstorbenen bis zu dessen Tod intakt gewesen sei, obwohl § 47 SGB VI nur zerbrochene Beziehungen erfasse. Denn die entscheidende Gemeinsamkeit, welche die Vergleichbarkeit letztlich herstelle, bestehe darin, dass einerseits in beiden Fällen Mütter nicht in den Genuss einer Witwenrente kommen könnten, weil sie zum Zeitpunkt des Ablebens des Partners nicht mit diesem verheiratet gewesen seien, andererseits in beiden Fällen durch dessen Tod bei typisierender Betrachtung ein Unterhaltszahler verloren gehe. Diese Übereinstimmung werde nicht dadurch in relevanter Weise berührt, dass im einen Fall die Beziehung zum Zeitpunkt des Todes bereits zerbrochen gewesen sei, im anderen Fall nicht. Im Übrigen setze auch § 47 SGB VI nicht stets ein Scheitern der Beziehung voraus, so etwa nicht nach § 47 Abs. 2 SGB VI bei Nichtigerklärung der Ehe wegen Doppelehe. Der strenge Rechtfertigungsmaßstab des Art. 6 Abs. 5 GG müsse zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auf die Schlechterstellung der Erziehungsperson selbst übertragen werden.
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III.
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Zur Vorlage haben sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Deutsche Rentenversicherung Bund, der Deutsche Familiengerichtstag e.V. und der Deutsche Juristinnenbund geäußert.
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1. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) kommt in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass § 47 SGB VI weder gegen Art. 6 Abs. 5 GG noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.
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Grundsätzlich behandele § 47 Abs. 1 SGB VI alle ehelichen und nichtehelichen Kinder gleich. Lediglich diejenigen Elternteile nichtehelicher Kinder, die niemals verheiratet gewesen seien, könnten nicht in den Kreis der Anspruchsberechtigten einer Erziehungsrente kommen. Insoweit würden allenfalls nichteheliche Kinder ungleich behandelt, deren Elternteile nie eine Ehe geschlossen hätten. Entscheidend sei das Fehlen einer Ehe und in der Folge davon einer Scheidung. Der Gesetzgeber dürfe die Ehe wegen ihres verfassungsrechtlichen Schutzes gegenüber anderen Lebensformen begünstigen (Hinweis auf BVerfGE 6, 55 <76 f.>; 105, 313 <348>). Die Anwendung des § 47 Abs. 1 SGB VI auf Fälle ohne Ehe würde zu sozialpolitisch unangemessenen Ergebnissen führen. Ein Verzicht auf die Scheidung als Anspruchsvoraussetzung würde eine Erziehungsrente allein aufgrund des Tatbestandes auslösen, dass ein nicht verheirateter Elternteil ein Kind erziehe und eine mit ihm zusammenlebende Person gestorben sei. Die Beziehung zwischen beiden Personen bliebe völlig offen. Eine Begrenzung des Tatbestandes auf leibliche Kinder sei rechtlich ausgeschlossen.
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2. Nach Auffassung der Deutschen Rentenversicherung Bund verstößt die Regelung des § 47 Abs. 1 SGB VI nicht gegen das Grundgesetz. § 47 SGB VI benachteilige nichteheliche Kinder im Vergleich zu ehelichen Kindern weder unmittelbar noch mittelbar. Eine unmittelbare Ungleichbehandlung sei schon deswegen zu verneinen, weil der Anspruch aus § 47 SGB VI der Erziehungsperson und nicht dem Kind zustehe. Von einer Ungleichbehandlung sei auch deshalb nicht auszugehen, weil der Wortlaut des § 47 SGB VI nicht nach dem Status des Kindes als ehelich oder nichtehelich differenziere.
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Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 2007 (BVerfGE 118, 45) führe zu keiner anderen Beurteilung. Dort gehe es um Unterhaltansprüche, hier sei die Erziehungsrente vom Bestehen eines Unterhaltsanspruchs gegen den Verstorbenen unabhängig. Die Erziehungsrente habe zwar ursprünglich dem Unterhaltsersatz gedient. Mit ihrer Überführung in das SGB VI sei der Zusammenhang zwischen Erziehungsrente und Unterhaltsrecht aber gelöst worden. Nach neuem Recht komme es allein darauf an, dass ein Kind erzogen werde. Auch habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung betont, dass Ehegatten finanziell besser gestellt werden dürfen als Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Zudem lägen Zivilrecht und Sozialversicherungsrecht unterschiedliche Regelungsziele zugrunde. Zivilrechtliche Unterhaltsansprüche seien auf den Interessenausgleich zwischen Personen gerichtet. Bei Rentenansprüchen entscheide der Gesetzgeber über die Absicherung von Risiken. Die gesetzliche Rentenversicherung sei nicht dafür bestimmt, das Risiko abzusichern, wegen Kindererziehung keine Erwerbstätigkeit ausüben zu können.
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3. Der Deutsche Familiengerichtstag e.V. vertritt in seiner Stellungnahme die Auffassung, dass ein Ausschluss von der Erziehungsrente wegen des Fehlens einer Scheidung gegen Art. 3 Abs. 1 sowie gegen Art. 6 Abs. 1 und 5 GG verstoße. Die Abhängigkeit des Anspruchs auf Erziehungsrente von einer Scheidung verletze sowohl die Grundrechte der Betreuenden als auch mittelbar die des betreuten Kindes, widerspreche dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie und benachteilige gemeinsame nichteheliche Kinder gegenüber anderen Kindern.
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4. Der Deutsche Juristinnenbund verneint einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG, weil die Möglichkeit des Verzichtes auf eigene Erwerbstätigkeit wegen Kinderbetreuung maßgeblich durch andere Regelungen vorstrukturiert sei und nur einen kurzen, völligen Ausstieg aus der Erwerbstätigkeit nahe lege. Es liege aber ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 5 GG in der Diskriminierung nichtverheirateter Versicherter gegenüber ursprünglich verheirateten Versicherten und ihren Familien vor. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Förderung der Familien nach Art. 6 Abs. 1 GG sei überschritten. Das Gleichstellungsgebot aus Art. 6 Abs. 5 GG erlaube es nicht, an die Ehelichkeit oder Nichtehelichkeit von Familien anzuknüpfen. Rechtfertigende Gründe bestünden weder in der tatsächlichen Lebenssituation noch in den rechtlichen Rahmensetzungen.
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B.
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Die Vorlage ist unzulässig.
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Die Darlegungen zur Entscheidungserheblichkeit und zur Verfassungswidrigkeit der zur Überprüfung gestellten Norm genügen nicht den Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an die Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG zu stellen sind (vgl. BVerfGE 86, 71 <76 f.>; 105, 48 <56>).
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I.
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Die Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG setzt voraus, dass die Verfassungsmäßigkeit der zur Prüfung vorgelegten Norm für das Ausgangsverfahren entscheidungserheblich ist (vgl. BVerfGE 11, 330 <334>; 107, 218 <232>; stRspr). Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit kommt es auf die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts an. Das gilt jedoch nicht, wenn diese offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 31, 47 <52>; 100, 209 <212>; 105, 61 <67>; stRspr) oder die Entscheidungserheblichkeit von verfassungsrechtlichen Vorfragen abhängt (vgl. BVerfGE 46, 268 <284>; 63, 1 <27>).
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Die Entscheidungserheblichkeit ist vom vorlegenden Gericht zu begründen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Der Vorlagebeschluss muss hinreichend deutlich erkennen lassen, dass und aus welchen Gründen das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit (vgl. BVerfGE 7, 171 <173 f.>; 107, 59 <85>; stRspr), und sich unter Berücksichtigung der in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen eingehend mit der Rechtslage auseinandersetzen (BVerfGE 47, 109 <114 f.>; 105, 61 <67>; stRspr). Richten sich die Bedenken gegen eine Vorschrift, von deren Anwendung die Entscheidung nicht allein abhängt, müssen die weiteren mit ihr im Zusammenhang stehenden Bestimmungen in die rechtlichen Erwägungen einbezogen werden, soweit dies zum Verständnis der zur Prüfung gestellten Norm oder zur Darlegung ihrer Entscheidungserheblichkeit erforderlich ist.
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Das vorlegende Gericht muss ferner deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt ist. Auch insoweit bedarf es eingehender, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehender Darlegungen (vgl. BVerfGE 89, 329 <337>; 105, 48 <56>; stRspr).
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II.
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1. Diesen Darlegungsanforderungen werden alle drei Vorlagefragen nicht gerecht. Das Landessozialgericht formuliert im Vorlagebeschluss die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 47 Abs. 1 SGB VI. Dabei versäumt es, die Vorschrift in den Gesamtregelungszusammenhang mit den Renten wegen Todes zu stellen, und zieht für einen möglichen Rentenanspruch der Klägerin die Bestimmung über die große Witwenrente nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI gar nicht in Betracht.
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Bei dem Verstorbenen handelte es sich um den letzten Lebensgefährten der Klägerin, der nach ihrem Vortrag mit ihr wie in einer "richtigen Familie" zusammenlebte. Nach Angaben der Klägerin bestand Heiratsabsicht. Bei diesem Sachverhalt ist es begründungsbedürftig, warum nicht die Vorschrift zur großen Witwenrente nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI in die Gleichheitsprüfung einbezogen wird, sondern allein die Regelung zur Erziehungsrente, die zusätzlich zum Eingehen einer Ehe noch eine Ehescheidung voraussetzt. Eine Ehescheidung setzt ein Scheitern der Ehe voraus. Hier lebten die Klägerin und ihr verstorbener Partner nach dem Vortrag der Klägerin bis zu dessen Tod jedoch in einer intakten Lebensgemeinschaft. Deshalb hätte das Landessozialgericht darlegen müssen, warum es eine Parallele zur Ehe und damit eine Anwendung des § 46 SGB VI als Bezugspunkt der Gleichheitsprüfung ausschließt und allein auf die Regelung des Scheidungsfolgenrechts abstellt.
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Die notwendige Einbeziehung des § 46 SGB VI erübrigt sich nicht schon dadurch, dass die Klägerin bei der Rentenversicherung einen Antrag nach § 47 SGB VI und nicht nach § 46 SGB VI gestellt hat und die Klage auf Gewährung einer Erziehungsrente aus § 47 SGB VI gerichtet ist. Denn über das Begehren eines Antragstellers ist im Rentenrecht nach der objektiven Rechtslage zu entscheiden. Wird ein Antrag auf eine bestimmte Rentenart gestellt, deren gesetzliche Voraussetzungen nicht erfüllt sind, der aber den Voraussetzungen für eine andere Rentenart genügt, hat der Rentenversicherungsträger Versicherte so zu stellen, als sei der zutreffende Antrag eingereicht worden, wenn für ihn der Sachverhalt erkennbar war (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 10. Oktober 1996 - L 8 Ar 640/95 -, Breithaupt 1997, S. 533). Wenn sich im Verwaltungsverfahren ein konkreter Anlass ergibt, Versicherte spontan auf klar zutage liegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und die verständige Versicherte mutmaßlich nutzen würden, so folgt der Verletzung von Beratungs- und Auskunftspflichten ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, ohne dass Versicherte um Auskunft und Beratung nachgesucht hätten (sogenannte Spontanberatung, vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 1997 - 8 RKn 1/97 -, BSGE 81, 251). Die Klägerin hatte in ihrem Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vorgetragen, sie strebe die Gleichbehandlung mit geschiedenen oder verheirateten Menschen an. Damit hatte sie auf eine angestrebte Rentengewährung nach § 47 SGB VI oder nach § 46 SGB VI hingewiesen. Eine Berücksichtigung des § 46 SGB VI würde nicht an versicherungsrechtlichen Voraussetzungen scheitern, da der verstorbene Lebensgefährte der Klägerin seit 1. November 2007 eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung bezog.
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Der Vorlagebeschluss führt aus, ein Anspruch der Klägerin scheitere lediglich am Tatbestandsmerkmal der "Geschiedenheit". § 47 SGB VI setze aber nicht stets ein Scheitern der Beziehung voraus, nämlich nicht bei Nichtigerklärung der Ehe im Sinne des § 47 Abs. 2 SGB VI mit der Folge rückwirkender Kraft (vgl. RGZ 88, 328), zum Beispiel bei einer Doppelehe. Dieser Hinweis trifft nicht mehr zu. Denn zum 1. Juli 1998 ist die Unterscheidung zwischen Nichtigkeit und Aufhebung der Ehe entfallen. §§ 1313, 1314 BGB regeln die Aufhebung der Ehe durch richterliche Entscheidung mit Rechtskraft ex nunc abschließend. Diese Änderung im Familienrecht ist vom Gesetzgeber in § 47 SGB VI noch nicht redaktionell nachvollzogen worden (Butzer, in: Ruland/Försterling
, GK-SGB VI, § 47 Rn. 54). § 47 Abs. 2 SGB VI kann sich jetzt nur noch auf die Aufhebung der Ehe ex nunc beziehen (§ 1313 Satz 2 BGB).
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§ 46 SGB VI setzt nur das Bestehen einer Ehe voraus, während § 47 SGB VI die Eingehung einer Ehe und deren Scheidung voraussetzt. Ein Scheitern der Ehe ist Voraussetzung einer Scheidung und einer Eheaufhebung und damit implizites Tatbestandsmerkmal des § 47 SGB VI. Für die von der Klägerin geltend gemachten Gleichheitsfragen drängt es sich dabei auf, nicht allein auf eine Bestimmung abzustellen, die greift, wenn die Ehe geschieden wurde, sondern angesichts einer bestehenden, intakten Beziehung auch auf diejenige, die für nicht geschiedene Ehen gilt, also auf § 46 SGB VI. Das Landessozialgericht hätte diese mit § 47 SGB VI im Zusammenhang stehende Bestimmung in die rechtlichen Erwägungen einbeziehen müssen.
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Auf bis zum Tod eines Ehegatten bestehende Ehen wird § 47 SGB VI nur angewendet, wenn Ehegatten ein Rentensplitting nach §§ 120a ff. SGB VI durchgeführt haben und dadurch eine Witwen- oder Witwerrente nach § 46 Abs. 2b SGB VI ausgeschlossen wird. Da dieses Institut aber nur Ehegatten und Lebenspartnern offensteht und ein dem Splitting vergleichbares Arrangement nicht ersichtlich ist, hätte sich das Landessozialgericht damit auseinandersetzen müssen, warum es im Falle der mit ihrem Partner nicht verheirateten Klägerin gerade eine Parallele zu Ehegatten sieht, die ein Rentensplitting durchgeführt haben.
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Das Landessozialgericht hat in seiner Vorlage § 47 SGB VI nicht von § 46 SGB VI und § 243 SGB VI abgegrenzt und die Norm nicht in das Gesamtleistungssystem der Versorgung bei Versterben eines Ehegatten eingeordnet. Damit ist nicht dargetan, dass es auf die Verfassungsmäßigkeit des § 47 SGB VI entscheidungserheblich ankommt.
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2. Die Ausführungen des Vorlagebeschlusses zur zweiten Vorlagefrage zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG werden auch in anderer Hinsicht den Darlegungsanforderungen nicht gerecht.
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Das Landessozialgericht sieht Art. 3 Abs. 1 GG für die Vorlagefrage als einschlägig an. Verglichen werden gemeinsame leibliche Kinder, deren Eltern bis zum Tod des einen Partners eine nichteheliche Lebensgemeinschaft bildeten, mit Kindern eines geschiedenen Paares, die nicht aus der gemeinsamen Verbindung stammen. Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG schließt das Landessozialgericht a minore ad maius aus seinen Ausführungen zu Art. 6 Abs. 5 GG: "Wenn schon im Vergleich eheliche/nichteheliche Kinder eine Verfassungswidrigkeit vorliegt, so muss man diese - auch wenn nicht Art. 6 Abs. 5 GG, sondern der allgemeine Gleichheitssatz einschlägig ist - hier erst recht annehmen". Das Landessozialgericht sieht das Problem im Ausgangsfall darin, dass "nicht einmal der Tod des leiblichen Vaters zur Gewährung einer Erziehungsrente" an die Mutter führt, während "Patchwork-Kinder", also mit dem Verstorbenen nicht verwandte Kinder der Erziehungsperson, diese Rente auslösen können, wenn der Eltern- und der Stiefelternteil voneinander geschieden sind. Letztlich möchte das Landessozialgericht daher aus der besonderen Nähe des Kindes zum Verstorbenen, nämlich seiner leiblichen Abstammung, die Erst-recht-Rentenberechtigung der Erziehungsperson herleiten.
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Hier setzt sich das Landessozialgericht nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3 Abs. 1 GG im Fürsorgerecht auseinander. Danach kann eine Hinterbliebenenversorgung wie für Witwen und Witwer bei Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder durch den überlebenden Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft durch Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG geboten sein (vgl. BVerfGE 112, 50 <67 ff.>).
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3. Die dritte Vorlagefrage stellt zusätzlich darauf ab, dass die Erziehung gemeinsamer nichtehelicher Kinder für einen Anspruch nach § 47 SGB VI nicht genüge, die Erziehung gemeinsamer ehelicher Kinder dafür aber ausreiche. Das Landessozialgericht sieht darin eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Benachteiligung der mit dem verstorbenen Partner nicht verheirateten Erziehungsperson gegenüber einer solchen Erziehungsperson, die mit ihm verheiratet war. Die über Art. 6 Abs. 1 GG geschützte nacheheliche Solidarität sei ungeeignet, einen Differenzierungsgrund zu liefern. Vielmehr müsse der strenge Rechtfertigungsmaßstab des Art. 6 Abs. 5 GG, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, auf die Schlechterstellung der Erziehungsperson selbst übertragen werden. Damit wird letztlich angenommen, Ehen und nichteheliche Lebensgemeinschaften dürften nach Art. 3 Abs. 1 GG in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht unterschiedlich behandelt werden, soweit der Tatbestand auch an die Erziehung eines Kindes anknüpft, denn nach Art. 6 Abs. 5 GG seien eheliche und nichteheliche Kinder gleich zu behandeln. Eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Ehe unter Art. 6 Abs. 1 GG findet nicht statt (BVerfGE 105, 313<348 f.>).Insbesondere fehlen Ausführungen dazu, wann eine rechtlich nicht ausgeformte, nichteheliche Lebensgemeinschaft der Ehe oder einer eingetragenen Lebenspartnerschaft vergleichbar ist, in der auf Dauer rechtlich verbindlich Verantwortung für einander übernommen wird (vgl. BVerfGE 124, 199 <225>). Weiter fehlen Überlegungen dazu, ob es für die den Art. 3 Abs. 1 GG mit prägende Wertung des Art. 6 Abs. 5 GG von Bedeutung ist, dass es nicht um einen Betreuungsunterhaltsanspruch des erziehenden Elternteils gegen den anderen Elternteil geht (vgl. dazu BVerfGE 118, 45), sondern um einen Anspruch gegen einen Dritten, die Rentenversicherung, der in keiner Weise davon abhängig ist, ob durch den Todesfall etwaige Betreuungsunterhaltsansprüche verloren gegangen sind.
(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.
(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.
(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Auskunftserteilung nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW.
3Der Kläger - ein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer - war von Dezember 2005 bis Dezember 2010 Kommanditist der N. erste Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG und von November 2006 bis Dezember 2010 der N. zweite Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG sowie der N. dritte Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG. Von November 2004 bis Dezember 2010 war der Kläger Kommanditist der S. Immobilien GmbH & Co. KG. Seit Dezember 2010 firmieren diese Gesellschaften als Ltd. & Co. KG. Von Juni 2008 bis März 2011 war der Kläger zudem Geschäftsführer der Komplementärin der drei N. -Gesellschaften und von August 2008 bis März 2011 Geschäftsführer der früheren Komplementärgesellschaft der S. Immobilien, der S. Immobilien Verwaltungs GmbH.
4Diesen Gesellschaften waren durch Bewilligungsbescheide der zuständigen kommunalen Behörden Wohnungsbaufördermittel zugewandt worden. Auf der Grundlage dieser Bewilligungsbescheide hatte die Wohnungsbauförderungsanstalt (WfA) - die Rechtsvorgängerin der beklagten NRW.Bank - Förderdarlehen gewährt. Wegen der Abwicklung und Begleitung des Förderrechtsverhältnisses hatte der Kläger jedenfalls seit Dezember 2005 bis zu seinem Ausscheiden als Kommanditist im Dezember 2010 für die Investoren Gespräche mit der WfA bzw. später der Beklagten über Förderrechtsangelegenheiten im Zusammenhang mit den Fördervorhaben geführt.
5Zur Sicherung der Darlehensansprüche der WfA hatte der Kläger Bürgschaften gegenüber der WfA begeben. Aus diesen Bürgschaftsverpflichtungen nimmt ihn die Beklagte zivilrechtlich in Anspruch.
6Am 12. Mai 2011 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Auskunftserteilung gemäß § 4 IFG NRW. Die Beklagte sollte ihm u. a. folgende Informationen zur Verfügung stellen:
7„ 1. Wann erfolgten die Auszahlungen der von der NRW.Bank gewährten Darlehen an die N. erste Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. erste Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG), an die N. zweite Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. zweite Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG), an die N. dritte Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. dritte Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG) sowie an die S. Immobilien GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als S. Immobilien Ltd. & Co. KG)?
82. Auf welcher öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlage erfolgte die jeweilige Auszahlung der in Ziffer 1 genannten Darlehen durch die NRW.Bank und wurden die jeweiligen Auszahlungsvoraussetzungen im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Auszahlung durch die NRW.Bank auch eingehalten?
9…“
10Zur Begründung seines Antrags führte der Kläger aus, die Beklagte bzw. ihre Vorgängerin, die WfA, habe für Bauprojekte der in dem Antrag bezeichneten Gesellschaften Darlehen gewährt und ausgereicht. Er, der Kläger, werde von der Beklagten aus Bürgschaftsverpflichtungen im Hinblick auf diese Darlehen in Anspruch genommen. Er habe daher ein Interesse daran, die begehrten Auskünfte zu erhalten. Die Beklagte sei zu diesen nach § 4 IFG NRW verpflichtet.
11Mit Bescheid vom 17. Juni 2011, zugestellt am 20. Juni 2011, lehnte die Beklagte die Auskunftserteilung u. a. zu den Fragen 1. und 2. aus dem Antrag vom 12. Mai 2011 ab. Zur Begründung führte sie aus, einer Auskunft zu dem Zeitpunkt der Auszahlungen der Förderdarlehen stehe das Bankgeheimnis entgegen. Das Bankgeheimnis sei als vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht Teil des Bundesrechts. Als solches genieße es gemäß Art. 31 GG Vorrang vor abweichendem Landesrecht. Unabhängig davon greife der Ablehnungsgrund des § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW. Aufgrund seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der in Rede stehenden Gesellschaften und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er seit Dezember 2005 verantwortlicher Gesprächspartner der Beklagten für die Abwicklung des Förderrechtsverhältnisses gewesen sei, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger Informationen über den Zeitpunkt der Auszahlung der Darlehen an die Darlehensnehmer gehabt habe. Bei der ihm in seiner damaligen Funktion obliegenden Sorgfalt sei er zumindest verpflichtet gewesen, sich Kenntnis über die für die Abwicklung des Förderrechtsverhältnisses maßgeblichen Tatsachen zu verschaffen. Hierzu sei er aufgrund seiner beruflichen Qualifikation auch in der Lage gewesen. Das allgemeine öffentliche Interesse an einer Transparenz der Vorgänge der Verwaltung rechtfertige ein Informationsbegehren nicht, wenn der Antragsteller - wie hier - bereits über die begehrten Informationen verfüge. Dies gelte ungeachtet der Tatsache, dass der Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Auskunft über Daten der Auszahlung der Darlehensvaluta gering sein möge. Sehe man das Bankgeheimnis lediglich als vertragliche Verpflichtung der Beklagten an, wäre diese Verpflichtung hilfsweise bei der Ausübung des Ablehnungsermessens aus § 5 Abs. 4 IFG NRW zu berücksichtigen. Sollte der Kläger die ihm aus seiner früheren Tätigkeit bekannten Informationen nicht mehr in Händen halten, würde sich nichts anderes ergeben. Dem Auskunftsbegehren zu 2. stehe aus entsprechenden Erwägungen § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW entgegen. Die Frage nach den jeweiligen Auszahlungsvoraussetzungen setze eine rechtliche Bewertung voraus und ziele daher nicht auf eine amtliche Information.
12Der Kläger hat am 20. Juli 2011 Klage erhoben.
13Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte könne sich gegenüber seinem Informationsanspruch nicht auf das Bankgeheimnis berufen. Das nur als Richterrecht existierende allgemeine Bankgeheimnis werde durch die spezialgesetzlichen Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes NRW - wie dessen § 8 zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - verdrängt. Eine ermessensfehlerfreie Ablehnung der beantragten Informationserteilung nach § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG sei nicht möglich. Es komme hierfür nicht darauf an, ob der Kläger - etwa aufgrund seiner Organstellung in der Vergangenheit - Kenntnis von den begehrten Informationen hätte haben müssen.
14Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 6. Juli 2012 hat der Kläger die Klage zurückgenommen, soweit diese sich auf die Mitteilung der öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlage der Darlehensauszahlungen und die Einhaltung der jeweiligen Auszahlungsvoraussetzungen bezog.
15Der Kläger hat daraufhin beantragt,
16die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheids vom 17. Juni 2011 zu verpflichten, folgende Auskünfte zu erteilen:
17Wann erfolgten die Auszahlungen der von der NRW.Bank gewährten Darlehen an die N. erste Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. erste Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG), an die N. zweite Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. zweite Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG), an die N. dritte Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. dritte Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG) sowie an die S. Immobilien GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als S. Immobilien Ltd. & Co. KG)?
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie hat vorgetragen, das Informationsfreiheitsgesetz NRW könne das Bankgeheimnis nicht verdrängen. Es gelte die allgemeine Kollisionsregel des Art. 31 GG, derzufolge Bundesrecht Landesrecht breche. Auch das vorkonstitutionelle Bundesrecht unterfalle dieser Vorrangregel. Nach diesen Maßstäben werde das Informationsfreiheitsgesetz NRW gemäß Art. 31 GG durch das Bankgeheimnis verdrängt, das als vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht Teil des einfachen Bundesrechts sei. Das Bankgeheimnis untersage der Beklagten als von dessen Anwendungsbereich erfasstem Kreditinstitut die Herausgabe solcher Informationen, die im Zusammenhang mit den Geschäftsbeziehungen zum Kunden stünden. Auch die Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW beträfen - soweit es um öffentlich-rechtliche Kreditinstitute gehe - solche dort vorhandenen Daten, die dem Bankgeheimnis unterlägen. Auch diese Daten erfüllten den Begriff der amtlichen Information. Damit läge eine Regelung des gleichen Gegenstands vor. Zwischen beiden Normen gebe es eine echte Kollision. Des Weiteren stehe dem Informationsanspruch § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW entgegen. Der Kläger bestreite nicht, dass ihm die betreffenden Informationen als solche vorlägen, etwa weil sie ihm von dritter Seite zugänglich gemacht worden seien. Letzteres sei für die Anwendung des § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG ausreichend. Im Übrigen müsse sich der Kläger entgegenhalten lassen, die einmal erlangte Information verloren zu haben. Darauf lasse er sich bezeichnenderweise nicht ausdrücklich ein.
21Mit Urteil vom 6. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren im Umfang der Klagerücknahme eingestellt und der Klage im Übrigen unter teilweiser Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 17. Juni 2011 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe einen Auskunftsanspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Die Beklagte sei gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 IFG NRW auskunftspflichtige Stelle. Das Bankgeheimnis sei keine besondere Rechtsvorschrift i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW, die den Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW vorgehe. §§ 8, 9 IFG NRW stünden dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Dasselbe gelte für § 5 Abs. 4 IFG NRW.
22Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.
23Die Beklagte hat am 24. August 2012 Berufung gegen das ihr am 25. Juli 2012 zugestellte Urteil eingelegt.
24Zur Begründung ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen: Sie unterliege auch in der Rechtsform der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts den Anforderungen des Bankgeheimnisses. Die von dem Kläger begehrte Information über die Zeitpunkte der Auszahlungen der jeweiligen Darlehensvaluta falle in den Anwendungsbereich des Bankgeheimnisses. Das Bankgeheimnis genieße Vorrang gegenüber landesrechtlich begründeten Auskunftsansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW. Als vorkonstitutionelles Bundesrecht verdränge das Bankgeheimnis das Informationsfreiheitsgesetz NRW nach der grundgesetzlichen Kollisionsregel des Art. 31 GG. Dies habe das Verwaltungsgericht außer Acht gelassen, als es auf § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW abgestellt habe. Diese Vorschrift sei nicht einschlägig, weil ihr Zweck nur die Bestimmung des Verhältnisses verschiedener Informationszugangsrechte untereinander sei. Das Bankgeheimnis habe absoluten Verbotscharakter. Nur in Einzelfällen könne es im Wege der Interessenabwägung eingeschränkt werden. Es bestehe auch keine Gesetzgebungskompetenz des Landes zur Einschränkung des Bankgeheimnisses. Des Weiteren stehe dem streitigen Informationszugangsanspruch § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW entgegen. Dem Kläger sei aufgrund seiner Tätigkeit als Gesellschafter der Komplementärgesellschaften der Darlehensnehmer im Zeitraum von Juni 2008 bis März 2011 und vor allem aufgrund der Tatsache, dass er seit 2005 als verantwortlicher Ansprechpartner der Beklagten die Verhandlungen und Gespräche über die Abwicklung des Förderrechtsverhältnisses geführt habe, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bekannt gewesen, wann die Auszahlung der Darlehen an die Darlehensnehmer erfolgt sei. Dagegen habe sich der Kläger im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens nicht gewandt. Ob die Kenntnis gerade durch die Beklagte vermittelt worden sei, sei nicht maßgeblich. Der Kläger habe die einmal erlangte Information aufbewahren müssen. Es könne nicht darauf abgestellt werden, ob der Kläger die Information nach Aufgabe der Geschäftsführerstellung habe zurücklassen müssen.
25Die Beklagte beantragt,
26das angefochtene Urteil zu ändern und die noch anhängige Klage abzuweisen.
27Der Kläger beantragt,
28die Berufung zurückzuweisen.
29Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass das Bankgeheimnis nicht als vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht Teil des einfachen Bundesrechts sei. Vielmehr handele es sich bei dem Bankgeheimnis um eine vertragliche Verpflichtung. Art. 31 GG komme nicht zum Tragen. Aus § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW folge, dass nur solche Vorschriften als vorrangig in Betracht zu ziehen seien, die denselben Sachverhalt abschließend regelten oder deren Schutzzweck einem umfassenden Informationsanspruch zuwiderlaufe. Das Bankgeheimnis sei auch kein absolutes Verbotsgesetz. Ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der Beklagten i.S.v. § 8 IFG NRW werde nicht offenbart. § 9 IFG NRW und § 5 Abs. 4 IFG NRW griffen nicht zugunsten der Beklagten ein. Die maßgeblichen Gespräche mit der Beklagten habe seinerzeit federführend der Architekt G. geführt. Im Übrigen sei sein Beitrag im Zusammenhang mit der Finanzierung der Kommanditgesellschaften nur noch von untergeordneter Bedeutung gewesen.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt des von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
31E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
32Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
33Das Verwaltungsgericht hat der Klage im noch streitgegenständlichen Umfang zu Recht stattgegeben.
34Der Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), soweit die Beklagte dem Kläger die mit dem noch anhängigen Klageantrag begehrten Informationen zu den Zeitpunkten der Darlehensauszahlungen verweigert hat.
35Der Kläger hat einen diesbezüglichen Anspruch auf Informationszugang gemäß § 4 Abs. 1 IFG NRW (dazu I.). Die Anwendung des § 4 Abs. 1 IFG NRW ist nicht durch das Bankgeheimnis ausgeschlossen (dazu II.). Ablehnungsgründe, die dem Informationsanspruch des Klägers entgegenstehen, liegen nicht vor (dazu III.).
36I. Der Kläger kann den geltend gemachten Informationszugangsanspruch auf § 4 Abs. 1 IFG NRW stützen.
37Nach dieser Vorschrift hat jede natürliche Person nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen.
38Diese Voraussetzungen sind gegeben.
39Die beklagte NRW.Bank ist eine anspruchsverpflichtete Stelle i.S.v. § 2 IFG NRW (dazu 1.). Das noch anhängige Informationsverlangen hinsichtlich der in dem Klageantrag bezeichneten Zeitpunkte bestimmter Darlehensauszahlungen betrifft amtliche Informationen i.S.d. § 3 Satz 1 IFG NRW (dazu 2.).
401. Die beklagte NRW.Bank fällt in den von § 2 IFG NRW definierten Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes NRW.
41§ 2 Abs. 1 Satz 1 IFG NRW zufolge gilt dieses Gesetz für die Verwaltungstätigkeit der Behörden, Einrichtungen und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und deren Vereinigungen (öffentliche Stellen). Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (§ 2 Abs. 1 Satz 2 IFG NRW). Sofern eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnimmt, gilt sie als Behörde im Sinne dieses Gesetzes (§ 2 Abs. 4 IFG NRW).
42Der Begriff der Verwaltungstätigkeit in § 2 Abs. 1 IFG NRW ist weit auszulegen. Er umfasst die Verwaltung im formellen und materiellen Sinn. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes NRW ist es, staatliches Handeln transparent zu machen und durch den freien Zugang zu Informationen nicht nur die Nachvollziehbarkeit, sondern auch die Akzeptanz behördlicher Entscheidungen zu steigern. Dementsprechend war es Intention des Gesetzgebers, einen möglichst weiten und umfassenden Informationsanspruch zu schaffen und die Ausschlussgründe eng zu fassen.
43Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. Oktober 2010 - 8 A 875/09 -, juris Rn. 30 f., unter Hinweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 9 und S. 10.
44Unter Verwaltung im formellen Sinn ist die gesamte Tätigkeit der Exekutive zu verstehen, unabhängig davon, ob es sich um eine Tätigkeit materiell verwaltender Art handelt. Entscheidend ist die Einordnung des Handelnden in den Staatsaufbau. Ausgehend davon liegt eine Verwaltungstätigkeit dann vor, wenn eine Stelle aus dem Bereich der Exekutive und nicht der Legislative oder Judikative tätig wird. Darüber hinaus erfasst § 2 Abs. 1 IFG NRW die Verwaltung im materiellen Sinn, wie sich aus der Behördendefinition in § 2 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 IFG NRW ergibt. Der materielle Verwaltungsbegriff knüpft an die ausgeübte Funktion bzw. den verfolgten Zweck der Tätigkeit an, unabhängig davon, wer sie ausübt. Maßgeblich ist, ob materielle Verwaltungsaufgaben (in Abgrenzung zu Aufgaben der Legislative oder Judikative) wahrgenommen werden.
45Vgl. OVG NRW, Urteile vom 7. Oktober 2010 - 8 A 875/09 -, juris Rn. 33 ff., und vom 17. Mai 2006 - 8 A 1642/05 -, NWVBl. 2006, 292 = juris Rn. 34, Beschlüsse vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, NJW 2005, 2028 = juris Rn. 9, und vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, NVwZ-RR 2003, 800 = juris Rn. 12; ebenso zu § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG Bund: BVerwG, Urteile vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 22, und vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 11.
46Gemessen an diesen Maßstäben ist die beklagte NRW.Bank in formeller wie in materieller Hinsicht eine Stelle, die i.S.v. § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IFG NRW Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt und als solche aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes NRW in Anspruch genommen werden kann.
47Dass die NRW.Bank bereits formell als öffentliche Stelle i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 IFG NRW qualifiziert werden kann, ergibt sich aus ihrer (öffentlich-rechtlichen) Konstruktion nach dem Gesetz über die NRW.Bank vom 16. März 2004 (GV. NRW. S. 126; im Folgenden: NRW.Bank-G).
48Vgl. im Übrigen für die öffentlich-rechtlich organisierten Sparkassen- und Giroverbände: Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 2 Rn. 152.
49Nach dessen § 1 ist die NRW.Bank ein Kreditinstitut in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 NRW.Bank-G steht sie unmittelbar unter der staatlichen Aufsicht des Innenministeriums, die im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung im Einvernehmen mit dem für das Wohnungswesen zuständigen Ministerium ausgeübt wird (§ 11 Abs. 1 Satz 2 NRW.Bank-G). Gewährträger der NRW.Bank ist gemäß § 4 Abs. 1 NRW.Bank-G das Land Nordrhein-Westfalen. Dieses stellt sicher, dass die NRW.Bank ihre Aufgaben erfüllen kann und trägt solchermaßen die Anstaltslast (§ 4 Abs. 2 NRW.Bank-G).
50Auch materiell kommt die NRW.Bank öffentlichen Verwaltungsaufgaben nach. Dies schreibt § 3 Abs. 1 Satz 1 NRW.Bank-G fest. Er bestimmt, dass die NRW.BANK den staatlichen Auftrag hat, das Land und seine kommunalen Körperschaften bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben, insbesondere in den Bereichen der Struktur-, Wirtschafts-, Sozial- und Wohnraumpolitik, zu unterstützen und dabei Fördermaßnahmen im Einklang mit den Beihilfevorschriften der Europäischen Gemeinschaft durchzuführen und zu verwalten.
512. Mit seinem noch anhängigen Klagebegehren, von der Beklagten die Auszahlungszeitpunkte bestimmter Darlehen zu erfahren, zielt der Kläger auf eine amtliche Information i.S.d. § 3 Satz 1 IFG NRW.
52§ 3 Satz 1 IFG NRW definiert Informationen im Sinne dieses Gesetzes als alle in Schrift-, Bild-, Ton- oder Datenverarbeitungsform oder auf sonstigen Informationsträgern vorhandenen Informationen, die im dienstlichen Zusammenhang erlangt wurden.
53Auch der hiermit verwendete Begriff der Information soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine möglichst offene und umfassende Auslegung des Informationsfreiheitsgesetzes NRW sicherstellen
54Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 45, unter Hinweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 10.
55Ein dienstlicher Zusammenhang der Information ist jedenfalls zu bejahen, wenn die Unterlagen dienstlichen Zwecken dienen, also dazu bestimmt sind, zu einem (Verwaltungs-)Vorgang zu gehören. Mit den dienstlichen Zwecken sind die von der öffentlichen Stelle zu erfüllenden Aufgaben gemeint. Erfasst sind jedenfalls Informationen, die von einer öffentlichen Stelle in Ausübung ihrer Verwaltungstätigkeit zielgerichtet erlangt wurden und die daher einen inhaltlichen Bezug zu der Verwaltungstätigkeit aufweisen.
56Vgl. Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 3 Rn. 354 f.; siehe dazu außerdem OVG NRW, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 49.
57Legt man diese Begriffsbestimmung zugrunde, ist die von dem Kläger beanspruchte Auskunft über den Auszahlungszeitpunkt bestimmter Darlehen, welche die Beklagte gewährt hatte, eine amtliche Information im Verständnis des § 3 Satz 1 IFG NRW. Die Beklagte bewilligte diese Darlehen im Rahmen der Erfüllung der ihr zugewiesenen öffentlichen Aufgabe der Wohnungsbauförderung. Mit dieser Aufgabenwahrnehmung steht der Zeitpunkt der Darlehensauskehrung in einem unmittelbaren dienstlichen Zusammenhang.
58II. Die Anwendung des § 4 Abs. 1 IFG NRW ist nicht durch das Bankgeheimnis ausgeschlossen. Das Bankgeheimnis ist weder eine besondere Vorschrift i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW, die den Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes NRW vorgeht (dazu 1.), noch verdrängt es die landesgesetzlichen Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW gemäß Art. 31 GG (dazu 2.).
591. Das Bankgeheimnis ist keine besondere Vorschrift i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW, die den Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes NRW vorgeht.
60Soweit besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht bestehen, gehen sie gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW den Vorschriften dieses Gesetzes vor.
61Wie das Tatbestandsmerkmal „soweit“ zeigt, zieht § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW nur solche Vorschriften als vorrangig in Betracht, die denselben Sachverhalt bereichsspezifisch abschließend - sei es identisch, sei es abweichend - regeln. Konkurrenzfragen sind in jedem konkreten Einzelfall durch eine systematische, an Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung der jeweiligen Informationszugangsrechte zu klären. Um die Bestimmung des Verhältnisses verschiedener Informationszugangsrechte untereinander vornehmen zu können, müssen vor allem deren jeweilige Regelungsmaterien berücksichtigt werden. Eine Vorrangigkeit im Sinne einer Ausschließlichkeit ist nur dort anzunehmen, wo die jeweiligen Rechte die gleichen Anliegen verfolgen und/oder identische Zielgruppen erfassen. Eine besondere Rechtsvorschrift i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW liegt daher nur dann vor, wenn ihr Anwendungsbereich in sachlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Informationen, die der Rechtsvorschrift unterfallen, und/oder in persönlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Personen, auf welche die Rechtsvorschrift Anwendung findet, beschränkt ist.
62Vgl. OVG NRW, Urteile vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 54 ff., und vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 1162 = juris Rn. 29, Beschlüsse vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, NJW 2005, 2028 = juris Rn. 14 ff., und vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, NVwZ-RR 2003, 800 = juris Rn. 20.
63Wenn spezialgesetzliche Regelungen - des Bundes- oder des Landesrechts - für einen gesonderten Sachbereich oder für bestimmte Personengruppen einen begrenzten Informationsanspruch vorsehen, ist deshalb in jedem konkreten Einzelfall zu untersuchen, ob diese Grenzen auch für den Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW bindend sind. Das ist anzunehmen, wenn ein umfassender Informationsanspruch dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwider laufen würde. Lässt sich derartiges nicht feststellen, gelangt der Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW zur Anwendung.
64Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 1162 = juris Rn. 29, Beschluss vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, NJW 2005, 2028 = juris Rn. 16 ff; siehe außerdem die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 11.
65Daran gemessen ist das Bankgeheimnis keine besondere Vorschrift i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW. Dies gilt losgelöst davon, ob das Bankgeheimnis als vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht im Rang eines Bundesgesetzes steht oder bloß als (AGB-)vertragliche Verpflichtung gilt.
66Offen gelassen von BGH, Vorlagebeschluss vom 17. Oktober 2013 - I ZR 51/12 -, juris Rn. 22 (mit lediglich mittelbarer Bezugnahme auf § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO), Urteile vom 27. Oktober 2009 - IX ZR 225/08 -, BGHZ 183, 60 = NJW 2010, 361 = juris Rn. 18, und vom 27. Februar 2007 - IX ZR 195/05 -, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = juris Rn. 23; gesetzliches Gewohnheitsrecht verneinen ausdrücklich OLG Naumburg, Urteil vom 15. März 2012 - 9 U 208/11 -, juris Rn. 24, und OLG Köln, Urteil vom 15. September 2005 - 8 U 21/05 -, NJW-RR 2006, 263 = juris Rn. 26; mit Tendenz zur AGB-rechtlichen Verortung OLG Stuttgart, Urteil vom 13. Dezember 2005 - 6 U 119/05 -, juris Rn. 93; auch für eine rechtsgeschäftliche Qualifikation Cahn, WM 2004, 2041, 2042 (mit Hinweisen auf entgegengesetzte Literaturstandpunkte); Klüwer/Meister, WM 2004, 1157, sprechen von einer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung; ebenso Toth-Fehrer/Schick, ZIP 2004, 491, 493.
67Ebenso kann dahinstehen, ob als „besondere Vorschriften“ nur positivrechtliche Bestimmungen in Betracht kommen,
68offen gelassen von OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 1162 = juris Rn. 29,
69zu denen das Bankgeheimnis mangels Kodifizierung nicht zählt.
70Jedenfalls regelt das Bankgeheimnis nicht bereichsspezifisch den Informationszugang außenstehender Dritter zu amtlichen Informationen, die öffentlich-rechtliche Kreditinstitute vorhalten. Es scheidet daher als besondere Vorschrift nach dem Verständnis des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW aus.
71a) Inhalt des Bankgeheimnisses ist die Pflicht eines Kreditinstituts zur Verschwiegenheit über kundenbezogene Tatsachen und Wertungen, die ihm aufgrund, aus Anlass oder im Rahmen der Geschäftsverbindung zum Kunden bekannt geworden sind und die der Kunde geheimzuhalten wünscht. Erforderlich ist, dass ein innerer Zusammenhang zwischen der Kenntniserlangung von dem Geheimnis durch das Kreditinstitut und dem Bestehen der Geschäftsverbindung gegeben ist. Die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses ist eine besondere Ausprägung der allgemeinen Pflicht der Bank, die Vermögensinteressen des Vertragspartners zu schützen und nicht zu beeinträchtigen.
72Vgl. BGH, Urteile vom 27. Februar 2007 - IX ZR 195/05 -, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = juris Rn. 23, und vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03 -, BGHZ 166, 84 = NJW 2006, 830 = juris Rn. 35.
73Das Bankgeheimnis betrifft damit weder ausdrücklich noch konkludent - und auch nicht mittelbar über das Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO - das Bestehen eines Informationszugangsanspruchs gegenüber öffentlich-rechtlich organisierten Kreditinstituten. Es bezieht sich lediglich auf das Pflichtenverhältnis zwischen der Bank und ihrem Vertragspartner. Seine Verletzung kann zu zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen führen,
74vgl. insofern wiederum BGH, Vorlagebeschluss vom 17. Oktober 2013 - I ZR 51/12 -, juris Rn. 22 (auch zu § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO), Urteile vom 27. Februar 2007 - IX ZR 195/05 -, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = juris Rn. 18 und Rn. 32, und vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03 -, BGHZ 166, 84 = NJW 2006, 830 = juris Rn. 34 ff.,
75oder in Zivilprozessen in das besagte Zeugnisverweigerungsrecht von Bankmitarbeitern aus Gründen ihres Gewerbes münden. In Ermangelung einer entsprechenden Regelungsaussage kann es aber nicht das Regime öffentlich-rechtlicher Informationszugangsgesetze sperren.
76b) Unbeschadet dessen lässt sich zudem keine ständige und langandauernde gewohnheitsrechtliche Übung dahingehend feststellen, dass das Bankgeheimnis den Informationszugang auch in öffentlich-rechtlichen Förderrechtsverhältnissen sperrt, in die öffentlich-rechtliche Kreditinstitute als Darlehensgeber eingebunden sind. WfA bzw. heute NRW.Bank nehmen bei der Vergabe von Wohnungsbauförderdarlehen öffentliche Aufgaben wahr. Sie unterliegen dabei besonderen Transparenzanforderungen. Die Darlehensvergabe stellt in dieser Konstellation allein die Umsetzung eines vorgeschalteten behördlichen Zuwendungsbescheids dar, aufgrund dessen der Zuwendungsempfänger erhöhten öffentlich-rechtlichen Bindungen bei der Inanspruchnahme und Verwendung der Förderung unterliegt. Da der Zuwendungsempfänger der Förderbank, die gleichsam als verlängerter Arm der Bewilligungsbehörde handelt, somit nicht als gewöhnlicher Bankkunde im allgemeinen Geschäftsverkehr gegenübertritt, der die Entgegennahme eines Darlehens zu bestimmten Konditionen annehmen oder ablehnen kann, kann er in dieser besonderen Situation auch nicht darauf vertrauen, dass die Umstände der Darlehensauskehr und –abwicklung, soweit sie - wie hier - amtliche Informationen i.S.v. § 3 Satz 1 IFG NRW sind, ohne Weiteres geheimbleiben.
77c) Gegen ein Verständnis des Bankgeheimnisses als „besondere Vorschrift“, welche die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes NRW vollständig blockiert, spricht außerdem, dass das Informationsfreiheitsgesetz NRW im Hinblick auf das grundlegende Verhältnis zwischen Informationszugangsanspruch und etwaigen Ausschlusstatbeständen aus Gründen des Geheimnisschutzes einen integrativen Ansatz verfolgt.
78Das Informationsfreiheitsgesetz NRW hat den Anspruch, den Informationszugang ohne Bedingungen für die Bürgerinnen und Bürger des Landes Nordrhein-Westfalen umfassend sowie verfahrensunabhängig auszugestalten. Ziel des Gesetzes ist es, ein allgemeines Informationszugangsrecht als Jedermanns-Recht zu eröffnen. Ein rechtliches oder berechtigtes Interesse ist nicht nachzuweisen. Ausnahmeklauseln sollen entsprechend der Bedeutung des Informationszugangsanspruchs eng interpretiert und nur für bestimmte Ausnahmefälle vorgesehen werden.
79Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 2 und S. 9.
80Diese Absicht des Gesetzgebers findet sich unmittelbar im Gesetz wieder. § 4 Abs. 1 IFG NRW formuliert einen allgemeinen Informationszugangsanspruch, dem bei einem - wie oben unter I. 1. gezeigt - weiten Begriffsverständnis öffentliche Stellen des Landes i.S.d. § 2 IFG NRW im Rahmen ihrer Verwaltungstätigkeit ausgesetzt sind. Die Ausnahmen von dem Informationszugangsanspruch bilden namentlich § 6 IFG NRW (Schutz öffentlicher Belange und der Rechtsdurchsetzung), § 7 IFG NRW (Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses), § 8 IFG NRW (Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse) und § 9 IFG NRW (Schutz personenbezogener Daten) ab. Zum Rangverhältnis des Informationsfreiheitsgesetzes NRW zu Spezialvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen äußert sich die den Ausschlussgründen vorgelagerte Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW.
81Aus dieser Systematik ergibt sich, dass ein etwaiger Ausschluss des Anspruchs aus § 4 Abs. 1 IFG NRW zum Schutz des Bankgeheimnisses erst innerhalb des Informationsfreiheitsgesetzes NRW nach Maßgabe der Ausschlussgründe der §§ 6 ff. IFG NRW zu beurteilen ist. In diese ist das Bankgeheimnis genauso wie das Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO - soweit methodisch möglich - informationsfreiheitsrechtlich zu integrieren.
82So auch mit Blick auf das Steuergeheimnis des § 30 AO: OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 915 = juris Rn. 72, ebenso zu §§ 421 ff. ZPO: OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, NVwZ-RR 2003, 800 juris Rn. 21 ff.
83Nicht hinnehmbare Geheimnisschutzlücken sind dadurch nicht zu befürchten. Die Einschränkungen, denen der Zugangsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW durch die in §§ 6 ff. IFG NRW getroffenen Regelungen unterliegt, stellen hinreichend sicher, dass private Belange der am Verwaltungsverfahren Beteiligten oder unbeteiligter Dritter, die einer Offenbarung des Akteninhalts oder Teilen von diesem entgegenstehen, in gleich effektiver Weise wie durch das Bankgeheimnis selbst geschützt werden.
84Vgl. insofern wiederum OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 915 = juris Rn. 65, Beschluss vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, NJW 2005, 2028 = juris Rn. 26.
85d) Diese Lesart wird durch einen Blick auf das vergleichbar strukturierte Informationsfreiheitsgesetz des Bundes gestützt.
86Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes implementiert gleichfalls ein umfassendes Regelungskonzept. Es bringt das Auskunftsinteresse und Belange des Daten- und Geheimnisschutzes zueinander in Ausgleich. Die Informationsfreiheitsgesetze der Länder wurden bei seiner Erarbeitung ausgewertet. Soweit sich für vergleichbare Sachverhalte eine einheitliche Begriffsbestimmung gebildet hat, wurde diese übernommen.
87Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 7.
88Diese gesetzgeberische Grundidee spiegelt sich in den einzelnen Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes wider. § 1 Abs. 1 IFG Bund gewährt einen freien (voraussetzungslosen) Informationszugangsanspruch für jedermann gegenüber den Behörden des Bundes. Der Informationszugang ist lediglich ausgeschlossen, wenn im Einzelfall einer der im Informationsfreiheitsgesetz des Bundes vorgesehenen Versagungsgründe - § 3 IFG Bund (Schutz von besonderen öffentlichen Belangen), § 4 IFG Bund (Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses, § 5 IFG Bund (Schutz personenbezogener Daten) sowie § 6 IFG Bund (Schutz des geistigen Eigentums und von Betriebsgeheimnissen) - eingreift. Diese Ausnahmetatbestände sind konkret und präzise. Nach den üblichen Auslegungsregelungen sind sie eng zu verstehen.
89Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 9; das Gebot einer engen Auslegung der Ausnahmetatbestände des § 3 IFG Bund betonen daran anschließend BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 39, Beschluss vom 9. November 2010 - 7 B 43.10 -, NVwZ 2011, 235 = juris Rn. 12; OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981 = juris Rn. 52.
90Spezialgesetzliche Geheimhaltungsvorschriften, die als Ausschlussgründe gegen einen Anspruch auf Informationszugang in Frage kommen, sperren daher nach der Systematik des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes dessen Anwendbarkeit nicht von vornherein und pauschal. Sie können aber in das Informationsfreiheitsgesetz integrierte Ausschlussgründe darstellen bzw. zu solchen werden, soweit sie von einem der Versagungstatbestände der §§ 3 ff. IFG Bund in Bezug genommen werden oder in diesem sachlich aufgehen.
91Vgl. insofern BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 18.12 -, ZIP 2015, 496 = juris Rn. 40 (zu § 9 Abs. 1 KWG und § 3 Nr. 4 IFG Bund); OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 79 (zu § 97 Abs. 7 Satz 7 SGB V und § 3 Nr. 4 IFG Bund); Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 147 und Rn. 152 (zum Bankgeheimnis und §§ 3 Nr. 4, 6 Satz 2 IFG Bund).
92Diesen integrativen Befund unterstreicht die Vorrangregel des § 1 Abs. 3 IFG Bund, die § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW auf der Ebene des Bundesrechts entspricht.
93§ 1 Abs. 3 IFG Bund zufolge gehen dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (nur) Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme des § 29 VwVfG und des § 25 SGB X vor.
94Eine (Komplett-)Sperrwirkung gegenüber dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes kann demnach nur eine fachgesetzliche Spezialnorm entfalten, die einen mit dem Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz identischen sachlichen Regelungsgegenstand hat und die sich als spezialgesetzliche Bestimmung im Verhältnis zu dem Informationsfreiheitsgesetz als abschließend versteht. Auch im Bereich des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes sind Konkurrenzfragen in jedem konkreten Einzelfall durch eine systematische, an Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung der jeweiligen Informationszugangsrechte zu klären.
95Vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 46, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 9; OVG NRW, Urteil vom 26. Oktober 2011 - 8 A 2593/10 -, DVBl. 2012, 365 = juris Rn. 169.
96Eine derartige fachgesetzliche Spezialnorm ist das Bankgeheimnis losgelöst von seiner normativen Verortung aber - wie dargelegt - nicht, so dass insoweit auch bundesrechtlich kein anderes Ergebnis erzielt würde als unter dem Regime des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW.
97Dass das Bankgeheimnis keine umfassende Sperrwirkung in Relation zu dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes entfalten kann, lässt sich schließlich auch exemplarisch aus seiner informationsfreiheitsrechtlich orientieren Gegenüberstellung mit einer vergleichbaren Geheimhaltungsnorm wie § 9 Abs. 1 Satz 1 KWG ableiten. Dieses Ergebnis ist wegen der Funktionsparallelität von § 1 Abs. 3 IFG Bund und § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW auf das Landesrecht übertragbar.
98In ähnlicher Weise wie das Bankgeheimnis regelt § 9 Abs. 1 Satz 1 KWG, dass u. a. die bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht beschäftigten Personen, soweit sie zur Durchführung dieses Gesetzes tätig werden, die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Instituts oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten dürfen, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist.
99§ 9 Abs. 1 Satz 1 KWG verriegelt indessen nicht den Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes als Ganzes. Vielmehr beinhaltet er eine erst namentlich im Rahmen von § 3 Nr. 4 IFG Bund bzw. ggf. von § 6 Satz 2 IFG Bund beachtliche Verschwiegenheitspflicht. Wie das generelle Bankgeheimnis erschöpft er sich nicht in einer formellen Verschwiegenheitspflicht, sondern umschreibt die Geheimhaltungsbedürftigkeit zugleich nach materiellen Kriterien, was seine informationsfreiheitliche Eingliederung in den Katalog der Ausschlussgründe der §§ 3 ff. IFG NRW sowohl ermöglicht als auch gebietet.
100Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 18.12 -, ZIP 2015, 496 = juris Rn. 40.
1012. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass das Bankgeheimnis - selbst wenn es sich um Gewohnheitsrecht im Rang eines Bundesgesetzes handelt - die landesgesetzlichen Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW nicht gemäß Art. 31 GG verdrängt.
102Gemäß Art. 31 GG bricht Bundesrecht Landesrecht.
103Art. 31 GG regelt als eine grundlegende Vorschrift des Bundesstaatsprinzips die Lösung von Widersprüchen zwischen Bundes- und Landesrecht. Er bestimmt das Rangverhältnis für alle Arten von Rechtssätzen jeder Rangstufe. Art. 31 GG löst die Kollision von Normen und setzt daher zunächst voraus, dass die Regelungen des Bundes- und Landesrechts auf denselben Sachverhalt anwendbar sind und zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen. Können die sich in ihrem Regelungsbereich überschneidenden Normen bei ihrer Anwendung zu verschiedenen Ergebnissen führen, bricht Bundesrecht jeder Rangordnung eine landesrechtliche Regelung auch dann, wenn sie Bestandteil des Landesverfassungsrechts ist.
104Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Juni 2009 - 1 BvR 198/08 -, NVwZ 2009, 1426 = juris Rn. 26, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08 -, BVerfGE 121, 317 = NJW 2008, 2409 = juris Rn. 99, Beschlüsse vom 5. Juni 1998 - 2 BvL 2/97 -, BVerfGE 98, 145 = NJW 1999, 1095 = juris Rn. 49, und vom 15. Oktober 1997 - 2 BvN 1/95 -, BVerfGE 96, 345 = NJW 1998, 1296 = juris Rn. 62.
105Nach diesen Grundsätzen verdrängt das Bankgeheimnis § 4 Abs. 1 IFG NRW auch nach Art. 31 GG nicht, wobei es wiederum nicht auf die genaue normative Klassifikation des Bankgeheimnisses ankommt. Art. 31 GG hat keinen anderen Regelungsgehalt als § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW, weswegen dieser als einfachgesetzliche (landesrechtliche) Entsprechung der verfassungsrechtlichen Kollisionsnorm angesehen werden kann.
106Vgl. dazu auch OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, NVwZ-RR 2003, 800 = juris Rn. 20.
107Beide Kollisionsregeln gelangen zu demselben Resultat, weil das Bankgeheimnis, auch wenn es sich um ein Bundesgesetz handelte, keine Sperrwirkung entfaltet. Insoweit wird auf die der Sache nach deckungsgleichen Ausführungen unter II. 1. verwiesen.
108Im Anschluss daran kann auch kompetenzrechtlich keine Konfliktlage zwischen dem Bundes(Verfassungs-)recht und dem Informationsfreiheitsgesetz NRW bestehen.
109Dem Land Nordrhein-Westfalen steht für den Erlass seines Informationsfreiheitsgesetzes eine Gesetzgebungskompetenz nach Art. 70 Abs. 1 GG auch insoweit zu, als das Gesetz im Einzelfall Informationszugangsansprüche gegen öffentlich-rechtliche Kreditinstitute betreffen kann, die sich auf das Bankgeheimnis berufen. Es handelt sich bei dem Informationsfreiheitsrecht auch in dieser Hinsicht nicht um in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallendes Recht der Wirtschaft nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG.
110Der Bund hat sich beim Erlass des Informationsfreiheitsgesetzes auf seine Annexkompetenz für das Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit den ihm zugewiesenen Sachkompetenzen gestützt. Nur soweit der Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber den Behörden des Bundes geregelt wird, ist eine Bundeskompetenz gegeben.
111Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 7, sowie BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2007 - 7 B 9.07 -, NWVBl. 2008, 59 = juris Rn. 8 ff.; OVG NRW, Urteil vom 9. November 2006 - 8 A 1679/04 -, NWVBl. 2007, 187 = juris Rn. 74 ff.; siehe darüber hinaus BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 -, BVerwGE 146, 56 = DVBl. 2013, 1118 = juris Rn. 17 ff (keine Gesetzgebungskompetenz der Länder für eine Verpflichtung des Bundenachrichtendienstes zu Auskünften nach einem Pressegesetz des Landes).
112Im Übrigen, soweit es um den Informationszugang zu öffentlichen Stellen eines Landes geht, zu denen auch öffentlich-rechtliche Kreditinstitute zählen, liegt die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern. Diese reichern insofern ihr Verwaltungsverfahrensrecht aufgrund von Art. 70 Abs. 1 GG mit materiellen Informationszugangsansprüchen an. Sie gestalten diese Ansprüche aus, treffen dabei aber keine Regelungen zu Inhalt und Reichweite des Bankgeheimnisses als solchem. Dieses kommt informationsfreiheitsrechtlich - wie dargestellt - erst und nur im normativen Rahmen der §§ 6 ff. IFG NRW zur Geltung, was kompetenzrechtlich bedenkenfrei ist.
113Vgl. in diesem Kontext nochmals BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2007 - 7 B 9.07 -, NWVBl. 2008, 59 = juris Rn. 8 ff.; OVG NRW, Urteil vom 9. November 2006 - 8 A 1679/04 -, NWVBl. 2007, 187 = juris Rn. 74 ff.
114Unabhängig davon könnte der Bundesgesetzgeber zwar etwa Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG heranziehen, um das Bankgeheimnis in Gesetzesform zu gießen. Er hat von dieser Kompetenz aber für die hier in Rede stehende Konstellation (Förderbank) bislang keinen Gebrauch gemacht (s. dazu 1a) und b)).
115III. Dem Anspruch des Klägers aus § 4 Abs. 1 IFG NRW stehen keine Ablehnungsgründe entgegen. Die Versagungstatbestände aus § 8 Satz 1 IFG NRW (dazu 1.), aus § 9 IFG NRW (dazu 2.) und aus § 5 Abs. 4 IFG NRW (dazu 3.) greifen nicht ein. Andere Ausschlussgründe kommen nicht in Betracht und werden von der Beklagten auch nicht angeführt.
1161. Die Beklagte kann sich gegenüber dem Informationszugangsanspruch des Klägers nicht erfolgreich auf § 8 Satz 1 IFG NRW berufen.
117§ 8 Satz 1 IFG NRW bestimmt, dass der Antrag auf Informationszugang abzulehnen ist, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.
118Geschäftsgeheimnisse in diesem Sinne betreffen den kaufmännischen Teil eines Gewerbebetriebes, der nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist und mit Blick auf die berechtigten wirtschaftlichen Interessen nach dem Willen des Unternehmers geheim gehalten werden sollen. Hierzu zählen Preiskalkulationen, Bezugsquellen, Ertragslage, Kreditwürdigkeit, Geschäftsverbindungen, Marktstrategien sowie Kundenlisten.
119Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Mai 2006 - 8 A 1642/05 -, NWVBl. 2006, 292 = juris Rn. 64; zum bundesrechtlichen Begriff des § 6 Satz 2 IFG Bund: OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981= juris Rn. 125 ff.,
120Erfasst ist davon prinzipiell auch das Bankgeheimnis mit dem oben skizzierten Inhalt als Grundlage des Geschäftsmodells „Bank“, das auf der Vertraulichkeit der Geschäftsbeziehung zwischen Bankkunde und Bank beruht, mag diese im Einzelfall auch öffentlich-rechtlichen Charakter tragen.
121Die Beklagte erfüllt aber die zusätzliche Voraussetzung des § 8 Satz 1 IFG NRW nicht, dass ihr durch die Übermittlung der Information ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.
122Ein wirtschaftlicher Schaden ist anzunehmen, wenn die in Anspruch genommene öffentliche Stelle konkret und substantiiert deutlich macht, dass sich ihre Wettbewerbssituation durch die Offenbarung des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses nachhaltig verschlechtern wird.
123Vgl. Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 8 Rn. 878 f.
124Diese Voraussetzung ist im konkreten Fall nicht gegeben.
125Die Beklagte hat nicht hinreichend substantiiert und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die Offenbarung der in dem noch anhängigen Klageantrag bezeichneten Auszahlungszeitpunkte bestimmter Darlehen ihr oder dem Darlehensnehmer einen wirtschaftlichen Schaden zufügen würde. Allein der Umstand, dass die Beklagte dem Kläger die verlangte - im konkreten Einzelfall sehr eingegrenzte und spezifische - Auskunft erteilt, die überdies eine unmittelbare sachliche Beziehung zu der früheren Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der Komplementärgesellschaften der (Förder-)Darlehensnehmer und als Bürge für diese Darlehen hat, verschlechtert ihre Wettbewerbsposition als Bank absehbar nicht. Im Zuge einer zivilrechtlichen Inanspruchnahme des Klägers durch die Beklagte aus der übernommenen Bürgschaft müsste die Beklagte zu der Auszahlung der Darlehen und zu dem Auszahlungszeitpunkt ohnehin vortragen, um einen Anspruch aus §§ 765 ff. BGB gegen den Kläger schlüssig zu machen. Deswegen ist auch kein Wertungswiderspruch zwischen der Bejahung eines Informationszugangsanspruchs des Klägers und einem Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu erkennen, das im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis bestehen kann. Überdies ist in Förderrechtsverhältnissen, die der Umsetzung eines vorgeschalteten Zuwendungsbescheids dienen, eine solche Verschlechterung der Marktposition der Beklagten nicht denkbar. Dies zieht zusätzlich die Schutzwürdigkeit der Angaben über die Auszahlungszeitpunkte in Zweifel.
126Soweit man für den wirtschaftlichen Schaden i.S.v. § 8 Satz 1 IFG NRW (auch) auf die Darlehensnehmer abstellt, ergibt sich nichts anderes. Es ist gleichfalls nicht ersichtlich, dass diesen oder ihren Rechtsnachfolgern aus der Offenlegung der Auszahlungszeitpunkte der Darlehen gegenüber dem Kläger ein wirtschaftlicher Schaden erwachsen kann. Es ist insbesondere nicht zu ersehen, dass deren Kreditwürdigkeit wegen dieser speziellen Information, die aus einem öffentlich-rechtlichen Förderrechtsverhältnis stammt, Schaden nimmt.
1272. Im Weiteren steht dem streitgegenständlichen Anspruch des Klägers aus § 4 Abs. 1 IFG NRW nicht der Ausschlussgrund des § 9 IFG NRW entgegen.
128Der Antrag auf Informationszugang ist gemäß § 9 Abs. 1 Hs. 1 IFG NRW abzulehnen, soweit durch das Bekanntwerden der Information personenbezogene Daten offenbart werden und keine der in § 9 Abs. 1 Hs. 2 IFG NRW aufgezählten Ausnahmen vorliegt.
129Der Begriff der personenbezogenen Daten des § 9 Abs. 1 Hs. 1 IFG NRW entspricht dem in § 3 Abs. 1 BDSG verwendeten. Diesem zufolge sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person.
130Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. April 2015 - 15 A 2342/12 -, und vom 27. Januar 2010 - 8 A 203/09 -, juris Rn. 9.
131Danach ist § 9 Abs. 1 IFG NRW nicht einschlägig, weil die im Streit befindlichen Informationen keine natürliche Person und damit keine personenbezogenen Daten betreffen. Es ist auch nicht zu erkennen, dass durch die Bekanntgabe der Auszahlungszeitpunkte konkrete Rückschlüsse auf die persönlichen Verhältnisse der hinter den Gesellschaften stehenden natürlichen Personen möglich werden.
132Eine mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungskonforme Erweiterung des Schutzbereichs des § 9 Abs. 1 IFG NRW auf juristische Personen wie die Darlehensnehmer der Beklagten ist nicht geboten. Deren Geschäftsgeheimnisse, denen das Bankgeheimnis informationsfreiheitsrechtlich grundsätzlich zugeordnet werden kann, werden - wie ausgeführt - grundsätzlich durch § 8 Satz 1 IFG NRW hinreichend geschützt.
1333. Zuletzt greift der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 4 IFG NRW nicht zugunsten der Beklagten ein.
134Nach dieser Vorschrift kann der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden, wenn die Information der Antragstellerin oder dem Antragsteller bereits zur Verfügung gestellt worden ist oder wenn sich die Antragstellerin oder der Antragsteller die Information in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann.
135§ 5 Abs. 4 IFG NRW liegt die Erwägung zugrunde, dass die Beschränkung des Informationszugangs sachgerecht ist, wenn der Zugang zu den gewünschten Informationen in den in der Norm genannten Fällen im Ergebnis gewährleistet ist.
136Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 12.
137§ 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW ist bei teleologischer Betrachtung dahingehend zu verstehen, dass es für eine Ablehnung des Informationsbegehrens ausreichen kann, dass der Antragsteller tatsächlich - aus welchen Gründen auch immer - über die Information verfügt. Sie muss ihm also nicht gerade durch eine öffentliche Stelle zur Verfügung gestellt worden sein. Für diese Auslegung spricht der Sinn und Zweck der Regelung, bei Wahrung des Informationszugangs unnötigen Aufwand für die öffentlichen Stellen zu vermeiden. Insofern ist § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG bis zur Schwelle der Unverhältnismäßigkeit auch Ausdruck einer Obliegenheit des Antragstellers, sich die Kenntnis von einmal erlangten Informationen im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren im eigenen Interesse dauerhaft zu erhalten.
138Vgl. Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 5 Rn. 650 f.
139Eine allgemeine Pflicht, sich die amtlichen Informationen selbst zu beschaffen, statuiert § 5 Abs. 4 IFG NRW indes nicht. Dies gilt - wie § 5 Abs. 4 Alt. 2 IFG NRW klarstellt - allenfalls für die Konstellation, dass sich die Information aus allgemein zugänglichen Quellen gewinnen lässt.
140Stützt sich die Behörde auf den in ihrem Ermessen stehenden Versagungstatbestand aus § 5 Abs. 4 IFG NRW, muss sie bei ihrer Ermessensausübung konkret und substantiiert darlegen, dass dessen Voraussetzungen gegeben sind. Nur unter dieser Bedingung ist es bei der - oben angesprochen - gebotenen engen Auslegung der informationsfreiheitsrechtlichen Ausnahmetatbestände gerechtfertigt, aus Gründen der Vermeidung von Verwaltungsaufwand den (erneuten) Informationszugang abzulehnen.
141Vgl. dazu auch OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 915 = juris Rn. 81; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2015 - OVG 12 N 88.13 -, juris Rn. 11; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23. April 2010 - 10 A 10091/10 -, juris Rn. 34 (jeweils zu § 9 Abs. 3 IFG Bund).
142Ausgehend davon kann die Beklagte ihre Ablehnungsentscheidung nicht erfolgreich mit dem Verweis auf § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW begründen.
143Die Beklagte hat nicht hinreichend substantiiert, dass der Kläger in der Vergangenheit entgegen seinem Vortrag Kenntnis von den Zeitpunkten der Darlehensauszahlungen hatte. Die Beklagte legt nicht dar, wer konkret dem Kläger diese Informationen wann und unter welchen Umständen zur Verfügung gestellt haben soll. Dass der Kläger für die Darlehensnehmer mit der WfA bzw. der Beklagten Gespräche über die Abwicklung des Förderverhältnisses geführt hat, reicht dafür nicht. Der Kläger hat in seiner Berufungserwiderung bestritten, dabei eine federführende Rolle eingenommen zu haben. Dagegen, dass der Kläger über die Informationen verfügt, spricht zudem maßgeblich das vorliegende Verfahren selbst. Der Kläger würde diese Klage mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht anstrengen und weiterverfolgen, wenn er diese Informationen schon hätte.
144Da es an der Substantiierung der (vormaligen) Kenntnis des Klägers von den Informationen über die Zeitpunkte der Darlehensauskehrungen durch die Beklagte fehlt, kommt es nicht darauf an, ob der Kläger diese Informationen womöglich sorgfaltswidrig wieder verloren hat.
145Selbst wenn dies zu bejahen wäre, hätte die Beklagte, um den Ablehnungsgrund des § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW auszufüllen, zusätzlich auf Ermessensseite plausibilisieren müssen, warum es für sie einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand darstellt, dem Kläger die Auszahlungszeitpunkte nochmals mitzuteilen. Dies hat die Beklagte aber nicht getan. Vielmehr hat sie in ihrem Ablehnungsbescheid vom 17. Juni 2011 eingeräumt, dass der Verwaltungsaufwand, der erforderlich ist, um das klägerische Begehren zu erfüllen, gering ist.
146Da die Zeitpunkte der Darlehensvalutierungen nicht anhand allgemein zugänglicher Quellen i.S.d. § 5 Abs. 4 Alt. 2 IFG NRW ermittelbar sind, traf den Kläger schließlich keine anspruchsvernichtende Pflicht, sich die Informationen selbst zu beschaffen.
147Um zu der vorstehenden Überzeugung zu gelangen, ist die von Beklagtenseite schriftsätzlich angeregte Beteiligtenvernehmung des Klägers nach § 96 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht geboten.
148Wie sich § 98 VwGO i.V.m. § 450 Abs. 2 ZPO entnehmen lässt, ist die Beteiligtenvernehmung auch im Verwaltungsprozess lediglich nachrangig zulässig. Sie dient als letztes Hilfsmittel zur Aufklärung des Sachverhalts, wenn trotz Ausschöpfen aller anderen Beweismittel noch Zweifel verbleiben. Es muss weiterhin eine gewisse Wahrscheinlichkeit für (oder gegen) die unter Beweis gestellte Behauptung des Beteiligten bestehen.
149Vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 12. März 2014 - 5 B 48.13 -, NVwZ-RR 2014, 660 = juris Rn. 17, vom 5. Juni 2013 - 5 B 11.13 -, juris Rn. 11, und vom 21. Juni 2007 - 2 B 28.07 -, juris Rn. 12 f.
150Nach diesen Grundsätzen war eine förmliche Beteiligtenvernehmung des Klägers nicht angezeigt. Wie ausgeführt, fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger über die beanspruchten Informationen verfügt oder verfügt hat.
151Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
152Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
153Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
154Zwar können das Verständnis und die Auslegung der bundesrechtlichen Bestimmungen, die bei der Subsumtion unter den landesrechtlichen Begriff der „besonderen Rechtsvorschrift“ i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW zugrunde zu legen sind, Gegenstand revisionsgerichtlicher Prüfung sein.
155Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2012 - 7 B 53.11 -, DVBl. 2012, 970 = juris Rn. 6.
156Allerdings kommt der Frage, ob das Bankgeheimnis unter § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW zu subsumieren ist und eine „Vollsperrung“ des Informationsfreiheitsgesetzes NRW nach sich ziehen kann, auch dann keine grundsätzliche Bedeutung zu, wenn man das nicht kodifizierte Bankgeheimnis als revisibles Recht begreift. Diese Frage lässt sich auf der Basis des Informationsfreiheitsgesetzes NRW und der zugehörigen Gesetzesmaterialen sowie der einschlägigen Rechtsprechung ohne Weiteres im oben genannten Sinn beantworten, ohne dass ein weitergehender Klärungsbedarf erkennbar wird. Dasselbe gilt für die Anwendung und Reichweite von Art. 31 GG und für die Frage der Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers für das Informationsfreiheitsgesetz NRW in Angelegenheiten, die in einem Sachzusammenhang mit dem Bankgeheimnis und öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten stehen.
157Vgl. insofern zu § 30 AO: BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2012 - 7 B 53.11 -, DVBl. 2012, 970 = juris Rn. 7 ff.
Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen darf nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Auskunftserteilung nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW.
3Der Kläger - ein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer - war von Dezember 2005 bis Dezember 2010 Kommanditist der N. erste Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG und von November 2006 bis Dezember 2010 der N. zweite Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG sowie der N. dritte Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG. Von November 2004 bis Dezember 2010 war der Kläger Kommanditist der S. Immobilien GmbH & Co. KG. Seit Dezember 2010 firmieren diese Gesellschaften als Ltd. & Co. KG. Von Juni 2008 bis März 2011 war der Kläger zudem Geschäftsführer der Komplementärin der drei N. -Gesellschaften und von August 2008 bis März 2011 Geschäftsführer der früheren Komplementärgesellschaft der S. Immobilien, der S. Immobilien Verwaltungs GmbH.
4Diesen Gesellschaften waren durch Bewilligungsbescheide der zuständigen kommunalen Behörden Wohnungsbaufördermittel zugewandt worden. Auf der Grundlage dieser Bewilligungsbescheide hatte die Wohnungsbauförderungsanstalt (WfA) - die Rechtsvorgängerin der beklagten NRW.Bank - Förderdarlehen gewährt. Wegen der Abwicklung und Begleitung des Förderrechtsverhältnisses hatte der Kläger jedenfalls seit Dezember 2005 bis zu seinem Ausscheiden als Kommanditist im Dezember 2010 für die Investoren Gespräche mit der WfA bzw. später der Beklagten über Förderrechtsangelegenheiten im Zusammenhang mit den Fördervorhaben geführt.
5Zur Sicherung der Darlehensansprüche der WfA hatte der Kläger Bürgschaften gegenüber der WfA begeben. Aus diesen Bürgschaftsverpflichtungen nimmt ihn die Beklagte zivilrechtlich in Anspruch.
6Am 12. Mai 2011 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Auskunftserteilung gemäß § 4 IFG NRW. Die Beklagte sollte ihm u. a. folgende Informationen zur Verfügung stellen:
7„ 1. Wann erfolgten die Auszahlungen der von der NRW.Bank gewährten Darlehen an die N. erste Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. erste Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG), an die N. zweite Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. zweite Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG), an die N. dritte Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. dritte Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG) sowie an die S. Immobilien GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als S. Immobilien Ltd. & Co. KG)?
82. Auf welcher öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlage erfolgte die jeweilige Auszahlung der in Ziffer 1 genannten Darlehen durch die NRW.Bank und wurden die jeweiligen Auszahlungsvoraussetzungen im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Auszahlung durch die NRW.Bank auch eingehalten?
9…“
10Zur Begründung seines Antrags führte der Kläger aus, die Beklagte bzw. ihre Vorgängerin, die WfA, habe für Bauprojekte der in dem Antrag bezeichneten Gesellschaften Darlehen gewährt und ausgereicht. Er, der Kläger, werde von der Beklagten aus Bürgschaftsverpflichtungen im Hinblick auf diese Darlehen in Anspruch genommen. Er habe daher ein Interesse daran, die begehrten Auskünfte zu erhalten. Die Beklagte sei zu diesen nach § 4 IFG NRW verpflichtet.
11Mit Bescheid vom 17. Juni 2011, zugestellt am 20. Juni 2011, lehnte die Beklagte die Auskunftserteilung u. a. zu den Fragen 1. und 2. aus dem Antrag vom 12. Mai 2011 ab. Zur Begründung führte sie aus, einer Auskunft zu dem Zeitpunkt der Auszahlungen der Förderdarlehen stehe das Bankgeheimnis entgegen. Das Bankgeheimnis sei als vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht Teil des Bundesrechts. Als solches genieße es gemäß Art. 31 GG Vorrang vor abweichendem Landesrecht. Unabhängig davon greife der Ablehnungsgrund des § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW. Aufgrund seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der in Rede stehenden Gesellschaften und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er seit Dezember 2005 verantwortlicher Gesprächspartner der Beklagten für die Abwicklung des Förderrechtsverhältnisses gewesen sei, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger Informationen über den Zeitpunkt der Auszahlung der Darlehen an die Darlehensnehmer gehabt habe. Bei der ihm in seiner damaligen Funktion obliegenden Sorgfalt sei er zumindest verpflichtet gewesen, sich Kenntnis über die für die Abwicklung des Förderrechtsverhältnisses maßgeblichen Tatsachen zu verschaffen. Hierzu sei er aufgrund seiner beruflichen Qualifikation auch in der Lage gewesen. Das allgemeine öffentliche Interesse an einer Transparenz der Vorgänge der Verwaltung rechtfertige ein Informationsbegehren nicht, wenn der Antragsteller - wie hier - bereits über die begehrten Informationen verfüge. Dies gelte ungeachtet der Tatsache, dass der Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Auskunft über Daten der Auszahlung der Darlehensvaluta gering sein möge. Sehe man das Bankgeheimnis lediglich als vertragliche Verpflichtung der Beklagten an, wäre diese Verpflichtung hilfsweise bei der Ausübung des Ablehnungsermessens aus § 5 Abs. 4 IFG NRW zu berücksichtigen. Sollte der Kläger die ihm aus seiner früheren Tätigkeit bekannten Informationen nicht mehr in Händen halten, würde sich nichts anderes ergeben. Dem Auskunftsbegehren zu 2. stehe aus entsprechenden Erwägungen § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW entgegen. Die Frage nach den jeweiligen Auszahlungsvoraussetzungen setze eine rechtliche Bewertung voraus und ziele daher nicht auf eine amtliche Information.
12Der Kläger hat am 20. Juli 2011 Klage erhoben.
13Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte könne sich gegenüber seinem Informationsanspruch nicht auf das Bankgeheimnis berufen. Das nur als Richterrecht existierende allgemeine Bankgeheimnis werde durch die spezialgesetzlichen Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes NRW - wie dessen § 8 zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - verdrängt. Eine ermessensfehlerfreie Ablehnung der beantragten Informationserteilung nach § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG sei nicht möglich. Es komme hierfür nicht darauf an, ob der Kläger - etwa aufgrund seiner Organstellung in der Vergangenheit - Kenntnis von den begehrten Informationen hätte haben müssen.
14Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 6. Juli 2012 hat der Kläger die Klage zurückgenommen, soweit diese sich auf die Mitteilung der öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlage der Darlehensauszahlungen und die Einhaltung der jeweiligen Auszahlungsvoraussetzungen bezog.
15Der Kläger hat daraufhin beantragt,
16die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheids vom 17. Juni 2011 zu verpflichten, folgende Auskünfte zu erteilen:
17Wann erfolgten die Auszahlungen der von der NRW.Bank gewährten Darlehen an die N. erste Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. erste Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG), an die N. zweite Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. zweite Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG), an die N. dritte Vermögensverwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als N. dritte Vermögensverwaltungsgesellschaft Ltd. & Co. KG) sowie an die S. Immobilien GmbH & Co. KG (jetzt firmierend als S. Immobilien Ltd. & Co. KG)?
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie hat vorgetragen, das Informationsfreiheitsgesetz NRW könne das Bankgeheimnis nicht verdrängen. Es gelte die allgemeine Kollisionsregel des Art. 31 GG, derzufolge Bundesrecht Landesrecht breche. Auch das vorkonstitutionelle Bundesrecht unterfalle dieser Vorrangregel. Nach diesen Maßstäben werde das Informationsfreiheitsgesetz NRW gemäß Art. 31 GG durch das Bankgeheimnis verdrängt, das als vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht Teil des einfachen Bundesrechts sei. Das Bankgeheimnis untersage der Beklagten als von dessen Anwendungsbereich erfasstem Kreditinstitut die Herausgabe solcher Informationen, die im Zusammenhang mit den Geschäftsbeziehungen zum Kunden stünden. Auch die Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW beträfen - soweit es um öffentlich-rechtliche Kreditinstitute gehe - solche dort vorhandenen Daten, die dem Bankgeheimnis unterlägen. Auch diese Daten erfüllten den Begriff der amtlichen Information. Damit läge eine Regelung des gleichen Gegenstands vor. Zwischen beiden Normen gebe es eine echte Kollision. Des Weiteren stehe dem Informationsanspruch § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW entgegen. Der Kläger bestreite nicht, dass ihm die betreffenden Informationen als solche vorlägen, etwa weil sie ihm von dritter Seite zugänglich gemacht worden seien. Letzteres sei für die Anwendung des § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG ausreichend. Im Übrigen müsse sich der Kläger entgegenhalten lassen, die einmal erlangte Information verloren zu haben. Darauf lasse er sich bezeichnenderweise nicht ausdrücklich ein.
21Mit Urteil vom 6. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren im Umfang der Klagerücknahme eingestellt und der Klage im Übrigen unter teilweiser Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 17. Juni 2011 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe einen Auskunftsanspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Die Beklagte sei gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 IFG NRW auskunftspflichtige Stelle. Das Bankgeheimnis sei keine besondere Rechtsvorschrift i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW, die den Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW vorgehe. §§ 8, 9 IFG NRW stünden dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Dasselbe gelte für § 5 Abs. 4 IFG NRW.
22Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.
23Die Beklagte hat am 24. August 2012 Berufung gegen das ihr am 25. Juli 2012 zugestellte Urteil eingelegt.
24Zur Begründung ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen: Sie unterliege auch in der Rechtsform der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts den Anforderungen des Bankgeheimnisses. Die von dem Kläger begehrte Information über die Zeitpunkte der Auszahlungen der jeweiligen Darlehensvaluta falle in den Anwendungsbereich des Bankgeheimnisses. Das Bankgeheimnis genieße Vorrang gegenüber landesrechtlich begründeten Auskunftsansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW. Als vorkonstitutionelles Bundesrecht verdränge das Bankgeheimnis das Informationsfreiheitsgesetz NRW nach der grundgesetzlichen Kollisionsregel des Art. 31 GG. Dies habe das Verwaltungsgericht außer Acht gelassen, als es auf § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW abgestellt habe. Diese Vorschrift sei nicht einschlägig, weil ihr Zweck nur die Bestimmung des Verhältnisses verschiedener Informationszugangsrechte untereinander sei. Das Bankgeheimnis habe absoluten Verbotscharakter. Nur in Einzelfällen könne es im Wege der Interessenabwägung eingeschränkt werden. Es bestehe auch keine Gesetzgebungskompetenz des Landes zur Einschränkung des Bankgeheimnisses. Des Weiteren stehe dem streitigen Informationszugangsanspruch § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW entgegen. Dem Kläger sei aufgrund seiner Tätigkeit als Gesellschafter der Komplementärgesellschaften der Darlehensnehmer im Zeitraum von Juni 2008 bis März 2011 und vor allem aufgrund der Tatsache, dass er seit 2005 als verantwortlicher Ansprechpartner der Beklagten die Verhandlungen und Gespräche über die Abwicklung des Förderrechtsverhältnisses geführt habe, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bekannt gewesen, wann die Auszahlung der Darlehen an die Darlehensnehmer erfolgt sei. Dagegen habe sich der Kläger im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens nicht gewandt. Ob die Kenntnis gerade durch die Beklagte vermittelt worden sei, sei nicht maßgeblich. Der Kläger habe die einmal erlangte Information aufbewahren müssen. Es könne nicht darauf abgestellt werden, ob der Kläger die Information nach Aufgabe der Geschäftsführerstellung habe zurücklassen müssen.
25Die Beklagte beantragt,
26das angefochtene Urteil zu ändern und die noch anhängige Klage abzuweisen.
27Der Kläger beantragt,
28die Berufung zurückzuweisen.
29Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass das Bankgeheimnis nicht als vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht Teil des einfachen Bundesrechts sei. Vielmehr handele es sich bei dem Bankgeheimnis um eine vertragliche Verpflichtung. Art. 31 GG komme nicht zum Tragen. Aus § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW folge, dass nur solche Vorschriften als vorrangig in Betracht zu ziehen seien, die denselben Sachverhalt abschließend regelten oder deren Schutzzweck einem umfassenden Informationsanspruch zuwiderlaufe. Das Bankgeheimnis sei auch kein absolutes Verbotsgesetz. Ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der Beklagten i.S.v. § 8 IFG NRW werde nicht offenbart. § 9 IFG NRW und § 5 Abs. 4 IFG NRW griffen nicht zugunsten der Beklagten ein. Die maßgeblichen Gespräche mit der Beklagten habe seinerzeit federführend der Architekt G. geführt. Im Übrigen sei sein Beitrag im Zusammenhang mit der Finanzierung der Kommanditgesellschaften nur noch von untergeordneter Bedeutung gewesen.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt des von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
31E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
32Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
33Das Verwaltungsgericht hat der Klage im noch streitgegenständlichen Umfang zu Recht stattgegeben.
34Der Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), soweit die Beklagte dem Kläger die mit dem noch anhängigen Klageantrag begehrten Informationen zu den Zeitpunkten der Darlehensauszahlungen verweigert hat.
35Der Kläger hat einen diesbezüglichen Anspruch auf Informationszugang gemäß § 4 Abs. 1 IFG NRW (dazu I.). Die Anwendung des § 4 Abs. 1 IFG NRW ist nicht durch das Bankgeheimnis ausgeschlossen (dazu II.). Ablehnungsgründe, die dem Informationsanspruch des Klägers entgegenstehen, liegen nicht vor (dazu III.).
36I. Der Kläger kann den geltend gemachten Informationszugangsanspruch auf § 4 Abs. 1 IFG NRW stützen.
37Nach dieser Vorschrift hat jede natürliche Person nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen.
38Diese Voraussetzungen sind gegeben.
39Die beklagte NRW.Bank ist eine anspruchsverpflichtete Stelle i.S.v. § 2 IFG NRW (dazu 1.). Das noch anhängige Informationsverlangen hinsichtlich der in dem Klageantrag bezeichneten Zeitpunkte bestimmter Darlehensauszahlungen betrifft amtliche Informationen i.S.d. § 3 Satz 1 IFG NRW (dazu 2.).
401. Die beklagte NRW.Bank fällt in den von § 2 IFG NRW definierten Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes NRW.
41§ 2 Abs. 1 Satz 1 IFG NRW zufolge gilt dieses Gesetz für die Verwaltungstätigkeit der Behörden, Einrichtungen und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und deren Vereinigungen (öffentliche Stellen). Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (§ 2 Abs. 1 Satz 2 IFG NRW). Sofern eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnimmt, gilt sie als Behörde im Sinne dieses Gesetzes (§ 2 Abs. 4 IFG NRW).
42Der Begriff der Verwaltungstätigkeit in § 2 Abs. 1 IFG NRW ist weit auszulegen. Er umfasst die Verwaltung im formellen und materiellen Sinn. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes NRW ist es, staatliches Handeln transparent zu machen und durch den freien Zugang zu Informationen nicht nur die Nachvollziehbarkeit, sondern auch die Akzeptanz behördlicher Entscheidungen zu steigern. Dementsprechend war es Intention des Gesetzgebers, einen möglichst weiten und umfassenden Informationsanspruch zu schaffen und die Ausschlussgründe eng zu fassen.
43Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. Oktober 2010 - 8 A 875/09 -, juris Rn. 30 f., unter Hinweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 9 und S. 10.
44Unter Verwaltung im formellen Sinn ist die gesamte Tätigkeit der Exekutive zu verstehen, unabhängig davon, ob es sich um eine Tätigkeit materiell verwaltender Art handelt. Entscheidend ist die Einordnung des Handelnden in den Staatsaufbau. Ausgehend davon liegt eine Verwaltungstätigkeit dann vor, wenn eine Stelle aus dem Bereich der Exekutive und nicht der Legislative oder Judikative tätig wird. Darüber hinaus erfasst § 2 Abs. 1 IFG NRW die Verwaltung im materiellen Sinn, wie sich aus der Behördendefinition in § 2 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 IFG NRW ergibt. Der materielle Verwaltungsbegriff knüpft an die ausgeübte Funktion bzw. den verfolgten Zweck der Tätigkeit an, unabhängig davon, wer sie ausübt. Maßgeblich ist, ob materielle Verwaltungsaufgaben (in Abgrenzung zu Aufgaben der Legislative oder Judikative) wahrgenommen werden.
45Vgl. OVG NRW, Urteile vom 7. Oktober 2010 - 8 A 875/09 -, juris Rn. 33 ff., und vom 17. Mai 2006 - 8 A 1642/05 -, NWVBl. 2006, 292 = juris Rn. 34, Beschlüsse vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, NJW 2005, 2028 = juris Rn. 9, und vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, NVwZ-RR 2003, 800 = juris Rn. 12; ebenso zu § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG Bund: BVerwG, Urteile vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 22, und vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 11.
46Gemessen an diesen Maßstäben ist die beklagte NRW.Bank in formeller wie in materieller Hinsicht eine Stelle, die i.S.v. § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IFG NRW Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt und als solche aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes NRW in Anspruch genommen werden kann.
47Dass die NRW.Bank bereits formell als öffentliche Stelle i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 IFG NRW qualifiziert werden kann, ergibt sich aus ihrer (öffentlich-rechtlichen) Konstruktion nach dem Gesetz über die NRW.Bank vom 16. März 2004 (GV. NRW. S. 126; im Folgenden: NRW.Bank-G).
48Vgl. im Übrigen für die öffentlich-rechtlich organisierten Sparkassen- und Giroverbände: Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 2 Rn. 152.
49Nach dessen § 1 ist die NRW.Bank ein Kreditinstitut in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 NRW.Bank-G steht sie unmittelbar unter der staatlichen Aufsicht des Innenministeriums, die im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung im Einvernehmen mit dem für das Wohnungswesen zuständigen Ministerium ausgeübt wird (§ 11 Abs. 1 Satz 2 NRW.Bank-G). Gewährträger der NRW.Bank ist gemäß § 4 Abs. 1 NRW.Bank-G das Land Nordrhein-Westfalen. Dieses stellt sicher, dass die NRW.Bank ihre Aufgaben erfüllen kann und trägt solchermaßen die Anstaltslast (§ 4 Abs. 2 NRW.Bank-G).
50Auch materiell kommt die NRW.Bank öffentlichen Verwaltungsaufgaben nach. Dies schreibt § 3 Abs. 1 Satz 1 NRW.Bank-G fest. Er bestimmt, dass die NRW.BANK den staatlichen Auftrag hat, das Land und seine kommunalen Körperschaften bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben, insbesondere in den Bereichen der Struktur-, Wirtschafts-, Sozial- und Wohnraumpolitik, zu unterstützen und dabei Fördermaßnahmen im Einklang mit den Beihilfevorschriften der Europäischen Gemeinschaft durchzuführen und zu verwalten.
512. Mit seinem noch anhängigen Klagebegehren, von der Beklagten die Auszahlungszeitpunkte bestimmter Darlehen zu erfahren, zielt der Kläger auf eine amtliche Information i.S.d. § 3 Satz 1 IFG NRW.
52§ 3 Satz 1 IFG NRW definiert Informationen im Sinne dieses Gesetzes als alle in Schrift-, Bild-, Ton- oder Datenverarbeitungsform oder auf sonstigen Informationsträgern vorhandenen Informationen, die im dienstlichen Zusammenhang erlangt wurden.
53Auch der hiermit verwendete Begriff der Information soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine möglichst offene und umfassende Auslegung des Informationsfreiheitsgesetzes NRW sicherstellen
54Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 45, unter Hinweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 10.
55Ein dienstlicher Zusammenhang der Information ist jedenfalls zu bejahen, wenn die Unterlagen dienstlichen Zwecken dienen, also dazu bestimmt sind, zu einem (Verwaltungs-)Vorgang zu gehören. Mit den dienstlichen Zwecken sind die von der öffentlichen Stelle zu erfüllenden Aufgaben gemeint. Erfasst sind jedenfalls Informationen, die von einer öffentlichen Stelle in Ausübung ihrer Verwaltungstätigkeit zielgerichtet erlangt wurden und die daher einen inhaltlichen Bezug zu der Verwaltungstätigkeit aufweisen.
56Vgl. Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 3 Rn. 354 f.; siehe dazu außerdem OVG NRW, Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 49.
57Legt man diese Begriffsbestimmung zugrunde, ist die von dem Kläger beanspruchte Auskunft über den Auszahlungszeitpunkt bestimmter Darlehen, welche die Beklagte gewährt hatte, eine amtliche Information im Verständnis des § 3 Satz 1 IFG NRW. Die Beklagte bewilligte diese Darlehen im Rahmen der Erfüllung der ihr zugewiesenen öffentlichen Aufgabe der Wohnungsbauförderung. Mit dieser Aufgabenwahrnehmung steht der Zeitpunkt der Darlehensauskehrung in einem unmittelbaren dienstlichen Zusammenhang.
58II. Die Anwendung des § 4 Abs. 1 IFG NRW ist nicht durch das Bankgeheimnis ausgeschlossen. Das Bankgeheimnis ist weder eine besondere Vorschrift i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW, die den Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes NRW vorgeht (dazu 1.), noch verdrängt es die landesgesetzlichen Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW gemäß Art. 31 GG (dazu 2.).
591. Das Bankgeheimnis ist keine besondere Vorschrift i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW, die den Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes NRW vorgeht.
60Soweit besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht bestehen, gehen sie gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW den Vorschriften dieses Gesetzes vor.
61Wie das Tatbestandsmerkmal „soweit“ zeigt, zieht § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW nur solche Vorschriften als vorrangig in Betracht, die denselben Sachverhalt bereichsspezifisch abschließend - sei es identisch, sei es abweichend - regeln. Konkurrenzfragen sind in jedem konkreten Einzelfall durch eine systematische, an Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung der jeweiligen Informationszugangsrechte zu klären. Um die Bestimmung des Verhältnisses verschiedener Informationszugangsrechte untereinander vornehmen zu können, müssen vor allem deren jeweilige Regelungsmaterien berücksichtigt werden. Eine Vorrangigkeit im Sinne einer Ausschließlichkeit ist nur dort anzunehmen, wo die jeweiligen Rechte die gleichen Anliegen verfolgen und/oder identische Zielgruppen erfassen. Eine besondere Rechtsvorschrift i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW liegt daher nur dann vor, wenn ihr Anwendungsbereich in sachlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Informationen, die der Rechtsvorschrift unterfallen, und/oder in persönlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Personen, auf welche die Rechtsvorschrift Anwendung findet, beschränkt ist.
62Vgl. OVG NRW, Urteile vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, juris Rn. 54 ff., und vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 1162 = juris Rn. 29, Beschlüsse vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, NJW 2005, 2028 = juris Rn. 14 ff., und vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, NVwZ-RR 2003, 800 = juris Rn. 20.
63Wenn spezialgesetzliche Regelungen - des Bundes- oder des Landesrechts - für einen gesonderten Sachbereich oder für bestimmte Personengruppen einen begrenzten Informationsanspruch vorsehen, ist deshalb in jedem konkreten Einzelfall zu untersuchen, ob diese Grenzen auch für den Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW bindend sind. Das ist anzunehmen, wenn ein umfassender Informationsanspruch dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwider laufen würde. Lässt sich derartiges nicht feststellen, gelangt der Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW zur Anwendung.
64Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 1162 = juris Rn. 29, Beschluss vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, NJW 2005, 2028 = juris Rn. 16 ff; siehe außerdem die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 11.
65Daran gemessen ist das Bankgeheimnis keine besondere Vorschrift i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW. Dies gilt losgelöst davon, ob das Bankgeheimnis als vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht im Rang eines Bundesgesetzes steht oder bloß als (AGB-)vertragliche Verpflichtung gilt.
66Offen gelassen von BGH, Vorlagebeschluss vom 17. Oktober 2013 - I ZR 51/12 -, juris Rn. 22 (mit lediglich mittelbarer Bezugnahme auf § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO), Urteile vom 27. Oktober 2009 - IX ZR 225/08 -, BGHZ 183, 60 = NJW 2010, 361 = juris Rn. 18, und vom 27. Februar 2007 - IX ZR 195/05 -, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = juris Rn. 23; gesetzliches Gewohnheitsrecht verneinen ausdrücklich OLG Naumburg, Urteil vom 15. März 2012 - 9 U 208/11 -, juris Rn. 24, und OLG Köln, Urteil vom 15. September 2005 - 8 U 21/05 -, NJW-RR 2006, 263 = juris Rn. 26; mit Tendenz zur AGB-rechtlichen Verortung OLG Stuttgart, Urteil vom 13. Dezember 2005 - 6 U 119/05 -, juris Rn. 93; auch für eine rechtsgeschäftliche Qualifikation Cahn, WM 2004, 2041, 2042 (mit Hinweisen auf entgegengesetzte Literaturstandpunkte); Klüwer/Meister, WM 2004, 1157, sprechen von einer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung; ebenso Toth-Fehrer/Schick, ZIP 2004, 491, 493.
67Ebenso kann dahinstehen, ob als „besondere Vorschriften“ nur positivrechtliche Bestimmungen in Betracht kommen,
68offen gelassen von OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 1162 = juris Rn. 29,
69zu denen das Bankgeheimnis mangels Kodifizierung nicht zählt.
70Jedenfalls regelt das Bankgeheimnis nicht bereichsspezifisch den Informationszugang außenstehender Dritter zu amtlichen Informationen, die öffentlich-rechtliche Kreditinstitute vorhalten. Es scheidet daher als besondere Vorschrift nach dem Verständnis des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW aus.
71a) Inhalt des Bankgeheimnisses ist die Pflicht eines Kreditinstituts zur Verschwiegenheit über kundenbezogene Tatsachen und Wertungen, die ihm aufgrund, aus Anlass oder im Rahmen der Geschäftsverbindung zum Kunden bekannt geworden sind und die der Kunde geheimzuhalten wünscht. Erforderlich ist, dass ein innerer Zusammenhang zwischen der Kenntniserlangung von dem Geheimnis durch das Kreditinstitut und dem Bestehen der Geschäftsverbindung gegeben ist. Die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses ist eine besondere Ausprägung der allgemeinen Pflicht der Bank, die Vermögensinteressen des Vertragspartners zu schützen und nicht zu beeinträchtigen.
72Vgl. BGH, Urteile vom 27. Februar 2007 - IX ZR 195/05 -, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = juris Rn. 23, und vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03 -, BGHZ 166, 84 = NJW 2006, 830 = juris Rn. 35.
73Das Bankgeheimnis betrifft damit weder ausdrücklich noch konkludent - und auch nicht mittelbar über das Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO - das Bestehen eines Informationszugangsanspruchs gegenüber öffentlich-rechtlich organisierten Kreditinstituten. Es bezieht sich lediglich auf das Pflichtenverhältnis zwischen der Bank und ihrem Vertragspartner. Seine Verletzung kann zu zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen führen,
74vgl. insofern wiederum BGH, Vorlagebeschluss vom 17. Oktober 2013 - I ZR 51/12 -, juris Rn. 22 (auch zu § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO), Urteile vom 27. Februar 2007 - IX ZR 195/05 -, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = juris Rn. 18 und Rn. 32, und vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03 -, BGHZ 166, 84 = NJW 2006, 830 = juris Rn. 34 ff.,
75oder in Zivilprozessen in das besagte Zeugnisverweigerungsrecht von Bankmitarbeitern aus Gründen ihres Gewerbes münden. In Ermangelung einer entsprechenden Regelungsaussage kann es aber nicht das Regime öffentlich-rechtlicher Informationszugangsgesetze sperren.
76b) Unbeschadet dessen lässt sich zudem keine ständige und langandauernde gewohnheitsrechtliche Übung dahingehend feststellen, dass das Bankgeheimnis den Informationszugang auch in öffentlich-rechtlichen Förderrechtsverhältnissen sperrt, in die öffentlich-rechtliche Kreditinstitute als Darlehensgeber eingebunden sind. WfA bzw. heute NRW.Bank nehmen bei der Vergabe von Wohnungsbauförderdarlehen öffentliche Aufgaben wahr. Sie unterliegen dabei besonderen Transparenzanforderungen. Die Darlehensvergabe stellt in dieser Konstellation allein die Umsetzung eines vorgeschalteten behördlichen Zuwendungsbescheids dar, aufgrund dessen der Zuwendungsempfänger erhöhten öffentlich-rechtlichen Bindungen bei der Inanspruchnahme und Verwendung der Förderung unterliegt. Da der Zuwendungsempfänger der Förderbank, die gleichsam als verlängerter Arm der Bewilligungsbehörde handelt, somit nicht als gewöhnlicher Bankkunde im allgemeinen Geschäftsverkehr gegenübertritt, der die Entgegennahme eines Darlehens zu bestimmten Konditionen annehmen oder ablehnen kann, kann er in dieser besonderen Situation auch nicht darauf vertrauen, dass die Umstände der Darlehensauskehr und –abwicklung, soweit sie - wie hier - amtliche Informationen i.S.v. § 3 Satz 1 IFG NRW sind, ohne Weiteres geheimbleiben.
77c) Gegen ein Verständnis des Bankgeheimnisses als „besondere Vorschrift“, welche die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes NRW vollständig blockiert, spricht außerdem, dass das Informationsfreiheitsgesetz NRW im Hinblick auf das grundlegende Verhältnis zwischen Informationszugangsanspruch und etwaigen Ausschlusstatbeständen aus Gründen des Geheimnisschutzes einen integrativen Ansatz verfolgt.
78Das Informationsfreiheitsgesetz NRW hat den Anspruch, den Informationszugang ohne Bedingungen für die Bürgerinnen und Bürger des Landes Nordrhein-Westfalen umfassend sowie verfahrensunabhängig auszugestalten. Ziel des Gesetzes ist es, ein allgemeines Informationszugangsrecht als Jedermanns-Recht zu eröffnen. Ein rechtliches oder berechtigtes Interesse ist nicht nachzuweisen. Ausnahmeklauseln sollen entsprechend der Bedeutung des Informationszugangsanspruchs eng interpretiert und nur für bestimmte Ausnahmefälle vorgesehen werden.
79Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 2 und S. 9.
80Diese Absicht des Gesetzgebers findet sich unmittelbar im Gesetz wieder. § 4 Abs. 1 IFG NRW formuliert einen allgemeinen Informationszugangsanspruch, dem bei einem - wie oben unter I. 1. gezeigt - weiten Begriffsverständnis öffentliche Stellen des Landes i.S.d. § 2 IFG NRW im Rahmen ihrer Verwaltungstätigkeit ausgesetzt sind. Die Ausnahmen von dem Informationszugangsanspruch bilden namentlich § 6 IFG NRW (Schutz öffentlicher Belange und der Rechtsdurchsetzung), § 7 IFG NRW (Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses), § 8 IFG NRW (Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse) und § 9 IFG NRW (Schutz personenbezogener Daten) ab. Zum Rangverhältnis des Informationsfreiheitsgesetzes NRW zu Spezialvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen äußert sich die den Ausschlussgründen vorgelagerte Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW.
81Aus dieser Systematik ergibt sich, dass ein etwaiger Ausschluss des Anspruchs aus § 4 Abs. 1 IFG NRW zum Schutz des Bankgeheimnisses erst innerhalb des Informationsfreiheitsgesetzes NRW nach Maßgabe der Ausschlussgründe der §§ 6 ff. IFG NRW zu beurteilen ist. In diese ist das Bankgeheimnis genauso wie das Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO - soweit methodisch möglich - informationsfreiheitsrechtlich zu integrieren.
82So auch mit Blick auf das Steuergeheimnis des § 30 AO: OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 915 = juris Rn. 72, ebenso zu §§ 421 ff. ZPO: OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, NVwZ-RR 2003, 800 juris Rn. 21 ff.
83Nicht hinnehmbare Geheimnisschutzlücken sind dadurch nicht zu befürchten. Die Einschränkungen, denen der Zugangsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW durch die in §§ 6 ff. IFG NRW getroffenen Regelungen unterliegt, stellen hinreichend sicher, dass private Belange der am Verwaltungsverfahren Beteiligten oder unbeteiligter Dritter, die einer Offenbarung des Akteninhalts oder Teilen von diesem entgegenstehen, in gleich effektiver Weise wie durch das Bankgeheimnis selbst geschützt werden.
84Vgl. insofern wiederum OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 915 = juris Rn. 65, Beschluss vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -, NJW 2005, 2028 = juris Rn. 26.
85d) Diese Lesart wird durch einen Blick auf das vergleichbar strukturierte Informationsfreiheitsgesetz des Bundes gestützt.
86Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes implementiert gleichfalls ein umfassendes Regelungskonzept. Es bringt das Auskunftsinteresse und Belange des Daten- und Geheimnisschutzes zueinander in Ausgleich. Die Informationsfreiheitsgesetze der Länder wurden bei seiner Erarbeitung ausgewertet. Soweit sich für vergleichbare Sachverhalte eine einheitliche Begriffsbestimmung gebildet hat, wurde diese übernommen.
87Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 7.
88Diese gesetzgeberische Grundidee spiegelt sich in den einzelnen Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes wider. § 1 Abs. 1 IFG Bund gewährt einen freien (voraussetzungslosen) Informationszugangsanspruch für jedermann gegenüber den Behörden des Bundes. Der Informationszugang ist lediglich ausgeschlossen, wenn im Einzelfall einer der im Informationsfreiheitsgesetz des Bundes vorgesehenen Versagungsgründe - § 3 IFG Bund (Schutz von besonderen öffentlichen Belangen), § 4 IFG Bund (Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses, § 5 IFG Bund (Schutz personenbezogener Daten) sowie § 6 IFG Bund (Schutz des geistigen Eigentums und von Betriebsgeheimnissen) - eingreift. Diese Ausnahmetatbestände sind konkret und präzise. Nach den üblichen Auslegungsregelungen sind sie eng zu verstehen.
89Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 9; das Gebot einer engen Auslegung der Ausnahmetatbestände des § 3 IFG Bund betonen daran anschließend BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 39, Beschluss vom 9. November 2010 - 7 B 43.10 -, NVwZ 2011, 235 = juris Rn. 12; OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981 = juris Rn. 52.
90Spezialgesetzliche Geheimhaltungsvorschriften, die als Ausschlussgründe gegen einen Anspruch auf Informationszugang in Frage kommen, sperren daher nach der Systematik des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes dessen Anwendbarkeit nicht von vornherein und pauschal. Sie können aber in das Informationsfreiheitsgesetz integrierte Ausschlussgründe darstellen bzw. zu solchen werden, soweit sie von einem der Versagungstatbestände der §§ 3 ff. IFG Bund in Bezug genommen werden oder in diesem sachlich aufgehen.
91Vgl. insofern BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 18.12 -, ZIP 2015, 496 = juris Rn. 40 (zu § 9 Abs. 1 KWG und § 3 Nr. 4 IFG Bund); OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 79 (zu § 97 Abs. 7 Satz 7 SGB V und § 3 Nr. 4 IFG Bund); Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 147 und Rn. 152 (zum Bankgeheimnis und §§ 3 Nr. 4, 6 Satz 2 IFG Bund).
92Diesen integrativen Befund unterstreicht die Vorrangregel des § 1 Abs. 3 IFG Bund, die § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW auf der Ebene des Bundesrechts entspricht.
93§ 1 Abs. 3 IFG Bund zufolge gehen dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (nur) Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme des § 29 VwVfG und des § 25 SGB X vor.
94Eine (Komplett-)Sperrwirkung gegenüber dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes kann demnach nur eine fachgesetzliche Spezialnorm entfalten, die einen mit dem Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz identischen sachlichen Regelungsgegenstand hat und die sich als spezialgesetzliche Bestimmung im Verhältnis zu dem Informationsfreiheitsgesetz als abschließend versteht. Auch im Bereich des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes sind Konkurrenzfragen in jedem konkreten Einzelfall durch eine systematische, an Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung der jeweiligen Informationszugangsrechte zu klären.
95Vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 46, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 9; OVG NRW, Urteil vom 26. Oktober 2011 - 8 A 2593/10 -, DVBl. 2012, 365 = juris Rn. 169.
96Eine derartige fachgesetzliche Spezialnorm ist das Bankgeheimnis losgelöst von seiner normativen Verortung aber - wie dargelegt - nicht, so dass insoweit auch bundesrechtlich kein anderes Ergebnis erzielt würde als unter dem Regime des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW.
97Dass das Bankgeheimnis keine umfassende Sperrwirkung in Relation zu dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes entfalten kann, lässt sich schließlich auch exemplarisch aus seiner informationsfreiheitsrechtlich orientieren Gegenüberstellung mit einer vergleichbaren Geheimhaltungsnorm wie § 9 Abs. 1 Satz 1 KWG ableiten. Dieses Ergebnis ist wegen der Funktionsparallelität von § 1 Abs. 3 IFG Bund und § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW auf das Landesrecht übertragbar.
98In ähnlicher Weise wie das Bankgeheimnis regelt § 9 Abs. 1 Satz 1 KWG, dass u. a. die bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht beschäftigten Personen, soweit sie zur Durchführung dieses Gesetzes tätig werden, die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Instituts oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten dürfen, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist.
99§ 9 Abs. 1 Satz 1 KWG verriegelt indessen nicht den Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes als Ganzes. Vielmehr beinhaltet er eine erst namentlich im Rahmen von § 3 Nr. 4 IFG Bund bzw. ggf. von § 6 Satz 2 IFG Bund beachtliche Verschwiegenheitspflicht. Wie das generelle Bankgeheimnis erschöpft er sich nicht in einer formellen Verschwiegenheitspflicht, sondern umschreibt die Geheimhaltungsbedürftigkeit zugleich nach materiellen Kriterien, was seine informationsfreiheitliche Eingliederung in den Katalog der Ausschlussgründe der §§ 3 ff. IFG NRW sowohl ermöglicht als auch gebietet.
100Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 18.12 -, ZIP 2015, 496 = juris Rn. 40.
1012. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass das Bankgeheimnis - selbst wenn es sich um Gewohnheitsrecht im Rang eines Bundesgesetzes handelt - die landesgesetzlichen Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes NRW nicht gemäß Art. 31 GG verdrängt.
102Gemäß Art. 31 GG bricht Bundesrecht Landesrecht.
103Art. 31 GG regelt als eine grundlegende Vorschrift des Bundesstaatsprinzips die Lösung von Widersprüchen zwischen Bundes- und Landesrecht. Er bestimmt das Rangverhältnis für alle Arten von Rechtssätzen jeder Rangstufe. Art. 31 GG löst die Kollision von Normen und setzt daher zunächst voraus, dass die Regelungen des Bundes- und Landesrechts auf denselben Sachverhalt anwendbar sind und zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen. Können die sich in ihrem Regelungsbereich überschneidenden Normen bei ihrer Anwendung zu verschiedenen Ergebnissen führen, bricht Bundesrecht jeder Rangordnung eine landesrechtliche Regelung auch dann, wenn sie Bestandteil des Landesverfassungsrechts ist.
104Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Juni 2009 - 1 BvR 198/08 -, NVwZ 2009, 1426 = juris Rn. 26, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08 -, BVerfGE 121, 317 = NJW 2008, 2409 = juris Rn. 99, Beschlüsse vom 5. Juni 1998 - 2 BvL 2/97 -, BVerfGE 98, 145 = NJW 1999, 1095 = juris Rn. 49, und vom 15. Oktober 1997 - 2 BvN 1/95 -, BVerfGE 96, 345 = NJW 1998, 1296 = juris Rn. 62.
105Nach diesen Grundsätzen verdrängt das Bankgeheimnis § 4 Abs. 1 IFG NRW auch nach Art. 31 GG nicht, wobei es wiederum nicht auf die genaue normative Klassifikation des Bankgeheimnisses ankommt. Art. 31 GG hat keinen anderen Regelungsgehalt als § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW, weswegen dieser als einfachgesetzliche (landesrechtliche) Entsprechung der verfassungsrechtlichen Kollisionsnorm angesehen werden kann.
106Vgl. dazu auch OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, NVwZ-RR 2003, 800 = juris Rn. 20.
107Beide Kollisionsregeln gelangen zu demselben Resultat, weil das Bankgeheimnis, auch wenn es sich um ein Bundesgesetz handelte, keine Sperrwirkung entfaltet. Insoweit wird auf die der Sache nach deckungsgleichen Ausführungen unter II. 1. verwiesen.
108Im Anschluss daran kann auch kompetenzrechtlich keine Konfliktlage zwischen dem Bundes(Verfassungs-)recht und dem Informationsfreiheitsgesetz NRW bestehen.
109Dem Land Nordrhein-Westfalen steht für den Erlass seines Informationsfreiheitsgesetzes eine Gesetzgebungskompetenz nach Art. 70 Abs. 1 GG auch insoweit zu, als das Gesetz im Einzelfall Informationszugangsansprüche gegen öffentlich-rechtliche Kreditinstitute betreffen kann, die sich auf das Bankgeheimnis berufen. Es handelt sich bei dem Informationsfreiheitsrecht auch in dieser Hinsicht nicht um in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallendes Recht der Wirtschaft nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG.
110Der Bund hat sich beim Erlass des Informationsfreiheitsgesetzes auf seine Annexkompetenz für das Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit den ihm zugewiesenen Sachkompetenzen gestützt. Nur soweit der Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber den Behörden des Bundes geregelt wird, ist eine Bundeskompetenz gegeben.
111Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 7, sowie BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2007 - 7 B 9.07 -, NWVBl. 2008, 59 = juris Rn. 8 ff.; OVG NRW, Urteil vom 9. November 2006 - 8 A 1679/04 -, NWVBl. 2007, 187 = juris Rn. 74 ff.; siehe darüber hinaus BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 -, BVerwGE 146, 56 = DVBl. 2013, 1118 = juris Rn. 17 ff (keine Gesetzgebungskompetenz der Länder für eine Verpflichtung des Bundenachrichtendienstes zu Auskünften nach einem Pressegesetz des Landes).
112Im Übrigen, soweit es um den Informationszugang zu öffentlichen Stellen eines Landes geht, zu denen auch öffentlich-rechtliche Kreditinstitute zählen, liegt die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern. Diese reichern insofern ihr Verwaltungsverfahrensrecht aufgrund von Art. 70 Abs. 1 GG mit materiellen Informationszugangsansprüchen an. Sie gestalten diese Ansprüche aus, treffen dabei aber keine Regelungen zu Inhalt und Reichweite des Bankgeheimnisses als solchem. Dieses kommt informationsfreiheitsrechtlich - wie dargestellt - erst und nur im normativen Rahmen der §§ 6 ff. IFG NRW zur Geltung, was kompetenzrechtlich bedenkenfrei ist.
113Vgl. in diesem Kontext nochmals BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2007 - 7 B 9.07 -, NWVBl. 2008, 59 = juris Rn. 8 ff.; OVG NRW, Urteil vom 9. November 2006 - 8 A 1679/04 -, NWVBl. 2007, 187 = juris Rn. 74 ff.
114Unabhängig davon könnte der Bundesgesetzgeber zwar etwa Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG heranziehen, um das Bankgeheimnis in Gesetzesform zu gießen. Er hat von dieser Kompetenz aber für die hier in Rede stehende Konstellation (Förderbank) bislang keinen Gebrauch gemacht (s. dazu 1a) und b)).
115III. Dem Anspruch des Klägers aus § 4 Abs. 1 IFG NRW stehen keine Ablehnungsgründe entgegen. Die Versagungstatbestände aus § 8 Satz 1 IFG NRW (dazu 1.), aus § 9 IFG NRW (dazu 2.) und aus § 5 Abs. 4 IFG NRW (dazu 3.) greifen nicht ein. Andere Ausschlussgründe kommen nicht in Betracht und werden von der Beklagten auch nicht angeführt.
1161. Die Beklagte kann sich gegenüber dem Informationszugangsanspruch des Klägers nicht erfolgreich auf § 8 Satz 1 IFG NRW berufen.
117§ 8 Satz 1 IFG NRW bestimmt, dass der Antrag auf Informationszugang abzulehnen ist, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.
118Geschäftsgeheimnisse in diesem Sinne betreffen den kaufmännischen Teil eines Gewerbebetriebes, der nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist und mit Blick auf die berechtigten wirtschaftlichen Interessen nach dem Willen des Unternehmers geheim gehalten werden sollen. Hierzu zählen Preiskalkulationen, Bezugsquellen, Ertragslage, Kreditwürdigkeit, Geschäftsverbindungen, Marktstrategien sowie Kundenlisten.
119Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Mai 2006 - 8 A 1642/05 -, NWVBl. 2006, 292 = juris Rn. 64; zum bundesrechtlichen Begriff des § 6 Satz 2 IFG Bund: OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981= juris Rn. 125 ff.,
120Erfasst ist davon prinzipiell auch das Bankgeheimnis mit dem oben skizzierten Inhalt als Grundlage des Geschäftsmodells „Bank“, das auf der Vertraulichkeit der Geschäftsbeziehung zwischen Bankkunde und Bank beruht, mag diese im Einzelfall auch öffentlich-rechtlichen Charakter tragen.
121Die Beklagte erfüllt aber die zusätzliche Voraussetzung des § 8 Satz 1 IFG NRW nicht, dass ihr durch die Übermittlung der Information ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde.
122Ein wirtschaftlicher Schaden ist anzunehmen, wenn die in Anspruch genommene öffentliche Stelle konkret und substantiiert deutlich macht, dass sich ihre Wettbewerbssituation durch die Offenbarung des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses nachhaltig verschlechtern wird.
123Vgl. Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 8 Rn. 878 f.
124Diese Voraussetzung ist im konkreten Fall nicht gegeben.
125Die Beklagte hat nicht hinreichend substantiiert und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die Offenbarung der in dem noch anhängigen Klageantrag bezeichneten Auszahlungszeitpunkte bestimmter Darlehen ihr oder dem Darlehensnehmer einen wirtschaftlichen Schaden zufügen würde. Allein der Umstand, dass die Beklagte dem Kläger die verlangte - im konkreten Einzelfall sehr eingegrenzte und spezifische - Auskunft erteilt, die überdies eine unmittelbare sachliche Beziehung zu der früheren Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der Komplementärgesellschaften der (Förder-)Darlehensnehmer und als Bürge für diese Darlehen hat, verschlechtert ihre Wettbewerbsposition als Bank absehbar nicht. Im Zuge einer zivilrechtlichen Inanspruchnahme des Klägers durch die Beklagte aus der übernommenen Bürgschaft müsste die Beklagte zu der Auszahlung der Darlehen und zu dem Auszahlungszeitpunkt ohnehin vortragen, um einen Anspruch aus §§ 765 ff. BGB gegen den Kläger schlüssig zu machen. Deswegen ist auch kein Wertungswiderspruch zwischen der Bejahung eines Informationszugangsanspruchs des Klägers und einem Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu erkennen, das im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis bestehen kann. Überdies ist in Förderrechtsverhältnissen, die der Umsetzung eines vorgeschalteten Zuwendungsbescheids dienen, eine solche Verschlechterung der Marktposition der Beklagten nicht denkbar. Dies zieht zusätzlich die Schutzwürdigkeit der Angaben über die Auszahlungszeitpunkte in Zweifel.
126Soweit man für den wirtschaftlichen Schaden i.S.v. § 8 Satz 1 IFG NRW (auch) auf die Darlehensnehmer abstellt, ergibt sich nichts anderes. Es ist gleichfalls nicht ersichtlich, dass diesen oder ihren Rechtsnachfolgern aus der Offenlegung der Auszahlungszeitpunkte der Darlehen gegenüber dem Kläger ein wirtschaftlicher Schaden erwachsen kann. Es ist insbesondere nicht zu ersehen, dass deren Kreditwürdigkeit wegen dieser speziellen Information, die aus einem öffentlich-rechtlichen Förderrechtsverhältnis stammt, Schaden nimmt.
1272. Im Weiteren steht dem streitgegenständlichen Anspruch des Klägers aus § 4 Abs. 1 IFG NRW nicht der Ausschlussgrund des § 9 IFG NRW entgegen.
128Der Antrag auf Informationszugang ist gemäß § 9 Abs. 1 Hs. 1 IFG NRW abzulehnen, soweit durch das Bekanntwerden der Information personenbezogene Daten offenbart werden und keine der in § 9 Abs. 1 Hs. 2 IFG NRW aufgezählten Ausnahmen vorliegt.
129Der Begriff der personenbezogenen Daten des § 9 Abs. 1 Hs. 1 IFG NRW entspricht dem in § 3 Abs. 1 BDSG verwendeten. Diesem zufolge sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person.
130Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. April 2015 - 15 A 2342/12 -, und vom 27. Januar 2010 - 8 A 203/09 -, juris Rn. 9.
131Danach ist § 9 Abs. 1 IFG NRW nicht einschlägig, weil die im Streit befindlichen Informationen keine natürliche Person und damit keine personenbezogenen Daten betreffen. Es ist auch nicht zu erkennen, dass durch die Bekanntgabe der Auszahlungszeitpunkte konkrete Rückschlüsse auf die persönlichen Verhältnisse der hinter den Gesellschaften stehenden natürlichen Personen möglich werden.
132Eine mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungskonforme Erweiterung des Schutzbereichs des § 9 Abs. 1 IFG NRW auf juristische Personen wie die Darlehensnehmer der Beklagten ist nicht geboten. Deren Geschäftsgeheimnisse, denen das Bankgeheimnis informationsfreiheitsrechtlich grundsätzlich zugeordnet werden kann, werden - wie ausgeführt - grundsätzlich durch § 8 Satz 1 IFG NRW hinreichend geschützt.
1333. Zuletzt greift der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 4 IFG NRW nicht zugunsten der Beklagten ein.
134Nach dieser Vorschrift kann der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden, wenn die Information der Antragstellerin oder dem Antragsteller bereits zur Verfügung gestellt worden ist oder wenn sich die Antragstellerin oder der Antragsteller die Information in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann.
135§ 5 Abs. 4 IFG NRW liegt die Erwägung zugrunde, dass die Beschränkung des Informationszugangs sachgerecht ist, wenn der Zugang zu den gewünschten Informationen in den in der Norm genannten Fällen im Ergebnis gewährleistet ist.
136Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs LT-Drs. 13/1311, S. 12.
137§ 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW ist bei teleologischer Betrachtung dahingehend zu verstehen, dass es für eine Ablehnung des Informationsbegehrens ausreichen kann, dass der Antragsteller tatsächlich - aus welchen Gründen auch immer - über die Information verfügt. Sie muss ihm also nicht gerade durch eine öffentliche Stelle zur Verfügung gestellt worden sein. Für diese Auslegung spricht der Sinn und Zweck der Regelung, bei Wahrung des Informationszugangs unnötigen Aufwand für die öffentlichen Stellen zu vermeiden. Insofern ist § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG bis zur Schwelle der Unverhältnismäßigkeit auch Ausdruck einer Obliegenheit des Antragstellers, sich die Kenntnis von einmal erlangten Informationen im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren im eigenen Interesse dauerhaft zu erhalten.
138Vgl. Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, § 5 Rn. 650 f.
139Eine allgemeine Pflicht, sich die amtlichen Informationen selbst zu beschaffen, statuiert § 5 Abs. 4 IFG NRW indes nicht. Dies gilt - wie § 5 Abs. 4 Alt. 2 IFG NRW klarstellt - allenfalls für die Konstellation, dass sich die Information aus allgemein zugänglichen Quellen gewinnen lässt.
140Stützt sich die Behörde auf den in ihrem Ermessen stehenden Versagungstatbestand aus § 5 Abs. 4 IFG NRW, muss sie bei ihrer Ermessensausübung konkret und substantiiert darlegen, dass dessen Voraussetzungen gegeben sind. Nur unter dieser Bedingung ist es bei der - oben angesprochen - gebotenen engen Auslegung der informationsfreiheitsrechtlichen Ausnahmetatbestände gerechtfertigt, aus Gründen der Vermeidung von Verwaltungsaufwand den (erneuten) Informationszugang abzulehnen.
141Vgl. dazu auch OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 -, DVBl. 2011, 915 = juris Rn. 81; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2015 - OVG 12 N 88.13 -, juris Rn. 11; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23. April 2010 - 10 A 10091/10 -, juris Rn. 34 (jeweils zu § 9 Abs. 3 IFG Bund).
142Ausgehend davon kann die Beklagte ihre Ablehnungsentscheidung nicht erfolgreich mit dem Verweis auf § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW begründen.
143Die Beklagte hat nicht hinreichend substantiiert, dass der Kläger in der Vergangenheit entgegen seinem Vortrag Kenntnis von den Zeitpunkten der Darlehensauszahlungen hatte. Die Beklagte legt nicht dar, wer konkret dem Kläger diese Informationen wann und unter welchen Umständen zur Verfügung gestellt haben soll. Dass der Kläger für die Darlehensnehmer mit der WfA bzw. der Beklagten Gespräche über die Abwicklung des Förderverhältnisses geführt hat, reicht dafür nicht. Der Kläger hat in seiner Berufungserwiderung bestritten, dabei eine federführende Rolle eingenommen zu haben. Dagegen, dass der Kläger über die Informationen verfügt, spricht zudem maßgeblich das vorliegende Verfahren selbst. Der Kläger würde diese Klage mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht anstrengen und weiterverfolgen, wenn er diese Informationen schon hätte.
144Da es an der Substantiierung der (vormaligen) Kenntnis des Klägers von den Informationen über die Zeitpunkte der Darlehensauskehrungen durch die Beklagte fehlt, kommt es nicht darauf an, ob der Kläger diese Informationen womöglich sorgfaltswidrig wieder verloren hat.
145Selbst wenn dies zu bejahen wäre, hätte die Beklagte, um den Ablehnungsgrund des § 5 Abs. 4 Alt. 1 IFG NRW auszufüllen, zusätzlich auf Ermessensseite plausibilisieren müssen, warum es für sie einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand darstellt, dem Kläger die Auszahlungszeitpunkte nochmals mitzuteilen. Dies hat die Beklagte aber nicht getan. Vielmehr hat sie in ihrem Ablehnungsbescheid vom 17. Juni 2011 eingeräumt, dass der Verwaltungsaufwand, der erforderlich ist, um das klägerische Begehren zu erfüllen, gering ist.
146Da die Zeitpunkte der Darlehensvalutierungen nicht anhand allgemein zugänglicher Quellen i.S.d. § 5 Abs. 4 Alt. 2 IFG NRW ermittelbar sind, traf den Kläger schließlich keine anspruchsvernichtende Pflicht, sich die Informationen selbst zu beschaffen.
147Um zu der vorstehenden Überzeugung zu gelangen, ist die von Beklagtenseite schriftsätzlich angeregte Beteiligtenvernehmung des Klägers nach § 96 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht geboten.
148Wie sich § 98 VwGO i.V.m. § 450 Abs. 2 ZPO entnehmen lässt, ist die Beteiligtenvernehmung auch im Verwaltungsprozess lediglich nachrangig zulässig. Sie dient als letztes Hilfsmittel zur Aufklärung des Sachverhalts, wenn trotz Ausschöpfen aller anderen Beweismittel noch Zweifel verbleiben. Es muss weiterhin eine gewisse Wahrscheinlichkeit für (oder gegen) die unter Beweis gestellte Behauptung des Beteiligten bestehen.
149Vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 12. März 2014 - 5 B 48.13 -, NVwZ-RR 2014, 660 = juris Rn. 17, vom 5. Juni 2013 - 5 B 11.13 -, juris Rn. 11, und vom 21. Juni 2007 - 2 B 28.07 -, juris Rn. 12 f.
150Nach diesen Grundsätzen war eine förmliche Beteiligtenvernehmung des Klägers nicht angezeigt. Wie ausgeführt, fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger über die beanspruchten Informationen verfügt oder verfügt hat.
151Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
152Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
153Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
154Zwar können das Verständnis und die Auslegung der bundesrechtlichen Bestimmungen, die bei der Subsumtion unter den landesrechtlichen Begriff der „besonderen Rechtsvorschrift“ i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW zugrunde zu legen sind, Gegenstand revisionsgerichtlicher Prüfung sein.
155Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2012 - 7 B 53.11 -, DVBl. 2012, 970 = juris Rn. 6.
156Allerdings kommt der Frage, ob das Bankgeheimnis unter § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW zu subsumieren ist und eine „Vollsperrung“ des Informationsfreiheitsgesetzes NRW nach sich ziehen kann, auch dann keine grundsätzliche Bedeutung zu, wenn man das nicht kodifizierte Bankgeheimnis als revisibles Recht begreift. Diese Frage lässt sich auf der Basis des Informationsfreiheitsgesetzes NRW und der zugehörigen Gesetzesmaterialen sowie der einschlägigen Rechtsprechung ohne Weiteres im oben genannten Sinn beantworten, ohne dass ein weitergehender Klärungsbedarf erkennbar wird. Dasselbe gilt für die Anwendung und Reichweite von Art. 31 GG und für die Frage der Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers für das Informationsfreiheitsgesetz NRW in Angelegenheiten, die in einem Sachzusammenhang mit dem Bankgeheimnis und öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten stehen.
157Vgl. insofern zu § 30 AO: BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2012 - 7 B 53.11 -, DVBl. 2012, 970 = juris Rn. 7 ff.
(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.
(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Die Behörden sollen Verzeichnisse führen, aus denen sich die vorhandenen Informationssammlungen und -zwecke erkennen lassen.
(2) Organisations- und Aktenpläne ohne Angabe personenbezogener Daten sind nach Maßgabe dieses Gesetzes allgemein zugänglich zu machen.
(3) Die Behörden sollen die in den Absätzen 1 und 2 genannten Pläne und Verzeichnisse sowie weitere geeignete Informationen in elektronischer Form allgemein zugänglich machen.
(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.
(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes die Vorlage von Verwaltungsvorgängen im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 (BGBl. I, S. 1048; im Folgenden: 6. FFG-Änderungsgesetz). Das 6. FFG-Änderungsgesetz nahm rückwirkend zum 1. Januar 2004 (vgl. § 73 Abs. 7 Satz 1 FFG) in § 67 FFG Bemessungsregeln für die von den Fernsehveranstaltern zu leistende Filmabgabe auf.
3Die Klägerin betreibt bundesweit Filmtheater. Sie ist eine Gesellschaft der D. -Gruppe, der neben der Klägerin elf Schwestergesellschaften angehören, die ebenfalls in Deutschland Lichtspielhäuser unterhalten.
4Am 8. September 2010 beantragte die Klägerin beim (damaligen) Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (im Folgenden: BKM) gemäß § 7 IFG, ihr sämtliche Verwaltungsvorgänge zugänglich zu machen, die der BKM im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz führt und geführt hat. Ihr besonderes Augenmerk gelte den Berechnungsmodellen und Kalkulationen, die für die Festlegung des Abgabenmaßstabs der Fernsehveranstalter gemäß § 67 FFG n. F. bestimmend gewesen seien, ferner den Berechnungen zur Feststellung der Leistungsfähigkeit aller Einzahlergruppen. Vorsorglich werde mitgeteilt, dass personenbezogene Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unkenntlich gemacht werden dürften.
5Mit Bescheid vom 15. Oktober 2010, zugegangen am 19. Oktober 2010, lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, der BKM habe bei der Vorbereitung des 6. FFG-Änderungsgesetzes nicht als Behörde i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gehandelt. Das Vorbereiten und Ausarbeiten von Gesetzentwürfen diene der Wahrnehmung des Initiativrechts der Bundesregierung. Diese Regierungstätigkeit sei kein Verwaltungshandeln. Die dem BKM vorliegenden amtlichen Informationen zu dem beantragten Thema bezögen sich ausschließlich auf die unmittelbare Erarbeitung des Regierungsentwurfs zum 6. FFG-Änderungsgesetz. Bei den Dokumenten handele es sich vorwiegend um Vermerke gegenüber der Hausleitung, Aufzeichnungen über interne Besprechungen, E-Mail-Verkehr mit Verbänden, Sendern und anderen Unternehmen, die zukünftig unter die Abgabenpflicht fallen sollten, Gesamtkalkulationen zu den finanziellen Auswirkungen der Novelle sowie um Materialien zum parlamentarischen Verfahren und zur Veröffentlichung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt. Die Prüfung der Unterlagen auf eventuell einschlägige Ausnahmetatbestände nach §§ 3 ff. IFG sei vor diesem Hintergrund nicht notwendig.
6Die Klägerin erhob am 17. November 2010 Widerspruch. Zur Begründung machte sie geltend: Es sei mit Blick auf das gebotene weite Begriffsverständnis unzutreffend, eine Bundesbehörde von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG auszunehmen, wenn im konkreten Fall Regierungstätigkeit ausgeübt werde. Die Ausnahmen gemäß §§ 3 Nr. 3, 4 Abs. 1 IFG griffen nicht, weil es um einen Anspruch auf Informationszugang nach Verabschiedung des Gesetzes gehe. Eine andere Betrachtungsweise laufe dem Transparenzgedanken des Informationsfreiheitsgesetzes zuwider.
7Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
8Die Klägerin hat am 11. März 2011 Klage erhoben.
9Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, sie habe einen Anspruch auf die begehrten Informationen aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Der BKM sei nach dem anzuwendenden funktionellen Behördenbegriff eine Behörde des Bundes, auch wenn er im konkreten Fall bei der Vorbereitung eines Gesetzentwurfs eine Regierungstätigkeit wahrgenommen habe. Die Gesetzesmaterialien zum 6. FFG-Änderungsgesetz seien amtliche Informationen. Sie seien beim BKM in seiner Zuständigkeit für die Kulturförderung - namentlich für die Filmförderung durch die unter seiner Aufsicht stehende Filmförderungsanstalt - entstanden. Der eng zu interpretierende Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 3 b) IFG sei nicht gegeben bzw. von der Beklagten nicht nachvollziehbar belegt. Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung werde durch den begehrten Informationszugang nicht tangiert. Die Beratungen beim BKM zum 6. FFG-Änderungsgesetz seien längst abgeschlossen. Der Beratungsvorgang müsse nicht mehr geschützt werden. Ansonsten würden zahllose Informationsansprüche ins Leere laufen, da Verwaltungsvorgängen fast immer behördeninterne Beratungen vorausgingen. Einengende Vorwirkungen für zukünftige Gesetzgebungsverfahren seien nicht erkennbar. Die von der Beklagten auf S. 10 bis 13 ihres Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 aufgelisteten Unterlagen seien - nach ihrer Behauptung - Vorlagen an die Hausleitung des BKM und Kabinettsvorlagen. Die Beklagte habe den konkreten Inhalt dieser Unterlagen jedoch nicht substantiiert, so dass sich schon von daher keine Beeinträchtigung der freien und offenen Willensbildung der Regierung feststellen lasse. Überdies seien weder der Staatsminister noch das Kabinett an diese Vorlagen gebunden gewesen. Auch im Schriftsatz vom 6. Dezember 2011 habe die Beklagte die Schutzwürdigkeit der Leitungsvorlagen nicht hinreichend substantiiert dargetan. Ähnliches gelte, soweit sich die Beklagte auf S. 14 bis 17 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 auf § 3 Nr. 7 IFG berufe. Die Informationsübermittlung zwischen Behörden sei nicht geschützt, so dass Unterlagen nicht von dem Informationsanspruch ausgenommen werden könnten, die von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oder von der Filmförderungsanstalt stammten, bei der es sich um eine Bundesanstalt des öffentlichen Rechts handele. Die Beklagte habe ihre diesbezügliche Darlegungslast nicht erfüllt. Hinzu komme, dass auch§ 3 Nr. 7 IFG nicht unbefristet gelte. Worin das aktuelle Interesse an der Wahrung der Vertraulichkeit bestehe, sei unklar. Im Hinblick auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 6 Satz 2 IFG habe sie, die Klägerin, vorab erklärt, dass diese - soweit vorhanden - unkenntlich gemacht werden dürften. Allerdings beziehe sich dieser Geheimnisschutz nicht auf Personen des öffentlichen Rechts wie die Filmförderungsanstalt oder öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, auf deren Dokumente die Beklagte auf S. 20 bis 32 ihres Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 verweise. Gleiches gelte für Unterlagen, die von Verbänden stammten. Diese führten keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
10Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 26. Juli 2012 hat die Beklagte erklärt, im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. November 2011 - 7 C 3.11, 7 C 4.11 - würden die in der überreichten Tabelle in Spalte 1 („Nur Argument keine Behörde“) gelisteten Aktenbestandteile der Klägerin in Form von Kopien spätestens bis zum 14. September 2012 zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten zugänglich gemacht.
11Daraufhin hat die Klägerin den Rechtsstreit in diesem Umfang für in der Hauptsache erledigt erklärt. Sie hat ausdrücklich anerkannt, dass die Beklagte berechtigt ist, in diesen Unterlagen etwa enthaltene personenbezogene Daten i.S.v. § 5 IFG zu schwärzen. Die Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen.
12Die Klägerin hat daraufhin beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vom 15. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 zu verpflichten, ihr - soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist - sämtliche Verwaltungsvorgänge, die der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 führt oder geführt hat, zugänglich zu machen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG liege vor. Auch im Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes sei ein unausforschbarer Handlungsbereich der Exekutive bei ressortinternen und ressortübergreifenden Vorbereitungen zur Erstellung eines Gesetzesvorschlags anzuerkennen. Im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung finde keine Abwägung mit dem Anspruch des Bürgers auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz statt. Diesem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung gehörten auch Leitungsvorlagen an, wie sie in ihrem Schriftsatz vom 10. Oktober 2011, S. 10 bis 13, bezeichnet seien. Der Schutz des Kernbereichs der Exekutive, der die Willensbildung der Regierung umfasse, sei nicht mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zum 6. FFG-Änderungsgesetz entfallen oder weniger gewichtig. Dies folge auch aus den einengenden Vorwirkungen des nachträglichen Zugriffs auf Informationen auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren. Den Erörterungen im Kabinett komme eine besondere Schutzwürdigkeit zu. Die freie und offene Willensbildung der Regierung werde gefährdet, wenn eine spätere Publizität zu befürchten sei. Eine unbegrenzte Offenheit von Unterlagen zur Vorbereitung von Gesetzen würde dazu führen, dass durch das Bekanntwerden z. B. von möglichen Meinungsverschiedenheiten auf Leitungsebene die Autorität des Gesetzes ausgehöhlt würde. Es gehe auch um sensible politische Einschätzungen. Es bestehe die Gefahr einer „Flucht in die Mündlichkeit“. Im Einzelnen erfasse § 3 Nr. 3 b) IFG die Blätter 65 bis 68, 112 bis 118, 327 bis 352, 534 bis 537, 557 bis 575, 576 bis 594, 822 bis 851, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 922, 1055 bis 1060, 1071 bis 1096, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1239, 1260 bis 1283 sowie 1294 bis 1320 (siehe S. 10 bis 13 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011 und S. 4 bis 7 des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2011). Der gewisse Abstraktionsgrad dieser Ausführungen liege in der Natur der Sache, um der Geheimhaltungsbedürftigkeit der betreffenden Teile der Verwaltungsvorgänge Rechnung zu tragen. Unverhältnismäßig pauschaliert werde dabei nicht. Darüber hinaus entfalle der Informationsanspruch der Klägerin wegen § 3 Nr. 7 IFG. Bezüglich bestimmter Dokumente habe sie, die Beklagte, ausdrücklich eine vertrauliche Behandlung zugesichert. § 3 Nr. 7 IFG gelte für die Blätter 101 bis 109, 122 bis 143, 267 bis 268, 404 bis 408, 538 bis 539, 1014 bis 1016, 1017 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 bis 1259 (siehe S. 14 bis 17 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011). Das Interesse an der vertraulichen Behandlung bestehe fort. Der Schutzbereich des § 3 Nr. 7 IFG schließe öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten oder die Filmförderungsanstalt ein. Personenbezogene Daten Dritter seien gemäß § 5 IFG vom Informationszugang ausgeschlossen. Die Klägerin habe im Verwaltungsverfahren in die Schwärzung der entsprechenden Passagen eingewilligt. Einer unbeschränkten Offenlegung stehe schließlich § 6 Satz 2 IFG für folgende Abschnitte entgegen: Blätter 80 bis 83, 93 bis 98, 101 bis 109, 122 bis 143, 267 bis 268, 404 bis 408, 500 bis 503, 538 bis 539, 1014 bis 1016, 1017 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 bis 1255, 1256 bis 1258, 1259 und 1299 (siehe S. 20 bis 32 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011). Eine Einwilligung des jeweiligen Geheimnisträgers liege nicht vor. Die Eigenschaft als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis bestehe auch bei partiellen Schwärzungen fort.
17Mit Urteil vom 26. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren im Umfang der übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt. Im Übrigen hat es die Beklagte unter Abänderung des Bescheides des BKM vom 15. Oktober 2010 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 verpflichtet, der Klägerin die bei dem BKM geführten Verwaltungsvorgänge betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz - soweit nicht für erledigt erklärt - mit Ausnahme der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich zu machen. Die Beklagte sei berechtigt, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse vor der Zugänglichmachung zu schwärzen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch der Klägerin folge aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Die Beklagte könne sich hinsichtlich sog. Leitungsvorlagen nicht mit Erfolg auf den Versagungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG berufen. Ebenso wenig könne sich die Beklagte hinsichtlich der Stellungnahmen, bezüglich derer sie eine vertrauliche Behandlung zugesichert habe, auf den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG stützen, soweit darin nicht Geschäftsgeheimnisse enthalten seien. Diese seien über § 6 Satz 2 IFG geschützt. Da alle betroffenen Geheimnisträger auf entsprechende Nachfrage des BKM mitgeteilt hätten, sie stimmten einer Bekanntgabe an die Klägerin nicht zu, sei die Beklagte berechtigt, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor der Zugänglichmachung der Akten an die Klägerin zu schwärzen. Soweit die Verwaltungsvorgänge Geschäftsgeheimnisse Dritter enthielten, sei die Klage mit Blick auf § 6 Satz 2 IFG unbegründet.
18Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.
19Die Beklagte hat am 31. August 2012 Berufung gegen das ihr am 7. August 2012 zugestellte Urteil eingelegt.
20Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholend und vertiefend vor, von der Berufung nicht erfasst sei ihre Verpflichtung, Zugang zu denjenigen Teilen der Verwaltungsvorgänge zu gewähren, in denen die Kabinettsvorlagen lediglich den endgültig in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut wiedergäben. Hierbei handele es sich um Blatt 830 bis 846, 904 bis 922, 1077 bis 1096 sowie Blatt 1219 bis 1239. Diese Blattbereiche werde sie der Klägerin unverzüglich offenbaren. Soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben habe, stehe dem Informationszugang der Schutz des Kernbereichs der Exekutive im Rahmen des § 3 Nr. 3 b) IFG entgegen. Es entspreche einem nach der Lebenserfahrung naheliegenden und wahrscheinlichen Verhalten, dass Erwägungen, deren Offenbarung zu nachteiligen Konsequenzen für die Regierung führen könne, nicht mehr schriftlich in den Akten niedergelegt würden, wenn diese Akten nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens jedem beliebigen Dritten zugänglich gemacht werden müssten. Vielmehr sei zu erwarten, dass Einschätzungen mündlich abgegeben würden und nicht mit dem gebotenen Gewicht in das Gesetzgebungsverfahren einflössen. Ein Informationszugang könne auch einengende Vorwirkungen haben, soweit es um einen nachträglichen Zugriff auf Informationen über ein abgeschlossenes Gesetzgebungsverfahren gehe. Diese Erwartung sei nicht nur mit Blick auf rechtliche, sondern auch in Bezug auf politische und taktische Einschätzungen berechtigt. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht die Anforderungen an eine substantiierte Darlegung der Geheimhaltungsgründe im gerichtlichen Hauptsacheverfahren überspannt. Auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, S. 10 bis 13, und vom 6. Dezember 2011, S. 4 bis 7, werde Bezug genommen. Es dürfe keine Substantiierung verlangt werden, die bereits zu einer Offenbarung der geheimzuhaltenden Informationen führe. Andernfalls laufe § 3 Nr. 3 b) IFG leer. Ohne ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO habe das Verwaltungsgericht nicht stattgeben dürfen. Nur äußert vorsorglich werde zu Blatt 66 bis 68, 113 bis 118, 327 bis 352, 535 bis 537, 558 bis 594, 823 bis 829, 852 bis 854, 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1106 bis 1009, 1181 bis 1187c, 1208, 1210 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1301 ergänzend vorgetragen (sieheS. 17 bis 23 der Berufungsbegründung der Beklagten vom 19. November 2012). Ob das 6. FFG-Änderungsgesetz eine hochpolitische, brisante Gesetzesnovelle gewesen sei, sei für den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG unerheblich. Hinsichtlich der Unterlagen, für welche sie, die Beklagte, eine Vertraulichkeitszusage abgegeben habe, stehe dem Informationszugang § 3 Nr. 7 IFG entgegen. Diese Unterlagen seien auf S. 14 bis 17 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 konkret bezeichnet. Auch diesbezüglich gehe das Verwaltungsgericht von überzogenen Substantiierungsanforderungen aus. Bereits die Tatsache der Kennzeichnung als vertraulich sei ein hinreichendes Indiz für eine Vertraulichkeitsvereinbarung. Dieses Indiz sei nicht erschüttert. Einer weitergehenden Substantiierung der Vertraulichkeit bedürfe es nicht. Die wegen des Abgabenmaßstabs angeschriebenen betroffenen Kreise hätten im Hinblick auf ihre jeweilige Antwort durchweg darauf bestanden, dass alle übermittelten Informationen, d. h. das gesamte Schreiben, vertraulich behandelt würden. Würde sie, die Beklagte, gleichwohl zu einem Informationszugang verpflichtet, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass in Zukunft nicht mehr in dem gebotenen Umfang Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben abgegeben würden. Zudem hätte § 3 Nr. 7 IFG sonst neben § 6 Satz 2 IFG keinen eigenständigen Anwendungsbereich mehr.
21In der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 haben die Beteiligten klargestellt, welche Aktenbestandteile im Berufungsverfahren noch im Streit stehen. Die in den Spalten 3 und 4 der Übersicht, die erstinstanzlich dem Verwaltungsgericht überreicht worden ist, angegebenen Blattzahlen sind markiert worden, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens sind. Die Übersicht ist als Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung genommen worden.
22Die Beklagte beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern, soweit sie darin verpflichtet worden ist, die bei ihr angefallenen Verwaltungsvorgänge betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 über Blatt 830 bis 846, Blatt 904 bis 922, Blatt 1077 bis 1096 sowie Blatt 1219 bis Blatt 1239 hinaus der Klägerin zugänglich zu machen, und insoweit die Klage abzuweisen.
24Die Klägerin beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG liege nicht vor. Der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung beziehe sich regelmäßig nur auf laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen, nicht auf abgeschlossene Verfahren. Eine einengende Vorwirkung durch eine Offenlegung von Leitungsvorlagen mit rechtlichen und/oder politisch-taktischen Erwägungen sei nach der Lebenserfahrung nicht zu befürchten. Transparenz und Offenheit seien für den Fortbestand einer demokratischen Gesellschaft überlebenswichtige Faktoren. Sie erhöhten die Akzeptanz politischer Entscheidungen in der Bevölkerung und wirkten der Gefahr sachfremder lobbyistischer Einflussnahme entgegen. Die Leitung der Beklagten sei geradezu verpflichtet, ihre Mitarbeiter zu ermutigen, jedwede rechtlichen und/oder taktisch-politischen Überlegungen zu Papier zu bringen. Sollte die Beklagte dem nicht nachkommen, dürfe der Informationszugangsanspruch darunter nicht leiden. Eine größtmögliche Transparenz stärke Sachargumente. Das Informationsfreiheitsgesetz diene auch der Qualitätsverbesserung des gesamten Entscheidungsprozesses. Das Verwaltungsgericht habe die Darlegungsanforderungen an die Beklagte nicht überspannt. Die Ausnahmetatbestände des § 3 IFG seien grundsätzlich eng auszulegen. Die Beklagte habe den von ihr in Anspruch genommenen Kernbereichsschutz nicht hinreichend substantiiert. Dies sei auch in der Berufungsbegründung der Beklagten auf deren S. 17 ff. nicht geschehen. Auch die Kabinettsvorlagen unterlägen nicht dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung. Ob das 6. FFG-Änderungsgesetz eine hochpolitische und brisante Angelegenheit gewesen sei, sei bei der Beurteilung der Ausschlussgründe erheblich. Ein Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO sei nicht erforderlich. Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG seien ebenfalls nicht erfüllt. Eine schutzwürdige Vertraulichkeitsabrede habe die Beklagte auch in der Berufungsbegründung ab S. 26 nicht dargetan. Der Sache nach mache die Beklagte eine Bereichsausnahme für die Beteiligung Dritter an einem Gesetzgebungsverfahren geltend. Eine solche sehe das Informationsfreiheitsgesetz jedoch nicht vor.
27Mit Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646 = juris, wies das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden von Betreiberinnen von Filmtheatern gegen Abgabenbescheide der Filmförderungsanstalt nach dem Filmförderungsgesetz und gegen die diese als rechtmäßig bestätigenden fachgerichtlichen Urteile zurück. Zur Begründung führte das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen aus, die Verfassungsbeschwerden seien unbegründet. Die gesetzlichen Regelungen zur Erhebung der Filmabgabe der §§ 66 ff. FFG seien verfassungsgemäß. Namentlich genügten sie den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
29E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
30Unter Berücksichtigung der Teilerledigungserklärungen erster Instanz, des eingeschränkten Berufungsantrags der Beklagten sowie der rechtskräftigen Klageabweisung hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht als schutzwürdig eingestuften Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und der dazu erfolgten Klarstellung durch die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2. Juni 2015 sind folgende Aktenbestandteile noch Gegenstand der Berufung: Blatt 66 bis 68, 112 bis 118, 327 bis 352, 534 bis 537, 557 bis 594, 822 bis 829, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1320 (bezogen auf den Ablehnungsgrund aus § 3 Nr. 3 b) IFG) und Blatt 101 bis 109, 122 bis 124, 135, 267, 404, 538, 1014 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 und 1256 bis 1257 (hinsichtlich des Ausschlusstatbestands des § 3 Nr. 7 IFG).
31In diesem Umfang ist die Berufung zulässig, aber unbegründet.
32Das Verwaltungsgericht hat der Klage insofern zu Recht stattgegeben.
33Der solchermaßen noch streitige Ablehnungsbescheid der Beklagten vom15. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
34Die Klägerin hat aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG einen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass diese ihr Zugang zu den beim BKM angelegten Verwaltungsvorgängen betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz gewährt, auch soweit dieser Zugang über die von der Berufung nicht umfassten Blattbereiche hinausgeht.
35Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG liegen vor (dazu I.). Dem noch streitgegenständlichen Informationszugangsanspruch der Klägerin stehen die von der Beklagten geltend gemachten Ausschlussgründe des § 3Nr. 3 b) IFG sowie des § 3 Nr. 7 IFG nicht entgegen. Dass andere Versagungstatbestände der Berufung zum Erfolg verhelfen - wie insbesondere§ 6 Satz 2 IFG -, hat die Beklagte nicht dargetan und ist auch sonst nicht ersichtlich (dazu II.).
36I. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sind gegeben.
37Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Darüber hinaus richtet sich der Anspruch gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG gegen sonstige Bundesorgane und Bundeseinrichtungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG bestimmt weiter, dass eine amtliche Information im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung unabhängig von der Art ihrer Speicherung ist. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu (§ 2 Nr. 1 Satz 2 IFG).
38Behörden des Bundes i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sind alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. § 1 Abs. 1 IFG liegt ein funktionelles Verständnis zugrunde. Bei sonstigen Bundesorganen und -einrichtungen macht er die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes von der jeweils wahrgenommenen Aufgabe abhängig. Dieses aufgabenbezogene Merkmal kennzeichnet die in § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IFG genannten Anspruchsverpflichteten.
39Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. November 2012- 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 22, vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 11, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 11, jeweils unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 7.
40Der weite und umfassende funktionelle Verwaltungsbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG schließt das Regierungshandeln ein. Das Informationsfreiheitsgesetz will die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch die Verbesserung der Informationszugangsrechte stärken. Es soll auf der Grundlage der so vermittelten Erkenntnisse der Meinungs- und Willensbildung in der Demokratie dienen. Dieser Zweck würde nur unvollkommen gefördert, wenn gerade der Bereich der Vorbereitung und Durchführung grundlegender Weichenstellungen für das Gemeinwesen vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen wäre. Im Einklang mit der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass nicht nur die alltägliche, insbesondere der Anwendung der Gesetze dienende Verwaltungstätigkeit, sondern gerade auch der Bereich des Regierungshandelns grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes unterfallen soll und sich Ausnahmen grundsätzlich nach Maßgabe der gesetzlich vorgesehenen Informationsversagungsgründe rechtfertigen lassen müssen. Nur so erklärt sich, dass die Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich einen von der Verfassung gebotenen Verweigerungsgrund für einen Teilausschnitt des Regierungshandelns - nämlich den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung - anführt. Dies wäre entbehrlich, wenn die obersten Bundesbehörden in ihrer Rolle als Träger der Regierungstätigkeit schon nicht zum Kreis der Anspruchsverpflichteten gehörten. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen. Der besonderen Schutzbedürftigkeit sensibler und vertraulicher Informationen aus dem Bereich der Regierung ist unter Beachtung der jeweils konkreten Umstände nach Maßgabe der im Informationsfreiheitsgesetz vorgesehenen Verweigerungsgründe Rechnung zu tragen. Dabei sind verfassungsrechtlich begründete Rechtspositionen zu berücksichtigen. Falls erforderlich sind ergänzend verfassungsunmittelbare Weigerungsgründe heranzuziehen.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 20 ff., und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 20 ff., jeweils unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 6 und ‚S. 12.
42Daraus folgt, dass auch die Tätigkeit eines Bundesministeriums bzw. einer sonstigen Regierungsbehörde - wie dem BKM - bei der Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG fällt. Lediglich der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten (insbesondere Gesetzgebung, Kontrolle der Bundesregierung etc.) soll vom Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz ausgenommen bleiben.
43Vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 8; sowie OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 47 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 13. November 2013- OVG 12 B 3.12 -, juris Rn. 34 ff., und vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 19; Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 94 ff.
44Ausgehend von diesen Maßstäben ist der BKM grundsätzlich anspruchsverpflichtete Behörde des Bundes i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Seine hinreichende organisationsrechtliche Verselbständigung ergibt sich aus dem in das erstinstanzliche Verfahren eingeführten BKM-Organisationsplan. Das Tätigwerden des BKM bei der Erarbeitung des 6. FFG-Änderungsgesetzes ist Verwaltung im Verständnis des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Die Erstellung von Leitungs- und Kabinettsvorlagen sowie die Einholung von Stellungnahmen der von dem Gesetzesvorhaben betroffenen Kreise ist - auch als Regierungshandeln - nach dem oben Gesagten funktionell Verwaltung. Dies hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch zugestanden. Sie hat die Klägerin in dieser Hinsicht klaglos gestellt.
45II. Dem im Berufungsverfahren noch umstrittenen Informationszugangsanspruch der Klägerin stehen die von der Beklagten ins Feld geführten Ausschlussgründe des § 3 Nr. 3 b) IFG (dazu 1.) und des § 3 Nr. 7 IFG (dazu 2.) nicht entgegen. Andere Ablehnungstatbestände wie in Sonderheit § 6 Satz 2 IFG, die zur Begründetheit der Berufung führen können, sind nicht ersichtlich (dazu 3.). Um zu diesen Befunden zu gelangen, ist der Senat nicht verpflichtet, ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO einzuleiten. Der darauf gerichtete Hilfsbeweisantrag der Beklagten, den diese in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 gestellt hat, ist abzulehnen (dazu 4.).
461. Der Versagungstatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. mit den verfassungsrechtlich verankerten Maßstäben zum Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung greift nicht zugunsten der Beklagten ein. Die Beklagte beruft sich mit Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, vom 6. Dezember 2011 und vom 19. November 2012 - sowie zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 - auf diese Ausnahmeklausel ohne Erfolg.
47Nach § 3 Nr. 3 b) IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden.
48§ 3 Nr. 3 b) IFG schützt innerbehördlichen Beratungen, die auf eine offene Meinungsbildung und einen freien Meinungsaustausch angelegt sind. Derartige Beratungen sollen wegen des Wissens um eine Offenlegung der einzelnen Beiträge und Meinungsbekundungen im Beratungsprozess nicht beeinträchtigt werden. Mit der Formulierung „solange“ wird deutlich gemacht, dass der Informationszugang grundsätzlich nur aufgeschoben ist. Die Dauer des Aufschubs bestimmt sich danach, ob der Schutz der Vertraulichkeit weiterhin eine Offenlegung der Beratungsinterna verbietet. Der Abschluss des laufenden Verfahrens bildet dafür keine unüberwindbare zeitliche Grenze. Der Schutz der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen und das daraus folgende Verbot der Offenlegung von Beratungsinterna kann also über den Abschluss des laufenden Verfahrens hinausreichen. Im Übrigen erfasst § 3 Nr. 3 b) IFG nur den eigentlichen Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung, d. h. die Besprechung, Beratschlagung und Abwägung - den Beratungsprozess im engeren Sinne -, nicht aber die hiervon zu unterscheidenden Tatsachengrundlagen und die Grundlagen der Willensbildung (Beratungsgegenstand) sowie das Ergebnis der Willensbildung (Beratungsergebnis).
49Vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 31, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 31, Beschluss vom 18. Juli 2011- 7 B 14.11 -, NVwZ 2011, 1072 = juris Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, juris Rn. 91.
50Der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG bezieht sich des Weiteren nur auf die aus tragfähigen Gründen „notwendige Vertraulichkeit“ (vgl. zu diesem Begriff § 3 Nr. 3 a) IFG) behördlicher Beratungen. Er erstreckt seinen Schutz nicht auf jeglichen behördlichen Entscheidungsfindungsprozess.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 31, Beschluss vom 18. Juli 2011 - 7 B 14.11 -, NVwZ 2011, 1072 = juris Rn. 5, unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 10; OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, juris Rn. 86; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2015 - OVG 12 N 88.13 -, juris Rn. 8.
52Eine Beeinträchtigung der Beratung von Behörden i.S.d. § 3 Nr. 3 b) IFG erfordert zudem ebenso wie die übrigen von § 3 IFG erfassten Gefahren, Beeinträchtigungen und nachteiligen Auswirkungen, dass die konkrete Möglichkeit der Verletzung der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen besteht bzw. dass eine solche Verletzung hinreichend wahrscheinlich ist.
53Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 101.
54In die so zu verstehende einfachgesetzliche Versagungsbestimmung des § 3Nr. 3 b) IFG ist der verfassungsrechtliche Grundsatz des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung zu integrieren.
55Die ausgehend vom Gewaltenteilungsprinzip insbesondere im Parlamentsrecht entwickelte Rechtsfigur des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung schließt zur Wahrung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich ein. Zu diesem Bereich gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht. Um ein Mitregieren Dritter bei noch ausstehenden Entscheidungen der Regierung zu verhindern, erstreckt sich die Kontrollkompetenz des Parlaments daher grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen sind zur Wahrung eigenverantwortlicher Kompetenzausübung der Regierung geschützt. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, die dem Einblick Außenstehender weiterhin verschlossen bleiben müssen. Ein Informationsanspruch könnte durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der ihr zugewiesenen selbständigen Funktion beeinträchtigen. Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen sind umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen. Den Erörterungen im Kabinett kommt eine besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind der parlamentarischen Kontrolle demgegenüber in einem geringeren Maße entzogen.
56Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 30, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 35, jeweils unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 -, BVerfGE 124, 78 = DVBl. 2009, 1107 = juris Rn. 122 ff. (zur Grenze der Befugnisse parlamentarischer Untersuchungsausschüsse im Verhältnis zur Regierung); siehe dazu außerdem BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 110, 199 = NVwZ 2004, 1105 = juris Rn. 43 ff.
57Übertragen auf das Informationsfreiheitsrecht folgt daraus, dass der nach diesen Maßstäben gewährleistete Schutz der Regierungstätigkeit sich auch gegenüber einfachgesetzlichen Auskunftsansprüchen Dritter durchsetzen muss, damit er im Verhältnis der Verfassungsorgane untereinander nicht unterlaufen wird und ins Leere geht. Um dies zu erreichen, wird der Kernbereichsschutz in der Begründung des Gesetzentwurfs des Informationsfreiheitsgesetzes als ungeschriebener Versagungsgrund angeführt. Dessen Anliegen überschneidet sich aber jedenfalls teilweise mit dem geschriebenen Versagungsgrund nach § 3 Nr. 3 b) IFG. Dessen tatbestandliche Voraussetzungen sind offen für die Berücksichtigung des präventiven Schutzes der Funktionsfähigkeit der Regierung, so dass dieser Verfassungsgrundsatz in die Anwendung des § 3 Nr. 3 b) IFG zu integrieren ist. Erst wenn sich gleichwohl Schutzlücken auftun, ist auf verfassungsunmittelbare Grenzen des Informationsanspruchs zurückzugreifen.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 31.
59Dass die jeweils verfahrensgegenständlichen amtlichen Informationen am Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung - und somit auch an demjenigen des § 3 Nr. 3 b) IFG - teilhaben, hat die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG in Anspruch genommene Behörde darzulegen. Die befürchteten negativen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Regierung müssen anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegt werden. Um diesen Anforderungen zu genügen, reicht es nicht aus, dass die Regierungsbehörde vorträgt, die Willensbildung innerhalb der Regierung nehme Schaden, weil eine nachträgliche Publizität von Unterlagen, die der Vorbereitung eines Gesetzes dienten, künftig eine sachlich förderliche Kommunikation zwischen den Beteiligten hemmen könnte, es bestehe die Gefahr, dass die Offenheit des der Regierungsentscheidung vorgelagerten Abstimmungsprozesses leide und es zu einer Versteinerung dieses Prozesses komme, weil ein Abweichen von Bewertungen dann schwierig sei. Damit wird letztlich nur geltend gemacht, dass die Beratungen im Rahmen der Gesetzesvorbereitung in jeglicher Hinsicht vertraulich bleiben müssen und deshalb auch nach Abschluss des Verfahrens der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden dürfen. Diese Argumentation läuft aber darauf hinaus, die gesetzesvorbereitende Tätigkeit einer Behörde im Gesetzgebungsverfahren ganz generell den Ansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu entziehen. Eine solche Bereichsausnahme sieht das Informationsfreiheitsgesetz indes nicht vor.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl 2012, 176 = juris Rn. 31, unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 110, 199 = NVwZ 2004, 1105 = juris Rn. 51 ff. (zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen); siehe zur Einzelfallbezogenheit der Prüfung mit Blick auf parlamentarische Informationsrechte außerdem BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 -, BVerfGE 124, 78 = DVBl. 2009, 1107 = juris Rn. 126.
61Nach diesen Grundsätzen kann die Beklagte die Ablehnung des von der Klägerin begehrten Informationszugangs nicht auf § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung stützen. Die Beklagte hat insbesondere in ihren Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, vom 6. Dezember 2011 und vom 19. November 2012 sowie zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 nicht anhand der Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegt, dass die Vertraulichkeit der Beratung im Bereich der Regierung bzw. im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung bei der Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben (künftig) konkret beeinträchtigt wird, wenn sie die von der Klägerin herausverlangten Verwaltungsvorgänge des BKM betreffend das 6. FFG-Änderungsgesetz offenlegt.
62Das 6. FFG-Änderungsgesetz ist am 31. Juli 2010 verabschiedet worden. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Verfassungsmäßigkeit mit Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646 = juris, bestätigt. Es handelt sich bei den gesetzesvorbereitenden behördeninternen Beratungen zum 6. FFG-Änderungsgesetz, die der BKM in seinem Verwaltungsvorgang dokumentiert hat, daher um einen in doppelter Hinsicht rechtlich wie tatsächlich abgeschlossenen Vorgang. Dass dieser abgeschlossene Vorgang dennoch nach Maßgabe von § 3 Nr. 3 b) IFG und Aspekten des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung geheim gehalten werden muss, um die notwendige Vertraulichkeit der Beratungen im Bereich der Regierung zu schützen, hat die Beklagte nicht zur Überzeugung des Senats dargetan.
63Die Begründung der Beklagten, die Blattbereiche 66 bis 68 und 112 bis 118 enthielten einen mit rechtlichen und politischen Bewertungen versehenen Sprechzettel zur Vorbereitung des Staatsministers auf eine Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages am 22. April 2009 zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes bzw. auf eine Sitzung im Bundeskanzleramt am 4. Mai 2009, der sog. aktive und reaktive Gesprächspositionen des Staatsministers beschreibe und einzelne politische Handlungsoptionen und die diesbezügliche mögliche Positionierung des Staatsministers in der jeweiligen Sitzung darlege, füllt die Anforderungen des § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. mit dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung stellt, nicht aus. Es geht bei dieser Sitzungsvorbereitung des Staatsministers nicht um eine gubernative Entscheidung oder um Erörterungen im Kabinett selbst, die in besonderem Maß schützenswert sind. Vielmehr spricht die Beklagte hiermit einen vorbereitenden Beratungsprozess im Bereich des BKM an, dessen nachträgliche Offenbarung die Funktionsfähigkeit der Regierung nicht konkret zu beeinträchtigen droht. Schlösse man sich der Position der Beklagten an, würde dies darauf hinauslaufen, eine informationsfreiheitsrechtliche Bereichsausnahme für die Vorbereitung von Gesetzesvorlagen durch die Regierung anzuerkennen, die das Informationsfreiheitsgesetz de lege lata nicht vorsieht. §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Nr. 3 b) IFG verlangen stattdessen - jedenfalls bei, wie hier, abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren - auch von der Regierung (hier in Gestalt des BKM), sich Informationszugangsansprüchen zu stellen und auch auf diese Weise Regierungsentscheidungen und -positionen jedenfalls nachträglich erklären zu müssen.
64Im Hinblick auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren darf sich die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes nicht an der Vorstellung orientieren, dass es bei den verantwortlich handelnden Regierungsangehörigen zu einengenden Vorwirkungen („Hemmungen“) bzw. zu einer „Flucht in die Mündlichkeit“ kommt. Vielmehr entspricht es einer ordnungsgemäß agierenden Ministerialverwaltung, komplexe Entscheidungsprozesse schriftlich vorzubereiten und zu dokumentieren. Dies schließt die fortgesetzte Bereitschaft der Verantwortungsträger der Regierung sowie der Arbeitsebene ein, ihre jeweiligen Auffassungen (ab-) zu bilden, mögen diese später im Entscheidungsprozess auch wieder aufgegeben werden. Der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 hervorgehobene Umstand, dass das Filmförderungsgesetz häufig novelliert werde, ändert daran nichts. Abgesehen davon, dass nicht jede Novelle den Inhalt des 6. FFG-Änderungsgesetzes haben muss und schon deswegen einengende Vorwirkungen durch den streitigen Informationszugang nicht pauschal zu erwarten sind, gilt für jedes Gesetzesvorhaben neu, dass sich die Regierung auf die Transparenzvorgaben des Informationsfreiheitsgesetzes grundsätzlich einzustellen hat, ohne dass die Qualität ihrer Vorbereitungsarbeit darunter leiden darf.
65Die Autorität eines in Kraft getretenen Gesetzes kann durch die Form der Publizität, die das Informationsfreiheitsgesetz herstellt, nicht leiden. Ein förmliches Gesetz schöpft seine verfassungsrechtliche Legitimität aus dem Parlamentsbeschluss (Art. 77 Abs. 1 GG) und dem Gedanken der Volkssouveränität
66(Art. 20 Abs. 2 GG). Dass einem Gesetzesbeschluss ein ergebnisoffener (verfassungs-)rechtlicher und rechtspolitischer Diskurs vorausgeht, der insbesondere auch innerhalb der am Gesetzgebungsprojekt beteiligten Regierungsstellen stattfindet, versteht sich in einer offenen Gesellschaftsordnung von selbst und wird von der Öffentlichkeit nicht anders erwartet.
67Den Tatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG füllt im Anschluss daran auch nicht der Vortrag der Beklagten zu den Blättern 327 bis 352 aus, bei denen es sich um eine Vorlage an den Staatsminister handele, die handschriftliche Anmerkungen des Staatsministers und der Abteilungsleiterin im BKM enthalte, die sich auf politische Bewertungen des Staatsministers bzw. der Abteilungsleiterin bezögen. Dies gilt ebenfalls, soweit dieser Blattbereich politische und rechtliche Bewertungen einzelner auf die Gesetzesnovelle bezogener Fragen und eine Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf aufweist, die einen von dem schließlich in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut verschiedenen Inhalt hat und im Übrigen aufgrund der Nachvollziehbarkeit der Änderungen im Dokument Rückschlüsse darauf zulässt, welche politische Einschätzung von welcher am Gesetzesvorhaben beteiligten Stelle vorgenommen worden ist. Nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und nach der im Tatbestand referierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Januar 2014 zur Verfassungsmäßigkeit des 6. FFG-Änderungsgesetzes ist die Vertraulichkeit dieser Beratungen aus den zuvor genannten Gründen nicht mehr gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG schutzwürdig. Diese Aktenstücke betreffen einen abgeschlossenen Vorgang und sind außerhalb des Kernbereichs der Regierung angesiedelt. Die von Beklagtenseite befürchteten einengenden Vorwirkungen dürfen nach der Grundidee des Informationsfreiheitsgesetzes - wie gesagt - nicht generalisierend in die Prüfung des § 3 Nr. 3 b) IFG eingestellt werden.
68Zum Weiteren trägt die Beklagte auch zu Blatt 534 bis 537 des Verwaltungsvorgangs des BKM lediglich vor, diese Passage beinhalte eine Vorlage des zuständigen Referats für den Staatsminister für eine Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages am 11. Juli 2009 inklusive eines Sprechzettels für diese Sitzung mit politischen Wertungen. Sie befasse sich mit der Umsetzung einzelner, politisch umstrittener Aspekte der Novelle, mithin der Sache nach mit verhandlungstaktischen Positionen, die aber nicht notwendig in das endgültige Gesetz eingegangen seien. Nach den dargestellten Grundsätzen reicht auch dies und die allgemeine Sorge der Beklagten, eine Herausgabe dieser Unterlagen könne zukünftig die Kommunikation zwischen dem Staatsminister und seinen Mitarbeitern hemmen, für den Ausschlusstatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG nicht aus.
69Entsprechendes ist zusammenfassend hinsichtlich der übrigen von der Beklagten als nach § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung schützenswert eingeordneten Blattbereiche 557 bis 594, 822 bis 829, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1320 zu sagen. Diese betreffen nach dem Vorbringen der Beklagten erneut Vorlagen des zuständigen Referats an den Staatsminister im Hinblick auf die Novellierung des Filmförderungsgesetzes und das Ergebnis der Branchenanhörung jeweils mit politischen und juristischen Einschätzungen und Wertungen, Sprechzettel für den Staatsminister für Sitzungen des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien am 2. Dezember 2009, am 27. Januar 2010 und am 19. Mai 2010, bei denen ein Sachstandsbericht zu der Novelle zu erstatten gewesen sei (mit dem entsprechenden Inhalt wie auf Blatt 65 bis 68), Kabinettsvorlagen mit einem Anschreiben des Staatsministers an den Chef des Bundeskanzleramts mit politischen Bewertungen und einer internen Handlungsanweisung für den Regierungssprecher ebenfalls mit politischen Wertungen, die der Regierungssprecher aber nicht öffentlich kommuniziert habe, sowie Ausführungen der zuständigen Stellen des BKM für den Staatsminister im Hinblick auf Unterlagen für den Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags nebst handschriftlichen Anmerkungen des Staatsministers und auf diese bezogene Vermerke.
70Was die Kabinettsvorlagen anbelangt, ist die zusätzliche Bemerkung veranlasst, dass auch diese zumindest bei abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren - wie hier - nicht dem Kernbereich der Exekutive zuzurechnen sind, der ohne weitere konkrete Beeinträchtigungen den Vertraulichkeitsschutz des § 3 Nr. 3 b) IFG genießt. Die Kabinettsvorlagen stellen keine gubernativen Entscheidungen dar und geben aus sich heraus auch keinen Aufschluss über die vertraulich zu behandelnden Beratungen im Kabinett selbst. Diesem gehört der BKM im Übrigen nach Art. 62 GG nicht an, weil er kein Bundesminister ist.
71Die von Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 angesprochenen Wertungswidersprüche der vorstehenden Betrachtungsweise zum Geheimnisschutz innerhalb des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens bestehen nicht.
72§ 1 Abs. 1 IFG nimmt parlamentarische Angelegenheiten bewusst aus dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes heraus.
73Vgl. erneut die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 8.
74Sachlicher Grund dafür ist, dass parlamentarische Angelegenheiten, die der Rechtssetzung dienen oder anderweitig mandatsbezogen sind, ein spezifischer Bereich sind, in dem weisungsunabhängig und nach eigenen verfassungsrechtlichen Regeln gearbeitet wird.
75Vgl. wiederum OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 47 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. November 2013 - OVG 12 B 3.12 -, juris Rn. 34 ff.; Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 94 ff.
76Dieser Bereich soll informationsfreiheitsrechtlich anders behandelt werden als die Tätigkeit der Verwaltung, die - auch und gerade in Gestalt von Regierungshandeln - durch das Informationsfreiheitsgesetz einer weitergehenden Kontrolle durch die öffentliche Meinung, die auf fundierte Informationen angewiesen ist, geöffnet werden soll.
77Vgl. auch dazu BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 23.
782. Der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG ist gleichfalls nicht erfüllt.
79Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht.
80§ 3 Nr. 7 IFG bezweckt im besonderen öffentlichen Interesse den Schutz von Informations- und Hinweisgebern u. a. auf dem Gebiet der Strafverfolgung, des Verfassungsschutzes, des Nachrichtendienstes oder des Wettbewerbsrechts. Er soll die - freiwillige - Bereitschaft der Bürger zur Kooperation mit der Verwaltung in Aufgabenbereichen fördern, in denen die Behörden in hohem Maß auf Informationen aus dem privaten Bereich angewiesen sind.
81Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 11; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 8. Mai 2014 - OVG 12 B 4.12 -, juris Rn. 32, und vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 31; Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 186 ff.
82Neben der zwischen dem Hinweisgeber und der Behörde vereinbarten Vertraulichkeit setzt § 3 Nr. 7 IFG ein fortdauerndes schutzwürdiges Interesse des Dritten oder der Behörde an der vertraulichen Behandlung der Information voraus. Das Interesse an der Vertraulichkeit muss objektiv berechtigt sein. Andernfalls stünde der Informationszugang zur Disposition der am Informationsaustausch Beteiligten. Er könnte sowohl einseitig durch den Informationsgeber und die Behörde als auch durch eine gegenseitig vereinbarte Vertraulichkeit unterlaufen werden. Die Annahme eines derart weitreichenden Ausnahmetatbestands ist dem tendenziell restriktiven System des § 3 IFG fremd.
83Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Juni 2013 - OVG 12 B 9.12 -, juris Rn. 34 f.; Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 192 (unter Hinweis auf eine Vertraulichkeitsabrede des Bundes mit Toll Collect in einem Maut-Betreibervertrag).
84Die Kennzeichnung einer Information als vertraulich ist für ihre Schutzbedürftigkeit lediglich ein Indiz, welches die Behörde konkret und nachvollziehbar erhärten muss. Die Behörde muss auch im Hinblick auf § 3 Nr. 7 IFG darlegen, dass im Fall der Verneinung der Vertraulichkeit die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben gefährdet ist.
85Vgl. Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 192.
86Dies ist der Beklagten nicht gelungen.
87Die Blätter 101 bis 109 und 1017 bis 1023 enthalten nach den Ausführungen der Beklagen Stellungnahmen zum geplanten Abgabenmaßstab der öffentlich-rechtlichen Sender zur Filmförderung mit unternehmensbezogenen Angaben zu Lizenzkosten, Kosten der Programmverbreitung, der Redaktion und des Rechteerwerbs. Allein die Abrede der Vertraulichkeit ordnet diese Informationen aber noch nicht dem Schutzbereich des § 3 Nr. 7 IFG zu. Die eher pauschal gehaltene Aussage der Beklagten, ihre Aufgabenerfüllung und diejenige der betroffenen Informationsgeber sei im Falle eines Informationszugangs gefährdet, substantiiert die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG nicht. Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - auch von durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich garantierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten -,
88vgl. dazu BVerfG, Urteile vom 25. März 2014 - 1 BvF 1/11, 1 BvF 41 BvF 4/11 -, DVBl. 2014, 649 = juris Rn. 44, vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05, 1 BvR 809/06, 1 BvR 830/06 -, BVerfGE 119, 181 = DVBl. 2007, 129 = juris Rn. 129 ff., und vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60 = DVBl. 1994, 465 = juris Rn. 147 ff., Beschluss vom 6. Oktober 1992 - 1 BvR 1586/89, 1 BvR 487/92 -, BVerfGE 87, 181 = DVBl. 1992, 1594 = juris Rn. 71 ff.,
89vollzieht sich spezifisch nach Maßgabe des dafür vorgesehenen § 6 Satz 2 IFG. Aus diesem Grund müssen weder die Beklagte noch im Zuge eines Gesetzgebungsverfahrens hinzugezogene private Unternehmen oder sonstige Träger von Geschäftsgeheimnissen gewärtigen, dass sensible Informationen aus ihrem Geschäftsbereich - wie exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen - an die Öffentlichkeit oder an Konkurrenten gelangen und ihre Wettbewerbsposition dadurch nachteilig beeinflusst wird.
90Vgl. zum Schutzgehalt des § 6 Satz 2 IFG BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 -, juris Rn. 28; OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981= juris Rn. 131.
91Auch wenn die gesetzesvorbereitend tätig werdende Beklagte mit Informationszugangsansprüchen konfrontiert wird, muss sie ihr dabei zugetragene Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse dieser Dritten nicht herausgeben. Dies räumt die Besorgnis der Beklagten aus, Dritte könnten zukünftig von einer Beteiligung an einem Gesetzgebungsverfahren wegen etwaiger Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetzes abgehalten werden.
92Auch bei dieser Lesart behält § 3 Nr. 7 IFG neben § 6 Satz 2 IFG einen eigenständigen Anwendungsbereich. § 3 Nr. 7 IFG stellt einen Vertraulichkeitsschutz- wie dargelegt - dort bereit, wo die Vertraulichkeit für die behördliche Aufgabenerfüllung qualitativ von herausgehobener Bedeutung ist. Dies setzt § 6 Satz 2 IFG nicht voraus. Er gewährleistet im speziellen Feld der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse den Vertraulichkeitsschutz im Übrigen.
93Soweit die betroffenen Kreise, die sich an einem Gesetzgebungsverfahren mit Stellungnahmen beteiligen, nicht nur Geschäftsdaten, sondern auch ihre - zustimmende oder ablehnende - Haltung zu dem Gesetzesvorhaben vertraulich behandelt wissen wollen, fällt dies zwar für sich genommen aus dem Schutzbereich des § 6 Satz 2 IFG heraus. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass § 3 Nr. 7 IFG insofern einen Vertraulichkeitsschutz herstellen muss. Auch Unternehmen oder Verbänden, die sich inhaltlich zu einem Gesetzesprojekt positionieren, ist im Grundsatz zuzumuten, dies retrospektiv ggf. auch öffentlich zu vertreten. Von Unternehmen und Verbänden wird generell angenommen, dass sie - auch durch Lobbyarbeit und Interessenvertretung - an öffentlichen Entscheidungsprozessen teilnehmen. Es ist im Allgemeinen weder ehrenrührig noch ihrer Geschäftstätigkeit sonstwie abträglich, falls dies im Nachhinein konkret bekannt wird. Die Befürchtung der Beklagten, die betroffenen Kreise gäben künftig bei der Vorbereitung von Gesetzgebungsverfahren keine Stellungnahmen mehr ab, wenn ihre Positionierung bekannt würde, teilt der Senat deshalb nicht.
94Aus entsprechenden Gründen sind die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG bezüglich der - im Berufungsverfahren außerdem streitgegenständlich gebliebenen - Blattbereiche 122 bis 124, 135, 267, 404, 538, 1014 bis 1016, 1174 bis 1175, 1252 und 1256 bis 1257 nicht erfüllt. Abgesehen von unternehmensbezogenen und damit nach § 6 Satz 2 IFG geschützten Angaben umfassen diese Aktenteile- wie die Beklagte vorträgt - lediglich Äußerungen betroffener Kreise zum Abgabenmaßstab.
953. Weitergehende Ablehnungsgründe - in Sonderheit aus § 6 Satz 2 IFG - sind weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass der Schutz des § 6 Satz 2 IFG weiter reicht als von dem Verwaltungsgericht angenommen und auch die verbliebenen Aktenteile einschließt, für welche die Beklagte sich im Berufungsverfahren auf § 3 Nr. 7 IFG bezieht, legt die Beklagte nicht dar.
964. Um feststellen zu können, dass die Ausschlussgründe gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG - aber auch nach § 3 Nr. 7 IFG - nicht einschlägig sind, muss der Senat kein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO einleiten. Dem in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 gestellten Hilfsbeweisantrag der Beklagten, Beweis zu erheben über ihre Behauptung, dass bei Herausgabe der auf S. 17 bis 23 der Berufungsbegründung vom 19. November 2012 bezeichneten Bestandteile der Verwaltungsvorgänge die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Regierung beeinträchtigt würden, muss der Senat nicht nachkommen.
97Auf der nach §§ 86 Abs. 1, Abs. 2, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beurteilenden Ebene der informationsfreiheitsrechtlichen Sachverhaltsfeststellung und -würdigung ist zu prüfen, ob anhand des konkreten Inhalts der zur Verfügung stehenden Akten bzw. mittels der dazu gemachten behördlichen Angaben verifiziert werden kann, dass ein Ablehnungsgrund (auch) hinsichtlich der nicht zur Verfügung stehenden (Teile der) Information vorliegt.
98Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 7 A 15.10 -, NVwZ 2013, 1285 = juris Rn. 20, m.w.N.
99Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten ist, folgt nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das „in-camera“-Verfahren des § 99 Abs. 2 VwGO. Dies gilt sowohl mit Blick auf prozedurale als auch hinsichtlich materieller Geheimhaltungsgründe. Auch für deren Feststellung muss der konkrete Akteninhalt nicht zwingend rechtserheblich sein. Das Hauptsachegericht muss zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären. Je nach Fallkonstellation wird es vor Erlass eines Beweisbeschlusses die aktenverweigernde Stelle ggf. auffordern müssen, weitere Angaben mit abstrakter Umschreibung zur Kategorisierung der einzelnen in den zurückgehaltenen Akten befindlichen Schriftstücke einschließlich der Anlagen etwa in Form eines mit (paginierten) Blattzahlen spezifizierten Inhaltsverzeichnisses zu machen. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder eines Erörterungstermins kann hinreichende Grundlage für die Feststellung sein, dass eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen entscheidungserheblich ist, weil die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - nicht ausreichen, um zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten fachgesetzlichen Ausnahmegründe vorliegen.
100Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. April 2011 - 20 F 20.10 -, NVwZ 2011, 880 = juris Rn. 8, vom 2. November 2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233 = juris Rn. 12 f., vom 25. Juni 2010 - 20 F 1.10 -, NVwZ 2010, 1495 = juris Rn. 7.
101Gemessen daran ist ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst und der Hilfsbeweisantrag der Beklagten abzulehnen. Bereits mit Hilfe des vorliegenden Akteninhalts und des - eingehenden - Vortrags der Beklagten zu den Ausschlussgründen des § 3 Nr. 3 b) IFG - und auch des § 3 Nr. 7 IFG - lässt sich hinreichend sicher beurteilen, dass diese Versagungstatbestände nicht gegeben sind. Die Beklagte hat den Gehalt der Unterlagen, die ihrer Ansicht nach § 3 Nr. 3 b) IFG bzw. § 3 Nr. 7 IFG unterfallen sollen, genau genug umschrieben, um dem erkennenden Senat eine inhaltliche Prüfung dieser Ausnahmen von dem Informationszugangsanspruch zu ermöglichen. Diese Prüfung führt indes zu dem beschriebenen Ergebnis.
102Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
103Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
104Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor. Der vorliegende Fall gibt Anlass, Inhalt und Reichweite der Ausschlussgründe gemäߧ 3 Nr. 3 b) IFG und § 3 Nr. 7 IFG weiter auszudifferenzieren bzw. höchstrichterlich weitergehend zu klären.
(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.
(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes die Vorlage von Verwaltungsvorgängen im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 (BGBl. I, S. 1048; im Folgenden: 6. FFG-Änderungsgesetz). Das 6. FFG-Änderungsgesetz nahm rückwirkend zum 1. Januar 2004 (vgl. § 73 Abs. 7 Satz 1 FFG) in § 67 FFG Bemessungsregeln für die von den Fernsehveranstaltern zu leistende Filmabgabe auf.
3Die Klägerin betreibt bundesweit Filmtheater. Sie ist eine Gesellschaft der D. -Gruppe, der neben der Klägerin elf Schwestergesellschaften angehören, die ebenfalls in Deutschland Lichtspielhäuser unterhalten.
4Am 8. September 2010 beantragte die Klägerin beim (damaligen) Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (im Folgenden: BKM) gemäß § 7 IFG, ihr sämtliche Verwaltungsvorgänge zugänglich zu machen, die der BKM im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz führt und geführt hat. Ihr besonderes Augenmerk gelte den Berechnungsmodellen und Kalkulationen, die für die Festlegung des Abgabenmaßstabs der Fernsehveranstalter gemäß § 67 FFG n. F. bestimmend gewesen seien, ferner den Berechnungen zur Feststellung der Leistungsfähigkeit aller Einzahlergruppen. Vorsorglich werde mitgeteilt, dass personenbezogene Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unkenntlich gemacht werden dürften.
5Mit Bescheid vom 15. Oktober 2010, zugegangen am 19. Oktober 2010, lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, der BKM habe bei der Vorbereitung des 6. FFG-Änderungsgesetzes nicht als Behörde i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gehandelt. Das Vorbereiten und Ausarbeiten von Gesetzentwürfen diene der Wahrnehmung des Initiativrechts der Bundesregierung. Diese Regierungstätigkeit sei kein Verwaltungshandeln. Die dem BKM vorliegenden amtlichen Informationen zu dem beantragten Thema bezögen sich ausschließlich auf die unmittelbare Erarbeitung des Regierungsentwurfs zum 6. FFG-Änderungsgesetz. Bei den Dokumenten handele es sich vorwiegend um Vermerke gegenüber der Hausleitung, Aufzeichnungen über interne Besprechungen, E-Mail-Verkehr mit Verbänden, Sendern und anderen Unternehmen, die zukünftig unter die Abgabenpflicht fallen sollten, Gesamtkalkulationen zu den finanziellen Auswirkungen der Novelle sowie um Materialien zum parlamentarischen Verfahren und zur Veröffentlichung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt. Die Prüfung der Unterlagen auf eventuell einschlägige Ausnahmetatbestände nach §§ 3 ff. IFG sei vor diesem Hintergrund nicht notwendig.
6Die Klägerin erhob am 17. November 2010 Widerspruch. Zur Begründung machte sie geltend: Es sei mit Blick auf das gebotene weite Begriffsverständnis unzutreffend, eine Bundesbehörde von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG auszunehmen, wenn im konkreten Fall Regierungstätigkeit ausgeübt werde. Die Ausnahmen gemäß §§ 3 Nr. 3, 4 Abs. 1 IFG griffen nicht, weil es um einen Anspruch auf Informationszugang nach Verabschiedung des Gesetzes gehe. Eine andere Betrachtungsweise laufe dem Transparenzgedanken des Informationsfreiheitsgesetzes zuwider.
7Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
8Die Klägerin hat am 11. März 2011 Klage erhoben.
9Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, sie habe einen Anspruch auf die begehrten Informationen aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Der BKM sei nach dem anzuwendenden funktionellen Behördenbegriff eine Behörde des Bundes, auch wenn er im konkreten Fall bei der Vorbereitung eines Gesetzentwurfs eine Regierungstätigkeit wahrgenommen habe. Die Gesetzesmaterialien zum 6. FFG-Änderungsgesetz seien amtliche Informationen. Sie seien beim BKM in seiner Zuständigkeit für die Kulturförderung - namentlich für die Filmförderung durch die unter seiner Aufsicht stehende Filmförderungsanstalt - entstanden. Der eng zu interpretierende Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 3 b) IFG sei nicht gegeben bzw. von der Beklagten nicht nachvollziehbar belegt. Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung werde durch den begehrten Informationszugang nicht tangiert. Die Beratungen beim BKM zum 6. FFG-Änderungsgesetz seien längst abgeschlossen. Der Beratungsvorgang müsse nicht mehr geschützt werden. Ansonsten würden zahllose Informationsansprüche ins Leere laufen, da Verwaltungsvorgängen fast immer behördeninterne Beratungen vorausgingen. Einengende Vorwirkungen für zukünftige Gesetzgebungsverfahren seien nicht erkennbar. Die von der Beklagten auf S. 10 bis 13 ihres Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 aufgelisteten Unterlagen seien - nach ihrer Behauptung - Vorlagen an die Hausleitung des BKM und Kabinettsvorlagen. Die Beklagte habe den konkreten Inhalt dieser Unterlagen jedoch nicht substantiiert, so dass sich schon von daher keine Beeinträchtigung der freien und offenen Willensbildung der Regierung feststellen lasse. Überdies seien weder der Staatsminister noch das Kabinett an diese Vorlagen gebunden gewesen. Auch im Schriftsatz vom 6. Dezember 2011 habe die Beklagte die Schutzwürdigkeit der Leitungsvorlagen nicht hinreichend substantiiert dargetan. Ähnliches gelte, soweit sich die Beklagte auf S. 14 bis 17 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 auf § 3 Nr. 7 IFG berufe. Die Informationsübermittlung zwischen Behörden sei nicht geschützt, so dass Unterlagen nicht von dem Informationsanspruch ausgenommen werden könnten, die von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oder von der Filmförderungsanstalt stammten, bei der es sich um eine Bundesanstalt des öffentlichen Rechts handele. Die Beklagte habe ihre diesbezügliche Darlegungslast nicht erfüllt. Hinzu komme, dass auch§ 3 Nr. 7 IFG nicht unbefristet gelte. Worin das aktuelle Interesse an der Wahrung der Vertraulichkeit bestehe, sei unklar. Im Hinblick auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 6 Satz 2 IFG habe sie, die Klägerin, vorab erklärt, dass diese - soweit vorhanden - unkenntlich gemacht werden dürften. Allerdings beziehe sich dieser Geheimnisschutz nicht auf Personen des öffentlichen Rechts wie die Filmförderungsanstalt oder öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, auf deren Dokumente die Beklagte auf S. 20 bis 32 ihres Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 verweise. Gleiches gelte für Unterlagen, die von Verbänden stammten. Diese führten keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
10Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 26. Juli 2012 hat die Beklagte erklärt, im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. November 2011 - 7 C 3.11, 7 C 4.11 - würden die in der überreichten Tabelle in Spalte 1 („Nur Argument keine Behörde“) gelisteten Aktenbestandteile der Klägerin in Form von Kopien spätestens bis zum 14. September 2012 zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten zugänglich gemacht.
11Daraufhin hat die Klägerin den Rechtsstreit in diesem Umfang für in der Hauptsache erledigt erklärt. Sie hat ausdrücklich anerkannt, dass die Beklagte berechtigt ist, in diesen Unterlagen etwa enthaltene personenbezogene Daten i.S.v. § 5 IFG zu schwärzen. Die Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen.
12Die Klägerin hat daraufhin beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vom 15. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 zu verpflichten, ihr - soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist - sämtliche Verwaltungsvorgänge, die der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 führt oder geführt hat, zugänglich zu machen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG liege vor. Auch im Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes sei ein unausforschbarer Handlungsbereich der Exekutive bei ressortinternen und ressortübergreifenden Vorbereitungen zur Erstellung eines Gesetzesvorschlags anzuerkennen. Im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung finde keine Abwägung mit dem Anspruch des Bürgers auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz statt. Diesem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung gehörten auch Leitungsvorlagen an, wie sie in ihrem Schriftsatz vom 10. Oktober 2011, S. 10 bis 13, bezeichnet seien. Der Schutz des Kernbereichs der Exekutive, der die Willensbildung der Regierung umfasse, sei nicht mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zum 6. FFG-Änderungsgesetz entfallen oder weniger gewichtig. Dies folge auch aus den einengenden Vorwirkungen des nachträglichen Zugriffs auf Informationen auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren. Den Erörterungen im Kabinett komme eine besondere Schutzwürdigkeit zu. Die freie und offene Willensbildung der Regierung werde gefährdet, wenn eine spätere Publizität zu befürchten sei. Eine unbegrenzte Offenheit von Unterlagen zur Vorbereitung von Gesetzen würde dazu führen, dass durch das Bekanntwerden z. B. von möglichen Meinungsverschiedenheiten auf Leitungsebene die Autorität des Gesetzes ausgehöhlt würde. Es gehe auch um sensible politische Einschätzungen. Es bestehe die Gefahr einer „Flucht in die Mündlichkeit“. Im Einzelnen erfasse § 3 Nr. 3 b) IFG die Blätter 65 bis 68, 112 bis 118, 327 bis 352, 534 bis 537, 557 bis 575, 576 bis 594, 822 bis 851, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 922, 1055 bis 1060, 1071 bis 1096, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1239, 1260 bis 1283 sowie 1294 bis 1320 (siehe S. 10 bis 13 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011 und S. 4 bis 7 des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2011). Der gewisse Abstraktionsgrad dieser Ausführungen liege in der Natur der Sache, um der Geheimhaltungsbedürftigkeit der betreffenden Teile der Verwaltungsvorgänge Rechnung zu tragen. Unverhältnismäßig pauschaliert werde dabei nicht. Darüber hinaus entfalle der Informationsanspruch der Klägerin wegen § 3 Nr. 7 IFG. Bezüglich bestimmter Dokumente habe sie, die Beklagte, ausdrücklich eine vertrauliche Behandlung zugesichert. § 3 Nr. 7 IFG gelte für die Blätter 101 bis 109, 122 bis 143, 267 bis 268, 404 bis 408, 538 bis 539, 1014 bis 1016, 1017 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 bis 1259 (siehe S. 14 bis 17 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011). Das Interesse an der vertraulichen Behandlung bestehe fort. Der Schutzbereich des § 3 Nr. 7 IFG schließe öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten oder die Filmförderungsanstalt ein. Personenbezogene Daten Dritter seien gemäß § 5 IFG vom Informationszugang ausgeschlossen. Die Klägerin habe im Verwaltungsverfahren in die Schwärzung der entsprechenden Passagen eingewilligt. Einer unbeschränkten Offenlegung stehe schließlich § 6 Satz 2 IFG für folgende Abschnitte entgegen: Blätter 80 bis 83, 93 bis 98, 101 bis 109, 122 bis 143, 267 bis 268, 404 bis 408, 500 bis 503, 538 bis 539, 1014 bis 1016, 1017 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 bis 1255, 1256 bis 1258, 1259 und 1299 (siehe S. 20 bis 32 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011). Eine Einwilligung des jeweiligen Geheimnisträgers liege nicht vor. Die Eigenschaft als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis bestehe auch bei partiellen Schwärzungen fort.
17Mit Urteil vom 26. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren im Umfang der übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt. Im Übrigen hat es die Beklagte unter Abänderung des Bescheides des BKM vom 15. Oktober 2010 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 verpflichtet, der Klägerin die bei dem BKM geführten Verwaltungsvorgänge betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz - soweit nicht für erledigt erklärt - mit Ausnahme der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich zu machen. Die Beklagte sei berechtigt, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse vor der Zugänglichmachung zu schwärzen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch der Klägerin folge aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Die Beklagte könne sich hinsichtlich sog. Leitungsvorlagen nicht mit Erfolg auf den Versagungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG berufen. Ebenso wenig könne sich die Beklagte hinsichtlich der Stellungnahmen, bezüglich derer sie eine vertrauliche Behandlung zugesichert habe, auf den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG stützen, soweit darin nicht Geschäftsgeheimnisse enthalten seien. Diese seien über § 6 Satz 2 IFG geschützt. Da alle betroffenen Geheimnisträger auf entsprechende Nachfrage des BKM mitgeteilt hätten, sie stimmten einer Bekanntgabe an die Klägerin nicht zu, sei die Beklagte berechtigt, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor der Zugänglichmachung der Akten an die Klägerin zu schwärzen. Soweit die Verwaltungsvorgänge Geschäftsgeheimnisse Dritter enthielten, sei die Klage mit Blick auf § 6 Satz 2 IFG unbegründet.
18Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.
19Die Beklagte hat am 31. August 2012 Berufung gegen das ihr am 7. August 2012 zugestellte Urteil eingelegt.
20Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholend und vertiefend vor, von der Berufung nicht erfasst sei ihre Verpflichtung, Zugang zu denjenigen Teilen der Verwaltungsvorgänge zu gewähren, in denen die Kabinettsvorlagen lediglich den endgültig in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut wiedergäben. Hierbei handele es sich um Blatt 830 bis 846, 904 bis 922, 1077 bis 1096 sowie Blatt 1219 bis 1239. Diese Blattbereiche werde sie der Klägerin unverzüglich offenbaren. Soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben habe, stehe dem Informationszugang der Schutz des Kernbereichs der Exekutive im Rahmen des § 3 Nr. 3 b) IFG entgegen. Es entspreche einem nach der Lebenserfahrung naheliegenden und wahrscheinlichen Verhalten, dass Erwägungen, deren Offenbarung zu nachteiligen Konsequenzen für die Regierung führen könne, nicht mehr schriftlich in den Akten niedergelegt würden, wenn diese Akten nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens jedem beliebigen Dritten zugänglich gemacht werden müssten. Vielmehr sei zu erwarten, dass Einschätzungen mündlich abgegeben würden und nicht mit dem gebotenen Gewicht in das Gesetzgebungsverfahren einflössen. Ein Informationszugang könne auch einengende Vorwirkungen haben, soweit es um einen nachträglichen Zugriff auf Informationen über ein abgeschlossenes Gesetzgebungsverfahren gehe. Diese Erwartung sei nicht nur mit Blick auf rechtliche, sondern auch in Bezug auf politische und taktische Einschätzungen berechtigt. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht die Anforderungen an eine substantiierte Darlegung der Geheimhaltungsgründe im gerichtlichen Hauptsacheverfahren überspannt. Auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, S. 10 bis 13, und vom 6. Dezember 2011, S. 4 bis 7, werde Bezug genommen. Es dürfe keine Substantiierung verlangt werden, die bereits zu einer Offenbarung der geheimzuhaltenden Informationen führe. Andernfalls laufe § 3 Nr. 3 b) IFG leer. Ohne ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO habe das Verwaltungsgericht nicht stattgeben dürfen. Nur äußert vorsorglich werde zu Blatt 66 bis 68, 113 bis 118, 327 bis 352, 535 bis 537, 558 bis 594, 823 bis 829, 852 bis 854, 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1106 bis 1009, 1181 bis 1187c, 1208, 1210 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1301 ergänzend vorgetragen (sieheS. 17 bis 23 der Berufungsbegründung der Beklagten vom 19. November 2012). Ob das 6. FFG-Änderungsgesetz eine hochpolitische, brisante Gesetzesnovelle gewesen sei, sei für den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG unerheblich. Hinsichtlich der Unterlagen, für welche sie, die Beklagte, eine Vertraulichkeitszusage abgegeben habe, stehe dem Informationszugang § 3 Nr. 7 IFG entgegen. Diese Unterlagen seien auf S. 14 bis 17 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 konkret bezeichnet. Auch diesbezüglich gehe das Verwaltungsgericht von überzogenen Substantiierungsanforderungen aus. Bereits die Tatsache der Kennzeichnung als vertraulich sei ein hinreichendes Indiz für eine Vertraulichkeitsvereinbarung. Dieses Indiz sei nicht erschüttert. Einer weitergehenden Substantiierung der Vertraulichkeit bedürfe es nicht. Die wegen des Abgabenmaßstabs angeschriebenen betroffenen Kreise hätten im Hinblick auf ihre jeweilige Antwort durchweg darauf bestanden, dass alle übermittelten Informationen, d. h. das gesamte Schreiben, vertraulich behandelt würden. Würde sie, die Beklagte, gleichwohl zu einem Informationszugang verpflichtet, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass in Zukunft nicht mehr in dem gebotenen Umfang Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben abgegeben würden. Zudem hätte § 3 Nr. 7 IFG sonst neben § 6 Satz 2 IFG keinen eigenständigen Anwendungsbereich mehr.
21In der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 haben die Beteiligten klargestellt, welche Aktenbestandteile im Berufungsverfahren noch im Streit stehen. Die in den Spalten 3 und 4 der Übersicht, die erstinstanzlich dem Verwaltungsgericht überreicht worden ist, angegebenen Blattzahlen sind markiert worden, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens sind. Die Übersicht ist als Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung genommen worden.
22Die Beklagte beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern, soweit sie darin verpflichtet worden ist, die bei ihr angefallenen Verwaltungsvorgänge betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 über Blatt 830 bis 846, Blatt 904 bis 922, Blatt 1077 bis 1096 sowie Blatt 1219 bis Blatt 1239 hinaus der Klägerin zugänglich zu machen, und insoweit die Klage abzuweisen.
24Die Klägerin beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG liege nicht vor. Der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung beziehe sich regelmäßig nur auf laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen, nicht auf abgeschlossene Verfahren. Eine einengende Vorwirkung durch eine Offenlegung von Leitungsvorlagen mit rechtlichen und/oder politisch-taktischen Erwägungen sei nach der Lebenserfahrung nicht zu befürchten. Transparenz und Offenheit seien für den Fortbestand einer demokratischen Gesellschaft überlebenswichtige Faktoren. Sie erhöhten die Akzeptanz politischer Entscheidungen in der Bevölkerung und wirkten der Gefahr sachfremder lobbyistischer Einflussnahme entgegen. Die Leitung der Beklagten sei geradezu verpflichtet, ihre Mitarbeiter zu ermutigen, jedwede rechtlichen und/oder taktisch-politischen Überlegungen zu Papier zu bringen. Sollte die Beklagte dem nicht nachkommen, dürfe der Informationszugangsanspruch darunter nicht leiden. Eine größtmögliche Transparenz stärke Sachargumente. Das Informationsfreiheitsgesetz diene auch der Qualitätsverbesserung des gesamten Entscheidungsprozesses. Das Verwaltungsgericht habe die Darlegungsanforderungen an die Beklagte nicht überspannt. Die Ausnahmetatbestände des § 3 IFG seien grundsätzlich eng auszulegen. Die Beklagte habe den von ihr in Anspruch genommenen Kernbereichsschutz nicht hinreichend substantiiert. Dies sei auch in der Berufungsbegründung der Beklagten auf deren S. 17 ff. nicht geschehen. Auch die Kabinettsvorlagen unterlägen nicht dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung. Ob das 6. FFG-Änderungsgesetz eine hochpolitische und brisante Angelegenheit gewesen sei, sei bei der Beurteilung der Ausschlussgründe erheblich. Ein Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO sei nicht erforderlich. Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG seien ebenfalls nicht erfüllt. Eine schutzwürdige Vertraulichkeitsabrede habe die Beklagte auch in der Berufungsbegründung ab S. 26 nicht dargetan. Der Sache nach mache die Beklagte eine Bereichsausnahme für die Beteiligung Dritter an einem Gesetzgebungsverfahren geltend. Eine solche sehe das Informationsfreiheitsgesetz jedoch nicht vor.
27Mit Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646 = juris, wies das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden von Betreiberinnen von Filmtheatern gegen Abgabenbescheide der Filmförderungsanstalt nach dem Filmförderungsgesetz und gegen die diese als rechtmäßig bestätigenden fachgerichtlichen Urteile zurück. Zur Begründung führte das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen aus, die Verfassungsbeschwerden seien unbegründet. Die gesetzlichen Regelungen zur Erhebung der Filmabgabe der §§ 66 ff. FFG seien verfassungsgemäß. Namentlich genügten sie den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
29E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
30Unter Berücksichtigung der Teilerledigungserklärungen erster Instanz, des eingeschränkten Berufungsantrags der Beklagten sowie der rechtskräftigen Klageabweisung hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht als schutzwürdig eingestuften Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und der dazu erfolgten Klarstellung durch die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2. Juni 2015 sind folgende Aktenbestandteile noch Gegenstand der Berufung: Blatt 66 bis 68, 112 bis 118, 327 bis 352, 534 bis 537, 557 bis 594, 822 bis 829, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1320 (bezogen auf den Ablehnungsgrund aus § 3 Nr. 3 b) IFG) und Blatt 101 bis 109, 122 bis 124, 135, 267, 404, 538, 1014 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 und 1256 bis 1257 (hinsichtlich des Ausschlusstatbestands des § 3 Nr. 7 IFG).
31In diesem Umfang ist die Berufung zulässig, aber unbegründet.
32Das Verwaltungsgericht hat der Klage insofern zu Recht stattgegeben.
33Der solchermaßen noch streitige Ablehnungsbescheid der Beklagten vom15. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
34Die Klägerin hat aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG einen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass diese ihr Zugang zu den beim BKM angelegten Verwaltungsvorgängen betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz gewährt, auch soweit dieser Zugang über die von der Berufung nicht umfassten Blattbereiche hinausgeht.
35Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG liegen vor (dazu I.). Dem noch streitgegenständlichen Informationszugangsanspruch der Klägerin stehen die von der Beklagten geltend gemachten Ausschlussgründe des § 3Nr. 3 b) IFG sowie des § 3 Nr. 7 IFG nicht entgegen. Dass andere Versagungstatbestände der Berufung zum Erfolg verhelfen - wie insbesondere§ 6 Satz 2 IFG -, hat die Beklagte nicht dargetan und ist auch sonst nicht ersichtlich (dazu II.).
36I. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sind gegeben.
37Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Darüber hinaus richtet sich der Anspruch gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG gegen sonstige Bundesorgane und Bundeseinrichtungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG bestimmt weiter, dass eine amtliche Information im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung unabhängig von der Art ihrer Speicherung ist. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu (§ 2 Nr. 1 Satz 2 IFG).
38Behörden des Bundes i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sind alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. § 1 Abs. 1 IFG liegt ein funktionelles Verständnis zugrunde. Bei sonstigen Bundesorganen und -einrichtungen macht er die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes von der jeweils wahrgenommenen Aufgabe abhängig. Dieses aufgabenbezogene Merkmal kennzeichnet die in § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IFG genannten Anspruchsverpflichteten.
39Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. November 2012- 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 22, vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 11, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 11, jeweils unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 7.
40Der weite und umfassende funktionelle Verwaltungsbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG schließt das Regierungshandeln ein. Das Informationsfreiheitsgesetz will die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch die Verbesserung der Informationszugangsrechte stärken. Es soll auf der Grundlage der so vermittelten Erkenntnisse der Meinungs- und Willensbildung in der Demokratie dienen. Dieser Zweck würde nur unvollkommen gefördert, wenn gerade der Bereich der Vorbereitung und Durchführung grundlegender Weichenstellungen für das Gemeinwesen vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen wäre. Im Einklang mit der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass nicht nur die alltägliche, insbesondere der Anwendung der Gesetze dienende Verwaltungstätigkeit, sondern gerade auch der Bereich des Regierungshandelns grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes unterfallen soll und sich Ausnahmen grundsätzlich nach Maßgabe der gesetzlich vorgesehenen Informationsversagungsgründe rechtfertigen lassen müssen. Nur so erklärt sich, dass die Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich einen von der Verfassung gebotenen Verweigerungsgrund für einen Teilausschnitt des Regierungshandelns - nämlich den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung - anführt. Dies wäre entbehrlich, wenn die obersten Bundesbehörden in ihrer Rolle als Träger der Regierungstätigkeit schon nicht zum Kreis der Anspruchsverpflichteten gehörten. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen. Der besonderen Schutzbedürftigkeit sensibler und vertraulicher Informationen aus dem Bereich der Regierung ist unter Beachtung der jeweils konkreten Umstände nach Maßgabe der im Informationsfreiheitsgesetz vorgesehenen Verweigerungsgründe Rechnung zu tragen. Dabei sind verfassungsrechtlich begründete Rechtspositionen zu berücksichtigen. Falls erforderlich sind ergänzend verfassungsunmittelbare Weigerungsgründe heranzuziehen.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 20 ff., und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 20 ff., jeweils unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 6 und ‚S. 12.
42Daraus folgt, dass auch die Tätigkeit eines Bundesministeriums bzw. einer sonstigen Regierungsbehörde - wie dem BKM - bei der Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG fällt. Lediglich der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten (insbesondere Gesetzgebung, Kontrolle der Bundesregierung etc.) soll vom Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz ausgenommen bleiben.
43Vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 8; sowie OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 47 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 13. November 2013- OVG 12 B 3.12 -, juris Rn. 34 ff., und vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 19; Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 94 ff.
44Ausgehend von diesen Maßstäben ist der BKM grundsätzlich anspruchsverpflichtete Behörde des Bundes i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Seine hinreichende organisationsrechtliche Verselbständigung ergibt sich aus dem in das erstinstanzliche Verfahren eingeführten BKM-Organisationsplan. Das Tätigwerden des BKM bei der Erarbeitung des 6. FFG-Änderungsgesetzes ist Verwaltung im Verständnis des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Die Erstellung von Leitungs- und Kabinettsvorlagen sowie die Einholung von Stellungnahmen der von dem Gesetzesvorhaben betroffenen Kreise ist - auch als Regierungshandeln - nach dem oben Gesagten funktionell Verwaltung. Dies hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch zugestanden. Sie hat die Klägerin in dieser Hinsicht klaglos gestellt.
45II. Dem im Berufungsverfahren noch umstrittenen Informationszugangsanspruch der Klägerin stehen die von der Beklagten ins Feld geführten Ausschlussgründe des § 3 Nr. 3 b) IFG (dazu 1.) und des § 3 Nr. 7 IFG (dazu 2.) nicht entgegen. Andere Ablehnungstatbestände wie in Sonderheit § 6 Satz 2 IFG, die zur Begründetheit der Berufung führen können, sind nicht ersichtlich (dazu 3.). Um zu diesen Befunden zu gelangen, ist der Senat nicht verpflichtet, ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO einzuleiten. Der darauf gerichtete Hilfsbeweisantrag der Beklagten, den diese in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 gestellt hat, ist abzulehnen (dazu 4.).
461. Der Versagungstatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. mit den verfassungsrechtlich verankerten Maßstäben zum Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung greift nicht zugunsten der Beklagten ein. Die Beklagte beruft sich mit Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, vom 6. Dezember 2011 und vom 19. November 2012 - sowie zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 - auf diese Ausnahmeklausel ohne Erfolg.
47Nach § 3 Nr. 3 b) IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden.
48§ 3 Nr. 3 b) IFG schützt innerbehördlichen Beratungen, die auf eine offene Meinungsbildung und einen freien Meinungsaustausch angelegt sind. Derartige Beratungen sollen wegen des Wissens um eine Offenlegung der einzelnen Beiträge und Meinungsbekundungen im Beratungsprozess nicht beeinträchtigt werden. Mit der Formulierung „solange“ wird deutlich gemacht, dass der Informationszugang grundsätzlich nur aufgeschoben ist. Die Dauer des Aufschubs bestimmt sich danach, ob der Schutz der Vertraulichkeit weiterhin eine Offenlegung der Beratungsinterna verbietet. Der Abschluss des laufenden Verfahrens bildet dafür keine unüberwindbare zeitliche Grenze. Der Schutz der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen und das daraus folgende Verbot der Offenlegung von Beratungsinterna kann also über den Abschluss des laufenden Verfahrens hinausreichen. Im Übrigen erfasst § 3 Nr. 3 b) IFG nur den eigentlichen Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung, d. h. die Besprechung, Beratschlagung und Abwägung - den Beratungsprozess im engeren Sinne -, nicht aber die hiervon zu unterscheidenden Tatsachengrundlagen und die Grundlagen der Willensbildung (Beratungsgegenstand) sowie das Ergebnis der Willensbildung (Beratungsergebnis).
49Vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 31, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 31, Beschluss vom 18. Juli 2011- 7 B 14.11 -, NVwZ 2011, 1072 = juris Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, juris Rn. 91.
50Der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG bezieht sich des Weiteren nur auf die aus tragfähigen Gründen „notwendige Vertraulichkeit“ (vgl. zu diesem Begriff § 3 Nr. 3 a) IFG) behördlicher Beratungen. Er erstreckt seinen Schutz nicht auf jeglichen behördlichen Entscheidungsfindungsprozess.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 31, Beschluss vom 18. Juli 2011 - 7 B 14.11 -, NVwZ 2011, 1072 = juris Rn. 5, unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 10; OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, juris Rn. 86; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2015 - OVG 12 N 88.13 -, juris Rn. 8.
52Eine Beeinträchtigung der Beratung von Behörden i.S.d. § 3 Nr. 3 b) IFG erfordert zudem ebenso wie die übrigen von § 3 IFG erfassten Gefahren, Beeinträchtigungen und nachteiligen Auswirkungen, dass die konkrete Möglichkeit der Verletzung der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen besteht bzw. dass eine solche Verletzung hinreichend wahrscheinlich ist.
53Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 101.
54In die so zu verstehende einfachgesetzliche Versagungsbestimmung des § 3Nr. 3 b) IFG ist der verfassungsrechtliche Grundsatz des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung zu integrieren.
55Die ausgehend vom Gewaltenteilungsprinzip insbesondere im Parlamentsrecht entwickelte Rechtsfigur des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung schließt zur Wahrung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich ein. Zu diesem Bereich gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht. Um ein Mitregieren Dritter bei noch ausstehenden Entscheidungen der Regierung zu verhindern, erstreckt sich die Kontrollkompetenz des Parlaments daher grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen sind zur Wahrung eigenverantwortlicher Kompetenzausübung der Regierung geschützt. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, die dem Einblick Außenstehender weiterhin verschlossen bleiben müssen. Ein Informationsanspruch könnte durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der ihr zugewiesenen selbständigen Funktion beeinträchtigen. Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen sind umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen. Den Erörterungen im Kabinett kommt eine besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind der parlamentarischen Kontrolle demgegenüber in einem geringeren Maße entzogen.
56Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 30, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 35, jeweils unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 -, BVerfGE 124, 78 = DVBl. 2009, 1107 = juris Rn. 122 ff. (zur Grenze der Befugnisse parlamentarischer Untersuchungsausschüsse im Verhältnis zur Regierung); siehe dazu außerdem BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 110, 199 = NVwZ 2004, 1105 = juris Rn. 43 ff.
57Übertragen auf das Informationsfreiheitsrecht folgt daraus, dass der nach diesen Maßstäben gewährleistete Schutz der Regierungstätigkeit sich auch gegenüber einfachgesetzlichen Auskunftsansprüchen Dritter durchsetzen muss, damit er im Verhältnis der Verfassungsorgane untereinander nicht unterlaufen wird und ins Leere geht. Um dies zu erreichen, wird der Kernbereichsschutz in der Begründung des Gesetzentwurfs des Informationsfreiheitsgesetzes als ungeschriebener Versagungsgrund angeführt. Dessen Anliegen überschneidet sich aber jedenfalls teilweise mit dem geschriebenen Versagungsgrund nach § 3 Nr. 3 b) IFG. Dessen tatbestandliche Voraussetzungen sind offen für die Berücksichtigung des präventiven Schutzes der Funktionsfähigkeit der Regierung, so dass dieser Verfassungsgrundsatz in die Anwendung des § 3 Nr. 3 b) IFG zu integrieren ist. Erst wenn sich gleichwohl Schutzlücken auftun, ist auf verfassungsunmittelbare Grenzen des Informationsanspruchs zurückzugreifen.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 31.
59Dass die jeweils verfahrensgegenständlichen amtlichen Informationen am Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung - und somit auch an demjenigen des § 3 Nr. 3 b) IFG - teilhaben, hat die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG in Anspruch genommene Behörde darzulegen. Die befürchteten negativen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Regierung müssen anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegt werden. Um diesen Anforderungen zu genügen, reicht es nicht aus, dass die Regierungsbehörde vorträgt, die Willensbildung innerhalb der Regierung nehme Schaden, weil eine nachträgliche Publizität von Unterlagen, die der Vorbereitung eines Gesetzes dienten, künftig eine sachlich förderliche Kommunikation zwischen den Beteiligten hemmen könnte, es bestehe die Gefahr, dass die Offenheit des der Regierungsentscheidung vorgelagerten Abstimmungsprozesses leide und es zu einer Versteinerung dieses Prozesses komme, weil ein Abweichen von Bewertungen dann schwierig sei. Damit wird letztlich nur geltend gemacht, dass die Beratungen im Rahmen der Gesetzesvorbereitung in jeglicher Hinsicht vertraulich bleiben müssen und deshalb auch nach Abschluss des Verfahrens der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden dürfen. Diese Argumentation läuft aber darauf hinaus, die gesetzesvorbereitende Tätigkeit einer Behörde im Gesetzgebungsverfahren ganz generell den Ansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu entziehen. Eine solche Bereichsausnahme sieht das Informationsfreiheitsgesetz indes nicht vor.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl 2012, 176 = juris Rn. 31, unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 110, 199 = NVwZ 2004, 1105 = juris Rn. 51 ff. (zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen); siehe zur Einzelfallbezogenheit der Prüfung mit Blick auf parlamentarische Informationsrechte außerdem BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 -, BVerfGE 124, 78 = DVBl. 2009, 1107 = juris Rn. 126.
61Nach diesen Grundsätzen kann die Beklagte die Ablehnung des von der Klägerin begehrten Informationszugangs nicht auf § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung stützen. Die Beklagte hat insbesondere in ihren Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, vom 6. Dezember 2011 und vom 19. November 2012 sowie zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 nicht anhand der Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegt, dass die Vertraulichkeit der Beratung im Bereich der Regierung bzw. im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung bei der Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben (künftig) konkret beeinträchtigt wird, wenn sie die von der Klägerin herausverlangten Verwaltungsvorgänge des BKM betreffend das 6. FFG-Änderungsgesetz offenlegt.
62Das 6. FFG-Änderungsgesetz ist am 31. Juli 2010 verabschiedet worden. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Verfassungsmäßigkeit mit Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646 = juris, bestätigt. Es handelt sich bei den gesetzesvorbereitenden behördeninternen Beratungen zum 6. FFG-Änderungsgesetz, die der BKM in seinem Verwaltungsvorgang dokumentiert hat, daher um einen in doppelter Hinsicht rechtlich wie tatsächlich abgeschlossenen Vorgang. Dass dieser abgeschlossene Vorgang dennoch nach Maßgabe von § 3 Nr. 3 b) IFG und Aspekten des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung geheim gehalten werden muss, um die notwendige Vertraulichkeit der Beratungen im Bereich der Regierung zu schützen, hat die Beklagte nicht zur Überzeugung des Senats dargetan.
63Die Begründung der Beklagten, die Blattbereiche 66 bis 68 und 112 bis 118 enthielten einen mit rechtlichen und politischen Bewertungen versehenen Sprechzettel zur Vorbereitung des Staatsministers auf eine Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages am 22. April 2009 zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes bzw. auf eine Sitzung im Bundeskanzleramt am 4. Mai 2009, der sog. aktive und reaktive Gesprächspositionen des Staatsministers beschreibe und einzelne politische Handlungsoptionen und die diesbezügliche mögliche Positionierung des Staatsministers in der jeweiligen Sitzung darlege, füllt die Anforderungen des § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. mit dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung stellt, nicht aus. Es geht bei dieser Sitzungsvorbereitung des Staatsministers nicht um eine gubernative Entscheidung oder um Erörterungen im Kabinett selbst, die in besonderem Maß schützenswert sind. Vielmehr spricht die Beklagte hiermit einen vorbereitenden Beratungsprozess im Bereich des BKM an, dessen nachträgliche Offenbarung die Funktionsfähigkeit der Regierung nicht konkret zu beeinträchtigen droht. Schlösse man sich der Position der Beklagten an, würde dies darauf hinauslaufen, eine informationsfreiheitsrechtliche Bereichsausnahme für die Vorbereitung von Gesetzesvorlagen durch die Regierung anzuerkennen, die das Informationsfreiheitsgesetz de lege lata nicht vorsieht. §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Nr. 3 b) IFG verlangen stattdessen - jedenfalls bei, wie hier, abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren - auch von der Regierung (hier in Gestalt des BKM), sich Informationszugangsansprüchen zu stellen und auch auf diese Weise Regierungsentscheidungen und -positionen jedenfalls nachträglich erklären zu müssen.
64Im Hinblick auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren darf sich die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes nicht an der Vorstellung orientieren, dass es bei den verantwortlich handelnden Regierungsangehörigen zu einengenden Vorwirkungen („Hemmungen“) bzw. zu einer „Flucht in die Mündlichkeit“ kommt. Vielmehr entspricht es einer ordnungsgemäß agierenden Ministerialverwaltung, komplexe Entscheidungsprozesse schriftlich vorzubereiten und zu dokumentieren. Dies schließt die fortgesetzte Bereitschaft der Verantwortungsträger der Regierung sowie der Arbeitsebene ein, ihre jeweiligen Auffassungen (ab-) zu bilden, mögen diese später im Entscheidungsprozess auch wieder aufgegeben werden. Der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 hervorgehobene Umstand, dass das Filmförderungsgesetz häufig novelliert werde, ändert daran nichts. Abgesehen davon, dass nicht jede Novelle den Inhalt des 6. FFG-Änderungsgesetzes haben muss und schon deswegen einengende Vorwirkungen durch den streitigen Informationszugang nicht pauschal zu erwarten sind, gilt für jedes Gesetzesvorhaben neu, dass sich die Regierung auf die Transparenzvorgaben des Informationsfreiheitsgesetzes grundsätzlich einzustellen hat, ohne dass die Qualität ihrer Vorbereitungsarbeit darunter leiden darf.
65Die Autorität eines in Kraft getretenen Gesetzes kann durch die Form der Publizität, die das Informationsfreiheitsgesetz herstellt, nicht leiden. Ein förmliches Gesetz schöpft seine verfassungsrechtliche Legitimität aus dem Parlamentsbeschluss (Art. 77 Abs. 1 GG) und dem Gedanken der Volkssouveränität
66(Art. 20 Abs. 2 GG). Dass einem Gesetzesbeschluss ein ergebnisoffener (verfassungs-)rechtlicher und rechtspolitischer Diskurs vorausgeht, der insbesondere auch innerhalb der am Gesetzgebungsprojekt beteiligten Regierungsstellen stattfindet, versteht sich in einer offenen Gesellschaftsordnung von selbst und wird von der Öffentlichkeit nicht anders erwartet.
67Den Tatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG füllt im Anschluss daran auch nicht der Vortrag der Beklagten zu den Blättern 327 bis 352 aus, bei denen es sich um eine Vorlage an den Staatsminister handele, die handschriftliche Anmerkungen des Staatsministers und der Abteilungsleiterin im BKM enthalte, die sich auf politische Bewertungen des Staatsministers bzw. der Abteilungsleiterin bezögen. Dies gilt ebenfalls, soweit dieser Blattbereich politische und rechtliche Bewertungen einzelner auf die Gesetzesnovelle bezogener Fragen und eine Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf aufweist, die einen von dem schließlich in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut verschiedenen Inhalt hat und im Übrigen aufgrund der Nachvollziehbarkeit der Änderungen im Dokument Rückschlüsse darauf zulässt, welche politische Einschätzung von welcher am Gesetzesvorhaben beteiligten Stelle vorgenommen worden ist. Nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und nach der im Tatbestand referierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Januar 2014 zur Verfassungsmäßigkeit des 6. FFG-Änderungsgesetzes ist die Vertraulichkeit dieser Beratungen aus den zuvor genannten Gründen nicht mehr gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG schutzwürdig. Diese Aktenstücke betreffen einen abgeschlossenen Vorgang und sind außerhalb des Kernbereichs der Regierung angesiedelt. Die von Beklagtenseite befürchteten einengenden Vorwirkungen dürfen nach der Grundidee des Informationsfreiheitsgesetzes - wie gesagt - nicht generalisierend in die Prüfung des § 3 Nr. 3 b) IFG eingestellt werden.
68Zum Weiteren trägt die Beklagte auch zu Blatt 534 bis 537 des Verwaltungsvorgangs des BKM lediglich vor, diese Passage beinhalte eine Vorlage des zuständigen Referats für den Staatsminister für eine Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages am 11. Juli 2009 inklusive eines Sprechzettels für diese Sitzung mit politischen Wertungen. Sie befasse sich mit der Umsetzung einzelner, politisch umstrittener Aspekte der Novelle, mithin der Sache nach mit verhandlungstaktischen Positionen, die aber nicht notwendig in das endgültige Gesetz eingegangen seien. Nach den dargestellten Grundsätzen reicht auch dies und die allgemeine Sorge der Beklagten, eine Herausgabe dieser Unterlagen könne zukünftig die Kommunikation zwischen dem Staatsminister und seinen Mitarbeitern hemmen, für den Ausschlusstatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG nicht aus.
69Entsprechendes ist zusammenfassend hinsichtlich der übrigen von der Beklagten als nach § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung schützenswert eingeordneten Blattbereiche 557 bis 594, 822 bis 829, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1320 zu sagen. Diese betreffen nach dem Vorbringen der Beklagten erneut Vorlagen des zuständigen Referats an den Staatsminister im Hinblick auf die Novellierung des Filmförderungsgesetzes und das Ergebnis der Branchenanhörung jeweils mit politischen und juristischen Einschätzungen und Wertungen, Sprechzettel für den Staatsminister für Sitzungen des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien am 2. Dezember 2009, am 27. Januar 2010 und am 19. Mai 2010, bei denen ein Sachstandsbericht zu der Novelle zu erstatten gewesen sei (mit dem entsprechenden Inhalt wie auf Blatt 65 bis 68), Kabinettsvorlagen mit einem Anschreiben des Staatsministers an den Chef des Bundeskanzleramts mit politischen Bewertungen und einer internen Handlungsanweisung für den Regierungssprecher ebenfalls mit politischen Wertungen, die der Regierungssprecher aber nicht öffentlich kommuniziert habe, sowie Ausführungen der zuständigen Stellen des BKM für den Staatsminister im Hinblick auf Unterlagen für den Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags nebst handschriftlichen Anmerkungen des Staatsministers und auf diese bezogene Vermerke.
70Was die Kabinettsvorlagen anbelangt, ist die zusätzliche Bemerkung veranlasst, dass auch diese zumindest bei abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren - wie hier - nicht dem Kernbereich der Exekutive zuzurechnen sind, der ohne weitere konkrete Beeinträchtigungen den Vertraulichkeitsschutz des § 3 Nr. 3 b) IFG genießt. Die Kabinettsvorlagen stellen keine gubernativen Entscheidungen dar und geben aus sich heraus auch keinen Aufschluss über die vertraulich zu behandelnden Beratungen im Kabinett selbst. Diesem gehört der BKM im Übrigen nach Art. 62 GG nicht an, weil er kein Bundesminister ist.
71Die von Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 angesprochenen Wertungswidersprüche der vorstehenden Betrachtungsweise zum Geheimnisschutz innerhalb des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens bestehen nicht.
72§ 1 Abs. 1 IFG nimmt parlamentarische Angelegenheiten bewusst aus dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes heraus.
73Vgl. erneut die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 8.
74Sachlicher Grund dafür ist, dass parlamentarische Angelegenheiten, die der Rechtssetzung dienen oder anderweitig mandatsbezogen sind, ein spezifischer Bereich sind, in dem weisungsunabhängig und nach eigenen verfassungsrechtlichen Regeln gearbeitet wird.
75Vgl. wiederum OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 47 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. November 2013 - OVG 12 B 3.12 -, juris Rn. 34 ff.; Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 94 ff.
76Dieser Bereich soll informationsfreiheitsrechtlich anders behandelt werden als die Tätigkeit der Verwaltung, die - auch und gerade in Gestalt von Regierungshandeln - durch das Informationsfreiheitsgesetz einer weitergehenden Kontrolle durch die öffentliche Meinung, die auf fundierte Informationen angewiesen ist, geöffnet werden soll.
77Vgl. auch dazu BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 23.
782. Der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG ist gleichfalls nicht erfüllt.
79Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht.
80§ 3 Nr. 7 IFG bezweckt im besonderen öffentlichen Interesse den Schutz von Informations- und Hinweisgebern u. a. auf dem Gebiet der Strafverfolgung, des Verfassungsschutzes, des Nachrichtendienstes oder des Wettbewerbsrechts. Er soll die - freiwillige - Bereitschaft der Bürger zur Kooperation mit der Verwaltung in Aufgabenbereichen fördern, in denen die Behörden in hohem Maß auf Informationen aus dem privaten Bereich angewiesen sind.
81Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 11; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 8. Mai 2014 - OVG 12 B 4.12 -, juris Rn. 32, und vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 31; Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 186 ff.
82Neben der zwischen dem Hinweisgeber und der Behörde vereinbarten Vertraulichkeit setzt § 3 Nr. 7 IFG ein fortdauerndes schutzwürdiges Interesse des Dritten oder der Behörde an der vertraulichen Behandlung der Information voraus. Das Interesse an der Vertraulichkeit muss objektiv berechtigt sein. Andernfalls stünde der Informationszugang zur Disposition der am Informationsaustausch Beteiligten. Er könnte sowohl einseitig durch den Informationsgeber und die Behörde als auch durch eine gegenseitig vereinbarte Vertraulichkeit unterlaufen werden. Die Annahme eines derart weitreichenden Ausnahmetatbestands ist dem tendenziell restriktiven System des § 3 IFG fremd.
83Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Juni 2013 - OVG 12 B 9.12 -, juris Rn. 34 f.; Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 192 (unter Hinweis auf eine Vertraulichkeitsabrede des Bundes mit Toll Collect in einem Maut-Betreibervertrag).
84Die Kennzeichnung einer Information als vertraulich ist für ihre Schutzbedürftigkeit lediglich ein Indiz, welches die Behörde konkret und nachvollziehbar erhärten muss. Die Behörde muss auch im Hinblick auf § 3 Nr. 7 IFG darlegen, dass im Fall der Verneinung der Vertraulichkeit die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben gefährdet ist.
85Vgl. Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 192.
86Dies ist der Beklagten nicht gelungen.
87Die Blätter 101 bis 109 und 1017 bis 1023 enthalten nach den Ausführungen der Beklagen Stellungnahmen zum geplanten Abgabenmaßstab der öffentlich-rechtlichen Sender zur Filmförderung mit unternehmensbezogenen Angaben zu Lizenzkosten, Kosten der Programmverbreitung, der Redaktion und des Rechteerwerbs. Allein die Abrede der Vertraulichkeit ordnet diese Informationen aber noch nicht dem Schutzbereich des § 3 Nr. 7 IFG zu. Die eher pauschal gehaltene Aussage der Beklagten, ihre Aufgabenerfüllung und diejenige der betroffenen Informationsgeber sei im Falle eines Informationszugangs gefährdet, substantiiert die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG nicht. Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - auch von durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich garantierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten -,
88vgl. dazu BVerfG, Urteile vom 25. März 2014 - 1 BvF 1/11, 1 BvF 41 BvF 4/11 -, DVBl. 2014, 649 = juris Rn. 44, vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05, 1 BvR 809/06, 1 BvR 830/06 -, BVerfGE 119, 181 = DVBl. 2007, 129 = juris Rn. 129 ff., und vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60 = DVBl. 1994, 465 = juris Rn. 147 ff., Beschluss vom 6. Oktober 1992 - 1 BvR 1586/89, 1 BvR 487/92 -, BVerfGE 87, 181 = DVBl. 1992, 1594 = juris Rn. 71 ff.,
89vollzieht sich spezifisch nach Maßgabe des dafür vorgesehenen § 6 Satz 2 IFG. Aus diesem Grund müssen weder die Beklagte noch im Zuge eines Gesetzgebungsverfahrens hinzugezogene private Unternehmen oder sonstige Träger von Geschäftsgeheimnissen gewärtigen, dass sensible Informationen aus ihrem Geschäftsbereich - wie exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen - an die Öffentlichkeit oder an Konkurrenten gelangen und ihre Wettbewerbsposition dadurch nachteilig beeinflusst wird.
90Vgl. zum Schutzgehalt des § 6 Satz 2 IFG BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 -, juris Rn. 28; OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981= juris Rn. 131.
91Auch wenn die gesetzesvorbereitend tätig werdende Beklagte mit Informationszugangsansprüchen konfrontiert wird, muss sie ihr dabei zugetragene Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse dieser Dritten nicht herausgeben. Dies räumt die Besorgnis der Beklagten aus, Dritte könnten zukünftig von einer Beteiligung an einem Gesetzgebungsverfahren wegen etwaiger Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetzes abgehalten werden.
92Auch bei dieser Lesart behält § 3 Nr. 7 IFG neben § 6 Satz 2 IFG einen eigenständigen Anwendungsbereich. § 3 Nr. 7 IFG stellt einen Vertraulichkeitsschutz- wie dargelegt - dort bereit, wo die Vertraulichkeit für die behördliche Aufgabenerfüllung qualitativ von herausgehobener Bedeutung ist. Dies setzt § 6 Satz 2 IFG nicht voraus. Er gewährleistet im speziellen Feld der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse den Vertraulichkeitsschutz im Übrigen.
93Soweit die betroffenen Kreise, die sich an einem Gesetzgebungsverfahren mit Stellungnahmen beteiligen, nicht nur Geschäftsdaten, sondern auch ihre - zustimmende oder ablehnende - Haltung zu dem Gesetzesvorhaben vertraulich behandelt wissen wollen, fällt dies zwar für sich genommen aus dem Schutzbereich des § 6 Satz 2 IFG heraus. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass § 3 Nr. 7 IFG insofern einen Vertraulichkeitsschutz herstellen muss. Auch Unternehmen oder Verbänden, die sich inhaltlich zu einem Gesetzesprojekt positionieren, ist im Grundsatz zuzumuten, dies retrospektiv ggf. auch öffentlich zu vertreten. Von Unternehmen und Verbänden wird generell angenommen, dass sie - auch durch Lobbyarbeit und Interessenvertretung - an öffentlichen Entscheidungsprozessen teilnehmen. Es ist im Allgemeinen weder ehrenrührig noch ihrer Geschäftstätigkeit sonstwie abträglich, falls dies im Nachhinein konkret bekannt wird. Die Befürchtung der Beklagten, die betroffenen Kreise gäben künftig bei der Vorbereitung von Gesetzgebungsverfahren keine Stellungnahmen mehr ab, wenn ihre Positionierung bekannt würde, teilt der Senat deshalb nicht.
94Aus entsprechenden Gründen sind die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG bezüglich der - im Berufungsverfahren außerdem streitgegenständlich gebliebenen - Blattbereiche 122 bis 124, 135, 267, 404, 538, 1014 bis 1016, 1174 bis 1175, 1252 und 1256 bis 1257 nicht erfüllt. Abgesehen von unternehmensbezogenen und damit nach § 6 Satz 2 IFG geschützten Angaben umfassen diese Aktenteile- wie die Beklagte vorträgt - lediglich Äußerungen betroffener Kreise zum Abgabenmaßstab.
953. Weitergehende Ablehnungsgründe - in Sonderheit aus § 6 Satz 2 IFG - sind weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass der Schutz des § 6 Satz 2 IFG weiter reicht als von dem Verwaltungsgericht angenommen und auch die verbliebenen Aktenteile einschließt, für welche die Beklagte sich im Berufungsverfahren auf § 3 Nr. 7 IFG bezieht, legt die Beklagte nicht dar.
964. Um feststellen zu können, dass die Ausschlussgründe gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG - aber auch nach § 3 Nr. 7 IFG - nicht einschlägig sind, muss der Senat kein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO einleiten. Dem in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 gestellten Hilfsbeweisantrag der Beklagten, Beweis zu erheben über ihre Behauptung, dass bei Herausgabe der auf S. 17 bis 23 der Berufungsbegründung vom 19. November 2012 bezeichneten Bestandteile der Verwaltungsvorgänge die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Regierung beeinträchtigt würden, muss der Senat nicht nachkommen.
97Auf der nach §§ 86 Abs. 1, Abs. 2, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beurteilenden Ebene der informationsfreiheitsrechtlichen Sachverhaltsfeststellung und -würdigung ist zu prüfen, ob anhand des konkreten Inhalts der zur Verfügung stehenden Akten bzw. mittels der dazu gemachten behördlichen Angaben verifiziert werden kann, dass ein Ablehnungsgrund (auch) hinsichtlich der nicht zur Verfügung stehenden (Teile der) Information vorliegt.
98Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 7 A 15.10 -, NVwZ 2013, 1285 = juris Rn. 20, m.w.N.
99Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten ist, folgt nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das „in-camera“-Verfahren des § 99 Abs. 2 VwGO. Dies gilt sowohl mit Blick auf prozedurale als auch hinsichtlich materieller Geheimhaltungsgründe. Auch für deren Feststellung muss der konkrete Akteninhalt nicht zwingend rechtserheblich sein. Das Hauptsachegericht muss zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären. Je nach Fallkonstellation wird es vor Erlass eines Beweisbeschlusses die aktenverweigernde Stelle ggf. auffordern müssen, weitere Angaben mit abstrakter Umschreibung zur Kategorisierung der einzelnen in den zurückgehaltenen Akten befindlichen Schriftstücke einschließlich der Anlagen etwa in Form eines mit (paginierten) Blattzahlen spezifizierten Inhaltsverzeichnisses zu machen. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder eines Erörterungstermins kann hinreichende Grundlage für die Feststellung sein, dass eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen entscheidungserheblich ist, weil die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - nicht ausreichen, um zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten fachgesetzlichen Ausnahmegründe vorliegen.
100Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. April 2011 - 20 F 20.10 -, NVwZ 2011, 880 = juris Rn. 8, vom 2. November 2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233 = juris Rn. 12 f., vom 25. Juni 2010 - 20 F 1.10 -, NVwZ 2010, 1495 = juris Rn. 7.
101Gemessen daran ist ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst und der Hilfsbeweisantrag der Beklagten abzulehnen. Bereits mit Hilfe des vorliegenden Akteninhalts und des - eingehenden - Vortrags der Beklagten zu den Ausschlussgründen des § 3 Nr. 3 b) IFG - und auch des § 3 Nr. 7 IFG - lässt sich hinreichend sicher beurteilen, dass diese Versagungstatbestände nicht gegeben sind. Die Beklagte hat den Gehalt der Unterlagen, die ihrer Ansicht nach § 3 Nr. 3 b) IFG bzw. § 3 Nr. 7 IFG unterfallen sollen, genau genug umschrieben, um dem erkennenden Senat eine inhaltliche Prüfung dieser Ausnahmen von dem Informationszugangsanspruch zu ermöglichen. Diese Prüfung führt indes zu dem beschriebenen Ergebnis.
102Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
103Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
104Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor. Der vorliegende Fall gibt Anlass, Inhalt und Reichweite der Ausschlussgründe gemäߧ 3 Nr. 3 b) IFG und § 3 Nr. 7 IFG weiter auszudifferenzieren bzw. höchstrichterlich weitergehend zu klären.
(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.
(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu; - 2.
Dritter: jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen.
(1) Die Behörde gibt einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann.
(2) Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ergeht schriftlich und ist auch dem Dritten bekannt zu geben. Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. § 9 Abs. 4 gilt entsprechend.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.