Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 25. Nov. 2015 - 3 L 146/13

bei uns veröffentlicht am25.11.2015

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 02. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn dieser nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Aufhebung der Anordnung seiner erkennungsdienstlichen Behandlung.

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Mit Verfügung vom 11. Januar 2011 ordnete die KPI Stralsund – unter Anordnung der sofortigen Vollziehung – erkennungsdienstliche Maßnahmen gegen den Kläger an. In der Anordnung gab die Polizei als Rechtsgrundlage der ED-Maßnahme § 81 b 2. Alt. StPO, als verletzte Rechtsnorm § 176 StGB und als einzelne Maßnahmen

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- Lichtbilder (Aufnahme in Lichtbildkartei wird angeregt 3-teilige Ganzaufnahme)
- Papillarleistenabdrücke (Fingerabdrücke Handflächenabdrücke)
- weitere Maßnahmen (Personenbeschreibung)

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an. Mit selben Datum lud sie den Kläger als Beschuldigten vor. Zudem erhielt er eine gesonderte Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung. In Letzterer führte die Behörde aus, dass die erkennungsdienstlichen Maßnahmen in dem gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern angeordnet worden seien. In der Vorladung begründete sie die Anordnung dahingehend, dass die Art und Ausführung der dem Kläger zur Last gelegten sexuellen Tathandlungen von einer nicht geringen kriminellen Energie zeugten. Die Anfertigung und Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen liege im Interesse der Strafverfolgungsvorsorge, da diese Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen überführend oder entlastend fördern könnten.

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In seiner Beschuldigtenvernehmung vom 26. Januar 2011 bestritt der Kläger die strafrechtlichen Vorwürfe und legte Widerspruch gegen die Anordnung der ED-Maßnahmen ein.

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Mit Anhörungsschreiben vom 14. Mai 2012 teilte das Polizeipräsidium Neubrandenburg mit, dass der Widerspruch gegen die Anordnung aufschiebende Wirkung habe und begründete die Anordnung ausführlich. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung sei ein gegen den Kläger als Beschuldigten geführtes Ermittlungsverfahren anhängig gewesen. Der Kläger werde beschuldigt, ein Kind im Sommer 2009 mehrmals im Keller des Hauses J. Straße in Z. sexuell missbraucht zu haben, indem er dem Kind seinen erigierten Penis gezeigt und das Kind aufgefordert habe, diesen anzufassen. Weiterhin habe er das Kind aufgefordert, sein eigenes Geschlechtsteil zu zeigen. In diesem Verhalten trete eine erhebliche kriminelle Energie, Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Opfer und Neigung zur Begehung derartiger Straftaten zu Tage, welche die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger auch in Zukunft in diesem Deliktsfeld in Erscheinung treten werde. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Kläger erstmals Beschuldigter eines Ermittlungsverfahrens wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern sei, nichts. Bei dem sexuellen Missbrauch von Kindern handele es sich regelmäßig – jedenfalls wenn keine Therapie erfolgreich durchgeführt werde – um ein typisches Wiederholungsdelikt mit hoher Rückfallwahrscheinlichkeit.

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Mit Anklageschrift vom 17. Februar 2001 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Kläger wegen zweier selbstständiger Handlungen strafbar gemäß §§ 176 Abs. 1, 53 StGB. Danach soll an zwei unterschiedlichen Tagen in den Sommerferien 2009 (Mitte Juli bis Ende August 2009) das Kind F. R., geb. 2001 – zum damaligen Zeitpunkt ... Jahre alt –, freiwillig in den Keller des Klägers in der J. Straße in Z. gegangen sein, wo der Kläger das entblößte Glied des Kindes angefasst habe und gleichfalls seinen erigierten Penis vom Kind habe anfassen lassen.

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Mit Urteil vom 16. Juni 2011 – 6 Ds 150/11 – sprach das Amtsgericht Ribnitz-Damgarten – Jugendrichter – den Kläger frei. In den Urteilsgründen heißt es, der Angeklagte sei von dem Tatvorwurf aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, da die Hauptverhandlung keine den Schuldvorwurf rechtfertigende Feststellungen erbracht habe:

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„Der Zeuge ... hat in der Hauptverhandlung letztendlich keine Angaben gemacht, die zur Überführung des Angeklagten ausreichen würden. Trotz Ausschluss der Öffentlichkeit und Entfernung des Angeklagten aus dem Gerichtssaal hat der Zeuge Fragen des Gerichtes nur durch Kopfschütteln oder Nicken beantwortet. Zu tatsächlichen Handlungen des Angeklagten hat der Zeuge keine Auskunft gegeben.“

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Die Mutter des Kindes legte gegen das Urteil zunächst Berufung ein, die sie in der Sitzung des Landgerichts Stralsund – Kleine Jugendkammer – (25 Ns 82/11) vom 30. Januar 2012 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft nach Beweisaufnahme zurücknahm. Das Urteil ist seit dem 30. Januar 2012 rechtskräftig.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 01. August 2012 wies das Polizeipräsidium Neubrandenburg den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, die Anordnung stütze sich auf § 81b 2. Alt. StPO. Erkennungsdienstliche Unterlagen würden nach dieser Vorschrift nicht für die Zwecke eines konkreten gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens erhoben, sondern erfolgten zu präventiv-polizeilichen Zwecken. Sie dienten der vorsorglichen Bereitstellung von sächlichen Hilfsmitteln für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben, die der Kriminalpolizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung von Straftaten durch § 163 StPO zugewiesen seien.

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Der anlässlich des gegen den Kläger gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt müsse nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere Angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraumes, währenddessen er nicht (mehr) strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, Anhaltspunkte für die Annahme bieten, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit Gründen als Verdächtiger in den Kreis potenzieller Beteiligter an einer strafbaren Handlung einbezogen könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten, in dem sie den Betroffenen überführen oder entlasten.

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Der Kläger sei zum Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung Beschuldigter in einem bei der Staatsanwaltschaft geführten Ermittlungsverfahrens gewesen. Der nachträgliche Wegfall der Beschuldigteneigenschaft sei unschädlich. Im Rahmen der Abwägung sei danach zu differenzieren, in welchem Umfang Verdachtsmomente bestünden. Die Berücksichtigung und Bewertung von Verdachtsgründen stelle keine durch die Unschuldsvermutung verbotene Schuldfeststellung dar. Aus der Ermittlungsakte ergäben sich ausreichend Verdachtsgründe gegen den Kläger, die die erkennungsdienstlichen Maßnahmen rechtfertigten. Es handele sich um den Vorwurf einer Straftat gem. §§ 176 Abs. 1, 53 StGB. Sowohl die Kriminalpolizei, als auch die Staatsanwaltschaft hätten die Grundaussage des Kindes ..., dass es sexuelle Handlungen gegeben habe, als glaubhaft beurteilt. Das Schriftstück des Kindes ... sowie sein Verhalten während der Vernehmung begründeten weiterhin Verdachtsmomente gegen den Kläger. In der vorgeworfenen Tat trete eine erhebliche kriminelle Energie, Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Opfer und die Neigung zur Begehung derartiger Straftaten zu Tage. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung seien typische Wiederholungsdelikte mit hoher Rückfallwahrscheinlichkeit, bei der schon die erstmalige Begehung einer solchen Straftat erkennungsdienstliche Maßnahmen rechtfertige.

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Mit seiner am 31. August 2012 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er halte die Anordnung in der Form des Widerspruchsbescheides für rechtswidrig. Zum maßgeblichen Zeitpunkt – dem Erlass des Widerspruchsbescheides – sei er nicht mehr Beschuldigter gewesen. Voraussetzung der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Maßnahme nach § 81b 2. Alt. StPO sei, dass ein Straf- oder Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen schwebe; nur während der Anhängigkeit eines Verfahrens könne die Anordnung ergehen. Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Widerspruchsverfahrens sei für die Widerspruchsbehörde grundsätzlich die Rechtslage bei Erlass ihrer Widerspruchsentscheidung maßgeblich. Sie habe eine während des Vorverfahrens eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen. Erst der Widerspruchsbescheid gebe dem Ausgangsverwaltungsakt eine endgültige für den Verwaltungsprozess maßgebliche Gestalt wie aus § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO folge. Eine erkennungsdienstliche Behandlung stelle einen empfindlichen Eingriff in das aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.

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Vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Kriminalpolizei Stralsund vom 11. Januar 2011 zur Anordnung seiner erkennungsdienstlichen Behandlung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Polizeipräsidiums Neubrandenburg vom 01. August 2012 aufzuheben.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er ist der Ansicht, es reiche aus, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der erstmaligen Anordnung Beschuldigter gewesen sei. Ein Wegfall der Beschuldigteneigenschaft im Widerspruchsverfahren lasse die Rechtmäßigkeit unberührt, da der Kläger die Schwelle des Verwickeltseins in ein konkretes Strafverfahren erreicht habe.

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In der mündlichen Verhandlung vom 02. Juli 2013 hat der Beklagte erklärt, dass er die Anordnung auch auf § 31 SOG M-V stütze und wegen der Begründung zu § 31 SOG M-V auf die Ausführungen zu § 81b 2. Alt. StPO verwiesen.

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Mit Urteil vom 02. Juli 2013 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei zum Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung zur erkennungsdienstlichen Behandlung vom 11. Januar 2011 Beschuldigter gewesen. Gegen ihn sei zu diesem Zeitpunkt bei der Staatsanwaltschaft Stralsund ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern – die sog. Anlasstat – anhängig gewesen (526 Js 1807/11). Dass der Kläger bei Erlass des Widerspruchbescheides am 01. August 2012 nicht mehr Beschuldigter gewesen sei, führe nicht zur Rechtwidrigkeit der Anordnung. Dies ergebe sich aus Sinn und Zweck des § 81b 2. Alt. StPO. Mit dieser Regelung sollten präventiv-polizeiliche erkennungsdienstliche Maßnahmen gegen den Beschuldigten möglich sein. Der zur vorsorgenden Bereitstellung erkennungsdienstlicher Unterlagen führende Anlass ändere sich nicht, wenn die Beschuldigteneigenschaft nachträglich wegfalle. Die Besorgnis, der Beschuldigte könne auch zukünftig Straftaten begehen, bleibe bestehen. Dass eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b 2. Alt. StPO nur gegen einen Beschuldigten angeordnet werden dürfe, besage lediglich, dass die Anordnung nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen könne, sondern dass sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgehen und sich jedenfalls aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten müsse. Es sei mit dem Wortlaut der Vorschrift noch vereinbar, dass der Betroffene „einmal“ Beschuldigter gewesen sei.

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Die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers sei vorliegend für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig. Für die Beurteilung der Notwendigkeit komme es nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung, sondern auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Vornahme dieser Maßnahme an. Im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle komme es deshalb auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz an.

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Die für das Ermittlungsverfahren wegen der Anlasstat bestimmenden Verdachtsmomente seien nicht ausgeräumt, weil der Kläger vom Amtsgericht Ribnitz-Damgarten (lediglich) aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden sei. Eine Unschuldsvermutung gelte trotz Freispruchs des Klägers nicht. Die Verwertung verbliebener Verdachtsmomente im Verfahren, die nicht zu einer Strafverfolgung des Betroffenen geführt haben, stelle keinen Verstoß gegen die im Rechtsstaatsprinzip begründete Unschuldsvermutung dar. Weder die Aufnahme der erkennungsdienstlichen Unterlagen noch ihre Aufbewahrung enthielten eine Aussage über Schuld oder Unschuld des Betroffenen. Selbst bei einem Freispruch seien die Ermittlungsbehörden noch befugt weiterhin davon auszugehen, dass der ursprüngliche Tatverdacht fortbestehe und weiterhin tragfähige Grundlage für die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen sei. Die gegen den Kläger verbliebenen Verdachtsmomente bezögen sich auf ein besonders schwerwiegendes Delikt. Der strafbare rechts- und sittenwidrige sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen sei in hohem Maße persönlichkeits- und gemeinschaftsschädigend. Er greife in den sittlichen Reifeprozess eines jungen Menschen ein und gefährde die harmonische Entwicklung seiner Gesamtpersönlichkeit sowie seiner Einordnung in die Gemeinschaft. Der Beklagte habe ermessensfehlerfrei gehandelt. Die abverlangten erkennungsdienstlichen Unterlagen seien geeignet und erforderlich. Die Anordnung sei dem Kläger auch zumutbar. Der Beklagte habe die Maßnahmen auf das notwendige Maß beschränkt.

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Gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat das Verwaltungsgericht die Berufung zugelassen.

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Das Urteil ist dem Kläger am 08. Juli 2013 zugestellt worden. Am 02. August 2013 hat er Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 08. Oktober 2013 unter Antragstellung begründet. Er ist unter Bezugnahme auf die Klagschrift und der von ihm benannten Rechtsprechung weiterhin der Auffassung, Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Anordnung sei, dass die Beschuldigteneigenschaft auch noch zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides bestehe. Es genüge nicht, dass der Betroffene einmal Beschuldigter gewesen sei.

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Der Kläger beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 02. Juli 2013 die Anordnung seiner erkennungsdienstlichen Behandlung vom 11. Januar 2011 durch die Polizeiinspektion Stralsund und den Widerspruchsbescheid des Polizeipräsidiums Neubrandenburg vom 01. August 2012 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Zur Begründung schließt er sich den Entscheidungsgründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils an.

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Ausweislich der beigezogenen Strafakte der Staatsanwaltschaft Stralsund 526 Js 1807/11 (Amtsgericht Ribnitz-Damgarten 6 Ds 150/11; Landgericht Stralsund 25 Ns 82/11) erstattete die Mutter des Kindes ... Strafanzeige. Sie gab darin an, dass sie durch Lehrer des ... angesprochen und darauf hingewiesen worden sei, dass sich das Kind verändert habe. Ihr sei angeraten worden mit ihm zu einem Psychologen zu gehen. Sie habe am Vorabend von ihrem Sohn erfahren wollen, warum er sich so verändert habe. Der Junge habe sich aber nicht erklären wollen und angegeben, dass er nichts sagen könne; er könne auch nicht „auf seine Oma und seinen Opa schwören, dass nichts sei“. Auf die Bitte der Mutter es aufzuschreiben, habe das Kind einen Zettel geschrieben:

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„Er hat mir den Schnidel gezeigt. Dann hat er noch mein Schnidel angefaßt. Ich sollte dann sein“

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungs- und Strafakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Denn das Verwaltungsgericht hat zu Recht seine Klage abgewiesen.

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Die Klage ist unbegründet, weil die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen gegen den Kläger mit Bescheid vom 11. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. August 2012 rechtmäßig ist und ihn nicht in seinen Rechten verletzt.

1.

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Zutreffend hat das Verwaltungsgericht die Rechtsgrundlage der Anordnung in § 81b 2. Alt. StPO auch dann gesehen, wenn – wie im vorliegenden Fall – der ursprünglich Beschuldigte der sog. Anlasstat zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides seine Beschuldigteneigenschaft verloren hat, weil er im Strafverfahren freigesprochen worden ist (a. A. VG Schwerin, Urt. v. 10.12.2014 – 7 A 1518/14 –, juris, in Abgrenzung zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Greifswald im hiesigen Verfahren).

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Bereits in der Erstanordnung gegen den Kläger vom 11. Januar 2011 ist die erkennungsdienstliche Maßnahme auf § 81b 2. Alt StPO gestützt worden. Diese Vorschrift lautet:

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§ 81b StPO: „Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.“
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Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger noch Beschuldigter der sog. Anlasstat. Nachdem er von dem Vorwurf, diese Tat begangen zu haben, im strafgerichtlichen Verfahren freigesprochen worden war, ist diese Beschuldigteneigenschaft mit der Rechtskraft des Urteils am 30. Januar 2012 entfallen und lag somit zum späteren Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 01. August 2012 nicht mehr vor.

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In der Rechtsprechung ist umstritten, ob die Beschuldigteneigenschaft weiter fortbestehen muss, wenn die Anordnung noch nicht vollzogen worden ist. Fraglich ist insbesondere, ob sie nur zum Zeitpunkt der Anordnung (so OVG Bautzen, Beschl. v. 10.10.2000 – 3 BS 53/00 –, NVwZ-RR 2001, 238) oder auch (noch) zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids (arg. § 79 VwGO) vorhanden sein muss (dafür BayVGH, Urt. v. 09.02.2004 – 24 B 03.695 –, juris; OVG Hamburg, Urt. v. 11.04.2013 – 4 Bf 141/11 –, juris). Mit Beschluss vom 04. November 2013 (– 3 D 50/13 –, juris) hat das OVG Bautzen im Hinblick auf die abweichende Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erklärt, dass diese Frage einer erneuten Überprüfung bedürfe, die nicht im Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe durchentscheiden werden dürfe.

41

Das Bundesverwaltungsgericht hat die vorliegende Frage im Urteil vom 19. Oktober 1982 (– 1 C 29/79 –, BVerwGE 66, 192; juris Rn. 25) noch ausdrücklich offen gelassen. Zwar hat es ausgeführt, dass der Begriff des Beschuldigten nur besage, dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen könne, sondern dass sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgehen und jedenfalls auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten müsse (so auch BVerwG, Beschl. v. 06.07.1988 – 1 B 61/88, NJW 1989, 2640; BVerwG, Urt. v. 06.02.2005 – 6 C 2/05, NJW 2006, 1225). Mit der Beschuldigteneigenschaft wird somit der frühestmögliche Zeitpunkt der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen beschrieben. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob und wenn ja wann spätestens eine solche Anordnung erfolgen kann. Auch ist damit noch nichts darüber gesagt, wann die einmal bestehende Anordnungsmöglichkeit wieder entfallen könnte. Jeder Verurteilte oder Strafgefangene ist zuvor auch Beschuldigter gewesen. Wenn sich § 81b 2. Alt. StPO nicht auf alle ehemaligen Beschuldigten erstrecken soll, ist eine Eingrenzung erforderlich. Zu Recht hat das Bundesverwaltungsgericht deshalb darauf abgestellt, dass die Anordnung während eines „schwebenden“ Ermittlungsverfahrens erfolgen muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.11.1955, BVerwGE 2, 302).

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In einer neueren Entscheidung führt das Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 14.07.2014 – 6 B 2/14 –, NVwZ-RR 2014, 848) zwar aus, dass die Rechtmäßigkeit nicht dadurch berührt (wird), dass der Betroffene nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens und vor dem Vollzug des Verwaltungsaktes die Beschuldigteneigenschaft verliert (so auch schon BVerwG, Urt. v. 19.10.1982 – 1 C 29/79 –, BVerwGE 66, 192; juris Rn. 26). Daraus lässt sich jedoch nicht schlussfolgern, dass der Wegfall der Beschuldigteneigenschaft noch vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens – also vor Erlass des Widerspruchsbescheides – zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme führt. Denn in derselben Entscheidung hebt das Bundesverwaltungsgericht hervor, dass es, soweit es für die Rechtmäßigkeit des Bescheids nach § 81b 2. Alt. StPO auf die Beschuldigteneigenschaft ankommt, nach seiner Rechtsprechung auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids abzustellen sei.

43

Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass § 81b. 2. Alt. StPO als Rechtsgrundlage heranzuziehen ist. Dafür spricht insbesondere der Sinn und Zweck der Norm.

44

Der Wortlaut der Vorschrift des § 81b StPO allein sagt über die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Beschuldigteneigenschaft vorliegen muss, nichts aus. Dem Verwaltungsgericht Greifswald ist deshalb darin zuzustimmen, dass der Wortlaut noch mit einer Auslegung vereinbar ist, dass die Beschuldigteneigenschaft (irgendwann) einmal vorgelegen haben muss (insoweit strenger: OVG Hamburg, Urt. v. 11.04.2013 – 4 Bf 141/11 –, NordÖR 2013, 36, juris Rn. 40, da Ausgangsbescheid und Widerspruchsbescheid eine verfahrensmäßige Einheit bilden würden).

45

„Beschuldigter“ ist eine Person gegen die ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren oder ein Strafverfahren geführt wird. Endet das Strafverfahren, endet auch die Beschuldigteneigenschaft. Mit rechtskräftiger Verurteilung wird der Beschuldigte (im Strafverfahren nach Anklageerhebung: Angeschuldigter bzw. nach Eröffnungsbeschluss: Angeklagter) zu einem Verurteilten. Nach einhelliger Auffassung richtet sich die Anordnung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen gegenüber bereits Verurteilten, insbesondere auch Häftlingen nicht nach § 81b 2. Alt. StPO sondern nach dem Polizeigesetzen der Länder (hier § 31 SOG M-V; vgl. nur Heyen, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht in: Schütz/ Classen, Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern, Studienbuch, 2. Aufl., 2009, Rn. 109 mit Hinweis auf OVG Koblenz, Beschl. v. 17.11.2000 – 11 B 11859/00 –, DöV 2001, 212; Götz, Polizeirecht, Rn. 510 und Rachor, in: Lisken/ Denninger, F, Rn. 425). Daraus folgt jedoch nur, dass eine erkennungsdienstliche Anordnung nicht mehr (erstmals) nach Abschluss des Strafverfahrens erfolgen kann (so auch Schmitt in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO 57. Aufl., § 81b Rn. 7), nicht aber, dass eine bereits während eines laufenden Ermittlungsverfahrens bereits getroffene Anordnung nicht mehr vollzogen werden kann. Gleiches gilt für den Fall eines Einspruchs. Auch hier endet die Beschuldigteneigenschaft.

46

Die historische Auslegung des § 81b StPO gibt nichts her. Die Vorschrift ist durch das Ausführungsgesetz zu dem Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November 1933 (RGBl. I S. 1000) in die Strafprozessordnung eingefügt worden. Auch soweit die Maßnahmen nicht zur Strafverfolgung in einem konkret anhängigen Verfahren sondern zu Zwecken des Erkennungsdienstes angeordnet wurden und damit lediglich vorbeugend der Sicherung der Allgemeinheit dienten, wurden sie zunächst als dem Gebiet der Strafprozessordnung zugehörig eingeordnet, mit der Folge, dass nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der zu den ordentlichen (Straf-)Gerichten eröffnet war (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.11.1955, BVerwGE 2, 302; siehe zur Entstehungsgeschichte auch: Schweckendieck, ZRP 1989, 125; vgl. auch Fugmann, NJW 1981, 2227).

47

Auch die systematische Auslegung der Vorschrift führt nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. Zwar verwendet § 81b StPO einen einheitlichen Beschuldigtenbegriff, obwohl § 81b 1. Alt StPO einerseits und § 81b 2. Alt. StPO andererseits unterschiedlichen Zwecken dienen, nämlich die erstgenannte Vorschrift der konkreten Strafverfolgung der Anlasstat und die zweitgenannte unabhängig von der konkreten Tat der vorbeugenden Strafverfolgung (Strafverfolgungsvorsorge). Daraus könnte zwar gefolgert werden, dass die Anlasstat, wie bei der 1. Alternative, auch für die zweite Alternative noch anhängig sein muss, ob das jedoch nicht nur für die Erstanordnung, sondern auch für den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides gelten soll, lässt sich daraus nicht entnehmen.

48

Auch § 81g StPO, der in Abs. 1 die Entnahme und molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen des Beschuldigten zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren regelt, bietet keinen Aufschluss. Zwar hätte es der Änderung durch Anfügung des dortigen Absatz 4 nicht bedurft (zu dieser Gesetzesänderung: BT-Drs. 15/5674 v. 14.06.2005, S. 4 u. 12), wenn von dem Beschuldigtenbegriff in Abs. 1 auch bereits der später Verurteilte umfasst werden würde. Denn dann wäre die Regelung in Absatz 4, dass die Absätze 1 bis 3 entsprechend gelten, wenn die betroffene Person wegen der Tatrechtskräftig verurteilt worden ist, nicht erforderlich. Entsprechendes würde für die weiteren in Abs. 4 aufgeführten Fälle gelten, nach denen die betroffene Person nur wegen (1) erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit, (2) auf Geisteskrankheit beruhender Verhandlungsunfähigkeit oder (3) fehlender oder nicht auszuschließender fehlender Verantwortlichkeit (§ 3 Jugendgerichtsgesetz) nicht verurteilt worden ist. Ob nach der Systematik dieser Vorschrift ein Beschuldigter, der aus anderen Gründen freigesprochen worden ist oder gegen den das Strafverfahren eingestellt worden ist, bereits unter die Regelung des § 81g Abs. 1 StPO fällt, lässt sich der Norm nicht ohne weiteres entnehmen. Dafür könnte jedoch sprechen, dass nach der Begründung im Gesetzentwurf mit der Änderung hinsichtlich der DNA-Analyse zu Zwecken künftiger Strafverfolgung eine „übersichtliche und einheitliche Gesamtregelung in § 81g“ erfolgen sollte (BT-Drs. 15/5674 v. 14.06.2005, S. 12).

49

Sinn und Zweck der Vorschrift des § 81b StPO sprechen entscheidend (mehr) für die vom Verwaltungsgericht Greifswald vertretene Auffassung. In der 2. Alternative des § 81b StPO werden die erkennungsdienstlichen Maßnahmen nicht für das konkrete Strafverfahren, das gegen den Beschuldigten geführt wird (1. Alt.), sondern „für die Zwecke des Erkennungsdienstes“ angeordnet. Damit reicht der Zweck auch zeitlich über das konkrete Strafverfahren hinaus auf andere mögliche zukünftige Ermittlungsverfahren (Strafverfolgungsvorsorge). Dieser Zweck ist von der Beschuldigteneigenschaft abgekoppelt. Denn in einem (möglichen) zeitlich späteren Ermittlungsverfahren muss der Betroffene nicht mehr Beschuldigter des Anlassverfahrens sein. Sinn und Zweck der Beschuldigteneigenschaft ist somit, nicht zu (irgend)einem beliebigen Zeitpunkt erkennungsdienstliche Maßnahmen gegen den Bürger zu treffen, sondern erst dann, wenn eine gewisse Schwelle überschritten worden ist, nämlich insbesondere die Durchführung eines formellen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Diese Schwelle (Hürde) dient dem Grundrechtsschutz des Betroffenen und beugt willkürlichem Handeln vor.

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Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Schwelle „Beschuldigter“ zu werden, relativ niedrig ist, weil das Ermittlungsverfahren gemäß § 160 Abs. 1 StPO beginnt, sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Strafanzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält. Ein besonderes (formelles) Vorermittlungsverfahren kennt die Strafprozessordnung nicht. Wird eine Strafanzeige gegen einen konkreten Betroffenen erhoben, wird dieser zum Beschuldigten, wenn ihn die Polizei beispielsweise – wie hier – zu einer Beschuldigtenvernehmung lädt. Denn der Verdächtige wird bereits durch eine Maßnahme zum Beschuldigten, die erkennbar darauf abzielt, gegen ihn strafrechtlich vorzugehen (Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 160 Rn. 6). Sollte sich im Rahmen des Ermittlungsverfahrens (schnell) herausstellen, dass der Beschuldigte nicht verurteilt werden kann, darf sich die Widerspruchsbehörde nicht ohne weiteres darauf zurückziehen, dass er (einmal) Beschuldigter gewesen ist.

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Dem könnte dadurch Rechnung getragen werden, dass für die Beschuldigteneigenschaft auch auf den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung abzustellen, zumal nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO Gegenstand der Anfechtungsklage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, ist. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einer Anfechtungsklage ist deshalb grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung abzustellen (OVG Hamburg, Urt. v. 11.04.2013 – 4 Bf 141/11 –, NordÖR 2013, 36, juris Rn. 36). Auch zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides müssten daher alle Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, woran es hinsichtlich der Beschuldigteneigenschaft vorliegend fehlen würde (so auch im Fall des VG Schwerin, Urt. v. 10.12.2014 – 7 A 1518/14 –, juris). Allerdings gilt dieser Grundsatz dann nicht, wenn sich aus dem materiellen Recht etwas Abweichendes ergibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.02.2011 – 8 C 51/09 –, juris Rn. 20). Das ist vorliegend der Fall. Bei Anordnungen nach § 81b 2. Alt. StPO handelt es sich um Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge (BVerwG, Urt. v. 23.11.2005 – 6 C 2/05, NJW 2006, 1225, juris Rn. 18; Schenke, JZ 2006, 707). Da diese der Erforschung und Aufklärung in zukünftigen Ermittlungsverfahren dienen, enthält die Anordnungsentscheidung eine Prognose darüber, ob der Beschuldigte zukünftig in die Ermittlungen einzubeziehen ist, also im Kern eine Abschätzung seines zukünftigen Verhaltens. Damit weist die Vorschrift auch eine Nähe zum „materiellen Polizeirecht“ (vgl. Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 58 Aufl., § 81b Rn. 3) auf; die Anordnung dient „präventiv-polizeilichen Zwecken“. Insgesamt spricht daher mehr dafür, für den maßgeblichen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage – wie beim Gefahrenabwehrrecht allgemein (vgl. nur für den Gefahrenbegriff: Pewerstorf/ Söllner/ Tölle, Praxishandbuch Polizei- und Ordnungsrecht, A Rn. 19) – auf den Zeitpunkt der Erstanordnung und damit auf die ex-ante Sicht der Behörde abzustellen.

52

Da der Erkenntniszweck erst auf ein künftiges – noch unbekanntes – Strafverfahren zielt, würde es für den Grundrechtsschutz des (ehemaligen) Beschuldigten keinen Mehrwert haben, wenn für die Beschuldigteneigenschaft (zusätzlich) auf den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung abzustellen wäre. Der Betroffenen ist vor der Vollziehung der Anordnung, also vor einem Eingriff in seine Grundrechte hinreichend dadurch geschützt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Beurteilung der übrigen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen vor dem Vollzug auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (BVerwG, Urt. v. 19.10.1982 – 1 C 29/79 – BVerwGE 66, 192, juris, 3. Leitsatz), also ohnehin die Veränderung der Sach- und Rechtslage auch nach Erlass eines Widerspruchsbescheides zu beachten ist, insbesondere auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerwG 2005, Rn. 22).

53

Mithin darf die Ermessensentscheidung über die Notwendigkeit der Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen nicht mehr reflexartig an die Beschuldigteneigenschaft anknüpfen, wenn das Strafverfahren zu diesem Zeitpunkt bereits nach §§ 170 Abs. 2 StPO oder §§ 153 ff StPO eingestellt worden ist oder der Beschuldigte freigesprochen wurde. Vielmehr ist gerade aufgrund des Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erforderlich, dass der Ermessensausübung auch dieser Ausgang des Strafverfahrens zugrunde liegt. Ein bloßer Verweis auf die (nicht mehr bestehende) Beschuldigteneigenschaft reicht nämlich nicht aus, um die Notwendigkeit der Maßnahmen zu begründen. Vielmehr muss die Behörde ihre Erwägungen darauf abstellen, ob trotz der Einstellung des Strafverfahrens oder des Freispruchs die Maßnahmen (weiterhin) anzuordnen sind, weil ein Restverdacht geblieben ist. Der Betroffene darf nicht bereits deshalb als potenzieller Rechtsbrecher behandelt werden, weil er sich irgendwie verdächtig gemacht hat oder angezeigt worden ist (Söllner in: Praxishandbuch Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl., 2013, S. 161 Rn. 169). Die Behörde hat ihrer Entscheidung den festgestellten Sachverhalt aus dem Strafverfahren zugrunde zu legen. Hat das Strafgericht beispielsweise den Beschuldigten freigesprochen, weil (positiv) festgestellt worden ist, dass er sich nicht am Tatort aufgehalten hat, darf sie sich nicht auf die Beschuldigteneigenschaft zurückziehen. In einem solchen Fall fehlt es an einem Verdacht der Begehung einer Straftat. Aber auch wenn es an solchen (positiven) Feststellungen im Strafurteil fehlt, darf die Behörde nicht allein an die frühere Beschuldigteneigenschaft anknüpfen, sondern muss ihren Restverdacht konkret auf den jeweiligen Einzelfall bezogen begründen. Diese Begründung darf weder schematisch noch formelhaft oder unspezifisch sein (vgl. BVerfG, Beschl. v. 01.06.2006 – 1 BvR 2293/03 –, juris). Es hängt von einer Würdigung der gesamten Umstände des einzelnen Falles ab, ob wegen der Einstellung von Strafverfahren, die gegen den Betroffenen gerichtet waren, die Anfertigung oder Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen nicht mehr notwendig ist (BVerwG, Urt. v. 19.10.1982 – 1 C 114/79 –, BVerwGE 66, 202, juris Rn. 30).

54

Der Senat brauchte nach alldem nicht mehr zu entscheiden, ob der angeordneten Maßnahme auch die polizeirechtliche Vorschrift des § 31 SOG M-V hätte zugrunde gelegt werden können, auf die sich der Beklagte erstmals und hilfsweise erstinstanzlich berufen hat. Ein Austausch der Rechtsgrundlage wäre zwar möglich, wenn sich das Wesen des angefochtenen Bescheides durch ein Auswechseln der Ermächtigungsgrundlage nicht verändert (so OVG NRW, Beschl. v. 05.08.2015 – 5 A 990/14 –, juris, für den umgekehrten Fall des Austauschs der polizeirechtlichen Vorschrift im Bescheid gegen § 81b 2. Alt StPO). Auch dürfte die Vorschrift des § 31 SOG M-V wohl auch zum Zwecke der Strafverfolgungsvorsorge und nicht nur für spezialpräventive Zwecke anwendbar sein. Denn die bundesrechtliche Regelung des § 81b 2. Alt. StPO fußt auf der konkurrierenden Gesetzgebung aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Dass der Bundesgesetzgeber mit dieser Vorschrift auch die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen außerhalb eines laufenden Strafverfahrens ausschließen wollte, ist nicht ersichtlich (für die Zulässigkeit von landesrechtlichen Polizeigesetzen auch Schmitt in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO 58. Aufl., § 81b Rn. 4; Schenke: Die Rechtsnatur einer erkennungsdienstlichen Maßnahme gem. § 81b Alt. 2 StPO, JZ 2006, 707, 708). Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang „ergänzend bemerkt“ dass der Landesgesetzgeber mit den Vorschriften der §§ 36, 37 SOG M-V (für die Erhebung, Speicherung und Weiterverarbeitung von Daten für präventiv-polizeiliche Zwecke im Zusammenhang mit § 81b 2. Alt. StPO) nicht gegen die Gesetzgebungszuständigkeit aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG verstoßen habe (OVG M-V, Beschl. v. 04.03.2003 – 3 M 30/03 –, NordÖR 2003, 252, juris Rn. 24 mit Hinweis auf LVerfG M-V, Urt. v. 18.05.2000 – LVerfG 5/98).

2.

55

Die beklagte Behörde hat vorliegend auch zu Recht einen „Restverdacht“ gegen den Kläger trotz seines Freispruches im Strafverfahren angenommen.

56

Zunächst steht die im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Unschuldsvermutung, die kraft Art. 6 Abs. 2 MRK auch Bestandteil des positiven Rechts in der Bundesrepublik Deutschland ist, der Aufrechterhaltung der Anordnung nicht entgegen (BVerfG, Beschl. v. 16.05.2002 – 1 BvR 2257/01 –, NJW 2002, 3231 zur Speicherung). Die Feststellung des Tatverdachtes ist etwas substantiell anderes als eine Schuldfeststellung (BVerfG, a. a. O., juris Rn. 9). Im Falle eines Freispruchs (oder der Verfahrenseinstellung) bedarf es daher der Überprüfung, ob noch Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen, die eine Fortdauer der Speicherung (hier der Anordnung) zu präventiv-polizeilichen Verbrechensbekämpfung rechtfertigen. Weitere Voraussetzung ist die Wiederholungsgefahr (BVerfG, Beschl. v. 16.05.2002 – 1 BvR 2257/01 –, NJW 2002, 3231).

57

Allerdings kann nicht schematisch ein bei einem Freispruch oder einer Einstellung des Verfahrens verbleibender Restverdacht genügen. Denn Aufgabe des Strafverfahrens ist es nicht die Unschuld des Beschuldigten festzustellen, sondern seine Schuld. Auch würde allein der Bezug auf die Anlasstat als Sexualstraftat nicht ausreichen, da eine lediglich formelhafte und unspezifische Begründung für das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, dass bei Sexualstraftätern eine weit überdurchschnittliche Gefahr einer zukünftigen Straftat bestehe, nicht den aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG folgenden Anforderungen genügt. Es ist vielmehr ein hinreichender Bezug zu den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Gründe für die Einstellung des Verfahrens erforderlich (BVerfG, Beschl. v. 01.06.2006 – 1 BvR 2293/03 –, juris). Für die Annahme eines Restverdachts ist ein nach Würdigung der gesamten belastenden und entlastenden Umstände fortbestehender Tatverdacht zu fordern (OVG Lüneburg, Urt. v. 20.11.2014 – 11 LB 15/14 –, juris).

58

Im vorliegenden Fall gibt es aufgrund des Freispruchs keinen gerichtlich im Strafurteil „festgestellten“ Sachverhalt hinsichtlich einer Straftat. Der weitere Verdacht gegen den Kläger kann sich daher nur auf die Beweismittel – hier Zeugen und „Urkunden“ – stützen, soweit sie im Strafverfahren oder Verwaltungsverfahren erhoben worden sind. Es bedarf hier für die Annahme eines „Rest“verdachts keiner strafrechtlichen Gesamtwürdigung dahingehend, ob der Kläger – mit welcher Wahrscheinlichkeit auch immer – der Tat überführt ist. Andererseits kann die nur theoretische Möglichkeit der Tatbegehung ohne das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte einen Restverdacht nicht begründen (OVG Lüneburg, Urt. v. 20.11.2014 – 11 LB 15/14 –, juris Rn. 38). Maßstab ist vielmehr, ob der Kläger auch nach Beendigung des Strafverfahrens durch Freispruch aufgrund der vorliegenden Beweismittel ernsthaft als Täter in Betracht kommt. Bei der gerichtlichen Überprüfung der im Rahmen der Anordnung nach § 81b 2. Alt. StPO zu treffenden Prognose geht die Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v.19.10.1982 – 1 C 114/79 –, BVerwGE 66, 202-206; OVG Bautzen, B. v. 29.01.2010 – 3 D 91/08 –, juris; siehe auch Rachor in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E Rn. 413 f.), der sich der Senat angeschlossen hat (OVG M-V, Beschl. v. 04.03.2003 – 3 M 30/03 –, juris; Beschl. v. 16.02.2015 – 3 O 96/14 –, unveröffentlicht; Beschl. v. 08.04.2014 – 3 O 15/14 –, unveröffentlicht), von dem Grundsatz aus, dass die gerichtliche Kontrolle der Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Maßnahme sich darauf beschränkt, ob die nach kriminalistischer Erfahrung anzustellende Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist; hierfür sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Art, Schwere und Begehrungsweise der dem Beschuldigten zur Last gelegten Straftaten, seine Persönlichkeit und der Zeitraum, während dessen er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, als Anhaltspunkt für die Annahme heranzuziehen, ob er künftig oder gegenwärtig mit guten Gründen in den Kreis Verdächtigter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden darf.

59

Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung der Polizeibehörde, erkennungsdienstliche Maßnahmen gegen den Kläger weiterhin – auch nach seinem Freispruch im Strafverfahren – anzuordnen, nicht zu beanstanden. Hierzu hat die Polizeibehörde im Widerspruchsverfahren am 18. Juli 2012 vermerkt:

60

„Nach Einschätzung des KHK M. als Ermittlungsbeamten sprach sowohl das Verhalten des Kindes ... wie auch das des Beschuldigten während der Vernehmung für die Verwirklichung der Tat, sodass weiterhin erhebliche Verdachtsmomente gegen den o. g. Beschuldigten bestehen.“

61

Zudem hat sich die Behörde auf die Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft vom 17.02.2011 gestützt. Darin heißt es:

62

„Die Aussage des Kindes erscheint glaubhaft. Sie enthält keine Belastungstendenzen u. ist eher gekennzeichnet durch Zurückhaltung, da offensichtlich für ihn unangenehm/peinlich ist.“

63

Gegen diese Bewertung ist nichts zu erinnern. Denn sie stützt sich auf die im Strafverfahren vorhandenen Beweismittel. In der mündlichen Verhandlung im Strafverfahren vor dem Jugendrichter wurde der von dem Kind ... geschriebene Zettel

64

„Er hat mir den Schnidel gezeigt. Dann hat er noch mein Schnidel angefaßt. Ich sollte dann sein“

65

verlesen. Danach hat es eine sexuelle Handlung gegeben, von der das Kind vor der Polizei ausgesagt hat, dass sie von dem Kläger vorgenommen worden sei. In seiner polizeilichen Zeugenvernehmung vom 14. Januar 2011 hat das Kind ergänzend ausgesagt:

66

„Er ( A.) hat seinen Puller rausgestreckt und dann sollte ich das auch machen.“

67

Zudem hat das Kind die Fragen

68

„Hat er deinen Puller angefasst?“,

69

„Solltest du seinen auch anfassen?“

70

und

71

„Hast du das gemacht?“

72

alle bejaht.

73

In der von der Behörde vorgenommenen Gesamtwürdigung sprechen neben der Aussage des Kindes selbst auch die Angaben der Kindesmutter über die (Persönlichkeits-)Veränderungen ihres Sohns und über den Hergang, wie es dazu kam, dass der Zettel geschrieben worden ist, dafür, dass es eine sexuelle Handlung gegeben hat. Aus der vom Senat beigezogenen Strafakte der Staatsanwaltschaft Stralsund (526 Js 1807/11; Amtsgericht Ribnitz-Damgarten 6 Ds 150/11; Landgericht Stralsund 25 Ns 82/11) geht hervor, dass die Mutter des ..., ..., in ihrer Strafanzeige vom 10. Dezember 2010 angegeben hat, sie sei durch Lehrer des ... angesprochen und darauf hingewiesen worden, dass sich das Kind verändert habe. Ihr sei angeraten worden, mit ihm zu einem Psychologen zu gehen. Sie habe am Vorabend von ihrem Sohn erfahren wollen, warum er sich so verändert habe. Der Junge habe sich aber nicht erklären wollen und angegeben, dass er nichts sagen könne; er könne auch nicht „auf seine Oma und seinen Opa schwören, dass nichts sei“. Auf die Bitte der Mutter es aufzuschreiben, habe das Kind den o. g. Zettel geschrieben.

74

Die Polizei hat aufbauend auf diesem Sachverhalt aus dem Verhalten des Klägers auf eine erhebliche kriminelle Energie, Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Opfer und Neigung zur Begehung derartiger Straftaten geschlossen, welche die Annahme rechtfertigten, dass er auch in Zukunft in diesem Deliktsfeld in Erscheinung treten werde. Dabei hat die Polizei auch den Umstand berücksichtigt, dass der Kläger erstmals Beschuldigter eines Ermittlungsverfahrens wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern sei. Diesen jedoch nicht für ausschlaggebend gehalten, weil es sich bei dem sexuellen Missbrauch von Kindern regelmäßig – jedenfalls wenn keine Therapie erfolgreich durchgeführt werde – um ein typisches Wiederholungsdelikt mit hoher Rückfallwahrscheinlichkeit handele.

75

Diese Würdigung ist für den Senat ohne weiteres nachvollziehbar. Da es sich um den Verdacht einer Tat im unmittelbaren Nachbarschaftsverhältnis handelte, die zudem im Hauskeller, heimlich und mehrfach gegenüber einem Kind als „schwachem“ Opfer erfolgt sein soll, das weder körperlich noch geistig oder seelisch in seiner Sexualität ausgereift Ist. Über die möglicherweise schwerwiegenden Folgen in der kindlichen Entwicklung des Opfers hat sich der insoweit noch verdächtige Kläger rücksichtslos hinweggesetzt.

II.

76

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

77

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.2 VwGO.

78

Einer Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren bedurfte es nicht, da diese Kosten aufgrund der Berufungszurückweisung nicht erstattungsfähig sind (§ 162 Abs. 2 VwGO).

79

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 u. Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

80

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 GKG i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.

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(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, bei Gefahr im Verzug auch, die Auskunft zu verlangen, sowie Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln.

(2) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes übersenden ihre Verhandlungen ohne Verzug der Staatsanwaltschaft. Erscheint die schleunige Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen erforderlich, so kann die Übersendung unmittelbar an das Amtsgericht erfolgen.

(3) Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften des Sechsten Abschnitts des Ersten Buches entsprechend. Die eidliche Vernehmung bleibt dem Gericht vorbehalten.

(4) Die Staatsanwaltschaft entscheidet

1.
über die Zeugeneigenschaft oder das Vorliegen von Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechten, sofern insoweit Zweifel bestehen oder im Laufe der Vernehmung aufkommen,
2.
über eine Gestattung nach § 68 Absatz 3 Satz 1, Angaben zur Person nicht oder nur über eine frühere Identität zu machen,
3.
über die Beiordnung eines Zeugenbeistands nach § 68b Absatz 2 und
4.
bei unberechtigtem Ausbleiben oder unberechtigter Weigerung des Zeugen über die Verhängung der in den §§ 51 und 70 vorgesehenen Maßregeln; dabei bleibt die Festsetzung der Haft dem nach § 162 zuständigen Gericht vorbehalten.
Im Übrigen trifft die erforderlichen Entscheidungen die die Vernehmung leitende Person.

(5) Gegen Entscheidungen von Beamten des Polizeidienstes nach § 68b Absatz 1 Satz 3 sowie gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 und 4 kann gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 zuständige Gericht beantragt werden. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten jeweils entsprechend. Gerichtliche Entscheidungen nach Satz 1 sind unanfechtbar.

(6) Für die Belehrung des Sachverständigen durch Beamte des Polizeidienstes gelten § 52 Absatz 3 und § 55 Absatz 2 entsprechend. In den Fällen des § 81c Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt § 52 Absatz 3 auch bei Untersuchungen durch Beamte des Polizeidienstes sinngemäß.

(7) § 185 Absatz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in der Höhe von elf Zehnteln des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine polizeiliche Verfügung, mit der die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zur Erkennungsdienst-Vorsorge angeordnet wurde.

2

Er ist 198… in A-Stadt geboren und ledig und wohnt seit einiger Zeit in verschiedenen Wohnungen in der A-Städter C- oder D-Stadt; berufstätig ist er als Krankenpflegehelfer. In Strafermittlungsverfahren der A-Städter Polizei und … Staatsanwaltschaft trat er bis zum Ergehen der angegriffenen Verfügung wie folgt in Erscheinung:

3

(1.) Am 23. Februar 2012 wurde er vom Ehepaar E. wegen Körperverletzung und Beleidigung bei der Polizei angezeigt (Vorgangsnr. …/000692/02/12). Die Staatsanwaltschaft …, an die der Vorgang am 10. April 2012 abgegeben wurde, stellte bei Bejahung eines für eine Anklageerhebung hinreichenden Tatverdachts das Verfahren gegen den Kläger, der strafrechtlich zuvor nicht in Erscheinung getreten sei, mit Verfügung vom 14. April 2012 – … Js 10113/12 – bei Anordnung einer Geldauflage von 200 € gemäß § 153a der Strafprozessordnung – StPO – vorläufig und, nach wegen Umzugs leicht verzögerter Zahlung des Klägers, mit Verfügung vom 27. Juli 2012 endgültig ein.

4

(2.) Ende Januar 2014 zeigte die Fa. G. GmbH bei der Polizei als Betrug an (Vorgangsnr. …/000015/02/14), dass der Kläger am 27. September 2013 im A-Stadt-Her „I-Markt“ eine Karten-Lastschrift-Zahlung von 71,99 € vorgenommen habe, die mangels Deckung des klägerischen Kontos nicht abgewickelt worden sei. Am 10. Juni 2014 belegte der Kläger der Polizei gegenüber, die ihm auf Nachfrage eine Bankverbindung zum Ausgleich des Fehlbetrags hatte nachweisen lassen, die Abbuchung des Betrags zuzüglich der geforderten Ermittlungsspesen und Zinsen von seinem Konto. Die Staatsanwaltschaft …, an die der Vorgang am 12. Juni 2014 abgegeben wurde, stellte das Verfahren mit Verfügung vom 23. Juni 2014 – … Js 14769/14 – mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.

5

(3.) Zwischenzeitlich war am 3. Juni 2014 bei der Polizei durch Frau J., mit der und deren Tochter K. der Kläger bis zum Vortag zusammen gewohnt hatte, die als Nötigung verfolgte „Anlasstat“ der streitgegenständlichen Verfügung angezeigt worden (Vorgangsnr. …/ 000085/06/14). Die Staatsanwaltschaft …, an die der Ermittlungsvorgang am 4. Juli 2014 abgegeben worden war, stellte mit Verfügung vom 11. Juli 2014 – … Js 16806/14 – das Verfahren nach § 153 Abs. 1 StPO ein.

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Bei seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung am 3. Juli 2014 hatte der Kläger bestritten, die Herausgabe eines Laptops der Frau J. gefordert und versucht zu haben, sich durch heftiges Klopfen an die Fensterscheibe der Wohnung J. dort Einlass zu verschaffen; er wolle sich dazu nicht äußern und einen Verteidiger hinzuziehen. Mit der Begründung, der Kläger sei nicht zum ersten Mal polizeilich negativ in Erscheinung getreten, hatte daraufhin die vernehmende Beamtin laut dem Protokoll mündlich „die erkennungsdienstliche Maßnahme an [seiner] Person“ gemäß § 81b Var. 2 StPO angeordnet; der Kläger hatte entsprechend einer ihm erteilten Belehrung seinen Widerspruch zu Protokoll gegeben. Der Beklagte wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2014 kostenfrei als unbegründet zurück. In den Gründen des Widerspruchsbescheids wurden u. a. die prognostische Notwendigkeit und Eignung der Maßnahme, die in der Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, der Fertigung von Lichtbildern, von Messungen und der Anfertigung einer Personenbeschreibung bestehen werde, zur Strafverfolgungsvorsorge und zur Verhütung künftiger Straftaten erörtert.

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Mit der Klage vom 20. August 2014 verfolgt der Kläger sein Anfechtungsbegehren weiter. Die getroffene Anordnung sei unverhältnismäßig, zumal er in allen drei Ermittlungsverfahren von Anfang an bekannt gewesen sei. Er beantragt,

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die Anordnung zur erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 81b 2. Alternative StPO des Kriminalkommissariats A-Stadt vom 3. Juli 2014 in Form des Widerspruchsbescheides des beklagten Polizeipräsidiums vom 11. August 2014 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt

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Klageabweisung

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und verteidigt die getroffene Anordnung in Gestalt des Widerspruchsbescheids. Dessen Erlass erst nach Abschluss des letzten seinerzeit offenen Strafermittlungsverfahrens sei unschädlich; es komme für die Anwendung von § 81b Var. 2 StPO nur darauf an, ob der Betroffene zur Zeit der Anordnung Beschuldigter in einem Strafverfahren gewesen sei, da damit die gesetzlich geforderte Anknüpfung an ein Strafverfahren vorliege und es Zufall sei, ob dieses bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids beendet sei oder noch nicht. Bei abweichender rechtlicher Beurteilung hätte die Anordnung auf § 31 des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes – SOG M-V – gestützt werden können und sei entsprechend umzudeuten. Die Richtigkeit der der Anordnung zugrunde liegenden Prognose bestätige eine gegenwärtig in Bearbeitung befindliche neue Anzeige (4.) von Frau J. vom 4. November 2014 (Vorgangsnr. …/000098/11/14), wonach der Kläger ihr ständig unbefugt nachstelle, indem er, auch durch ruhestörende nächtliche Anrufe und Klopfen an das Wohnungsfenster, trotz von ihr im Juni 2014 vollzogenem Kontaktabbruch Kontakt zu ihr und ihrer Tochter suche. Frau J. habe der Polizei angeboten, auf ihrem Telefon gespeicherte SMS und Anrufe zur Verfügung zu stellen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Hinweisschreiben des Berichterstatters vom 1. September 2014 Bezug genommen, ferner auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die von der Staatsanwaltschaft … beigezogenen Ermittlungsvorgänge.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet und daher abzuweisen.

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Die angegriffene Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers unterliegt nicht der beantragten gerichtlichen Aufhebung nach § 113 Abs. 1 Satz 1 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –, denn die in ihr getroffene Regelung ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt (daher) den Kläger nicht in seinen Rechten.

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Sie war allerdings nicht auf § 81b StPO zu stützen. In der hier maßgeblichen 2. Variante („Soweit es […] für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.“) ermöglicht die Vorschrift zwar Maßnahmen, die außerhalb einzelner anhängiger Strafermittlungsverfahren allgemein der Vorsorge für die der Polizei zugewiesenen Aufgaben bei der Strafverfolgung dienen und für deren Anordnung, hier durch seine Dienststelle Kriminalkommissariat A-Stadt, der Beklagte als örtliche Polizeibehörde zuständig ist (§ 163 Abs. 1 Satz 1 StPO, § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Polizeiorganisationsgesetzes, § 1 Abs. 2 der Polizeipräsidien-Zuständigkeitsverordnung).

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Zu den zentralen Voraussetzungen der Ermächtigung in § 81b StPO gehört jedoch der Umstand, dass der von der angeordneten Maßnahme Betroffene Beschuldigter ist, dass also aufgrund Willensentscheidung der zuständigen Behörden mindestens ein Verfahren mit dem Gegenstand eines gegen ihn gerichteten Vorwurfs einer Straftat aktuell betrieben wird (vgl. zum — gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten — Begriff des Beschuldigten im Sinne der StPO nur Fischer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., Einleitung Rdnr. 298 f.). Die formelle Beschuldigten-Eigenschaft des Klägers fiel zwischen dem Erlass der ursprünglichen Anordnung vom 3. Juli 2014 und der Zurückweisung des klägerischen Widerspruchs am 11. August 2014 fort, weil nämlich bereits mit staatsanwaltschaftlicher Verfügung vom 11. Juli 2014 das Strafverfahren wegen des einzigen zur Zeit der Anordnung anhängigen Strafermittlungsverfahrens (3.), der „Anlasstat“ einer versuchten Nötigung, endgültig eingestellt wurde. Zur Zeit der Entscheidung über den Widerspruch fehlte es daher an der tatbestandlich vorgesehenen Anknüpfung der Anordnung an eine besondere strafverfahrensrechtliche Position des Betroffenen, denn es war auch kein weiteres Strafermittlungsverfahren „an die Stelle“ desjenigen zur „Anlasstat“ getreten. Welche Konsequenzen dies für die Zulässigkeit einer auf § 81b Var. 2 StPO gestützten Anordnung im Stadium der Entscheidung über einen Widerspruch hat, ist in der Rechtsprechung umstritten.

17

Höchstrichterlich geklärt ist dabei allerdings, dass der spätere Wegfall der Beschuldigten-Eigenschaft die Rechtmäßigkeit einer nach § 81b Var. 2 StPO getroffenen Anordnung nicht entfallen lässt. Zwar ist die Rechtmäßigkeit der Anordnung, d. h. das Vorliegen der hierfür notwendigen Voraussetzungen, bezogen auf den Zeitpunkt der Umsetzung der Anordnung zu prüfen (vgl. das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – vom 19. Oktober 1982 – 1 C 29.79 –, amtliche Entscheidungssammlung BVerwGE Bd. 66, S. 192 [197], und dessen Beschluss vom 14. Juli 2014 – 6 B 2.14 –, juris Rdnr. 5), d. h. bei einem erst künftigen Vollzug, wie im Streitfall, bezogen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Es genügt jedoch, wenn das Anknüpfungsmoment für die Duldungspflicht des Betroffenen lediglich im Zeitpunkt der Anordnung selbst vorliegt (s. die Urteile des BVerwG vom 19. Oktober 1982, a. a. O. S. 195, und vom 23. November 2005 – 6 C 2.05 –, juris Rdnr. 20 m. w. N.); denn dass eine erkennungsdienstliche Behandlung nach der Vorschrift nur gegen einen Beschuldigten angeordnet werden darf, besagt lediglich, dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen kann, sondern dass sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgehen und jedenfalls auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten muss (BVerwG, Beschluss vom 23. November 2005, a. a. O.).

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Nicht geklärt ist jedoch durch die für das erkennende Gericht „divergenzfähigen“ Gerichte, ob die Beschuldigten-Eigenschaft des Betroffenen noch vorliegen muss, wenn der die Anordnung bestätigende zurückweisende Widerspruchsbescheid ergeht, wenn also eine, in Mecklenburg-Vorpommern dieselbe, Behörde mit der Frage des rechtmäßigen Erlasses der Anordnung noch befasst ist und diese die für die gerichtliche Überprüfung maßgebliche (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) Gestalt erhält. Für den Fall des Wegfalls der Beschuldigten-Eigenschaft im Widerspruchsverfahren ließ das BVerwG diese Rechtmäßigkeits-Frage ausdrücklich offen (Urteil vom 19. Oktober 1982, a. a. O. S. 195).

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Der Fortfall der Beschuldigten-Eigenschaft im Widerspruchsverfahren soll irrelevant sein gemäß dem Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. Oktober 2000 – 3 BS 53/00 – (NVwZ-RechtsprechungsReport – NVwZ-RR – 2001, S. 238), weil der gesetzgeberischen Entscheidung, Anordnungen nach § 81b Var. 2 StPO an die Beschuldigten-Eigenschaft des Betroffenen anknüpfen zu lassen, auch dann genügt sei, wenn diese im Verlaufe des Verfahrens fortfalle; dieser Verlauf unterscheide sich nicht wesentlich von einem späteren Fortfall der Beschuldigten-Eigenschaft. Dieser Auffassung folgten die Verwaltungsgerichte – VGe – Karlsruhe (Urteil vom 20. Januar 2005 – 9 K 3600/03 – (V. n. b., angeführt in der nachfolgend zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg – VGH BW –) und Greifswald (Urteil vom 2. Juli 2013 – 2 A 1261/12 –, V. n. b., S. 8 d. UA, Berufung zum Aktenzeichen 3 L 146/13 des Oberverwaltungsgerichts für das Land Mecklenburg-Vorpommern – OVG M-V – anhängig): Es sei mit dem Wortlaut der Vorschrift des § 81b Var. 2 StPO noch vereinbar, lediglich zu fordern, dass der Betroffene „einmal“ Beschuldigter gewesen sei.

20

Gegen die Irrelevanz des Fortfalls der Beschuldigten-Eigenschaft im Widerspruchsverfahren sprachen sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof – BayVGH – (Urteil vom 9. Februar 2004 – 24 B 03.695 –, juris Rdnr. 13 ff.), der VGH BW (Urteil vom 7. März 2007 – 1 S 1170/05 – Beck’sche Rechtsprechungssammlung 2008, Nr. 39409), das VG Hamburg (Urteil vom 31. Mai 2011 – 11 K 1333/10 –, juris Rdnr. 33ff.) und das Hamburgische Oberverwaltungsgericht – HmbOVG – (Urteil vom 11. April 2013 – 4 Bf 141/11 –, Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland – NordÖR – 2014, S. 36 [37 f.]) sowie das VG Freiburg (Urteil vom 17. Oktober 2013 – 4 K 2191/12 –, juris Rdnr. 22 ff.) aus. Ausgangs- und Widerspruchsverfahren bildeten eine Einheit; die rechtliche Prüfung der Anordnung beziehe sich auf die Gestalt, die sie, etwa durch neue Tatbestandsfeststellungen sowie Begründungs- oder Ermessenserwägungen, im Widerspruchsverfahren erhalte, während dessen die befasste Behörde auch das Fortbestehen aller rechtlichen Voraussetzungen des angegriffenen Verwaltungsakts bis zu ihrer Entscheidung über den Widerspruch zu prüfen gehabt habe. Die Beschuldigten-Eigenschaft des Betroffenen stelle nicht nur eine einmal zu überwindende „Schwelle“ für den Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte dar; die Regelung des § 81b StPO nehme auch in anderen Konstellationen — etwa bei kurz vor der Möglichkeit zur Anordnung erkennungsdienstlicher Behandlung eingetretener Rechtskraft einer Verurteilung — in Kauf, dass trotz vorhandenem Bedürfnis keine erkennungsdienstliche Maßnahme hierauf gestützt werden könne.

21

Dieser letztgenannten Auffassung schließt die erkennende Kammer sich an. Die Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen in § 81b StPO gibt nämlich keine Handhabe für die Annahme, dass ein zentrales Tatbestandsmerkmal, die den Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen erst legitimierende Anhängigkeit eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen ihn, nicht in allen Abschnitten des — durch den Widerspruch „gestreckten“ — behördlichen Verfahrens auf Erlass der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erfüllt sein soll. Solange die Polizei — wegen des Widerspruchs mehrfach — mit der Frage befasst ist, ob sie zur Vorsorge für die Aufklärung künftiger Straftaten hierfür geeignete personenbezogene Daten bei einem bereits gegenwärtig einer Straftat Beschuldigten erheben soll, muss sie im Blick behalten, ob die betroffene Person ihr in der den Eingriff formell legitimierenden „exponierten“ Weise zur Verfügung steht. Die vom Beklagten angeführte Problematik der Verwaltungspraktikabilität — der Zeitpunkt der verfahrensabschließenden Entscheidungen der Staatsanwaltschaft sei für die Polizei kaum vorauszusehen oder zu beeinflussen — dürfte zwar kaum, wie das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (a. a. O. S. 38) offenbar meint, dadurch zu lösen sein, dass die Polizei im Widerspruchsverfahren nur ihr selbst vorliegende Erkenntnisse zum Stand des wegen der „Anlasstat“ geführten Strafverfahrens (oder gleichzeitig geführter Ermittlungsverfahren) berücksichtigen müsse, denn es handelt sich nicht um eine dringliche Gefahreneinschätzung im Bereich der präventiven Polizeitätigkeit, sondern um die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Einbeziehung einer förmlich beschuldigten Person in vorbereitende Vorkehrungen zu künftigen Strafverfolgungsmaßnahmen, die die Polizei in Abstimmung mit den Staatsanwaltschaften vornehmen kann, denen sie im Bereich ihrer repressiven justizunterstützenden Tätigkeit auch sonst zuarbeitet. Jedenfalls bei Bearbeitung der nicht überaus zahlreichen Widersprüche auf dem Gebiet der Erkennungsdienstvorsorge hält die Kammer die — fernmündliche oder EDV-unterstützte — Ermittlung eines aktuellen Verfahrensstands zur Zeit der Widerspruchsentscheidung für zumutbar. Noch leichter dürfte der Polizei mit ihrem eigenen Datenbestand die Feststellung fallen, ob denn in diesem Zeitpunkt, sofern das Verfahren über die ursprüngliche „Anlasstat“ bereits beendet ist, an dessen Stelle ein aktuell anhängiges neues Strafermittlungsverfahren gegen den dann „auch“ oder „wieder“ Beschuldigten getreten ist, was nach Auffassung der Kammer zur Ausfüllung der Ermächtigungsgrundlage des § 81b StPO ausreicht (s. das Urteil vom 21. November 2013 – 7 A 550/13 –, n. v., S. 5 f. d. UA).

22

Die angefochtene Anordnung lässt sich jedoch auf § 31 Abs. 1 Satz 2 SOG M-V stützen, wie es auch der Beklagte vertritt, der eine Umdeutung seiner laut den Normzitaten in den gegebenen Begründungen ausdrücklich auf § 81b Var. 2 StPO gestützten Anordnung in eine solche nach Landespolizeirecht anregt. Nach der genannten Vorschrift dürfen Polizeivollzugsbeamte die zur Verhütung oder Aufklärung einer künftigen Straftat erforderlich erscheinenden erkennungsdienstlichen Maßnahmen (Beispielkatalog in Absatz 2; Ausführung durch die Polizei, Absatz 1 Satz 3) anordnen, wenn die betroffene Person verdächtig ist, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, und wenn wegen der Art oder Ausführung der Handlung die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten besteht.

23

Grundsätzlich hat das Verwaltungsgericht bei der Prüfung des mit der Anfechtungsklage geltend gemachten prozessualen Aufhebungsanspruchs nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in den Blick zu nehmen, ob der angegriffene Verwaltungsakt sich nicht etwa nach anderen als den in der behördlichen Begründung angegebenen Rechtsgrundlagen als rechtmäßig erweist, soweit die veränderte rechtliche Begründung nicht zu einer Wesensveränderung der streitgegenständlichen behördlichen Entscheidung führt (vgl. die Urteile des BVerwG vom 21. November 1989 – 9 C 28.89 –, bei Buchholz Nr. 5 zu § 10 des Asylverfahrensgesetzes von 1982 [402.25], und vom 27. Januar 1982 – 8 C 12.81 –, BVerwGE Bd. 64, S. 356 [357 f.], jew. m. w. Nachw.). Dies führt vorliegend zur Abweisung der Klage, da die angegriffene Anordnung formell und materiell rechtmäßig auf diese Vorschrift gestützt werden kann.

24

Die sinngemäße bescheidliche Regelung, dass der Kläger die Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen zu dulden hat, ist insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne von § 37 Abs. 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes, jedenfalls nachdem zu Protokoll des Gerichts zulässigerweise (vgl. den Beschluss des BVerwG vom 21. Juni 2006 – 4 B 32.06 –, NVwZ-RR 2006, S. 589, und die Urteile der VGe Hamburg vom 27. März 2007 – 10 K 1162/06 – juris Rdnr. 21, und Aachen vom 17. Februar 2010 – 6 K 224/ 09 –, juris Rdnr. 24) beklagtenseits festgelegt worden ist, dass die Maßnahmen in der Fertigung elektronisch zu erfassender fünfteiliger Lichtbilder und elektronisch aufzunehmender Finger- und Handflächenabdrücke (lifescan) sowie in der Erstellung einer Personenbeschreibung bestehen sollen. Ob es an dieser Bestimmtheit zuvor fehlte (vgl. auch den Fall des VG Osnabrück gemäß dessen Beschluss vom 6. August 2003 – 2 B 18/03 –, juris Rdnr. 19, dagegen die Annahme des VG Neustadt im Urteil vom 17. September 2004 – 7 K 1672/04.NW –, juris Rdnr. 22, dass die der Allgemeinheit ohne weiteres geläufigen „Standardmaßnahmen“ nach den in der Gesetzesvorschrift des § 81b StPO aufgeführten Beispielen hinreichend konkret bezeichnet seien) kann danach ebenso offenbleiben wie die Frage, ob insoweit eine „Heilung“ bereits durch die in der Begründung des Widerspruchsbescheids enthaltenen Hinweise erfolgte (was gemäß dem Beschluss des VG Dresden vom 11. November 2004 – 14 K 2060/04 –, juris Rdnr. 29, zulässig gewesen wäre) oder ob die bescheidliche Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen allgemein noch ergänzende mündliche Anordnungen im Rahmen ihrer Durchführung ermöglicht (vgl. dazu den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts – NdsOVG – vom 5. Februar 2004 – 11 ME 271/03 –, juris Rdnr. 7). Die Anordnung durfte auch zwecks bestandskraftfähiger Regelung der grundsätzlichen Zulässigkeit dieser Maßnahmen ohne Bestimmung von Zeit und Ort ihrer Durchführung ergehen; dies entspricht sonst der häufigen Praxis des Beklagten, bereits erfolgte Vorladungen sich im Verlauf von Widerspruchsverfahren erledigen zu lassen. Eine Vorladung des Klägers kann der Beklagte nach § 50 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V nachholen.

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Allerdings ist es umstritten, ob und inwieweit angesichts des Vorhandenseins der bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung der Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen zur Strafverfolgungsvorsorge in § 81b Var. 2 StPO noch Raum für eine entsprechende landesrechtliche Ermächtigungsvorschrift verbleibt, deren Wirksamkeit nicht durch Art. 31 oder Art. 72 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 des Grundgesetzes in Frage gestellt wird (für Vorrang und Sperrwirkung des Bundesgesetzes sprachen sich etwa der BayVGH in seinem Urteil vom 9. Februar 2004 – 24 B 03.695 –, juris Rdnr. 14,und das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im Beschluss vom 17. November 2000 – 11 B 11859/00 –, NVwZ-RR 2001, S. 238, aus, für landesgesetzgeberische Handlungsbefugnisse auch auf dem Gebiet der Strafverfolgungsvorsorge dagegen mit unterschiedlichen Ansätzen etwa der VGH BW im Urteil vom 7. März 2007 – 1 S 1170/05 –, a. a. O., und das HmbOVG im Urteil vom 11. April 2013 – 4 Bf 141/11 –, a. a. O. S. 40 f., das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes – OVGSaar – im Beschluss vom 7. August 2013 – 3 A 295/13 –, juris Rdnr.14 ff., und das VG Freiburg im Urteil vom 17. Oktober 2013 – 4 K 2191/12 –, juris Rdnr. 34 ff.). Diese Problematik betrifft indessen lediglich die zweite Variante von § 31 Abs. 1 Satz 2 SOG M-V, mit der Vorkehrungen zur Aufklärung einer künftigen Straftat gestattet werden, und braucht hier nicht entschieden zu werden.

26

Denn im Streitfall erging die angegriffene Anordnung jedenfalls als Maßnahme zur Verhütung einer künftigen Straftat im Sinne der ersten Variante des § 31 Abs. 1 Satz 2 SOG M-V rechtmäßig. Diese Variante der Ermächtigungsvorschrift stellt unbedenklich eine gesonderte Rechtsgrundlage für die Anordnung erkennungsdienstlicher Behandlungen Betroffener dar, die, unabhängig von künftigen repressiv-strafverfolgenden Zwecken, allein präventiv-gefahrenabwehrende Maßnahmen dieser Art gestattet, wie sie der Polizei auch sonst im allein landesgesetzgeberischen Gestaltungsbereich obliegen (allein eine derartige Ermächtigungsgrundlage enthält nach der bewussten Beseitigung derjenigen zu erkennungsdienstlichen Maßnahmen zur Strafverfolgungsvorsorge das niedersächsische Landespolizeirecht, vgl. das Urteil des NdsOVG vom 26. Februar 2009 – 11 LB 431/08 –, Niedersächsische Verwaltungsblätter 2009, S. 202 f., und dessen Beschluss vom 16. September 2009 – 11 ME 402/09 –, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – NVwZ – 2010, S. 69 [70]; zur ambivalenten Zweckbestimmung der baden-württembergischen Ermächtigung zum Erkennungsdienst zur „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten“ s. dagegen etwa das genannte Urteil des VG Freiburg, a. a. O.).

27

Der Beklagte übte (anders als die Polizeibehörde im letztgenannten Fall des NdsOVG, a. a. O. S. 71 f.) auch sein Ermessen pflichtgemäß dahingehend aus, dass er die erkennungsdienstliche Maßnahme von Anfang an auch der jedenfalls spezialpräventiven Abwehr künftiger Straftaten widmete. In den Gründen des Widerspruchsbescheids auf S. 5 wird ausgeführt, ohne erkennungsdienstliche Maßnahmen „erscheine die Erwartung eines rechtstreuen Verhaltens [des Klägers] unbegründet“, und diese Maßnahmen erschienen „im besonderen Maße geeignet, erforderlich und angemessen, dass [der Kläger] künftig doch noch von der erneuten Begehung von Straftaten ablasse“, ferner — wenn auch im Konjunktiv Präsens formuliert —, dass der Kläger, dem die Verfügbarkeit erkennungsdienstlicher Unterlagen bekannt sei, sich dadurch unter Umständen von der Begehung weiterer Straftaten abhalten lasse. Hieran hat der Beklagte im Verlauf des Gerichtsverfahrens festgehalten. Die zunächst allein mit der der Strafverfolgungsvorsorge dienenden Ermächtigungsgrundlage in § 81b Var. 2 StPO begründete Maßnahme (mit auch dazu angestellten Ermessenserwägungen) hat insoweit, dass es sich nämlich in Wirklichkeit um eine zulässige Maßnahme der präventiven Straftatenabwehr nach § 31 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 SOG M-V handelt, ihr Wesen nicht verändert und hat daher auch vor Gericht Bestand.

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Insbesondere wurde — in gleicher Weise wie bei Prüfung der entsprechenden Voraussetzung für die Anwendung von § 81b Var. 2 StPO — mit beanstandungsfreiem Ergebnis die Prognose gestellt, dass wegen der Art oder Ausführung der mit Strafe bedrohten Handlungen, deren der Kläger verdächtig ist, die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten besteht.

29

Zwar kommen auch Verfahrenseinstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO nicht einem Freispruch und selbst ein solcher keiner Feststellung der Unschuld gleich (s. etwa den Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Mai 2002 – 1 BvR 2257/01 –, Deutsches Verwaltungsblatt 2002, S. 1110 f., zur Zulässigkeit einer fortdauernden Speicherung personenbezogener Daten bei trotz Freispruch fortbestehendem Straftatverdacht). Indessen hat die Kammer Bedenken, den im Tatbestand zitierten Fall (2.), in dem dem Kläger ein Betrug vorgeworfen wurde, noch einen diesbezüglichen „Restverdacht“ zu bejahen, nachdem er sich sogleich nach seiner Vorladung als Beschuldigter, durch die er von dem Straftatvorwurf erfuhr, zügig um den vermissten Zahlungsausgleich bemühte; der Rücklauf der Mahnungen des Einzelhandelsunternehmens dürfte auf den hinsichtlich der klägerischen Anschrift veralteten Bankunterlagen und dem aktenkundigen zwischenzeitlichen Umzug des Klägers beruhen.

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Wenn schon nicht ein Freispruch, so hindert aber erst recht nicht das Absehen von einer Verfolgung nach § 153, § 153a oder § 154 StPO die Berücksichtigung der Verfahren bei der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung (so, jeweils zu § 81b StPO, der Beschluss des OVGSaar vom 7. August 2013 – 3 A 295/13 –, juris Rdnr. 39 ff., und, zustimmend, das OVG M-V im Beschluss vom 26. September 2013 – 3 O 60/13 –, V. n. b.). Die Prognose einer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmenden zukünftigen Straffälligkeit konnte daher, auch bei Anwendung von § 31 Abs. 1 Satz 2 SOG M-V, auf die Fälle von 2012 (1.) und 2014 (3.) gestützt werden.

31

Zutreffend bejahte die Staatsanwaltschaft im erstgenannten Fall einen hinreichenden Tatverdacht gegen den Kläger. Vorgeworfen wurde ihm, der den Anzeigenden nicht bekannt war, aber seit einiger Zeit im selben Haus in der Wohnung der 196… geborenen Frau J. wohnte, dass er am selben Tag die 193… geborene, gehbehinderte Frau E. beim Haus auf der Straße am Kragen gepackt, sie geschüttelt, ihr Schläge angedroht und sie angespuckt habe. Direkt nach der Anzeigenaufnahme bei der Wohnung J. aufgesucht, ließ er sich ein: Er wohne während eines Krankenhausaufenthalts der Frau J. in deren Wohnung, um sich um deren 199… geborene Tochter K. zu kümmern; seinen Hund, der mehrfach Anlass für Auseinandersetzungen mit den Eheleuten E. dargestellt habe, habe er in Frau J.s Wohnung mitnehmen müssen. Weil E.s einmal K. wegen des Hundes beschimpft hätten, habe er Frau E., als er diese auf der Straße getroffen habe, zur Rede gestellt, dass sie und ihr Ehemann K. in Ruhe lassen sollten. Er habe Frau E. dabei durchaus lautstark beschimpft, nicht aber geschüttelt oder angespuckt. Bei seiner Beschuldigtenvernehmung auf dem Polizeirevier am 8. März 2012 machte er Angaben zum Verlauf der Auseinandersetzung mit Frau E., bestritt aber, sie angespuckt, durchgeschüttelt, bedroht oder beleidigt zu haben. Die gerichtliche Feststellung einer vom Kläger begangenen Beleidigung und Körperverletzung hätte nur von der Überzeugungskraft der Aussagen der Opferzeugin abgehangen. Auch im Fall der versuchten Nötigung (3.) lagen den Kläger belastende Zeugenaussagen vor: Frau J., mit der und deren Tochter K. der Kläger bis zum Vortag zusammen gewohnt hatte, berichtete zusammen mit der Tochter und dem anwesenden Bekannten L. der Streifenwagenbesatzung, dass am Vorabend eine Trennung zwischen Frau J. und dem Kläger erfolgt sei. Dieser belästige sie seitdem durch Handyanrufe und SMS und fahre mit seinem Auto im Umkreis der Erdgeschosswohnung umher. Anlass, die Polizei zu rufen, sei gewesen, dass er so heftig gegen das Fenster geklopft habe, dass man Angst bekommen habe. Herr L. gab am 2. Juli 2014 bei seiner polizeilichen Zeugenvernehmung an: Er kenne als Nachbar seit Jahren die Familie des Klägers. Dieser begebe sich auf die Spuren seines kriminellen Bruders. Die zierliche Frau J. und ihre Tochter hätten Angst vor ihm. Seit vielen Jahren setze er bei Frau J. seinen Willen mit Gewalt durch. Er habe gewaltsam in die Wohnung eindringen wollen und so gegen die Scheibe geklopft, dass man den Eindruck gehabt habe, er schlage sie ein. Über die Gewalttätigkeiten müsse Frau J. genauer berichten. Frau J. gab am selben Tag bei ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung an: Der Kläger habe am Vortag des Vorfalls die Beziehung beendet. Er habe am Morgen dann seine Geschenke an sie zurück haben wollen, auch einen Laptop; diesen habe er für K. gekauft, und Frau J. habe eigentlich den Preis auf des Klägers Schulden bei ihr anrechnen wollen. Über einen Bekannten sei verhindert worden, dass er, wie beabsichtigt, K. den Laptop in der Schule wegnähme. Der Kläger habe unzählige SMS gesandt. Als Herr L. in der Wohnung bei Technikproblemen geholfen habe, habe der Kläger geklingelt und an die Fensterscheiben geklopft, zuletzt so, dass sie gedacht habe, er schlage die Scheibe ein und dringe in die Wohnung ein. Vor Erscheinen der Polizei sei er dann davongefahren. Er könne sehr jähzornig und wütend werden, bereue dies aber hinterher und ersetze zu Bruch gegangene Sachen. Zu den körperlichen Übergriffen wollte allerdings Frau J. auf Befragen keine Angaben machen; sie und der Kläger hätten ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut. K. J., die bei den Vorfällen nicht zugegen war, erschien nicht zur Zeugenvernehmung. Die staatsanwaltschaftliche Verfahrenseinstellung, darauf gestützt, dass der Kläger strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten und durch das Strafverfahren für die Zukunft gewarnt sei, dass der Rechtsfrieden über das Verhältnis zwischen den Beteiligten, die jetzt ein freundschaftliches Verhältnis hätten, hinaus nicht beeinträchtigt und der Nötigungsversuch erfolglos geblieben sei, wurde durch den während des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens bekannt gewordenen Strafvorwurfs des unbefugten Nachstellens (4.) hinsichtlich ihres prognostischen Begründungsanteils durchgreifend in Frage gestellt. Die Kammer hat keine Probleme, auch diesen erst nach der letzten verwaltungsbehördlichen Entscheidung im Verlaufe des Gerichtsverfahrens bekannt gewordenen Umstand bei der rechtlichen Bewertung der Anordnung zu berücksichtigen; auch der Beklagte hat diesbezüglich seine Ermessensbetätigung in zulässiger Weise ergänzt (§ 114 Satz 2 VwGO). Es ergibt sich, zusammenfassend, das Gefahrenbild künftiger Straffälligkeit des Klägers jedenfalls im Beziehungsumfeld zu Frau J. und ihrer Tochter, wobei wegen der der Polizei berichteten Charaktereigenschaften des Klägers auch die Beeinträchtigung Dritter in Betracht kommt.

32

Die angegriffene Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen wahrt auch die Grenzen des rechtsstaatlichen Übermaßverbots.

33

Die Notwendigkeit der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen ist zwar nicht wie bei der in § 81b geregelten Strafverfolgungsvorsorge danach zu bemessen, ob die anlässlich gegen den Betroffenen gerichteter Straf- bzw. Ermittlungsverfahrens festgestellten Sachverhalte nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Einzelfallumstände, insbesondere angesichts der jeweiligen Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, angesichts seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, Anhaltspunkte für die Annahme bieten, dass der Betroffene künftig oder gegenwärtig mit guten Gründen in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen — den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend — fördern könnten (so das bereits mehrfach zitierte Urteil des BVerwG vom 19. Oktober 1982, a. a. O. S. 199 m. w. Nachw.). Vielmehr kommt es bei Anwendung von § 31 Abs. 1 Satz 2 SOG M-V allein auf die Erforderlichkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung zur Verhütung von Straftaten an, die zu fordern und zu beurteilen ist (vgl. den Beschluss des NdsOVG vom 16. September 2009 – 11 ME 402/09 –, NVwZ 2010, S. 69 [71]). (Auch) diese ist im Streitfall indessen zu bejahen. Der Kläger scheint die beendete Beziehung zur nach wie vor in seinem nahen Wohnumfeld ansässigen Frau J. noch nicht in einer Weise gedanklich verarbeitet zu haben, die es ihm ermöglichte, sie und ihre Tochter unbeeinträchtigt ihrer Wege gehen zu lassen; es mögen auch noch Meinungsverschiedenheiten vermögensrechtlicher Art bestehen. Zur Problematik trägt der von mehreren Zeugen berichtete bzw. nahegelegte Jähzorn des Klägers bei. Unter diesen Umständen erscheint das Wissen des Klägers darum, dass er nicht aus einer sicheren Anonymität heraus Straftaten begehen kann, sondern mittels vorhandener erkennungsdienstlicher Unterlagen leichter identifiziert würde, als geeignetes und erforderliches Mittel, um spezialpräventiv mäßigend und vorbeugend auf den Kläger einzuwirken, etwa in der Art einer „Gefährderansprache“, die durch Bewusstmachung besonderen polizeilichen Augenmerks gefahrenmindernd wirkt. Wenn auch der Kläger bei den Vorfällen im Jahr 2014 (3. und 4.) durch andere Umstände schon als allein in Betracht kommender Täter bekannt war, so zeigt doch der Fall von 2012 (1.) bei Annahme einer geringeren Kooperation des damals beschuldigten Klägers, dass erkennungsdienstliche Unterlagen die Aufklärung von Straftaten zum Nachteil weiterer Personen erleichtern würden; das Bewusstsein hiervon wiederum dürfte auf den Kläger spezialpräventiv einwirken (vgl. den Beschluss des BayVGH vom 17. November 2008 – 10 C 08.2872 –, juris Rdnr. 13; zweifelnd dagegen das NdsOVG im zuletzt zitierten Beschluss, a. a. O.). Auch eine Straffälligkeit des Klägers, die sich gegen bisher Unbeteiligte richtet oder solche in Nachstellungen gegenüber Frau J. oder ihrer Tochter einbezieht, liegt nach der Art der bisher aktenkundigen wahrscheinlichen Straftaten und der erkennbaren Persönlichkeit des Klägers im hinreichenden Maße nahe.

34

Auch dem Gebot der Verhältnismäßigkeit „im engeren Sinne“ wird die angegriffene Anordnung des Beklagten in der Fassung, die sie durch die Erklärung vor Gericht erlangt hat, gerecht. Die von der Kriminalpolizei nach dem seinerzeitigen Erkenntnisstand gewählte Anknüpfungstat wäre allein schon nach dem Strafrahmen keine Bagatelltat (vgl. den Beschluss des OVG M-V vom 4. März 2003 – 3 M 30/03 –, NordÖR 2003, S. 252 [253]). Auch unterscheidet sich der Streitfall nicht nur durch den mehrfach aufgetretenen sehr konkreten Tatverdacht gegen den Kläger von dem Sachverhalt, der dem Urteil der Fünften Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 18. April 2013 in der Sache M. K. ./. Frankreich (Rs. 19522/09) zugrunde lag.

35

Nach Allem ist die Klage abzuweisen.

36

Die Kostenentscheidung zum Nachteil des unterlegenen Klägers ergeht gemäß § 154 Abs. 1 VwGO.

37

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11 und § 711 der Zivilprozessordnung sowie § 167 VwGO.

38

BESCHLUSS

39

Der Streitwert wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes auf

40

5.000 Euro

41

festgesetzt.

(1) Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.

(2) Über die Fälle des Absatzes 1 hinaus sind die Fingerabdrücke des Beschuldigten für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) vorliegen, zur Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1726 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2019/818 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 85) geändert worden ist, auch gegen dessen Willen aufzunehmen, sofern

1.
es sich bei dem Beschuldigten um einen Drittstaatsangehörigen im Sinne des Artikels 3 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2019/816 handelt,
2.
der Beschuldigte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt oder gegen ihn rechtskräftig allein eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
keine Fingerabdrücke des Beschuldigten vorhanden sind, die im Rahmen eines Strafverfahrens aufgenommen worden sind, und
4.
die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister noch nicht getilgt ist.
Wenn auf Grund bestimmter Tatsachen und bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dieser Maßnahme entziehen werde, dann dürfen die Fingerabdrücke abweichend von Satz 1 Nummer 2 bereits vor der Rechtskraft der Entscheidung aufgenommen werden.

(3) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 sind die nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, die nach Absatz 2 oder die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücke an das Bundeskriminalamt zu übermitteln.

(4) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 darf das Bundeskriminalamt die nach den Absätzen 1 und 2 sowie die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen und ihm übermittelten Fingerabdrücke verarbeiten. Bei den nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, den nach Absatz 2 Satz 2 und den nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücken ist eine über die Speicherung hinausgehende Verarbeitung nach Satz 1 unzulässig, solange die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Die Verarbeitung nach Satz 1 ist ferner unzulässig, wenn

1.
der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen wurde,
2.
das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde oder
3.
die alleinige Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung gegen den Beschuldigten rechtskräftig unterbleibt.
Satz 3 gilt entsprechend in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2, wenn der Beschuldigte rechtskräftig zu einer anderen Strafe als Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt wurde. Ist die Verarbeitung der Fingerabdrücke nach Satz 3 oder 4 unzulässig, so sind die Fingerabdrücke zu löschen.

(5) Für die Verarbeitung für andere Zwecke als die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 gelten die §§ 481 bis 485. Die Verarbeitung der nach Absatz 2 Satz 2 aufgenommenen Fingerabdrücke ist jedoch erst zulässig, wenn die Entscheidung rechtskräftig und die Verarbeitung für die Erstellung eines Datensatzes nicht nach Absatz 4 Satz 3 oder 4 unzulässig ist. Die übrigen Bestimmungen über die Verarbeitung der nach Absatz 1 oder 2 oder nach § 163b aufgenommenen Fingerabdrücke bleiben unberührt.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.

(2) Über die Fälle des Absatzes 1 hinaus sind die Fingerabdrücke des Beschuldigten für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) vorliegen, zur Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1726 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2019/818 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 85) geändert worden ist, auch gegen dessen Willen aufzunehmen, sofern

1.
es sich bei dem Beschuldigten um einen Drittstaatsangehörigen im Sinne des Artikels 3 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2019/816 handelt,
2.
der Beschuldigte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt oder gegen ihn rechtskräftig allein eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
keine Fingerabdrücke des Beschuldigten vorhanden sind, die im Rahmen eines Strafverfahrens aufgenommen worden sind, und
4.
die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister noch nicht getilgt ist.
Wenn auf Grund bestimmter Tatsachen und bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dieser Maßnahme entziehen werde, dann dürfen die Fingerabdrücke abweichend von Satz 1 Nummer 2 bereits vor der Rechtskraft der Entscheidung aufgenommen werden.

(3) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 sind die nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, die nach Absatz 2 oder die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücke an das Bundeskriminalamt zu übermitteln.

(4) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 darf das Bundeskriminalamt die nach den Absätzen 1 und 2 sowie die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen und ihm übermittelten Fingerabdrücke verarbeiten. Bei den nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, den nach Absatz 2 Satz 2 und den nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücken ist eine über die Speicherung hinausgehende Verarbeitung nach Satz 1 unzulässig, solange die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Die Verarbeitung nach Satz 1 ist ferner unzulässig, wenn

1.
der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen wurde,
2.
das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde oder
3.
die alleinige Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung gegen den Beschuldigten rechtskräftig unterbleibt.
Satz 3 gilt entsprechend in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2, wenn der Beschuldigte rechtskräftig zu einer anderen Strafe als Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt wurde. Ist die Verarbeitung der Fingerabdrücke nach Satz 3 oder 4 unzulässig, so sind die Fingerabdrücke zu löschen.

(5) Für die Verarbeitung für andere Zwecke als die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 gelten die §§ 481 bis 485. Die Verarbeitung der nach Absatz 2 Satz 2 aufgenommenen Fingerabdrücke ist jedoch erst zulässig, wenn die Entscheidung rechtskräftig und die Verarbeitung für die Erstellung eines Datensatzes nicht nach Absatz 4 Satz 3 oder 4 unzulässig ist. Die übrigen Bestimmungen über die Verarbeitung der nach Absatz 1 oder 2 oder nach § 163b aufgenommenen Fingerabdrücke bleiben unberührt.

(1) Ist der Beschuldigte einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtig, dürfen ihm zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters sowie des Geschlechts molekulargenetisch untersucht werden, wenn wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Die wiederholte Begehung sonstiger Straftaten kann im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen.

(2) Die entnommenen Körperzellen dürfen nur für die in Absatz 1 genannte molekulargenetische Untersuchung verwendet werden; sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind. Bei der Untersuchung dürfen andere Feststellungen als diejenigen, die zur Ermittlung des DNA-Identifizierungsmusters sowie des Geschlechts erforderlich sind, nicht getroffen werden; hierauf gerichtete Untersuchungen sind unzulässig.

(3) Die Entnahme der Körperzellen darf ohne schriftliche Einwilligung des Beschuldigten nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die molekulargenetische Untersuchung der Körperzellen darf ohne schriftliche Einwilligung des Beschuldigten nur durch das Gericht angeordnet werden. Die einwilligende Person ist darüber zu belehren, für welchen Zweck die zu erhebenden Daten verwendet werden. § 81f Abs. 2 gilt entsprechend. In der schriftlichen Begründung des Gerichts sind einzelfallbezogen darzulegen

1.
die für die Beurteilung der Erheblichkeit der Straftat bestimmenden Tatsachen,
2.
die Erkenntnisse, auf Grund derer Grund zu der Annahme besteht, dass gegen den Beschuldigten künftig Strafverfahren zu führen sein werden, sowie
3.
die Abwägung der jeweils maßgeblichen Umstände.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend, wenn die betroffene Person wegen der Tat rechtskräftig verurteilt oder nur wegen

1.
erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit,
2.
auf Geisteskrankheit beruhender Verhandlungsunfähigkeit oder
3.
fehlender oder nicht auszuschließender fehlender Verantwortlichkeit (§ 3 des Jugendgerichtsgesetzes)
nicht verurteilt worden ist und die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister oder Erziehungsregister noch nicht getilgt ist.

(5) Die erhobenen Daten dürfen beim Bundeskriminalamt gespeichert und nach Maßgabe des Bundeskriminalamtgesetzes verwendet werden. Das Gleiche gilt

1.
unter den in Absatz 1 genannten Voraussetzungen für die nach § 81e Abs. 1 erhobenen Daten eines Beschuldigten sowie
2.
für die nach § 81e Abs. 2 Satz 1 erhobenen Daten.
Die Daten dürfen nur für Zwecke eines Strafverfahrens, der Gefahrenabwehr und der internationalen Rechtshilfe hierfür übermittelt werden. Im Fall des Satzes 2 Nr. 1 ist der Beschuldigte unverzüglich von der Speicherung zu benachrichtigen und darauf hinzuweisen, dass er die gerichtliche Entscheidung beantragen kann.

(1) Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.

(2) Über die Fälle des Absatzes 1 hinaus sind die Fingerabdrücke des Beschuldigten für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) vorliegen, zur Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1726 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2019/818 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 85) geändert worden ist, auch gegen dessen Willen aufzunehmen, sofern

1.
es sich bei dem Beschuldigten um einen Drittstaatsangehörigen im Sinne des Artikels 3 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2019/816 handelt,
2.
der Beschuldigte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt oder gegen ihn rechtskräftig allein eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
keine Fingerabdrücke des Beschuldigten vorhanden sind, die im Rahmen eines Strafverfahrens aufgenommen worden sind, und
4.
die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister noch nicht getilgt ist.
Wenn auf Grund bestimmter Tatsachen und bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dieser Maßnahme entziehen werde, dann dürfen die Fingerabdrücke abweichend von Satz 1 Nummer 2 bereits vor der Rechtskraft der Entscheidung aufgenommen werden.

(3) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 sind die nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, die nach Absatz 2 oder die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücke an das Bundeskriminalamt zu übermitteln.

(4) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 darf das Bundeskriminalamt die nach den Absätzen 1 und 2 sowie die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen und ihm übermittelten Fingerabdrücke verarbeiten. Bei den nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, den nach Absatz 2 Satz 2 und den nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücken ist eine über die Speicherung hinausgehende Verarbeitung nach Satz 1 unzulässig, solange die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Die Verarbeitung nach Satz 1 ist ferner unzulässig, wenn

1.
der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen wurde,
2.
das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde oder
3.
die alleinige Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung gegen den Beschuldigten rechtskräftig unterbleibt.
Satz 3 gilt entsprechend in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2, wenn der Beschuldigte rechtskräftig zu einer anderen Strafe als Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt wurde. Ist die Verarbeitung der Fingerabdrücke nach Satz 3 oder 4 unzulässig, so sind die Fingerabdrücke zu löschen.

(5) Für die Verarbeitung für andere Zwecke als die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 gelten die §§ 481 bis 485. Die Verarbeitung der nach Absatz 2 Satz 2 aufgenommenen Fingerabdrücke ist jedoch erst zulässig, wenn die Entscheidung rechtskräftig und die Verarbeitung für die Erstellung eines Datensatzes nicht nach Absatz 4 Satz 3 oder 4 unzulässig ist. Die übrigen Bestimmungen über die Verarbeitung der nach Absatz 1 oder 2 oder nach § 163b aufgenommenen Fingerabdrücke bleiben unberührt.

(1) Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen.

(2) Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist.

(3) Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sollen sich auch auf die Umstände erstrecken, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind. Dazu kann sie sich der Gerichtshilfe bedienen.

(4) Eine Maßnahme ist unzulässig, soweit besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in der Höhe von elf Zehnteln des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine polizeiliche Verfügung, mit der die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zur Erkennungsdienst-Vorsorge angeordnet wurde.

2

Er ist 198… in A-Stadt geboren und ledig und wohnt seit einiger Zeit in verschiedenen Wohnungen in der A-Städter C- oder D-Stadt; berufstätig ist er als Krankenpflegehelfer. In Strafermittlungsverfahren der A-Städter Polizei und … Staatsanwaltschaft trat er bis zum Ergehen der angegriffenen Verfügung wie folgt in Erscheinung:

3

(1.) Am 23. Februar 2012 wurde er vom Ehepaar E. wegen Körperverletzung und Beleidigung bei der Polizei angezeigt (Vorgangsnr. …/000692/02/12). Die Staatsanwaltschaft …, an die der Vorgang am 10. April 2012 abgegeben wurde, stellte bei Bejahung eines für eine Anklageerhebung hinreichenden Tatverdachts das Verfahren gegen den Kläger, der strafrechtlich zuvor nicht in Erscheinung getreten sei, mit Verfügung vom 14. April 2012 – … Js 10113/12 – bei Anordnung einer Geldauflage von 200 € gemäß § 153a der Strafprozessordnung – StPO – vorläufig und, nach wegen Umzugs leicht verzögerter Zahlung des Klägers, mit Verfügung vom 27. Juli 2012 endgültig ein.

4

(2.) Ende Januar 2014 zeigte die Fa. G. GmbH bei der Polizei als Betrug an (Vorgangsnr. …/000015/02/14), dass der Kläger am 27. September 2013 im A-Stadt-Her „I-Markt“ eine Karten-Lastschrift-Zahlung von 71,99 € vorgenommen habe, die mangels Deckung des klägerischen Kontos nicht abgewickelt worden sei. Am 10. Juni 2014 belegte der Kläger der Polizei gegenüber, die ihm auf Nachfrage eine Bankverbindung zum Ausgleich des Fehlbetrags hatte nachweisen lassen, die Abbuchung des Betrags zuzüglich der geforderten Ermittlungsspesen und Zinsen von seinem Konto. Die Staatsanwaltschaft …, an die der Vorgang am 12. Juni 2014 abgegeben wurde, stellte das Verfahren mit Verfügung vom 23. Juni 2014 – … Js 14769/14 – mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.

5

(3.) Zwischenzeitlich war am 3. Juni 2014 bei der Polizei durch Frau J., mit der und deren Tochter K. der Kläger bis zum Vortag zusammen gewohnt hatte, die als Nötigung verfolgte „Anlasstat“ der streitgegenständlichen Verfügung angezeigt worden (Vorgangsnr. …/ 000085/06/14). Die Staatsanwaltschaft …, an die der Ermittlungsvorgang am 4. Juli 2014 abgegeben worden war, stellte mit Verfügung vom 11. Juli 2014 – … Js 16806/14 – das Verfahren nach § 153 Abs. 1 StPO ein.

6

Bei seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung am 3. Juli 2014 hatte der Kläger bestritten, die Herausgabe eines Laptops der Frau J. gefordert und versucht zu haben, sich durch heftiges Klopfen an die Fensterscheibe der Wohnung J. dort Einlass zu verschaffen; er wolle sich dazu nicht äußern und einen Verteidiger hinzuziehen. Mit der Begründung, der Kläger sei nicht zum ersten Mal polizeilich negativ in Erscheinung getreten, hatte daraufhin die vernehmende Beamtin laut dem Protokoll mündlich „die erkennungsdienstliche Maßnahme an [seiner] Person“ gemäß § 81b Var. 2 StPO angeordnet; der Kläger hatte entsprechend einer ihm erteilten Belehrung seinen Widerspruch zu Protokoll gegeben. Der Beklagte wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2014 kostenfrei als unbegründet zurück. In den Gründen des Widerspruchsbescheids wurden u. a. die prognostische Notwendigkeit und Eignung der Maßnahme, die in der Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, der Fertigung von Lichtbildern, von Messungen und der Anfertigung einer Personenbeschreibung bestehen werde, zur Strafverfolgungsvorsorge und zur Verhütung künftiger Straftaten erörtert.

7

Mit der Klage vom 20. August 2014 verfolgt der Kläger sein Anfechtungsbegehren weiter. Die getroffene Anordnung sei unverhältnismäßig, zumal er in allen drei Ermittlungsverfahren von Anfang an bekannt gewesen sei. Er beantragt,

8

die Anordnung zur erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 81b 2. Alternative StPO des Kriminalkommissariats A-Stadt vom 3. Juli 2014 in Form des Widerspruchsbescheides des beklagten Polizeipräsidiums vom 11. August 2014 aufzuheben.

9

Der Beklagte beantragt

10

Klageabweisung

11

und verteidigt die getroffene Anordnung in Gestalt des Widerspruchsbescheids. Dessen Erlass erst nach Abschluss des letzten seinerzeit offenen Strafermittlungsverfahrens sei unschädlich; es komme für die Anwendung von § 81b Var. 2 StPO nur darauf an, ob der Betroffene zur Zeit der Anordnung Beschuldigter in einem Strafverfahren gewesen sei, da damit die gesetzlich geforderte Anknüpfung an ein Strafverfahren vorliege und es Zufall sei, ob dieses bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids beendet sei oder noch nicht. Bei abweichender rechtlicher Beurteilung hätte die Anordnung auf § 31 des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes – SOG M-V – gestützt werden können und sei entsprechend umzudeuten. Die Richtigkeit der der Anordnung zugrunde liegenden Prognose bestätige eine gegenwärtig in Bearbeitung befindliche neue Anzeige (4.) von Frau J. vom 4. November 2014 (Vorgangsnr. …/000098/11/14), wonach der Kläger ihr ständig unbefugt nachstelle, indem er, auch durch ruhestörende nächtliche Anrufe und Klopfen an das Wohnungsfenster, trotz von ihr im Juni 2014 vollzogenem Kontaktabbruch Kontakt zu ihr und ihrer Tochter suche. Frau J. habe der Polizei angeboten, auf ihrem Telefon gespeicherte SMS und Anrufe zur Verfügung zu stellen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Hinweisschreiben des Berichterstatters vom 1. September 2014 Bezug genommen, ferner auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die von der Staatsanwaltschaft … beigezogenen Ermittlungsvorgänge.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet und daher abzuweisen.

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Die angegriffene Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers unterliegt nicht der beantragten gerichtlichen Aufhebung nach § 113 Abs. 1 Satz 1 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –, denn die in ihr getroffene Regelung ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt (daher) den Kläger nicht in seinen Rechten.

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Sie war allerdings nicht auf § 81b StPO zu stützen. In der hier maßgeblichen 2. Variante („Soweit es […] für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.“) ermöglicht die Vorschrift zwar Maßnahmen, die außerhalb einzelner anhängiger Strafermittlungsverfahren allgemein der Vorsorge für die der Polizei zugewiesenen Aufgaben bei der Strafverfolgung dienen und für deren Anordnung, hier durch seine Dienststelle Kriminalkommissariat A-Stadt, der Beklagte als örtliche Polizeibehörde zuständig ist (§ 163 Abs. 1 Satz 1 StPO, § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Polizeiorganisationsgesetzes, § 1 Abs. 2 der Polizeipräsidien-Zuständigkeitsverordnung).

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Zu den zentralen Voraussetzungen der Ermächtigung in § 81b StPO gehört jedoch der Umstand, dass der von der angeordneten Maßnahme Betroffene Beschuldigter ist, dass also aufgrund Willensentscheidung der zuständigen Behörden mindestens ein Verfahren mit dem Gegenstand eines gegen ihn gerichteten Vorwurfs einer Straftat aktuell betrieben wird (vgl. zum — gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten — Begriff des Beschuldigten im Sinne der StPO nur Fischer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., Einleitung Rdnr. 298 f.). Die formelle Beschuldigten-Eigenschaft des Klägers fiel zwischen dem Erlass der ursprünglichen Anordnung vom 3. Juli 2014 und der Zurückweisung des klägerischen Widerspruchs am 11. August 2014 fort, weil nämlich bereits mit staatsanwaltschaftlicher Verfügung vom 11. Juli 2014 das Strafverfahren wegen des einzigen zur Zeit der Anordnung anhängigen Strafermittlungsverfahrens (3.), der „Anlasstat“ einer versuchten Nötigung, endgültig eingestellt wurde. Zur Zeit der Entscheidung über den Widerspruch fehlte es daher an der tatbestandlich vorgesehenen Anknüpfung der Anordnung an eine besondere strafverfahrensrechtliche Position des Betroffenen, denn es war auch kein weiteres Strafermittlungsverfahren „an die Stelle“ desjenigen zur „Anlasstat“ getreten. Welche Konsequenzen dies für die Zulässigkeit einer auf § 81b Var. 2 StPO gestützten Anordnung im Stadium der Entscheidung über einen Widerspruch hat, ist in der Rechtsprechung umstritten.

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Höchstrichterlich geklärt ist dabei allerdings, dass der spätere Wegfall der Beschuldigten-Eigenschaft die Rechtmäßigkeit einer nach § 81b Var. 2 StPO getroffenen Anordnung nicht entfallen lässt. Zwar ist die Rechtmäßigkeit der Anordnung, d. h. das Vorliegen der hierfür notwendigen Voraussetzungen, bezogen auf den Zeitpunkt der Umsetzung der Anordnung zu prüfen (vgl. das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – vom 19. Oktober 1982 – 1 C 29.79 –, amtliche Entscheidungssammlung BVerwGE Bd. 66, S. 192 [197], und dessen Beschluss vom 14. Juli 2014 – 6 B 2.14 –, juris Rdnr. 5), d. h. bei einem erst künftigen Vollzug, wie im Streitfall, bezogen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Es genügt jedoch, wenn das Anknüpfungsmoment für die Duldungspflicht des Betroffenen lediglich im Zeitpunkt der Anordnung selbst vorliegt (s. die Urteile des BVerwG vom 19. Oktober 1982, a. a. O. S. 195, und vom 23. November 2005 – 6 C 2.05 –, juris Rdnr. 20 m. w. N.); denn dass eine erkennungsdienstliche Behandlung nach der Vorschrift nur gegen einen Beschuldigten angeordnet werden darf, besagt lediglich, dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen kann, sondern dass sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgehen und jedenfalls auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten muss (BVerwG, Beschluss vom 23. November 2005, a. a. O.).

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Nicht geklärt ist jedoch durch die für das erkennende Gericht „divergenzfähigen“ Gerichte, ob die Beschuldigten-Eigenschaft des Betroffenen noch vorliegen muss, wenn der die Anordnung bestätigende zurückweisende Widerspruchsbescheid ergeht, wenn also eine, in Mecklenburg-Vorpommern dieselbe, Behörde mit der Frage des rechtmäßigen Erlasses der Anordnung noch befasst ist und diese die für die gerichtliche Überprüfung maßgebliche (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) Gestalt erhält. Für den Fall des Wegfalls der Beschuldigten-Eigenschaft im Widerspruchsverfahren ließ das BVerwG diese Rechtmäßigkeits-Frage ausdrücklich offen (Urteil vom 19. Oktober 1982, a. a. O. S. 195).

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Der Fortfall der Beschuldigten-Eigenschaft im Widerspruchsverfahren soll irrelevant sein gemäß dem Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. Oktober 2000 – 3 BS 53/00 – (NVwZ-RechtsprechungsReport – NVwZ-RR – 2001, S. 238), weil der gesetzgeberischen Entscheidung, Anordnungen nach § 81b Var. 2 StPO an die Beschuldigten-Eigenschaft des Betroffenen anknüpfen zu lassen, auch dann genügt sei, wenn diese im Verlaufe des Verfahrens fortfalle; dieser Verlauf unterscheide sich nicht wesentlich von einem späteren Fortfall der Beschuldigten-Eigenschaft. Dieser Auffassung folgten die Verwaltungsgerichte – VGe – Karlsruhe (Urteil vom 20. Januar 2005 – 9 K 3600/03 – (V. n. b., angeführt in der nachfolgend zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg – VGH BW –) und Greifswald (Urteil vom 2. Juli 2013 – 2 A 1261/12 –, V. n. b., S. 8 d. UA, Berufung zum Aktenzeichen 3 L 146/13 des Oberverwaltungsgerichts für das Land Mecklenburg-Vorpommern – OVG M-V – anhängig): Es sei mit dem Wortlaut der Vorschrift des § 81b Var. 2 StPO noch vereinbar, lediglich zu fordern, dass der Betroffene „einmal“ Beschuldigter gewesen sei.

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Gegen die Irrelevanz des Fortfalls der Beschuldigten-Eigenschaft im Widerspruchsverfahren sprachen sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof – BayVGH – (Urteil vom 9. Februar 2004 – 24 B 03.695 –, juris Rdnr. 13 ff.), der VGH BW (Urteil vom 7. März 2007 – 1 S 1170/05 – Beck’sche Rechtsprechungssammlung 2008, Nr. 39409), das VG Hamburg (Urteil vom 31. Mai 2011 – 11 K 1333/10 –, juris Rdnr. 33ff.) und das Hamburgische Oberverwaltungsgericht – HmbOVG – (Urteil vom 11. April 2013 – 4 Bf 141/11 –, Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland – NordÖR – 2014, S. 36 [37 f.]) sowie das VG Freiburg (Urteil vom 17. Oktober 2013 – 4 K 2191/12 –, juris Rdnr. 22 ff.) aus. Ausgangs- und Widerspruchsverfahren bildeten eine Einheit; die rechtliche Prüfung der Anordnung beziehe sich auf die Gestalt, die sie, etwa durch neue Tatbestandsfeststellungen sowie Begründungs- oder Ermessenserwägungen, im Widerspruchsverfahren erhalte, während dessen die befasste Behörde auch das Fortbestehen aller rechtlichen Voraussetzungen des angegriffenen Verwaltungsakts bis zu ihrer Entscheidung über den Widerspruch zu prüfen gehabt habe. Die Beschuldigten-Eigenschaft des Betroffenen stelle nicht nur eine einmal zu überwindende „Schwelle“ für den Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte dar; die Regelung des § 81b StPO nehme auch in anderen Konstellationen — etwa bei kurz vor der Möglichkeit zur Anordnung erkennungsdienstlicher Behandlung eingetretener Rechtskraft einer Verurteilung — in Kauf, dass trotz vorhandenem Bedürfnis keine erkennungsdienstliche Maßnahme hierauf gestützt werden könne.

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Dieser letztgenannten Auffassung schließt die erkennende Kammer sich an. Die Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen in § 81b StPO gibt nämlich keine Handhabe für die Annahme, dass ein zentrales Tatbestandsmerkmal, die den Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen erst legitimierende Anhängigkeit eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen ihn, nicht in allen Abschnitten des — durch den Widerspruch „gestreckten“ — behördlichen Verfahrens auf Erlass der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erfüllt sein soll. Solange die Polizei — wegen des Widerspruchs mehrfach — mit der Frage befasst ist, ob sie zur Vorsorge für die Aufklärung künftiger Straftaten hierfür geeignete personenbezogene Daten bei einem bereits gegenwärtig einer Straftat Beschuldigten erheben soll, muss sie im Blick behalten, ob die betroffene Person ihr in der den Eingriff formell legitimierenden „exponierten“ Weise zur Verfügung steht. Die vom Beklagten angeführte Problematik der Verwaltungspraktikabilität — der Zeitpunkt der verfahrensabschließenden Entscheidungen der Staatsanwaltschaft sei für die Polizei kaum vorauszusehen oder zu beeinflussen — dürfte zwar kaum, wie das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (a. a. O. S. 38) offenbar meint, dadurch zu lösen sein, dass die Polizei im Widerspruchsverfahren nur ihr selbst vorliegende Erkenntnisse zum Stand des wegen der „Anlasstat“ geführten Strafverfahrens (oder gleichzeitig geführter Ermittlungsverfahren) berücksichtigen müsse, denn es handelt sich nicht um eine dringliche Gefahreneinschätzung im Bereich der präventiven Polizeitätigkeit, sondern um die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Einbeziehung einer förmlich beschuldigten Person in vorbereitende Vorkehrungen zu künftigen Strafverfolgungsmaßnahmen, die die Polizei in Abstimmung mit den Staatsanwaltschaften vornehmen kann, denen sie im Bereich ihrer repressiven justizunterstützenden Tätigkeit auch sonst zuarbeitet. Jedenfalls bei Bearbeitung der nicht überaus zahlreichen Widersprüche auf dem Gebiet der Erkennungsdienstvorsorge hält die Kammer die — fernmündliche oder EDV-unterstützte — Ermittlung eines aktuellen Verfahrensstands zur Zeit der Widerspruchsentscheidung für zumutbar. Noch leichter dürfte der Polizei mit ihrem eigenen Datenbestand die Feststellung fallen, ob denn in diesem Zeitpunkt, sofern das Verfahren über die ursprüngliche „Anlasstat“ bereits beendet ist, an dessen Stelle ein aktuell anhängiges neues Strafermittlungsverfahren gegen den dann „auch“ oder „wieder“ Beschuldigten getreten ist, was nach Auffassung der Kammer zur Ausfüllung der Ermächtigungsgrundlage des § 81b StPO ausreicht (s. das Urteil vom 21. November 2013 – 7 A 550/13 –, n. v., S. 5 f. d. UA).

22

Die angefochtene Anordnung lässt sich jedoch auf § 31 Abs. 1 Satz 2 SOG M-V stützen, wie es auch der Beklagte vertritt, der eine Umdeutung seiner laut den Normzitaten in den gegebenen Begründungen ausdrücklich auf § 81b Var. 2 StPO gestützten Anordnung in eine solche nach Landespolizeirecht anregt. Nach der genannten Vorschrift dürfen Polizeivollzugsbeamte die zur Verhütung oder Aufklärung einer künftigen Straftat erforderlich erscheinenden erkennungsdienstlichen Maßnahmen (Beispielkatalog in Absatz 2; Ausführung durch die Polizei, Absatz 1 Satz 3) anordnen, wenn die betroffene Person verdächtig ist, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, und wenn wegen der Art oder Ausführung der Handlung die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten besteht.

23

Grundsätzlich hat das Verwaltungsgericht bei der Prüfung des mit der Anfechtungsklage geltend gemachten prozessualen Aufhebungsanspruchs nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in den Blick zu nehmen, ob der angegriffene Verwaltungsakt sich nicht etwa nach anderen als den in der behördlichen Begründung angegebenen Rechtsgrundlagen als rechtmäßig erweist, soweit die veränderte rechtliche Begründung nicht zu einer Wesensveränderung der streitgegenständlichen behördlichen Entscheidung führt (vgl. die Urteile des BVerwG vom 21. November 1989 – 9 C 28.89 –, bei Buchholz Nr. 5 zu § 10 des Asylverfahrensgesetzes von 1982 [402.25], und vom 27. Januar 1982 – 8 C 12.81 –, BVerwGE Bd. 64, S. 356 [357 f.], jew. m. w. Nachw.). Dies führt vorliegend zur Abweisung der Klage, da die angegriffene Anordnung formell und materiell rechtmäßig auf diese Vorschrift gestützt werden kann.

24

Die sinngemäße bescheidliche Regelung, dass der Kläger die Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen zu dulden hat, ist insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne von § 37 Abs. 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes, jedenfalls nachdem zu Protokoll des Gerichts zulässigerweise (vgl. den Beschluss des BVerwG vom 21. Juni 2006 – 4 B 32.06 –, NVwZ-RR 2006, S. 589, und die Urteile der VGe Hamburg vom 27. März 2007 – 10 K 1162/06 – juris Rdnr. 21, und Aachen vom 17. Februar 2010 – 6 K 224/ 09 –, juris Rdnr. 24) beklagtenseits festgelegt worden ist, dass die Maßnahmen in der Fertigung elektronisch zu erfassender fünfteiliger Lichtbilder und elektronisch aufzunehmender Finger- und Handflächenabdrücke (lifescan) sowie in der Erstellung einer Personenbeschreibung bestehen sollen. Ob es an dieser Bestimmtheit zuvor fehlte (vgl. auch den Fall des VG Osnabrück gemäß dessen Beschluss vom 6. August 2003 – 2 B 18/03 –, juris Rdnr. 19, dagegen die Annahme des VG Neustadt im Urteil vom 17. September 2004 – 7 K 1672/04.NW –, juris Rdnr. 22, dass die der Allgemeinheit ohne weiteres geläufigen „Standardmaßnahmen“ nach den in der Gesetzesvorschrift des § 81b StPO aufgeführten Beispielen hinreichend konkret bezeichnet seien) kann danach ebenso offenbleiben wie die Frage, ob insoweit eine „Heilung“ bereits durch die in der Begründung des Widerspruchsbescheids enthaltenen Hinweise erfolgte (was gemäß dem Beschluss des VG Dresden vom 11. November 2004 – 14 K 2060/04 –, juris Rdnr. 29, zulässig gewesen wäre) oder ob die bescheidliche Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen allgemein noch ergänzende mündliche Anordnungen im Rahmen ihrer Durchführung ermöglicht (vgl. dazu den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts – NdsOVG – vom 5. Februar 2004 – 11 ME 271/03 –, juris Rdnr. 7). Die Anordnung durfte auch zwecks bestandskraftfähiger Regelung der grundsätzlichen Zulässigkeit dieser Maßnahmen ohne Bestimmung von Zeit und Ort ihrer Durchführung ergehen; dies entspricht sonst der häufigen Praxis des Beklagten, bereits erfolgte Vorladungen sich im Verlauf von Widerspruchsverfahren erledigen zu lassen. Eine Vorladung des Klägers kann der Beklagte nach § 50 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V nachholen.

25

Allerdings ist es umstritten, ob und inwieweit angesichts des Vorhandenseins der bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung der Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen zur Strafverfolgungsvorsorge in § 81b Var. 2 StPO noch Raum für eine entsprechende landesrechtliche Ermächtigungsvorschrift verbleibt, deren Wirksamkeit nicht durch Art. 31 oder Art. 72 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 des Grundgesetzes in Frage gestellt wird (für Vorrang und Sperrwirkung des Bundesgesetzes sprachen sich etwa der BayVGH in seinem Urteil vom 9. Februar 2004 – 24 B 03.695 –, juris Rdnr. 14,und das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im Beschluss vom 17. November 2000 – 11 B 11859/00 –, NVwZ-RR 2001, S. 238, aus, für landesgesetzgeberische Handlungsbefugnisse auch auf dem Gebiet der Strafverfolgungsvorsorge dagegen mit unterschiedlichen Ansätzen etwa der VGH BW im Urteil vom 7. März 2007 – 1 S 1170/05 –, a. a. O., und das HmbOVG im Urteil vom 11. April 2013 – 4 Bf 141/11 –, a. a. O. S. 40 f., das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes – OVGSaar – im Beschluss vom 7. August 2013 – 3 A 295/13 –, juris Rdnr.14 ff., und das VG Freiburg im Urteil vom 17. Oktober 2013 – 4 K 2191/12 –, juris Rdnr. 34 ff.). Diese Problematik betrifft indessen lediglich die zweite Variante von § 31 Abs. 1 Satz 2 SOG M-V, mit der Vorkehrungen zur Aufklärung einer künftigen Straftat gestattet werden, und braucht hier nicht entschieden zu werden.

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Denn im Streitfall erging die angegriffene Anordnung jedenfalls als Maßnahme zur Verhütung einer künftigen Straftat im Sinne der ersten Variante des § 31 Abs. 1 Satz 2 SOG M-V rechtmäßig. Diese Variante der Ermächtigungsvorschrift stellt unbedenklich eine gesonderte Rechtsgrundlage für die Anordnung erkennungsdienstlicher Behandlungen Betroffener dar, die, unabhängig von künftigen repressiv-strafverfolgenden Zwecken, allein präventiv-gefahrenabwehrende Maßnahmen dieser Art gestattet, wie sie der Polizei auch sonst im allein landesgesetzgeberischen Gestaltungsbereich obliegen (allein eine derartige Ermächtigungsgrundlage enthält nach der bewussten Beseitigung derjenigen zu erkennungsdienstlichen Maßnahmen zur Strafverfolgungsvorsorge das niedersächsische Landespolizeirecht, vgl. das Urteil des NdsOVG vom 26. Februar 2009 – 11 LB 431/08 –, Niedersächsische Verwaltungsblätter 2009, S. 202 f., und dessen Beschluss vom 16. September 2009 – 11 ME 402/09 –, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – NVwZ – 2010, S. 69 [70]; zur ambivalenten Zweckbestimmung der baden-württembergischen Ermächtigung zum Erkennungsdienst zur „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten“ s. dagegen etwa das genannte Urteil des VG Freiburg, a. a. O.).

27

Der Beklagte übte (anders als die Polizeibehörde im letztgenannten Fall des NdsOVG, a. a. O. S. 71 f.) auch sein Ermessen pflichtgemäß dahingehend aus, dass er die erkennungsdienstliche Maßnahme von Anfang an auch der jedenfalls spezialpräventiven Abwehr künftiger Straftaten widmete. In den Gründen des Widerspruchsbescheids auf S. 5 wird ausgeführt, ohne erkennungsdienstliche Maßnahmen „erscheine die Erwartung eines rechtstreuen Verhaltens [des Klägers] unbegründet“, und diese Maßnahmen erschienen „im besonderen Maße geeignet, erforderlich und angemessen, dass [der Kläger] künftig doch noch von der erneuten Begehung von Straftaten ablasse“, ferner — wenn auch im Konjunktiv Präsens formuliert —, dass der Kläger, dem die Verfügbarkeit erkennungsdienstlicher Unterlagen bekannt sei, sich dadurch unter Umständen von der Begehung weiterer Straftaten abhalten lasse. Hieran hat der Beklagte im Verlauf des Gerichtsverfahrens festgehalten. Die zunächst allein mit der der Strafverfolgungsvorsorge dienenden Ermächtigungsgrundlage in § 81b Var. 2 StPO begründete Maßnahme (mit auch dazu angestellten Ermessenserwägungen) hat insoweit, dass es sich nämlich in Wirklichkeit um eine zulässige Maßnahme der präventiven Straftatenabwehr nach § 31 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 SOG M-V handelt, ihr Wesen nicht verändert und hat daher auch vor Gericht Bestand.

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Insbesondere wurde — in gleicher Weise wie bei Prüfung der entsprechenden Voraussetzung für die Anwendung von § 81b Var. 2 StPO — mit beanstandungsfreiem Ergebnis die Prognose gestellt, dass wegen der Art oder Ausführung der mit Strafe bedrohten Handlungen, deren der Kläger verdächtig ist, die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten besteht.

29

Zwar kommen auch Verfahrenseinstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO nicht einem Freispruch und selbst ein solcher keiner Feststellung der Unschuld gleich (s. etwa den Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Mai 2002 – 1 BvR 2257/01 –, Deutsches Verwaltungsblatt 2002, S. 1110 f., zur Zulässigkeit einer fortdauernden Speicherung personenbezogener Daten bei trotz Freispruch fortbestehendem Straftatverdacht). Indessen hat die Kammer Bedenken, den im Tatbestand zitierten Fall (2.), in dem dem Kläger ein Betrug vorgeworfen wurde, noch einen diesbezüglichen „Restverdacht“ zu bejahen, nachdem er sich sogleich nach seiner Vorladung als Beschuldigter, durch die er von dem Straftatvorwurf erfuhr, zügig um den vermissten Zahlungsausgleich bemühte; der Rücklauf der Mahnungen des Einzelhandelsunternehmens dürfte auf den hinsichtlich der klägerischen Anschrift veralteten Bankunterlagen und dem aktenkundigen zwischenzeitlichen Umzug des Klägers beruhen.

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Wenn schon nicht ein Freispruch, so hindert aber erst recht nicht das Absehen von einer Verfolgung nach § 153, § 153a oder § 154 StPO die Berücksichtigung der Verfahren bei der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung (so, jeweils zu § 81b StPO, der Beschluss des OVGSaar vom 7. August 2013 – 3 A 295/13 –, juris Rdnr. 39 ff., und, zustimmend, das OVG M-V im Beschluss vom 26. September 2013 – 3 O 60/13 –, V. n. b.). Die Prognose einer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmenden zukünftigen Straffälligkeit konnte daher, auch bei Anwendung von § 31 Abs. 1 Satz 2 SOG M-V, auf die Fälle von 2012 (1.) und 2014 (3.) gestützt werden.

31

Zutreffend bejahte die Staatsanwaltschaft im erstgenannten Fall einen hinreichenden Tatverdacht gegen den Kläger. Vorgeworfen wurde ihm, der den Anzeigenden nicht bekannt war, aber seit einiger Zeit im selben Haus in der Wohnung der 196… geborenen Frau J. wohnte, dass er am selben Tag die 193… geborene, gehbehinderte Frau E. beim Haus auf der Straße am Kragen gepackt, sie geschüttelt, ihr Schläge angedroht und sie angespuckt habe. Direkt nach der Anzeigenaufnahme bei der Wohnung J. aufgesucht, ließ er sich ein: Er wohne während eines Krankenhausaufenthalts der Frau J. in deren Wohnung, um sich um deren 199… geborene Tochter K. zu kümmern; seinen Hund, der mehrfach Anlass für Auseinandersetzungen mit den Eheleuten E. dargestellt habe, habe er in Frau J.s Wohnung mitnehmen müssen. Weil E.s einmal K. wegen des Hundes beschimpft hätten, habe er Frau E., als er diese auf der Straße getroffen habe, zur Rede gestellt, dass sie und ihr Ehemann K. in Ruhe lassen sollten. Er habe Frau E. dabei durchaus lautstark beschimpft, nicht aber geschüttelt oder angespuckt. Bei seiner Beschuldigtenvernehmung auf dem Polizeirevier am 8. März 2012 machte er Angaben zum Verlauf der Auseinandersetzung mit Frau E., bestritt aber, sie angespuckt, durchgeschüttelt, bedroht oder beleidigt zu haben. Die gerichtliche Feststellung einer vom Kläger begangenen Beleidigung und Körperverletzung hätte nur von der Überzeugungskraft der Aussagen der Opferzeugin abgehangen. Auch im Fall der versuchten Nötigung (3.) lagen den Kläger belastende Zeugenaussagen vor: Frau J., mit der und deren Tochter K. der Kläger bis zum Vortag zusammen gewohnt hatte, berichtete zusammen mit der Tochter und dem anwesenden Bekannten L. der Streifenwagenbesatzung, dass am Vorabend eine Trennung zwischen Frau J. und dem Kläger erfolgt sei. Dieser belästige sie seitdem durch Handyanrufe und SMS und fahre mit seinem Auto im Umkreis der Erdgeschosswohnung umher. Anlass, die Polizei zu rufen, sei gewesen, dass er so heftig gegen das Fenster geklopft habe, dass man Angst bekommen habe. Herr L. gab am 2. Juli 2014 bei seiner polizeilichen Zeugenvernehmung an: Er kenne als Nachbar seit Jahren die Familie des Klägers. Dieser begebe sich auf die Spuren seines kriminellen Bruders. Die zierliche Frau J. und ihre Tochter hätten Angst vor ihm. Seit vielen Jahren setze er bei Frau J. seinen Willen mit Gewalt durch. Er habe gewaltsam in die Wohnung eindringen wollen und so gegen die Scheibe geklopft, dass man den Eindruck gehabt habe, er schlage sie ein. Über die Gewalttätigkeiten müsse Frau J. genauer berichten. Frau J. gab am selben Tag bei ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung an: Der Kläger habe am Vortag des Vorfalls die Beziehung beendet. Er habe am Morgen dann seine Geschenke an sie zurück haben wollen, auch einen Laptop; diesen habe er für K. gekauft, und Frau J. habe eigentlich den Preis auf des Klägers Schulden bei ihr anrechnen wollen. Über einen Bekannten sei verhindert worden, dass er, wie beabsichtigt, K. den Laptop in der Schule wegnähme. Der Kläger habe unzählige SMS gesandt. Als Herr L. in der Wohnung bei Technikproblemen geholfen habe, habe der Kläger geklingelt und an die Fensterscheiben geklopft, zuletzt so, dass sie gedacht habe, er schlage die Scheibe ein und dringe in die Wohnung ein. Vor Erscheinen der Polizei sei er dann davongefahren. Er könne sehr jähzornig und wütend werden, bereue dies aber hinterher und ersetze zu Bruch gegangene Sachen. Zu den körperlichen Übergriffen wollte allerdings Frau J. auf Befragen keine Angaben machen; sie und der Kläger hätten ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut. K. J., die bei den Vorfällen nicht zugegen war, erschien nicht zur Zeugenvernehmung. Die staatsanwaltschaftliche Verfahrenseinstellung, darauf gestützt, dass der Kläger strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten und durch das Strafverfahren für die Zukunft gewarnt sei, dass der Rechtsfrieden über das Verhältnis zwischen den Beteiligten, die jetzt ein freundschaftliches Verhältnis hätten, hinaus nicht beeinträchtigt und der Nötigungsversuch erfolglos geblieben sei, wurde durch den während des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens bekannt gewordenen Strafvorwurfs des unbefugten Nachstellens (4.) hinsichtlich ihres prognostischen Begründungsanteils durchgreifend in Frage gestellt. Die Kammer hat keine Probleme, auch diesen erst nach der letzten verwaltungsbehördlichen Entscheidung im Verlaufe des Gerichtsverfahrens bekannt gewordenen Umstand bei der rechtlichen Bewertung der Anordnung zu berücksichtigen; auch der Beklagte hat diesbezüglich seine Ermessensbetätigung in zulässiger Weise ergänzt (§ 114 Satz 2 VwGO). Es ergibt sich, zusammenfassend, das Gefahrenbild künftiger Straffälligkeit des Klägers jedenfalls im Beziehungsumfeld zu Frau J. und ihrer Tochter, wobei wegen der der Polizei berichteten Charaktereigenschaften des Klägers auch die Beeinträchtigung Dritter in Betracht kommt.

32

Die angegriffene Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen wahrt auch die Grenzen des rechtsstaatlichen Übermaßverbots.

33

Die Notwendigkeit der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen ist zwar nicht wie bei der in § 81b geregelten Strafverfolgungsvorsorge danach zu bemessen, ob die anlässlich gegen den Betroffenen gerichteter Straf- bzw. Ermittlungsverfahrens festgestellten Sachverhalte nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Einzelfallumstände, insbesondere angesichts der jeweiligen Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, angesichts seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, Anhaltspunkte für die Annahme bieten, dass der Betroffene künftig oder gegenwärtig mit guten Gründen in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen — den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend — fördern könnten (so das bereits mehrfach zitierte Urteil des BVerwG vom 19. Oktober 1982, a. a. O. S. 199 m. w. Nachw.). Vielmehr kommt es bei Anwendung von § 31 Abs. 1 Satz 2 SOG M-V allein auf die Erforderlichkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung zur Verhütung von Straftaten an, die zu fordern und zu beurteilen ist (vgl. den Beschluss des NdsOVG vom 16. September 2009 – 11 ME 402/09 –, NVwZ 2010, S. 69 [71]). (Auch) diese ist im Streitfall indessen zu bejahen. Der Kläger scheint die beendete Beziehung zur nach wie vor in seinem nahen Wohnumfeld ansässigen Frau J. noch nicht in einer Weise gedanklich verarbeitet zu haben, die es ihm ermöglichte, sie und ihre Tochter unbeeinträchtigt ihrer Wege gehen zu lassen; es mögen auch noch Meinungsverschiedenheiten vermögensrechtlicher Art bestehen. Zur Problematik trägt der von mehreren Zeugen berichtete bzw. nahegelegte Jähzorn des Klägers bei. Unter diesen Umständen erscheint das Wissen des Klägers darum, dass er nicht aus einer sicheren Anonymität heraus Straftaten begehen kann, sondern mittels vorhandener erkennungsdienstlicher Unterlagen leichter identifiziert würde, als geeignetes und erforderliches Mittel, um spezialpräventiv mäßigend und vorbeugend auf den Kläger einzuwirken, etwa in der Art einer „Gefährderansprache“, die durch Bewusstmachung besonderen polizeilichen Augenmerks gefahrenmindernd wirkt. Wenn auch der Kläger bei den Vorfällen im Jahr 2014 (3. und 4.) durch andere Umstände schon als allein in Betracht kommender Täter bekannt war, so zeigt doch der Fall von 2012 (1.) bei Annahme einer geringeren Kooperation des damals beschuldigten Klägers, dass erkennungsdienstliche Unterlagen die Aufklärung von Straftaten zum Nachteil weiterer Personen erleichtern würden; das Bewusstsein hiervon wiederum dürfte auf den Kläger spezialpräventiv einwirken (vgl. den Beschluss des BayVGH vom 17. November 2008 – 10 C 08.2872 –, juris Rdnr. 13; zweifelnd dagegen das NdsOVG im zuletzt zitierten Beschluss, a. a. O.). Auch eine Straffälligkeit des Klägers, die sich gegen bisher Unbeteiligte richtet oder solche in Nachstellungen gegenüber Frau J. oder ihrer Tochter einbezieht, liegt nach der Art der bisher aktenkundigen wahrscheinlichen Straftaten und der erkennbaren Persönlichkeit des Klägers im hinreichenden Maße nahe.

34

Auch dem Gebot der Verhältnismäßigkeit „im engeren Sinne“ wird die angegriffene Anordnung des Beklagten in der Fassung, die sie durch die Erklärung vor Gericht erlangt hat, gerecht. Die von der Kriminalpolizei nach dem seinerzeitigen Erkenntnisstand gewählte Anknüpfungstat wäre allein schon nach dem Strafrahmen keine Bagatelltat (vgl. den Beschluss des OVG M-V vom 4. März 2003 – 3 M 30/03 –, NordÖR 2003, S. 252 [253]). Auch unterscheidet sich der Streitfall nicht nur durch den mehrfach aufgetretenen sehr konkreten Tatverdacht gegen den Kläger von dem Sachverhalt, der dem Urteil der Fünften Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 18. April 2013 in der Sache M. K. ./. Frankreich (Rs. 19522/09) zugrunde lag.

35

Nach Allem ist die Klage abzuweisen.

36

Die Kostenentscheidung zum Nachteil des unterlegenen Klägers ergeht gemäß § 154 Abs. 1 VwGO.

37

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11 und § 711 der Zivilprozessordnung sowie § 167 VwGO.

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BESCHLUSS

39

Der Streitwert wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes auf

40

5.000 Euro

41

festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen inhaltsgleich an sämtliche Tankstellenbetreiber im Stadtgebiet gerichteten Bescheid der Beklagten, mit dem ihm Verkaufsbeschränkungen für die Abgabe alkoholischer Getränke an der von ihm betriebenen Tankstelle aufgegeben worden sind.

2

Mit Verfügung vom 12. November 2007 untersagte die Beklagte dem Kläger ohne vorherige Anhörung den Verkauf alkoholischer Getränke in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr (Nr. 1 des Verfügungstenors) und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld an. Zur Begründung führte sie aus, die Tankstellen im Stadtgebiet würden an allen Tagen nach 22.00 Uhr alkoholische Getränke verkaufen. Dies geschehe größtenteils nicht im Zusammenhang mit der Betankung eines Fahrzeugs. Vielmehr suchten Kunden die Tankstellen allein zum Zweck des Erwerbs alkoholischer Getränke auf. Der Alkoholverkauf an Tankstellen nach 22.00 Uhr an Jedermann verstoße gegen Bestimmungen des Ladenöffnungsgesetzes Rheinland-Pfalz (LadöffnG). Gemäß § 6 i.V.m. § 2 Abs. 2 LadöffnG dürfe an Tankstellen in dem genannten Zeitraum neben Betriebsstoffen und Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge nur Reisebedarf abgegeben werden. Nach dem Regelungszweck könne es sich dabei nur um Waren handeln, an denen ein Reisender Bedarf habe.

3

Nachdem der Kläger dagegen Widerspruch erhoben hatte, änderte die Beklagte die Verfügung dahin ab, dass sie Ausnahmen vom Verkaufsverbot vorsah (Nr. 1 Satz 2 des Tenors). Zulässig blieb danach in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr der Verkauf von

- alkoholischen Getränken mit einem Alkoholgehalt bis zu 8 Volumenprozent in einer Menge bis zu 2 Liter pro Person oder

- alkoholischen Getränken mit einem Alkoholgehalt von über 8 bis 14 Volumenprozent in einer Menge bis zu 1 Liter pro Person oder

- alkoholischen Getränken mit einem Alkoholgehalt von über 14 Volumenprozent in einer Menge bis zu 0,1 Liter pro Person

als Reisebedarf an Reisende.

4

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2008 wies der Stadtrechtsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 13. November 2008 abgewiesen.

5

Auf die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers modifizierte die Beklagte mit Schriftsatz vom 17. März 2009 den Bescheidtenor in Nr. 1 Satz 2 dahingehend, dass sie den Begriff der Reisenden als "Kraftfahrer/innen und deren Mitfahrer/innen" (im Folgenden: Kraftfahrer und deren Mitfahrer) konkretisierte. Mit Urteil vom 19. März 2009 hat das Oberverwaltungsgericht die Zwangsmittelandrohung aufgehoben und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen. Die verfügte Beschränkung für den Verkauf alkoholischer Getränke finde ihre Rechtsgrundlage in § 14 Abs. 2 Satz 1 LadöffnG, wonach die zuständigen Behörden die Einhaltung des Ladenöffnungsgesetzes überwachten und die in diesem Zusammenhang erforderlichen Maßnahmen anordnen könnten. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung sei nicht vom Vorliegen einer konkreten Gefahr abhängig. § 14 Abs. 2 Satz 1 LadöffnG ermächtige auch zur verbindlichen Klarstellung oder Konkretisierung der im Ladenöffnungsgesetz normierten Pflichten. Anlass für eine solche klarstellende Verfügung könnten auch Meinungsverschiedenheiten zwischen Behörde und Normadressaten sein. Die Ausgangsverfügung sei zwar nicht als Reaktion auf eine festgestellte oder drohende Zuwiderhandlung des Klägers und mangels Anhörung auch nicht aus Klarstellungsgründen ergangen. Jedenfalls im Widerspruchsverfahren hätten aber unterschiedliche Auffassungen bestanden.

6

Die Verfügung der Beklagten konkretisiere in zulässiger Weise die Ausnahmeregelung in § 6 Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 LadöffnG. Die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung stelle keinen Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes dar. Der Gesetzgeber dürfe sich grundsätzlich unbestimmter Gesetzesbegriffe bedienen, müsse allerdings dabei wesentliche Bestimmungen selbst treffen. Die gesetzliche Formulierung "Genussmittel in kleineren Mengen" werde diesen Anforderungen gerecht und sei auch hinreichend bestimmt.

7

Die Beklagte habe den Begriff des Reisebedarfs zutreffend ausgelegt. Die Beschränkung des Kundenkreises auf Reisende, das heißt Kraftfahrer und deren Mitfahrer, sei dem Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften im Ladenöffnungsgesetz zwar nicht unmittelbar zu entnehmen. § 2 Abs. 2 LadöffnG gebe aber einen gewissen Anhaltspunkt für eine solche Sichtweise. Gesetzesbegründung, Systematik sowie Sinn und Zweck der § 6 Satz 2, § 2 Abs. 2 LadöffnG bestätigten dies. Nur zugunsten des Personenkreises der Kraftfahrer und Mitfahrer bestehe die Sonderregelung für Tankstellen.

8

Die in der Verfügung erfolgte Festlegung der zulässigen Verkaufsmengen sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Quantifizierung der "Genussmittel in kleineren Mengen" müsse an dem Begriff des Reisebedarfs orientiert werden. Es könne sich nur um eine Menge handeln, die zum Verbrauch des Reisenden oder eines Begleiters bestimmt sein könne oder als Reisemitbringsel geeignet sei. Gemessen daran erscheine die getroffene Regelung großzügig, zumal die Beschränkung auf eine "kleinere Menge" in besonderem Maße für den Verbrauch alkoholischer Getränke durch den Fahrer eines Kraftfahrzeugs gelte. Die Deckung eines typischerweise auf Reisen entstehenden Bedarfs sei ausreichend gesichert.

9

Die angefochtene Verfügung genüge den Bestimmtheitsanforderungen und sei ermessensgerecht. Die erläuternde Formulierung "Kraftfahrer und deren Mitfahrer" verdeutliche, dass als Kraftfahrer nicht jeder Führerscheininhaber oder Halter eines Kraftfahrzeugs gelte, sondern nur derjenige, der als Fahrer eines Kraftfahrzeugs Reisebedarf erwerben wolle. Nicht ermessensfehlerhaft sei es, dass die Beklagte ihre Anordnung auf alkoholische Getränke sowie auf die Nachtzeit beschränkt habe. Nur insoweit habe sie aufgrund bestimmter Vorkommnisse einen Handlungsbedarf gesehen. Dass sie damit gleichzeitig auf die Beachtung weiterer gesetzlicher Bestimmungen habe hinwirken wollen, stelle ebenso wenig einen Ermessensfehlgebrauch dar wie das einheitliche Vorgehen gegen alle Tankstellenbetreiber im Stadtgebiet. Die dem Kläger aufgebürdete Pflicht, seine Kunden zu überprüfen, sei nicht unzumutbar. Es lasse sich im Allgemeinen mit vertretbarem Aufwand feststellen, ob ein Kunde als Fahrer oder Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs zur Tankstelle gelangt sei.

10

Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Auslegung des § 6 Satz 2 LadöffnG durch das Oberverwaltungsgericht verletze Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie andere Verbraucher als Kraftfahrer und deren Mitfahrer als Kunden ausschließe. Darüber hinaus verstoße die berufungsgerichtliche Auslegung gegen Art. 12 Abs. 1 GG und das Bestimmtheitsgebot. Die Auslegung entgegen dem Wortsinn sei zudem nicht mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar. Es verstoße gegen das Analogieverbot, wenn unter Überschreitung der Wortlautgrenze eine Ordnungswidrigkeit angenommen werde. Mit § 68 Abs. 1 VwGO und Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar sei, dass das Oberverwaltungsgericht die Einlegung und Begründung des Widerspruchs herangezogen habe, um einen hinreichenden Anlass für den Erlass der angefochtenen Verfügung zu bejahen.

11

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 13. November 2008, das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19. März 2009 ergangene Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, soweit es die Berufung zurückweist, und der Bescheid der Beklagten vom 12. November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2008, der Prozesserklärung vom 30. Oktober 2008 sowie des Schriftsatzes vom 17. März 2009 werden aufgehoben.

12

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

13

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil verletzt kein revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO.

15

1. Nach § 137 Abs. 1 i.V.m. § 173 VwGO, § 560 ZPO ist der revisionsrechtlichen Beurteilung die berufungsgerichtliche Auslegung und Anwendung des irrevisiblen rheinland-pfälzischen Ladenöffnungsgesetzes zugrunde zu legen.

16

Danach ist davon auszugehen, dass § 14 Abs. 2 Satz 1 LadöffnG die Beklagte ermächtigt, im Wege des Verwaltungsakts die sich aus § 6 Satz 2, § 2 Abs. 2 LadöffnG ergebenden Pflichten klarzustellen und zu konkretisieren, und dass es dazu nicht einer konkreten Gefahr bedarf, sondern hinreichender Anlass für eine derartige klarstellende Ordnungsverfügung auch Meinungsverschiedenheiten zwischen Behörde und Normadressat über die sich aus dem Ladenöffnungsgesetz ergebenden Rechte und Pflichten sein können. Des Weiteren ist für die revisionsrechtliche Prüfung zugrunde zu legen, dass § 6 Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 LadöffnG den Verkauf alkoholischer Getränke an Tankstellen in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr ausschließlich an Reisende, das heißt Kraftfahrer und deren Mitfahrer, erlaubt. Ferner ist danach die von der Beklagten in der angefochtenen Verfügung festgelegte Mengenbeschränkung zur Bestimmung des Begriffs der "kleineren Menge" in § 2 Abs. 2 LadöffnG nicht zu beanstanden.

17

Eine revisionsgerichtliche Kontrolle des irrevisiblen Landesrechts ist nicht deshalb eröffnet, weil das Oberverwaltungsgericht im Rahmen der Auslegung des Begriffs "Reisebedarf" in § 6 Satz 2, § 2 Abs. 2 LadöffnG auch auf Vorschriften des Gesetzes über den Ladenschluss (§ 2 Abs. 2, §§ 6, 9 Abs. 1 Satz 2 LadSchlG i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. Juni 2003, BGBl I S. 744, zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. Oktober 2006, BGBl I S. 2407) eingegangen ist. Es hat die Bundesrechtsnormen lediglich als Interpretationshilfe für die Auslegung des Landesrechts herangezogen. Darin liegt keine revisionsgerichtlich überprüfbare Anwendung revisiblen Rechts (vgl. Urteile vom 21. September 2005 - BVerwG 6 C 16.04 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 40 S. 34 <38> und vom 31. März 2010 - BVerwG 8 C 16.08 - NVwZ 2010, 1157 Rn. 14 = Buchholz 415.1 Allg. KommunalR Nr. 175, jeweils m.w.N.).

18

Die das Revisionsgericht bindende Auslegung und Anwendung des irrevisiblen Ladenöffnungsgesetzes sind revisionsrechtlich nur daraufhin zu prüfen, ob sie mit dem revisiblen Recht in Einklang stehen (vgl. z.B. Urteile vom 26. Februar 1974 - BVerwG 1 C 31.72 - BVerwGE 45, 51 <55> = Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 25 und vom 21. Juni 2006 - BVerwG 6 C 19.06 - BVerwGE 126, 149 Rn. 34 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264). Dies ist der Fall.

19

2. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht dadurch gegen § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen, dass es aus dem Widerspruchsvorbringen des Klägers auf Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und der Beklagten über die sich aus § 6 Satz 2, § 2 Abs. 2 LadöffnG ergebenden Rechte und Pflichten geschlossen und infolge dessen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine klarstellende Ordnungsverfügung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 LadöffnG bejaht hat. Entgegen dem Revisionsvorbringen ergibt sich aus § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 19 Abs. 4 GG weder, dass das Oberverwaltungsgericht zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verfügung auf den Zeitpunkt ihres Erlasses hätte abstellen müssen, noch dass es bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 1 LadöffnG das Widerspruchsvorbringen nicht hätte berücksichtigen dürfen. In der Einbeziehung des Widerspruchsvorbringens durch das Berufungsgericht liegt auch kein Verstoß gegen das Gebot eines fairen Verfahrens oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

20

a) Gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist Gegenstand der Anfechtungsklage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Im Verfahren der Anfechtungsklage ist daher für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts regelmäßig nicht auf den Zeitpunkt seines Erlasses abzustellen. Vielmehr ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Ergehens der Widerspruchsentscheidung maßgeblich (vgl. u.a. Beschluss vom 30. April 1996 - BVerwG 6 B 77.95 - Buchholz 310 § 79 VwGO Nr. 32 S. 5). Abweichend ist gegebenenfalls der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts zugrunde zu legen, sofern dies aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist (vgl. z.B. Urteil vom 15. November 2007 - BVerwG 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 <22 f.> m.w.N. = Buchholz 402.242 § 55 AufenthG Nr. 7).

21

Auf den Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheides und nicht des Ausgangsbescheides ist regelmäßig auch dann abzustellen, wenn der Ausgangsbescheid an einem Rechtsfehler leidet, dieser Mangel jedoch aufgrund nachfolgender Maßnahmen im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung "geheilt" ist. Der Widerspruchsführer wird dadurch nicht benachteiligt. Er kann das Verfahren - wenn es nur um diesen Rechtsfehler ging - für erledigt erklären oder etwaige weitere Mängel ungehindert geltend machen (vgl. Beschluss vom 30. April 1996 a.a.O. S. 5 f.). Der Fall des Klägers gibt keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung. Dass der Kläger "erst" im Widerspruchsverfahren seine Rechtsauffassung zum Verständnis der Regelungen in § 6 Satz 2, § 2 Abs. 2 LadöffnG gegenüber der Beklagten vorgebracht hat, ist darauf zurückzuführen, dass die Beklagte fehlerhaft von einer Anhörung des Klägers abgesehen hatte. Bei einer ordnungsgemäßen Anhörung (§ 1 Abs. 1 LVwVfG RhPf i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG) hätten die Meinungsverschiedenheiten, auf die sich das Berufungsgericht zur Begründung der Erforderlichkeit der angefochtenen Untersagungsverfügung gestützt hat, bereits vor Erlass der Verfügung zutage treten können. Der Verfahrensfehler rechtfertigt indes nicht, zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verfügung auf den Zeitpunkt ihres Erlasses abzustellen. Denn der Anhörungsmangel ist nach § 1 Abs. 1 LVwVfG RhPf i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geheilt worden, indem die Anhörung des Klägers im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nachgeholt worden ist. Die im Interesse der Verfahrensökonomie vorgesehene Heilung eines Anhörungsmangels impliziert, dass in die Entscheidung über den Widerspruch auch solche Umstände einzubeziehen sind, die sich durch die nachgeholte Anhörung sei es zugunsten, sei es zum Nachteil des Betroffenen, neu ergeben.

22

Etwas anderes folgt nicht daraus, dass der Kläger - ausgehend von der bindenden berufungsgerichtlichen Auslegung und Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 1 LadöffnG - durch die Wahrnehmung seines Widerspruchsrechts und seinen Vortrag im Widerspruchsverfahren unmittelbar dazu beigetragen hat, die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass der angefochtenen Verfügung zu schaffen. Rechtlich erhebliche Interessen des Klägers sind insoweit nicht berührt. Namentlich geht seine Argumentation fehl, ein effektiver Rechtsschutz sei unter diesen Voraussetzungen verwehrt, weil der Verwaltungsakt stets als rechtmäßig beurteilt werden müsste, wenn man auf den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung abstellte. Allein die Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens und ein daraus abgeleiteter Anlass für den Erlass eines Verwaltungsakts führen nicht dazu, dass dieser als rechtmäßig zu qualifizieren ist. Dazu müssen vielmehr zusätzlich die jeweiligen materiellrechtlichen Voraussetzungen im Übrigen vorliegen.

23

b) Das Berufungsurteil verletzt danach auch nicht die in Art. 19 Abs. 4 GG verankerte Rechtsschutzgarantie. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert den Rechtsweg, wenn jemand geltend macht, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Die Rechtsschutzgarantie gewährleistet allerdings nicht selbst den sachlichen Bestand oder Inhalt einer als verletzt behaupteten Rechtsstellung; diese richtet sich vielmehr nach der Rechtsordnung im Übrigen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. September 2010 - 2 BvR 2349/08 - NVwZ-RR 2011, 1 <2> m.w.N.). Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert das formelle Recht, die Gerichte anzurufen, sowie die Effektivität des Rechtsschutzes, das heißt eine tatsächlich wirksame und möglichst lückenlose gerichtliche Kontrolle (BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. Oktober 2010 - 2 BvR 1710/10 - juris Rn. 17 m.w.N.). Nach diesen Maßgaben begründet die berufungsgerichtliche Würdigung des Widerspruchsvorbringens des Klägers keinen Verstoß gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes. Für den Kläger ist weder verwaltungsbehördlicher- oder gerichtlicherseits eine unzumutbare Schranke für den Zugang zum Gericht errichtet worden noch ist die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes verkürzt worden.

24

c) Vor diesem rechtlichen Hintergrund liegt auch die mit der Revision geltend gemachte Verletzung des rechtsstaatlichen Gebots des fairen Verfahrens nicht vor. Dies gilt gleichermaßen in Bezug auf das verwaltungsbehördliche Verfahren - für das der Grundsatz des fairen Verfahrens ebenfalls Geltung beansprucht (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. Mai 2009 - 1 BvR 1517/08 - NJW 2009, 3417 Rn. 28) - wie für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht. Aus demselben Grund ist der vom Kläger behauptete Gehörsverstoß nicht gegeben.

25

3. Die Annahme des angegriffenen Urteils, § 6 Satz 2 LadöffnG erlaube die Abgabe von Reisebedarf nur an Kraftfahrer und deren Mitfahrer, verstößt nicht gegen die bundesgesetzliche Regelung in § 6 Abs. 2 LadSchlG. Den Bestimmungen des Ladenschlussgesetzes kommt für das Gebiet des Landes Rheinland-Pfalz keine Geltungskraft (mehr) zu. Mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl I S. 2034) ist die Gesetzgebungskompetenz für das Recht des Ladenschlusses in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder übertragen worden (Art. 70 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG). Das Gesetz über den Ladenschluss in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 2003 gilt zwar als Bundesrecht fort (Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG). Es kann aber nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG durch Landesrecht ersetzt werden. Von diesem Gesetzgebungsrecht hat das Land Rheinland-Pfalz mit dem Ladenöffnungsgesetz vom 21. November 2006 Gebrauch gemacht, indem es die Materie des Ladenschlusses respektive der Ladenöffnungszeiten vollumfänglich in eigener Verantwortung geregelt hat (LTDrucks 15/387 S. 12).

26

4. Die berufungsgerichtliche Auslegung und Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 1 LadöffnG und des § 6 Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 LadöffnG verletzen den Kläger nicht in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.

27

a) Die angefochtene Ordnungsverfügung greift in die Berufsausübungsfreiheit des Klägers ein, weil sie dessen berufliche Betätigung als Betreiber einer Tankstelle reglementiert. Mit den Anordnungen für den Verkauf alkoholischer Getränke in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr beschränkt die Verfügung den Kläger darin, den Kundenkreis sowie Art und Menge der abzugebenden Waren frei zu bestimmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 9. Oktober 2000 - 1 BvR 1627/95 - juris Rn. 27 und vom 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 - GewArch 2010, 489).

28

b) Ein Eingriff in die Berufsfreiheit bedarf zu seiner Rechtfertigung gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die kompetenzgemäß erlassen worden ist. Der Eingriff muss zudem verhältnismäßig sein. Dies ist der Fall, wenn die Beschränkung der Berufsfreiheit durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls legitimiert ist und die Beschränkung zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist sowie nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck steht. Gemessen daran ist die berufungsgerichtliche Auslegung und Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 6 Satz 2, § 2 Abs. 2 LadöffnG nicht zu beanstanden.

29

aa) Ohne Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG hat das Oberverwaltungsgericht der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 1 LadöffnG - die wie das Ladenöffnungsgesetz im Übrigen kompetenzgemäß durch den Landesgesetzgeber erlassen worden ist (Art. 70 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) - die Befugnis der Beklagten entnommen, durch feststellenden Verwaltungsakt im Ladenöffnungsgesetz normierte Pflichten verbindlich klarzustellen und zu konkretisieren.

30

Es ist den Verwaltungsbehörden nicht verwehrt, gesetzliche Ge- oder Verbote durch feststellenden Verwaltungsakt gegenüber dem Normadressaten zu konkretisieren (vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 1976 - BVerwG 1 C 56.74 - NJW 1977, 772 = Buchholz 451.20 § 14 GewO Nr. 12 und vom 16. Dezember 1977 - BVerwG 7 C 79.75 - Buchholz 442.03 § 52 GüKG Nr. 1 S. 1<3>; VGH Mannheim, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 5 S 2625/01 - juris Rn. 24, 28 m.w.N.). Das Erfordernis einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung (vgl. Urteil vom 29. November 1985 - BVerwG 8 C 105.83 - BVerwGE 72, 265 <266> = Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 94 S. 15) ist hier nach der für den Senat bindenden berufungsgerichtlichen Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 1 LadöffnG erfüllt. Dies wird den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gerecht.

31

Der Klarstellung und Konkretisierung der sich aus § 6 Satz 2 LadöffnG ergebenden Pflichten in Gestalt einer Verbotsanordnung steht nicht entgegen, dass die Beklagte bei einer Nichtbefolgung der gesetzlichen Pflicht die Möglichkeit hat, ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c, Abs. 2 LadöffnG). Beide Maßnahmen sind von unterschiedlicher Art und nebeneinander zulässig (BVerwG, Urteile vom 24. Juni 1976 a.a.O. und vom 16. Dezember 1977 a.a.O.; VGH Mannheim, Urteil vom 5. Dezember 2002 a.a.O. Rn. 32).

32

Aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsurteils, der rechtmäßige Erlass eines solchen klarstellenden und gesetzeskonkretisierenden Verwaltungsakts setze nicht eine konkrete Gefahr im Sinne des Gefahrenabwehrrechts voraus. Ein hinreichender Regelungsanlass könne sich auch aus Meinungsverschiedenheiten zwischen Behörde und Normadressaten über den Inhalt des in § 6 Satz 2 LadöffnG normierten Verkaufsverbots ergeben. Dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt, auch im Vorfeld konkreter Gefahren Eingriffsermächtigungen zu schaffen, sofern die Eingriffsregelung ausreichend bestimmt ist und zwischen dem Anlass und den Auswirkungen des Eingriffs ein angemessenes Verhältnis besteht (vgl. Urteil vom 25. August 2004 - BVerwG 6 C 26.03 - BVerwGE 121, 345 <353> = Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 77). Beides ist hier der Fall. § 14 Abs. 2 Satz 1 LadöffnG ist hinreichend bestimmt. Dazu genügt, dass sich der Inhalt der Eingriffsbefugnis im Wege der Auslegung ermitteln lässt.

33

Die Auswirkungen der angefochtenen Ordnungsverfügung stehen auch nicht außer Verhältnis zu ihren Erlassvoraussetzungen. Die Eingriffsintensität der Verfügung ist vergleichsweise gering, weil sie dem Kläger lediglich Verhaltenspflichten aufgibt, deren Einhaltung ihm schon - nach der bindenden Auslegung des Berufungsgerichts - das Ladenöffnungsgesetz selbst gebietet. Gemessen daran führt die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, es bestehe ein hinreichender Regelungsanlass für den Erlass der Ordnungsverfügung, nicht zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 12 Abs. 1 GG. Das Berufungsgericht hat zugrunde gelegt, zwischen der Beklagten und dem Kläger hätten unterschiedliche Rechtsauffassungen zu dem Personenkreis bestanden, an den zur Nachtzeit alkoholische Getränke verkauft werden dürften. Der Kläger habe bestritten, alkoholische Getränke nachts ausschließlich an Reisende abgeben zu dürfen, und keine Bereitschaft erkennen lassen, die Abgabe von Reisebedarf während dieses Zeitraums auf Reisende zu beschränken. Auch habe der Kläger dasjenige, was er als "kleinere Menge" alkoholischer Getränke betrachte, nicht mit näheren Mengenangaben bezeichnet. Nach diesen für den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) durfte sich die Beklagte ermessensfehlerfrei veranlasst sehen, eine klarstellende und konkretisierende Regelung zu treffen.

34

Die mit der Verfügung getroffene Verbotsanordnung ist geeignet, die Einhaltung der sich aus § 6 Satz 2 LadöffnG ergebenden Pflichten zu fördern. Sie stellt deren Inhalt klar. Die Eignung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beklagte durch die Anordnung auch ordnungswidrigen Folgeerscheinungen des ungehinderten nächtlichen Verkaufs alkoholischer Getränke an Tankstellen (Lärmbelästigungen, Vermüllung) begegnen will. In der mengenmäßig unbegrenzten Abgabe alkoholischer Getränke sowie in der Abgabe auch an Nichtreisende liegt nach der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht ein Verstoß gegen das Ladenöffnungsgesetz. Die mit der Ordnungsverfügung bezweckte Unterbindung dieses Verstoßes dient der Einhaltung des Gesetzes im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 1 LadöffnG und erweist sich mithin geeignet zur Zweckerreichung. Dass die Beklagte daneben auch die Bekämpfung von Folgeerscheinungen in den Blick genommen hat, ist in diesem Zusammenhang unbedenklich, zumal es sich dabei nicht um sachfremde Erwägungen handelt. Das Ladenöffnungsgesetz zielt ausdrücklich auch auf die Vermeidung immissionsschutzrechtlicher Probleme in der Nachtzeit ab (vgl. LTDrucks 15/387 S. 13, 14, 15).

35

Das Einschreiten der Beklagten im Wege der Ordnungsverfügung erweist sich auch als erforderlich. Die Beklagte war nicht gehalten, sich zunächst auf ein Hinweis- und Informationsschreiben zu beschränken, um gegenüber dem Kläger die sich aus § 6 Satz 2 LadöffnG ergebenden Pflichten festzustellen. Sie durfte im Rahmen des ihr zukommenden Ermessensspielraums davon ausgehen, dass eine verbindliche Regelung, die gegebenenfalls von Maßnahmen des Verwaltungszwangs begleitet werden kann, effektiver auf eine Einhaltung der sich aus § 6 Satz 2 LadöffnG ergebenden Verkaufsbeschränkungen hinwirkt. Schließlich ist die Regelung im Verhältnis zu den Auswirkungen der Verfügung verhältnismäßig im engeren Sinne, weil die Anordnungen nicht über das hinausgehen, was sich unmittelbar aus § 6 Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 LadöffnG ergibt, und diese Bestimmungen ihrerseits in der Auslegung, die sie durch das Berufungsgericht gefunden haben, mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sind.

36

bb) Die berufungsgerichtliche Auslegung des Begriffs des Reisebedarfs in § 6 Satz 2, § 2 Abs. 2 LadöffnG verletzt Art. 12 Abs. 1 GG nicht. Die Beschränkung des Kundenkreises auf Kraftfahrer und Mitfahrer ist durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls legitimiert und auch verhältnismäßig.

37

Die Vorinstanz ist unter Auswertung der Gesetzesmaterialien (LTDrucks 15/387 S. 15 f.) davon ausgegangen, dass die Regelungen des Ladenöffnungsgesetzes in erster Linie den Schutz der Beschäftigten vor überlangen und sozial ungünstig liegenden Arbeitszeiten bezwecken. Mit der Ausnahmevorschrift des § 6 Satz 2 LadöffnG werde dem besonderen Versorgungsbedürfnis des Kraftfahrzeugverkehrs Rechnung getragen, auch während der allgemeinen Ladenschlusszeiten den Kraftstoff- und Reisebedarf decken zu können. Diesem Interesse der Kraftfahrer werde der Vorrang gegenüber dem Arbeitsschutzanliegen eingeräumt. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht die Gesichtspunkte der Wettbewerbsgleichheit und des Konkurrentenschutzes als Anliegen des Ladenöffnungsgesetzes festgestellt. Durch die Sonderregelung für den Verkauf von Reisebedarf an Tankstellen zur Nachtzeit solle die Wettbewerbsneutralität allenfalls unwesentlich zu Lasten anderer Einzelhändler beeinträchtigt werden. Bei diesen Zielsetzungen, die im Wesentlichen jenen des Ladenschlussgesetzes entsprechen, handelt es sich sämtlich um sachgerechte und vernünftige Gemeinwohlbelange (vgl. BVerfG, Urteile vom 16. Januar 2002 - 1 BvR 1236/99 - BVerfGE 104, 357 <360> und vom 9. Juni 2004 - 1 BvR 636/02 - BVerfGE 111, 10 <32 f., 41>; BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 1993 - BVerwG 1 C 17.91 - BVerwGE 94, 244 <250> = Buchholz 451.25 LadSchlG Nr. 28), die nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis stehen. Während nach dem bindenden Auslegungsergebnis des Oberverwaltungsgerichts der Zweck des Arbeitsschutzes bei § 6 Satz 2 LadöffnG zurücktritt, lassen seine Ausführungen im Übrigen erkennen, dass dem Ziel der Deckung der Versorgungsbedürfnisse des Kraftfahrzeugverkehrs und dem Ziel der Sicherung der Wettbewerbsneutralität vergleichbares Gewicht zukommen soll. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Juni 2004 a.a.O. S. 41). Der Schutz vor Konkurrenz ist zwar nicht als eigenständiger Zweck zur Beschränkung der Berufsfreiheit anzuerkennen. Der Gesetzgeber darf aber Konkurrenzvorteile unterbinden, die mit der Verfolgung eines anderweitigen legitimen Schutzziels verbunden sein können (BVerfG, Urteil vom 9. Juni 2004 a.a.O. S. 33). Nach dem Normverständnis des Berufungsgerichts stehen der Versorgungszweck und das Anliegen des Konkurrentenschutzes in einem auf eine Zweckbalance ausgerichteten Verhältnis.

38

Die Eignung eines Mittels setzt nur voraus, dass mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Dazu genügt die Möglichkeit der Zweckerreichung. Insoweit steht dem Gesetzgeber ein Einschätzungs- und Prognosevorrang zu (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. September 2010 a.a.O. S. 490). Danach steht nicht in Frage, dass die vom Berufungsgericht angenommene Verkaufsbeschränkung des § 6 Satz 2, § 2 Abs. 2 LadöffnG sowohl geeignet ist, die vom Landesgesetzgeber bezweckte Befriedigung des Versorgungsbedürfnisses des Kraftfahrzeugverkehrs zu erreichen, als auch dem Ziel der Wettbewerbsneutralität Rechnung zu tragen. Die Ausnahme von den Ladenschlusszeiten zugunsten der Tankstellen dient dem Interesse der Kraftfahrzeugreisenden am Erhalt der Mobilität auch zur Nachtzeit, indem sie ihren Kraftstoff- und Reisebedarf decken können. Die Eingrenzung des zulässigen Kundenkreises auf Kraftfahrer und Mitfahrer sowie die Beschränkung des Warenangebots auf Reisebedarfsartikel trägt zur Wettbewerbsneutralität bei. Denn erlaubt § 6 Satz 2 LadöffnG den Tankstellen die Abgabe der in § 2 Abs. 2 LadöffnG genannten Waren nur an Reisende, sind die Auswirkungen auf die übrigen Einzelhändler regelmäßig gering (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Juni 2004 a.a.O. S. 42). Das restriktive Normverständnis trägt ferner dem nach Annahme des Oberverwaltungsgerichts gesetzlich intendierten Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung, der im Hinblick auf den mit dem Ladenöffnungsgesetz verfolgten Hauptzweck des Arbeitszeitschutzes eine enge Auslegung des Privilegierungstatbestandes in § 6 Satz 2 LadöffnG nahelegt. Dem widerspricht eine Freigabe des nächtlichen Warenverkaufs auch an Nichtreisende, weil Umsatzsteigerungen zu einem erhöhten Personaleinsatz führen könnten.

39

Die Eignung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Effektivität des Verbots, zur Nachtzeit an Nichtreisende Waren zu verkaufen, von der Ausübung einer entsprechenden Kundenkontrolle durch die Tankstellenbetreiber abhängt. Nach den bindenden Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts kann vergleichsweise einfach festgestellt werden, ob ein Kunde aus einem Kraftfahrzeug ausgestiegen oder mit dem Fahrrad oder zu Fuß zur Tankstelle gekommen ist, weil das an der Kasse einer Tankstelle eingesetzte Personal den Zu- und Abfahrtsbereich sowie den Bereich der Tanksäulen "im Auge behalte". Für ein im Gesetz angelegtes strukturelles Vollzugsdefizit fehlt es danach an Anhaltspunkten. Soweit nicht völlig auszuschließen ist, dass es infolge von Kontrollmängeln gleichwohl zu einem Verkauf an Nichtreisende kommt, zieht dies die grundsätzliche Eignung der in § 6 Satz 2 LadöffnG vorgesehenen Verkaufsregelung nicht in Zweifel.

40

Die Normauslegung des Oberverwaltungsgerichts unterliegt auch hinsichtlich der Erforderlichkeit der von § 6 Satz 2 LadöffnG ausgehenden Beschränkungen der Berufsausübung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit des Mittels steht dem Gesetzgeber ebenfalls eine Einschätzungsprärogative zu (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. September 2010 a.a.O. S. 490 m.w.N.). Danach kann die von dem Kläger favorisierte Interpretation des § 6 Satz 2 LadöffnG im Sinne eines lediglich produktbezogenen Verkaufsverbots nicht als gleich wirksames Mittel angesehen werden. Es ist nicht ersichtlich, dass bei einer Freigabe des nächtlichen Warenverkaufs an Tankstellen auch an Nichtreisende, also an jedweden Kundenkreis, die Wettbewerbssituation der nicht privilegierten Einzelhändler gleichermaßen geschützt ist wie bei einer kundenbezogenen Verkaufsbeschränkung. Der Gesetzgeber durfte annehmen, eine restriktive Regelung tangiere die Wettbewerbsinteressen der nicht privilegierten Verkaufsstellen weniger, weil bei einem beschränkten Kundenkreis weniger Umsatz durch die Tankstellenbetriebe abgezogen wird.

41

Die (auch) kundenbezogene Interpretation des Begriffs des Reisebedarfs in § 6 Satz 2 LadöffnG führt schließlich nicht zu einer unangemessenen Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit der Tankstellenbetreiber. Anhaltspunkte für eine wirtschaftlich unzumutbare Belastung lassen sich den bindenden Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entnehmen. Dies gilt auch in Ansehung der Kontrollaufgaben, die - wie ausgeführt - einen vergleichsweise geringen Prüfaufwand verursachen.

42

cc) Ebenfalls ohne Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, die von der Beklagten verfügten Mengenbeschränkungen für den Verkauf alkoholischer Getränke seien nicht zu beanstanden. Die in der Ordnungsverfügung vorgenommene Quantifizierung des Begriffs der "Genussmittel in kleineren Mengen" stellt eine zulässige Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "kleineren Menge" dar, die der einheitlichen Handhabung und effizienten Kontrolle der Einhaltung des Ladenöffnungsgesetzes dient und die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Klägers nicht unzumutbar beschränkt.

43

Als unbestimmter Rechtsbegriff bedarf die Formulierung der "kleineren Mengen" in § 2 Abs. 2 LadöffnG bei der Rechtsanwendung der Präzisierung. Die Aufgabe der Präzisierung und Konkretisierung obliegt - ungeachtet der etwaigen nachfolgenden uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung - zunächst den zuständigen Verwaltungsbehörden (vgl. Urteil vom 25. November 1993 - BVerwG 3 C 38.91 - BVerwGE 94, 307 <309> = Buchholz 418.72 WeinG Nr. 24). Um eine aus Gründen des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) gebotene einheitliche Verwaltungspraxis in ihrem Zuständigkeitsbereich zu gewährleisten und einen effizienten Verwaltungsvollzug zu ermöglichen, durfte die Beklagte gegenüber den Tankstellenbetreibern im Stadtgebiet den Begriff der "kleineren Mengen" von alkoholischen Getränken präzisierend ausfüllen. Dabei ist ihr mit Rücksicht auf die Verwaltungspraktikabilität auch nicht verwehrt, die Konkretisierung an einem typischerweise auftretenden Bedarf auszurichten.

44

Mit Recht ist das Berufungsgericht - wie schon das Verwaltungsgericht - zu der Überzeugung gelangt, dass die in der angefochtenen Verfügung festgelegten Mengenbeschränkungen eine großzügige Auslegung des Begriffs der "kleineren Mengen" bedeuten. Es hat revisionsrechtlich fehlerfrei darauf abgestellt, es könne sich nur um eine Menge handeln, die zum Verbrauch des Reisenden oder eines Begleiters auf der Reise bestimmt sein könne oder als Reisemitbringsel geeignet sei. Dass die mengenmäßigen Festlegungen zu für den Kläger unverhältnismäßigen Verkaufsbeschränkungen führen, ist nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht ersichtlich.

45

5. In der Auslegung und Anwendung von § 14 Abs. 2 Satz 1, § 6 Satz 2 und § 2 Abs. 2 LadöffnG durch das Oberverwaltungsgericht liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

46

Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Das ist hier nicht der Fall. Nach den bindenden Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat die Beklagte gleichlautende Verfügungen an sämtliche Tankstellenbetreiber in ihrem Zuständigkeitsbereich gerichtet. Eine etwaige abweichende Verwaltungspraxis beim Vollzug des Ladenöffnungsgesetzes in anderen Städten in Rheinland-Pfalz ist unbeachtlich. Der Gleichheitsanspruch besteht nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Träger öffentlicher Gewalt.

47

Ebenso wenig führt die kundenbezogene Auslegung des § 6 Satz 2 LadöffnG zu einer Ungleichbehandlung des Klägers. Nach dem Normverständnis des Berufungsgerichts betrifft die Beschränkung der beruflichen Betätigung unterschiedslos alle Tankstellenbetreiber im Geltungsbereich der Norm.

48

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ergibt sich auch nicht, soweit andere Verbraucher als Kraftfahrer und deren Mitfahrer als Kunden ausgeschlossen werden. Keiner Klärung bedarf, ob dem Kläger insoweit eine Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt ist, weil er eine Ungleichbehandlung Dritter geltend macht. Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls nicht verletzt, weil mit der Zielsetzung des § 6 Satz 2 LadöffnG, dem besonderen Versorgungsbedürfnis der Kraftfahrzeugreisenden und ihrem Interesse an der Erhaltung ihrer Mobilität Rechnung zu tragen, ein sachlicher Grund für die Differenzierung zwischen der Gruppe der Reisenden (Kraftfahrer und Mitfahrer) und der Gruppe der Nichtreisenden (Radfahrer und Fußgänger) gegeben ist.

49

6. Das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot nach Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. November 2000 - 1 BvR 2307/94 u.a. - BVerfGE 102, 254 <337>; BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2006 - BVerwG 10 C 9.05 - BVerwGE 126, 222 Rn. 29 f. = Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 47) ist nicht verletzt. Das Tatbestandsmerkmal des Reisebedarfs in § 6 Satz 2 LadöffnG und der Begriff der "kleineren Mengen" in § 2 Abs. 2 LadöffnG sind hinreichend bestimmt, weil das Oberverwaltungsgericht ihren Bedeutungsinhalt mit den üblichen Auslegungsmethoden hat ermitteln können und ihr möglicher Wortsinn der Interpretation eine hinreichende Grenze zieht. Dasselbe gilt für die Eingriffsbefugnis nach § 14 Abs. 2 Satz 1 LadöffnG. Damit sind auch die Anforderungen des Gesetzesvorbehalts im Sinne der so genannten Wesentlichkeitstheorie (vgl. z.B. Urteil vom 18. Juli 2002 - BVerwG 3 C 54.01 - Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 103 m.w.N.) eingehalten.

50

7. Schließlich begründet die berufungsgerichtliche Auslegung von § 6 Satz 2, § 2 Abs. 2 LadöffnG keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Eine verwaltungsrechtliche Bestimmung, die von einer Ordnungswidrigkeiten- oder Strafvorschrift in Bezug genommen wird, unterliegt nicht generell den strengen Beschränkungen des Art. 103 Abs. 2 GG, sondern nur, soweit sie zur Ausfüllung der ordnungswidrigkeitenrechtlichen oder strafrechtlichen Blankettnorm herangezogen wird (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 5. April 2006 - 1 BvR 2780/04 - NVwZ 2006, 926 <927>). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Es geht um eine verwaltungsrechtliche Ordnungsverfügung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 LadöffnG und nicht um ein Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c LadöffnG.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 25. März 2014 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.


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(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.