Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 24/16
vom
7. September 2017
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Zur Untreue eines Finanzbeamten bei Entscheidungen im Zusammenhang mit dem
BGH, Urteil vom 7. September 2017 - 2 StR 24/16 - LG Schwerin
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen des Verdachts der Untreue
ECLI:DE:BGH:2017:070917U2STR24.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 30. August 2017 in der Sitzung am 7. September 2017, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube, Schmidt, Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwältin , in der Verhandlung, Rechtsanwalt , in der Verhandlung, als Verteidiger des Angeklagten B. , Rechtsanwalt , in der Verhandlung, Rechtsanwalt , in der Verhandlung, , in der Verhandlung und bei der Verkündung, als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 9. März 2015 werden verworfen. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten B. und S. von Untreuevorwürfen teils aus tatsächlichen, teils aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben keinen Erfolg.

A.

I.

2
1. Den Angeklagten liegt Folgendes zur Last:
3
Den Angeklagten B. und S. wird vorgeworfen, in den Jahren 2003 bis 2005 als leitende Finanzbeamte des Landes MecklenburgVorpommern an ihnen nachgeordnete Finanzbeamte rechtswidrige Weisungen zum Umgang mit Belegenheitsbescheinigungen in Investitionszulagenverfahren nach dem Investitionszulagengesetz 1999 (künftig: InvZulG 1999) erteilt und sich dadurch der Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht zu haben.
4
a) Dem Angeklagten B. , damals stellvertretender Leiter der Steuerabteilung und als Referatsleiter für Investitionszulagen und die Fachaufsicht über die nachgeordneten Finanzbehörden zuständig, wird vorgeworfen, die für Investitionszulagenverfahren zuständigen Sachgebietsleiter der Finanzämter am 8. April 2003 im Rahmen einer „Dienstberatung“ (rechtswidrig) angewiesen zu haben, die von den Gemeinden ausgestellten Bescheinigungen über die Belegenheit eines Gebäudes in einem förderfähigen Gebiet gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b) InvZulG 1999 (künftig: Belegenheitsbescheinigung), grundsätzlich anzuerkennen und keine Nachforschungen über ihre Rechtmäßigkeit anzustellen; Remonstrationen bei den ausstellenden Gemeindebehörden seien grundsätzlich nicht oder nur einmalig zu erheben, wenn aufgrund eigener Ortskenntnis und ohne weitere Nachforschungen Anhaltspunkte für offensichtlich rechtswidrig erteilte Belegenheitsbescheinigungen bestünden; noch offene Zulagenverfahren seien „bewilligend“ abzuschließen und auf die Rückforderung zu Unrecht gewährter Investitionszulagen sei zu verzichten.
5
Der Angeklagte S. , der damals als Einkommensteuerreferent in der Oberfinanzdirektion R. (künftig: OFD) unter anderem für Investitionszulagenverfahren zuständig war, habe sich als verantwortlicher Tagungsleiter diese Weisung seines Vorgesetzten „zu eigen gemacht“, indem er dessen Vorgaben „zusammenfassend wiederholt“ und die anwesenden Finanzbeamten mit dem Hinweis „Augen zu und durch“ aufgefordert habe, die Weisungen des An- geklagten B. zu befolgen. Die Angeklagten hätten damit bewusst und gewollt angeordnet, faktisch keine Remonstrationen mehr durchzuführen, obwohl ihnen bekannt gewesen sei, dass Bescheinigungen der Gemeinden fehlerhaft oder missbräuchlich ausgestellt worden seien; diese Weisung habe dazu geführt , dass die Finanzämter St. und Be. in mehreren Investitionszulagenfällen Remonstrationsverfahren, die zuvor mit dem Ziel geführt worden seien , die Rücknahme rechtswidriger Belegenheitsbescheinigungen zu erreichen, beendet hätten und Investitionszulagen in Höhe von insgesamt etwa 534.000 Euro zu Unrecht ausgezahlt bzw. nicht zurückgefordert worden seien, wodurch ein Steuerschaden in entsprechender Höhe entstanden sei (Fall 1).
6
b) Darüber hinaus soll der Angeklagte B. den Angeklagten S. im Dezember 2004 mündlich aufgefordert haben, das Finanzamt P. anzuweisen, das Remonstrationsverfahren zu beenden, das dieses gegen die Stadt P. wegen der für die so genannte „A. Si. “ ausgestellten, offensichtlich rechtswidrigen Belegenheitsbescheinigungen angestrengt hatte. Dadurch sei die Rückforderung zuvor zu Unrecht ausgezahlter Investitionszulagen in Höhe von insgesamt rund 650.000 Euro unterblieben.
7
Der Angeklagte S. habe diese Anordnung befolgt und das Finanzamt P. mit Erlass von Dezember 2004 aufgefordert, das Remonstrationsverfahren zu beenden und auf weitere Bemühungen mit dem Ziel der Rückforderung zu Unrecht ausgezahlter Investitionszulagen zu verzichten. Beiden Angeklagten sei bewusst gewesen, dass es sich bei den vom Finanzamt P. im Wege der Remonstration beanstandeten Belegenheitsbescheinigungen der Stadt P. um offensichtlich rechtswidrige „Gefälligkeitsbe- scheinigungen“ gehandelt habe und die außerhalb des Stadtgebietsauf frühe- rem Weideland errichtete „A. Si. “ nicht förderfähig gewesen sei (Fall 2).
8
c) Der Angeklagte S. soll das Finanzamt W. schließlich mit Erlass vom 3. Mai 2005 angewiesen haben, ein wegen einer „offensicht- lich unzutreffenden Belegenheitsbescheinigung“ geführtesRemonstrationsver- fahren zu beenden (Fall 3).
9
2. Das Landgericht Schwerin hatte die Anklage der Staatsanwaltschaft Rostock vom 19. Januar 2010 nicht zur Hauptverhandlung zugelassen und die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen diesen Nichteröffnungsbeschluss hat das Oberlandesgericht Rostock die Anklage mit Beschluss vom 27. September 2012 – I Ws 133/12 (ZWH 2013, 70) – unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen.

II.

10
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
11
1. Die Angeklagten B. und S. waren in den Jahren 2003 bis 2005 als leitende Finanzbeamte in der Finanzverwaltung des Landes Mecklenburg -Vorpommern tätig. Der Angeklagte B. , der im Jahr 1993 in den Dienst des Landes Mecklenburg-Vorpommern eingetreten war, wurde seit 1995 im Finanzministerium eingesetzt. Im Jahre 2003 war er stellvertretender Abteilungsleiter der Abteilung Steuern und zugleich als Referatsleiter für Investitionszulagen nach dem InvZulG 1999 zuständig; darüber hinaus oblag ihm die Fachaufsicht über die OFD. Am 1. Oktober 2004 wurde er Gruppenleiter der Referatsgruppe Steuerpolitik, Steuerschätzung, Entwicklung der Steuereinnahmen , Einkommensteuer und Körperschaftsteuer; seine Zuständigkeit umfasste dabei auch die Gewährung von Investitionszulagen sowie die Fachaufsicht über die Finanzämter des Landes. Der Angeklagte S. , der im Jahr 1998 in die Finanzverwaltung des Landes Mecklenburg-Vorpommern eingetreten und zunächst als Sachgebietsleiter im Finanzamt R. sowie als Ständiger Vertreter des Vorstehers beim Finanzamt M. tätig war, wurde seit 2003 als Einkommensteuerreferent bei der OFD eingesetzt und war nach deren Auflösung im Jahr 2004 als Einkommensteuerreferent im Finanzministerium auch für Investitionszulagen sowie für die Fachaufsicht über die Finanzämter des Landes zuständig.
12
2. Die Angeklagten waren in ihren jeweiligen dienstlichen Aufgabenbereichen mit Fragen der Gewährung von Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz 1999 befasst.
13
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 3a Abs. 1 InvZulG 1999 gewähren die Finanzämter bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Zulage in Höhe von 10 Prozent der Kosten der Anschaffung oder Herstellung neuer Gebäude zum Zwecke der entgeltlichen Überlassung zuWohnzwecken oder für Modernisierungsmaßnahmen an Mietwohnungsgebäuden im innerörtlichen Bereich. Ein Anspruch auf Investitionszulage für die Anschaffung oder Herstellung neuer Gebäude (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999) bzw. für Modernisierungsmaßnahmen an Mietwohngebäuden im innerörtlichen Bereich (§ 3a Abs. 1 InvZulG 1999) setzt voraus, dass der Antragsteller die Belegenheit des Gebäudes in einem förderfähigen Gebiet durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweist (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b) bzw. § 3a Abs. 1 InvZulG 1999). In diesem Sinne förderfähig sind danach unter anderem Gebäude, die in einem Gebiet belegen sind, das durch Bebauungsplan als Kerngebiet im Sinne des § 7 Baunutzungsverordnung festgesetzt ist oder „das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung diesem Gebiet entspricht.“
14
Eine Belegenheit in einem so genannten „kerngebietsähnlichen Gebiet“ im Sinne der letzten Alternative des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b) InvZulG 1999 setzt voraus, dass das zu fördernde Objekt in einem Gebiet liegt, das ei- nem „Kerngebiet“ entspricht und nur noch nicht förmlich als solches ausgewie- sen ist (vgl. Kaligin, Investitionszulagengesetz 1999-2004, 3. Aufl., § 3 Rn. 11; Masuch, ABC der Investitionszulage, 3. Aufl., S. 450). Kerngebiete im Sinne des § 7 BauNVO sind dabei Gebiete, die vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dienen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 1988 – 4 B 119/88, NVwZ 1989, 50, 51). Objekte in reinen Wohngebieten scheiden grundsätzlich als förderfähig aus (vgl. Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 16. Oktober 2013 – 3 L 170/10, juris).
15
b) In der Verwaltungspraxis bestand zunächst Unsicherheit darüber, in welchen Fällen die Belegenheit eines Bauvorhabens in einem kerngebietsähnlichen Gebiet bescheinigt werden durfte. Neben der Vagheit der gesetzlichen Regelung resultierten die Anwendungsschwierigkeiten in der Praxis teilweise auch daher, dass die Gemeindebehörden, in deren Bereich die Investitionen erfolgen sollten und die für die Erteilung der Belegenheitsbescheinigungen zuständig waren, ein eigenes wirtschaftliches Interesse an Investitionen in den regionalen Wohnungsbau hegten. Die Frage der Förderfähigkeit von Investitionen im Sinne des § 3 Abs. 1 InvZulG 1999 und des Umgangs mit Belegenheitsbescheinigungen wurde – vor der verfahrensgegenständlichen Dienstberatung am 8. April 2003 – in einigen Veröffentlichungen thematisiert:
16
aa) Im August 2000 empfahl der Städte- und Gemeindetag Mecklenburg- Vorpommern den Kommunen in seiner Verbandszeitschrift, „in ihremeigenen Interesse“ mit der Erteilung von Belegenheitsbescheinigungen „großzügig“zu verfahren. Soweit im Zentrum eines Dorfes sowohl Wohn- als auch Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude wie auch möglicherweise Einzelhandelsbetriebe vorhanden seien, könne regelmäßig davon ausgegangen werden, dass eine Belegenheitsbescheinigung ausgestellt werden könne. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass „auch durch das zuständige Finanzamt keine Überprüfung der sachlichen Richtigkeit erfolgen“ könne, sondern „das Finanzamt an den Bescheid der zuständigen Gemeindebehörde gebunden“ sei.
17
bb) Am 18. April 2001 wies der Bundesminister der Finanzen die Innenministerien der neuen Bundesländer auf die Problematik rechtswidrig erteilter Belegenheitsbescheinigungen hin und erläuterte, dass die Finanzämter an den Inhalt der Bescheinigungen gebunden seien. Er fügte hinzu, dass die Erteilung von „Gefälligkeitsbescheinigungen“ zu beachtlichen Steuermindereinnahmen führe und die Gemeinden verpflichtet seien, die Erteilung von Bescheinigungen bei Fehlen der Fördervoraussetzungen zu versagen; dafür habe die Kommunalaufsicht Sorge zu tragen.
18
cc) Im November 2002 veröffentlichte der Städte- und Gemeindetag Mecklenburg-Vorpommern in seiner Verbandszeitschrift ein Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald aus dem September 2001, in dem dieses ausgeführt hatte, dass ein „Dorfkern“ regelmäßig nicht als Fördergebiet im Sinne des InvZulG 1999 anzusehen sei, und setzte hinzu, dass die früher „dargelegte großzügige Auslegung des InvZulG“ daher „nicht mehr empfohlen werden“ kön- ne.
19
dd) Am 28. Februar 2003 veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen ein BMF-Schreiben, in dem ausgeführt wurde, dass die von den kommunalen Entscheidungsträgern ausgestellten Belegenheitsbescheinigungen als Grundlagenbescheide im Sinne des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO anzusehen und für die Finanzbehörden im Hinblick auf die darin enthaltenen außer- steuerrechtlichen Feststellungen verbindlich seien. Stelle das Finanzamt fest, dass die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen offensichtlich nicht vorliegen , habe es die zuständige Gemeindebehörde zu veranlassen, die Bescheinigung zu überprüfen.
20
3. Fall 1 der Anklage:
21
a) Am 8. April 2003 fand in den Räumen der OFD in R. eine vom Angeklagten S. vorbereitete, durch den Angeklagten B. als zuständigem Referatsleiter im Finanzministerium geleitete Dienstberatung statt, die der Anleitung der Arbeit der Finanzämter und dem Erfahrungsaustausch dienen sollte. An ihr nahmen fünfzehn Sachgebietsleiter der Finanzämter aus dem Bezirk der OFD teil, die mit der Gewährung von Investitionszulagen befasst waren. Zu den Themen der Dienstberatung gehörte vor dem Hintergrund der bestehenden Unsicherheiten unter Tagesordnungspunkt 4 auch die Frage des Umgangs mit zweifelhaften oder offensichtlich rechtswidrig ausgestellten Belegenheitsbescheinigungen. Ein Mitarbeiter des Finanzamts St. hatte – derim Vorfeld der Dienstberatung erfolgten Aufforderung des Angeklagten S. entsprechend – vorab über zwei von ihm als „Problemfälle“ angesehene Investitionszulagenverfahren berichtet, in denen die Belegenheitsbescheinigungen zweifelhaft erschienen.
22
aa) Nach allgemeinen Ausführungen zur Bindungswirkung von Grundlagenbescheiden im Besteuerungsverfahren wurde insbesondere der Inhalt des BMF-Schreibens vom 28. Februar 2003 sowie die Frage erörtert, wann ein Fall offensichtlicher Unrichtigkeit in dem dort genannten Sinne vorliege, und ob die Finanzämter verpflichtet seien, Investitionszulagen zu bewilligen und auszuzahlen , wenn die ausstellende Gemeinde sich nach erneuter Prüfung weigere, die als unzutreffend angesehene Belegenheitsbescheinigung zurück zu nehmen.
23
bb) In der zeitnah gefertigten Niederschrift über die Dienstberatung hielt der Angeklagte S. am 15. Mai 2003 unter anderem fest, dass die Gemeinden in eigener Zuständigkeit über die Erteilung der Belegenheitsbescheinigungen entscheiden und an Vorgaben und Weisungen der Finanzämter nicht gebunden seien. Unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 28. Februar 2003 führte er aus, dass die Finanzämter die Gemeindebehörden um eine Überprüfung ihrer Entscheidung bitten sollten, wenn die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen offensichtlich nicht vorliegen. Eine Bescheinigung sei nur dann als „offensichtlichunzutreffend“ anzusehen, wenn „aufgrund eigener Kenntnisse des Bearbeiters (eigene Ortskenntnis) und ohne weitere Prüfung oder ohne die Durchführung einer Sonderprüfung oder Nachschau festgestellt“ werde, „dass [das] Gebäude nicht in einem solchen in der Bescheinigung be- zeichneten Gebiet liegt“. Angefügtwar außerdem der Hinweis, dass bei jeder Bescheinigung grundsätzlich davon auszugehen sei, dass deren Inhalt richtig sei, und dass die ausstellende Behörde nach ausreichender Prüfung sachgerecht entschieden habe. Verweigere die Gemeinde auf die Bitte des Finanzamts die Überprüfung und Änderung oder Aufhebung einer als offensichtlich unzutreffend einzustufenden Bescheinigung, so solle der Fall der OFD „zur Weiterleitung an das zuständige Landesministerium“ berichtet werden.
24
cc) Nach der Dienstberatung wurden die zuvor entfalteten, erfolglos gebliebenen Bemühungen, die Gemeinden zu einer Rücknahme der für unrichtig erachteten Belegenheitsbescheinigungen zu veranlassen, in den von der Anklage umfassten Zulagenverfahren der Finanzämter St. und Be. aufgegeben ; die beantragten Investitionszulagen wurden antragsgemäß festsetzt bzw. in den Fällen, in denen die Auszahlung bereits erfolgt war, keine Anstrengungen unternommen, die gewährten Investitionszulagen zurückzufordern.
25
b) Das Landgericht hat die beiden Angeklagten aus tatsächlichen sowie aus rechtlichen Gründen freigesprochen.
26
aa) Die anlässlich der Dienstberatung geäußerten Hinweise der beiden Angeklagten auf die Rechtsnatur der Belegenheitsbescheinigungen und deren Bindungswirkung hätten der Rechtslage entsprochen. Auf konkrete Einzelfälle bezogene oder allgemeine Weisungen, die faktisch ein Remonstrationsverbot für die nachgeordneten Finanzbeamten nach sich gezogen hätten, vermochte das Landgericht ebenso wenig festzustellen wie eine mündliche Anweisung, die Belegenheitsbescheinigungen der Gemeinden grundsätzlich anzuerkennen bzw. nicht anzuzweifeln, „alle aufgrund offensichtlich falscher Bescheinigungen offen gelassenen Fälle […] abzuschließen“, „Investitionszulagen nicht „zu eifrig“ zurückzufordern“, bereits eingeleitete Remonstrationsverfahren zu beenden und Zulagenverfahren nach dem Motto „Augen zu und durch“ auch in Zweifelsfällen bewilligend abzuschließen.
27
bb) Soweit den Angeklagten vorgeworfen werde, sich durch die Weisung an die nachgeordneten Finanzbeamten, Investitionszulagen „nicht zu eifrig“ zurückzufordern , pflichtwidrig im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB verhalten zu haben , seien sie (auch) aus Rechtsgründen freizusprechen. Die Existenz der Belegenheitsbescheinigungen , die als Grundlagenbescheide i.S.d. § 171 Abs. 10 AO anzusehen seien, hätten gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO einer Aufhebung der bewilligenden Bescheide bzw. einer Versagung der Investitionszulagen unter Hinweis auf die nach Auffassung der Finanzbehörden fehlenden bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen entgegengestanden. Zwar seien die Angeklagten als leitende Finanzbeamte in Fällen offensichtlich unrichtiger Belegenheitsbescheinigungen nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet gewesen , gegenüber den Gemeinden zu remonstrieren und auf eine Rücknahme der Bescheinigungen hinzuwirken. Die in dem Protokoll enthaltene Weisung, in Fäl- len erfolgloser Remonstration auf dem Dienstweg an die OFD zur Weiterleitung an das zuständige Landesministerium zu berichten, habe die Voraussetzung für eine Remonstration auf der nächsthöheren Fachebene geschaffen und sei sogar über das im BMF-Schreiben geforderte Handeln in Fällen offensichtlich unrichtiger Belegenheitsbescheinigungen hinausgegangen.
28
4. Fall 2 der Anklage
29
a) Die städtische Wohnungsbaugesellschaft P. (künftig: WoBa), hatte Investitionszulagen für die Errichtung der so genannten „A. Si. “, einem amRande der Stadt auf ehemaligem Ackerland geplanten neuen Wohngebiet, beantragt. Am 30. Mai 2000 hatte der Bauamtsleiter der Stadt P. für insgesamt 52 Objekte Bescheinigungen ausgestellt, wonach die Objekte in einem „allgemeinen Wohngebiet gemäß § 1 Abs. 2 Ziffer 3 Baunut- zungsverordnung“ belegen seien. Diese in den amtlichen Mustervordrucken nicht enthaltene, nicht förderfähige Alternative wurde in den amtlichen Mustervordruck eingefügt. Noch am selben Tag hatte sich der Bürgermeister der Stadt P. , zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der WoBa, an den Bauamtsleiter gewandt und ihn aufgefordert, die Belegenheit des Bauprojekts in einem Gebiet zu bescheinigen, das „auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung einem Kerngebiet“ entspreche. Der Bauamtsleiter war zwar weiterhin davon überzeugt , dass die „A. Si. “ nicht in einem kerngebietsähnlichen Gebiet belegen sei; er hatte die ihm erteilte Weisung jedoch in der Annahme befolgt , dass eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Bescheinigung durch das Finanzamt erfolgen werde. Am 31. August 2000 hatte die WoBa unter Vorlage der Belegenheitsbescheinigungen Investitionszulagen für „die Errichtung eines Neubaukomplexes mit 54 Reihenhäusern und 3 Würfelhäusern“ beantragt, die das Finanzamt unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bewilligt und nach Durch- führung einer Investitionszulagen-Sonderprüfung schließlich in Höhe von 650.991,65 Euro ausgezahlt hatte.
30
b) Nachdem die zuständige Mitarbeiterin des Finanzamts P. an der Dienstberatung am 8. April 2003 teilgenommen und dabei die Erkenntnis gewonnen hatte, „dass bei ernsthaften bzw. offensichtlichen Zweifeln an der Richtigkeit der Belegenheitsbescheinigungen einerseits das Remonstrations- recht besteht und zum Anderen die OFD zu informieren“ sei,bat sie die Stadt P. mit Schreiben vom 14. April 2003 „um Überprüfung und ggf. Änderung der für die Wohnungsbaugesellschaft P. am 30.05.2000 ausgestell- ten Bescheinigungen“; die „A. Si. “ sei am Stadtrand auf der so genannten „grünen Wiese“ errichtet worden.Die Stadt P. ließ die Anfrage des Finanzamts zunächst unbeantwortet. Nach telefonischen Rücksprachen zwischen dem Finanzamt P. und der OFD Anfang Juni 2003 verzichtete das Finanzamt auf erneute Nachfragen bei der Stadt und berichtete die Sache weisungsgemäß an die OFD. Am 26. Juni 2003 rief eine Mitarbeiterin des Angeklagten S. beim Finanzamt P. an und wies darauf hin, dass der Fall durch die Stadt noch nicht abschließend geprüft und deren Antwort abzuwarten sei. Am 24. Juli 2003 fragte das Finanzamt P. bei dem Angeklagten S. nach, wann mit einer Antwort in der Sache P. zu rechnen sei und „wer was zu veranlassen“ habe.
31
Der Angeklagte S. wies das Finanzamt nunmehr an, „alleAktivi- täten“ gegenüber der Stadt aufzugeben und die Sache nochmals an die OFD zu berichten; diese werde „das Problem“ an das Finanzministeriumherantragen. Anfang Mai 2004 berichtete der Angeklagte S. dem Finanzministerium über die Angelegenheit P. und führte unter anderem aus, „dass die Bescheinigungen offensichtlich aufgrund einer falschen Rechtsanwendung durch die Stadt P. erstellt worden“ seien; die „Gebäude, für die Investitionszu- lagen in Anspruch genommen worden sind,“ seien „auf Ackerland bzw. der sog. Grünen Wiese außerhalb der Stadt P. errichtet…“. Der Angeklagte S. führte weiter aus:
32
„Die Verhaltensweise der Stadt P. sowie deren Rechtsverständ- nis halte ich aufgrund der erheblichen steuerlichen Auswirkungen sowie des Subventionscharakters der Investitionszulage und der besonderen strafrechtlichen Bedeutung der im Zusammenhang mit ihrer Beantragung abgegebenen Erklärungen für bedenklich. […] Aus diesem Grund ist der gesamte Sachverhalt der zuständigen Dienststelle – der BUStRAST N. – zur bußgeldund strafrechtlichen Würdigung übergeben worden […]. Unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 18.4.2001 […] bitte ich, das für die unteren Baubehörden zuständige Ministerium für Arbeit, Bau und Landesentwicklung bzw. das für die Kommunalaufsicht zuständige Innenministerium über den vorliegenden Sachverhalt zu informieren.“
33
Dieser Bericht wurde nach Eingang beim Finanzministerium an den Angeklagten B. „herangetragen“. Dieser telefonierte mit dem Zeugen Gä. , Abteilungsleiter der zuständigen Abteilung des Ministeriums für Arbeit, Bau und Landesentwicklung, der seine Unterstützung zusagte. Die Aktivitäten des Ministeriums für Arbeit, Bau und Landesentwicklung verliefen im Sande. Der mit der Sache befasste Mitarbeiter hielt zwar fest, dass es der Stadt P. kaum möglich sein werde, die Belegenheitsbescheinigung bauplanungsrechtlich zu begründen; er regte jedoch an, die Entscheidung der BUStRAST N. abzuwarten; Handlungsbedarf im Hinblick auf die allgemeine kommunale Bescheinigungspraxis sah er nicht. Im Finanzministerium war eine Wiedervorlage des Vorgangs nicht verfügt worden. Die vom Angeklagten S. mit den Vorgängen betraute BUStRAST N. kam in ihrem Bericht vom 26. Oktober 2004 zu dem Ergebnis, dass zureichende tatsächliche Anhalts- punkte für eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit nicht bestünden; die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b) InvZulG 1999 eröffne ersichtlich mehrere Interpretationsmöglichkeiten; es könne nicht der Nachweis geführt werden, dass die verantwortlichen Personen wider besseres Wissen eine Belegenheit des Vorhabens in einem kerngebietsähnlichen Gebiet bescheinigt hätten.
34
Im Dezember 2004 ließ der mittlerweile im Finanzministerium tätige Angeklagte S. – nach dem Eindruck der das Schreiben verfassenden Mitarbeiterin „auf Anweisung von Vorgesetzten“ – dem Finanzamt P. mitteilen, dass „nach erfolgter Abstimmung zwischen den zuständigen Ministerien […] keine Veranlassung gesehen“ werde, „die Richtigkeit der nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b) InvZulG 1999 ausgestellten Bescheinigungen zu beanstanden“ und die Fälle „nunmehr bewilligend abzuschließen“ seien. Ob der Angeklagte B. den Angeklagten S. angewiesen hatte, dieses Schreiben zu verfassen, oder ob er auf andere Weise Kenntnis von diesem Vorgang erlangt hat, konnte nicht festgestellt werden. Das Remonstrationsverfahren gegenüber der Stadt P. wurde nach Eingang dieses Schreibens nicht weiterverfolgt.
35
c) Nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens wies das Finanzminsterium das Finanzamt P. an, das Remonstrationsverfahren weiter zu betreiben. Die Stadt P. nahm unter Hinweis darauf, dass die am 30. Mai 2000 ausgestellten Bescheinigungen „einer anderen Interpretation der Vorschriften des § 7 BauNVO entsprochen“ hätten und unzutreffend gewesen seien, die Belegenheitsbescheinigungen am 1. Februar 2007 zurück. Das hiergegen von der WoBa angestrengte verwaltungsgerichtliche Verfahren ruht. Die Investitionszulagenbescheide wurden entsprechend geändert und die hiergegen gerichteten Widersprüche der Antragstellerin zurückgewiesen. Die WoBa zahlte am 31. Mai 2007 einen Betrag in Höhe von rund 859.000 Euro zurück.
36
d) Das Landgericht hat den Angeklagten B. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es vermochte nicht festzustellen, dass dieser den Angeklagten S. angewiesen hatte, das an das Finanzamt P. gerichtete Schreiben zu verfassen. Auch die Annahme einer Strafbarkeit durch Unterlassen scheide aus; der Angeklagte B. sei von Rechts wegen nicht verpflichtet gewesen, sich eine Wiedervorlage des Vorgangs zu notieren, nachdem er an das Ministerium für Arbeit, Bau und Landesentwicklung herangetreten sei. Darüber hinaus bestehe für die Angeklagten keine „allgemeine strafbewehrte Pflicht […], für eine Fortsetzung jedes nicht erfolgrei- chen Remonstrationsverfahrens auf weiteren Eskalationsebenen unter Einbeziehung der den Gemeindebehörden übergeordneten Organe[n] der Rechtsund /oder Fachaufsicht bis zur letzten möglichen Instanz Sorge zu tragen“.
37
Den Angeklagten S. hat das Landgericht aus Rechtsgründen freigesprochen. Zwar habe es sich um offensichtlich rechtswidrige Belegenheitsbescheinigungen gehandelt, weil die „A. Si. “ als Wohngebiet am Ortsrand auf der grünen Wiese errichtet werden sollte. Darüber hinaus habe er durch die an das Finanzamt P. gerichtete Weisung, das Remonstrationsverfahren trotz offensichtlicher Rechtswidrigkeit der Belegenheitsbescheinigungen zu beenden, auch pflichtwidrig im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB gehandelt. Es fehle jedoch an der Kausalität seines Handelns im Hinblick auf den dadurch eingetretenen Nachteil. Der Grundlagenbescheid habe im Dezember 2004 nicht mehr zurückgenommen werden können, weil die insoweit beachtliche Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG-MV bereits abgelaufen gewesen sei.
38
5. Fall 3 der Anklage
39
a) Die Stadt W. hatte einem Bauunternehmen am 19. Dezember 2002 eine Belegenheitsbescheinigung für ein Bauprojekt ausgestellt, das in einem reinen Wohngebiet gelegen war; unter Vorlage dieser Belegenheitsbescheinigung hatte das Unternehmen im April 2003 bei dem zuständigen Finanzamt W. die Festsetzung von Investitionszulagen in Höhe von rund 15.000 Euro für das Jahr 2001 beantragt. Daraufhin hatte das Finanzamt eine Investitionszulagensonderprüfung durchgeführt, die Stadt mit Schreiben vom 24. November 2004 schriftlich zu einer Überprüfung der „offen- sichtlich unzutreffenden Bescheinigung“ aufgefordert und eine Änderungbzw. Rücknahme der Belegenheitsbescheinigung angeregt. Die Stadt hatte dies durch Schreiben des Leiters des Bau- und Wirtschaftsförderungsamtes vom 24. Januar 2005 abgelehnt. Nachdem auch eine nochmalige fernmündliche Remonstration des Finanzamts erfolglos geblieben war, entschloss sich der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamts, die Sache an das Finanzministerium zu berichten; er fragte an, ob nunmehr der Verwaltungsrechtsweg beschritten werden solle.
40
Ob und in welcher Weise der Angeklagte S. im Einzelnen mit dem Fall W. befasst war, konnte nicht festgestellt werden. Jedenfalls unterzeichnete er ein von einer Mitarbeiterin vorbereitetes und auf den 3. Mai 2005 datiertes Schreiben, wonach er „die sich aus den Unterlagen ergebenden Zweifel nicht für ausreichend erachte, die Rechtmäßigkeit der von der zuständigen Gemeindebehörde nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b) InvZulG 1999 ausgestellten Bescheinigung in Frage zu stellen.“ Die Gemeinde habe die Bescheinigung auf Veranlassung des Finanzamts noch einmal überprüft. Eine Klärung der Angelegenheit auf dem Verwaltungsrechtsweg erscheine aussichtslos. Da- raufhin setzte das Finanzamt W. eine Investitionszulage in Höhe von 13.564,47 Euro fest, die an die Antragstellerin ausgezahlt wurde.
41
Nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens nahm die Stadt W. die Belegenheitsbescheinigung zurück. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Antragstellerin blieb erfolglos. Die gegen den Rücknahmebescheid erhobene Klage der Antragstellerin vor dem Verwaltungsgericht Greifswald endete nach einem Hinweis des Gerichts, dass die Klage Aussicht auf Erfolg habe, weil der Widerruf des begünstigenden Verwaltungsakts verspätet – nach Ablauf der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG-MV – erfolgt sein könnte, mit einem Vergleich.
42
b) Das Landgericht hat den Angeklagten S. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Das von dem Angeklagten S. unterzeichnete Schreiben sei nicht als Weisung, sondern als „Rechtsrat“ anzusehen. Darüber hinaus fehle es an einer Pflichtverletzung im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine offensichtlich unzutreffende Belegenheitsbescheinigung gehandelt und der Angerklagte dies gewusst habe. Darüber hinaus sei auch nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Verhalten des Angeklagten nicht eingetreten wäre.

B.

43
Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben keinen Erfolg.

I.

44
Das angefochtene Urteil wird den formellen Anforderungen noch gerecht, die gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an die Begründung eines freisprechenden Urteils zu stellen sind.
45
1. Spricht das Tatgericht einen Angeklagten – wie hier – teils aus tatsächlichen , teils aus rechtlichen Gründen frei, so ist in den schriftlichen Urteilsgründen zunächst der Anklagevorwurf aufzuzeigen (st.Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. April 1990 – 4 StR 24/90, BGHSt 37, 21, 22). Sodann muss in einer geschlossenen Darstellung dargelegt werden, welchen Sachverhalt das Gericht für erwiesen erachtet. Erst anschließend ist zu erörtern, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen weiteren Feststellungen nicht getroffen werden konnten (vgl. Senat, Urteil vom 18. Mai 2016 – 2 StR 7/16, wistra 2016, 401; BGH, Urteil vom 5. Februar 2013 – 1 StR 405/12, NJW2013, 1106). Dies hat so vollständig und genau zu ge- schehen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt ist zu prüfen, ob der Freispruch auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruht (vgl. Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 29. Aufl., Rn. 621 ff.).
46
2. Diesen Anforderungen genügen die schriftlichen Urteilsgründe noch. Zwar fehlt es – worauf die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründungsschrift zutreffend hinweist – an einer zusammenhängenden und nachvollziehbaren Wiedergabe der Einlassungen der beiden Angeklagten, die sich in der Hauptverhandlung zu den Tatvorwürfen geäußert und ein pflichtwidriges Handeln bestritten haben. Der hierin liegende Darlegungs- und Erörterungsmangel gefährdet den Bestand des Urteils jedoch nicht. Der Senat vermag den Urteilsgründen mit hinreichender Bestimmtheit diejenigen Feststellungen und Wertun- gen zu entnehmen, die ihm eine rechtliche Überprüfung des Freispruchs ermöglichen.

II.

47
Der Freispruch der Angeklagten hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Eine Strafbarkeit wegen Untreue scheidet bereits aus Rechtsgründen aus. Es fehlt an der Verletzung einer – strafbewehrten – Vermögensbetreuungspflicht.
48
1. Wegen Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) in der Variante des Treuebruchs macht sich strafbar, wer eine kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses begründete Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er wahrzunehmen hat, Nachteil zufügt.
49
a) Eine Vermögensbetreuungspflicht in diesem Sinne ist gegeben, wenn der Täter in einer Beziehung zu dem (potentiell) Geschädigten steht, die eine besondere Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Den Täter muss eine inhaltlich herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen, die über die für jedermann geltenden Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten sowie über die allgemeine Pflicht, auf die Vermögensverhältnisse des Vertragspartners oder Dienstherrn Rücksicht zu nehmen, ebenso hinausgeht wie über einen bloßen Bezug zu fremden Vermögensinteressen oder eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf materielle Rechtsgüter anderer (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. August 2016 – 4 StR 163/16, NJW 2016, 3253; vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585, 2590; Senat, Beschluss vom 3. Mai 2012 – 2 StR 446/11, NStZ 2013, 40). Erforderlich ist eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen, die sich als Hauptpflicht, also eine zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Pflicht darstellt (BGH, Urteil vom 9. November 2016 – 5 StR 313/15, BGHSt 61, 305, 310). Erforderlich ist weiterhin, dass die dem Vermögensbetreuungspflichtigen übertragene Tätigkeit nicht durch ins Einzelne gehende Weisungen vorgezeichnet ist, sondern ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbstständigkeit lässt. Dabei ist nicht nur auf die Weite des ihm eröffneten Spielraums abzustellen, sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf die tatsächlich gegebene Möglichkeit, ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2016 – 5 StR 313/16, aaO; Beschlüsse vom 16. August 2016 – 4 StR 163/16, NJW 2016, 3253; vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585, 2590 und vom 5. März 2013 – 3 StR 438/12, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52; Urteil vom 28. Juli 2011 – 4 StR 156/11, NJW 2011, 2819; vgl. auch SSW StGB/Saliger 3. Aufl., § 266 Rn. 10).
50
Das Merkmal der Pflichtwidrigkeit im Sinne des Untreuetatbestands knüpft an außerstrafrechtliche – zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche – Normenkomplexe und Wertungen an, die das Verhältnis zwischen dem Treugeber und Treunehmer im Einzelnen gestalten und die den Inhalt der – strafbewehrten – Pflichtsowie die Maßstäbe für deren Verletzung erst konturieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 204 mwN). Umfang und Grenzen der jeweiligen Pflichten sind dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu entnehmen.
51
Vertragliche oder gesetzliche Beziehungen, die sich insgesamt als ein Treueverhältnis im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB darstellen, können dabei auch Pflichten enthalten, deren Verletzung nicht dem Straftatbestand der Untreue unterfällt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, BGHSt 61, 48; Beschluss vom 5. März 2013 – 3 StR 438/12, NJW 2013, 1615). Nicht jede Pflichtverletzung eines Treuepflichtigen gegenüber seinem Treugeber ist sonach strafbewehrt. Erforderlich ist vielmehr, dass die verletzte Pflicht gerade dem Vermögensschutz dient (BGH, Beschluss vom 5. März 2013 – 3 StR 438/12, aaO), und dass sie innerhalb der vom Treugeber verliehenen Herrschaftsmacht angesiedelt ist, über das fremde Vermögen zu verfügen (BGH, Urteil vom 23. Mai 2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 297; vgl. auch MüKoStGB/Dierlamm, 2. Aufl., § 266 Rn. 40; Fischer StGB, 64. Aufl., § 266 Rn. 60; vgl. SSW/Saliger, 3. Aufl., § 266 Rn. 35). Die von dem Täter konkret verletzte Pflicht muss auf den Pflichtenkreis zurückgehen, der die hervorgehobene Stellung des Täters für den Schutz des Vermögens des Treugebers begründet (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, aaO).
52
b) Ein Finanzbeamter, zu dessen dienstlichen Aufgaben es zählt, Anträge auf Bewilligung von Investitionszulagen selbstständig daraufhin zu überprüfen , ob die in den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und den dazu erlassenen Verwaltungsanordnungen festgelegten tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind, kann sich wegen Untreue strafbar machen, weil ihm eine Vermögensbetreuungspflicht im Hinblick auf das Fiskalvermögen obliegt (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 1972 – 5 StR 589/71, BGHSt 24, 326; Urteil vom 14. Dezember 1983 – 3 StR 452/83, Rn. 18, insoweit in BGHSt 32, 203 nicht abgedruckt; Beschluss vom 21. Oktober 1997 – 5 StR 328/97, NStZ 1998, 91, 92; Urteil vom 6. Juni 2007 – 5 StR 127/07, BGHSt 51, 356, 362; vgl. SSW/Saliger aaO Rn. 14). Zwar sind die Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf eine Subvention oder Investitionszulage besteht, weitgehend gesetzlich festgelegt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 3 StR 206/13, BGHSt 59, 244, 249); sein dienstlicher Aufgabenkreis eröffnet dem Finanzbeamten gleichwohl einen (gewissen) Entscheidungsspielraum, Selbstständigkeit und Bewegungsfreiheit (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Urteil vom 4. November 1952 – 1 StR 441/52, BGHSt 3, 289, 293 f.; Urteil vom 3. März 1953 – 1 StR 5/53, BGHSt 4, 170, 172; Urteil vom 17. Dezember 1953 – 4 StR 483/53, BGHSt 5, 187; Senat, Urteil vom 11. Dezember 1957 – 2 StR 481/57, BGHSt 13, 315, 317 ff.; BGH, Urteil vom 14. Dezember 1983 – 3 StR 452/83, Rn. 18; Beschluss vom 7. Oktober 1986 – 1 StR 373/86, wistra 1987, 27).
53
Nicht jede Pflichtverletzung eines mit der Durchführung von Investitionszulagenverfahren befassten Finanzbeamten lässt sich jedoch als Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB verstehen, auch wenn sie sich auf das Vermögen des Berechtigten – hier das Fiskalvermögen – irgendwie nachteilig auswirken kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1953 – 4 StR 483/53, BGHSt5, 187, 188). Erforderlich ist vielmehr stets, dass die verletzte Pflicht des Finanzbeamten in einem Bereich angesiedelt ist, in dem ihm ein gewisser Entscheidungsspielraum verliehen ist, den er eigenverantwortlich auszufüllen hat. Fehlt es an einem solchen auf Eigenverantwortung beruhenden Entscheidungsspielraum des Treuepflichtigen, so fehlt es an der Verletzung einer dem Schutzbereich des § 266 Abs. 1 StGB unterfallenden Vermögensbetreuungspflicht.
54
2. Gemessen hieran scheidet eine Strafbarkeit der Angeklagten B. und S. wegen Untreue in sämtlichen Fällen bereits ausRechtsgründen aus.
55
a) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass den beiden Angeklagten aufgrund ihrer beruflichen Stellung als Beamte der Finanzverwaltung des Landes Mecklenburg-Vorpommern eine qualifizierte Pflichtenstellung im Hinblick auf das Fiskalvermögen zukommt. Zwar waren die Angeklagten im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht selbst und unmittelbar mit der Ab- wicklung von Investitionszulagenverfahren betraut. Sie hatten jedoch aufgrund der ihnen übertragenen, herausgehobenen Ämter im Finanzministerium bzw. in der OFD die Pflicht, die nachgeordneten Finanzbeamten beim Vollzug des InvZulG 1999 zu überwachen und erforderlichenfalls durch die Erteilung von Weisungen zu pflichtgemäßem Handeln anzuhalten. Ihnen oblag daher – ebensowie den unmittelbar mit der Festsetzung von Investitionszulagen befassten Finanzbeamten (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2007 – 5 StR 127/07, BGHSt 51, 356, 362; BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1997 – 5 StR 328/97, NStZ 1998, 91; BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 – 1 StR 214/09, wistra 2009, 398; BGH, Urteil vom 14. Dezember 1983 – 3 StR 452/83, juris Rn. 18) – eine herausgehobene Pflicht zu fremdnütziger Vermögenssorge im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass § 3 InvZulG 1999 den mit der Festsetzung der Investitionszulagen befassten Finanzbehörden keinen Ermessensspielraum im eigentlichen Sinne einräumt, sondern die tatbestandlichen Voraussetzungen sowie die Höhe der Investitionszulage im Einzelnen festlegt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 3 StR 206/13, BGHSt 59, 244). Den Finanzbehörden obliegt jedoch die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen. Im Rahmen dieser Prüfungspflicht kommt den Finanzbehörden ein – beschränkter – Entscheidungsspielraum zu.
56
Soweit sie im Rahmen des ihnen übertragenen Aufgabenbereichs dienstlich konkret in die Durchführung von Investitionszulagenverfahren eingebunden waren, waren die Angeklagten verpflichtet, im Rahmen des durch dasInvZulG 1999 festgelegten Aufgaben- und Pflichtenkreises Sorge dafür zu tragen, dass die Bewilligung von Investitionszulagen den gesetzlichen Vorgaben entsprach und bei Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen Anträge auf Investitionszulage abgelehnt werden.
57
b) Die den Angeklagten zur Last gelegte Pflichtverletzung, die in rechtswidrigen Weisungen zum Umgang mit wirksamen, aber für offensichtlich unrichtig erachteten Belegenheitsbescheinigungen liegen soll, unterfällt – ungeachtet der Frage ihres tatsächlichen Vorliegens – nicht dem Schutzbereich des § 266 Abs. 1 StGB. Die gesetzlichen Regelungen des InvZulG 1999 und die mit Implementierung eines selbstständigen Bescheinigungsverfahrens gewählte Aufgaben - und Verantwortungsteilung zwischen Finanzamt und Gemeinde begrenzen den Pflichtenkreis der Finanzbehörden und nehmen ihnen im Hinblick auf die in die Verantwortung der Gemeindebehörden gelegten Belegenheitsbescheinigungen zugleich die erforderliche Rechtsmacht.
58
aa) Der den Finanzbeamten im Rahmen des InvZulG 1999 eröffnete Pflichtenkreis ist durch die gesetzlichen Regelungen des InvZulG 1999 in Verbindung mit § 171 Abgabenordnung thematisch beschränkt.
59
(1) Ziel des InvZulG 1999 vom 18. August 1997 (BGBl I 2070, BStBl I 1997, 790) wie seiner Vorgängerregelungen ist es, Finanzmittel bereitzustellen, um den wirtschaftlichen Umbruch nach der Wiedervereinigung abzufedern, die unterschiedliche Wirtschaftskraft auszugleichen und das wirtschaftliche Wachstum in den neuen Bundesländern zu fördern (vgl. den 19. Subventionsbericht der Bundesregierung vom 1. Oktober 2003, BT-Drucks. 15/1635, S. 32; BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 3 StR 206/13, BGHSt 59, 244, 247). Wegen des erheblichen Sanierungsbedarfs in den Innenstädten sah das InvZulG 1999 Investitionszulagen , die gemäß § 6 Abs. 3 InvZulG 1999 aus dem Bund, Ländern und Gemeinden anteilig zustehenden Einkommens- und Körperschaftssteueraufkommen auszuzahlen sind, auch für Maßnahmen zur Modernisierung des Mietwohnungsbestands und des selbst genutzten Wohnungseigentums vor (vgl. BT-Drucks. 13/7792, S. 7). Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte eine „auf die Innenstädte eng begrenzte Förderung des Mietwohnungsneubaus […] die Sanierungsanstrengungen flankieren und zur Revitalisierung der Innenstädte beitragen“ (BT-Drucks. 13/7792, S. 7). Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b) InvZulG 1999 ist die Förderfähigkeit von Modernisierungsmaßnahmen an Mietwohnungsgebäuden sowie von Mietwohnungsneubau im innerörtlichen Bereich von der Belegenheit des Gebäudes in einem gesetzlich im Einzelnen umschriebenen förderfähigen Gebiet abhängig. Die Festsetzung und Auszahlung der Zulagen obliegt den für die Besteuerung des Anspruchsberechtigten nach dem Einkommen zuständigen Finanzämtern (§ 5 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1999); für das Festsetzungsverfahren finden die für die Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung sinngemäß Anwendung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999).
60
(2) Ein Anspruch auf Investitionszulage für die Anschaffung oder Herstellung neuer Gebäude (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999) bzw. für Modernisierungsmaßnahmen an Mietwohngebäuden im innerörtlichen Bereich (§ 3a Abs. 1 InvZulG 1999) setzt voraus, dass der für die Anspruchsvoraussetzungen beweisbelastete Antragsteller durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweist, dass das Gebäude in einem förderfähigen Gebiet belegen ist (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b) bzw. § 3a Abs. 1 InvZulG 1999). Danach ist ein Objekt unter anderem förderfähig, wenn es „in einem Gebiet liegt, das durch Bebauungsplan als Kerngebiet im Sinne des § 7 Baunutzungsverordnung festgesetzt ist oder das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung diesem Gebiet entspricht.“
61
Die vage formulierte letzte Alternative der Vorschrift erfordert die Belegenheit des zu fördernden Objekts in einem Gebiet, das einem „Kerngebiet“ entspricht und nur noch nicht förmlich als Kerngebiet ausgewiesen ist (vgl. Kaligin, Investitionszulagengesetz 1999-2004, 3. Aufl., § 3 Rn. 11; Masuch, ABC der Investitionszulage, 3. Aufl., S. 450). Kerngebiete im Sinne des § 7 BauNVO sind dabei Gebiete, die vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dienen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 1988 – 4 B 119/88, NVwZ 1989, 50, 51). Objekte, die in reinen Wohngebieten belegen sind, scheiden grundsätzlich als förderfähig aus (vgl. Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 16. Oktober 2013 – 3 L 170/10, juris).
62
(3) Der Gesetzgeber hat sich damit im Bereich des Investitionszulagenverfahrens – ebenso wie in anderen steuerrechtlichen Regelungsmaterien mit Bezug zu einer (verwaltungsrechtlichen) Spezialmaterie (vgl. nur BFH, Urteile vom 22. Oktober 2014 – X R 15/13, BFHE 247, 562 und vom 21. August2001 – IX R 20/99, BFHE 196, 191 zu § 7h Abs. 2 EStG; BFH, Urteil vom 29. März 2017 – XI R 6/16, DStR 2017, 1386 zu § 4 Nr. 21 UStG; BFH, Urteil vom 26. August 1986 – VII B 107/86, BStBl II 1986, 865 zu § 3a KraftStG; BFH, Urteil vom 15. Oktober 1996 – IX R 47/92, BStBl II 2003, 910 zu § 7i Abs. 2 EStG, § 82i Abs. 2 EStDV; vgl. Cöster, in König, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 171 Rn. 152; Rüsken, in Klein, Abgabenordnung, 13. Aufl., § 171 Rn. 105) – für ein zweistufiges Verfahren entschieden und die Verantwortung für die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Investitionszulage in die Verantwortung zweier Behörden gelegt.
63
Für den Bereich der Zulagenverfahren nach dem InvZulG 1999 bedeutet dies, dass die unter Berücksichtigung bauplanungsrechtlicher Vorgaben zu beantwortende Frage, ob ein Objekt in einem förderfähigen Gebiet nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b) bzw. § 3a Abs. 1 InvZulG 1999 belegen und damit einer der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Investitionszulage gegeben ist, der Prüfung der Gemeinden obliegt. Demgegenüber obliegt die Prüfung und Entscheidung der Frage, ob die sonstigen tatbestandli- chen Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Investitionszulagen vorliegen, den Finanzämtern. Der Gesetzgeber verfolgte damit ersichtlich das Ziel, das Zulagenverfahren von bauplanungsrechtlichen Vorfragen zu entlasten und mit deren Beantwortung die fachlich kompetenten Gemeinden zu betrauen.
64
(4) Die von den Gemeinden auszustellenden Belegenheitsbescheinigungen sind Grundlagenbescheide im Sinne des § 171 Abs. 10 AO und materiellrechtliche Voraussetzung für die Festsetzung der Investitionszulage (BFH, Urteil vom 24. Mai 2012 – III R 95/08, BFH/NV 2012, 1658). Sie entfalten im Zulagenfestsetzungsverfahren Bindungswirkung und sind von den Finanzbehörden weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen, soweit sie außersteuerrechtliche Beurteilungen enthalten (BFH, Urteil vom 24. Mai 2012 – III R 95/08, aaO; siehe auch BFH, Urteile vom 29. August 1986 – III R 71/82, BFHE 147, 572, zu § 1 Abs. 4 InvZulG 1969, später § 2 InvZulG 1973; betreffend Bescheinigung des Bundesministeriums für Wirtschaft; vom 25. August 1989 – III R 17/84, BFHE 158, 283, BStBl II 1990, 79, § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InvZulG 1979, betreffend Bescheinigung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft; ferner BFH, Beschluss vom 28. Oktober 1999 – III R 50/96, BFH/NV 2000, 484; BFH, Beschluss vom 28. Mai 2003 – III B 87/02; vgl. Cöster, in König, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 171 Rn. 148, 151). Für die Finanzbehörden und die Finanzgerichte ist die Belegenheitsbescheinigung hinsichtlich der darin enthaltenen bauplanungsrechtlichen Festlegung der Belegenheit eines Gebäudes in einem förderfähigen Gebiet bindend (vgl. BMF-Schreiben vom 28. Februar 2003 – IV A 5 – InvZ 1272 – 6/03; vgl. OFD Rostock, Verfügung vom 9. Oktober 2000 InvZ 1570 A – St 232, DStR 2000, 1915; Kaligin, Investitionszulagengesetz 1999-2004, 3. Aufl., § 3 Rn. 13; Masuch, S. 451).
65
Diese in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. Selder in Blümich, Einkommensteuergesetz , § 5 InvZulG 1996 Rz. 39; Zitzmann, Investitionszulagengesetz 1996, Neue Wirtschafts-Briefe Fach 3, S. 10235, 10270; Stuhrmann in Blümich, aaO, § 2 InvZulG 1999 Rz. 52; Kaligin in Lademann, Einkommensteuergesetz und Nebengesetze, § 2 InvZulG 1999 Rz. 174; Masuch in Bordewin/ Brandt, Einkommensteuergesetz und Nebengesetze, § 2 InvZulG 1999 Tz. 86; Rosarius, Die neue Investitionsförderung, 4. Aufl., 2002, S. 103) – soweit ersichtlich – außer Streit stehende Bindungswirkung der Belegenheitsbescheinigung im Hinblick auf die in ihr enthaltenen bauplanungsrechtlichen Festlegungen begrenzt den Entscheidungsspielraum der Finanzbehörden und beschränkt den Pflichtenkreis, den ein Finanzbeamter im Rahmen der Durchführung von Investitionszulagenverfahren zu erfüllen hat (vgl. auch BMF-Schreiben vom 28. Februar 2003 – IV A 5 – InvZ 1272 – 6/03; vgl. auch BMF-Schreiben vom 28. Juni 2001, BStBl I 2001, 379 Tz. 88 und 89).
66
(5) Die Bindungswirkung der bauplanungsrechtlichen Einstufung der Belegenheit eines Objekts in einem förderfähigen Gebiet gilt nach herrschender Auffassung auch in den Fällen, in denen diese Einstufung aus der Sicht der Finanzbehörden Bedenken begegnet oder möglicherweise den Rahmen des Vertretbaren verlässt.
67
Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder hatten sich bereits in einer Sitzung im Juni 1998 mit der Frage des Vorgehens in Fällen befasst, in denen das Finanzamt bei Prüfung der Zulagenvoraussetzungen zu der Auffassung gelangt, dass die „in der Bescheinigung bezeichneten bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen offensichtlich nicht vorliegen.“ Sie haben das Finanzamt in diesen Fällen als verpflichtet angesehen, „die zuständige Gemeindebehörde zu veranlassen, die Bescheinigung zu überprüfen“ (vgl. BMF-Schreiben vom 28. Februar 2003 – IV A 5 – InvZ 1272 – 6/03). Weiterge- hende Verpflichtungen wurden den Finanzbehörden weder durch das BMFSchreiben vom 24. August 1998 noch durch das in zeitlicher Nähe zu der verfahrensgegenständlichen Dienstberatung veröffentlichte BMF-Schreiben vom 28. Februar 2003 (BStBl I, S. 218), das die Grundsätze des vorangegangenen BMF-Schreibens wiederholte, auferlegt.
68
Die von den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder vertretene Rechtsauffassung, wonach die von den zuständigen Gemeindebehörden ausgestellten Belegenheitsbescheinigungen für die Finanzämter auch in Fällen vermuteter, tatsächlich bestehender oder offensichtlicher Rechtswidrigkeit Bindungswirkung entfalten, ist auch in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt. Der Bundesfinanzhof hat ausgesprochen, dass „von Behörden erteilte Bescheinigungen, die Voraussetzung für die Gewährung von Investitionszulagen sind, als Verwaltungsakte zu beurteilen sind, die die Finanzbe- hörden binden.“ Sie unterliegen „weder inrechtlicher noch in tatsächlicher Hin- sicht der Nachprüfung durch die Finanzverwaltungsbehörde, soweit es sich um außersteuerrechtliche Beurteilungen handelt“ (BFH, Urteile vom 29. August 1986 – III R 71/82, BFHE 147, 572, zu § 1 Abs. 4 InvZulG 1969; vom 25. August 1989 – III R 17/84, BFHE 158, 283, zu § 4a InvZulG 1979; Beschlüsse vom 28. Oktober 1999 – III R 50/96, BFH/NV 2000, 484; vom 28. Mai 2003 – III B 87/02, BFH/NV 2003, 1218; vom 28. August 2006 – III S 21/06, BFH/NV 2006, 2309; vom 27. Juni 2008 – III B 152/07, BFH/NV 2008, 1882). Dies gilt auch für die Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b) InvZulG 1999 (BFH, Urteil vom 24. Mai 2012 – III R 95/08, BFH/NV 2012,

1658).

69
(6) Die gesetzlich vorgesehene Aufgaben- und Verantwortungsteilung spiegelt sich auch in der Regelung über die Rechtswegzuständigkeit. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 InvZulG ist bei Streitigkeiten im Bescheinigungsverfahren der Verwaltungsrechtsweg zu Verwaltungsgerichten eröffnet; demgegenüber ist gegen die Entscheidungen der Finanzbehörden der Finanzrechtsweg gegeben (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 3 aE InvZulG).
70
bb) Die Finanzbehörden sind sonach bei ihrem Tätigwerden im Rahmen des InvZulG 1999 in inhaltlicher Hinsicht beschränkt. Sie sind im Hinblick auf die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen der Förderfähigkeit eines Objekts auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob der Antragsteller durch die Vorlage einer Belegenheitsbescheinigung die Belegenheit des Objekts in einem förderfähigen Gebiet nachweisen kann. Legt der Antragsteller eine solche Bescheinigung vor und ist diese wirksam, so bestehen im Hinblick auf die darin enthaltenen bauplanungsrechtlichen Festlegungen grundsätzlich keine weiter gehenden inhaltlichen Prüfungspflichten für die Finanzbehörden. Dies gilt auch in Fällen, in denen nach Auffassung der Finanzbehörden Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit oder Rechtswidrigkeit der ausgestellten Belegenheitsbescheinigung bestehen.
71
cc) Allerdings sind die Finanzbehörden bei Bestehen entsprechender Anhaltspunkte zu einer Prüfung der Frage verpflichtet, ob die Belegenheitsbescheinigungen wirksam sind oder ob sie nichtig sein könnten. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine mögliche (vorsätzliche) Verletzung einer solchen Prüfungspflicht den Straftatbestand der Untreue erfüllen könnte, bedarf vorliegend jedoch keiner Vertiefung.
72
(1) Ein Verwaltungsakt kann – ungeachtet des Umstands, dass er als ein Akt staatlicher Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1954 – BVerwG I B 49.53 – BVerwGE 1, 67, 69; Urteil vom 11. Februar 1966 – BVerwG VII CB 149.64 – BVerwGE 23, 237, 238; BFH, Beschlüsse vom 1. Oktober 1981 – IV B 13/81 – BStBl II 1982 S. 133, 134 f.) – aus den in dem Katalog des § 44 Abs. 2 VwVfG-MV aufgeführten Gründen oder nach der Generalklausel des § 44 Abs. 1 VwVfG-MV nichtig sein, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offensichtlich ist (st. Rspr.; vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 5. April 2011 – 6 B 41/10, juris). Ein besonders schwerwiegender Fehler in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der Verwaltungsakt mit einem Mangel behaftet ist, der ihn als schlechterdings unerträglich , also mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1997 – BVerwG 8 C 1/96, DStRE 1998, 187; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl., § 44 Rn. 8). Offenkundig ist ein solcher Mangel, wenn er für einen unvoreingenommenen, mit den Umständen vertrauten , verständigen Beobachter ohne Weiteres erkennbar ist (BeckOK VwVfG/Schemmer, 38. Ed. § 44 Rn. 17; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl., § 44 Rn. 8), ihm die Fehlerhaftigkeit gleichsam „auf die Stirn geschrieben“ ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl., § 44 Rn. 12).
73
(2) Anhaltspunkte für eine mögliche Nichtigkeit der verfahrensgegenständlichen Belegenheitsbescheinigungen sind weder von der Staatsanwaltschaft geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
74
dd) Die für die ordnungsgemäße Durchführung von Verfahren nach dem InvZulG 1999 zuständigen Finanzbeamten sind sonach im Hinblick auf die Belegenheitsbescheinigungen auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob diese Bescheinigungen wirksam sind oder – ausnahmsweise – an einem solch schwerwiegenden Mangel leiden, dass sie als nichtig anzusehen sind. Eine inhaltliche Prüfung hinsichtlich der in den Bescheinigungen enthaltenen „außersteuerrecht- lichen Beurteilungen“, also der bauplanungsrechtlichen Bewertungen, ist der Nachprüfung der Finanzbehörden in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht entzogen.
75
Die Finanzbehörden sind nicht befugt, die Bewilligung von Investitionszulagen unter Hinweis auf die inhaltliche Unrichtigkeit oder Rechtswidrigkeit der vom Antragsteller vorgelegten, aber wirksamen Belegenheitsbescheinigungen zu versagen (vgl. BFH, Urteil vom 17. Dezember 1996 – IX R 91/94, BFHE 182, 175; Beschluss vom 28. Mai 2003 – III B 87/02, Rn. 34, juris; Urteil vom 24. Mai 2012 – III R 95/08, Rn. 56, juris).
76
ee) Weitergehende, durch den Grundsatz der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) oder durch Weisung des Bundesministeriums der Finanzen begründete Pflichten, bei den zuständigen Gemeindebehörden – etwa im Wege der Remonstration – auf eine Abänderung einer von den Finanzbehörden als unrichtig angesehenen Belegenheitsbescheinigung hinzuwirken, sind nicht strafbewehrt. Insoweit fehlt es an der erforderlichen Rechtsmacht der Finanzbehörden.
77
(1) Zwar kann der Grundsatz der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) ein Tätigwerden der Finanzbeamten in Fällen erfordern, in denen Anhaltspunkte für eine offensichtlich rechtswidrige Belegenheitsbescheinigung bestehen, um im Rahmen des rechtlich Möglichen eine Bewilligung von Investitionszulagen ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu verhindern.
78
Darüber hinaus hat das BMF in mehreren Rundschreiben darauf hingewiesen , dass die Finanzbehörden in Ausnahmefällen einer „offensichtlichen Unrichtigkeit“ der Bescheinigung bei der ausstellenden Behörde auf eine erneu- te Sachprüfung hinzuwirken und eine Rücknahme der Belegenheitsbescheinigungen anzuregen haben.
79
(2) Bei der dadurch begründeten Pflicht zur Remonstration handelt es sich jedoch um eine aus der gesetzlichen Aufgabenerfüllung und dem Grundsatz der Gesetzesbindung der Verwaltung resultierende Nebenpflicht, die den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit des Mitteleinsatzes Rechnung trägt. Der „Sparsamkeitsgrundsatz“, wonach der Staat nichts „verschen- ken“ darf, stellt ein allgemeines Prinzip der Haushaltsführung für den gesamten öffentlichen Bereich dar, das von allen Trägern hoheitlicher Gewalt unabhängig davon zu beachten ist, auf welcher Rechtsgrundlage sie tätig werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Mai 2016 – 4 StR 440/15, NStZ 2016, 600). Als rechtliche Steuerungsnorm ist der Grundsatz der Sparsamkeit dazu bestimmt, einen äußeren Begrenzungsrahmen für den Gestaltungsspielraum aller Hoheitsträger dahingehend zu bilden, solche Maßnahmen zu verhindern, die mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlicht unvereinbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2016 – 4 StR 440/15, aaO, S. 601; Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, BGHSt 61, 48, 70). Den Finanzbehörden ist dadurch jedoch weder ein eigener Entscheidungsspielraum noch überhaupt Rechtsmacht eröffnet; eine mögliche Verletzung dieser Pflicht unterfällt daher nicht dem Schutzbereich des § 266 StGB.
80
(3) Ob die Finanzbehörden darüber hinaus – wie dies der Bundesfinanzhof in seiner zu § 7h Abs. 2 EStG ergangenen Entscheidung vom 22. Oktober 2014 (X R 15/13, BFHE 247, 562) angedeutet hat – berechtigt oder sogar verpflichtet sein könnten, im Falle der Erfolglosigkeit einer Remonstration Klage gegen die Gemeindebehörden vor den Verwaltungsgerichten mit dem Ziel der Aufhebung einer Belegenheitsbescheinigung zu erheben, kann offen bleiben. Denn auch insoweit würde es jedenfalls an der für die Annahme einer Pflichtverletzung im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB erforderlichen Rechtsmacht der Finanzbehörden fehlen.
81
c) Bei dieser Sachlage scheidet die Annahme einer durch § 266 Abs. 1 StGB strafbewehrten Pflichtverletzung in sämtlichen Fällen bereits aus Rechtsgründen aus. Das Landgericht hat die Angeklagten daher im Ergebnis zu Recht freigesprochen.
Appl Eschelbach Bartel Grube Schmidt

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2017 - 2 StR 24/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2017 - 2 StR 24/16

Anwälte

2 relevante Anwälte

2 Anwälte, die Artikel geschrieben haben, die diesen Urteil erwähnen

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
EnglischDeutsch

Rechtsanwalt

Film-, Medien- und Urheberrecht


Die Kanzlei "Streifler & Kollegen" vertritt Sie auch in Angelegenheiten des Film-, Medien- und Urheberrechts.
EnglischFranzösisch 1 mehr anzeigen

Referenzen - Veröffentlichungen

Artikel schreiben

1 Veröffentlichung(en) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2017 - 2 StR 24/16.

1 Artikel zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2017 - 2 StR 24/16.

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2017 - 2 StR 24/16 zitiert 22 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 48 Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes


(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erhebliche

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafgesetzbuch - StGB | § 266 Untreue


(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder ein

Abgabenordnung - AO 1977 | § 175 Änderung von Steuerbescheiden auf Grund von Grundlagenbescheiden und bei rückwirkenden Ereignissen


(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,1.soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,2.soweit ein Ereignis eintritt, das steu

Abgabenordnung - AO 1977 | § 171 Ablaufhemmung


(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann. (2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 4 Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen


Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:1.a)die Ausfuhrlieferungen (§ 6) und die Lohnveredelungen an Gegenständen der Ausfuhr (§ 7),b)die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a); dies gilt nicht, wenn der Unternehmer sein

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 44 Nichtigkeit des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. (2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen d

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 7 Kerngebiete


(1) Kerngebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur. (2) Zulässig sind 1. Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,2. Einzelhandelsbetriebe, Sch

Einkommensteuergesetz - EStG | § 7i Erhöhte Absetzungen bei Baudenkmalen


(1) 1Bei einem im Inland belegenen Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, kann der Steuerpflichtige abweichend von § 7 Absatz 4 und 5 im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis

Einkommensteuergesetz - EStG | § 7h Erhöhte Absetzungen bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen


(1) 1Bei einem im Inland belegenen Gebäude in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder städtebaulichen Entwicklungsbereich kann der Steuerpflichtige abweichend von § 7 Absatz 4 und 5 im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren

Investitionszulagengesetz 1999 - InvZulG 1999 | § 2 Betriebliche Investitionen


(1) Begünstigte Investitionen sind die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung (Fünfjahreszeitraum) 1. zum Anlagevermög

Investitionszulagengesetz 1999 - InvZulG 1999 | § 3 Modernisierungsmaßnahmen an Mietwohngebäuden sowie Mietwohnungsneubau im innerörtlichen Bereich


(1) Begünstigte Investitionen sind: 1. nachträgliche Herstellungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind,2. die Anschaffung von Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind, soweit nachträglich

Kraftfahrzeugsteuergesetz 2002 - KraftStG | § 3a Vergünstigungen für Schwerbehinderte


(1) Von der Steuer befreit ist das Halten von Kraftfahrzeugen, solange die Fahrzeuge für schwerbehinderte Personen zugelassen sind, die durch einen Ausweis im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder des Artikels 3 des Gesetzes über die unentge

Investitionszulagengesetz 1999 - InvZulG 1999 | § 6 Anwendung der Abgabenordnung, Festsetzung und Auszahlung


(1) Die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung sind entsprechend anzuwenden. Dies gilt nicht für § 163 der Abgabenordnung. In öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die auf Grund dieses Gesetzes ergehenden Verwaltungsakte

Investitionszulagengesetz 1999 - InvZulG 1999 | § 5 Antrag auf Investitionszulage


(1) Ehegatten, die gemeinsam Eigentümer einer Wohnung sind, können die Investitionszulage nach § 4 gemeinsam beantragen, wenn in dem Jahr, für das der Antrag gestellt wird, die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes vorgelegen ha

Investitionszulagengesetz 1996 - InvZulG 1991 | § 5 Höhe der Investitionszulage


(1) Die Investitionszulage beträgt 1.bei Investitionen im Sinne des § 3 Nr. 112 vom Hundert,2.bei Investitionen im Sinne des § 3 Nr. 2 und 38 vom Hundert,3.bei Investitionen im Sinne des § 3 Nr. 4 und 55 vom Hundert der Bemessungsgrundlage. (2) D

Investitionszulagengesetz 1999 - InvZulG 1999 | § 3a Erhöhte Investitionszulage für Modernisierungsmaßnahmen an Mietwohngebäuden im innerörtlichen Bereich


(1) Begünstigte Investitionen sind: 1. nachträgliche Herstellungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1949 fertig gestellt worden sind,2. die Anschaffung von Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1949 fertig gestellt worden sind, soweit nachträglich

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2017 - 2 StR 24/16 zitiert oder wird zitiert von 20 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2017 - 2 StR 24/16 zitiert 18 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Juli 2011 - 4 StR 156/11

bei uns veröffentlicht am 28.07.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 156/11 vom 28. Juli 2011 in der Strafsache gegen Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja StGB § 266 Abs. 1 Dem mit einem Zwangsverwaltungsverfahren befassten Rechtspfleger obliegt e

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2015 - 3 StR 17/15

bei uns veröffentlicht am 26.11.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 17/15 vom 26. November 2015 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja __________________________________ AEUV Art. 107 ff.; StGB § 266 Abs. 1; HGB § 54; VV-LHO RP § 39 Ziff. 5 Satz 2 1. Ein Mitglied

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juni 2007 - 5 StR 127/07

bei uns veröffentlicht am 06.06.2007

Nachschlagewerk: ja BGHSt : ja (zu 1. und 2.) Veröffentlichung : ja AO § 370 Abs. 1 Nr. 1; StGB §§ 52, 263, 263a, 266 1. Bewirkt ein Sachbearbeiter des Finanzamtes durch die eigenhändig vorgenommene Eingabe erfundener Daten in die EDV-Anlag

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Feb. 2013 - 1 StR 405/12

bei uns veröffentlicht am 05.02.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 405/12 vom 5. Februar 2013 in der Strafsache gegen wegen versuchter Anstiftung zum Mord u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Februar 2013, an der teilgenommen h

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juli 2009 - 1 StR 214/09

bei uns veröffentlicht am 08.07.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 214/09 vom 8. Juli 2009 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2009 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgeri

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. März 2013 - 3 StR 438/12

bei uns veröffentlicht am 05.03.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 438/12 vom 5. März 2013 in der Strafsache gegen wegen Untreue Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. März 2013 gemäß § 349 Ab

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Mai 2012 - 2 StR 446/11

bei uns veröffentlicht am 03.05.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 446/11 vom 3. Mai 2012 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Betruges u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 3. Mai 2012 gemäß §§ 349 A

Bundesfinanzhof Urteil, 29. März 2017 - XI R 6/16

bei uns veröffentlicht am 29.03.2017

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. März 2016  2 K 2320/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Nov. 2016 - 5 StR 313/15

bei uns veröffentlicht am 09.11.2016

Nachschlagewerk: ja BGHSt : ja Veröffentlichung : ja StGB § 266 Abs. 1 EGBGB Art. 233 § 2 Abs. 3 Zur Untreue bei behördlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit gesetzlicher Vertretung nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB. BGH, Urteil vom 9. November

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2016 - 4 StR 163/16

bei uns veröffentlicht am 16.08.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 163/16 vom 16. August 2016 BGHSt: nein BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ––––––––––––––––––––––––––- StGB § 266 Abs. 1 Den Vertragsarzt einer Krankenkasse trifft dieser gegenüber ei

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Mai 2016 - 4 StR 440/15

bei uns veröffentlicht am 24.05.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 440/15 vom 24. Mai 2016 BGHSt: nein BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja __________________________ StGB § 266, TVöD (VKA) § 16 Abs. 2 Satz 3 Zur (Haushalts-)Untreue

BGH 2 StR 7/16

bei uns veröffentlicht am 18.05.2016

Tenor Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 30. Juni 2015, soweit es den Angeklagten         B.       betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 22. Okt. 2014 - X R 15/13

bei uns veröffentlicht am 22.10.2014

Tatbestand 1 I. Die in den Streitjahren zusammen veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben mit notariellem Kaufvertrag vom 25. Juni 2003 von der Stadt M (

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Mai 2014 - 3 StR 206/13

bei uns veröffentlicht am 28.05.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 S t R 2 0 6 / 1 3 vom 28. Mai 2014 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja [nur zu I. und IV.] Veröffentlichung: ja StGB § 264 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 7 Satz 1 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 2 SubvG § 4 1. § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 StG

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 16. Okt. 2013 - 3 L 170/10

bei uns veröffentlicht am 16.10.2013

Tenor Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23. Juni 2010 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstre

Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 27. Sept. 2012 - I Ws 133/12

bei uns veröffentlicht am 27.09.2012

Tenor 1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. 2. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Rostock vom 19.01.2010 - 364 Js 16530/06 - wird zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Landgericht Schwerin - Große Strafkammer 1

Bundesfinanzhof Urteil, 24. Mai 2012 - III R 95/08

bei uns veröffentlicht am 24.05.2012

Tatbestand 1 I. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war die Errichtung von Wohn- und Gewerbebauten als Bauträgerin sowie die Errich

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 05. Apr. 2011 - 6 B 41/10

bei uns veröffentlicht am 05.04.2011

Tenor Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 22. April 2010 wird zurückgewiesen.
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2017 - 2 StR 24/16.

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2019 - 2 StR 381/17

bei uns veröffentlicht am 20.08.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 381/17 vom 20. August 2019 in der Strafsache gegen wegen Untreue u.a. ECLI:DE:BGH:2019:200819B2STR381.17.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des.

Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 30. Nov. 2018 - 6 K 1959/18

bei uns veröffentlicht am 30.11.2018

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund

Referenzen

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

Tenor

1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

2. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Rostock vom 19.01.2010 - 364 Js 16530/06 - wird zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Landgericht Schwerin - Große Strafkammer 1 als Wirtschaftsstrafkammer - eröffnet.

Gründe

I.

1

Die Staatsanwaltschaft Rostock hat mit Anklageschrift vom 19.01.2010 Anklage gegen die Angeschuldigten B. und Dr. S. wegen Untreue in zwei (B.) bzw. drei Fällen (Dr. S.) zum Landgericht Schwerin - Wirtschaftsstrafkammer - erhoben. Die Anklage geht dabei von besonders schweren Fällen der Untreue aus, weil die Angeschuldigten jeweils unter Mißbrauch ihrer Befugnisse als Dienstvorgesetzte gehandelt hätten (§ 266 Abs. 2 StGB i.V.m. § 263 Abs. 3 Nr. 4 1. Alt. StGB) und durch die Taten zu 1. und 2. jeweils ein Vermögensverlust großen Ausmaßes verursacht worden sei (§ 266 Abs. 2 StGB i.V.m. § 263 Abs. 3 Nr. 2 1. Alt. StGB).

2

Mit Beschluss vom 20.02.2012 - Az. 31 KLs 1/10 - hat die zuständige Kammer die Eröffnung des Hauptverfahrens aus - ausweislich des Tenors des Beschlusses - tatsächlichen Gründen abgelehnt. Gegen diesen, der Staatsanwaltschaft am 27.02.2012 zugestellten Beschluss richtet sich die am 28.02.2012 bei dem Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom selben Tag.

II.

3

Die gem. § 210 Abs. 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist form- und fristgemäß erhoben (§ 311 Abs. 2 StPO), mithin zulässig.

4

Das Rechtsmittel erweist sich auch als begründet.

1.

5

Nach § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn der Angeschuldigte nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint. Hinreichender Tatverdacht ist anzunehmen, wenn die nach Maßgabe des Akteninhaltes, nicht lediglich aufgrund der Anklageschrift vorzunehmende vorläufige Tatbewertung ergibt, dass die Verurteilung des Angeschuldigten wahrscheinlich ist. Eine solche Wahrscheinlichkeit besteht, wenn unter erschöpfender Zugrundelegung des Ergebnisses der Ermittlungen und der daran anknüpfenden rechtlichen Erwägungen zum objektiven und subjektiven Tatbestand bei Einschätzung des mutmaßlichen Ausgangs der Hauptverhandlung mehr für eine Verurteilung als für einen Freispruch spricht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Beschluss vom 17.01.2012 - I Ws 404/11 - m. w. N.).

6

Dabei wird eine an Sicherheit grenzende Verurteilungswahrscheinlichkeit nicht gefordert. Auch wird nicht die gleiche Wahrscheinlichkeit verlangt wie beim dringenden Tatverdacht nach § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO. Die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung des Angeschuldigten muss aber so groß sein, dass es einer Entscheidung durch das erkennende Gericht in der Hauptverhandlung bedarf, um festzustellen, ob noch bestehende Zweifel gerechtfertigt sind (vgl. KK-Schneider, StPO, 6. Aufl. § 203 Rdz. 4 m. w. N.).

7

Für den strafrechtlichen Entscheidungsgrundsatz "in dubio pro reo" ist bei der Prüfung des hinreichenden Tatverdachts zwar grundsätzlich noch kein Raum, jedoch kann hinreichender Tatverdacht mit der Begründung verneint werden, dass nach Aktenlage bei den gegebenen Beweismöglichkeiten am Ende wahrscheinlich das Gericht nach diesem Grundsatz freisprechen wird (vgl. KK-Schneider a. a. O.; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 203 Rdz. 2; jeweils m. w. N.).

2.

8

Bei der Prüfung des hinreichenden Tatverdachts gem. § 203 StPO sind auch die Grundsätze des Indizienbeweises zu berücksichtigen. Der Indizien- oder Anzeichenbeweis ist ein Beweis, bei dem von einer mittelbar bedeutsamen Tatsache auf eine unmittelbar entscheidungserhebliche Tatsache geschlossen wird. Ein Indiz kann aus persönlichen, z. B. aus dem Verhalten eines Verfahrensbeteiligten, oder sachlichen Beweismitteln geschlossen werden. Grundsätzlich ist eine Gesamtwürdigung aller nicht ausschließbar entscheidungserheblichen Beweisanzeichen notwendig. Die Indizien selbst allerdings müssen unzweifelhaft oder doch mindestens hoch wahrscheinlich feststehen, bevor Rückschlüsse, die nicht lediglich Spekulation sein dürfen, aus ihnen gezogen werden können (vgl. zu Vorstehendem Nack MDR 1986, S. 366; Meyer-Goßner, a. a. O. § 261 Rdz. 25, jeweils m. w. N.). Diese Voraussetzung korrespondiert zwanglos mit dem Umstand, dass die Wahrscheinlichkeit der Begehung einer Straftat durch einen Beschuldigten nur aus bestimmten Tatsachen, nicht jedoch aus Vermutungen hergeleitet werden darf (Senatsbeschluss a.a.O.; vgl. auch Meyer-Goßner a. a. O. § 112 Rdz. 7).

3.

9

Im Lichte der vorstehenden Darlegungen konnte die angefochtene landgerichtliche Nichteröffnungsentscheidung keinen Bestand haben. Die Angeschuldigten sind der ihnen mit der Anklage der Staatsanwaltschaft Rostock vom 19.01.2010 vorgeworfenen Straftaten aufgrund der darin vorgenommenen zutreffenden rechtlichen und tatsächlichen Würdigung hinreichend verdächtig.

a.)

10

Der angefochtene Beschluss genügt bereits nicht den Begründungsanforderungen des § 204 Abs. 1 StPO, wonach im Falle der Nichteröffnung des Hauptverfahrens aus dem Beschluss klargestellt hervorgehenmuss, ob dies auf tatsächlichen oder Rechtsgründen beruht (vgl. dazu Meyer-Goßner a.a.O. § 204 Rdz. 4).

11

Dementgegen begründet die Kammer ihre Entscheidung entgegen dem Tenor und der Zusammenfassung (BA S. 39) des Beschlusses (Ablehnung der Eröffnung aus tatsächlichen Gründen) überwiegend mit rechtlichen Bewertungen, die aus ihrer Sicht die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigen. Die Kammer sieht aus rechtlichen Gründen eine Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht als nicht gegeben an, jedenfalls sei diese nicht "klar und deutlich" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Ferner hält sie den Pflichtwidrigkeitszusammenhang für den anklagegemäß bejahten Schaden für nicht gegeben, weil ihrer Auffassung nach auch bei pflichtgemäßem Verhalten der Schadenseintritt wahrscheinlich nicht habe vermieden werden können; dies aus Rechtsgründen deshalb, weil die Frist zur Rücknahme der Belegenheitsbescheinigungen gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG M-V abgelaufen sei.

b.)

12

Entgegen der Auffassung der Kammer - und die diese stützenden und vertiefenden Erwägungen der Verteidigung, zuletzt in den Schutzschriften vom 22.06.2012 (RAe ... für den Angeschuldigten B.) und vom 03.07.2012 (RA ... für den Angeschuldigten Dr. S.) - sind die Angeschuldigten der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB hinreichend verdächtig.

13

Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB in der Alternative des sog. Treubruchstatbestands - wie sie den Angeschuldigten in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Rostock vom 19.01.2010 zur Last gelegt wird - erfordert, dass sie

14

-- kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses zur Tatzeit die Pflicht hatten, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen [bb.)],

15

-- eine solche, ihnen obliegende Pflicht mit den Tathandlungen verletzt haben [cc.)], und

16

-- durch pflichtwidriges Handeln (bzw. Unterlassen) dem, dessen Vermögensinteressen sie zu betreuen hatten, Nachteil zufügt haben [dd.)]; darüber hinaus müssen

17

-- sowohl die Pflichtverletzung als auch die Zufügung des tatbestandsmäßigen Nachteils vom Vorsatz der Angeschuldigten umfasst gewesen sein, wobei bedingter Vorsatz genügt [ee.)].

18

Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich beider Angeschuldigter in den angeklagten Straftaten sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht erfüllt.

aa.)

19

Soweit die Angeschuldigten - insbesondere der Angeschuldigte B. betreffend Fall 2 der Anklage - die Tatbegehung im Tatsächlichen bestreiten, folgt der hinreichende Tatverdacht aus den zutreffenden Erwägungen der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift vom 19.01.2010. Die entgegenstehenden Einlassungen der Angeschuldigten, insbesondere des Angeschuldigten B., sind als unwahre Schutzbehauptungen zu werten. Der Senat verweist in dieser Hinsicht zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Erwägungen der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift sowie in der Abschlussverfügung vom selben Tag (dort Bl. 4 ff., 31 ff. ; Bd. XIX Bl. 118 ff., 145 ff. d.A.).

20

Aber auch in rechtlicher Hinsicht sind die Angeschuldigten der ihnen vorgeworfenen Straftaten hinreichend verdächtig.

bb.)

21

Die Kammer geht zunächst in Übereinstimmung mit der Anklageschrift zutreffend davon aus, dass die Angeschuldigten aufgrund des ihnen jeweils übertragenen Amtes als leitende beamtete Mitarbeiter des Finanzministeriums bzw. der (früheren) Oberfinanzdirektion (OFD) die besonders herausgehobene Pflicht hatten, die Vermögensinteressen der öffentlichen Hand wahrzunehmen. Durch ihre Berufung in das von ihnen jeweils bekleidete öffentliche Amt haben die Angeschuldigten dafür Sorge zu tragen, dass das von den Finanzbehörden zu verwaltende öffentliche Vermögen im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zweckentsprechend verwendet und drohende Vermögensnachteile abgewendet werden.

22

Dieser Pflichtenkreis ist auch hinreichend klar umrissen.

cc.)

23

Ihren Aufgaben sind die Angeschuldigten in den angeklagten Fällen pflichtwidrig nicht nachgekommen.

(1)

24

Nach den dazu entwickelten Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 23.06.2010 - 2 BvR 2559/08 - zitiert nach juris) knüpft das Merkmal der Pflichtverletzung an "außerstrafrechtliche Normkomplexe und Wertungen an, die das Verhältnis zwischen dem Vermögensinhaber und dem Vermögensverwalter im Einzelnen gestalten und so erst den Inhalt der - strafbewehrten - Pflicht und die Maßstäbe für deren Verletzung festlegen (Akzessorietät des Tatbestands)", wobei die Pflichtwidrigkeit aus zivil- oder öffentlich-rechtlichen Normen folge (Rn. 95). Das Pflichtwidrigkeitsmerkmal erschöpfe sich nicht nach Art eines Blankettmerkmals in der Weiterverweisung auf genau bezeichnete Vorschriften; es handele sich vielmehr um ein komplexes normatives Tatbestandsmerkmal. Zunächst stelle sich dem Normanwender die Frage, welche außerstrafrechtlichen Bestimmungen zur Beurteilung der Pflichtwidrigkeit heranzuziehen seien. Sodann stelle sich die Frage nach der Auslegung der relevanten Normen, unter denen sich Vorschriften von erheblicher Unbestimmtheit oder generalklauselartigen Charakters befinden können, da sich dem Normtext des § 266 Abs. 1 StGB selbst Anforderungen an die Bestimmtheit der in Bezug genommenen Normen nicht entnehmen lassen (Rn. 96).

(2)

25

Die Pflicht zu ordnungsgemäßem Verwaltungshandeln ergibt sich vorliegend aus der aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz, dem Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie dem Grundsatz, dass der Staat keine Geschenke machen darf (BGH NStZ-RR 2005, 83), Zuwendungen also nur bei Vorliegen der hierfür bestehenden Voraussetzungen zu gewähren sind (vgl. BGH NJW 2003, 2179; NStZ 1983, 119).

(3)

26

Im Bereich der Investitionszulagen obliegt die Zuständigkeit für die materiell-rechtliche Prüfung der bauplanungsrechtlichen Voraussetzung für die Gewährung der Zulage den Kommunalbehörden. Aus der Konzeption der durch deren Bauämter zu erteilenden Belegenheitsbescheinigungen i.S.d. InvZulG 1999, die als Grundlagenbescheide gemäß § 171 Abs. 10 AO für die Finanzbehörden - auch im Fall erkannter bzw. angenommener Rechtswidrigkeit (vgl. Koenig in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl., § 175 Rn. 12 m.w.N., § 182 Rn. 9) grds. bindend sind, ergibt sich mithin eine vom Gesetzgeber gewollte Kompetenzteilung. Anerkannt ist, dass der Finanzbehörde keine eigene Entscheidungs-kompetenz über Grundlagenbescheide zukommt (st. Rspr. des Bundesfinanzhofs, vgl. BFH/NV 2008, 1882 m.w.N.).

(4)

27

Es besteht jedoch eine - jedenfalls in offensichtlich rechtswidrigen Fällen wie den der Anklage zu Grunde liegenden - zur Pflicht erstarkte Möglichkeit der Finanzbehörden bzw. ihrer - insbesondere leitenden - Mitarbeiter, bei den für den Erlass der Grundlagenbescheide zuständigen Behörden auf materiell rechtmäßiges Verwaltungshandeln hinzuwirken. Die Finanzverwaltung als Teil der an das Grundgesetz gebundenen öffentlichen Verwaltung darf ihre Augen nicht vor rechtswidrigem Verwaltungshandeln verschließen und diesem tatenlos zusehen oder rechtstreue Bedienstete von Remonstrationen abhalten.

(a)

28

Dass es zu erheblichen Missständen, gefälligkeitshalber bzw. unter Verkennung der Ausle-gungsmaßstäbe des § 3 Abs. 1 Nr. 4 b InvZulG erteilter Belegenheitsbescheinigungen gekommen war, war - wovon auch die Kammer ausgeht - in den Finanzbehörden und damit auch den Angeschuldigten bekannt. Auch die Notwendigkeit der Einflussnahme auf die zuständigen Behörden war mithin bekannt.

(b)

29

Hierfür stand das Rechtsinstitut der Remonstration zur Verfügung. Dieses Rechtsinstitut ist förmlich nicht geregelt. Maßgeblich sind daher die allgemeinen und durch die Recht-sprechung fortentwickelten Regelungen sowie die Anweisungen des zuständigen Bundes- bzw. Landesministeriums.

(aa)

30

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar ausdrücklich festgestellt, dass die Gehorsamspflicht des Beamten zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört und grds. auch dann weiterhin Geltung entfaltet, wenn an den Beamten eine rechtswidrige Weisung erteilt wird. Diese muss der Beamte grds. auch unverzüglich ausführen, aber erst, wenn er das sogenannte Remonstrationsverfahren erfolglos durchlaufen hat. Dies sahen zur Tatzeit die seinerzeit geltenden § 56 Abs. 2 BBG, § 38 Abs. 2 BRRG, § 60 Abs. 2 LBG M-V ausdrücklich vor.

31

Diese Normen regeln die Pflicht des Beamten, bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit seines Tuns oder der Weisung eines Vorgesetzten an diesen heranzutreten und die eigenen Bedenken anzuzeigen. Bleibt dies erfolglos, hat der Beamte - dies erneut gesetzlich als Pflicht ausgestaltet - unverzüglich seine Bedenken dem nächsthöheren Vorgesetzten mitzuteilen. Auf Verlangen des Beamten ist über seine Bedenken schriftlich zu entscheiden.

32

Die Remonstrationspflicht verlangt somit vom Amtsträger, an ihn gerichtete Weisungen und von ihm zu bearbeitende Vorgänge kritisch zu hinterfragen und auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu untersuchen. Zweifel an der Rechtmäßigkeit dürfen ihn nicht dazu veranlassen, sich hinter seinen Vorgesetzten zurückzuziehen oder aber sich seiner Autorität unreflektiert zu beugen. Die eigenen Zweifel entlasten den Beamten nicht von seiner - zur Tatzeit - in § 56 Abs. 1 BBG, § 38 Abs. 1 BRRG, § 60 Abs. 1 LBG M-V niedergelegten persönlichen Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seines dienstlichen Handelns (vgl. dazu Kment, BauR 2005, 1257, 1262 f. m.w.N.).

(bb)

33

Zu der Bindungswirkung von Grundlagenbescheiden finanzfremder Ressorts und den Möglichkeiten der Finanzverwaltung bei als rechtswidrig erachteten Grundlagenbescheiden hat der Bundesfinanzhof folgende Grundsätze aufgestellt:

34

"In der Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass von Behörden erteilte Bescheinigungen, die Voraussetzung für die Gewährung von Investitionszulage sind, als Verwaltungsakte zu beurteilen sind, die die Finanzbehörden binden. Der BFH hat zur Rechtsnatur und Bindungswirkung derartiger Bescheinigungen in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass sie materiell-rechtliche Voraussetzung für die Festsetzung von Investitionszulagen sind und weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht der Nachprüfung durch die Finanzverwaltungsbehörde unterliegen, soweit es sich um außersteuerrechtliche Beurteilungen handelt" (BFH/NV 2008, 1882).

35

"Vertritt das FA eine von der bescheinigenden Gemeinde abweichende Auffassung und hält es den Grundlagenbescheid für rechtswidrig, so ist es nach Remonstration auf den Ver-waltungsrechtsweg verwiesen" (BFHE 196, 191).

36

"Vermag das FA dem nicht zu folgen, hat dieses nur die Möglichkeit, bei der Gemeinde darauf hinzuwirken, dass sie ggf. ihre Bescheinigung zurücknimmt oder ändert. Das FA kann nicht in eigener Zuständigkeit unter Hinweis auf das Fehlen baurechtlicher Voraussetzungen die erhöhten Absetzungen versagen." (BFHE 182, 175).

37

"Die in § 1 InvZulG 1969 vorgesehene Bescheinigung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft unterliegt weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht der Nachprüfung durch die Finanzverwaltung." "Solange die Wirtschaftsbehörde die Bescheinigung nicht zurückgenommen hat, ist sie für das FA bindend." "Daß der Kläger damit für eine Investition Zulagen enthält, die ihm jedenfalls nach dem Gesetzeswortlaut nicht zustehen, ist eine Entscheidung, die das Bundesamt zu verantworten hat. Vom FA ist diese Entscheidung hinzunehmen." (BFHE 147, 572).

38

Das Bundesfinanzministerium hat - im Nachgang zu früheren Anweisungen und in zeitlichem Zusammenhang mit den angeklagten Taten - mit Schreiben vom 28.02.2003 - IV A 5-InvZ 1272-6/03 - (BStBl. I, 218) in Abschnitt I Ziff. 6 Abs. 2 ausgeführt:

39

"Die Bescheinigung ist materiellrechtliche Voraussetzung für die Gewährung der Investitionszulage und Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 AO. Sie ist für die Finanzbehörden und Finanzgerichte bindend, soweit sie die in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 b InvZulG 1999 bestimmten außersteuerlichen Feststellungen enthält... Stellt das Finanzamt fest, dass die in der Bescheinigung bezeichneten bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen offensichtlich nicht vorliegen, hat es die zuständige Gemeindebehörde zu veranlassen, die Bescheinigung zu überprüfen."

(cc)

40

Ausdrücklich geregelt ist mithin die Pflicht der Finanzämter zur Remonstration, der die Sachbearbeiter bereits nachgekommen waren. Eine Regelung, ob die Remonstration auf der nächsthöheren Fachebene fortzusetzen ist, findet sich zwar nicht explizit. Sie lässt sich aber aus den vorstehend aufgeführten allgemeinen Grundsätzen ordnungsgemäßen Verwaltungs-handelns und der Pflicht zur Auszahlung nur materiell begründeter Zuwendungen herleiten, die auch und gerade für die in der Leitungsebene der Finanzbehörden tätigen Bediensteten, wie die Angeschuldigten, gelten.

(c)

41

Es kann dahingestellt bleiben, bis zu welcher maximal denkbaren Fortsetzung der Remonstration - auf dem Verwaltungsweg - eine Einflussnahme der Finanzbehörden hätte erfolgen können und müssen. Denn in allen angeklagten Fällen lagen die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung offensichtlich nicht vor, so dass auch nach den Vorgaben des Bundesfinanzministeriums Anlass für eine Remonstration bestand und gerade deshalb die Finanzämter - teilweise mehrfach - remonstriert hatten. Bereits den naheliegenden nächsten Schritt der ihnen obliegenden Remonstration in den bereits auf der Fachebene streitig behandelten Fällen, nämlich die Einbindung ihrer nächsthöheren Vorgesetzten im Finanzministerium, haben die Angeschuldigten nicht nur unterlassen, sondern es sogar unterbunden, dass die nachgeordneten Finanzämter weiter eine gesetzesgemäße Verwaltungsarbeit einforderten. Die Anordnungen und das Unterlassen der Angeschuldigten führten ohne weiteres erkennbar und vorhersehbar praktisch zu einem Totalausfall des einzigen Korrekturinstruments der Finanzverwaltung zur Abwendung von Schäden durch den bekannt gewordenen Mißbrauch der Grundlagenbescheide. Die Angeschuldigten hätten danach nur dann pflichtgemäß gehandelt, wenn sie in den ihnen - durch entsprechende Berichte der Finanzämter im Rahmen der Vorbereitung der Dienstbesprechung vom 08.04.2003 bzw. aufgrund der Berichte zu Ziff. 2 und 3 der Anklage - bekannt gewordenen Fällen rechtswidrig erteilter Belegenheitsbescheinigungen dafür Sorge getragen hätten, dass erfolglose Remonstrationen der Finanzämter bei fortbestehendem Verdacht der Rechtswidrigkeit durch eine Mitteilung der relevanten Fälle an ihre Vorgesetzten im Finanzministerium von dort aus an das Innenministerium herangetragen worden wären. Angesichts der Vielzahl auch dem Finanzministerium bekannt gewordener Fälle und der Erfolglosigkeit auch mehrfacher Remonstrationen auf der Ebene der Finanzämter und der Gemeinden hätte es niemals sein Bewenden damit haben dürfen, die ablehnende Haltung der Gemeinden einfach hinzunehmen.

(d)

42

Die in dem angefochtenen Beschluss vertretene Auffassung, eine großzügige Beschei-nigungspraxis sei offenbar "politisch gewollt" gewesen, vermag eine rechtliche Begrenzung des Pflichtenumfangs der Angeschuldigten zum einen schon angesichts diesbezüglich fehlender objektivierbarer Ermittlungserkenntnisse auf politischer Ebene nicht zu begründen, auch wenn indiziell für das Vorliegen entsprechenden "politischen Willens" streiten könnte, dass der (höherrangige) Angeschuldigte B. - im Gegensatz zum Angeschuldigten Dr. S. - im zeitlichen Verlaufe der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in seinem beruflichen Fortkommen sogar noch gefördert worden ist. Zum anderen beseitigt die bedingungslose Befolgung "politisch gewollter" Ziele nicht die damit etwa einhergehende Strafbarkeit solchen Verhaltens, sondern bietet Anlass zu prüfen, ob nicht gegen etwaig "politisch Verantwortliche" ebenfalls mit den Mitteln des Strafrechts vorgegangen werden muss. Es wäre die Pflicht der Angeschuldigten gewesen, ihre Vorgesetzten auf die Rechtswidrigkeit des kommunalen Handelns aufmerksam zu machen und nicht etwa einem (vermeintlich) politischen Willen im Wege vorauseilenden Gehorsams entgegenzuarbeiten.

43

Solange die Möglichkeit besteht, auf die Herstellung rechtmäßiger Zustände hinzuwirken, besteht jedenfalls in - wie hier - offensichtlichen Fällen die - zumindest für Beamte des gehobenen und höheren Dienstes - leicht erkennbare Verpflichtung, mit Nachdruck auf eine Befolgung der gesetzlichen Vorschriften durch die Kommunen hinzuwirken. Dazu war lediglich die konkrete Befassung des zuständigen Ministeriums mit den jeweiligen Einzelfällen erforderlich. Es gehörte deshalb zum Pflichtenkreis der Angeschuldigten, durch Einbindung ihrer Vorgesetzten die Remonstration auf der Ebene der Fach- bzw. Rechtsaufsicht fortzusetzen, um über Art. 79 KV M-V zu einer der Bindung an Gesetz und Recht entsprechenden Sachbehandlung durch die Gemeinden zu gelangen. Letztlich entsprach dies auch dem Auftrag in der Niederschrift der Dienstbesprechung, im Falle der Ablehnung der Rücknahme durch die Gemeinden an die OFD zu berichten. Wären die Angeschuldigten tatsächlich der Auffassung gewesen, mit einer einmaligen Remonstration auf der Ebene der Finanzämter seien die Möglichkeiten der Finanzverwaltung erschöpft, hätte es der Anordnung der Berichterstattung über konkrete Einzelfälle überhaupt nicht bedurft.

44

Das Argument einer Pflichtenbeschränkung durch generelles Vertrauenkönnen in die Gesetzmäßigkeit des Handelns anderer Behörden verfängt angesichts des allseits bekannten, bedenklich verbreiteten Phänomens rechtswidriger Belegenheitsbescheinigungen nicht.

45

Soweit die Kammer unter Berufung auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O., dort Rn. 110 f.) jedenfalls eine klare und deutliche Pflichtwidrigkeit als nicht gegeben erachtet, hat das BVerfG keine umfassende Geltung für alle in Betracht kommenden Fälle der Untreue vorgesehen. Es hat nämlich darauf hingewiesen, dass die Konkretisierung in fallgruppenspezifischen Obersätzen weiterhin der höchstrichterlichen Rechtsprechung obliegt. Mit den Merkmalen "klar und deutlich", "evident", "gravierend" hat das Bundesverfassungsgericht dem weiten Tatbestand der Untreue keine schärferen Konturen verliehen, sondern lediglich weitere Aspekte aufgezeigt, die der Wertung des Einzelfalls durch die Fachgerichte unterliegen. Demgegenüber ist darauf abzustellen, welchen Umfangs die dem betreuten Vermögen drohenden Schäden im Fall pflichtwidrigen Handelns waren und welches Ausmaß das den Angeschuldigten abverlangte pflichtgemäße Handeln demgegenüber hatte. Je höher das Ausmaß des drohenden Schaden ist, desto strengere Anforderungen sind an das pflichtgemäße Handeln der mit der Vermögenssorge Betrauten zu stellen.

46

Vorliegend waren zum Tatzeitraum bereits Schäden in Millionenhöhe durch Auszahlung von Investitionszulagen auf der Grundlage rechtswidrig erteilter Belegenheitsbescheinigungen eingetreten. Schon eine - ohne größeren Aufwand zu bewerkstelligende, allerdings nicht erfolgte - rechtlich zutreffende Weisung im Rahmen der Dienstbesprechung vom 08.04.2003, in den bereits laufenden Fällen erfolgloser Remonstrationen gegen die von den Sachgebietsleitern als offensichtlich rechtswidrig eingestuften Belegenheitsbescheinigungen die konkreten Fälle zu berichten, um die Remonstration auf der Ebene des Finanzministeriums gegenüber dem Innenministerium fortsetzen zu lassen, war demgegenüber geeignet, bereits eingetretene Schäden zu revidieren bzw. die Auszahlung weiterer gesetzeswidriger Zulagen zu verhindern.

(5)

47

Nach alledem kann das Handeln und Unterlassen der Angeschuldigten auch und gerade unter Berücksichtigung ihrer hervorgehobenen Dienststellung nicht anders als ein klarer und deutlicher Pflichtenverstoß im Sinne des § 266 StGB gewürdigt werden.

48

Die Anweisung, noch offene, bereits in der Remonstration befindliche Einzelfälle abzuschließen, bei denen aus Sicht der jeweils konkret befassten Sachbearbeiter der Finanzämter offensichtlich rechtswidrige Belegenheitsbescheinigungen vorlagen, ist als beamtenrechtliche Kernpflichtverletzung und strafrechtliche Verletzung der Vermögens-betreuungspflicht anzusehen. Statt auf Einhaltung der Gesetze durch für die Erteilung der Grundlagenbescheide zuständige Behörden hinzuwirken, bewirkte die unvertretbar enge Auslegung der Remonstrationspflicht durch die Angeschuldigten im Rahmen der Dienstbesprechung und deren nachfolgende Handhabung faktisch eine Abschaffung der Remonstration. Dem Interesse der Gemeinden an Aufrechterhaltung der "investoren-freundlichen" Bescheinigungspraxis haben die Angeschuldigten Vorrang vor dem fiskalischen Interesse auf Gewährung lediglich materiell rechtmäßiger Zuwendungen und damit auch vor der eigenen Pflichtenstellung eingeräumt. Dies entsprach der mehr als deutlich zutage getretenen Auffassung der Angeschuldigten, die sich nicht zuletzt in der Äußerung des Angeschuldigten B. dem Zeugen S. gegenüber manifestierte, angesichts der 95%igen Förderung durch den Bund und der Standortprobleme in M-V könne er die Zurückhaltung der Finanzbeamten nicht verstehen (Bl. 67 der Anklage). Auch in den angeklagten Fällen 2 und 3, in denen die OFD bzw. das Finanzamt Waren bereits erfolglose Remonstrationen berichtet hatten, hätte die Anweisung, die Belegenheitsbescheinigungen anzuerkennen und die Fälle abzuschließen, nicht ohne vorherige Fortsetzung der Remonstration auf der ministeriellen Ebene erfolgen dürfen.

dd.)

49

Auch der hinreichende Verdacht von durch die pflichtwidrigen Handlungen bzw. Unterlassungen der Angeschuldigten verursachten Vermögensnachteilen zu Lasten des Bundes- und Landeshaushalts ist gegeben.

(1)

50

Durch die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht muss ein Nachteil für das betreute Vermögen entstanden sein. Nach h.M. ist dieser gleichbedeutend mit dem Schadensbegriff des § 263 StGB, wonach nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung der Wert des Gesamtvermögens vor und nach der pflichtwidrigen Tathandlung verglichen wird (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 266 Rn. 115 m.w.N.; Schönke/Schröder-Perron, StGB, 28. Aufl. § 266 Rz. 39 ff. m.w.N.). Ferner ist - wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist - ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang erforderlich, an dem es dann fehlt, wenn der festgestellte Nachteil bei einem pflichtgemäßen Alternativverhalten aller Voraussicht nach ebenfalls eingetreten wäre, vorliegend m.a.W. das den Angeschuldigten vorgeworfene Verhalten aktiver und passiver Art keine Auswirkung auf den Verlauf der inkriminierten Förderfälle gehabt hätte.

(a)

51

Der Nachteil in vorbezeichnetem Sinne ist in der Höhe der jeweils - materiell zu Unrecht - ausgezahlten Zulagen zu sehen. Im Fall des Abbruchs der Remonstration bei bereits erfolgten Auszahlungen ist von einem bereits eingetretenen Vermögensschaden auszugehen, der im Verzicht auf einen Rückzahlungsanspruch in Höhe der zuvor ausgezahlten Zulage besteht. Der pflichtwidrige Verzicht auf Remonstrationen (als Voraussetzung für die Rücknahme der Belegenheitsbescheinigungen, die wiederum Voraussetzung für eine Abänderung/Aufhebung der Investitionszulagebescheide war, in dessen Folge die Rückforderung der Investitionszulage hätte erfolgen können) ist als Ausbleiben einer Vermögensmehrung zu werten, die dann als Schaden anzusehen ist, wenn eine gesicherte Aussicht des Treugebers auf den Vorteil bestand (vg. Fischer a.a.O. Rn. 116 m.w.N.). Dies war im Tatzeitraum der Fall.

52

Soweit die Verteidigung moniert, es werde die Höhe der gewährten Zulagen zu Unrecht mit der Höhe der im Fall der Fortsetzung der Remonstrationen ausgebliebenen Vermögensmehrung gleichgesetzt, begründet sie ihre Auffassung mit Blick auf erst nach 2007 erfolgte - nur bedingt erfolgreiche - Rücknahmen. Im Fall ordnungsgemäßer Fortsetzung der Remonstrationen im Jahre 2003 ist aber davon auszugehen, dass Gründe eines durch Zeitablauf erwachsenen Vertrauens der Begünstigten die Rückforderungsansprüche der öffentlichen Hand eben nicht tangiert hätten. Grundsätzlich ist daher die nominelle Höhe der jeweils gewährten Zuwendung zutreffend als Höhe des Anspruchs auf Rückzahlung anzusetzen. Soweit bei dieser Betrachtung Einzelfallaspekte außer Betracht bleiben, sind diese im Tatzeitraum von untergeordneter Bedeutung gewesen. Im Übrigen bestehen auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts keine grundsätzlichen Bedenken, unvermeidlich verbleibende Prognose- und Beurteilungsspielräume durch vorsichtige Schätzung auszufüllen (BVerfG a.a.O. Rn. 150). Anhaltspunkte für ein besonderes Ausfallrisiko waren ex ante nicht ersichtlich. Bei den Antragstellern handelte es sich jeweils um gewerbliche Wohnungsbauunternehmen bzw. Antragsteller, die für eine größere Anzahl von Grundstücken die Belegenheits-bescheinigungen und damit Investitionszulagen erhalten hatten und entsprechend erfolgreich am Markt tätig waren, oder sogar - wie in den Fällen WoGeSa und Wohnungsbaugesell-schaft Pasewalk - um kommunale Wohnungsbaugesellschaften.

(b)

53

Es handelt sich auch um kausal durch die vorzuwerfenden Pflichtwidrigkeiten verursachte Vermögensnachteile, weil davon auszugehen ist, dass eine Fortsetzung der Remonstration wegen des bei - vorliegend gegebenen - objektiv rechtswidrigen Verwaltungsakten auf Null reduzierten Ermessens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Rücknahme der Belegenheitsbescheinigungen und Rückzahlungen bzw. unterbliebenen Auszahlungen von Fördergeldern geführt hätte.

(c)

54

Die Argumente, die die Kammer zur Begründung ihrer Auffassung anbringt, auch im Falle pflichtgemäßer Fortsetzung der Remonstrationen wäre der Vermögensnachteil aller Wahrscheinlichkeit nach eingetreten, überzeugen nicht. Soweit die Kammer insbesondere meint, der Erfolg weitergehender Remonstration sei vom nicht mehr feststellbaren Handeln der zuständigen Mitarbeiter der Gemeinden abhängig gewesen, die eine Aufhebung der Bescheinigungen weder für erforderlich noch möglich gehalten und überdies kein Interesse daran gehabt hätten, verkennt sie, dass die Remonstration gerade nicht auf der bisherigen Fachebene, sondern auf dem Dienstweg hätte fortgesetzt werden können und müssen. Die Staatsanwaltschaft weist zutreffend darauf hin, dass die Durchsetzung der Aufhebung auf diesem Wege im Zuge der Ermittlungen letztlich erfolgreich gewesen ist. Dass diese nach den Ausführungen der Verteidigung teilweise keinen Bestand gehabt haben mögen, war allein dem Zeitablauf zuzuschreiben und rechtfertigt keine andere strafrechtliche Würdigung.

(2)

55

Überdies lagen die Voraussetzungen einer Rücknahme der begünstigenden Bescheide gemäß § 48 VwVfG M-V vor. Aspekte des Einzelfalls (Vertrauensschutz, einzelfallspezifische Ermessenserwägungen) standen der von der Staatsanwaltschaft angenommenen Ermessensreduzierung auf Null jedenfalls im Tatzeitraum nicht entgegen.

(a)

56

Gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG M-V kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, ein begünstigender Verwaltungsakt nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 der Norm. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG M-V legt fest, dass die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig ist, zu dem die Behörde Kenntnis von den die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen erlangt hat.

(b)

57

Aufgrund der Entscheidung des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.12.1984 (BVerwGE 70, 356 ff.) ist für den Beginn des Fristenlaufes darauf abzustellen, ob die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr alle weiteren für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Zu diesen gehören auch die für die Gewährung von Vertrauensschutz und für die Ausübung des Ermessens relevanten Tatsachen. Diese hat die Behörde zunächst zu ermitteln. Regelmäßig hat sie dazu eine Anhörung des Betroffenen durchzuführen. Ohne eine solche Anhörung sind nämlich die eine Rücknahme ggf. ganz oder teilweise ausschließenden Umstände i.S.v. § 48 Abs. 2 VwVfG M-V überhaupt nicht einzuschätzen.

58

Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgt auch das Verwaltungsgericht Greifswald (Urteil vom 13.04.2006 - 6 A 2056/05 - zitiert nach juris).

(c)

59

In den der Anklage zugrunde liegenden Sachverhalten hatten sich die Gemeindebehörden jeweils nur gegenüber dem Finanzamt mit der Frage einer etwaigen Rücknahme auseinandergesetzt. Eine umfassende Prüfung hätte aus den o.a. Gründen aber auch die Einbeziehung/Anhörung der Betroffenen - u.a. zu Aspekten etwaigen Vertrauensschutzes - erfordert. Solange diese nicht erfolgt war, lag keine für den Beginn des Laufs der Rücknahmefrist erforderliche Entscheidungsreife vor.

60

Eine Anhörung hatte in keinem der hier relevanten Fälle stattgefunden. Die zuständigen Behörden waren deshalb noch gar nicht in der Lage, die Frage des Vertrauensschutzes zu klären, um über eine Rücknahme ermessensfehlerfrei entscheiden zu können.

61

Der Rücknahme der rechtswidrigen begünstigenden Bescheide stand von daher in zeitlicher Hinsicht zum Tatzeitpunkt nichts durchgreifendes entgegen.

(d)

62

Dies würde auch unter Heranziehung neuerer Rechtsprechung (Urteil des VGH Mannheim vom 05.04.2007 - 8 S 2090/06 - DStRE 2007, 1430) gelten, wonach die Rücknahmefrist bereits dann beginne, wenn die Behörde zu erkennen gegeben habe, dass nach ihrer Rechtsauffassung der für eine Rücknahmeentscheidung erhebliche Sachverhalt keiner weiteren Klärung mehr bedürfe und nicht erst dann, wenn ein bei zutreffender Anwendung der Rücknahmevoraussetzungen darüber hinausgehender Klärungsbedarf gedeckt sei. Für den Beginn der Frist sei die Entscheidungsreife aus Sicht der Behörde maßgeblich. Wenn diese eine weitere Sachverhaltsaufklärung - so auch eine Anhörung - nicht für erforderlich, sondern eine Rücknahme bereits aus anderen Gründen für unzulässig halte, könne dies den Fristbeginn nicht verhindern. Dieser Auffassung hat sich mittlerweile das VG Greifswald angeschlossen (5 A 1839/08 Bl. 6 f. UA, 5 A 276/08 Bl. 10 f. UA).

63

Die Rechtswidrigkeit der Belegenheitsbescheinigungen ist den jeweiligen Gemeinden spätestens mit der erstmaligen Remonstration durch die Finanzämter bekannt geworden.

64

Der Fristbeginn gemäß § 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG M-V wäre demgegenüber auch nach dieser neueren Rechtsprechung frühestens auf den Zeitpunkt der erstmaligen Ablehnung der Rücknahme zu datieren, im Fall H. auf den Zeitpunkt der Mitteilung an das Finanzamt, dass die Bescheinigung zurückgenommen werde. Vorher war die Entscheidungsreife aus Sicht der jeweiligen Gemeinden keineswegs gegeben. In keinem Fall begann die Frist daher vor Mitte Oktober 2002, im Fall K. sogar erst im März 2003. Dies steht im Einklang mit dem Umstand, dass durch die Publikation in der Novemberausgabe 2002 der Monatszeitschrift des Städte- und Gemeindetages Mecklenburg-Vorpommern e.V. "Der Überblick" durch den Abdruck des vollständigen Urteils des VG Greifswald vom 06.09.2001 und die dazu abgegebene Stellungnahme jedenfalls ab diesem Zeitpunkt Anlass bestand, die Rechtmäßigkeit bisher erteilter Belegenheitsbescheinigungen in Zweifel zu ziehen. Damit hätte in jedem Fall noch ausreichend Zeit - nämlich mindestens mehrere Monate - bestanden, um innerhalb der Frist seitens des Finanzministeriums an das Innenministerium heranzutreten, welches seinerseits über die zuständigen Landräte auf die Herstellung rechtmäßiger Verhältnisse hätte hinwirken können.

65

Zur Tatzeit gab es entsprechende Einschränkungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allerdings überhaupt noch nicht, so dass aus objektiver ex-ante-Sicht die Rücknahmefrist bei Abbruch der Remonstrationen noch in keinem Fall begonnen hatte, geschweige denn abgelaufen war.

(e)

66

Soweit die Strafkammer sowie die Verteidigung der Angeschuldigten - bei unterschiedlichen Ansätzen - demgegenüber u.a. unter Berufung auf mehrere gutachterliche Stellungnahmen (Prof. Dr. Schenke, VRiBFH a.D. Herden) nicht zuletzt aus Gründen der vorgeblichen Ermessensbeschränkung bzw. Verwirkung von Rückforderungsrechten auf Seiten der Zuwendungsgeber und des Vertrauensschutzes der begünstigten Zuwendungsempfänger zu anderen Schlüssen gelangen, liegt dies neben der Sache.

(aa)

67

Die gesetzlich nicht geregelte, aus dem Verbot des venire contra factum proprium - allge-meiner Rechtsgedanke des § 242 BGB - resultierende, auch im öffentlichen Recht geltende Verwirkung setzt kumulativ voraus, dass das Recht über längere Zeit nicht geltend gemacht worden ist und besondere Umstände vorliegen, die die Rechtsausübung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (vgl. dazu Palandt-Grüneberg, BGB, § 242 Rz. 87 ff. m.w.N.). In der Regel wird hierzu ergänzend angeführt, der Begünstigte müsse Vermögens-dispositionen im Hinblick auf das Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsakts getroffen haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.10.2007 - 8 B 52/07 - zit. nach juris).

68

Diese Voraussetzungen sind u.a. angesichts der im Tatzeitraum noch nicht lange zurückliegenden Erteilung der Belegenheitsbescheinigungen für die anklagegegen-ständlichen Fälle fernliegend.

(bb)

69

Dasselbe gilt für Aspekte eines etwaigen Vertrauensschutzes der Begünstigten der Belegenheitsbescheinigungen.

70

Gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG M-V kommt eine Rücknahme eines rechtswidrigen Verwal-tungsaktes nur dann in Betracht, wenn Gründe des Vertrauensschutzes unter Abwägung des öffentlichen Interesses dem nicht entgegenstehen bzw. das Vertrauen nicht schutzwürdig ist. Letzteres ist nach Satz 3 Nr. 3 im genannten Absatz der Fall, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.

71

Schutzwürdig ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich (nur) derjenige Bürger, der sich mit guten Gründen auf die Rechte aus der begünstigenden hoheitlichen Maßnahme verlassen durfte, insbesondere wenn deren Fehlerhaftigkeit nicht in seinem Verantwortungsbereich liegt, ihm nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein musste.

72

In den der Anklage zugrunde liegenden Fällen ist jedoch davon auszugehen, dass die jeweils Begünstigten sich nicht auf Vertrauensschutz berufen können, da ihnen jedenfalls eine grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit vorzuwerfen ist. Die Rechtswidrigkeit der Belegenheitsbescheinigungen war derart offensichtlich, dass sich ihre Unrichtigkeit auch bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre aufdrängen musste, zumal es sich bei den einzelnen Begünstigten um gewerbliche bzw. kommunale Bauträger handelte, deren Kenntnis von den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 vorauszusetzen ist.

(cc)

73

Die Anklage fußt zutreffend auf der allgemein bei materiell unrichtigen Geldzuwendungen zum Zuge kommenden Erwägung intendierten Ermessens. Einen solchen Fall bejaht das Bundesverwaltungsgericht in Fällen zu Unrecht gewährter Subventionen, in denen ein Vertrauensschutz des Betroffenen nach § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG ausgeschlossen ist (Urteil vom 23.05.1996 - 3 C 13/94 -). Ist der Verwaltungsakt in einem solchen Regelfall zurückzunehmen, bedarf es - ebenfalls in der Regel - keiner weitergehenden Begründung oder Abwägung, es sei denn, besondere Umstände rechtfertigten eine andere Beurteilung oder Entscheidung. Nach diesem Regelfall, den die Staatsanwaltschaft bei Anklageerhebung zu Recht zugrunde gelegt hat, ist grundsätzlich von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen.

74

Soweit die Verteidigung auf Aspekte des (Mit)Verschuldens der Behörden abstellt, überzeugt nicht, dass ausgerechnet in Fällen eines besonders hervorstechenden behördlichen Fehlers, der geradezu nach Richtigstellung drängt, das Ermessen dahingehend auszuüben sein soll, die rechtswidrigen Verhältnisse aufrechtzuerhalten. Dies umso mehr, wenn zuvor festgestellt wird, dass sich den Begünstigten die Rechtswidrigkeit ebenfalls aufgedrängt haben muss. Soweit in den von der Verteidigung bemühten, im Jahr 2010 vom VG Greifswald entschiedenen Fällen die erhebliche Zeitdauer seit Bekanntsein der Rechtswidrigkeit bis zur Rücknahme - im Jahre 2007 - berücksichtigt worden ist, kann zwanglos daraus geschlossen werden, dass bei tatzeitnaher Rücknahme - noch im Jahr 2003 - Aspekte des Zeitablaufs der Rücknahme nicht entgegengestanden hätten.

ee.)

75

Die Angeschuldigten sind überdies hinreichend verdächtig, (wenigstens bedingt) vorsätzlich in Kenntnis ihrer Dienstpflichten sowohl die Pflichtverletzungen begangen als auch die Zufügung des tatbestandsmäßigen Nachteils billigend in Kauf genommen zu haben.

(1)

76

Dass den Angeschuldigten bewusst war, dass es in einer erheblichen Anzahl von Fällen zu materiell rechtswidrigen Auszahlungen von Investitionszulagen gekommen war, steht für den Senat außer Zweifel. Dies gilt auch für das Bewusstsein der Vermögensbetreuungs-pflicht als Finanzbeamte in leitender Funktion hinsichtlich der an Recht und Gesetz ausgerichteten Gewährung/Belassung von Zulagen.

77

Eine Schädigungs- oder Bereicherungsabsicht erfordert der vorsatzumfasste Tatbestand des § 266 StGB nicht (vgl. Schönke/Schröder-Perron a.a.O. § 266 Rz. 49).

(2)

78

Soweit die Angeschuldigten - Volljuristen mit im Tatzeitraum langjähriger bzw. mehrjähriger Berufserfahrung im höheren Dienst der Finanzverwaltung - tatsächlich (irrig) der Auffassung gewesen sein sollten, diese Sorge falle wegen der Bindungswirkung der Grundlagenbescheide und der durch den Gesetzgeber vorgenommenen Kompetenzteilung aus ihrem Verantwortungsbereich, handelt es sich um die Frage der Reichweite der Pflichtenstellung. Sofern insoweit überhaupt von einem Verbotsirrtum auszugehen sein sollte, stellt sich dieser nach dem Ergebnis der Ermittlungen jedenfalls als vermeidbar dar. Denn die Rechtsprechung stellt an die Unvermeidbarkeit hohe Anforderungen, denen die Angeschuldigten hier nicht genügt haben: Der Täter muss bei der ihm nach den Umständen sowie seinem Lebens- und Berufskreis zuzumutenden Gewissensanspannung sowie bei Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel nicht in der Lage gewesen sein, das Unrecht einzusehen (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl. § 17 Rz. 7 m.w.N.). Dass das der Fall gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich.

III.

79

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Anklage der Staatsanwaltschaft Rostock vor der Großen Strafkammer 1 - als Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Schwerin zur Hauptverhandlung zuzulassen.

80

Die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer ergibt sich unmittelbar aus § 74c Abs. 1 Nr. 6 a) GVG. Den Angeschuldigten werden Straftaten der Untreue im Sinne des § 74c Abs. 1 Nr. 6 a) GVG vorgeworfen, deren Beurteilung besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erfordern. Die den Angeschuldigten vorgeworfenen Taten stehen im engen Zusammenhang mit Straftaten des Subventionsbetruges. Die für die strafbare Untreue maßgeblichen Treue- und Vermögensbetreuungspflichten sind aus besonderen Vorschriften zu Subventionen (InvZulG1999) und aus dem Steuerrecht (AO) sowie aus dem Verfassungs- und allgemeinen Verwaltungsrecht sowie dem Haushaltsrecht abgeleitet.

81

Von der Möglichkeit einer Verweisung an eine andere Kammer des Gerichts gemäß § 210 Abs. 3 Satz 1 StPO Gebrauch zu machen sah der Senat keine Veranlassung.

(1) Begünstigte Investitionen sind:

1.
nachträgliche Herstellungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind,
2.
die Anschaffung von Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind, soweit nachträgliche Herstellungsarbeiten nach dem rechtswirksamen Abschluss des obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind, und
3.
Erhaltungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind,
soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder der Erhaltungsarbeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen,
4.
die Anschaffung neuer Gebäude bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung und die Herstellung neuer Gebäude,
a)
soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen und
b)
wenn der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweist, dass das Gebäude im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet nach dem Baugesetzbuch, einem förmlich festgelegten Erhaltungssatzungsgebiet nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Baugesetzbuchs oder in einem Gebiet liegt, das durch Bebauungsplan als Kerngebiet im Sinne des § 7 der Baunutzungsverordnung festgesetzt ist oder das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung diesem Gebiet entspricht.
Satz 1 Nr. 1 und 2 kann nur angewendet werden, wenn der Anspruchsberechtigte und im Veräußerungsfall der Erwerber für die Herstellungsarbeiten keine erhöhten Absetzungen in Anspruch nimmt. Im Fall der Anschaffung kann Satz 1 nur angewendet werden, wenn kein anderer Anspruchsberechtigter für das Gebäude Investitionszulage in Anspruch nimmt. Im Fall nachträglicher Herstellungsarbeiten im Sinne von Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie im Fall der Herstellung im Sinne von Satz 1 Nr. 4 kann Satz 1 nur angewendet werden, soweit im Veräußerungsfall der Erwerber für das Gebäude keine Sonderabschreibungen in Anspruch nimmt.

(2) Die Investitionen sind begünstigt, wenn sie der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 1998 und

1.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 vor dem 1. Januar 2005,
2.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 vor dem 1. Januar 2002
abschließt. Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 sind in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die nachträglichen Herstellungsarbeiten oder die Erhaltungsarbeiten beendet worden sind. Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 sind in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die Gebäude angeschafft oder hergestellt worden sind.

(3) Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage ist die den Betrag von 2.556 Euro übersteigende Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen der im Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen, soweit sie die vor dem 1. Januar 1999 geleisteten Anzahlungen auf Anschaffungskosten, Anzahlungen auf Erhaltungsaufwendungen und entstandenen Teilherstellungskosten übersteigen. Zur Bemessungsgrundlage gehören jedoch nicht

1.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 und 3 die nachträglichen Herstellungskosten und die Erhaltungsaufwendungen, soweit sie insgesamt in den Jahren 1999 bis 2004 614 Euro je Quadratmeter Wohnfläche übersteigen. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1, die der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 2001 begonnen hat oder bei denen er das Objekt im Fall der Anschaffung auf Grund eines nach dem 31. Dezember 2001 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft hat, gehören die nachträglichen Herstellungskosten und die Erhaltungsaufwendungen nur zur Bemessungsgrundlage, soweit sie insgesamt in den Jahren 2002 bis 2004 50 Euro je Quadratmeter Wohnfläche überschreiten. In den zuletzt genannten Fällen ist der Betrag von 2.556 Euro nicht zu berücksichtigen. Betreffen nachträgliche Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten mehrere Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sind die nachträglichen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen nach dem Verhältnis der Nutzflächen auf die Gebäudeteile aufzuteilen, soweit eine unmittelbare Zuordnung nicht möglich ist. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten die Sätze 1 bis 4 mit der Maßgabe entsprechend, dass an die Stelle der nachträglichen Herstellungskosten die Anschaffungskosten treten, die auf nachträgliche Herstellungsarbeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 entfallen;
2.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, soweit sie 2.045 Euro je Quadratmeter Wohnfläche des Gebäudes übersteigen.
§ 2 Abs. 5 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. In die Bemessungsgrundlage können die im Kalenderjahr geleisteten Anzahlungen auf Erhaltungsaufwendungen einbezogen werden. Als Beginn der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten gilt bei Baumaßnahmen, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird; bei baugenehmigungsfreien Bauvorhaben, für die Bauunterlagen einzureichen sind, der Zeitpunkt, in dem die Bauunterlagen eingereicht werden.

(4) Die Investitionszulage beträgt

1.
15 vom Hundert für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 entfällt, und
2.
10 vom Hundert für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 entfällt.

(1) Begünstigte Investitionen sind:

1.
nachträgliche Herstellungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1949 fertig gestellt worden sind,
2.
die Anschaffung von Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1949 fertig gestellt worden sind, soweit nachträgliche Herstellungsarbeiten nach dem rechtswirksamen Abschluss des obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind, und
3.
Erhaltungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1949 fertig gestellt worden sind,
wenn der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweist, dass das Gebäude im Zeitpunkt der Anschaffung oder Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten und Erhaltungsarbeiten in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet nach dem Baugesetzbuch, einem förmlich festgelegten Erhaltungssatzungsgebiet nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Baugesetzbuchs oder in einem Gebiet liegt, das durch Bebauungsplan als Kerngebiet im Sinne des § 7 der Baunutzungsverordnung festgesetzt ist oder das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung diesem Gebiet entspricht. Satz 1 gilt entsprechend für Gebäude, die nach dem 31. Dezember 1948 und vor dem 1. Januar 1960 fertig gestellt worden sind, wenn der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen Denkmalbehörde nachweist, dass das Gebäude oder ein Gebäudeteil nach den landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist. Die Sätze 1 und 2 können nur angewendet werden, soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder der Erhaltungsarbeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen. Die Sätze 1 und 2 können nur angewendet werden, wenn für die nachträglichen Herstellungsarbeiten oder die Erhaltungsarbeiten keine Investitionszulage nach § 3 in Anspruch genommen wird. § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) Investitionen im Sinne des Absatzes 1 sind begünstigt, wenn der Anspruchsberechtigte im Fall nachträglicher Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten nach dem 31. Dezember 2001 mit den Arbeiten begonnen hat oder im Fall der Anschaffung das Objekt auf Grund eines nach dem 31. Dezember 2001 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft hat. Als Beginn der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten gilt bei Baumaßnahmen, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird; bei baugenehmigungsfreien Bauvorhaben, für die Bauunterlagen einzureichen sind, der Zeitpunkt, in dem die Bauunterlagen eingereicht werden.

(3) Die Investitionen sind begünstigt, wenn sie der Anspruchsberechtigte vor dem 1. Januar 2005 abschließt. § 3 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage ist die Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen der im Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 und 3 gehören die nachträglichen Herstellungskosten und die Erhaltungsaufwendungen nur zur Bemessungsgrundlage, soweit sie insgesamt in den Jahren 2002 bis 2004 50 Euro je Quadratmeter Wohnfläche überschreiten und 1.200 Euro je Quadratmeter Wohnfläche nicht übersteigen. Betreffen nachträgliche Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten mehrere Gebäudeteile, die selbstständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sind die nachträglichen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen nach dem Verhältnis der Nutzflächen auf die Gebäudeteile aufzuteilen, soweit eine unmittelbare Zuordnung nicht möglich ist. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten die Sätze 2 und 3 mit der Maßgabe entsprechend, dass an die Stelle der nachträglichen Herstellungskosten die Anschaffungskosten treten, die auf nachträgliche Herstellungsarbeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 entfallen. § 2 Abs. 5 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. In die Bemessungsgrundlage können die im Kalenderjahr geleisteten Anzahlungen auf Erhaltungsaufwendungen einbezogen werden.

(5) Die Investitionszulage beträgt 22 vom Hundert der Bemessungsgrundlage.

(1) Begünstigte Investitionen sind:

1.
nachträgliche Herstellungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind,
2.
die Anschaffung von Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind, soweit nachträgliche Herstellungsarbeiten nach dem rechtswirksamen Abschluss des obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind, und
3.
Erhaltungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind,
soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder der Erhaltungsarbeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen,
4.
die Anschaffung neuer Gebäude bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung und die Herstellung neuer Gebäude,
a)
soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen und
b)
wenn der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweist, dass das Gebäude im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet nach dem Baugesetzbuch, einem förmlich festgelegten Erhaltungssatzungsgebiet nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Baugesetzbuchs oder in einem Gebiet liegt, das durch Bebauungsplan als Kerngebiet im Sinne des § 7 der Baunutzungsverordnung festgesetzt ist oder das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung diesem Gebiet entspricht.
Satz 1 Nr. 1 und 2 kann nur angewendet werden, wenn der Anspruchsberechtigte und im Veräußerungsfall der Erwerber für die Herstellungsarbeiten keine erhöhten Absetzungen in Anspruch nimmt. Im Fall der Anschaffung kann Satz 1 nur angewendet werden, wenn kein anderer Anspruchsberechtigter für das Gebäude Investitionszulage in Anspruch nimmt. Im Fall nachträglicher Herstellungsarbeiten im Sinne von Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie im Fall der Herstellung im Sinne von Satz 1 Nr. 4 kann Satz 1 nur angewendet werden, soweit im Veräußerungsfall der Erwerber für das Gebäude keine Sonderabschreibungen in Anspruch nimmt.

(2) Die Investitionen sind begünstigt, wenn sie der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 1998 und

1.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 vor dem 1. Januar 2005,
2.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 vor dem 1. Januar 2002
abschließt. Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 sind in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die nachträglichen Herstellungsarbeiten oder die Erhaltungsarbeiten beendet worden sind. Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 sind in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die Gebäude angeschafft oder hergestellt worden sind.

(3) Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage ist die den Betrag von 2.556 Euro übersteigende Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen der im Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen, soweit sie die vor dem 1. Januar 1999 geleisteten Anzahlungen auf Anschaffungskosten, Anzahlungen auf Erhaltungsaufwendungen und entstandenen Teilherstellungskosten übersteigen. Zur Bemessungsgrundlage gehören jedoch nicht

1.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 und 3 die nachträglichen Herstellungskosten und die Erhaltungsaufwendungen, soweit sie insgesamt in den Jahren 1999 bis 2004 614 Euro je Quadratmeter Wohnfläche übersteigen. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1, die der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 2001 begonnen hat oder bei denen er das Objekt im Fall der Anschaffung auf Grund eines nach dem 31. Dezember 2001 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft hat, gehören die nachträglichen Herstellungskosten und die Erhaltungsaufwendungen nur zur Bemessungsgrundlage, soweit sie insgesamt in den Jahren 2002 bis 2004 50 Euro je Quadratmeter Wohnfläche überschreiten. In den zuletzt genannten Fällen ist der Betrag von 2.556 Euro nicht zu berücksichtigen. Betreffen nachträgliche Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten mehrere Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sind die nachträglichen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen nach dem Verhältnis der Nutzflächen auf die Gebäudeteile aufzuteilen, soweit eine unmittelbare Zuordnung nicht möglich ist. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten die Sätze 1 bis 4 mit der Maßgabe entsprechend, dass an die Stelle der nachträglichen Herstellungskosten die Anschaffungskosten treten, die auf nachträgliche Herstellungsarbeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 entfallen;
2.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, soweit sie 2.045 Euro je Quadratmeter Wohnfläche des Gebäudes übersteigen.
§ 2 Abs. 5 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. In die Bemessungsgrundlage können die im Kalenderjahr geleisteten Anzahlungen auf Erhaltungsaufwendungen einbezogen werden. Als Beginn der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten gilt bei Baumaßnahmen, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird; bei baugenehmigungsfreien Bauvorhaben, für die Bauunterlagen einzureichen sind, der Zeitpunkt, in dem die Bauunterlagen eingereicht werden.

(4) Die Investitionszulage beträgt

1.
15 vom Hundert für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 entfällt, und
2.
10 vom Hundert für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 entfällt.

(1) Begünstigte Investitionen sind:

1.
nachträgliche Herstellungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1949 fertig gestellt worden sind,
2.
die Anschaffung von Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1949 fertig gestellt worden sind, soweit nachträgliche Herstellungsarbeiten nach dem rechtswirksamen Abschluss des obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind, und
3.
Erhaltungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1949 fertig gestellt worden sind,
wenn der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweist, dass das Gebäude im Zeitpunkt der Anschaffung oder Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten und Erhaltungsarbeiten in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet nach dem Baugesetzbuch, einem förmlich festgelegten Erhaltungssatzungsgebiet nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Baugesetzbuchs oder in einem Gebiet liegt, das durch Bebauungsplan als Kerngebiet im Sinne des § 7 der Baunutzungsverordnung festgesetzt ist oder das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung diesem Gebiet entspricht. Satz 1 gilt entsprechend für Gebäude, die nach dem 31. Dezember 1948 und vor dem 1. Januar 1960 fertig gestellt worden sind, wenn der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen Denkmalbehörde nachweist, dass das Gebäude oder ein Gebäudeteil nach den landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist. Die Sätze 1 und 2 können nur angewendet werden, soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder der Erhaltungsarbeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen. Die Sätze 1 und 2 können nur angewendet werden, wenn für die nachträglichen Herstellungsarbeiten oder die Erhaltungsarbeiten keine Investitionszulage nach § 3 in Anspruch genommen wird. § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) Investitionen im Sinne des Absatzes 1 sind begünstigt, wenn der Anspruchsberechtigte im Fall nachträglicher Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten nach dem 31. Dezember 2001 mit den Arbeiten begonnen hat oder im Fall der Anschaffung das Objekt auf Grund eines nach dem 31. Dezember 2001 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft hat. Als Beginn der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten gilt bei Baumaßnahmen, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird; bei baugenehmigungsfreien Bauvorhaben, für die Bauunterlagen einzureichen sind, der Zeitpunkt, in dem die Bauunterlagen eingereicht werden.

(3) Die Investitionen sind begünstigt, wenn sie der Anspruchsberechtigte vor dem 1. Januar 2005 abschließt. § 3 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage ist die Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen der im Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 und 3 gehören die nachträglichen Herstellungskosten und die Erhaltungsaufwendungen nur zur Bemessungsgrundlage, soweit sie insgesamt in den Jahren 2002 bis 2004 50 Euro je Quadratmeter Wohnfläche überschreiten und 1.200 Euro je Quadratmeter Wohnfläche nicht übersteigen. Betreffen nachträgliche Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten mehrere Gebäudeteile, die selbstständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sind die nachträglichen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen nach dem Verhältnis der Nutzflächen auf die Gebäudeteile aufzuteilen, soweit eine unmittelbare Zuordnung nicht möglich ist. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten die Sätze 2 und 3 mit der Maßgabe entsprechend, dass an die Stelle der nachträglichen Herstellungskosten die Anschaffungskosten treten, die auf nachträgliche Herstellungsarbeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 entfallen. § 2 Abs. 5 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. In die Bemessungsgrundlage können die im Kalenderjahr geleisteten Anzahlungen auf Erhaltungsaufwendungen einbezogen werden.

(5) Die Investitionszulage beträgt 22 vom Hundert der Bemessungsgrundlage.

(1) Kerngebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur.

(2) Zulässig sind

1.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
2.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes und Vergnügungsstätten,
3.
sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe,
4.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
5.
Tankstellen im Zusammenhang mit Parkhäusern und Großgaragen,
6.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter,
7.
sonstige Wohnungen nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Tankstellen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 5 fallen,
2.
Wohnungen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 6 und 7 fallen.

(4) Für Teile eines Kerngebiets kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass

1.
oberhalb eines im Bebauungsplan bestimmten Geschosses nur Wohnungen zulässig sind oder
2.
in Gebäuden ein im Bebauungsplan bestimmter Anteil der zulässigen Geschossfläche oder eine bestimmte Größe der Geschossfläche für Wohnungen zu verwenden ist.
Dies gilt auch, wenn durch solche Festsetzungen dieser Teil des Kerngebiets nicht vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23. Juni 2010 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen die Rücknahme einer sogenannten Kerngebietsbescheinigung, eines Grundlagenbescheides für die Gewährung einer Investitionszulage.

2

Diese betrifft die Doppelhaushälfte E-Straße in B-Stadt. Der Bereich ist in dem Bebauungsplan F als Allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Die gegenüberliegende Straßenseite ist unbebaut. In etwa 150 m Entfernung beginnt auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Ortskern von B-Stadt. Dort befinden sich eine Schule, das Amtsgebäude und einige Gewerbebetriebe.

3

Mit Datum vom 28.03.2002 erteilte der Beklagte auf den Antrag der Kläger eine Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4b InvZulG 1999, mit der bescheinigt wurde, dass das Gebäude in einem Gebiet liegt, das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung einem Gebiet entspricht, welches durch Bebauungsplan als Kerngebiet im Sinne des § 7 BauNVO festgesetzt ist. Auf der Grundlage dieser Bescheinigung wurde eine Investitionszulage in Höhe von 5.460,09 EUR an die Kläger ausgezahlt.

4

Mit Schreiben vom 27.01.2003 wies das Finanzamt Stralsund bezogen auf andere Gebäude E-Straße auf rechtliche Zweifel an der Richtigkeit der Bescheinigungen hin, die für Bauvorhaben "auf der grünen Wiese" ausgestellt worden seien, und verwies auf die "Hinweise für die kommunale Bescheinigungspraxis..." des Bundesbauministeriums. Das Finanzamt bat um Überprüfung aller vom Beklagten in der Vergangenheit bereits erteilten Investitionszulagenbescheinigungen und ggf. Rücknahme der entsprechenden Bescheide, einschließlich eines Hinweises "auf die Möglichkeit einer straf- oder bußgeldrechtlichen Würdigung bei bestehendem Verdacht einer falsch ausgestellten Bescheinigung".

5

Der Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 20.02.2003. Eine Rücknahme ausgestellter Bescheinigungen werde abgelehnt, weil die Voraussetzungen jeweils von der Bauamtsleitung des Amtes sorgfältig überprüft und zum Zeitpunkt der Bescheinigungserstellung als erfüllt angesehen worden seien. Dies sei auf der Grundlage entsprechender Ausführungen in der Zeitschrift des Städte- und Gemeindetages erfolgt. Ergänzend sei mit dem Finanzamt Rücksprache gehalten worden, worüber ein Telefonvermerk existiere. Erst im November 2002 sei eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Greifswald bekannt geworden, auf Grund derer der Städte- und Gemeindetag seine bisherige Empfehlung einer großzügigen Auslegung des InvZulG zurück gezogen habe. Ebenfalls erst zu diesem Zeitpunkt habe das Innenministerium M-V Hinweise und Merkblätter zur Investitionszulage nach dem InvZulG 1999 versandt. Der Beklagte verwies auf den Vertrauensschutz der Begünstigten, die die Planung und Finanzierung ihrer Bauvorhaben auf die Förderbarkeit nach dem InvZulG aufgebaut hätten. Die aus einer möglichen Rücknahme der Verwaltungsakte resultierenden Konsequenzen seien als unzumutbare Nachteile für die Betroffenen zu werten und würden auf Grund dessen vom Amt prinzipiell abgelehnt.

6

In der Beschlussvorlage für die Sitzung der Gemeindevertretung B-Stadt am 18.02.2003 erläuterte die Amtsverwaltung, weshalb die Kerngebietsbescheinigungen für das Gemeindegebiet nicht rechtmäßig erteilt worden seien, und empfohlen, diese zurückzunehmen. Im Protokoll heißt es hierzu: "Die Beschlussvorlage wird durch den Bürgermeister zurückgezogen. Es erfolgt die Information, dass die Grundlagenbescheide durch die Gemeinde B-Stadt vor der Änderung der rechtlichen Auslegung nicht zurückgezogen werden sollen. Neue Bescheinigungen werden indes nicht mehr ausgestellt."

7

Unter dem 07.01.2003 beantragten die Kläger für die andere Doppelhaushälfte E-Straße in B-Stadt ebenfalls einen Grundlagenbescheid nach dem Investitionszulagengesetz. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27.02.2003 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 InvZulG 1999 lägen nicht vor. Den Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.04.2003 als unbegründet zurück.

8

Mit Schreiben des Landrates des Landkreises Nordvorpommern als untere Rechtsaufsichtsbehörde vom 12.11.2007 wurden die Amtsverwaltungen aufgefordert, in allen Fällen fehlerhafter Investitionsbescheinigungen Rücknahmebescheide zu erlassen und bis zum 30.11.2007 über den Erlass der Rücknahmebescheide zu berichten. Die Kommunalabteilung des Innenministeriums habe darauf hingewiesen, dass grundsätzlich in allen diesen Fällen Rücknahmebescheide zu erlassen seien. Dabei stehe der Aspekt im Vordergrund, dass nur mittels einer generellen "Fehlerkorrektur" das Vertrauen in die öffentliche Verwaltung herzustellen sei. Auf einen Vertrauensschutz könnten sich die Begünstigten regelmäßig nicht berufen. Zwar hätten diese eine Vermögensdisposition vorgenommen, aber der geldwerte Vorteil stecke quasi in der Liegenschaft und sei damit als Gegenstand der Bereicherung noch vorhanden. Das Finanzministerium habe angekündigt, die Kommunen, falls sie der Aufforderung der Rechtsaufsichtsbehörde zur Rücknahme der Bescheinigungen nicht nachkämen, in die Haftung nehmen zu wollen.

9

Mit Schreiben vom 25.07. und 11.09.2007 hörte der Beklagte die Kläger zu der beabsichtigten Rücknahme an. Die Kläger äußerten sich nicht.

10

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.11.2007 nahm der Beklagte den Grundlagenbescheid vom 28.03.2002 mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und führte zur Begründung aus: Im Rahmen einer nochmaligen Prüfung der Sach- und Rechtslage sei festgestellt worden, dass die bescheinigten Voraussetzungen nicht gegeben seien. Die konkrete örtliche Situation biete keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein eines Kerngebietes iSv § 7 BauNVO. Auch die Bebauung der näheren Umgebung entspreche nicht ansatzweise einem solchen Kerngebiet. Zwar lägen im Ortsteil Einrichtungen, die auch in einem Kerngebiet zulässig seien, wie die Grundschule, ein Hotel und andere Gewerbebetriebe, dennoch handele es sich um einen Ortsteil, der überwiegend durch eine Wohnbebauung gekennzeichnet sei. Ein Dorfkern stelle regelmäßig kein Kerngebiet iSd § 3 Abs. 1 Nr. 4b InvZulG 1999 dar. Das Vertrauen der Kläger sei nicht wegen Verbrauchs gewährter Leistungen schutzwürdig, weil die Kläger Aufwendungen erspart hätten, die sonst aus eigenen Mitteln aufzubringen gewesen wären. Im Rahmen der Anhörung hätten die Kläger auch kein schutzwürdiges Vertrauen geltend gemacht.

11

Den Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008 als unbegründet zurück. Die Jahresfrist für die Rücknahme sei gewahrt. Die Frist habe nicht bereits im Jahr 2003 zu laufen begonnen, weil damals – wie im einzelnen näher ausgeführt wird - keine Sicherheit über die Rechtswidrigkeit der erteilten Grundlagenbescheide bestanden habe. Eine Einzelfallprüfung hinsichtlich einer Rücknahme sei nicht durchgeführt worden. Man habe vergebens auf eine Rückäußerung des Finanzamtes gewartet. Da die Kläger die Doppelhaushälfte zu einem Preis von etwa 138.000 EUR veräußert hätten, seien sie nicht entreichert; die Verwendung des Geldes stehe - unter dem Gesichtspunkt eines schutzwürdigen Vertrauens, § 48 Abs. 2 VwVfG M-V - der Rücknahme nicht entgegen. Bei der Ermessensentscheidung über die Rücknahme sei der Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung der Haushaltsmittel zu beachten, der den großzügigen Verzicht auf die Rücknahme verbiete. Angesichts des mangelnden Vertrauensschutzes überwiege das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung eines rechtskonformen Zustandes gegenüber dem privaten Interesse an der Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Bescheides.

12

Die Kläger haben am 27.02.2008 Klage erhoben. Sie haben vorgetragen: Die Rücknahme sei nicht gemäß § 48 Abs. 4 VwVfG M-V fristgerecht innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen erfolgt. Daraus dass der Beklagte die Erteilung einer Investitionszulagenbescheinigung für das zweite Grundstück der Kläger bereits Anfang des Jahres 2003 abgelehnt habe, ergebe sich, dass die Rechtswidrigkeit des zurück genommenen Bescheides ihm bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sei. Auch das Finanzamt Stralsund, das Bauministerium M-V und das Finanzministerium M-V hätten bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der ausgestellten Grundlagenbescheide gehabt. Für das Finanzministerium M-V gelte dies bereits seit April 2001. In der 2007 erteilten Weisung des Landkreises Nordvorpommern, Grundlagenbescheide aus früheren Jahren zurück zu nehmen, sei die Rücknahme nicht von einer Würdigung der Einzelfallumstände abhängig gemacht worden. Das anschließende Anhörungsschreiben an die Kläger vom 11.09.2007 sei nicht auf weitere Sachverhaltsaufklärung gerichtet gewesen; es stelle sich lediglich als formelle Wahrung des rechtlichen Gehörs dar. Die Kläger haben sich auf die Entscheidung des VGH Mannheim vom 05.04.2007 - 8 S 2090/06 - berufen, nach der die Jahresfrist zur Rücknahme zu laufen beginnt, wenn aus der Sicht der Behörde Entscheidungsreife gegeben ist.

13

Die Kläger haben beantragt,

14

den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 20.11.2007 und dessen Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008 aufzuheben.

15

Der Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Er hat vorgetragen, die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG M-V stehe der Rücknahme nicht entgegen, weil diese erst mit Kenntnis der Behörde von allen für die zu treffende Ermessensentscheidung relevanten Tatsachen beginne. Diese habe erst im Juli 2007 vorgelegen.

18

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger zu 2. erklärt, als er die Investitionszulage erhalten habe, sei das Gebäude bereits errichtet gewesen. Weitere Investitionsmaßnahmen habe er danach nicht getätigt. Über die Voraussetzungen, unter denen eine Investitionszulage gewährt werde, habe er sich seinerzeit überhaupt keine Gedanken gemacht. Diese sei von seinem Steuerberater beantragt worden.

19

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil des Berichterstatters vom 23.06.2010 der Klage stattgegeben und den angefochtenen Rücknahmebescheid aufgehoben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die zurück genommene Kerngebietsbescheinigung sei rechtswidrig. Die Rücknahme sei gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG M-V nicht durch Vertrauensschutzgesichtspunkte gehindert, weil von einer grob fahrlässigen Unkenntnis bei den Klägern bzw. dem Steuerberater als ihrem Vertreter auszugehen sei. Die Rücknahme sei jedoch nicht innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG M-V erfolgt. Der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten habe spätestens im Februar 2003 die Rechtswidrigkeit der Kerngebietsbescheinigung erkannt. Soweit grundsätzlich auch die vollständige Kenntnis der Behörde über den für die Entscheidung über die Rücknahme erheblichen Sachverhalt Voraussetzung für den Fristlauf sei, insbesondere einschließlich Vertrauensschutzaspekten und Ermessensgesichtspunkten, gelte dies nicht, wenn die Behörde zu erkennen gegeben habe, dass sie von vornherein - ohne Klärung dieser Gesichtspunkte - eine Rücknahme für unzulässig halte. Es komme also - wie der VGH Mannheim in der von Klägerseite angeführten Entscheidung zu Recht dargelegt habe - allein auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife aus Sicht der Behörde an. Dies sei hier der Zeitpunkt im Februar 2003 gewesen, in dem der Beklagte erklärt habe, eine Rücknahme werde abgelehnt.

20

Im übrigen sei die Rücknahme ermessensfehlerhaft. Allerdings begründeten die Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie die fehlende Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Kläger ein intendiertes Ermessen. Der Beklagte habe aber berücksichtigen müssen, dass ihn ein erhebliches Mitverschulden an der rechtswidrigen Erteilung der Bescheinigung treffe. Auch bei einer weiten Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 4b InvZulG 1999 sei offensichtlich gewesen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung nicht vorgelegen hätten. Bei lebensnaher Betrachtung könne daher davon ausgegangen werden, dass er die Bescheinigung in Kenntnis der Rechtswidrigkeit erteilt habe oder zumindest den sich aufdrängenden Zweifeln an deren Rechtmäßigkeit nicht nachgegangen sei. Auch der fehlende Vertrauensschutz zu Gunsten der Kläger hindere eine Berücksichtigung des Mitverschuldens der Behörde nicht. Im übrigen habe der Beklagte auch den Zeitablauf seit Kenntnis der Rechtswidrigkeit bei der Ermessensentscheidung berücksichtigen müssen. Es habe näherer Darlegung bedurft, weshalb auch vier Jahre später noch das öffentliche Interesse an der Rücknahme der Bescheinigung gegenüber dem Interesse der Kläger überwiege.

21

Gegen das am 03.08.2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 30.08.2010 die Zulassung der Berufung beantragt und den Antrag am Montag, den 04.10.2010 begründet. Der Senat hat mit Beschluss vom 18.01.2013, zugestellt am 23.01.2013, die Berufung zugelassen. Der Beklagte hat daraufhin am 22.02.2013 die Berufung begründet.

22

Er trägt vor: Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG M-V sei im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht abgelaufen gewesen. Das Amt habe erst im Jahre 2007 Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der erteilten Investitionsbescheinigungen gehabt. Bis dahin sei zur Frage der Rechtmäßigkeit eine differenzierte Auffassung vertreten worden. Die Richtlinien des Innenministeriums vom 05.11.2002 hätten lediglich die künftige Bescheinigungspraxis geregelt, sich zu den bereits zuvor erlassenen Bescheinigungen aber nicht geäußert. Dies ergebe sich bereits aus dem Widerspruchsbescheid.

23

Es treffe auch nicht zu, dass er - der Beklagte - bereits im Jahr 2003 zu erkennen gegeben habe, dass eine Rücknahme für unzulässig gehalten werde. Dies ergebe sich insbesondere nicht aus dem Protokoll der Gemeindevertretersitzung vom 18.02.2003. In dieser Sitzung sei die Gemeindevertretung lediglich informiert worden, habe aber keine Beschlüsse gefasst. Der informierende Bürgermeister - der im übrigen für die Entscheidung über die Rücknahme nicht zuständig gewesen sei - habe die Auffassung vertreten, dass die Bescheide im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig gewesen seien. Entsprechend habe sich der Amtsvorsteher in dem Schreiben an das Finanzamt Stralsund vom 20.02.2003 geäußert. Allerdings habe dieser in dem genannten Schreiben die Rücknahme auch aus Vertrauensschutzgründen "prinzipiell abgelehnt". Aus der anschließenden Bekundung des Interesses an einer informellen Klärung ergebe sich jedoch, dass dies eher als Absichtserklärung denn als Entscheidung gemeint gewesen sei. Eine endgültige Entscheidungsreife, wie sie der VGH Mannheim in seiner Entscheidung vom 05.04.2007 fordere, habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen.

24

Im übrigen weiche die genannte Entscheidung des VGH Mannheim von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab, nach der die Jahresfrist erst zu laufen beginne, wenn der Behörde sämtliche für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt seien, wozu auch alle Tatsachen gehörten, die für die Beurteilung eines Vertrauensschutzes nach § 48 Abs. 2 VwVfG M-V sowie für die Ermessensausübung relevant seien. Der VGH Mannheim lege die subjektive Perspektive der Behörde zu Grunde, während das Bundesverwaltungsgericht einen objektiven Maßstab anlege. Objektiv sei die Sachaufklärung jedoch erst nach Anhörung der Betroffenen abgeschlossen.

25

Ein Mitverschulden sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bei der Ermessensausübung nicht zu berücksichtigen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass derjenige, der gemäß § 48 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG M-V keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen könne, über die Anwendung von Verschuldensgrundsätzen letztlich doch wieder geschützt werden solle. Weshalb der Zeitablauf im Rahmen der Ermessensentscheidung hätte berücksichtigt werden müssen, sei ebenfalls nicht erkennbar. Insbesondere bestünden keine Anhaltspunkte für einen Wegfall des öffentlichen Interesses daran, fehlerhaft bewilligte Fördermittel, die durch das Steueraufkommen finanziert würden, zurück zu verlangen. Allenfalls könne der Zeitablauf zu einer Verwirkung der Rücknahmebefugnis führen.

26

Der Beklagte beantragt,

27

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

28

Die Kläger beantragen,

29

die Berufung zurückzuweisen.

30

Das Verwaltungsgericht habe zu Recht angenommen, dass der Rücknahmebescheid rechtswidrig sei, weil die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG M-V bereits abgelaufen gewesen sei. Für den Fristbeginn sei - wie der VGH Mannheim zu Recht entschieden habe - die Entscheidungsreife aus der Sicht der Behörde maßgeblich. Diese habe bereits zum Zeitpunkt der Sitzung der Gemeindevertretung am 18.02.2003 vorgelegen. Ebenso ergebe sie sich aus dem Schreiben des Beklagten an das Finanzamt Stralsund vom 28.03.2002, in dem eine Rücknahme der Bescheinigung ausdrücklich abgelehnt werde. Die Kläger berufen sich auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der ein Fehler in der Rechtsanwendung vorliegt, der den Beginn der Jahresfrist nicht hinauszuschieben vermag, wenn die Behörde umfassende Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen hatte und sich lediglich über die Erforderlichkeit ausdrücklicher Ermessenserwägungen geirrt hat. Ebenso berufen sie sich auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der es auf die subjektive Fähigkeit der Rücknahmebehörde, die Reichweite und die rechtlichen Anforderungen der Rücknahmeermächtigung richtig zu erkennen, nicht ankomme, und Rechtsirrtümer, die der Behörde insoweit trotz umfassender Tatsachenkenntnisse unterlaufen, zu ihren Lasten gingen. Die Kläger tragen vor, durch eine nachgeschobene Anhörung der Betroffenen könne der Behörde nicht eine Art "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" gewährt werden. Dies würde dem auf Rechtssicherheit zielenden Zweck der Rücknahmefrist zuwider laufen. Die Anforderung, dass die Entscheidungsreife nicht von der rechtlichen Erkenntnisfähigkeit der Behörde abhängig gemacht werden dürfe, würde konterkariert werden. Auch nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.12.1984 könne der Zeitpunkt der Entscheidungsreife mit dem Zeitpunkt zusammen fallen, in dem die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes erkenne.

31

Sie - die Kläger - könnten sich gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG M-V auf Vertrauensschutz berufen. Ihnen bzw. ihrem Steuerberater sei jedenfalls nicht bekannt oder grob fahrlässig unbekannt gewesen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Investitionszulage von vornherein nicht vorgelegen hätten. Es sei davon auszugehen, dass der Steuerberater auf Grund der damaligen großzügigen kommunalen Bescheinigungspraxis angenommen habe, dass zu den förderungswürdigen Bauvorhaben auch solche gehörten, die auf Grund der Bebauung in näherer Umgebung eines Kerngebietes lagen. Eine andere Bewertung habe sich ihnen zum Zeitpunkt der Antragstellung jedenfalls nicht ohne weiteres aufdrängen müssen. Im übrigen sei die Rücknahme auch ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte sein eigenes Mitverschulden nicht berücksichtigt habe.

32

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

33

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klage ist unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen, weil sie zulässig, aber unbegründet ist. Der angefochtene Rücknahmebescheid des Beklagten vom 20.11.2007 und dessen Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

34

Rechtsgrundlage für die Rücknahme ist § 48 VwVfG M-V. Nach § 48 Abs. 1 VwVfG M-V kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 1); ein Verwaltungsakt der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden (Satz 2).

35

1. Bei der unanfechtbar gewordenen Bescheinigung vom 28.03.2002, mit der nach § 3 Abs. 1 Nr. 4b InvZulG 1999 bescheinigt wurde, dass das Gebäude E-Straße in B-Stadt in einem Gebiet liegt, das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung einem Gebiet entspricht, welches durch Bebauungsplan als Kerngebiet im Sinne des § 7 BauNVO festgesetzt ist, handelt es sich um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt. Tatsächlich liegt das Gebäude in einem Gebiet, das durch Bebauungsplan als Allgemeines Wohngebiet gemäß § 4 BauNVO festgesetzt ist und auch tatsächlich so genutzt wird.

36

Auf die Frage, ob die Bescheinigung nichtig ist, weil sie an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dieser bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist (§ 44 Abs. 1 VwVfG M-V), kommt es nicht an. Auch ein nichtiger Verwaltungsakt kann zurückgenommen werden. Die Behörde ist nicht auf die Feststellung nach § 44 Abs. 5 VwVfG M-V beschränkt (vgl. BSG U. v. 23.02.1989 - 11/7 RAr 103/87 - NVwZ 1989, 902 = Juris Rn. 17; Kopp/Ramsauer VwVfG 13. Aufl. 2012 § 48 Rn. 18; Sachs in Stelkens ua VwVfG § 48 Rn. 67; jew. mwN).

37

2. Die von der zuständigen Gemeindebehörde erteilte Investitionsbescheinigung ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4b InvZulG 1999 die Grundlage für die Gewährung einer Investitionszulage und damit ein begünstigender Verwaltungsakt iSd § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG M-V. Da es sich um einen Verwaltungsakt handelt, der Voraussetzung für die Gewährung einer einmaligen Geldleistung ist, darf dieser gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG M-V nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Satz 1); das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Satz 2). Dabei finden die Grundsätze Anwendung, die zum Umfang des Bereicherungsanspruchs (§ 818 BGB) entwickelt worden sind. Danach ist eine Geldleistung nicht im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG M-V verbraucht, wenn sie zur Schuldentilgung oder für Anschaffungen verwendet worden ist, die wertmäßig im Vermögen des Begünstigten noch vorhanden sind (BVerwG U. v. 28.01.1993 - 2 C 15.91 - NVwZ-RR 1994, 32 = Juris Rn. 11 f.).

38

Nach diesen Maßstäben kommt ein Vertrauensschutz hier nicht in Betracht und wird von den Klägern auch nicht geltend gemacht. Der durch die Gewährung der Investitionszulage bei den Klägern eingetretene Vermögenszuwachs – durch Schuldentilgung bzw. Investition in das errichtete Gebäude, für das sodann ein entsprechender Kaufpreis erzielt wurde – ist wertmäßig noch vorhanden. Ein „Wegfall der Bereicherung“ ist nicht eingetreten. Es bestehen im übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger die Gesamtinvestition nur im Hinblick auf die erwartete Investitionszulage getätigt hätten oder mit der Zulage bestimmte weitere Maßnahmen finanziert hätten, die ansonsten unterblieben wären. Denn sie haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht angegeben, das Gebäude sei bereits errichtet gewesen, als sie die Investitionszulage erhalten hätten; weitere Investitionsmaßnahmen wie z.B. Modernisierungen seien nach Erhalt der Investitionszulage nicht vorgenommen worden.

39

Auf die Frage, ob sich die Kläger – wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - auf Vertrauensschutz auch deshalb nicht berufen können, weil sie die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannten oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannten bzw. ihnen das Verschulden ihres Steuerberaters zuzurechnen ist (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG M-V), kommt es daher nicht mehr an.

40

3. Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, die die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig, § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG M-V. Diese Frist ist hier gewahrt.

41

Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG wird in Lauf gesetzt, wenn die Behörde positive Kenntnis von den Tatsachen erhalten hat, die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigen. Dass die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen aktenkundig sind, genügt nicht. Die Behörde erlangt diese positive Kenntnis, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme des Verwaltungsakts berufene Amtswalter oder ein sonst innerbehördlich zur rechtlichen Überprüfung des Verwaltungsakts berufener Amtswalter die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen feststellt. Die Behörde muss insoweit nicht nur die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt haben, sondern ihr müssen außerdem sämtliche für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sein, wozu auch alle Tatsachen gehören, die im Falle des § 48 Abs. 2 VwVfG M-V ein Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsakts entweder nicht rechtfertigen oder ein bestehendes Vertrauen als nicht schutzwürdig erscheinen lassen, sowie die für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände (st. Rspr. seit BVerwG, B. v. 19.12.1984 - Gr.Sen.1,2.84 - NJW 1985, 819, 820 f. = Juris Rn. 17 ff.; vgl. zuletzt ausführlich BVerwG U. v. 28.06.2012 - 2 C 13.11 - BVerwGE 143, 230 = Juris Rn. 27 ff.).

42

Bereits der Wortlaut des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG M-V fordert die Kenntnis von Tatsachen, die die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts "rechtfertigen", und stellt damit klar, daß die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit für sich allein den Fristlauf nicht auszulösen vermag, sondern hierzu die vollständige Kenntnis des für die Entscheidung über die Rücknahme des Verwaltungsakts erheblichen Sachverhalts nötig ist. Hierzu gehören auch alle Tatsachen, die im Falle des § 48 Abs. 2 VwVfG M-V ein Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsakts entweder nicht rechtfertigen oder ein bestehendes Vertrauen als nicht schutzwürdig erscheinen lassen, sowie die für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände. Die Frist beginnt demgemäß zu laufen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme des Verwaltungsakts zu entscheiden. Das entspricht dem Zweck der Jahresfrist als einer Entscheidungsfrist, die sinnvollerweise erst anlaufen kann, wenn der zuständigen Behörde alle für die Rücknahmeentscheidung bedeutsamen Tatsachen bekannt sind. Die Behörde soll nicht durch den drohenden Fristablauf zu einer Entscheidung gezwungen werden, obwohl ihr diese mangels vollständiger Kenntnis des insofern erheblichen Sachverhalts noch nicht möglich ist. Ein entsprechendes Verständnis der Jahresfrist als einer Bearbeitungsfrist für die Behörde würde dem Wortlaut der Vorschrift widersprechen und von ihrem Sinn und Zweck nicht getragen sein (vgl. BVerwG B. v. 19.12.1984 - Gr.Sen.1,2.84 – aaO; zum Charakter der Frist als Entscheidungs- und nicht Bearbeitungsfrist vgl. zuletzt BVerwG U. v. 28.06.2012 – 2 C 13.11 – aaO Rn. 33).

43

Das Bundesverwaltungsgericht hat in Fortentwicklung dieser Rechtsprechung auch entschieden, dass zur Herstellung der Entscheidungsreife, mit deren Eintritt die Entscheidungsfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erst zu laufen beginnen kann, regelmäßig das Anhörungsverfahren gehört, das der Wahrung des in einem rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahren gebotenen rechtlichen Gehörs dient, und zwar unabhängig vom Ergebnis der Anhörung. Denn die Einwände des Anzuhörenden können nur dann ernstlich zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen werden, wenn sich die Behörde ihre Entscheidung bis zum Abschluss des Anhörungsverfahrens offen hält. Das gilt auch und gerade, wenn es sich bei der zu treffenden Entscheidung um eine Ermessensentscheidung handelt, bei der die für die Ermessensbetätigung maßgeblichen Umstände auch in der Sphäre des anzuhörenden Betroffenen liegen. Es liegt in der Konsequenz der Ausgestaltung der Rücknahmefrist als Entscheidungsfrist, dass es die Behörde in der Hand hat, den Beginn der Frist durch eine Verzögerung des Anhörungsverfahrens hinauszuschieben. Ein solches Verhalten kann allerdings zur Verwirkung des Rechts auf Rücknahme führen (vgl. BVerwG, U. v. 20.09.2001 - 7 C 6.01 - NVwZ 2002, 485 mwN; BVerwG B. v. 04.12.2008 - 2 B 60.08 - Juris Rn. 7).

44

Nach diesen Maßstäben war eine Anhörung der Kläger hier zur Herstellung der Entscheidungsreife erforderlich, um zu klären, ob die Kläger in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hatten, § 48 Abs. 2 VwVfG M-V. Mit dem Abschluss des Anhörungsverfahrens im Jahr 2007 begann die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG M-V zu laufen; sie wurde folglich durch den Rücknahmebescheid vom 20.11.2007 gewahrt.

45

Soweit die Kläger sich auf eine – ebenfalls die Rücknahme einer Investitionsbescheinigung betreffende - Entscheidung des VGH Mannheim berufen (U. v. 05.04.2007 - 8 S 2090/06 - VBlBW 2007, 347), nach der die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG M-V zu laufen beginnt, wenn aus der Sicht der Behörde - subjektiv - Entscheidungsreife vorliegt bzw. die Behörde zu erkennen gegeben hat, dass sie eine Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts von vornherein - ohne Klärung konkreter Vertrauensschutzaspekte - für unzulässig hält, folgt der Senat dieser Auffassung nicht. Der VGH Mannheim hat ausgeführt, die Jahresfrist zur Rücknahme habe in dem Moment zu laufen begonnen, in dem die Behörde die Rechtswidrigkeit der erteilten Bescheinigung erkannt, aber offenbar angenommen habe, die weiteren Rücknahmevoraussetzungen lägen nicht vor. Mit Blick auf den Zweck der Ausschlussfrist als Entscheidungsfrist komme es allein darauf an, ob aus Sicht der Behörde Entscheidungsreife gegeben sei. Habe diese zu erkennen gegeben, dass sie eine Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts von vornherein - ohne Klärung konkreter Vertrauensschutzaspekte - für unzulässig halte, beginne die Jahresfrist auch dann zu laufen, wenn diese Rechtsauffassung unzutreffend sei und eine Rücknahme bei hinreichender Aufklärung des Sachverhalts in Betracht komme. Denn ein auf die weiteren Rücknahmevoraussetzungen bezogener Rechtsirrtum habe keine fristhemmende Wirkung. Käme es für die Frage der Entscheidungsreife nicht auf die Rechtsauffassung der Rücknahmebehörde, sondern auf die zutreffende Anwendung der Rücknahmevoraussetzungen an, wäre es von den Rechtskenntnissen der Behörde abhängig, ob und wann sie die zur Herbeiführung der Entscheidungsreife notwendige Sachaufklärung vornehme. Die zur Verfügung stehende Rücknahmefrist wäre also um so länger bemessen, je geringer die Rechtskenntnisse der jeweiligen Behörde sind. Dies wäre aber mit dem Zweck der Jahresfrist, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Hinblick auf den Bestand von Verwaltungsakten zu gewährleisten, nicht zu vereinbaren. Im Übrigen läge auch treuwidriges Verhalten vor, wenn sich eine Rücknahmebehörde, die zu erkennen gegeben hatte, dass aus ihrer Sicht Entscheidungsreife vorlag, später hinsichtlich des Fristablaufs auf die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung beriefe.

46

Die Auffassung des VGH Mannheim, dass die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG M-V zu laufen beginnt, wenn aus der Sicht der Behörde - subjektiv - Entscheidungsreife vorliegt bzw. die Behörde zu erkennen gegeben hat, dass sie eine Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts von vornherein - ohne Klärung konkreter Vertrauensschutzaspekte - für unzulässig hält, ist mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vereinbar. Allerdings mögen Besonderheiten des Einzelfalles eine Abweichung von dem regelmäßigen Beginn der Jahresfrist rechtfertigen können (vgl. BVerwG B. v. 09.01.2007 - 8 B 36.06 - Juris Rn. 5). Der VGH Mannheim berücksichtigt jedoch nicht Besonderheiten des Einzelfalles, sondern stellt Rechtsgrundsätze auf, die von denen des Bundesverwaltungsgerichts abweichen. Dass der Lauf der Rücknahmefrist von den Rechtskenntnissen der Behörde abhängt, liegt in der Konsequenz der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Denn danach reicht bereits die Kenntnis der Behörde von denjenigen Tatsachen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ergibt, nicht aus um die Jahresfrist in Lauf zu setzen; vielmehr muss hinzu kommen, dass die Behörde auch die zutreffende Schlussfolgerung auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gezogen hat (BVerwG B. v. 19.12.1984 - GrSen 1, 2.84 - aaO). Wann diese Schlussfolgerung gezogen wird, hängt von den Rechtskenntnissen ab. Soweit der Gesichtspunkt von Treu und Glauben herangezogen wird um zu begründen, dass die Behörde, aus deren Sicht bereits Entscheidungsreife vorgelegen hatte, sich nicht später hinsichtlich des Fristablaufs auf die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung berufen könne, bleibt unberücksichtigt, dass das Bundesverwaltungsgericht im Falle einer Verzögerung der Sachaufklärung den - engeren bzw. konkreteren - Maßstab der Verwirkung anwendet. Dass ein Verstoß gegen Treu und Glauben an die "subjektive Entscheidungsreife" aus Sicht der Behörde anknüpfen soll, erscheint auch deshalb nicht plausibel, weil diese nicht notwendig nach außen deutlich geworden ist, sondern vielmehr typischerweise behördenintern geblieben bzw. - wie in dem vom VGH Mannheim entschiedenen ebenso wie in dem hier vorliegenden Fall - nur gegenüber einer anderen Behörde erkennbar geworden ist, nicht aber gegenüber dem Rücknahmeadressaten. Die Kriterien der Verwirkung berücksichtigen demgegenüber zu Recht die Perspektive des Adressaten der Erklärung bzw. Entscheidung.

47

4. Ein Fall der Verwirkung der Rücknahmebefugnis liegt nicht vor. Die Verwirkung setzt voraus, dass Umstände eingetreten sind, aus denen der die Rechtswidrigkeit kennende Begünstigte berechtigterweise den Schluss ziehen durfte, der Verwaltungsakt werde nicht mehr zurückgenommen, obwohl die Behörde dessen Rücknehmbarkeit erkannt hat, der Begünstigte ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass die Rücknahmebefugnis nicht mehr ausgeübt werde und dieses Vertrauen in einer Weise betätigt hat, dass ihm mit der sodann gleichwohl erfolgten Rücknahme ein unzumutbarer Nachteil entstünde (vgl. BVerwG, U. v. 20.12.1999 - 7 C 42.98 - NJW 2000, 1512, 1514). Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der Vertrauensgrundlage als der ersten dieser Voraussetzungen. Die bloße Untätigkeit des Beklagten nach Versagung der Investitionsbescheinigung für die zweite Doppelhaushälfte Am E. 14a reicht insoweit nicht aus. Das Verhalten der Gemeindevertretung ist nicht relevant, weil diese für die Entscheidung über die Rücknahme nicht zuständig war und die Entscheidung sie im rechtlichen Sinne auch sonst "nichts anging". Dass die Korrespondenz des Beklagten mit dem Finanzamt Stralsund den Klägern bekannt gewesen wäre, ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Erst recht fehlt es an einer Vertrauensbetätigung in dem Sinne, dass den Klägern aus der gleichwohl erfolgenden Rücknahme ein unzumutbarer Nachteil entstünde.

48

5. Der Beklagte hat entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Allerdings enthält der Ausgangsbescheid keine Ermessenserwägungen. Dort heißt es lediglich, da die Kläger von ihrem Anhörungsrecht keinen Gebrauch gemacht und somit auch die Schutzwürdigkeit ihres Vertrauens nicht geltend gemacht hätten, werde die rechtswidrig erteilte Bescheinigung auch für die Vergangenheit zurückgenommen. Im Widerspruchsbescheid hat die Behörde jedoch deutlich gemacht, dass sie sich des ihr zustehenden Ermessens bewusst ist. Sie hat den "Grundsatz einer sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung der Landeshaushaltsmittel" angeführt, der den großzügigen Verzicht auf die Rücknahme verbiete, und darauf hingewiesen, dass mit der Rücknahme der Bescheinigung ein rechtskonformer Zustand wiederhergestellt werde. Angesichts des mangelnden Vertrauensschutzes überwiege das entsprechende öffentliche Interesse gegenüber dem privaten Interesse an der Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Bescheides. Die Rücknahme der Bescheinigung auch zum jetzigen Zeitpunkt werde für angemessen gehalten.

49

Weiter gehende Ermessenserwägungen musste der Beklagte weder bezogen auf den Zeitablauf seit Kenntnis von der Rechtswidrigkeit noch bezogen auf das eigene (Mit-)verschulden anstellen.

50

a) Der Zeitablauf ist in der Begründung der Ermessensentscheidung mit dem Satz: "Die Rücknahme der Grundlagenbescheinigung auch zum jetzigen Zeitpunkt halte ich für sachgerecht und angemessen." zumindest angesprochen. Weitergehende Erwägungen waren nicht erforderlich. Der Zeitablauf seit Kenntnis der Behörde von der Rechtswidrigkeit wird unter den weiteren Voraussetzungen des Vertrauensschutzes, des Ablaufs der Rücknahmefrist oder der Verwirkung berücksichtigt. Eine eigenständige Bedeutung kommt diesem Gesichtspunkt darüber hinaus regelmäßig nicht zu.

51

Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung zum Lastenausgleichsrecht den Zeitablauf seit Kenntnis von der Rechtswidrigkeit als zu berücksichtigenden Ermessensgesichtspunkt genannt hat, handelte es sich um Fälle, in denen eine Ermessensausübung völlig fehlte (BVerwG U. v. 09.11.1978 - 3 C 68.77 - Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 63 = Juris Rn. 28; U. v. 08.10.1981 - 3 C 36.81 – Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 70). Darum geht es hier jedoch nicht. Ebenso liegt kein Sonderfall etwa deshalb vor, weil ein Zeitraum von mehr als 30 Jahren verstrichen wäre, nach dessen Ablauf in weiten Teilen der Rechtsordnung spätestens eine Verjährung eintritt (vgl. OVG Münster U. v. 08.11.2012 - 11 A 1548/11 - NVwZ-RR 2013, 250; ebenfalls zum Lastenausgleichsrecht, betreffend einen Zeitraum von 52 Jahren).

52

b) Das (Mit-)Verschulden der Behörde an dem Erlass des rechtswidrigen Verwaltungsaktes stellt regelmäßig keinen Ermessensgesichtspunkt dar, der gegen eine Rücknahme sprechen könnte. Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt erlassen, so wird - mit Ausnahme der Fälle arglistiger Täuschung oder unrichtiger oder unvollständiger Angaben des Begünstigten oder eines Dritten - typischerweise ein Verschulden oder Mitverschulden der Behörde vorliegen. Dies gilt insbesondere in Fällen von Rechtsanwendungsfehlern. Typischerweise wird das Verschulden der Behörde um so höher sein, je "schlimmer" der Fehler ist. Ein "schlimmer" Fehler begründet aber unter dem Gesichtspunkt der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gerade ein höheres Interesse an einer Rücknahme, dem gegenüber die ggf. gegen eine Rücknahme sprechenden Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes eher zurück treten. Wollte man dies anders sehen, so würde gerade in krassen Fällen, in denen sehenden Auges rechtswidrige Entscheidungen erlassen worden sind bzw. Fälle von Korruption oder anderer Straftaten vorliegen, die Rückgängigmachung der entsprechenden Entscheidungen und Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände erschwert. Diese Wertung erscheint nicht sachgerecht.

53

Soweit in der Rechtsprechung die Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Behörde bei der Ermessensentscheidung über die Rücknahme verlangt worden ist, ging es typischerweise um Fälle aus dem Bereich des Sozialrechts, in denen ein Vertrauensschutz des Betroffenen nicht bereits mangels Vorliegens eines Vertrauenstatbestandes ausschied, sondern mangels Schutzwürdigkeit des Vertrauens, wobei die entsprechende Bewertung an ein Verschulden des Betroffenen anknüpfte (vgl. OVG Münster U. v. 11.08.1994 - 24 A 646/92 – zur Sozialhilfe; U. v. 23.01.1990 - 16 A 2836/88 – zum BAföG; VG Sigmaringen U. v. 29.11.2006 - 5 K 1225/06 – Juris). In solchen Fällen das Verschulden des Betroffenen in eine Relation zum Verschulden der Behörde zu setzen, leuchtet ein. Entsprechendes gilt, soweit das Mitverschulden der Behörde berücksichtigt wird, um die Schutzwürdigkeit eines Vertrauens des Begünstigten ("unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rückforderung") zu begründen (vgl. VGH Kassel, U. v. 09.09.1991 - 8 UE 1097/85 - Juris Rn. 38). Auch in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen subventionsrechtlichen Fall, in dem eine Berücksichtigung des Mitverschuldens der Behörde entsprechend den Grundsätzen des § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung für möglich gehalten wurde (vgl. BVerwG, U. v. 14.08.1986 - 3 C 9.85 - NVwZ 1987, 44) war ein Vertrauensschutz des Betroffenen nicht bereits mangels Vorliegens eines Vertrauenstatbestandes ausgeschieden, sondern mangels Schutzwürdigkeit des Vertrauens, nämlich wegen unrichtiger Angaben (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG M-V).

54

Soweit im übrigen in der Rechtsprechung allgemeiner die Berücksichtigung der Verantwortung bzw. des Fehlverhaltens der Behörde verlangt worden ist (vgl. BVerwG U. v. 09.11.1978 - 3 C 68.77 - Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 63 = Juris Rn. 28; U. v. 08.10.1981 - 3 C 36.81 – Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 70; jeweils zum Lastenausgleichsrecht), handelte es sich um Fälle, in denen eine Ermessensausübung gänzlich unterblieben war, und gesagt sein sollte, dass unter den genannten Umständen auch bei fehlendem Vertrauensschutz eine Ermessensausübung nicht etwa gänzlich entbehrlich ist. Lässt die Entscheidung über die Rücknahme aber - wie hier - erkennen, dass die Behörde das ihr zustehende Ermessen gesehen hat, so bedarf es für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung nicht der ausdrücklichen Erwähnung ihres eigenen (Mit-)Verschuldens.

55

c) Dass in der Begründung der Ermessensentscheidung von "Landeshaushaltsmitteln" die Rede ist, begründet schließlich ebenfalls keinen Ermessensfehler. Allerdings stehen die Einnahmen aus der Einkommensteuer, aus denen die Investitionszulage finanziert wird (vgl. § 6 Abs. 3 InvZulG 1999), Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam zu (vgl. Art. 106 Abs. 3 und Abs. 5 GG). Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 LHO ist nicht anwendbar. Bei dem hier in Rede stehenden Interesse der öffentlichen Hand an der vollständigen Einnahmeerhebung (das u.a. in § 34 Abs. 1 LHO zum Ausdruck kommt), geht es jedoch um dasselbe Ziel. Dieses trägt neben dem ausdrücklich angesprochenen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG; vgl. auch § 85 AO) die angefochtene Rücknahmeentscheidung.

56

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

57

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

58

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Begünstigte Investitionen sind:

1.
nachträgliche Herstellungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind,
2.
die Anschaffung von Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind, soweit nachträgliche Herstellungsarbeiten nach dem rechtswirksamen Abschluss des obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind, und
3.
Erhaltungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind,
soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder der Erhaltungsarbeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen,
4.
die Anschaffung neuer Gebäude bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung und die Herstellung neuer Gebäude,
a)
soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen und
b)
wenn der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweist, dass das Gebäude im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet nach dem Baugesetzbuch, einem förmlich festgelegten Erhaltungssatzungsgebiet nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Baugesetzbuchs oder in einem Gebiet liegt, das durch Bebauungsplan als Kerngebiet im Sinne des § 7 der Baunutzungsverordnung festgesetzt ist oder das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung diesem Gebiet entspricht.
Satz 1 Nr. 1 und 2 kann nur angewendet werden, wenn der Anspruchsberechtigte und im Veräußerungsfall der Erwerber für die Herstellungsarbeiten keine erhöhten Absetzungen in Anspruch nimmt. Im Fall der Anschaffung kann Satz 1 nur angewendet werden, wenn kein anderer Anspruchsberechtigter für das Gebäude Investitionszulage in Anspruch nimmt. Im Fall nachträglicher Herstellungsarbeiten im Sinne von Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie im Fall der Herstellung im Sinne von Satz 1 Nr. 4 kann Satz 1 nur angewendet werden, soweit im Veräußerungsfall der Erwerber für das Gebäude keine Sonderabschreibungen in Anspruch nimmt.

(2) Die Investitionen sind begünstigt, wenn sie der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 1998 und

1.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 vor dem 1. Januar 2005,
2.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 vor dem 1. Januar 2002
abschließt. Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 sind in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die nachträglichen Herstellungsarbeiten oder die Erhaltungsarbeiten beendet worden sind. Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 sind in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die Gebäude angeschafft oder hergestellt worden sind.

(3) Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage ist die den Betrag von 2.556 Euro übersteigende Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen der im Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen, soweit sie die vor dem 1. Januar 1999 geleisteten Anzahlungen auf Anschaffungskosten, Anzahlungen auf Erhaltungsaufwendungen und entstandenen Teilherstellungskosten übersteigen. Zur Bemessungsgrundlage gehören jedoch nicht

1.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 und 3 die nachträglichen Herstellungskosten und die Erhaltungsaufwendungen, soweit sie insgesamt in den Jahren 1999 bis 2004 614 Euro je Quadratmeter Wohnfläche übersteigen. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1, die der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 2001 begonnen hat oder bei denen er das Objekt im Fall der Anschaffung auf Grund eines nach dem 31. Dezember 2001 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft hat, gehören die nachträglichen Herstellungskosten und die Erhaltungsaufwendungen nur zur Bemessungsgrundlage, soweit sie insgesamt in den Jahren 2002 bis 2004 50 Euro je Quadratmeter Wohnfläche überschreiten. In den zuletzt genannten Fällen ist der Betrag von 2.556 Euro nicht zu berücksichtigen. Betreffen nachträgliche Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten mehrere Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sind die nachträglichen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen nach dem Verhältnis der Nutzflächen auf die Gebäudeteile aufzuteilen, soweit eine unmittelbare Zuordnung nicht möglich ist. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten die Sätze 1 bis 4 mit der Maßgabe entsprechend, dass an die Stelle der nachträglichen Herstellungskosten die Anschaffungskosten treten, die auf nachträgliche Herstellungsarbeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 entfallen;
2.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, soweit sie 2.045 Euro je Quadratmeter Wohnfläche des Gebäudes übersteigen.
§ 2 Abs. 5 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. In die Bemessungsgrundlage können die im Kalenderjahr geleisteten Anzahlungen auf Erhaltungsaufwendungen einbezogen werden. Als Beginn der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten gilt bei Baumaßnahmen, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird; bei baugenehmigungsfreien Bauvorhaben, für die Bauunterlagen einzureichen sind, der Zeitpunkt, in dem die Bauunterlagen eingereicht werden.

(4) Die Investitionszulage beträgt

1.
15 vom Hundert für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 entfällt, und
2.
10 vom Hundert für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 entfällt.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

(1) Kerngebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur.

(2) Zulässig sind

1.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
2.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes und Vergnügungsstätten,
3.
sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe,
4.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
5.
Tankstellen im Zusammenhang mit Parkhäusern und Großgaragen,
6.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter,
7.
sonstige Wohnungen nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Tankstellen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 5 fallen,
2.
Wohnungen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 6 und 7 fallen.

(4) Für Teile eines Kerngebiets kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass

1.
oberhalb eines im Bebauungsplan bestimmten Geschosses nur Wohnungen zulässig sind oder
2.
in Gebäuden ein im Bebauungsplan bestimmter Anteil der zulässigen Geschossfläche oder eine bestimmte Größe der Geschossfläche für Wohnungen zu verwenden ist.
Dies gilt auch, wenn durch solche Festsetzungen dieser Teil des Kerngebiets nicht vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 30. Juni 2015, soweit es den Angeklagten         B.       betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der (banden- und gewerbsmäßigen) Untreue in 16 Fällen freigesprochen. Dagegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2

1. Dem Angeklagten liegt zur Last, als stellvertretender Filialleiter einer Commerzbank Niederlassung in Gr.         im kollusiven Zusammenwirken mit den ebenfalls angeklagten Kreditvermittlern Ma.          und M.     in 16 Fällen Kredite in einer Größenordnung von bis zu 50.000 Euro auf Grund gefälschter Bonitätsunterlagen ausgereicht zu haben. Diese Kredite sind - was der Angeklagte zumindest für möglich gehalten habe - zum überwiegenden Teil alsbald notleidend geworden.

3

2. Das Landgericht hat sich von der Täterschaft des Angeklagten nicht überzeugen können. Es hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt:

4

Der Angeklagte war seit 1999 bei der Commerzbank AG angestellt und seit dem 1. Mai 2001 als stellvertretender Filialleiter in deren Niederlassung in Gr.         tätig. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte der Abschluss von Konsumenten- bzw. Ratenkreditverträgen mit Privatkunden. Betriebsintern galt der Angeklagte als "verkaufsstarker Mitarbeiter" der über "starke Zuführerbindungen" verfügte. Bei "Zuführern" handelte es sich um Kreditvermittler bzw. Kreditmakler, die Privatkunden gegen Provisionszahlungen den Abschluss von Kreditverträgen mit der Bank vermittelten. Zu diesen "Zuführern" gehörten u.a. die Mitangeklagten M.       und Ma.        . Bei den von den "Zuführern" vermittelten Kreditinteressenten handelte es sich überwiegend um Ausländer, die über kein oder nur geringes Einkommen verfügten und schon von daher nicht kreditwürdig waren. Um gleichwohl die mit einer Kreditvergabe einhergehenden Provisionen zu vereinnahmen, fälschten die "Zuführer" oder von ihnen beauftragte Dritte Lohn- und Gehaltsnachweise entsprechend. Auch im Übrigen passten die "Zuführer" die tatsächlichen Umstände den ihnen durch den Angeklagten bekannten bankinternen Prüfungskriterien an, z. B. indem sie Selbständige als Angestellte oder Verheiratete als Ledige erscheinen ließen. Die so manipulierten Antragsunterlagen wurden dem Angeklagten ausgehändigt, der unter Missachtung diverser weiterer bankinterner Prüfungs- und Arbeitsanweisungen die Darlehen vergab, teilweise ohne die Kunden überhaupt jemals persönlich gesehen zu haben.

5

Für den Abschluss der Ratenkreditverträge wurde ein standardisierter Vordruck verwendet. Darin vorgesehene Rubriken waren u.a. Angaben zum jeweiligen Darlehenszweck und Angaben zum monatlichen Einkommen. Ebenso gab es die Rubriken "Angaben zum Beschäftigungsverhältnis" und "Legitimationsprüfung". Diese Rubriken wurden u.a. auf der Grundlage der vorgelegten Einkommensnachweise von dem jeweiligen Kreditsachbearbeiter ausgefüllt. Im Zeitraum zwischen November 2008 und Juni 2009 schloss der Angeklagte als Vertreter der Commerzbankfiliale Gr.           in zumindest 16 Fällen Kreditverträge, denen falsche bzw. gefälschte Bonitätsunterlagen zugrunde lagen. Dazu im Einzelnen:

- Am 26. Mai 2009 schloss der Angeklagte mit dem seit August 2008 in Deutschland aufenthältlichen arbeitslosen irakischen Staatsbürger H.       einen Ratenkreditvertrag über 49.860 Euro. Der Commerzbank lagen dabei falsche Lohn-/Gehaltsabrechnungen vor, ausweislich derer H.       bei dem Unternehmen "G.       Gebäudereinigung" mit einem monatlichen Bruttolohn von 3.975 Euro beschäftigt war. Als Darlehenszweck war "KFZ-Neukauf" angegeben, in den Kreditunterlagen hatte der Angeklagte vermerkt "AG (= Arbeitgeber) tel. geprüft". Den Kreditvertrag hatte H.       in einem Eiscafe in Gr.         auf Vorlage des mitangeklagten "Zuführers" M.       unterzeichnet, unmittelbar bevor er sich in die Bank begab, die ihm überlassenen Unterlagen dort abgab und sich 20.000 Euro in bar aushändigen ließ. Dazu, an wen die restliche Darlehenssumme ausgezahlt wurde und ob Darlehensrückzahlungen erfolgt sind, enthält das Urteil - im Gegensatz zur Anklageschrift - keine Feststellungen (Fall II 2a der Urteilsgründe = Fall 1 der Anklage).

- Am 30. April 2009 schloss der Angeklagte mit der seit März 2008 in Deutschland aufenthältlichen arbeitslosen irakischen Staatsbürgerin Mad.      einen Ratenkreditvertrag über 50.000 Euro ab. Der Commerzbank lagen dabei falsche Lohn-/Gehaltsabrechnungen vor, ausweislich derer Mad.       mit einem monatlichen Bruttoarbeitslohn von 4.160 Euro bei einer "O.           GmbH" in Ha.      beschäftigt war. Als Darlehenszweck war wiederum "KFZ-Neukauf" angegeben, in den Kreditunterlagen war vermerkt "über die Identität des AG wurde sich im Voraus rückversichert/tel. bestätigt". Den Kreditbetrag in Höhe von 50.000 Euro hat die der deutschen Sprache nicht mächtige Mad.      niemals erhalten. Vielmehr erfolgte die Auszahlung auf ein Konto der Firma "G.       Gebäudereinigung", deren wirtschaftlicher Inhaber mit dem irakischen Staatsbürger Ak.      ein ebenfalls mitangeklagter "Zuführer" war, gegen den die Strafkammer aber die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hat (Fall II 2b der Urteilsgründe = Fall 2 der Anklageschrift).

- Am 19. Mai 2009 schloss der Angeklagte mit       A.    einen Ratenkreditvertrag über 49.860 Euro. Der Commerzbank lagen dabei Lohn-/Gehaltsabrechnungen vor, ausweislich derer A.    bei dem Unternehmen "G.      Gebäudereinigung" mit einem monatlichen Bruttoarbeitslohn von 3.989,68 Euro beschäftigt war. Als Darlehenszweck war "KFZ-Neukauf" angegeben, in den Kreditunterlagen hatte der Angeklagte vermerkt "tel. Rückspr. mit AG i.O.". Dazu, ob       A.   tatsächlich bei der Fa. "G.     Gebäudereinigung" angestellt war, wann und an wen die Darlehenssumme ausgezahlt wurde und ob Darlehensrückzahlungen erfolgt sind, enthält das Urteil - im Gegensatz zur Anklageschrift - keine Feststellungen (Fall II 2c der Urteilsgründe = Fall 3 der Anklageschrift).

- Am 4. Juni 2009 schloss der Angeklagte mit        K.     einen Ratenkreditvertrag über 49.980 Euro. Der Commerzbank lagen dabei Lohn-/Gehaltsabrechnungen vor, ausweislich derer K.     bei dem Unternehmen "       P.     " in Ha.       mit einem monatlichen Bruttoarbeitslohn von 3.890 Euro beschäftigt war. Dazu, ob K.         tatsächlich bei der Firma "      P.      " angestellt war, wann und an wen die Darlehenssumme ausgezahlt wurde und ob Darlehensrückzahlungen erfolgt sind, enthält das Urteil - im Gegensatz zur Anklageschrift - keine Feststellungen (Fall II 2d der Urteilsgründe = Fall 4 der Anklageschrift).

- Die weiteren 12 angeklagten Fälle folgen einem ähnlichen Schema.

6

3. Das Landgericht hatte zunächst die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht Rostock das Hauptverfahren gegen den Angeklagten B.      eröffnet. Nach durchgeführter Hauptverhandlung hat die Strafkammer nunmehr den Angeklagten B.       aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Ihm sei die fehlende Kreditwürdigkeit der Kreditnehmer weder positiv bekannt gewesen, noch habe er mit einer solchen auch nur gerechnet und diese billigend in Kauf genommen.

7

Der Angeklagte hat sich bis auf Angaben zur Vergabe eines Privatkredits an den mitangeklagten "Zuführer" M.      nicht zur Sache eingelassen. Der Zeuge Pö.      , Direktor der Commerzbankfiliale in Gr.      , habe - so das Landgericht - bestätigt, dass es sich bei Konsumentenkrediten um ein "schlankes schnelles Massengeschäft" gehandelt habe, bei dem die jeweiligen Sachbearbeiter grundsätzlich auf die Richtigkeit der ihnen vorgelegten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen vertraut hätten. Bei guten Zielerreichungen habe es jährlich Sonderausschüttungen gegeben, ein guter Mitarbeiter habe dabei schon 7.000 Euro erzielen können.

8

Um eines solch geringen finanziellen Vorteils willen - so die Strafkammer - hätte der Angeklagte niemals seine angesehene Stellung in der Bank aufs Spiel gesetzt. Zwar habe der Angeklagte regelmäßig gegen bankinterne Weisungen verstoßen, indem er das Regionalprinzip (= Kreditvergabe nur an Kunden aus dem Einzugsbereich der Filiale Gr.        ) ignoriert und verbotswidrig "Zuführergeschäfte" getätigt habe. Dabei habe es sich jedoch nur um Verstöße gegen formale Prinzipien gehandelt, die nichts über die mit dem Vertragsschluss verbundenen Risiken besagen und kein Indiz für einen bedingten Vorsatz darstellen würden. Auch aus den Mängeln und Ungereimtheiten der vorgelegten Lohn-/und Gehaltsbescheinigungen könne nicht auf einen zumindest bedingten Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich der Fälschung dieser Unterlagen geschlossen werden. Es habe sich nicht um plumpe, sogleich als solche erkennbare Fälschungen gehandelt. Vermeintlich offensichtliche Ungereimtheiten, wie z.B. ein für die angegebene Tätigkeit zu hoher Lohn, ließen sich nur anhand von Kenntnissen über die genaue Tätigkeit des Beschäftigten und das in diesem Bereich übliche Lohnniveau erkennen. Es sei nicht Aufgabe des Angeklagten gewesen, im Rahmen der Vergabe von Ratenkrediten Einkommensnachweise so zu prüfen, wie Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft dies bei strafrechtlichen Ermittlungen zu tun pflegen. Im Übrigen habe der Angeklagte die einzelnen Gehaltsbescheinigungen durchaus kritisch geprüft, wie seine diversen Vermerke "AG tel. geprüft", "über die Identität des AG wurde sich im Voraus rückversichert/tel. bestätigt", "tel. Rückspr. mit AG i.O." und "Arbeitgeber hinterfragt" belegten. Dabei sei es ohne Weiteres plausibel, dass der Angeklagte von den jeweiligen Arbeitgebern, hinter denen z.B. bei der "G.       Gebäudereinigung" der "Zuführer" Ak.       gesteckt habe, bewusst hinters Licht geführt worden sei.

II.

9

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

10

1. Das angefochtene Urteil genügt bereits aus formalen Gründen nicht den an ein freisprechendes Erkenntnis zu stellenden Anforderungen. Kann sich ein Gericht nicht von der Täterschaft eines Angeklagten überzeugen, ist zunächst der Anklagevorwurf aufzuzeigen (BGHSt 37, 22). Sodann muss in einer geschlossenen Darstellung dargelegt werden, welchen Sachverhalt das Gericht als festgestellt erachtet. Erst danach ist zu erörtern, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können (BGH NJW 2013, 1106). Dies hat nach der Aufgabe, welche die Urteilsgründe erfüllen sollen, so vollständig und genau zu geschehen, dass das Revisionsgericht in der Lage ist nachzuprüfen, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (vgl. Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 29. Aufl., Rn. 621 ff.).

11

Bereits daran fehlt es hier.

12

Die Strafkammer leitet die Urteilsgründe mit den von ihr getroffenen Feststellungen ein (UA 4-29), die in entscheidenden Punkten hinter dem erst später ausführlich mitgeteilten Anklagevorwurf (UA 29-50) zurückbleiben. So weisen die Feststellungen zu den einzelnen Vertragsabschlüssen gravierende Lücken auf:

- In den Fällen II 2 a, c, d, m, n und p der Urteilsgründe fehlen - anders als in der Anklageschrift - Feststellungen dazu, ob überhaupt und gegebenenfalls an wen in welcher Höhe die Kreditbeträge ausgezahlt worden sind.

- In den Fällen II 2 c, d, m, n und p der Urteilsgründe fehlen Feststellungen, ob und inwiefern die vorgelegten Einkommensnachweise echt oder gefälscht waren.

- In den Fällen II 2 a, c, d, e, f, h, i, k, l, m, n und o der Urteilsgründe fehlen Feststellungen, ob und in welchem Umfang die Kreditnehmer Darlehensrückzahlungen geleistet haben.

- Nach der Anklageschrift wiesen in den Fällen II 2 a, b, c, d, e, i und k der Urteilsgründe die vorgelegten Lohnbescheinigungen die Kreditnehmer - trotz eines bescheinigten Bruttoeinkommens von jeweils um die 4.000 Euro - als "Geringverdiener" aus, worauf das Urteil nicht eingeht.

13

Aufgrund der Lückenhaftigkeit der vom Landgericht getroffenen Feststellungen unterliegt das angefochtene Urteil bereits deshalb der Aufhebung.

14

2. Darüber hinaus ist auch die Beweiswürdigung durchgreifend rechtsfehlerhaft.

15

a) Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht überwinden kann, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters, dem allein es obliegt, sich unter dem Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht kann demgegenüber nur prüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. August 2015 - 3 StR 226/15, juris Rn. 5). Lückenhaft ist die Würdigung der Beweise insbesondere dann, wenn das Urteil nicht erkennen lässt, dass der Tatrichter alle Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, in seine Überlegungen einbezogen und dabei nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 2015 - 3 StR 635/14, juris Rn. 3).

16

b) Nach diesen Maßstäben hält die Beweiswürdigung des Landgerichts revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Insbesondere fehlt es an einer umfassenden Gesamtabwägung aller gegen eine Gutgläubigkeit des Angeklagten sprechende Beweisanzeichen.

17

aa) So hat die Strafkammer nicht bedacht, dass die Auszahlung der Darlehenssumme in Höhe von 50.000 Euro im Fall II 2b der Urteilsgründe nach den Feststellungen überhaupt nicht an die angeblich bei der "O.                 GmbH" in Ha.            beschäftigte Kreditnehmerin, sondern auf ein Konto der "G.       Gebäudereinigung" erfolgt war, deren wirtschaftlicher Inhaber der vormals Mitangeklagte Ak.      war. Nach der Anklageschrift erfolgte auch in den Fällen II 2 a und c der Urteilsgründe die Auszahlung des überwiegenden Teils der Kreditsumme nicht an die Kreditnehmer, sondern auf ein Kontokorrentkonto der       Reinigungsservice Ltd (UA 31) bzw. der "G.     " (UA 33). Mit dieser Merkwürdigkeit setzt sich die Strafkammer - nicht zuletzt aufgrund der Lückenhaftigkeit ihrer Feststellungen - nicht auseinander.

18

bb) Ebenso wenig nachvollziehbar ist die Bewertung, der Angeklagte habe die Fälschungen der Gehaltsnachweise nicht erkannt. Dass die teils erst kurze Zeit in Deutschland aufenthältlichen und der deutschen Sprache kaum mächtigen, angeblich in verschiedenen Niedriglohnsektoren (Reinigungsgewerbe, Zeitarbeitsfirma, Gastronomie) beschäftigten Kreditnehmer durchweg um die 4.000 Euro monatlich verdienten, hätte einer eingehenden Erörterung bedurft. Hinzu kommt, dass die Kreditnehmer ausweislich der Anklageschrift - womit sich das Urteil nicht auseinandersetzt - in den Lohnbescheinigungen ausdrücklich als "Geringverdiener" bezeichnet wurden (Fälle II 2 a, b, c, d, e, i, k der Urteilsgründe, UA 31, 32, 33, 34, 35, 40, 42).

19

Soweit die Strafkammer ausführt, die Vermerke des Angeklagten, wonach er die Arbeitgeber und die Beschäftigungsverhältnisse überprüft habe (Fälle II 2 a-d, k der Urteilsgründe), sprächen für seine Gutgläubigkeit, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Vermutung des Landgerichts, der Angeklagte B.      sei selbst bei seinen Nachforschungen bei der "G.      Gebäudereinigung" von dem in die Manipulationen eingeweihten Ak.      und dessen Mitarbeitern entsprechend getäuscht worden, bietet z.B. keine Erklärung im Fall II 2b der Urteilsgründe. Dazu hat der Angeklagte in den Kreditunterlagen vermerkt: "Über die Identität des AG wurde sich im Voraus rückversichert/tel. bestätigt". Naheliegend kann dieser Vermerk jedoch nur wider besseres Wissen erfolgt sein, weil die Kreditnehmerin tatsächlich nicht bei dem angegebenen Arbeitgeber "O.              GmbH" in Ha.       arbeitete (UA 12) und ein solches Unternehmen nach dem in den Urteilsgründen wiedergegebenen Inhalt der Anklageschrift überhaupt nicht existierte (UA 32).

20

Darüber hinaus sind die Ausführungen des Landgerichts, was eine mögliche Erkennbarkeit der Fälschungen anbelangt, in sich widersprüchlich. Bezogen auf vorsätzliches Handeln des Mitangeklagten M.     heißt es auf UA 71:

21

"Gegen die Annahme, M.      könnte von dem Kreditnehmer getäuscht worden sein, d. h. im Hinblick auf die Authentizität der letztlich bei der Com-merzbank vorgelegten Lohn-/Gehaltsabrechnungen gutgläubig gewesen sein, sprechen zudem die Ähnlichkeiten im äußeren Erscheinungsbild der gefälschten Bescheinigungen. Dass die aus unterschiedlichen Ländern stammenden und an verschiedenen Orten in Deutschland lebenden Kreditnehmer nur zufällig ähnlich aussehende Lohn-/und Gehaltsabrechnungen ge- bzw. verfälscht haben könnten, schließt die Kammer aus."

22

Warum diese Ähnlichkeiten im äußeren Erscheinungsbild nicht auch dem Angeklagten B.      aufgefallen sein müssen, erläutert die Strafkammer nicht.

23

cc) Schließlich greift auch die Argumentation der Strafkammer zu kurz, das bewusste Zuwiderhandeln gegen bankinterne Anweisungen bei der Kreditvergabe lasse, weil es sich nur um rein formelle Vorgaben handele, nicht auf ein bedingt vorsätzliches Handeln schließen.

24

Das von der Commerzbank im Oktober 2008 verfügte Verbot von Zuführergeschäften verbunden mit einer "Zuführerwarndatei" und die Beschränkung auf regionale Kreditnehmer basierte - für den Angeklagten als stellvertretender Filialleiter ohne Weiteres erkennbar - auf schlechten Erfahrungen mit der bisherigen Geschäftspraxis und verfolgte eine Reduzierung des Ausfallrisikos bei der Kreditvergabe. Indem sich der Angeklagte über diese Vorgaben und Prinzipien hinweggesetzt hat, hat er nicht nur reine Formalien außer Acht gelassen, sondern er ist bewusst ein höheres Kreditrisiko eingegangen, als dies von seinem Arbeitgeber vorgegeben war.

Fischer                                Appl                           Krehl

                 Eschelbach                           Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 405/12
vom
5. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Anstiftung zum Mord u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
5. Februar 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Dr. Graf,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 13. März 2012 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen tateinheitlich begangener Waffendelikte in Tatmehrheit mit Brandstiftung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Traunstein vom 22. März 2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die im genannten Urteil ausgesprochenen Rechtsfolgen aufrechterhalten. Von dem Vorwurf der versuchten Anstiftung zum Mord hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft die Aufhebung des Freispruchs. Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

I.

2
1. Dem Angeklagten ist mit der Anklage vorgeworfen worden, aus der Untersuchungshaft heraus einen Auftrag zur Ermordung des D. erteilt zu haben. Hintergrund soll gewesen sein, dass der Angeklagte den in einem umfangreichen Betrugsverfahren Mitbeschuldigten D. töten lassen wollte, um ihn daran zu hindern, auszusagen. Er habe beabsichtigt, diese Tat für 10.000 € von dem ihm als Scharfschützenbekannten K. ausführen zu lassen. Rechtsanwalt B. , dem damaligen Verteidiger des Angeklagten soll am 20. April 2010 mitgeteilt worden sein, dass D. aus der Haft entlassen worden sei. Daraufhin habe Rechtsanwalt B. den Angeklagten am 20. oder 21. April 2010 in der Untersuchungshaft besucht. Hierbei soll der Plan des Angeklagten zur Tötung des D. besprochen worden sein. Rechtsanwalt B. soll sich bereit erklärt haben, den Auftrag zur Ermordung des D. weiterzuleiten und am 21. April 2010 einen Aktenvermerk gefertigt haben, indem er festhielt: „K. soll für 10.000 den D. verramma, er erledigt die Geschichte“. Entsprechend dem Tatplan des Angeklagten soll Rechtsanwalt B. den Vermerk sodann an die Ehefrau des Angeklagten weitergeleitet haben. Diese soll den Tötungsauftrag jedoch nicht wie geplant weitergegeben haben, da ihr der Plan zu weit gegangen sei.
3
2. Das Landgericht hat zur Begründung des Freispruchs ausgeführt, es habe nicht feststellen können, dass die Planung und Vorstellung des Angeklagten von der Tat schon so weit gediehen war, wie es zur Strafbarkeit gemäß § 30 StGB erforderlich sei. Zwar bedeute „verramma“ im bayrischen Sprachgebrauch jemanden zu töten, es sei aber völlig offen, ob der als Täter vom Angeklagten in Aussicht genommene K. zu dieser Tat überhaupt bereit gewesen wäre, auch die näheren Umstände der Tatausführung seien ungeklärt gewesen.

II.

4
Das Urteil hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
5
1. Die angefochtene Entscheidung unterliegt schon deswegen der Aufhebung , weil sie nicht den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil genügt. Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die der Tatrichter für erwiesen hält (BGH, Urteil vom 4. Juli 1991 - 4 StR 233/91, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 7; BGH, Urteil vom 27. Juli 2000 - 4 StR 185/00). Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können. Nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (BGH, Urteil vom 26. September 1989 - 1 StR 299/89, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2; BGH, Urteil vom 17. Mai 1990 - 4 StR 208/90, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Denn es wird schon nicht zusammenhängend mitgeteilt, welche Feststellungen getroffen werden konnten. Heißt es zunächst noch, bekannt sei nur der Aktenvermerk von Rechtsanwalt B. , über Gespräche stehe nichts fest, finden sich bei den würdigenden Ausführungen doch noch ansatzweise weitere Feststellungen. So wird in der Beweiswürdigung zugrunde gelegt, dass die Weiterleitung des Aktenvermerks an die Ehefrau des Angeklagten auf dessen Aufforderung gegenüber Rechtsanwalt B. zurückgeht. An späterer Stelle ist sogar ausgeführt , dass der Aktenvermerk auf Anweisung des Angeklagten von Rechtsanwalt B. geschrieben wurde. Dies steht jedoch in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zu der vorangestellten Erkenntnis, über eventuelle Gespräche stehe nichts fest. Damit bleibt für das Revisionsgericht offen, von welchen Kontakten zwischen dem Angeklagten und Rechtsanwalt B. hin- sichtlich des geplanten „verramma“ das Landgericht letztlich für seine Würdi- gung ausgegangen ist. Die Beurteilung, ob der Versuch der Anstiftung bereits konkretisiert genug war, hängt aber maßgeblich hiervon ab. Einer Überprüfung der tatrichterlichen Wertung ist schon damit der Boden entzogen. Hier tritt noch hinzu, dass die Angaben des gesondert Verfolgten B. , auf die sich die Feststellungen zu dem Herrühren des Vermerksinhalts offensichtlich gründen, nicht mitgeteilt werden.
6
2. Auch im Übrigen erweist sich die Beweiswürdigung als rechtsfehlerhaft. Denn die Auseinandersetzung mit den festgestellten objektiven Umständen bleibt lückenhaft. So werden im Rahmen der Beweiswürdigung zwei weitere , seinem Besuch in der Untersuchungshaft nachfolgende Schreiben des Rechtsanwalts B. erwähnt, in denen er dem Angeklagten mitteilt, an den K. sei noch nicht herangetreten worden, dies sei im Moment auch nicht erforderlich und dass dem D. „etwas mehr als nur die Fresse poliert wer- de bei passender Gelegenheit“. Inwieweit diese Schreiben Rückschlüsse auf frühere Gespräche betreffend den D. erlauben, bleibt unerörtert.
7
3. Zudem begegnen die Ausführungen der Strafkammer zur Frage der hinreichenden Konkretisierung der in Aussicht genommenen Tat durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ausgehend von der zutreffenden Annahme, dass die Bestimmungshandlung und der Vorsatz sich auf eine hinreichend konkretisierte Tat richten müsse, wird dies maßgeblich deswegen verneint, da „völlig offen“sei, ob der Anzustiftende K. „überhaupt bereit gewesen wäre“, die Tat auszuführen. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Der Tatbestand der versuch- ten Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB knüpft allein an die abstrakte Gefährlichkeit des Tatverhaltens an, die darin liegt, dass derjenige, der einen anderen zur Begehung eines Verbrechens auffordert, Kräfte in Richtung auf das angegriffene Rechtsgut in Bewegung setzt, über die er nicht mehr die volle Herrschaft behält (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 1951 - 1 StR 3/51, BGHSt 1, 305, 309 zu § 49a StGB aF; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1997 - 2 StR 239/97, BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Bestimmen 3). Deswegen genügt es bereits, dass der Täter es für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, dass der Aufgeforderte die Aufforderung ernst nehmen und durch sie zur Tat bestimmt werden könnte (BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 - 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99; BGH, Urteil vom 27. Juli 2000 - 4 StR 185/00). Dass der Angeklagte davon ausgegangen sein müsste, dass K. zur Tötung eines Menschen für 10.000 € „ohne weiteres bedingungslos bereit gewesen wäre“- wie es die Strafkammer im Anschluss an die Erwägungen zur mangelnden tatsächlichen Bereitschaft des K. noch prüft und verneint - ist hierfür nicht erforderlich.

III.

8
Da die wenigen getroffenen Feststellungen keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte von dem Versuch der Anstiftung rechtswirksam zurückgetreten ist, war der Freispruch aufzuheben. Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Nack Rothfuß Graf Cirener Radtke

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 163/16
vom
16. August 2016
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––-
Den Vertragsarzt einer Krankenkasse trifft dieser gegenüber eine Vermögensbetreuungspflicht
im Sinn des § 266 Abs. 1 StGB, die ihm zumindest gebietet,
Heilmittel nicht ohne jegliche medizinische Indikation in der Kenntnis zu verordnen
, dass die verordneten Leistungen nicht erbracht, aber gegenüber den
Krankenkassen abgerechnet werden sollen.
BGH, Beschluss vom 16. August 2016 – 4 StR 163/16 – LG Halle
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:160816B4STR163.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. August 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 9. November 2015 dahin abgeändert, dass die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zum Betrug in 217 Fällen entfällt. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 479 Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug in 217 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen das Urteil, dem eine Verständigung gemäß § 257c StPO zugrunde liegt, richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat nur hinsichtlich der Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zum Betrug in 217 Fällen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Der Angeklagte ist Arzt. Er betreibt in Sa. als Chirurg und Durchgangsarzt eine eigene Praxis und ist als sog. „Kassenarzt“ zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Seit 1999 arbeitet er als „Kooperationsarzt“ mit S. und J. T. zusammen, die ebenfalls in Sa. sowie in L. und in Q. „V. Gesundheitszentren“ führen, in denen sie unter anderem Physiotherapie und Krankengymnastik anbieten. Sie sind zur Abgabe physiotherapeutischer Leistungen von den Krankenkassen zugelassen.
4
In den Jahren 2005 bis 2008 erstellte der Angeklagte in insgesamt 479 Fällen Heilmittelverordnungen für physiotherapeutische Leistungen, insbesondere manuelle Therapie, Wärmepackungen, Unterwasserdruckstrahlmassagen sowie gerätegestützte Krankengymnastik. Diese Heilmittelverordnungen erstellte der Angeklagte für „Patienten“ ohne Untersuchung oder anderweitige Konsultation; eine medizinische Indikation bestand für sie nicht. Vielmehr wurden dem Angeklagten von den Eheleuten T. aufgrund eines gemeinsamen Tatplans Krankenversicherungskarten von Angestellten der „V. Ge- sundheitszentren“ und – unter anderem – den Spielern eines Fußballvereins überlassen, die der Angeklagte als Mannschaftsarzt sowie die Eheleute T. – unentgeltlich – physiotherapeutisch betreuten. Die Heilmittelverordnungen leitete der Angeklagte sodann den Eheleuten T. zu. Diese ließen sich die Erbringung der vom Angeklagten verordneten Leistungen von den „Patienten“ bestätigen, obwohl sie – was der Angeklagte ebenfalls wusste und billigte – in keinem der Fälle erbracht worden waren. Anschließend wurden sie – was ebenfalls Teil des gemeinsamen Tatplanes war – von den Eheleuten T. (kassen - und monatsweise zusammengefasst durch insgesamt 217 Handlungen) bei verschieden Krankenkassen eingereicht und von diesen in der Annahme, die verordneten Leistungen seien erbracht worden, in Höhe von insgesamt 51.245,73 € bezahlt.
5
Von den Zahlungen erhielt der Angeklagte keinen Anteil. Ihm ging es darum, die einträglicheStellung als Kooperationsarzt der „V. Gesundheits- zentren“ zu erhalten und das unberechtigte Gewinnstreben der Eheleute T. zu ermöglichen und zu unterstützen, die sich durch ihr Vorgehen eine Einnahmequelle von einigem Umfang und nicht nur geringer Dauer erschließen sowie – zu einem Teil – ihre für die Vereine kostenlose Betreuung „refinanzie- ren“ wollten.

II.


6
Das Rechtsmittel des Angeklagten hat nur Erfolg, soweit er wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zum Betrug in 217 Fällen verurteilt worden ist.
7
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue in 479 Fällen begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
8
a) Dem Angeklagten oblag gegenüber den geschädigten Krankenkassen eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinn des § 266 Abs. 1 StGB.
9
aa) Untreue setzt sowohl in der Alternative des Missbrauchs- als auch der des Treubruchtatbestandes voraus, dass dem Täter eine sog. Vermögensbetreuungspflicht obliegt. Diese erfordert, dass der Täter in einer Beziehung zum (potentiell) Geschädigten steht, die eine besondere Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Den Täter muss eine inhaltlich herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen, die über für jedermann geltende Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten und insbesondere über die allgemeine Pflicht, auf die Vermögensinteressen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen, ebenso hinausgeht wie über einen bloßen Bezug zu fremden Vermögensinteressen oder eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf materielle Güter anderer (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 2012 – 2 StR 446/11, NStZ 2013, 40 f., juris Rn. 4; vom 5. März 2013 – 3 StR 438/12, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52, juris Rn. 9; vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585, 2590 f., juris Rn. 52; Urteile vom 11. Dezember 2014 – 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94, 104 f., juris Rn. 26; vom 28. Juli 2011 – 4 StR 156/11, NStZ-RR 2011, 374, 375, juris Rn. 9).
10
Eine Strafbarkeit wegen Untreue setzt daher voraus, dass dem Täter die Vermögensbetreuung als Hauptpflicht, also als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung obliegt (BGH, Beschlüsse vom 5. März 2013 – 3 StR 438/12, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52, juris Rn. 9; Urteil vom 11. Dezember 2014 – 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94, 104 f., juris Rn. 26; Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585, 2590 f., juris Rn. 52; weitere Nachweise bei SSW-StGB/Saliger, 2. Aufl., § 266 Rn. 10) und die ihm übertragene Tätigkeit nicht durch ins Einzelne gehende Weisungen vorgezeichnet ist, sondern ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird.
Hierbei ist nicht nur auf die Weite des dem Täter eingeräumten Spielraums abzustellen , sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf seine tatsächlichen Möglichkeiten, ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 2012 – 2 StR 446/11, NStZ 2013, 40 f., juris Rn. 4; vom 5. März 2013 – 3 StR 438/12, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52, juris Rn. 9; vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585, 2590 f., juris Rn. 52; Urteile vom 11. Dezember 2014 – 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94, 104 f., juris Rn. 26; vom 28. Juli 2011 – 4 StR 156/11, NStZ-RR 2011, 374, 375, juris Rn. 9; weitere Nachweise bei SSW-StGB/Saliger aaO).
11
bb) Dies zugrunde gelegt, oblag dem Angeklagten eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinn des § 266 Abs. 1 StGB gegenüber den geschädigten Krankenkassen, die ihm zumindest geboten hat, Heilmittel nicht ohne jegliche medizinische Indikation in der Kenntnis zu verordnen, dass die verordneten Leistungen nicht erbracht, aber gegenüber den Krankenkassen abgerechnet werden sollen.
12
(1) Die Krankenkasse erfüllt mit der Versorgung Versicherter mit vertragsärztlich verordneten Heilmitteln ihre im Verhältnis zum Versicherten bestehende Pflicht zur Krankenbehandlung (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 32 SGB V; BSG, Urteile vom 13. September 2011 – B 1 KR 23/10 R, BSGE 109, 116, 117, juris Rn. 11; vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 13/08 R, BSGE 105, 157, 162, juris Rn. 17). Auf diese Versorgung haben Versicherte einen Anspruch , wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Grundvoraussetzung dieses sog. „Anspruchs auf Krankenbehandlung“ ist das Vorliegen einer „Krankheit“ (für diagnostische Maßnahmen: eines Krankheits- verdachts). Es muss also objektiv eine „regelwidrige Beeinträchtigung der – geistigen, seelischen oder körperlichen – Gesundheit" (§ 1 Satz 1 SGB V) vorliegen (zum Ganzen: BSG, Urteil vom 16. Dezember 1993 – 4 RK 5/92, BSGE 73, 271, 279, juris Rn. 36). Verordnete Heilmittel müssen zudem – wie alle anderen Leistungen auch – ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen , dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25, 28, juris Rn. 11; BSG, Urteil vom 13. September 2011 – B 1 KR 23/10 R, BSGE 109, 116, 119, juris Rn. 15). Dabei ergibt sich das Wirtschaftlichkeitsgebot insbesondere aus § 12 Abs. 1 und § 70 Abs. 1 SGB V sowie aus § 2 Abs. 4 SGB V, der den Adressatenkreis des Wirtschaftlichkeitsgebots , das sich nach dem Inhalt des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V unmittelbar nur an die Krankenkasse richtet, auf alle Leistungserbringer und Versicherte erweitert (vgl. BSG, Urteil vom 13. September 2011 – B 1 KR 23/10 R, BSGE 109, 116, 119, juris Rn. 15 mwN; vgl. dazu auch Bülte, NZWiSt 2013, 346, 350).
13
(2) Die Verordnung des Vertragsarztes konkretisiert die gesetzlichen Leistungsansprüche der Versicherten auf Sachleistungen (§ 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB V; BGH, Großer Senat, Beschluss vom 29. März 2012 – GSSt 2/11,BGHSt 57, 202, 209, juris Rn. 21). Für ein Heilmittel ist die ordnungsgemäße vertragsärztliche Verordnung Grundvoraussetzung; als Hilfeleistung einer nichtärztlichen Person darf die Leistung nur erbracht werden, wenn sie ärztlich angeordnet und verantwortet ist (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Der Vertragsarzt erklärt mit der Heilmittelverordnung in eigener Verantwortung gegenüber dem Versicherten, dem nichtärztlichen Leistungserbringer und der Krankenkasse, dass alle Anspruchsvoraussetzungen des durch die Krankenversicherungskarte als berechtigt ausgewiesenen Versicherten auf das verordnete Heilmittel nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse aufgrund eigener Überprüfung und Feststellung erfüllt sind: Das verordnete Heilmittel ist danach nach Art und Umfang geeignet, ausreichend, notwendig und wirtschaftlich, um die festgestellte Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder die festgestellten Krankheitsbeschwerden zu lindern (zum Ganzen: BSG, Urteil vom 13. September 2011 – B 1 KR 23/10 R, BSGE 109, 116, 118, juris Rn. 13).
14
(3) Auf dieser Grundlage eröffnet sich dem Vertragsarzt bei der Verordnung von Heilmitteln nicht nur eine rein tatsächliche Möglichkeit, auf fremdes Vermögen, nämlich das der Krankenkassen, einzuwirken, auch begründet das hierbei von ihm zu beachtende Wirtschaftlichkeitsgebot nicht lediglich eine unter - oder nachgeordnete Pflicht zur Rücksichtnahme auf das Vermögen der Krankenkassen. Ihm obliegt daraus vielmehr – jedenfalls in den hier zu entscheidenden Fällen – eine Vermögensbetreuungspflicht als Hauptpflicht im Sinn des § 266 Abs. 1 StGB.
15
(a) Auch wenn zwischen dem Vertragsarzt und den Krankenkassen keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen bestehen, gehen die Befugnisse des Vertragsarztes, auf das Vermögen der Krankenkassen einzuwirken, über eine rein tatsächliche Möglichkeit hierzu weit hinaus (vgl. auch Bülte, NZWiSt 2013, 346, 347, 349).
16
Denn der Vertragsarzt erklärt – wie ausgeführt – mit der Heilmittelverordnung in eigener Verantwortung, dass alle Anspruchsvoraussetzungen für das Heilmittel erfüllt sind: Das verordnete Heilmittel geeignet, ausreichend, notwen- dig und wirtschaftlich, um die festgestellte Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder die festgestellten Krankheitsbeschwerden zu lindern (BSG, Urteil vom 13. September 2011 – B 1 KR 23/10 R, BSGE 109, 116, 118, juris Rn. 13). Die vertragsärztliche Verordnung eines Heil- oder Arzneimittels dokumentiert, dass es als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung auf Kosten der Krankenkasse an den Versicherten abgegeben bzw. erbracht wird (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2010 – B 1 KR 3/10 R, BSGE 106, 303, 305, juris Rn. 13). Seine Rechtsmacht zur Konkretisierung des entsprechenden Anspruchs des gesetzlich Versicherten gegen die Krankenkasse umfasst dabei zwar insbesondere das verbindliche Feststellen der medizinischen Voraussetzungen des Eintritts des Versicherungsfalles mit Wirkung für den Versicherten und die Krankenkasse (BGH, Großer Senat, Beschluss vom 29. März 2012 – GSSt 2/11, BGHSt 57, 202, 215, juris Rn. 37). Da die Verordnung aber auch die an die Krankenkasse gerichtete Feststellung umfasst, das Heilmittel sei notwendig sowie wirtschaftlich und werde zur Erfüllung der Sachleistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auf Kosten der Krankenkasse erbracht, hat er dieser gegenüber eine Stellung inne, die durch eine besondere Verantwortung für deren Vermögen gekennzeichnet ist. Dies wird auch dadurch belegt, dass sich das dem Vertragsarzt bei der Heilmittelverordnung obliegende Wirtschaftlichkeitsgebot vorrangig als Verpflichtung gegenüber der letztlich die Zahlung bewirkenden Krankenkasse verstehen lässt (vgl. auch Leimenstoll, Vermögensbetreuungspflicht des Vertragsarztes?, 2012, Rn. 375). Der Vertragsarzt hat mithin eine hervorgehobene Pflichtenstellung mit einem selbstverantwortlichen Entscheidungsbereich gegenüber der Krankenkasse inne; die wirtschaftliche Bedeutung, die der Verordnung unter anderem von Heilmitteln zukommt, begründet daher eine Vermögensbetreuungspflicht des Vertragsarztes gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen (ebenso Schneider , HRRS 2010, 241, 245 f.; a.A. etwa Ulsenheimer, MedR 2005, 622, 626 f.; Geis, GesR 2006, 345, 352; Leimenstoll, wistra 2013, 121, 127, 128; ders., Vermögensbetreuungspflicht des Vertragsarztes?, 2012, Rn. 362 mwN, 382).
17
(b) Bei dieser Vermögensbetreuungspflicht handelt es sich auch um eine Hauptpflicht in obigem Sinne.
18
(aa) Soweit in der Rechtsprechung gefordert wird, es müsse sich bei der Vermögensbetreuungspflicht um die bzw. eine Hauptpflicht handeln, soll damit nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass es sich bei der Vermögensbetreu- ungspflicht um „die“ (wichtigste oder einzige) Hauptpflicht des Betreffenden handeln muss. Nicht anders als etwa bei dem Finanzminister eines Bundeslandes (BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314 ff.), einem Oberbürgermeister (BGH, Urteil vom 24. Mai 2016 – 4 StR 440/15, wistra 2016, 311 ff.) oder dem Vorsitzenden des Landesverbandes einer Partei (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 – 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94 ff.) soll damit vielmehr lediglich deren über eine unter- oder nachgeordnete Pflicht hinausgehende Bedeutung betont werden, die diese – wie oben dargelegt – zu einer der Hauptpflichten, also einer zumindest mitbestimmenden Verpflichtung , erhebt (BGH, Beschlüsse vom 5. März 2013 – 3 StR 438/12, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52, juris Rn. 9; Urteil vom 11. Dezember 2014 – 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94, 104, juris Rn. 26; Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 320, juris Rn. 52; vgl. auch Bülte, NZWiSt 2013, 346, 349 f.).
19
(bb) Um eine solche Hauptpflicht geht es hier.
20
Dabei ergibt sich die Bedeutung des Wirtschaftlichkeitsgebots schon daraus , dass es – wie oben dargelegt – für alle Leistungserbringer im Gesund- heitswesen gilt. Es begrenzt die Leistungspflicht der Krankenkassen und das Leistungsrecht der Leistungserbringer (BGH, Großer Senat, Beschluss vom 29. März 2012 – GSSt 2/11, BGHSt 57, 202, 216 mwN, juris Rn. 42) und ist Grundlage für das notwendigerweise auch auf Vertrauen gestützte Abrechnungssystem (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 2 StR 109/14, NStZ 2015, 341, 342, juris Rn. 22, für das Abrechnungssystem der Apotheker; ferner Leimenstoll, Vermögensbetreuungspflicht des Vertragsarztes?, 2012, Rn. 320). Der – neben anderen – das Wirtschaftlichkeitsgebot normierende § 12 SGB V wird deshalb zu Recht als „Zentralvorschrift des Rechts der GKV“ bezeichnet (so Noftz in Hauck/Noftz, SGB, Stand 01/00, § 12 SGB V Rn. 6 mwN).
21
Dem Wirtschaftlichkeitsgebot ist mithin „ein hoher Stellenwert“ zuzumes- sen (BGH, Großer Senat, Beschluss vom 29. März 2012 – GSSt 2/11, BGHSt 57, 202, 216 mwN, juris Rn. 42). Es soll – nicht anders als in Fällen der sog. Haushaltsuntreue (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 324, juris Rn. 82; ähnlich: Urteil vom 24. Mai 2016 – 4 StR 440/15, wistra 2016, 311 ff.) – die bestmögliche Nutzung der vorhande- nen Ressourcen sicherstellen (vgl. auch Noftz, aaO, § 12 SGB V Rn. 11). Bei seiner Wahrung geht es um den Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter, nämlich die Sicherung der finanziellen Stabilität und damit der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung (BVerfG, Beschluss vom 28. August 2007 – 1 BvR 1098/07). Dem kommt schon deshalb besondere Bedeutung zu, weil der in einem System der Sozialversicherung Pflichtversicherte typischerweise keinen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe seines Beitrags und auf Art und Ausmaß der ihm im Versicherungsverhältnis geschuldeten Leistungen hat. In einer solchen Konstellation der einseitigen Gestaltung der Rechte und Pflichten der am Versicherungsverhältnis Beteiligten bedarf es des Schutzes der beitragspflichtigen Versicherten vor einer Unverhältnismäßigkeit von Beitrag und Leistung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25, 42, juris Rn. 51), was auch dadurch gewährleistet wird, dass die gesetzliche Krankenversicherung den Versicherten Leistungen nur unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung stellt (BVerfG aaO, juris Rn. 57).
22
Der Bedeutung des Vertragsarztes hierbei Rechnung tragend bezeichnet das Bundesverfassungsgericht den Vertragsarzt als „Sachwalter der Kassen- finanzen insgesamt“ (BVerfG, Beschluss vom 20. März 2001 – 1 BvR 491/96, BVerfGE 103, 172, 191, juris Rn. 60).
23
Dass es sich bei – wie vorliegend – grober Missachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots um eine gravierende Pflichtverletzung des Arztes handelt, belegt auch die Bedeutung, die das Bundesverwaltungsgericht der Abrechnung tatsächlich nicht erbrachter Leistungen durch einen Arzt (Abrechnungsbetrug) beimisst. Nach dessen Rechtsprechung ist nämlich die Frage, ob ein Abrechnungsbetrug Anlass für den Widerruf der Approbation sein kann, ohne Weiteres zu bejahen, da die korrekte Abrechnung der ärztlichen Leistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen selbstverständlich zu den Berufspflichten gehört. Dies gilt insbesondere, wenn die Leistungen von solchen Patienten und Kunden in Anspruch genommen werden, die gesetzlichen Krankenkassen angehören und deshalb nicht direkt mit Ärzten und Apothekern abrechnen, sondern vermittelt über ihre Kassenbeiträge und die Abrechnungen der Kassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2002 – 3 C 37/01, NJW 2003, 913 zum Widerruf der Approbation eines Apothekers).
24
(cc) Der Einordnung der Vermögensbetreuungspflicht als Hauptpflicht steht nicht entgegen, dass die Grundpflicht eines Arztes auf die Wahrung der Interessen des Patienten gerichtet ist (vgl. dazu BGH, Großer Senat, Beschluss vom 29. März 2012 – GSSt 2/11, BGHSt 57, 202, 208 ff., juris Rn. 20, 33, 43; ferner Ulsenheimer, MedR 2005, 622, 626; Corts, MPR 2013, 122, 124; Leimenstoll, Vermögensbetreuungspflicht des Vertragsarztes?, 2012, Rn. 380) und die Pflicht zur Wirtschaftlichkeit den Vertragsarzt „nicht unmittelbar im Verhältnis zu den gesetzlichen Krankenkassen“ treffen soll (so BGH, Großer Senat, Beschluss vom 29. März 2012 – GSSt 2/11, BGHSt 57, 202, 217, juris Rn. 44). Denn die jeden behandelnden Arzt treffende Grundpflicht zur Wahrung der Interessen des Patienten schließt es nicht aus, ihnen – oder wie hier: einem Teil von ihnen – weitere Hauptpflichten aufzuerlegen und Vertragsärzte zur Wahrung der Vermögensinteressen der Krankenkassen im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots zu verpflichten. Ihr Recht, einen freien Beruf auszuüben, wird hierdurch nicht in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt (Noftz, aaO, § 12 SGB V Rn. 13 mwN; vgl. aber auch Geis, wistra 2005, 369, 370; Leimenstoll, wistra 2013, 121, 123 f., 126; ders., Vermögensbetreuungspflicht des Vertragsarztes ?, 2012, Rn. 211, 379). Soweit der Große Senat des Bundesgerichtshofs ausführt, dass die Pflicht zur Wirtschaftlichkeit den Vertragsarzt „nicht unmittelbar im Verhältnis zu den gesetzlichen Krankenkassen“ träfe, stünde dies der Annahme einer Hauptpflicht zur Vermögensbetreuung ebenfalls nicht entgegen. Denn eine Norm- oder Obliegenheitsverletzung kann selbst dann pflichtwidrig im Sinn von § 266 StGB sein, wenn eine unmittelbare vertragliche Beziehung nicht besteht, die verletzte Rechtsnorm oder Obliegenheit aber wenigstens auch, und sei es mittelbar, vermögensschützenden Charakter hat (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juli 2011 – 4 StR 156/11, NStZ-RR 2011, 374, 376, juris Rn. 18 mwN).
25
(dd) Ebenso wenig steht der Bewertung der sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot ergebenden Vermögensbetreuungspflicht eines Vertragsarztes als Hauptpflicht entgegen, dass auch der Heilmittelerbringer den Inhalt der ärztlichen Verordnung prüfen muss (vgl. BSG, Urteil vom 13. September 2011 – B 1 KR 23/10 R, BSGE 109, 116, 119, juris Rn. 15). Denn dies ändert nichts daran, dass zunächst der Vertragsarzt über die Verordnung und auch deren Wirtschaftlichkeit entscheiden muss und ihm auch die Entscheidung über eine Änderung oder Ergänzung des Therapieplans, eine neue Verordnung oder die Beendigung der Behandlung obliegt (BSG, Urteil vom 13. September 2011 – B 1 KR 23/10 R, BSGE 109, 116, 121, juris Rn. 20; vgl. auch Bülte, NZWiSt 2013, 346, 349; Manthey, GesR 2010, 601, 603 f.; Geis, GesR 2006, 345, 352).
26
(ee) Schließlich steht der Annahme einer Hauptpflicht des Vertragsarztes in obigem Sinn auch nicht das Prüfungsrecht der kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen entgegen (ebenso Bülte, NZWiSt 2013, 346, 349; vgl. ferner Manthey, GesR 2010, 601, 603 f.; Geis, GesR 2006, 345, 352; Dann/Scholz, NJW 2016, 2077, 2080; Leimenstoll, wistra 2013, 121, 124, 125).
27
Zwar überwachen die Krankenkassen und kassenärztlichen Vereinigungen die Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Heil- oder Arzneimitteln (§ 106 Abs. 1 und Abs. 4 SGB V; vgl. auch BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 13/08 R, BSGE 105, 157, juris Rn. 23 ff.; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 25. November 2003 – 4 StR 239/03, BGHSt 49, 17, 23, jeweils mwN). Jedoch können die gesetzlichen Krankenkassen nicht in eigener Verantwortung darüber entscheiden, ob die Einrede der Unwirtschaftlichkeit, der Nichterforderlichkeit oder der Unzweckmäßigkeit einer vertragsärztlichen Verordnung berechtigt ist; sie sind insoweit vielmehr auf die in § 106a Abs. 3, 4 SGB V geregelten Befugnisse beschränkt (vgl. BGH, Großer Senat, Beschluss vom 29. März 2012 – GSSt 2/11, BGHSt 57, 202, 217, juris Rn. 44). Jedenfalls vor diesem Hintergrund steht das Prüfungsrecht der Krankenkassen und der kas- senärztlichen Vereinigung der Annahme einer – zeitlich früher relevanten – Hauptpflicht der Vertragsärzte zur Vermögensbetreuung bei der Verordnung von Heilmitteln nicht entgegen.
28
(ff) Eines Eingehens auf die – früher auch vom Bundesgerichtshof vertretene – Ansicht, nach der dem Vertragsarzt eine Vermögensbetreuungspflicht bereits deshalb obliegt, weil er als Vertreter der Krankenkasse handelt, bedarf es vor diesem Hintergrund nicht (vgl. zu dieser Rechtsprechung etwa BGH, Beschlüsse vom 25. November 2003 – 4 StR 239/03, BGHSt 49, 17, 24; vom 27. April 2004 – 1 StR 165/03, NStZ 2004, 568, 569, juris Rn. 20; OLG Hamm, Urteil vom 22. Dezember 2004 – 3 Ss 431/04, NStZ-RR 2006, 13 ff.; ausführlich dazu Leimenstoll, Vermögensbetreuungspflicht des Vertragsarztes?, 2012, Rn. 147 ff.). Daher bedürfen auch die diesbezüglichen Ausführungen in den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2012 (Großer Senat, GSSt 2/11, BGHSt 57, 202, 214, juris Rn. 36) und des Bundessozialgerichts vom 17. Dezember 2009 (B 3 KR 13/08 R, BSGE 105, 157, 161, juris Rn. 15; vgl. ferner BSG, Urteile vom 13. September 2011 – B 1 KR 23/10 R, BSGE 109, 116, 117, juris Rn. 11; vom 28. September 2010 – B 1 KR 3/10 R, BSGE 106, 303) keiner weiteren Erörterung. An der Strafbarkeit des Verhaltens des Angeklagten nach § 266 Abs. 1 StGB würde sich bei Nichtanwendung der Vertreterrechtsprechung – abgesehen davon, dass der Treubruchs- anstelle des Missbrauchstatbestands einschlägig wäre – nichts ändern (BGH, Urteil vom 22. August 2006 – 1 StR 547/05, NStZ 2007, 213, 216, juris Rn. 41).
29
(4) Dass ein Vertragsarzt – und damit auch der Angeklagte – die für eine Vermögensbetreuungspflicht erforderliche Eigenständigkeit bei der Verordnung von Heilmitteln hat, steht für den Senat außer Frage (vgl. dazu auch Bülte, NZWiSt 2013, 346, 351; Leimenstoll, wistra 2013, 121, 127; ders., Vermögensbetreuungspflicht des Vertragsarztes?, 2012, Rn. 359).
30
b) Der Angeklagte hat die ihm aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots obliegende Vermögensbetreuungspflicht auch verletzt.
31
Pflichtwidrig im Sinn des § 266 Abs. 1 StGB sind nur Verstöße gegen vermögensschützende Normen oder Obliegenheiten (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 13. April 2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 211, juris Rn. 25; vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 324, juris Rn. 86). Hierzu gehört auch das Wirtschaftlichkeitsgebot (vgl. zu diesem „Oberbegriff“ und den „Einzelbegriffen“ des § 12SGB V auch Noftz, aaO, § 12 SGB V Rn. 7, 9, 17), denn dieses zielt auf den bestmöglichen Einsatz der finanziellen Ressourcen der Krankenkassen und erfasst daher jedenfalls auch die Verordnung medizinisch nicht indizierter Heilmittel, die – wie hier – abgerechnet, aber nicht erbracht werden sollen (zu eindeutigen Fällen missbräuchlicher Verschreibung von Medikamenten auch Taschke, StV 2005, 406, 408).
32
Die Pflichtverletzung des Angeklagten stellt sich auch als gravierend dar (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Beschlüsse vom 13. April 2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 213, juris Rn. 30; vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321, juris Rn. 60). Denn die Heilmittelverordnungen erfolgten nicht nur ohne medizinische Indikation, sondern auch in der Kenntnis, dass die verordneten Leistungen nicht erbracht, aber gegenüber den Krankenkassen in betrügerischer Weise abgerechnet werden sollen (zur Verordnung nicht notwendiger und daher unwirtschaftlicher Leistungen auch BGH, Beschluss vom 25. November 2003 – 4 StR 239/03, BGHSt 49, 17, 24; zum Abrechnungsbe- trug ferner BGH, Urteile vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 405/13, wistra 2015, 226, 227, juris Rn. 11, und 5 StR 136/14, juris Rn. 28).
33
c) Die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch den Angeklagten hat auch zu Vermögensnachteilen auf Seiten der betroffenen Krankenkassen geführt.
34
aa) Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. September 2010 – 2 StR 600/10, NStZ 2012, 151 f., juris Rn. 8; Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321, juris Rn. 62). Dabei kann ein Nachteil im Sinn von § 266 Abs. 1 StGB als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, das bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Jedoch darf dann die Verlustwahrscheinlichkeit nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt. Voraussetzung ist vielmehr, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321, juris Rn. 62 mwN), etwa weil im Tatzeitpunkt schon aufgrund der Rahmenumstände die sichere Erwartung besteht, dass der Schadensfall auch tatsächlich eintreten wird (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 325, juris Rn. 90; ferner OLG Stuttgart, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 Ss 559/12, NStZ-RR 2013, 174, 175; Corsten/Raddatz, MedR 2013, 538, 539 f.).
35
bb) Das ist hier der Fall.
36
Bereits mit Ausstellen der Heilmittelverordnung begründet der Vertragsarzt – wie ausgeführt – eine „Verpflichtung“ für das Vermögen der Krankenkasse (dazu auch Bülte, NZWiSt 2013, 346, 348), da er befugt ist, durch eine solche Verordnung den Anspruch des Patienten gegen seine Krankenkasse auf die Gewährung von Sachmitteln zu konkretisieren (vgl. obige Nachweise sowie OLG Stuttgart, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 Ss 559/12, NStZ-RR 2013, 174, 175 für den Fall einer Täuschung des Arztes durch den Patienten).
37
Nach Begründung dieser „Verpflichtung“ durch die Heilmittelverordnung des Angeklagten waren bei gewöhnlichem Gang der Dinge nach dem vom Landgericht festgestellten Tatplan des Angeklagten und der Eheleute T. die Inanspruchnahme der Krankenkassen nahezu sicher zu erwarten und deren Zahlungen insbesondere aufgrund der schon zuvor mit der Überlassung der Krankenversicherungskarte gezeigten Mitwirkungsbereitschaft der „Patienten“ nicht von ungewissen oder unbeherrschbaren Geschehensabläufen abhängig (vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 Ss 559/12, NStZ-RR 2013, 174, 175; OLG Hamm, Urteil vom 22. Dezember 2004 – 3 Ss 431/04; ferner BGH, Beschluss vom 13. April 2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 220, juris Rn. 57). Die Heilmittelverordnungen waren mithin nach dem Tatplan trotz der Notwendigkeit des Tätigwerdens des Heilmittelerbringers und der Kontrollmöglichkeiten der Krankenkassen und der kassenärztlichen Vereinigung gleichsam sich selbst vollziehend (vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. April 2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 220, juris Rn. 57; Urteil vom 11. Dezember 2014 – 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94, 115, juris Rn. 49; zu den Kontrollmöglichkeiten auch Dann/Scholz, NJW 2016, 2077, 2080; Leimenstoll, wistra 2013, 121, 124, 125).
38
cc) Auch soweit in der Rechtsprechung gefordert wird, dass über die – hier unzweifelhaft gegebene – reine Kausalität hinaus der Vermögensnachteil unmittelbar auf der Verletzung der vermögensbezogenen Treuepflicht beruhen muss (vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. September 2010 – 2 StR 600/10, NStZ 2012, 151 f., juris Rn. 8; ferner Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 325, juris Rn. 90; hiergegen etwa BGH, Beschluss vom 13. April 2011 – 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 220, juris Rn. 59, jeweils mwN), fehlt es hieran nicht.
39
Denn ein über den Zurechnungszusammenhang hinausgehendes Unmittelbarkeitserfordernis zwischen Pflichtwidrigkeit und Nachteil (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 28. Juli 2011 – 4 StR 156/11, NStZ-RR 2011, 374, 376, juris Rn. 21) ist auch dann gegeben, wenn im Tatzeitpunkt aufgrund der Rahmenumstände sicher zu erwarten ist, dass der Schadensfall auch tatsächlich eintreten wird (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 325, juris Rn. 90; für Schäden, die sich gleichsam von selbst vollstrecken auch SSW-StGB/Saliger, 2. Aufl., § 266 Rn. 75a). Dies ist – wie oben ausgeführt – der Fall.
40
d) Den Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich dieser Tatbestandsmerkmale hat das Landgericht auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen sowie seines umfassenden Geständnisses rechtsfehlerfrei bejaht.
41
e) Es begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht jede einzelne Verordnung als eine Tat bewertet hat (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. April 2004 – 1 StR 165/03, NStZ 2004, 568, 570, juris Rn. 24).
42
2. Soweit die Strafkammer den Angeklagten auch wegen tateinheitlich begangener 217 Fälle der Beihilfe zum Betrug verurteilt hat, hält dies einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
43
Denn insofern handelt es sich um mitbestrafte Nachtaten (BGH, Beschluss vom 27. April 2004 – 1 StR 165/03, NStZ 2004, 568, 570, juris Rn. 23; OLG Hamm, Urteil vom 22. Dezember 2004 – 3 Ss 431/04, NStZ-RR 2006, 13, 14, juris Rn. 36). Eine solche liegt auch dann vor, wenn – wie hier – nach dem Eintritt des Vermögensnachteils, im Fall der einem Schaden gleichkommenden Gefährdungslage schon mit dieser, und damit nach Vollendung der Untreue durch die spätere Entwicklung der Schaden lediglich vertieft wird (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 325, juris Rn. 92; ferner BGH, Beschluss vom 27. April 2004 – 1 StR 165/03, NStZ 2004, 568, 570, juris Rn. 23).
44
3. Der Senat kann jedoch angesichts der maßvollen Ahndung der vom Landgericht festgestellten Taten ausschließen, dass die Strafkammer ohne die Verurteilung auch wegen Beihilfe zum Betrug geringere Einzelstrafen oder eine mildere Gesamtstrafe verhängt hätte, zumal die spätere Entwicklung der Schäden sich auf das Maß der Schuld auswirkt und daher ohnehin bei der Strafzumessung zu berücksichtigen war (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 316, 314, 325, juris Rn. 92). Die tateinheitliche Verwirklichung mehrerer Straftatbestände als solche hat die Strafkammer dem Angeklagten nicht strafschärfend angelastet.
45
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 StPO. Da der Revisionsführer in den Ausführungen zur Sachrüge allein die Verurteilung wegen Untreue angreift, ist anzunehmen, dass er das Rechtsmittel auch eingelegt hätte, wenn er schon von der Strafkammer lediglich wegen Untreue verurteilt worden wäre (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 473 Rn. 26 mwN). Auch der Umfang des Teilerfolgs gebietet eine Kostenteilung nicht, zumal das Landgericht die Strafen dem Strafrahmen des § 266 Abs. 1 StGB entnommen und bei deren Bemessung die tateinheitliche Verurteilung wegen Beihilfe zum Betrug nicht strafschärfend berücksichtigt hat.
Sost-Scheible Roggenbuck RiBGH Cierniak ist urlaubsbedingt abwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Sost-Scheible
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 17/15
vom
26. November 2015
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
__________________________________
AEUV Art. 107 ff.; StGB § 266 Abs. 1; HGB § 54; VV-LHO RP § 39 Ziff. 5 Satz
2
1. Ein Mitglied des Aufsichtsrats einer GmbH trifft die Pflicht im Sinne des Untreuetatbestands
, das Vermögen der Gesellschaft zu betreuen. Es verletzt
diese Pflicht u.a. dann, wenn es mit einem leitenden Angestellten der Gesellschaft
bei einem das Gesellschaftsvermögen schädigenden, die Grenzen
der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit überschreitenden Fehlverhalten
zusammenwirkt.
2. § 39 Ziff. 5 Satz 2 der Vorschriften zum Vollzug der Landeshaushaltsordnung
Rheinland-Pfalz schützt die Vermögensinteressen des Haushaltsgebers.
3. Zu der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht und dem Eintritt eines
Vermögensnachteils bei der Übernahme von Bürgschaftsverpflichtungen für
ein Bundesland durch dessen Finanzminister.
4. Ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorschriften zur Gewährung von
Beihilfen begründet keine Pflichtverletzung im Sinne des UntreuetatbestanECLI
:DE:BGH:2015:261115B3STR17.15.0
des; denn diese Regelungen dienen nicht dem Schutz des Vermögens des
Beihilfegebers, sondern dem des europäischen Binnenmarktes vor Wettbewerbsverzerrungen.
5. Zu den Darlegungsanforderungen bezüglich der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht
, wenn dem Angeklagten eine Handlungsvollmacht für die
Gesellschaft erteilt wurde.
BGH, Beschluss vom 26. November 2015 - 3 StR 17/15 - LG Koblenz
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Untreue u.a.
hier: Revisionen der Angeklagten D. , K. und N.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - mit Ausnahme der Aufhebung des Urteils
in den Fällen IV.2 und 7 der Urteilsgründe auf dessen Antrag - am
26. November 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1, § 357 Satz 1
StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 16. April 2014 aufgehoben
a) soweit es den Angeklagten D. betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen in den Fällen IV.8 und 9
a) bis c) sowie e) bis j) der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Fall IV.8 der Urteilsgründe mit Ausnahme derjenigen zum Vermögensnachteil aufrechterhalten ;
b) soweit es den Angeklagten K. betrifft, aa) im Fall IV.2 der Urteilsgründe und der Angeklagte insoweit freigesprochen; die diesbezüglichen Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse; bb) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen im Fall IV.8 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe ; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Fall IV.8 der Urteilsgründe mit Ausnahme derjenigen zum Vermögensnachteil aufrechterhalten ;
c) soweit es den Angeklagten N. betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen in den Fällen IV.7 und 8 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Fall IV.8 der Urteilsgründe mit Ausnahme derjenigen zur Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht und zum Vermögensnachteil aufrecht erhalten;
d) soweit es die Mitangeklagten M. und W. betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen in den Fällen IV.9 a) bis c) und e) bis j) der Urteilsgründe. Im Umfang der Aufhebung - mit Ausnahme des Teilfreispruchs des Angeklagten K. - wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. unter Freispruch im Übrigen wegen Untreue in vierzehn Fällen und falscher uneidlicher Aussage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen die Angeklagten K. und N. hat die Strafkammer wegen Untreue in sieben ( K. ) bzw. vier (N. ) Fällen Bewährungsstrafen verhängt und sie im Übrigen freigesprochen. Die nicht revidierenden Mitangeklagten M. und W. hat das Landgericht jeweils unter Freispruch im Übrigen wegen Untreue in neun Fällen verwarnt und die Verurteilung von Geldstrafen vorbehalten. Mit ihren Revisionen wenden sich die Beschwerdeführer gegen ihre Verurteilungen und rügen die Verletzung materiellen Rechts; die Angeklagten D. und K. beanstanden zudem das Verfahren. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen waren die revidierenden Angeklagten im Tatzeitraum in unterschiedlicher Funktion bei der Nürburgring GmbH tätig. Der Angeklagte K. war deren Geschäftsführer; der Angeklagte D. war damals Finanzminister des Landes Rheinland -Pfalz und seit dem Jahr 2006 Vorsitzender des satzungsmäßig eingerichteten Aufsichtsrats. Der Angeklagte N. war Leiter der Controlling-Abteilung. Er war direkt dem gesondert verfolgten Finanzdirektor und Prokuristen L. unterstellt sowie selbst Vorgesetzter unter anderem des Zeugen De. . Ihm war "Handlungsvollmacht nach § 54 HGB" erteilt. Nach internen Regelungen durfte er Verpflichtungen - mit entsprechender Befugnis zur Freigabe - bis zu einem Umfang von 20.000 € eingehen, bei Beträgen über 5.000 € allerdings nur ge- meinsam mit einem Direktor wie etwa L. . Zu seinem Aufgabenkreis gehörte es weiter, die inhaltliche und sachliche Richtigkeit von eingehenden Rechnungen zu überprüfen. Die Geschäftsanteile an der Nürburgring GmbH hielten zu 90% das Land Rheinland-Pfalz und zu 10% der Landkreis Ahrweiler. Den Verurteilungen liegen Vorgänge zugrunde, die sich im Rahmen des Ausbauprojektes "Nürburgring 2009" zutrugen:
3
1. Der Nürburgring ist eine traditionsreiche, in einer strukturschwachen Region des Landes Rheinland-Pfalz gelegene Rennstrecke, die von der Nürburgring GmbH verwaltet wird. Bereits seit Jahrzehnten wurde versucht, das Angebot am Nürburgring um andere Freizeitmöglichkeiten neben dem Rennbetrieb zu erweitern. Aus diesen Bestrebungen entstand das Ausbauprojekt "Nürburgring 2009", mit dem der Nürburgring zu einem Freizeit-, Business- und Erlebniszentrum mit ganzjährigen, wetterunabhängigen Angeboten entwickelt werden sollte. Das Ausbauprojekt gliederte sich in zwei Bereiche: Bereich I umfasste die Bauprojekte "ringBoulevard", "Warsteiner-Event Center", "ringWerk" und "ringArena"; das Teilprojekt Bereich II betraf den Ausbau der Hotel- und Gastronomieanlagen. Finanziert werden sollte das Vorhaben durch private Investoren , wobei sich die geschätzten Investitionskosten zunächst auf 135 Mio. € für Bereich I und auf 95 Mio. € für den Bereich II beliefen. Die Suche nach Privatinvestoren gestaltete sich allerdings für beide Teilprojekte schwierig.
4
Mitte des Jahre 2006 stellten die Zeugen B. und Me. ein Finanzierungskonzept für den Bereich I des Ausbauprojektes vor. Dieses hatte im Wesentlichen folgenden Inhalt: Die von den Zeugen gehaltene I. (I. ) S.A. (im Folgenden: I. S.A.) zahlt an die Nürburg- ring GmbH 135 Mio. €. Im Gegenzug wird der I. E. GmbH, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der I. S.A., ein Nießbrauchsrecht an den bebauten Grundstücken und Betriebseinrichtungen eingeräumt, welche sie sodann an die Nürburgring GmbH rückvermietet. Der Mietvertrag läuft über 27 Jahre; die Grundmiete beträgt pro Jahr 5 Mio. €, so dass die Investitionssumme am Ende der Gesamtlaufzeit den Grundmieteinnahmen entspricht. Eine Kündigung durch die Nürburgring GmbH ist frühestens nach elf Jahren möglich, wobei in diesem Fall eine "Optionsgebühr" und auf Grundlage einer festgelegten Formel eine Entschädigung zu zahlen ist, die im Wesentlichen der noch offe- nen Mietzinszahlung für die verbleibende Laufzeit entspricht. Der wirtschaftliche Vorteil dieses Konzepts lag für die Nürburgring GmbH darin, dass ihr die Investitionssumme zinsfrei zur Verfügung gestellt würde. Rein rechnerisch ergab sich bereits bis zum Zeitpunkt der frühestmöglichen Kündigung nach elf Jahren ein Zinsvorteil von 33 Mio. €. Zusätzlich garantierte die I. S.A.auf die im Falle einer vorzeitigen Kündigung zu leistenden Entschädigung einen festen Abzugs- betrag in Höhe von 30 Mio. €. Wirtschaftlich betrachtet wären der I. S.A.da- mit im Fall einer Kündigung nach elf Jahren Zinseinnahmen in Höhe von 33 Mio. € entgangen und zusätzlich ein Verlust von 30 Mio. € entstanden.
5
Die I. S.A. bzw. die hinter dieser stehenden B. und Me. wollten ihre Gewinne durch eine Refinanzierung des Investitionskapitals erwirtschaften. Hierzu planten sie, nach dem sog. Senior-Life-Settlements-Modell auf dem USMarkt in einem Volumen von 1,2 Mrd. US-Dollar notleidend gewordene Lebensversicherungen zu einem Bruchteil von deren Nominalablaufwert aufzukaufen. Nach US-amerikanischem Versicherungsrecht erhält der Versicherungsnehmer bei einer Einstellung der Prämienzahlungen keine Leistungen aus dem Vertrag, weshalb es bei drohendem Zahlungsausfall günstiger ist, die Versicherung an einen Aufkäufer zu übertragen, der die restlichen Prämienzahlungen übernimmt. Da der Ausfall der Prämienzahlung seitens der Versicherungen bereits in die Prämienhöhe einkalkuliert wird, erlangt der Investor bei erfolgreicher Durchführung einen im Verhältnis zur Prämienzahlung relativ hohen Betrag. Allerdings sahen die US-amerikanischen Bestimmungen vor, dass ein Aufkauf derartiger Lebensversicherungspolicen durch NichtVersicherungsunternehmen wie der I. S.A. nur in Verbindung mit einem Immobiliengeschäft rechtlich zulässig war. Als ein solches werteten B. und Me. die Beteiligung am Ausbauprojekt "Nürburgring 2009". Da die I. S.A.
die Investitionssumme von 1,2 Mrd. US-Dollar nicht aufbringen konnte, benötigte sie ihrerseits einen Investor, der bereit war, das Projekt zu finanzieren.
6
Im August 2006 schlossen die Nürburgring GmbH und die I. S.A. einen Projektfinanzierungs- und Entwicklungsvertrag, dessen Gegenstand unter anderem die Vermittlung eines Investors durch die I. S.A. war. Dies gelang B. und Me. zunächst allerdings nicht. Im weiteren Verlauf schlossen die Nürburgring GmbH und die I. Gesellschaft mbH (im Folgenden: I. GmbH), eine Tochtergesellschaft der I. S.A., am 27. März 2007 einen Vorvertrag. Hierin verpflichtete sich die Nürburgring GmbH zur pauschalen Erstattung von Vorlaufkosten, die der I. GmbH durch die Suche nach einem Investor bzw. durch die Vermittlung der Finanzierung entstehen würden. Der Vertrag sah monatliche Pauschalzahlungen in Höhe von 20.000 € vor und war zunächst bis zum 31. Dezember 2007 befristet. In der Folgezeit wurde er durch vier Nachträge bis zum 30. September 2008 verlängert , wobei die monatliche Zahlungsverpflichtung zuletzt 40.000 € betrug. Am 2. September 2007 schlossen die Nürburgring GmbH und die I. S.A. zudem eine Provisionsvereinbarung, wonach die I. S.A. für die erfolgreiche Vermittlung der Projektfinanzierung ein Erfolgshonorar in Höhe von 5 Mio. € erhalten sollte. Der Vertrag sah u.a. vor, dass die erste Rate in Höhe von 1 Mio. € des Erfolgshonorars erst nach dem tatsächlichen Eingang der ersten Finanzierungsrate fällig war; die aufgrund des Vorvertrages vom 27. März 2007 von der Nürburgring GmbH erbrachten Zahlungen sollten auf die Provision angerechnet werden.
7
Im Jahr 2008 zeigte sich der gesondert verfolgte Ba. , der in der Folgezeit unter seiner Firma B&B (im Folgenden: B&B ) handelte, an einem Engagement in dem Teilprojekt Bereich I interessiert und unterbreitete verschiedene Finanzierungsangebote. Das dritte Finanzierungsangebot war gerichtet an die I. S.A. und sah eine Investition über 1,2 Mrd. US-Dollar vor, die unter der Bedingung stand, dass die I. S.A. eine Einlage über 10% der Finanzierungssumme - mithin 120 Mio. US-Dollar - für eine Laufzeit von 14 Monaten erbringt. Dieses Finanzierungskonzept verfolgten die Beteiligten weiter, wobei die von der I. S.A. zu leistende Bareinlage schließlich 80 Mio. € betragen sollte. Im Juni 2008 unterrichtete D. den Auf- sichtsrat umfassend über das geplante Finanzierungskonzept. Ende Juni 2008 übermittelte die Geschäftsführung den Aufsichtsratsmitgliedern Entwürfe eines Nießbrauchsvertrages, eines Generalübernehmervertrages, eines Mietvertrages und eines Optionsvertrages; hiermit verbunden war der Antrag auf Zustimmung zum Abschluss des Vertragswerks. Am 1. Juli 2008 fasste der Aufsichtsrat folgenden Beschluss: "Der Aufsichtsrat beauftragt und ermächtigt die Geschäftsführung, alle notwendigen Verträge und sonstigen Vereinbarungen mit der I. , deren Vertretern oder mit der I. verbundenen Gesellschaften abzuschließen, um eine Finanzierung des Projektes Nürburgring 2009 zu realisieren…"
8
Grundlage des Beschlusses war § 7 Abs. 1 und 3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages der Nürburgring GmbH (im Folgenden: GesV). § 7 GesV lautete: "§ 7 Zustimmungsbedürftige Geschäfte Abs. 1: Die Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer erstreckt sich nur auf Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsverkehr mit sich bringt. Für alle darüber hinaus gehenden Handlungen ist die vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats einzuholen.

Abs. 2: Der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen in jedem Fall: … Abs. 3: Der Aufsichtsrat kann sich die vorherige Zustimmung zu bestimmten anderen Arten von Geschäften vorbehalten. Er kann widerruflich seine Einwilligung zu Geschäften, die seiner Zustimmung bedürfen , allgemein unter der Voraussetzung erteilen, dass die von ihm gemachten Auflagen erfüllt sind."
9
Am 31. Juli 2008 entschied D. im Rahmen eines Gesprächs im Finanzministerium mit weiteren an der Finanzierung beteiligten Personen , dass die nach den bisherigen Verträgen von der I. S.A. zu leistende Bareinlage in Höhe von 80 Mio. € von der Nürburgring GmbH erbracht werden sollte, da die I. S.A. hierzu finanziell nicht in der Lage war; die mit der erforderlichen Darlehensaufnahme verbundenen Zinsen sowie die mit der Anlage der Bareinlage verbundenen Bankspesen sollten nach seiner Entscheidung ebenfalls von der Nürburgring GmbH übernommen werden. Den für die Zahlung der Bareinlage erforderlichen Betrag sollte die Nürburgring GmbH darlehensweise aus Landesmitteln über den sog. Liquiditätspool erhalten, der bei dem Kreditreferat des Ministeriums für Finanzen eingerichtet war; diesbezüglich gab D. einem Mitarbeiter des Finanzministeriums vor, dass die Zahlung aus dem Liquiditätspool "unter Bilanzebene" abgewickelt werden sollte ; dementsprechend fand das Darlehen in der Bilanz der Nürburgring GmbH keine Erwähnung.
10
2. Vor dem geschilderten Hintergrund kam es u.a. zu den folgenden Handlungen:
11
a) In die Vorgänge um die Zahlung der von der I. S.A. geschuldeten, jedoch von der Nürburgring GmbH erbrachten Bareinlage in Höhe von 80 Mio. € war die Rechtsanwaltskanzlei C. eingebunden. Ende August 2008 regte sie wegen der verschärften Regelungen zur Geldwäsche an, das Landeskriminalamt einzubinden und prüfen zu lassen, ob es Erkenntnisse oder Verdachtsmomente gegen die an der geplanten Anlage des Bardepots über 80 Mio. € Beteiligten gebe. D. bat daraufhin den damaligen Landesinnenminister Br. um eine entsprechende Überprüfung. Zudem stellte er eigene Internetrecherchen an; dabei stieß er auf Gerüchte einer Verbindung zwischen der I. S.A. und einem mexikanischen Drogenkartell. Dies teilte er am Rande einer Aufsichtsratssitzung am 2. September 2008 K. mit. Am Morgen des 8. September 2008 bestätigte Innenminister Br. D. den Verdacht, dass die I. S.A. zum Umfeld eines mexikanischen Drogenkartells gehöre. Hintergrund war, dass im Handelsregister von Luxemburg zwei irische Firmen als Aktionäre der I. S.A. eingetragen waren; beide Firmen waren auch Aktionäre einer Gesellschaft, in der eine zu den wichtigsten Drahtziehern der mexikanischen Drogenmafia zählende Familie ihre Geschäfte bündelte.
12
Es folgte eine Sitzung im Finanzministerium, an der D. , der Zeuge Dr. von der Kanzlei C. und L. teilnahmen. Die Beteiligten kamen überein, dass ein sofortiges Ende der Geschäftsbeziehung zur I. S.A. erforderlich sei, wenn die Gerüchte über deren Beziehung zur mexikanischen Drogenmafia nicht zügig und umfassend widerlegt werden könnten. D. befürchtete bei deren Ausbreitung einen großen Imageschaden für das Land Rheinland-Pfalz und das Projekt "Nürburgring 2009". Konfrontiert mit den Vorwürfen bestritt Me. jedoch eine bestehende Verbindung zu einem Drogenkartell; die beiden irischen Firmen seien - was sich zehn Tage später bestätigte - lediglich Aktionäre des erworbenen Firmenmantels gewesen. Die Forderung, neue und von dem Verdacht unbelastete Gesellschaften zu gründen, die in die mit der Nürburgring GmbH bestehenden Verträge eintreten sollten, lehnte er wegen der entstehenden Gründungskosten ab. Daraufhin fassten K. sowie L. den Entschluss, die Nürburgring GmbH die Kosten der gewünschten Neugründung einer Gesellschaft, der P. S.A., tragen zu lassen.
13
Noch am 8. September 2008 unterschrieb Me. für die I. GmbH einen Vertrag, nach dem die Nürburgring GmbH die Gründungskosten für die "P. S.A." in Höhe von netto 45.000 € tragen sollte. Die Kosten sollten im Falle einer erfolgreichen Vermittlung der Finanzierung auf den Provisionsanspruch aus dem mit der I. S.A. geschlossenen Vertrag vom 2. September 2007 angerechnet werden. Am selben Tage stellte Me. der Nürburgring GmbH für die I. GmbH den Betrag von 53.550 € (45.000 € netto) in Rechnung. Der Betrag wurde ausgezahlt, nachdem K. und L. die Rechnung als "sachlich und rechnerisch richtig" abgezeichnet hatten. Einen Tag später gründeten Me. und B. vereinbarungsgemäß die P. S.A. und darüber hinaus nach deutschem Recht die P. GmbH. Die Gesellschaften traten kurze Zeit später für die I. S.A. und die I. E. GmbH in die mit der Nürburgring GmbH bestehenden Verträge ein (Fall IV.2 der Urteilsgründe).
14
b) Während dieser Vorgänge wurde die Umsetzung des Finanzierungskonzeptes weiter vorangetrieben. So kündigte N. am 22. September 2008 gegenüber der Schweizer Bank LLB die Überweisung von 80 Mio. € an. Am selben Tag stellte die I. GmbH der Nürburgring GmbH "… gemäß dem ge- schlossenen Vorvertrag" für den Monat Oktober 2008 eine Aufwandsentschä- digung in Höhe von 40.000 € nebst 19% Umsatzsteuer in Rechnung. Nach Ein- gang der Rechnung am 23. September 2008 fassten K. und N. sowie L. den Entschluss, diese Rechnung durch die Nürburgring GmbH begleichen zu lassen. Ihnen war bewusst, dass keine Verpflichtung zur Übernahme dieser Kosten bestand, da der Vorvertrag bis zum Monat September 2008 begrenzt war und auch der vierte Nachtrag zum Vorvertrag eine Aufwandsentschädigung nur bis zum 30. September 2008 vorgesehen hatte. Gleichwohl zeichneten alle drei die Rechnung als sachlich und rechnerisch richtig ab. In weiterer Ausführung des Tatplans veranlassten K. und L. die Auszahlung der in Rechnung gestellten Aufwandsentschädigung. Der Aufsichtsrat der Nürburgring GmbH war mit der Zahlung nicht befasst. Erstattungsfähige Aufwendungen hatten B. und Me. bzw. die I. GmbH im Oktober 2008 nicht (Fall IV.3 der Urteilsgründe).
15
c) Obwohl die von Ba. geforderte Bareinlage in Höhe von 80 Mio. € am 24. September 2008 bei der LLB/Schweiz verbucht und angelegt worden war, kam die Finanzierung nicht zustande: Zunächst hielt Ba. unter anderem eine vertraglich vereinbarte Frist von drei Tagen zum Nachweis eines Investors nicht ein; sodann verschwand er zwischen dem 20. Oktober und 9. November 2008 spurlos. Schließlich wurde die erste Finanzierungsrate auch nach seinem Wiederauftauchen trotz mehrfacher Aufforderung nicht gezahlt.
16
Noch im Jahr 2008 präsentierte Ba. jedoch weitere angebliche Investoren , so u.a. die Ölgesellschaft T. und die A. AG. Eine Überprüfung der Gesellschaften durch die RechtsanwaltskanzleiR. ergab jedoch in beiden Fällen Bedenken, weil sich die ermittelbaren wirtschaftlichen Verhältnisse der Unternehmen nicht so wie von Ba. vorge- geben darstellten. Die Bestrebungen zur Finanzierung des Ausbauprojektes "Nürburgring 2009" konkretisierten sich gleichwohl wieder. Dabei forderte Ba. erneut, dass eine Bareinlage in Höhe von nunmehr 95 Mio. € erbracht werden müsse. Diese wurde ebenfalls von der Nürburgring GmbH geleistet , durch die darlehensweise Inanspruchnahme öffentlicher Mittel finanziert und im März 2009 bei der Liechtensteinischen Landesbank angelegt.
17
Ende April 2009 fand eine Telefonkonferenz zwischen D. und N. sowie L. , B. und Me. statt. Hintergrund war eine zuvor durchgeführte Prüfung des Finanzierungskonzeptes durch eine Schweizer Wirtschaftskanzlei und eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Hierbei hatte sich ergeben, dass der im Rahmen des Finanzierungskonzeptes zwischen der P. S.A. und B&B zu schließende Darlehensvertrag über 165 Mio. € negative ertragssteuerliche Konsequenzen für die P. S.A. gehabt hätte. Me. forderte daraufhin, dass die Ertragssteuer entweder vom Land Rheinland-Pfalz oder der Nürburgring GmbH übernommen werden müsse. Dies lehnte D. ab; er ging aber auf den Vorschlag ein, dass zum Erhalt steuerlicher Vorteile seitens B. und Me. eine Schweizer Aktiengesellschaft gegründet werden sollte. Die Gründungskosten in Höhe von 100.000 € sollte die Nürburgring GmbH tragen. Dabei erklärte D. , dass der Betrag von 100.000 € nicht in Verbindung mit der Gesellschaftsgrün- dung gebracht werden dürfe; auch müsse der Betrag auf das später etwaig zu zahlende Erfolgshonorar angerechnet werden.
18
Unter dem 30. April 2009 ging daraufhin eine Rechnung der I. GmbH bei der Nürburgring GmbH ein, mit der die I. GmbH "für erbrachte Leistungen in den Monaten Juni, Juli und August 2008" ein "Honorar" von netto 100.000 € berechnete. Die Rechnung zeichneten K. und L. entsprechend ih- rem zuvor gefassten gemeinsamen Entschluss als sachlich und rechnerisch richtig ab und gaben sie zur Zahlung frei. Im Juni 2009 gründeten B. und Me. nach schweizerischem Recht die G. AG. Der Aufsichtsrat der Nürburgring GmbH war mit der Zahlung nicht befasst (Fall IV.5 der Urteilsgründe

).


19
d) Im Mai 2009 sprach Me. anlässlich eines Treffens in der Schweiz L. auf die Zahlung einer Aufwandsentschädigung in Höhe von 50.000 € an. L. unterrichtete hierüber telefonisch D. ; gemeinsam entschieden beide, dass die Nürburgring GmbH den Betrag zahlen solle. Daraufhin ging am 22. Mai 2009 eine Rechnung der sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Liquidationsstadium befindlichen I. GmbH ein; die Rechnung lautete auf netto 50.000 € und wies als Gegenstand "erbrachte Leistungen in den Monaten September 2008" aus, obwohl die nach dem Vorvertrag geschuldete Aufwandsentschädigung für den Monat September 2008 bereits im August 2008 gezahlt worden war. Gleichwohl zeichneten K. , der in Kenntnis aller Umstände ebenfalls zur Zahlung entschlossen war, sowie L. die Rechnung als "sachlich und rechnerisch geprüft" ab und veranlassten hierdurch die Auszahlung (Fall IV.6 der Urteilsgründe).
20
e) Anfang Juni 2009 hielten sich B. , Me. , L. und N. im Hotel Do. in Z. auf. Im Laufe eines gemeinsamen Gesprächs rief Me. D. an und begehrte unter Hinweis auf nicht näher spezifi- zierte Aufwendungen eine Zahlung in Höhe von 150.000 €. D. stimmte der Zahlung zu. Hierauf machte N. gegenüber L. deutlich, dass der pauschale Aufwendungsersatz aus seiner Sicht nicht nachvollziehbar sei, zumal die Nürburgring GmbH bereits bisher angefallene Kosten für Flug, Hotel und Spesen in Höhe von 78.000 € für B. und Me. beglichen habe. L.
reagierte jedoch unwirsch und verwies auf die Zustimmung von D. .
21
Bereits vor Eingang einer Rechnung rief N. darauf den ihm bei der Nürburgring GmbH unterstehenden Zeugen De. an und "wies ihn an, den Betrag per Blitzüberweisung auf das bekannte Konto der I. GmbH zu überweisen". De. ließ daraufhin von der entsprechenden Abteilung die Überweisung zur Unterschrift durch K. vorbereiten. Hiernach legteN. K. die Auszahlungsanordnung zur Unterschrift vor, wies jedoch erneut auf seine Bedenken hin. Dieser unterschrieb gleichwohl die Auszahlungsanordnung und veranlasste hierdurch die Zahlung. Erst danach ging am 20. Juli 2009 die auf den 15. Juni 2009 datierende und auf den Nettobetrag von 150.000 € lautende Rechnung der I. GmbH bei der Nürburgring GmbH ein. Als Gegenstand wurden dort seitens der I. GmbH "erbrachte Leistungen in den Monaten Oktober und November 2008" ausgewiesen. Gesondert abrechnungsfähige Aufwendungen hatten B. und Me. indes nicht gehabt (Fall IV.7 der Urteilsgründe

).


22
f) Nachdem B. und Me. die G. AG gegründet hatten , sollte die Finanzierung mit Ba. umgesetzt werden. Bereits im Mai 2009 hatte Ba. als neuen Investor die amerikanische Gesellschaft G. A. (im Folgenden: GA. ) ins Spiel gebracht und die Kopie eines Kontoauszugs überreicht, wonach die Gesellschaft die Anweisung erteilt hatte, 100 Mio. US-Dollar auf ein mit der Bezeichnung "B&B Nürburgring" geführtes Unter-Konto zu überweisen. Hinter der GA. sollte ein Investor namens Du. stehen. Du. war nach den Angaben Ba. s auch "Geschäftsführer" der M. A. (im Folgenden: MA. ), die im weiteren Verlauf neben der GA. zusätzlich in die Finanzierung einge- bunden würde. Im Zuge der abschließenden Verträge fertigte der von der Nürburgring GmbH beauftragte Rechtsanwalt Lü. eine Zahlungsvereinbarung , mit der die genaue Zahlungshöhe und -weise des durch Ba. zur Verfügung gestellten bzw. beschafften Finanzierungskapitals an die Nürburgring GmbH und die Gesellschaften der I. - bzw. P. -Gruppe geregelt werden sollte. Am 29. Juni 2009 übermittelte Rechtsanwalt Lü. L. per E-Mail einen zweiten Entwurf dieser Vereinbarung. Zu diesem Zeitpunkt stand D. unter hohem Zeitdruck, da im Hinblick auf das am 12. Juli 2009 stattfindende Formel-1-Rennen die Eröffnungsfeier für den 9. Juli 2009 vorgesehen und noch kein Privatinvestor gefunden worden war. Zudem hatte ihm der damalige Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Be. , eine Frist bis zu diesem Tage gesetzt, um die Finanzierung des Projektes mit Ba. umzusetzen. Im Falle eines Scheiterns sollte das Bardepot über 95 Mio. € wieder abgezogen werden.
23
Noch am 29. Juni 2009 folgte im Hotel Do. in Z. ein Treffen , an dem für die Nürburgring GmbH N. und L. , daneben B. , Me. sowie Ba. teilnahmen. Letzterer übergab dabei einen auf ein Konto der MA. bei der Bank Wells Fargo gezogenen Scheck über 67 Mio. USDollar , der zugunsten der Nürburgring GmbH ausgestellt war und die ursprünglich vorgesehene Überweisung der ersten Finanzierungsrate ersetzen sollte. Hierauf diskutierten N. , L. , B. und Me. über die Zahlung der nach dem Vertrag vom 2. September 2007 vereinbarten Provision, welche die Nürburgring GmbH für die erfolgreiche Vermittlung der Finanzierung an die - für die I. S.A. in den Vertrag eingetretene - P. S.A. zahlen sollte. B. und Me. vertraten die Auffassung, ihre vertraglichen Pflichten erfüllt zu haben, weshalb die Provision mit der Übergabe des Schecks fällig sei. Auf Forderung des L. änderte N. daraufhin den von Rechtsanwalt L. übermittel- ten Entwurf der Zahlungsvereinbarung dergestalt ab, dass nach Gutschrift des Schecks über 67 Mio. US-Dollar eine Provision in Höhe von 4 Mio. € an die G. AG zu zahlen sei. Weshalb die Beteiligten in Abweichung vom Vertrag vom 2. September 2007 nur über eine Provision in Höhe von 4 Mio. €, statt wie ursprünglich vereinbart 5 Mio. € debattierten, hat die Strafkammer nicht klären können.
24
B. und Me. ging der neue Entwurf jedoch nicht weit genug. Sie forderten eine Zahlung innerhalb von 48 Stunden nach Übergabe des Schecks. Es entbrannte eine hitzige Diskussion, insbesondere N. hielt die Forderung für unangemessen. Im weiteren Verlauf telefonierte Me. mit D. und konfrontierte nun diesen mit seiner Forderung. Vor dem Hintergrund seines Zeitdrucks entschied D. , dem Ansinnen von B. und Me. nachzukommen, wobei ihm bewusst war, dass es nicht möglich sein würde, binnen der kurzen Zeitspanne von 48 Stunden zu überprüfen, ob der von Ba. übergebene Scheck gedeckt war. Telefonisch vereinbarten D. und Me. weiter, dass ein Teilbetrag von 1,2 Mio. € zur Begleichung von "Vorlaufkosten" unmittelbar an die Nürburgring GmbH zurücküberwiesen werden und weitere 2 Mio. € unangetastet auf dem Konto der G. AG verbleiben sollten; der Restbetrag von 800.000 € sollte zur freien Verfügung der G. AG bzw. B. und Me. stehen.
25
Auf Aufforderung des L. änderte N. am frühen Morgen des 30. Juni 2009 den Entwurf der Zahlungsvereinbarung erneut ab. Dieser mittlerweile vierte Entwurf lautete nun auszugsweise wie folgt: "Präambel: Zwischen den Parteien bestehen verschiedene vertragliche Beziehungen. Diese umfassen u.a. Verträge zwischen P. und NG zur Finanzierung des Projektes "Nürburgring 2009" (gemeinsam das "NG/P. Vertragswerk Projekt NG 2009"). … NG zahlt 4 Mio. € an G. /P. alsVorauszahlung auf die Optionsgebühr aus dem Vertragswerk Projekt NG 2009. … § 1 Leistung von Zahlungen 1.2. B&B wird im unmittelbaren Anschluss an die Unterzeichnung dieser Zahlungsvereinbarung einen Betrag in Höhe von 67,0 Mio. US$ …zahlen, und zwar durch Übergabe eines Orderschecks… 1.3. NG wird innerhalb von 48 Stunden nach Übergabe des Schecks gemäß § 1.2 einen Betrag in Höhe von 4 Mio. € … an G. /P. zahlen und zwar durch Überweisung auf ein von der G. /P. zu benennendes Konto."
26
Der Entwurf sah im Unterschriftsfeld für die Nürburgring GmbH neben der Unterschrift von L. als Prokuristen der Gesellschaft auch diejenige von N. vor. L. , Me. und Ba. unterschrieben diese Zahlungsvereinbarung.
27
N. begab sich daraufhin mit L. auf den Weg nach Mainz, um dort den - tatsächlich nicht gedeckten - Scheck über 67 Mio. US-Dollar bei der Landesbank Baden-Württemberg (im Folgenden: LBBW) einzulösen. Er hatte die Zahlungsvereinbarung noch nicht unterschrieben, weil er diese nach wie vor für unangemessen hielt, und machte gegenüber L. seine Unterschrift von einer entsprechenden Weisung von D. und K. abhängig. In dem darauf folgenden Telefonat forderte D. N. mit dem Bemerken , niemand könne so verrückt sein, einen Scheck in dieser Größenordnung zu unterschreiben, der nicht gedeckt sei, zur Unterschrift auf. Nachdem auch K. N. telefonisch hierzu angewiesen hatte, zeichnete dieser die Zahlungsvereinbarung ab und stimmte "als Financial Controller und Handlungsbevollmächtigter der Nürburgring GmbH dem Inhalt der Vereinbarung" zu.
28
Nach der Scheckeinreichung bei der LBBW flogen N. und L. noch am selben Tage wieder nach Z. . Am Vormittag des 3. Juli 2009 forderte N. den Leiter der Buchhaltung der Nürburgring GmbH, Ke. , auf, die Überweisung der 4 Mio. € an die G. AG zu veranlassen, nachdem Me. ihm gegenüber auf der Zahlung bestanden hatte. Ke. informierte hierauf die für die Ausführung der Überweisung zuständige Zeugin La. , die einen Überweisungsauftrag fertigte. Aufgrund vorgebrachter Bedenken des bei der Nürburgring GmbH beschäftigten Justitiars Pa. hinsichtlich des mit der Zahlung verbundenen Risikos, weil die Deckung des übergebenen Schecks noch unklar war, unterschrieb K. den Überweisungsauftrag allerdings zunächst nicht.
29
Währenddessen hatten sich Ba. , N. und B. gemeinsam zur P. -Bank nach Liechtenstein begeben. Dort sollte Ba. einer vorherigen Absprache entsprechend einen Kontoauszug abholen, der belegte, dass die B&B über einen Geldbetrag in Höhe von 100 Mio. € verfügte. Vor der Bank teilte er N. und B. dann allerdings für diese überraschend mit, dass die P. -Bank wegen der schlechten Reputation der Nürburgring GmbH keinen von deren Vertretern empfangen wolle und auch keinen Kontoauszug über- reichen werde. Etwa eine Stunde später kam Ba. wieder heraus und er- klärte wahrheitswidrig, dass der Betrag von 100 Mio. € auf dem Konto der B&B als frei verfügbares Guthaben vorhanden sei, die Bank sich aber sowohl geweigert habe, einen entsprechenden Kontoauszug auszuhändigen, als auch, eine Überweisung auf ein Konto der Nürburgring GmbH auszuführen. N. und B. reagierten zunächst empört und äußerten den Verdacht, dass Ba. eine Hinhaltetaktik verfolge. Ba. schlug daraufhin vor, zunächst einen weiteren Scheck über 33 Mio. US-Dollar auszustellen und übergab N. im Laufe des Tages einen erneut auf ein Konto der MA. bei der Bank Wells Fargo gezogenen Scheck über 33 Mio. €.
30
Am Nachmittag desselben Tages entschloss sich K. , den Auftrag zur Überweisung der 4 Mio. € an die G. AG zu erteilen, obwohl ihm bewusst war, dass die Werthaltigkeit des Schecks über 67 Mio. US-Dollar noch nicht überprüft war. Gegen 16:00 Uhr unterschrieb er den Überweisungsträger und übergab ihn der Zeugin La. zur Ausführung. Diese übermittelte um 17:17 Uhr den Überweisungsträger nach vorheriger telefonischer Ankündigung per Telefax mit der Bitte um "schnellstmögliche Ausführung" an die Kreissparkasse Ahrweiler. Kurze Zeit später übermittelte La. einen weiteren Auftrag per Telefax, der eine Umbuchung von 4 Mio. € von einem Tagesgeldkonto der Nür- burgring GmbH zur Deckung des mit der Auslandsüberweisung belasteten Kontos zum Gegenstand hatte. Bei der Kreissparkasse Ahrweiler kamen den Zeugen St. und Ki. jedoch Bedenken, ob die Überweisung einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Verhinderung von Geldwäsche darstellen könnte, weil der Überweisungsträger als Empfänger nur die Buchstaben-ZahlenKombination "G7 5165" enthielt. Aufgrund dessen führten sie die Überweisung zunächst nicht aus.
31
Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits die Rechtsanwälte Lü. und Di. K. aufgesucht. Lü. hatte am Vortag von dem gegenüber seinen Vertragsentwürfen geänderten Inhalt der Zahlungsvereinbarung erfahren und bewertete deren Inhalt als Untreue. Im Beisein von L. kam es daraufhin zu einem Telefonat zwischen K. und D. . Letzterer blieb trotz der von Lü. vorgebrachten Bedenken und Hinweise auf die bisherige Unzuverlässigkeit des Ba. bei seiner Auffassung, dass der Betrag von 4 Mio. € gezahlt werden solle. Daraufhin wies L. K. auf dessen persönliche Verantwortung als Geschäftsführer hin, worauf D. erklärte, er könne dem Geschäftsführer als Aufsichtsratsvorsitzender keine Weisungen erteilen; zugleich betonte er aber, dass das Risiko des Scheiterns der Finanzierung dann auch bei der Geschäftsleitung läge. K. erklärte schließlich seiner Sekretärin, dass mit der Überweisung gewartet werden sollte; gegen 18:00 Uhr wurde eine Mitarbeiterin der Kreissparkasse Ahrweiler per Telefax informiert.
32
Noch am Abend des 3. Juli 2009 unterrichtete ein Mitarbeiter der LBBW das Finanzministerium über Erkenntnisse zu dem von Ba. ausgestellten Scheck. Nach Mitteilung der Wells Fargo Bank in London stimmten die Daten auf dem Scheck nicht mit den Kontodaten überein; das bezeichnete Konto habe zudem zu keinem Zeitpunkt eine Deckung über 67 Mio. € aufgewiesen. An dem sich anschließenden Wochenende traten weitere Ungereimtheiten auf, sodass D. bereits am Sonntag, den 5. Juli 2009, L. den Auftrag erteilte, die Folgen einer Vertragsauflösung zu prüfen. Am Montag, den 6. Juli 2009, übermittelte La. im Auftrag des K. der Kreissparkasse Ahrweiler ein Telefax, mit dem der Überweisungsauftrag vom 3. Juli 2009 endgültig zurückgenommen wurde. Einen Tag später trat D. von sei- nem Amt als Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz zurück (Fall IV.8 der Urteilsgründe).
33
g) Zeitgleich zu den vorstehend geschilderten Ereignissen um die Finanzierung des Bereichs I von "Nürburgring 2009" wurde der Ausbau des Bereichs II (Hotel- und Gastronomieanlagen) vorangetrieben. Nach den Planungen und den öffentlichen Aussagen der Landesregierung hatte dieser Teil des Ausbauprojektes ausschließlich privat finanziert werden sollen. Weil bis Mitte des Jahres 2007 jedoch trotz Verhandlungen mit zahlreichen Hotelbetreibern kein privater Investor gefunden worden war, wurde schließlich die MS. GmbH als Projektentwicklungsgesellschaft gegründet. 10% ihrer Gesellschaftsanteile hielt die Nürburgring GmbH; 49,5% entfielen auf die später unter dem Namen Med. GmbH firmierende Medi. GmbH. Daneben waren an der MS. GmbH beteiligt die G. & T. GmbH (33,8%) und mit 6,7% die We. -GmbH. Geschäftsführer der MS. GmbH waren die Zeugen Ri. , seinerseits zugleich Geschäftsführer der Med. GmbH, und G. , der Geschäftsführer der G. & T. GmbH.
34
Die M. GmbH betrieb als Bauherrin in der Folgezeit den Ausbau der unter Bereich II fallenden Projekte. Da sie allerdings nicht über die erforderlichen Eigenmittel verfügte, war sie auf eine Fremdfinanzierung angewiesen. Deren Umsetzung gestaltete sich in der Folgezeit schwierig, so dass es u.a. zu folgenden Handlungen kam (Fälle IV.9 a) ff. der Urteilsgründe):
35
Zum Planbereich II gehörte der Bau eines 4-Sterne-Hotels, wegen dessen Finanzierung der Zeuge Ri. Verhandlungen mit der Bank für Tirol und Voralberg (im Folgenden: BTV) führte. Diese war bereit, einen Kredit in Höhe von 26 Mio. € zu gewähren, forderte allerdings, dass die Errichtung des Hotels von einer Gesellschaft betrieben würde, deren einziger Gesellschaftszweck hierin bestand, und daneben einen Eigenkapitalnachweis dieser Gesellschaft in Höhe von6 Mio. €. Die erste Forderung führte zur Gründung der C. M. GmbH (im Folgenden: CM. GmbH). Zur Erbringung des von der BTV geforderten Eigenkapitalnachweises war die MS. GmbH indes nicht in der Lage. Dieser sollte daher von ihren Gesellschaftern entsprechend der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse aufgebracht werden. Da der Geschäftsführer der We. GmbH allerdings nicht bereit war, sich an dem Projekt finanziell zu beteiligen, sollte deren Anteil von der Med. GmbH übernommen werden; diese hatte somit einen Gesamtanteil von 3,4 Mio. € zu tragen. Hierzu war sie nicht fähig.
36
Anfang Mai 2008 wies Ri. gegenüber D. darauf hin, dass ein Baustopp drohe, falls der Eigenkapitalnachweis nicht geführt werden könne. Dieser empfahl Ri. , sich an die I. und S. bank GmbH (im Folgenden: ISB GmbH) zu wenden. Bei dieser handelt es sich um eine Landesbank, deren alleiniger Gesellschafter das Land Rheinland-Pfalz ist und deren Gesellschaftszweck zu diesem Zeitpunkt insbesondere darin lag, Vorhaben der gewerblichen Wirtschaft sowie sonstige Maßnahmen zur Verbesserung und Stärkung der Wirtschaftsstruktur des Landes Rheinland-Pfalz zu fördern. Geschäftsführer der ISB GmbH war der Mitangeklagte M. . Diesen bat D. , die Finanzierung des Bauprojektes zu begleiten.
37
Am 7. Mai 2008 kam es daraufhin zu einem Gespräch in den Räumen der ISB GmbH. An diesem nahmen neben M. der Zeuge Ri. , die Wirtschafts- und Bürgschaftsreferentin des Finanzministeriums Ty. und der Mitangeklagte W. als Geschäftsführer der R.
GmbH (im Folgenden: RIM GmbH) teil. Die RIM GmbH war eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der ISB GmbH; nach ihrem Gesellschaftszweck sollte sie das Land Rheinland-Pfalz in seiner Wirtschafts- und Strukturpolitik im Rahmen der Aufgabenstellung der ISB GmbH unterstützen. Die Überlegung, die Med. GmbH für die Finanzierung des von der BTV geforderten Eigenkapitalnachweises durch eine Landesbürgschaft zu unterstützen, wurde verworfen, weil hierdurch ein finanzielles Engagement des Landes im Bereich II des Ausbauprojektes öffentlich bekannt geworden wäre. Hieraus entwickelte sich der Vorschlag, dass die RIM GmbH befristet eine stille Beteiligung an der Med. GmbH eingehen und in diesem Rahmen eine stille Einlage in Höhe des benötigten Kapitals zur Verfügung stellen solle. Diese Einlage sollte die Med. GmbH sodann der MS. GmbH als Darlehen weiter reichen. Die RIM GmbH ihrerseits refinanzierte sich über ein Darlehen, welches ihr die ISB GmbH zur Verfügung stellte. Weil der ISB GmbH diese Darlehensgewährung aufgrund geltender Bestimmungen ohne die Absicherung durch entsprechende Bürgschaften nicht möglich gewesen wäre, sollte das Land Rheinland-Pfalz den Kredit in voller Höhe durch eine Landesbürgschaft absichern. Dies bot zugleich den Vorteil, dass die grundsätzlich nach § 18 KWG erforderliche Offenlegung von Kreditunterlagen gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 4 KWG entfiel. Die Absicherung des Darlehens durch das Land sollte D. als Finanzminister ermöglichen. Dieser entschied, nachdem er über das Konzept informiert worden war, dass in der vorgeschlagenen Weise vorgegangen werde sollte.
38
Am 16. Mai 2008 schlossen die ISB GmbH und die RIM GmbH einen Darlehensvertrag über 3,4 Mio. € mit einer Laufzeit bis zum 30. September 2009. Am 19. Mai 2008 erstellte W. eine Beschlussvorlage für die Geschäftsführung der ISB GmbH, in der er u.a. ausführte, dass die nach dem Ver- trag als Sicherheit an die RIM GmbH zu verpfändenden Geschäftsanteile der Med. GmbH an der MS. GmbH nur bedingt werthaltig seien. Gleichwohl stufte er die Med. GmbH in Ratingklasse 1 ein, was der besten Bonität entsprach, obwohl ihm, M. , und D. bekannt war, dass die Med. GmbH tatsächlich keinerlei Finanzkraft aufwies. Sodann schlossen W. und Ri. am 29. Mai 2008 den Vertrag über die stille Beteiligung in Höhe von 3,4 Mio. €, welche zum 30. September 2009 zurückgezahlt werden sollte. Danach wurde die Einlage erbracht.
39
Auch die Nürburgring GmbH konnte den von ihr zu stellenden Eigenkapitalnachweis in Höhe von 600.000 € nicht aufbringen. D. entschied daraufhin, dass die zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende stille Beteiligung der RIM GmbH an der Med. GmbH um diesen Betrag aufgestockt und letztere auch den von der Nürburgring GmbH zu erbringenden Teil des Eigenkapitalnachweises übernehmen sollte. Wie zuvor sollte sich die RIM GmbH über ein Darlehen der ISB GmbH refinanzieren und eine Landesbürgschaft diesen Kredit absichern. Dementsprechend wurden in der Folgezeit Verträge über eine weitere stille Beteiligung zwischen der RIM GmbH und der Med. GmbH (Vertrag vom 26. September 2008) und das Darlehen der ISB GmbH an die RIM GmbH in Höhe von 600.000 € (Vertrag vom 30. September 2008) geschlossen.
40
Schon zuvor - nämlich am 28. August 2008 - hatte D. eine "globale Bürgschaftserklärung" des Landes gegenüber der ISB GmbH über ei- nen Bürgschaftsrahmen von 50 Mio. € unterzeichnet; diese sah unter anderem eine Besicherungsquote von "in der Regel 80% des einzelnen Engagements" vor. Daneben war in Ziff. 7 der Erklärung bestimmt, dass der Ausfall als eingetreten gelte, wenn und soweit die Darlehensnehmerin mit fälligen Leistungen aus den Darlehensverträgen länger als drei Monate seit Fälligkeit in Verzug ist und eine zur Abhilfe bestimmte Frist erfolglos abgelaufen oder aus der Verwertung der für das refinanzierte Geschäft bestellten Sicherheiten ein Erlös nicht mehr zu erwarten ist. Diese Bürgschaftserklärung wurde nunmehr durch D. entsprechend seinem zuvor gefassten Entschluss dahin modifiziert , dass das Land die Bürgschaft in voller Höhe auf die beiden von der ISB GmbH gewährten Darlehen erstreckte. Die entsprechende Erklärung gegenüber der ISB GmbH wurde auf seine Weisung durch Ty. mit Schreiben vom 14. Oktober 2008 abgegeben.
41
Nachdem die MS. GmbH den Eigenkapitalnachweis erbracht hatte, ge- währte die BTV den zugesagten Kredit in Höhe von 26 Mio. € (Fall IV.9 a) der Urteilsgründe).
42
Anfang November 2008 drohte Ri. erneut mit einem Baustopp, wenn nicht kurzfristig Gelder in Höhe von 10 Mio. € zur Bezahlung der Bauhandwerker zur Verfügung gestellt würden. D. entschied hierauf, dass der Betrag nach dem bereits zuvor praktizierten Modell einer stillen Beteiligung der RIM GmbH an der Med. GmbH zur Verfügung gestellt werden sollte und das von der ISB GmbH zu vergebende Refinanzierungsdarlehen durch eine Landesbürgschaft zu 100% abgesichert werden sollte. Dementsprechend wurden in der Folgezeit die erforderlichen Verträge zwischen der ISB GmbH und der RIM GmbH sowie der RIM GmbH und der Med. GmbH geschlossen. Des Weiteren ließ das Finanzministerium auf Weisung von D. erklären, dass die Bürgschaftsquote über die Bestimmungen in der bereits erteilten globalen Bürgschaftserklärung hinaus auf 100% erhöht werde. Sodann wurden die 10 Mio. € ausgezahlt, wobei in die Weiterleitung der Gelder von der Med. GmbH an die MS. GmbH in diesem Fall - um die Herkunft der Gel- der aus öffentlichen Mitteln weiter zu verschleiern - noch die P. GmbH zwischengeschaltet war (Fall IV.9 b) der Urteilsgründe).
43
Im November 2008 forderte die Bank für Trient und Bozen im Rahmen von Verhandlungen über deren Beteiligung am Ausbauprojekt, dass die RIM GmbH ihre Beteiligung an der Med. GmbH um 15 Mio. € aufstocken sollte und diese Mittel entsprechend dem Baufortschritt verwendet werden müssten. Auch diese Forderung wurde auf die Entscheidung von D. über das Modell der stillen Beteiligung umgesetzt; dies schloss - über die in der bereits erteilten globalen Bürgschaftserklärung vom 28. August 2008 vorgesehene Besicherung von 80% hinaus - die volle Absicherung des Refinanzierungskredites durch das Land ein. Das Gesamtobligo der mittlerweile auch durch die Absicherung anderer Vorhaben ausgeschöpften globalen Bürgschaftserklärung wurde in diesem Rahmen auf 80 Mio. € erhöht. Zu der geplanten Finanzierung durch die Bank für Trient und Bozen kam es indes nicht (Fall IV.9 c) der Urteilsgründe

).


44
Von April bis Juli 2009 meldeten die Geschäftsführer der MS. GmbH in sieben weiteren Fällen jeweils dringenden Liquiditätsbedarf in Höhe von 5,5 Mio. € bis zu 13,63 Mio. €. Die jeweils benötigten Gelder wurden daraufhin auf jeweilige Entscheidung von D. über das Modell der stillen Beteiligungen von der ISB GmbH finanziert und schließlich als Darlehen von der Med. GmbH an die MS. GmbH weitergereicht (Fälle IV.9 d) bis j) der Urteilsgründe ); in allen Fällen erklärte das Finanzministerium auf Weisung von D. - über die in der bereits erteilten globalen Bürgschaftserklärung hinausgehend - die volle Absicherung des von der ISB GmbH bewilligten Refinanzierungskredits. In den Fällen IV.9 b) und IV.9 d) der Urteilsgründe wurden der RIM GmbH zur Absicherung ihres jeweiligen Rückzahlungsan- spruchs Briefgrundschulden an einem Grundstück und einem Erbbaurecht der MS. GmbH bestellt. In den Fällen IV.9 e) bis j) der Urteilsgründe wurden Eigentümergrundschulden an Grundstücken und Erbbaurechten der MS. GmbH sowie an einem Erbbaurrecht der CM. GmbH bestellt und an die RIM GmbH übertragen. Dass nunmehr Eigentümergrundschulden zur Absicherung dienten, geschah zu Verschleierungszwecken, da zuvor die Eintragung einer Briefgrundschuld über 10 Mio. € bekannt geworden und dadurch der Verdacht aufgekommen war, das Land Rheinland-Pfalz engagiere sich finanziell im privat zu finanzierenden Bereich II des Ausbauprojektes. Aufgrund der Absicherung durch Eigentümergrundschulden war die RIM GmbH als Berechtigte nunmehr nicht mehr aus dem Grundbuch ersichtlich. Die Anträge auf Eintragung der Briefgrundschulden gingen im Fall IV.9 b) der Urteilsgründe nur wenige Wochen nach der Auszahlung der Beteiligungsgelder bei den Grundbuchämtern ein, im Fall IV.9 d) der Urteilsgründe am Tage der Auszahlung. In den Fällen IV.9 e) bis j) der Urteilsgründe wurde der jeweils erste Grundschuldbrief spätestens knapp vier Monate nach Zahlung der Beteiligungssumme übergeben. Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Grundschulden jeweils in voller Höhe ihres Nominalwertes werthaltig waren, da sie "keine sicheren Feststellungen" über die Werthaltigkeit zum Zeitpunkt ihrer Bestellung, "also während der Bauphase" zu treffen vermochte.
45
Keine der stillen Beteiligungen wurde von der Med. GmbH zurückgezahlt. Daraufhin wurden die stillen Beteiligungen teilweise prolongiert; die Darlehensverträge zwischen der ISB GmbH und der RIM GmbH liefen im Fall IV.9 a) der Urteilsgründe ursprünglich bis zum 30. September 2009 und wurden noch vor Ablauf unbefristet verlängert. Die übrigen Refinanzierungsverträge waren von vornherein "bis auf Weiteres" geschlossen worden. Im März 2010 erwarb die Nürburgring GmbH schließlich sämtliche Geschäftsanteile an der MS. GmbH. Sodann wurden die gesamten Verbindlichkeiten der Nürburgring GmbH gegenüber dem Liquiditätspool des Landes Rheinland-Pfalz für die Baukosten im Bereich I des Ausbauprojekts sowie der MS. GmbH hinsichtlich der Rückzahlung der Beteiligungsgelder und der CM. GmbH aus deren notleidend gewordenen Kreditverbindlichkeiten gegenüber der BTV in einen Dar- lehensvertrag über 330 Mio. € zusammengefasst. Darlehensgeber war die ISB GmbH, Darlehensnehmerin die Nürburgring GmbH und als weitere Gesamtschuldnerinnen die MS. GmbH sowie die CM. GmbH. Die ISB GmbH wurde abgesichert durch eine "Garantie- und Freistellungserklärung" des Landes Rheinland-Pfalz.
46
3. Am 2. Juli 2010 fand eine Sitzung des im Zusammenhang mit der Nürburgring-Finanzierung durch den Landtag des Landes Rheinland-Pfalz eingesetzten Untersuchungsausschusses statt. Beweisthema dieser Sitzung war der Abschluss der Zahlungsvereinbarung vom 30. Juni 2009 über die Zahlung der Provision in Höhe von 4 Mio. € (vgl. Fall IV.8 der Urteilsgründe). D. sagte hierzu als Zeuge, zuvor über die Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Aussage sowie nach § 55 StPO belehrt, aus. Hierbei stellte der Abgeordnete Ey. folgende Frage: "…In Bezug auf die 48-Stunden-Regelung wurde in den Raum gestellt, dass diese 48-Stunden-Regelung im Vorfeld bereits mit Ihnen abgestimmt worden ist. Die Frage ist nur, ob das stimmt und zwar von HerrnMe. und Herrn B. wäre das abgestimmt gewesen mit Ihnen. Die Frage ist, ob Sie das bestätigen können oder nicht." Hierauf antwortete D. : "Kann ich nicht bestätigen. Ich kann nur bestätigen, dass Herr Me. und Herr B. gegenüber Herrn L. häufig behauptet hatten, sie hätten eine bestimmte Sache mit mir besprochen, und wenn Herr L. mich drauf angesprochen hat, habe ich gesagt, stimmt überhaupt nicht. Die haben mir erzählt, was sie gerne hätten. Ich habe mir das angehört, habe aber keineswegs gesagt, ich, Aufsichtsratsvorsitzender D. , habe das zur Kenntnis genommen, kann erledigt werden. Haken drunter. Das habe ich nie gemacht. Aber Me. und B. haben das immer mal versucht."
47
II. Revision des Angeklagten D.
48
1. Der Schuldspruch wegen Untreue zum Nachteil der Nürburgring GmbH im Fall IV.8 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung auf die Sachrüge nicht stand.
49
a) Das Landgericht hat D. aufgrund seines - im Einzelnen näher dargestellten - Auftretens im Zusammenhang mit der Umsetzung von "Nürburgring 2009" sowie der von ihm in diesem Rahmen getroffenen Entscheidungen als faktischen Geschäftsführer der Nürburgring GmbH angesehen und hieraus dessen Vermögensbetreuungspflicht gefolgert. Deren Verletzung liege in dem Abschluss der Zahlungsvereinbarung, soweit sich die Nürburgring GmbH dort verpflichtet habe, 4 Mio. € innerhalb von 48 Stunden nach Erhalt des Schecks in Höhe von 67 Mio. US-Dollar an "G. /P. " zu zahlen. Angesichts der zurückliegenden gescheiterten Finanzierungsversuche im Zusammenhang mit der Einschaltung von Ba. sei es unvertretbar und auch nicht mehr durch den der Geschäftsführung der Nürburgring GmbH obliegenden unternehmerischen Gestaltungsspielraum gedeckt gewesen, die Nürburg- ring GmbH hinsichtlich der Zahlung der Provision in einer Höhe von 4 Mio. € in Vorleistung treten zu lassen. Da mit dem Abschluss der 4. Zahlungsvereinbarung ein einklagbarer Zahlungsanspruch entstanden sei, sei das Vermögen der Nürburgring GmbH bereits zu diesem Zeitpunkt in Höhe von 4 Mio. € gefährdet gewesen. Die Vermögensgefährdung sei mit der Erteilung des Überweisungsauftrages nur noch vertieft worden und habe am 6. Juli 2009 mit der Rücknahme des Überweisungsauftrags geendet.
50
b) Diese Erwägungen vermögen den Schuldspruch nicht zu tragen. Im Ergebnis rechtlich zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass D. eine ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt hat. Indes genügen die Feststellungen und Wertungen des Landgerichts nicht den an die Darstellung des Vermögensnachteils in Form einer schadensgleichen Vermögensgefährdung zu stellenden Anforderungen. Im Einzelnen:
51
aa) Es kann offen bleiben, ob die Feststellungen in rechtlicher Hinsicht den Schluss des Landgerichts tragen, D. habe die Geschäfte der Nürburgring GmbH faktisch geführt. Seine nach § 266 Abs. 1 StGB erforderliche Pflicht, die Vermögensinteressen der Gesellschaft zu schützen, folgte jedenfalls aus seiner Stellung als Mitglied des Aufsichtsrats. Hierzu gilt:
52
Eine Betreuungspflicht im Sinne des Untreuetatbestandes ist gegeben, wenn der Täter in einer Beziehung zum (potentiell) Geschädigten steht, die eine besondere, über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Den Täter muss eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen. Hierfür ist in erster Linie von Bedeutung, ob sich die fremdnützige Vermögensfürsorge als Hauptpflicht, mithin als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung darstellt. Diese besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen muss über allgemeine vertragliche Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten ebenso hinausgehen wie über eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit. Erforderlich ist weiterhin, dass dem Täter die ihm übertragene Tätigkeit nicht durch ins Einzelne gehende Weisungen vorgezeichnet ist, sondern ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird. Hierbei ist nicht nur auf die Weite des dem Täter eingeräumten Spielraums abzustellen, sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf seine tatsächlichen Möglichkeiten, ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 - 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428 mwN; vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 297 f. mwN; Urteil vom 28. Juli 2011 - 4 StR 156/11, NJW 2011, 2819; Beschluss vom 5. März 2013 - 3 StR 438/12, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52).
53
Die hiernach erforderliche hervorgehobene Stellung von D. ergab sich aus seiner Stellung als Mitglied des Aufsichtsrats. Dessen wesentliche Aufgabe ist es, die Geschäftsführung zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG, § 52 Abs. 1 GmbHG). Hieraus folgt die Pflicht, fehlerhaftes oder gesellschaftsschädigendes Verhalten des Leitungsorgans abzuwenden. Diese Verpflichtung bezieht sich nicht nur auf abgeschlossene Geschäftsvorgänge, sondern auch auf laufende Geschäfte und Maßnahmen (MüKoAktG/Habersack, 4. Aufl., § 111 Rn. 39 f.; Henssler/Strohn/Henssler, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 111 AktG Rn. 9; Krause, NStZ 2011, 57, 58).
54
Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, welche Einzelmaßnahmen zu ergreifen sind, wenn ein Aufsichtsratsmitglied ein strafbares Verhalten des Leitungsorgans feststellt. Aus der jedem Mitglied des Aufsichtsrats obliegenden Verpflichtung, den durch das Verhalten der Geschäftsführung drohenden Schaden für die Gesellschaft abzuwenden, ergibt sich notwendigerweise die Pflicht, die Geschäftsführung nicht von sich aus zu Handlungen zu veranlassen, die es aufgrund seiner Überwachungspflicht gerade abwenden müsste. Eine Verletzung dieser Pflicht stellt einen Verstoß gegen eine spezifische Treuepflicht im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB dar (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2001 - 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 201 f.). Diese Grundsätze beschränken sich nicht auf Konstellationen, in denen das Aufsichtsratsmitglied den Geschäftsführer zu von ihm abzuwendenen Handlungen bestimmt, sondern gelten gleichermaßen für die sonstige Mitwirkung des Aufsichtsratsmitglieds an entsprechenden Pflichtverletzungen der Geschäftsführung. In den sich aus der Überwachungspflicht (§ 111 Abs. 1 AktG) ergebenden Pflichtenkanon ist die Prüfung, dass sich der Geschäftsführer nicht in unzulässiger Weise seiner Leitungsfunktion begibt, ebenso eingeschlossen wie die Verpflichtung , Hinweisen auf Fehlverhalten leitender Angestellter nachzugehen und zu ermitteln, ob die Geschäftsführung ihrer Organisations- und Überwachungspflicht nachgekommen ist (MüKoAktG/Habersack, 4. Aufl., § 111 Rn. 21, 25 mwN). Eine untreuerelevante Pflichtverletzung liegt daher zumindest auch dann vor, wenn das Aufsichtsratsmitglied mit einem leitenden Angestellten - wie hier K. als Geschäftsführer und L. als Finanzdirektor und Prokurist der Nürburgring GmbH - bei einem das Gesellschaftsvermögen schädigenden Fehlverhalten zusammenwirkt.
55
bb) D. hat seine Vermögensbetreuungspflicht verletzt, indem er der Forderung von Me. , die Provision binnen 48 Stunden nach Übergabe des Schecks in Höhe von 67 Mio. US-Dollar auszuzahlen, zustimmte und hierdurch das weitere Verhalten von L. entscheidend beeinflusste, N. aufforderte, die Zahlungsvereinbarung zu unterschreiben, sowie im weiteren Verlauf versuchte, K. zur Überweisung der Provision zu veranlassen.
56
(1) Die getroffene Vereinbarung über die Modalitäten der Provisionszahlung lag außerhalb des freien unternehmerischen Gestaltungsspielraums, der dem Geschäftsführer der Nürburgring GmbH zuzubilligen war; damit handelte es sich zugleich um eine L. und N. verwehrte Maßnahme, die D. als Mitglied des Aufsichtsrats zu verhindern hatte.
57
(1.1) Nach den ursprünglich zum Aktienrecht entwickelten (BGH, Urteil vom 21. April 1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253) Grundsätzen muss dem Geschäftsführer einer GmbH bei der Leitung der Geschäfte des Unternehmens ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist. Dazu gehört neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Inkaufnahme der Gefahr, bei der wirtschaftlichen Betätigung Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen zu unterliegen. Eine Pflichtverletzung liegt erst dann vor, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes , ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt wird oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss. Diese zum Aktienrecht entwickelten, mittlerweile als sog. Business Judgement Rule in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifizierten Grundsätze gelten in gleicher Weise für den Geschäftsführer einer GmbH (BGH, Urteil vom 4. November 2002 - II ZR 224/00, BGHZ 152, 280, 284; vgl. auch RegE zu § 93 Abs. 1 AktG in BRDrucks. 3/05, S. 21) und sind auch Maßstab für das Vorliegen einer Pflichtverletzung im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 336).
58
(1.2) Danach wurden mit dem Abschluss der Vorauszahlungsvereinbarung die Grenzen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit überschritten: Angesichts des bisherigen Verlaufs der Finanzierungsversuche mit Ba. war die Wahrscheinlichkeit evident hoch, dass der von diesem übergebene Scheck nicht gedeckt sein könnte, die Finanzierung erneut nicht zustande kommen würde und damit die von Me. begehrte Erfüllung des Provisionsanspruchs keine Grundlage hatte (zur gesellschaftsrechtlichen Einstufung von Risikogeschäften als pflichtwidrig vgl. etwa Michalski-Haas/Ziemons, GmbHG, 2. Aufl., § 43 Rn. 81).
59
Zutreffend hat die Strafkammer in diesem Zusammenhang darauf abgestellt , dass der vermeintliche Investor Du. nicht offen in Erscheinung getreten war, was nach den Erfahrungen mit den bisher von Ba. vorgestellten Investoren Anlass zur Zurückhaltung hätte geben müssen; darüber hinaus ließ auch das sonstige Verhalten von Ba. an seiner Seriosität zweifeln. Bereits seine wechselnden Forderungen im Rahmen des ersten Versuchs, die Finanzierung umzusetzen, waren auffällig: Während er zunächst die Umsetzung des verfolgten Finanzierungskonzeptes davon abhängig gemacht hatte, dass seitens der I. S.A. eine Bareinlage in Höhe von 120 Mio. US-Dollar erbracht werde, verzichtete er in seiner Kreditzusage vom 15. Mai 2008 auf diese und forderte stattdessen eine Landesbürgschaft in entsprechender Höhe, um nur wenige Tage später die Landesbürgschaft nebst der Bareinlage einzufordern. Deutliche Hinweise auf seine Unredlichkeit ergaben sich weiter, als er im August 2008 gegenüber N. preisgab, aus "Nebengeschäften" mit den Anlagegeldern Zinseinnahmen erwirtschaften zu wollen, weshalb er aufgrund eintretender Zinsnachteile die von D. gewünschte Verkürzung der Anlagefrist von vierzehn auf zwölf Monate ablehnte. Auch hatte Ba. schon während des ersten Finanzierungsversuchs - bei dem der vermeintliche Investor ebenfalls bereits im Hintergrund geblieben war - vereinbarte Fristen nicht eingehalten, so etwa die Verpflichtung, binnen drei Banktagen nach "Einbuchung der Staatsbürgschaft" bzw. nach "Eingang" der Bareinlage bei der Bank eine definitive Finanzierungszusage des Investors nachzuweisen. Dass Ba. in diesem Zusammenhang zwischen dem 20. Oktober und 9. November 2008 von der Bildfläche verschwunden war - mithin ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt, als die erste Finanzierungsrate gezahlt werden sollte -, stellte seine Zuverlässigkeit zusätzlich in Frage; der von ihm hierzu später genannte Grund, er habe sich in Dubai in Untersuchungshaft befunden, unterstrich diese Zweifel - unabhängig von den verschiedenen von ihm hierzu genannten Hintergründen - ebenso wie der Umstand, dass er schließlich von sich aus gegenüber der P. S.A. die Vertragsbeziehungen gekündigt hatte. Den Beteiligten war ferner bekannt, dass Ba. wiederholt zweifelhafte Investoren ins Spiel gebracht hatte: So hatte die Ölgesellschaft T. nach den Rechercheergebnissen der Rechtsanwaltskanzlei R. nicht über die behaupteten Mittel von 1,2 Mrd. US-Dollar verfügt; auch die Prüfung der A. AG durch die Rechtsanwaltskanzlei R. hatte ergeben, dass deren behauptete Beteiligung an Geothermieprojekten nicht belegbar war und jeglicher Nachweis über die Finanzkraft der Gesellschaft fehlte. Hinsichtlich der T. hatte Ba. im Übrigen erneut eine von ihm in Aussicht gestellte Frist zum Finanzierungsnachweis nicht eingehalten. Schließlich hatte es auch bereits mit dem zuletzt von Ba. präsentierten Investor Du. Ungereimtheiten gegeben, indem etwa zunächst anvisierte Zahlungen des Investors nicht erbracht worden waren.
60
(2) Die Pflichtverletzung stellt sich auch als gravierend im Sinne der zur Ausformung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals der Untreue entwickelten Rechtsprechung dar, da diese Einschränkung der Sache nach nur den - hier wie dargelegt überschrittenen - weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraum widerspiegelt , ohne den unternehmerische Entscheidungen nicht möglich sind (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 343 ff. mwN).
61
cc) Die Urteilsgründe tragen jedoch nicht den Schluss des Landgerichts, in der Zeit vom 30. Juni bis zum 6. Juli 2009 sei das Vermögen der Nürburgring GmbH in einer Höhe von 4 Mio. € konkret (schadensgleich) gefährdet gewesen.
62
(1) Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379). Ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB kann als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, das bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Da es sich bei der Rechtsfigur des Gefährdungsschadens nicht um eine richterrechtlich geschaffene besondere Kategorie von Gefährdungsdelikten handelt, sondern auch in diesem Fall die Vermögensminderung tatsächlich eingetreten sein muss (kritisch daher zur Terminologie BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 224 f.; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331 [zu § 263 StGB]), reicht es nicht aus, lediglich die bloße (konkrete) Gefährdung des Vermögens festzustellen. Dies birgt je nach den Umständen des Einzelfalles die Gefahr einer Verschleifung der Tatbestandsmerkmale der Pflichtwidrigkeit und des Vermögensschadens; ebenso ist ein solches Vorgehen aufgrund einer undifferenzierten Gleichsetzung von zukünftiger Verlustgefahr und gegenwärtigem Schaden geeignet, die gesetzgeberische Entscheidung, den Versuch der Untreue nicht unter Strafe zu stellen, zu unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228). Daher dürfen die Verlustwahrscheinlichkeiten auch nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229). Der Vermögensnachteil ist daher eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228; zu § 263 StGB vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457, 458; vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331). Voraussetzung ist dabei, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 113; BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384). Unter diesen Voraussetzungen kann auch bereits in dem Abschluss wirtschaftlich nachteiliger Verträge eine vermögensnachteilsgleiche Vermögensgefährdung liegen (BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384 f.), wobei deren Annahme die rechtliche Wirksamkeit der eingegangenen Verpflichtung - insbesondere aufgrund des mit der Schaffung der Urkundslage verbundenen erhöh- ten Prozessrisikos (BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 - 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395 f. [zu § 253 StGB]) - nicht zwingend voraussetzt.
63
(2) An einer solchen Darlegung des Vermögensnachteils fehlt es in dem angefochtenen Urteil. Sie war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Bezifferung des Schadens keiner näheren Darlegung bedurft hätte (sog. Evidenzfall, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 48 f.; BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2013 - 3 StR 302/13, NStZ 2014, 578 [jeweils zu § 263 StGB]); insbesondere ist der durch die Gefährdung eingetretene Vermögensverlust auf Grundlage der Urteilsgründe nicht ohne Weiteres mit 4 Mio. € anzusetzen.
64
Nicht zu folgen ist der Erwägung der Strafkammer, durch den Abschluss der 4. Zahlungsvereinbarung sei ein einklagbarer Anspruch und aufgrund dessen die "Gefährdungslage" entstanden. Eine vom Zustandekommen der Finanzierung - und damit auch von der Werthaltigkeit des von Ba. übergebenen Schecks - losgelöste Zahlungsverpflichtung wurde durch die 4. Zahlungsvereinbarung nicht begründet. Hiergegen spricht bereits die Bezeichnung der Zahlung als "Vorauszahlung auf die Optionsgebühr aus dem Vertragswerk Projekt NG 2009" und damit die Bezugnahme auf den Vertrag vom 2. September 2007. Da die Prüfung des Schecks nach den getroffenen Feststellungen in vierzehn Tagen hätte abgeschlossen sein können - tatsächlich waren die Unstimmigkeiten von den beteiligten Banken sogar schon nach drei Tagen aufgedeckt worden -, wäre selbst bei unmittelbarer Anstrengung eines Urkundsverfahrens (§§ 592 ff. ZPO) seitens B. und Me. davon auszugehen gewesen , dass die Nürburgring GmbH ihre Einwendungen gegen den Provisionsanspruch mit den im Urkundsprozess zulässigen Beweismitteln (§ 598 ZPO) hätte geltend machen können.

65
Auch soweit hinsichtlich der Bestimmung des Vermögensnachteils auf die Übermittlung des Überweisungsauftrags an die Kreissparkasse Ahrweiler abgestellt wird, tragen die Urteilsgründe nicht die Wertung des Landgerichts. Insoweit war - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die die Nürburgring GmbH beratenden Rechtsanwälte Lü. und Di. etwa zeitgleich zur Übersendung des Zahlungsauftrags um 17:17 Uhr K. auf die strafrechtliche Dimension seines Handelns hinwiesen und die Überweisung zu verhindern suchten sowie dass seitens der LBBW gegenüber dem Finanzministerium noch am 3. Juli 2009 um 19:19 Uhr und 20:14 Uhr Zweifel an der Werthaltigkeit des Schecks geäußert worden waren - in die erforderliche Bewertung einzustellen, dass nach seinerzeitiger Rechtslage der Überweisungsauftrag seitens der Nürburgring GmbH bis zu dem Zeitpunkt kündbar war, in dem der Überweisungsbetrag dem Kreditinstitut der G. AG endgültig zur Verfügung gestellt worden wäre (§ 676a Abs. 4 BGB aF).
66
c) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat insoweit auf Folgendes hin:
67
aa) Entsprechend der Anregung des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 26. Januar 2015 wird im Hinblick auf die erforderliche wirtschaftliche Bewertung der tatsächlichen Vermögenseinbuße die Hinzuziehung eines Sachverständigen zu erwägen sein.
68
bb) Sollten sich aufgrund der neuen Hauptverhandlung die Voraussetzungen einer schadensgleichen Vermögensgefährdung belegen lassen, wird bei der erforderlichen Bezifferung des Vermögensnachteils in den Blick zu nehmen sein, dass sich D. mit Me. anlässlich des Telefonats vom 29. Juni 2009 auf eine unmittelbare Rücküberweisung von 1,2 Mio. € an die Nürburgring GmbH verständigt hatte. Soweit hierdurch oder vor dem Hintergrund dieser Abmachung durch den Abschluss der 4. Zahlungsvereinbarung ein vertraglicher Anspruch der Nürburgring GmbH auf Rücküberweisung in der verabredeten Höhe entstanden sein sollte, könnte der Vermögensnachteil durch den vertraglichen Gegenanspruch teilweise kompensiert worden sein.
69
2. Auch der Schuldspruch wegen Untreue zum Nachteil des Landes Rheinland-Pfalz in den Fällen IV.9 a) bis c) und e) bis j) kann nicht bestehen bleiben.
70
a) Das Landgericht hat D. aufgrund seiner Stellung als Finanzminister und der hiermit einhergehenden, unter anderem aus § 11 Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 bzw. 2009/2010 folgenden Befugnisse als gegenüber dem Land Rheinland-Pfalz vermögensbetreuungspflichtig angesehen. Mit der Übernahme von Landesbürgschaften in voller Höhe der jeweils von der ISB GmbH der RIM GmbH gewährten Darlehen habe er gegen den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 6 Haushaltsgrundsätzegesetz , § 7 Landeshaushaltsordnung Rheinland-Pfalz [im Folgenden : LHO]) verstoßen, weil die Bürgschaftsübernahmen erklärt worden waren , obwohl sich die RIM GmbH entgegen § 65 Abs. 1 Nr. 3 LHO im Rahmen der eingegangenen stillen Beteiligung bei der Med. GmbH keinen angemessenen Einfluss gesichert habe, die Beteiligungsgelder ohne vorherige Bestellung wirksamer grundpfandrechtlicher Sicherheiten gezahlt worden seien und auch ansonsten keine ausreichende Besicherung gegeben gewesen sei. Die Med. GmbH sei auch niemals in der Lage gewesen, die Beteiligungsgelder fristgerecht zurückzuzahlen. Aufgrund der hieraus folgenden Ausfallgefährdungen habe jeweils die "hohe Wahrscheinlichkeit" für den Eintritt des Bürgschaftsfalls bestanden. Aufgrund dessen sei das Landesvermögen bereits mit der Bürgschaftsübernahme schadensgleich gefährdet gewesen. Soweit in den Einzelfällen zugunsten der RIM GmbH nach diesem Zeitpunkt Grundschulden bestellt worden seien, um die jeweiligen Ansprüche auf Rückzahlung der Beteiligungsgelder abzusichern, sei von deren vollen Werthaltigkeit auszugehen. Im Fall IV.9 b) der Urteilsgründe habe die Vermögensgefährdung daher mit dem Eingang des jeweiligen Antrags auf Eintragung der Briefgrundschuld geendet, in den Fällen bestellter Eigentümergrundschulden (Fälle IV.9 e) bis j) der Urteilsgründe) sei dies mit Eingang des Grundschuldbriefes bei der RIM GmbH anzunehmen. Im Fall IV.9 d) der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten mangels eingetretenen Vermögensnachteils freigesprochen, da die Beteiligungssumme an dem Tag ausgezahlt wurde, an dem die Anträge auf Eintragung der Grundschulden bei den Grundbuchämtern eingingen.
71
b) Die Feststellungen tragen eine Strafbarkeitvon D. wegen Untreue zum Nachteil des Landes Rheinland-Pfalz bereits deshalb nicht, weil die Strafkammer ihre Annahme, mit der Übernahme der Bürgschaften sei das Vermögen des Landes Rheinland-Pfalz schadensgleich gefährdet worden, nicht rechtsfehlerfrei begründet hat.
72
aa) Die Übernahme einer Bürgschaft stellt einen den Bürgen verpflichtenden Rechtsakt dar. Mangels eines unmittelbaren Zahlungsabflusses liegt in der Bürgschaft zunächst nur eine abstrakt wirkende Belastung, die die Gefahr der späteren Inanspruchnahme in sich trägt. Ein Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB besteht bei Abgabe der Bürgschaftserklärung nur dann, wenn sich die künftige Verlustgefahr aufgrund der Eintrittswahrscheinlichkeit des Bürgschaftsfalles schon zu diesem Zeitpunkt so weit verdichtet hat, dass sie als schadensgleich zu qualifizieren ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378 mwN). Wie bereits zu Fall IV.8 der Urteilsgründe ausgeführt ist dies eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren. Mit der vollen Höhe der Bürgschaftssumme kann ein Gefährdungsschaden nur angesetzt werden, wenn mit einer Inanspruchnahme von vornherein zu rechnen ist oder es sich bei dem durch die Bürgschaft ermöglichten Vorhaben um ein hochspekulatives Risikoprojekt handelt (BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378).
73
bb) Nach diesen Maßstäben belegt das angefochtene Urteil einen Vermögensnachteil nicht. Eine an den Maßstäben des Wirtschaftslebens ausgerichtete Darstellung und Bezifferung des Vermögensnachteils ist den Urteilgründen nicht zu entnehmen. Sie war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Rückzahlungsansprüche der ISB GmbH gegen die RIM GmbH "höchst ausfallgefährdet" waren und die Vermögensgefährdung mit den jeweiligen Bürgschaftssummen gleichzusetzen wäre; denn dieser Schluss wird von den Feststellungen nicht getragen.
74
(1) In den Fällen IV.9 b) und e) bis j) der Urteilsgründe hat sich die Strafkammer zutreffend mit der Frage auseinandergesetzt, ob mit der Bestellung der jeweiligen Grundpfandrechte eine Sicherung der RIM GmbH in Höhe der jeweils geleisteten stillen Einlagen eingetreten war. Die Annahme, die Grundschulden seien in sämtlichen Fällen ausreichend werthaltig gewesen, um im Falle einer Verwertung die RIM GmbH in Höhe ihrer Rückzahlungsansprüche zu befriedigen, widerspricht jedoch der Bewertung der Bürgschaften als "höchst ausfallgefährdet". Das Landgericht hat hierbei insbesondere unberücksichtigt gelassen, dass der Ausfall der durch die Bürgschaft abgesicherten Hauptforderung gemäß Ziff. 7 der jeweils zugrundeliegenden globalen Bürgschaftserklä- rungen daran geknüpft war, dass die RIM GmbH als Darlehensnehmerin mit ihrer Rückzahlungsverpflichtung länger als drei Monate in Verzug war und aus der Verwertung der für das refinanzierte Geschäft bestellten Sicherheiten ein Erlös nicht mehr zu erwarten war. Da der längste Zeitraum zwischen Auszahlung der stillen Beteiligung und Bestellung der Grundschuld nur rund vier Monate betrug (Fall IV.9 g) der Urteilsgründe), die Rückzahlungsansprüche aus den Darlehensverträgen aber erst nach diesem Zeitpunkt fällig wurden, war innerhalb dieses kurzen "ungesicherten" Zeitraums mit einer Inanspruchnahme des Landes Rheinland-Pfalz nicht zu rechnen. Kein anderes Ergebnis ergibt sich aus dem Umstand, dass die stillen Beteiligungen ausgezahlt wurden, bevor die Anträge auf Bestellung der Grundschulden bei den jeweiligen Grundbuchämtern eingegangen waren. Dies wäre im Rahmen der vorzunehmenden Prognose nur dann bedeutsam, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestand, dass es zu der Bestellung nicht kommen würde. Dies hat das Landgericht jedoch weder ausdrücklich festgestellt noch geben die getroffenen Feststellungen in ihrem Zusammenhang hierfür einen Anhalt.
75
Aufgrund der Annahme des Landgerichts, die bestellten Grundschulden seien im Zeitpunkt ihrer Bestellung hinsichtlich der abgesicherten Forderungen werthaltig gewesen, ist die Feststellung einer schadensgleichen Vermögensgefährdung auch in den Fällen IV.9 a) und c) der Urteilsgründe nicht nachvollziehbar. Die Validität der Grundschulden hing maßgeblich von der Rentabilität des Ausbauprojektes "Nürburgring 2009" und der auf den belasteten Grundstücken errichteten Anlagen ab. Von diesen Faktoren war gleichermaßen auch die Wirtschaftskraft der Med. GmbH und der MS. GmbH abhängig, so dass die positive Bewertung der bestellten Sicherheiten für die Annahme spricht, dass die Beteiligungsgelder seitens der Med. GmbH bei deren Fälligkeit bzw. im Zeitpunkt einer Inanspruchnahme des Landes Rheinland-Pfalz - ge- mäß der jeweiligen Sicherungsabrede frühestens drei Monate nach Verzug der RIM GmbH - hätten bedient werden können.
76
(2) Die Strafkammer hat sich im Rahmen der Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit im Rahmen der Bürgschaften eine Einstandspflicht des Landes Rheinland-Pfalz zu erwarten gewesen sei, zudem im Wesentlichen auf die Darstellung der Vermögensverhältnisse der Med. GmbH als Vertragspartnerin der Hauptschuldnerin RIM GmbH beschränkt. Da die Bürgschaften im Zeitpunkt ihrer Vergabe nach dem Vertragswerk frühestens drei Monate nach Zahlungsverzug der RIM GmbH in Anspruch genommen werden konnten, hätte die erforderliche Ausfallprognose auf diesen Zeitpunkt bezogen werden müssen. Insoweit war auch zu belegen, ob bzw. in welchem Umfange davon auszugehen war, dass die MS. GmbH die ihrerseits von der Med. GmbH erhaltenen Darlehen nicht zurückzahlen werde. Dass die Strafkammer die seitens der Med. GmbH an die RIM GmbH verpfändeten Geschäftsanteile an der MS. GmbH als wertlos angesehen hat, führt insoweit zu keinem anderen Ergebnis ; die Begründung, die MS. GmbH sei vollständig fremdfinanziert gewesen und als Gegenwert für die zur Verfügung gestellten Gelder habe lediglich eine unvollendete Baustelle gegenübergestanden, lässt besorgen, dass das Landgericht den Wert der Anteile lediglich bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Verpfändung bewertet hat. Der bloße Umstand der Fremdfinanzierung besagt als solcher aber noch nichts über die im Tatzeitpunkt zu erwartende Unrentabilität der geförderten Bauvorhaben. Diese liegt im Fall IV.9 a) der Urteilsgründe auch nicht nahe; hiergegen spricht, dass die in diesem Fall eingegangenen stillen Beteiligungen der RIM GmbH dazu dienten, eine Kreditvergabe der BTV in Höhe von 26 Mio. € zu ermöglichen, was schließlich auch gelang, wobei die BTV ihr Engagement naheliegend erst nach eigener umfassender Prüfung und Bewertung des Projektes eingegangen war.

77
c) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat zu diesen Anklagepunkten auf Folgendes hin:
78
aa) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass D. schon angesichts der in den jeweiligen Landeshaushaltsgesetzen eingeräumten weiten Befugnisse, über das Vermögen des Landes Rheinland-Pfalz zu verfügen und dieses zu verpflichten (vgl. etwa §§ 9, 11 Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 und Landeshaushaltsgesetz 2009/2010), eine hervorgehobene Verantwortung gegenüber dem Land und dessen Vermögen zukam, er mithin vermögensbetreuungspflichtig war.
79
Durch die jeweils hundertprozentige Absicherung der von der ISB GmbH gewährten Darlehen könnte er gegen die Vorschriften zum Vollzug der Landeshaushaltsordnung (VV-LHO) verstoßen haben. Gemäß § 39 Ziff. 5 Satz 2 VVLHO dürfen Bürgschaften nicht übernommen werden, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Inanspruchnahme des Landes zu rechnen ist. Gemäß Satz 3 sind in diesem Fall Ausgaben oder Verpflichtungsermächtigungen (§ 23 LHO) erforderlich (vgl. hierzu Heller, Haushaltsgrundsätze, Rn. 1275; Nebel in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 47. EL, § 39 BHO Rn. 1 f.; Graf in: Heuer, KHR, Rn. 3 zu § 39 BHO). Der Regelung in § 39 Ziff. 5 Sätze 2 und 3 VV-LHO kommt eine die Vermögensinteressen des Haushaltsgebers schützende Bedeutung zu, da die Differenzierung nach der Gewissheit der späteren Inanspruchnahme der hierdurch einhergehenden Beschränkung des künftigen Haushaltsgesetzgebers Rechnung trägt.
80
Sollte ein Verstoß gegen § 39 Ziff. 5 Satz 2 VV-LHO vorliegen, könnte gegebenenfalls auch zu erwägen sein, ob D. zusätzlich pflichtwidrig den aus § 5 Abs. 1 Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 bzw. Landeshaushaltsgesetz 2008/2009 folgenden Parlamentsvorbehalt umging, wonach Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen im Rahmen einer institutionellen Förderung unter den dort genannten Voraussetzungen gesperrt waren und die Aufhebung der Sperre einer Einwilligung des Landtages bedurfte, wenn - wie hier - die Zuwendung den Betrag von 150.000 € überschritt. In Bezug auf die der ISB GmbH ermöglichten Darlehensvergabe bzw. der der RIM GmbH ermöglichten Beteiligungen an der Med. GmbH handelte es sich zwar um eine Projektförderung (vgl. hierzu Dommach in: Heuer, KHR, Rn. 5 zu § 26 BHO; Heller, Haushaltsgrundsätze, 2. Aufl., Rn. 1398 ff.), weil die - dies unterstellt - nach § 39 Ziff. 5 Satz 3 VV-LHO als Zuwendung zu veranschlagenden Landesbürgschaften der Deckung von Ausgaben für ein einzeln abgegrenztes, genau bestimmtes Vorhaben der RIM GmbH dienten. Eine (mittelbare) globale Förderung im Sinne einer institutionellen Förderung gemäß § 5 Abs. 1 Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 bzw. Landeshaushaltsgesetz 2009/2010 lag aber in den Fällen IV.9 b) und e) bis j) der Urteilsgründe gegenüber der MS. GmbH vor; denn insoweit wurden die Gelder jeweils zur Begleichung nicht näher dargestellter Forderungen transferiert, bei deren Nichtbegleichung ein Baustopp gedroht hätte.
81
bb) Soweit die Strafkammer demgegenüber eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch einen Verstoß gegen den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 LHO) angenommen hat, ist sie im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass ein solcher grundsätzlich eine untreuerelevante Pflichtwidrigkeit darstellen kann (BGH, Urteil vom 29. August 2007 - 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, 89; vgl. auch BVerfG, Be- schluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 217 f.; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 266 Rn. 236; MüKoStGB/Dierlamm, 2. Aufl., § 266 Rn. 261; S/S-Perron, StGB, 29. Aufl., § 266 Rn. 19b, 44; aA Munz, Haushaltsuntreue, S. 162 ff.). Die getroffenen Feststellungen belegen einen derartigen Verstoß indes nicht. Hierzu gilt:
82
(1) Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit soll die bestmögliche Nutzung der öffentlichen Ressourcen sicherstellen (Ziff. 1 VV-LHO zu § 7; v.Lewinski/Burbat, BHO, § 7 Rn. 3). Er bezweckt, dass die günstigste Relation zwischen dem verfolgten Zweck und den einzusetzenden Mitteln angestrebt wird (Eibelshäuser/Nowak in: Heuer, KHR, Rn. 16 zu § 7 BHO [Teil 1]; Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 144). Seine Ausprägungen sind das Maximalprinzip, wonach mit einem bestimmten Mitteleinsatz das bestmögliche Ergebnis erzielt werden soll (Ziff. 1.2 zu § 7 VV-LHO) und das Minimalprinzip (auch Sparsamkeitsprinzip), wonach das Ziel mit möglichst geringem Mitteleinsatz zu erreichen ist (Eibelshäuser/Nowak in: Heuer, KHR, Rn. 1 ff. zu § 7 BHO [Teil 2]; Heller, Haushaltsgrundsätze, Rn. 711; Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 144). Inhaltliche Aufgabenprioritäten lassen sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot jedoch nicht ableiten; dieses trifft - anders als der Grundsatz der Notwendigkeit (§ 6 BHO, § 6 LHO) - keine Aussage über das verfolgte Ziel (vgl. Kube in: Maunz/Dürig, GG, 75. EL, Art. 110 Rn. 154; Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 144; aA Nöhrbaß in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 49. EL, § 7 Rn. 3 [der Grundsatz der Notwendigkeit als besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots]); es ist mithin zwar eine Verfahrensmaxime, aber kein Maßstab, der an das politischgestalterische Ziel anzulegen ist (vgl. Kube in: Maunz/Dürig, GG, 75. EL, Art. 114 Rn. 102; Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 144). Schließlich stellt das Gebot - nicht zuletzt auch deswegen, weil sich Maximal- und Minimalprinzip im Einzelfall gegenseitig ausschließen können - nur einen äußeren Begrenzungsrahmen des bestehenden Entfaltungs- und Gestaltungsspielraums dar und verhindert nur solche Maßnahmen, die mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlicht unvereinbar sind (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2004 - 4 StR 294/04, NStZ-RR 2005, 83, 84 mwN; vom 29. August 2007 - 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, 88).
83
(2) Bei ihrer Erwägung, der Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sei darin begründet, dass sich die RIM GmbH entgegen § 65 Abs. 1 Nr. 3 LHO keine hinreichenden Kontrollbefugnisse und damit keinen angemessenen Einfluss bei der Med. GmbH gesichert habe, hat die Strafkammer verkannt, dass sich das Land Rheinland-Pfalz nicht unmittelbar an der Med. GmbH beteiligte. Vielmehr lag - vermittelt über ISB GmbH und RIM GmbH - nur ein Fall der sog. mittelbaren Beteiligung vor. Für diese gilt die Vorgabe des § 65 Abs. 1 Nr. 3 LHO gemäß § 65 Abs. 3 Sätze 1 und 3 LHO jedoch nur, wenn eine Beteiligung von mehr als 25% erworben wird (Nöhrbaß in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 46. EL, § 65 Rn. 13; vgl. auch Ziff. 2.3 zu § 65 VV-LHO). Ein Erwerb von Gesellschaftsanteilen der Med. GmbH war mit den stillen Beteiligungen der RIM GmbH nach den getroffenen Feststellungen jedoch nicht verbunden.
84
In den Fällen IV.9 b), e) bis j) der Urteilsgründe ist eine Verletzung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch nicht darin begründet , dass die Bürgschaften bereits vor der Bestellung der grundpfandrechtlichen Sicherheiten übernommen wurden. Zwar lässt sich am Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich messen, ob durch ein kurzfristiges Handeln vermeidbare finanzielle Nachteile entstehen. Dass D. allein durch die zeitliche Komponente seines Handelns den ihm zuzubilligenden Gestaltungsspiel- raum überschritt, belegen die Urteilsgründe jedoch nicht: Diesen sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die dafür sprechen, dass die spätere Bestellung der Grundpfandrechte ernsthaft in Zweifel hätte gezogen werden müssen. Einer Inanspruchnahme des Landes vor diesem Zeitpunkt standen bereits die in den globalen Bürgschaftserklärungen enthaltenen Fälligkeitsbestimmungen entgegen. Zudem ist in den Blick zu nehmen, dass ein Baustopp unabhängig von politischen Erwägungen nachteilige Konsequenzen für das Bauprojekt und insbesondere die Geschäftsbeziehung mit den die Bauarbeiten ausführenden Firmen bis hin zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen hätte nach sich ziehen können.
85
Schließlich belegen die getroffenen Feststellungen auch nicht, dass aus anderen Gründen durch die gewählte Konstruktion mit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht mehr vereinbare finanzielle Nachteile entstanden, etwa durch hohe Transaktionskosten, die bei einer unmittelbaren Darlehensvergabe der ISB GmbH an die MS. GmbH und einer entsprechenden Landesbürgschaft nicht angefallen wären.
86
cc) Soweit die Strafkammer angenommen hat, dass in dem von den Beteiligten gewählten Vorgehen ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorschriften zur Gewährung von Beihilfen (Art. 107 ff. AEUV) lag (vgl. auch die Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 1. Oktober 2014 - IP/14/1067), ist sie zutreffend davon ausgegangen, dass dies keine untreuerelevante Pflichtverletzung darstellte. Nicht jeder Verstoß gegen die Rechtsordnung begründet zugleich eine im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB relevante Pflichtverletzung. Der erforderliche untreuespezifische Zusammenhang liegt vielmehr nur dann vor, wenn der unmittelbar verletzten Rechtsnorm selbst vermögensschützender Charakter zukommt (BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, NJW 2011, 88, 91 f.). Dies ist bei den europäischen Beihilfevorschriften , deren Zweck im Schutz des Binnenmarktes vor Wettbewerbsverzerrungen liegt (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 92/11, EuZW 2013, 753, 755, 757; G/H/N/von Wallenberg/Schütte, 57. EL, AEUV, Art. 107 Rn. 10; Koenig/Meyer, NJW 2014, 3547, 3550 f.), nicht der Fall.
87
In der Nichtbeachtung der Art. 107 ff. AEUV lag auch nicht deshalbein Verstoß gegen das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit , weil eine europarechtswidrige Ausgabe nicht geleistet werden dürfe und damit zwangsläufig haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgrundsätze verletze. Die Gegenmeinung (vgl. Koenig/Meyer, NJW 2014, 3547, 3551) stützt sich auf die Erwägung, die eine Ausgabe zur Beihilfe qualifizierende Begünstigung im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV setze voraus, dass das Unternehmen eine Leistung ohne angemessene, marktübliche Gegenleistung erlange und sich damit aus Sicht des "market economy investors" als unwirtschaftlich darstelle. Hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, eine EUbeihilferechtswidrige Leistung verletze zugleich haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgrundsätze. Die Unwirtschaftlichkeit einer Maßnahme der öffentlichen Hand verstößt nicht zwangsläufig gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, weil dieses nur eine relative Betrachtung gemessen am selbst nicht zu bewertenden, mit der Leistung verfolgten Zweck verlangt (vgl. Kube in: Maunz/Dürig, GG, 75. EL, Art. 114 Rn. 102); sie bewirkt auch nicht ohne weiteres einen Verstoß gegen den Grundsatz der Notwendigkeit (§ 6 BHO, § 6 LHO). Aus diesem Grunde stehen beide Haushaltsgebote - was die Gegenmeinung nicht in Frage stellt - auch nicht der Gewährung von mit dem EU-Recht vereinbaren Beihilfen (Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV) entgegen, die ebenfalls an die Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 1 AEUV anknüpfen (G/H/N/von Wallenberg/Schütte, 57. EL, Art. 107 Rn. 16 f.; von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl., AEUV, Art. 107 Rn. 196, 212).
88
dd) Hinsichtlich der Feststellung und Bewertung der Höhe des eingetretenen Vermögensnachteils gilt:
89
(1) Sollte das Land Rheinland-Pfalz zwischenzeitlich auf die Bürgschaften bzw. auf die diese im Rahmen des Umschuldungskonzeptes ersetzende Garantie- und Freistellungserklärung finanzielle Leistungen erbracht haben, käme es in dieser Höhe auf die exakte Bezifferung des Gefährdungsschadens im Tatzeitpunkt nicht mehr an. In diesem Fall hätte sich der ursprüngliche Eingehungsschaden in einem Erfüllungsschaden materialisiert und würde sich nach dessen Wert bemessen (vgl. insoweit zur Schadensbestimmung im Rahmen von § 263 StGB: BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2010 - 3 StR 434/10, StraFo 2011, 238, 239; vom 14. April 2011 - 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638, 639; Urteil vom 8. Oktober 2014 - 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 91; Beschluss vom 23. Juli 2015 - 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341).
90
(2) Nicht zu folgen ist der Auffassung, in einer Bürgschaftsvergabe liege mangels Unmittelbarkeit zwischen Pflichtverletzung und Vermögensnachteil dann keine Untreue, wenn - wie hier - der Eintritt des Bürgschaftsfalls den Verzug des Schuldners über einen längeren Zeitraum voraussetze (vgl. Schneider, wistra 2015, 369, 374). Zutreffend ist zwar, dass die Tathandlung im Rahmen von § 266 Abs. 1 StGB den Vermögensnachteil unmittelbar bewirken muss (vgl. BGH, Urteile vom 7. September 2011 - 2 StR 600/10, NJW 2011, 3528, 3529; vom 11. Dezember 2014 - 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94, 115 f.; umfassend SSW-StGB/Saliger, 2. Aufl., § 266 Rn. 84, 62 mwN; aA Rübenstahl /Wasserburg NStZ 2004, 521, 526). Besteht dieser im Tatzeitpunkt aber schon aufgrund der durch die Rahmenumstände gegebenen sicheren Erwartung , dass der Bürgschaftsfall eintreten wird, so ist die aufgrund der Eintrittswahrscheinlichkeit schon durch Eingehen der Verbindlichkeit bewirkte Vermögensminderung in diesem Sinne unmittelbar. Unerheblich ist dann, ob der Erfüllungsschaden isoliert betrachtet eine derartige sachliche und zeitliche Nähe zu der Pflichtverletzung aufweist, dass er dem Unmittelbarkeitserfordernis genügen könnte.
91
(3) Die Haftung der RIM GmbH gegenüber der ISB GmbH war nach den jeweiligen Darlehensverträgen begrenzt auf die Geldeingänge aus der refinanzierten Beteiligung sowie auf die Erlöse der für diese Beteiligung bestellten Sicherheiten , wobei nach weiterer Vereinbarung die Haftungsfreistellung einer Inanspruchnahme des Bürgen durch die ISB GmbH nicht entgegenstehen durfte. Vor dem Hintergrund der Regelung des § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB wird gegebenenfalls zu erörtern sein, ob - was naheliegend erscheint - in den ausgegebenen globalen Bürgschaftserklärungen oder den Schreiben, mit denen D. die Bürgschaft auf die volle Darlehenssumme erstrecken ließ, diesbezügliche Erklärungen des Landes enthalten waren (zur Abdingbarkeit von § 768 vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08, BGHZ 181, 278, 288 f.; MüKoBGB/Habersack, 6. Aufl., § 768 Rn. 3) oder ob entsprechende Einschränkungen sonst aus der Sicherungsabrede folgten (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - XI ZR 331/07, WM 2008, 1350, 1352; Palandt-Sprau, BGB, 75. Aufl., § 768 Rn. 7).
92
(4) Von seiner Annahme ausgehend, dass bereits in dem Eingehen der Bürgschaftsverpflichtung eine schadensgleiche Vermögensgefährdung lag, hat sich das Landgericht konsequent mit der den Schuldgehalt der Tat betreffenden Frage befasst, ob die angenommene Vermögensgefährdung durch spätere Umstände entfallen war. Soweit es den "Gefährdungszeitraum" im Fall IV.9 a) der Urteilsgründe allerdings - D. insoweit nicht beschwerend - auf den "Zeitraum der zugelassenen Anklage" begrenzt hat, begegnet dies rechtlichen Bedenken. Mit dem erstmaligen Eintritt des Vermögensnachteils, im Fall der einem Schaden gleichkommenden Gefährdungslage schon mit dieser, ist das Delikt der Untreue vollendet (BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2001 - 5 StR 530/00, NStZ 2001, 650; vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379). Spätere Entwicklungen, die den Schaden vertiefen oder entfallen lassen, wirken sich allerdings auf das Maß der Schuld aus. Sie sind daher für die Beurteilung von Tat und Täter von Bedeutung und vom Gericht - im Rahmen seiner Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) - zu ermitteln. Der Grundsatz , dass sich Untersuchung und Entscheidung auf die in der Anklage bezeichnete Tat beschränken (§§ 155, 264 StPO), steht dem nicht entgegen (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1975 - 1 StR 755/75, NStZ 1981, 99 mwN).
93
ee) Das neue Tatgericht wird auch zu prüfen haben, ob sich D. wegen Anstiftung zur Untreue durch die Mitangeklagten M. und/oder W. strafbar gemacht hat. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt , dass gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV verstoßende Rechtsgeschäfte gemäß § 134 BGB unwirksam sein können (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 92/11, EuZW 2013, 753, 755 ff. mwN), wird zu prüfen sein, inwieweit bewusst Leistungen rechtsgrundlos oder ohne rechtswirksame Absicherung erbracht wurden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 591/11, NJW 2013, 401, 403).
94
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen IV.8, 9 a) bis c) und
e) bis j) der Urteilsgründe entzieht den insoweit verhängten Einzelstrafen die Grundlage und hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge. Im Fall IV.8 der Urteilsgründe sind die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen , mit Ausnahme derjenigen zum Vermögensnachteil, von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende, zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehende Feststellungen bleiben möglich. In den Fällen IV.9 a) bis c) und e) bis j) der Urteilsgründe hebt der Senat die Feststellungen über den Antrag des Generalbundesanwalts hinaus vollständig auf, da der Angeklagte im Hinblick auf die vom Senat erteilten Hinweise noch keine Möglichkeit der Verteidigung hatte und um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
95
4. Gemäß § 357 StPO war die Aufhebung des Urteils in den Fällen IV.9
a) bis c) sowie e) bis j) der Urteilsgründe auf die Mitangeklagten M. und W. zu erstrecken.
96
5. Im Übrigen hat die auf die Sachbeschwerde gebotene materiellrechtliche Überprüfung des Urteils aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 26. Januar 2015 dargelegten Gründen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil von D. ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
97
a) Es kann auch in den Fällen IV.5, 6, 7 und 10 der Urteilsgründe offen bleiben, ob D. als faktischer Geschäftsführer der Nürburgring GmbH zu qualifizieren ist, da sich dessen Vermögensbetreuungspflicht - wie zu Fall IV.8 der Urteilsgründe dargelegt - jedenfalls aus seiner Stellung als Mitglied des Aufsichtsrats ergab.
98
b) In den Fällen IV.5, 6 und 7 der Urteilsgründe lagen schon die Vereinbarungen zu den einzelnen Zahlungen - wie das Landgericht hinsichtlich Fall IV.6 der Urteilsgründe zutreffend ergänzend dargelegt hat - außerhalb des der Geschäftsführung zuzubilligenden unternehmerischen Gestaltungsspielraums, da die Zahlungen nicht im Unternehmenswohl der Nürburgring GmbH lagen:
99
Im Fall IV.5 der Urteilsgründe entstanden der Nürburgring GmbH durch die Übernahme der Gründungskosten für die G. AG nach den getroffenen Feststellungen keine auch nur im Ansatz erkennbaren Vorteile. Deren Gründung kam ausschließlich B. und Me. entgegen, die sich hierdurch steuerliche Vorteile versprachen. Auch in den Fällen IV.6 und 7 der Urteilsgründe widersprachen die Zahlungen den Unternehmensinteressen. Sie waren nicht durch den Vorvertrag vom 27. März 2007 bzw. dessen Nachträge gedeckt; zudem hatten weder die I. -GmbH noch die P. GmbH "wie auch immer geartete Leistungen" oder "abrechnungsfähige Aufwendungen" erbracht. Bei dieser Sachlage besteht nach den bereits zu Fall IV.8 der Urteilsgründe dargestellten Maßstäben die untreuerelevante Pflichtwidrigkeit von D. darin, dass er gemeinsam mit L. (Fall IV.6) bzw. in dessen Anwesenheit (Fälle IV.5 und 7) den Entschluss zur jeweiligen Zahlung fasste und diese hierdurch veranlasste. Es bedarf damit keiner näheren Betrachtung, ob - wie vom Landgericht angenommen - mit der Zahlung auch deshalb eine Vermögensbetreuungspflicht verletzt wurde, weil dieser kein wirksamer Rechtsgrund zugrunde lag. Rechtsgrundlos geleistete Zahlungen stellen zwar jedenfalls dann eine Pflichtverletzung im Sinne des Untreuetatbestandes dar, wenn das den Rechtsgrund bildende Rechtsgeschäft wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) unwirksam ist (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 591/11, NJW 2013, 401, 402). Angesichts der den § 125 Satz 2, § 134 BGB zugrundeliegenden unterschiedlichen Normzwecke ist jedoch zweifelhaft, ob dies in gleicher Weise generell auch dann anzunehmen ist, wenn die Unwirksamkeit des Rechtsgrundes aus einem Verstoß gegen ein - wie hier - rechtsgeschäftlich begründetes Formerfordernis folgt.
100
c) Die Verurteilung im Fall IV.11 der Urteilsgründe wegen falscher uneidlicher Aussage (§ 153 StGB) erweist sich aus den vom Landgericht in seinem Urteil dargelegten Gründen als rechtsfehlerfrei. Diesen wird auch nicht deshalb die Grundlage entzogen, weil das Urteil im Fall IV.8 der Urteilsgründe aufzuheben ist. Zwar knüpft die Verurteilung wegen falscher uneidlicher Aussage inhaltlich an die dortigen Vorkommnisse an. Die hierzu getroffenen Feststellungen sind jedoch weitgehend rechtsfehlerfrei getroffen und können in dem bereits dargelegten Umfang bestehen bleiben. Soweit die Feststellungen im Fall IV.8 der Urteilsgründe in Bezug auf die Bestimmung des Vermögensnachteils und hinsichtlich der subjektiven Tatseite aufgehoben worden sind, ist dies ohne Bedeutung für die Beurteilung, ob die von D. am 2. Juli 2010 vor dem Untersuchungsausschuss getätigte Aussage falsch war und dieser vorsätzlich handelte.
101
6. Zu den erhobenen Verfahrensrügen gilt das Folgende:
102
a) Die Rüge eines Verstoßes gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 26. Januar 2015 dargelegten Gründen unbegründet.
103
b) Die Rüge eines Verstoßes gegen § 199 Abs. 2 Satz 2, § 147 Abs. 1 und 4, § 338 Nr. 8 StPO, weil das Landgericht der Verteidigung die Akteneinsicht in rechtlich bedenklicher Weise erschwert habe, indem es eine Spiegelung sichergestellter Datenträger abgelehnt und Einblick in diese lediglich in den Räumen der Staatsanwaltschaft gewährt habe, ist unzulässig. Dabei kommt es auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob es sich bei den Datenträgern um Beweismittel oder Aktenbestandteile handelte, nicht an. Selbst wenn die von der Revision vertretene Einstufung als Aktenbestandteil zutreffen sollte, betreffen die mit der Rüge angegriffenen Entscheidungen des Vorsitzenden und der Strafkammer lediglich die Ausgestaltung des Rechts auf Akteneinsicht. Diese Entscheidung ist gemäß § 336 Satz 2, § 147 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht revisibel (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1999 - 1 StR 672/98, NStZ 2000, 46; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 336 Rn. 18). Ob für die Fälle einer willkürlichen Beschneidung des Einsichts- und Besichtigungsrechts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. September 2011 - 2 BvR 449/11, NJW 2012, 141, 142) etwas anderes gilt, bedarf keiner Entscheidung. Ein sachfremdes Handeln hat die Revision nicht dargelegt; insbesondere ergibt sich ein solches nicht aus den angegriffenen Entscheidungen.
104
c) Auf die Rüge eines Verstoßes gegen § 261 StPO kommt es nicht an. Sie betrifft ausschließlich die Beweiswürdigung zu den Fällen IV.9 a) bis c) und
e) bis j) der Urteilsgründe; insoweit ist der Schuldspruch mit den dazugehörigen Feststellungen schon auf die Sachrüge aufzuheben.
105
7. Durch die Teilaufhebung des Urteils ist die gegen die Kostenentscheidung gerichtete sofortige Beschwerde von D. gegenstandslos, da bereits die Teilaufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache in diesem Umfang der Kostenentscheidung die Grundlage entzieht (KK-Gieg, StPO, 7. Aufl., § 464 Rn. 14; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 464 Rn. 20, LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 464 Rn. 42)
106
III. Revision des Angeklagten K.
107
1. Der Schuldspruch kann im Fall IV.2 der Urteilsgründe keinen Bestand haben. Nach den hierzu getroffenen Feststellungen hat sich K. keiner Untreue schuldig gemacht; insoweit ist er freizusprechen. Im Einzelnen:
108
a) Das Landgericht ist der Auffassung, die Entscheidung von K. zur Übernahme der Kosten für die Gründung der P. S.A. sei nicht mehr von der ihm als Geschäftsführer eingeräumten unternehmerischen Entscheidungsfreiheit gedeckt gewesen. Er habe auch Mitwirkungsbefugnisse des Aufsichtsrats verletzt, weil es sich um eine nach § 7 Abs. 1 GesV zustimmungspflichtige Maßnahme gehandelt habe. Soweit der Aufsichtsrat die Geschäftsführung bereits mit Beschluss vom 1. Juli 2008 zu Vertragsabschlüssen im Rahmen der Finanzierung von "Nürburgring 2009" ermächtigt habe, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Beschluss sei auf Grundlage der Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 2 GesV ergangen, die dahin ausgelegt werden müsse, dass eine im Vorfeld erteilte Zustimmung nur dann zulässig sei, wenn der Aufsichtsrat diese an bestimmte Auflagen binde. Dies folge daraus, dass sich der Aufsichtsrat nach der Gesamtkonstruktion des § 7 GesV nicht jeglicher Kontrollmöglichkeiten gegenüber der Geschäftsführung begeben dürfe. An entsprechenden Auflagen habe es in dem Beschluss vom 1. Juli 2008 gefehlt. Überdies sei die Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A. auch nicht "notwendig" im Sinne des Aufsichtsratsbeschlusses gewesen.
109
b) Dies hält materiellrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht ist zwar zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass K. als Geschäftsführer der Nürburgring GmbH vermögensbetreuungspflichtig war (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 27. August 2010 - 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 274). In dem von der Strafkammer festgestellten Verhalten von K. lag jedoch keine Verletzung einer das Vermögen der Nürburgring GmbH schützenden Pflicht; weder überschritt er den ihm als Geschäftsführer eingeräumten unternehmerischen Ermessensspielraum noch umging er Mitwirkungsbefugnisse des Aufsichtsrats. Hierzu gilt:
110
aa) Die Entscheidung zur Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A. lag innerhalb des K. als Geschäftsführer eingeräumten weiten unternehmerischen Ermessensspielraums.
111
Wie im Rahmen der Revision von D. dargelegt, liegt eine Pflichtverletzung in diesem Zusammenhang erst vor, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss. Im Rahmen des der unternehmerischen Entscheidung vorausgehenden Entscheidungsfindungsprozesses sind die möglichen negativen Auswirkungen bestimmter Maßnahmen , wie etwa ein Ansehensverlust des Unternehmens in der Öffentlichkeit, ebenso in die Überlegungen einzustellen wie die mit imagepflegenden Maßnahmen einhergehenden positiven Folgen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. April 1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 255; Bosch/Lange JZ 2009, 225, 231,

233).


112
Gemessen hieran bewegte sich K. mit seiner Entscheidung, die Kosten für die Gründung der P. S.A. zu übernehmen, noch innerhalb des ihm zustehenden weiten Ermessensspielraums. Hinsichtlich der Verbindung der I. S.A. zu einem mexikanischen Drogenkartell lag aufgrund der im luxemburgischen Handelsregister enthaltenen Eintragungen zu den Gesellschaftsverhältnissen ein verifizierbarer und nicht lediglich vager oder offensichtlich haltloser Verdacht vor. Angesichts dessen war es aus unternehmenspolitischen Gründen - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Finanzierung des Ausbauprojekts auch im Bereich II noch nicht sichergestellt war und dort Privatinvestoren gesucht wurden - im Interesse der Gesellschaft, diesen Schein einer Verbindung kurzfristig zu beseitigen. Dass die I. S.A. oder die hinter ihr stehenden B. und Me. hierzu vertraglich verpflichtet waren, belegen die Urteilsgründe auch in ihrem Gesamtzusammenhang nicht. Allein der Umstand, dass eine gute Reputation naheliegend auch im eigenen Interesse der I. S.A. lag, begründete einen vertraglichen Anspruch nicht. Die Höhe der mit der Neugründung der P. S.A. verbundenen Kosten, war zwar in die Abwägung der insoweit gegenläufigen Unternehmensinteressen einzustellen ; dieser Gesichtspunkt wurde allerdings dadurch relativert, dass die Kosten bei erfolgreichem Zustandekommen der Finanzierung auf den dann fälligen Provisionsanspruch angerechnet werden konnten. Bei dieser Sachlage ist ein strafrechtlicher Vorwurf auch nicht deshalb begründet, weil K. seine Entscheidung traf, bevor die Angaben von Me. zum Erwerb der I. S.A. - die sich nur zehn Tage nach Vertragsschluss als zutreffend herausstellten - überprüft worden waren. Denn der durch die Registerlage hervorgerufene Schein blieb bestehen; Dritte hätten weiterhin den Schluss auf eine Verbindung zur mexikanischen Drogenmafia ziehen und mit den etwaigen negativen Folgen für das Ansehen der Nürburgring GmbH bzw. das Ausbauprojekt öffentlich machen können. Dass es sich hierbei nicht nur um ein fernliegendes Szenario handelte, zeigt sich daran, dass auch D. bei seinen eigenen Recherchen im Internet bereits auf entsprechende Gerüchte gestoßen war.
113
bb) K. verstieß mit seiner Entscheidung zur vertraglichen Kostenübernahme und deren Umsetzung auch nicht gegen seine Pflicht zur Einbeziehung des Aufsichtsrats gemäß § 7 Abs. 1 GesV.
114
(1) Zutreffend ist das Landgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Maßnahme grundsätzlich zustimmungsbedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 GesV war. Die Entscheidung zur Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A zählte angesichts des Ausnahmecharakters des Geschäfts sowie seiner finanziellen und unternehmenspolitischen Tragweite im Sinne der Satzung nicht mehr zum gewöhnlichen Geschäftsverkehr.
115
Die Satzungsbestimmung war auch wirksam und verstieß nicht gegen § 52 Abs. 1 GmbHG, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG: Ist nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat bei einer GmbH bestellt, so gilt gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG die Vorschrift des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG entsprechend, wonach die Satzung bestimmte Arten von Geschäften einem Zustimmungsvorbehalt durch den Aufsichtsrat unterwerfen kann. Soweit in der Kommentarliteratur zu § 52 GmbHG unter Rückgriff auf aktienrechtliche Grundsätze die Auffassung vertreten wird, satzungsmäßig bestimmte Zustimmungsvorbehalte seien aufgrund des Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz unzulässig, wenn sie - wie hier - generalklauselartig ausgestaltet sind (Michalski/Giedinghagen, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 229 mwN; MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 361, 369, 371; Ulmer/Heermann, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 110), ist dem jedenfalls für die hier zu bewertende Regelung des § 7 Abs. 1 GesV nicht zu folgen. Die zu § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG entwickelten aktienrechtlichen Grundsät- ze sind auf den fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH nicht ohne weiteres übertragbar , da § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG gemäß § 52 Abs.1 GmbHG nur anzuwenden ist, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag anderes bestimmt ist (sog. Satzungsautonomie , vgl. etwa Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 52 Rn. 24; Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 52 Rn. 3; Michalski/Giedinghagen, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 16; MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 9 ff.). Es ist daher anerkannt, dass die Satzung im Fall des fakultativen Aufsichtsrats die aus § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG folgenden Pflichten sowohl einschränken als auch ausweiten kann (BeckHdbGmbH/Müller, 5. Aufl., § 6 Rn. 52; Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 52 Rn. 13; MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 378; Ulmer/Heermann, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 110). Angesichts des im Recht der GmbH bestehenden Satzungsvorrangs kann der Ausschluss generalklauselartiger Zustimmungsvorbehalte somit nicht auf den Wortlaut des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG ("bestimmte Arten von Geschäften") gestützt werden (so aber Michalski/Giedinghagen, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 229). Angesichts der unterschiedlichen Strukturen von GmbH und AG, wonach dem Geschäftsführer einer GmbH insbesondere angesichts des deutlich stärkeren Einflusses der Gesellschaftsversammlung als oberstem Organ eine schwächere Stellung in der Gesellschaft zukommt als dem Vorstand einer AG (vgl. Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 52 Rn. 2; Michalski/Giedinghagen, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 19), bestehen gegen eine generelle Einschränkung der Geschäftsführungsbefugnis durch die Satzung keine Bedenken; unerheblich ist, dass die Regelung des § 7 Abs. 1 GesV nach aktienrechtlichen Maßstäben als unwirksam zu qualifizieren wäre (vgl. Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 66; KKAktG /Mertens/Cahn, 3. Aufl., § 111 Rn. 85; Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, S. 123 f.; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, § 111 Rn. 46). Die hier zu bewertende, nur Maßnahmen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs erfassende Bestimmung des § 7 Abs. 1 GesV beschneidet die Kompetenzen der Geschäftsführung auch nicht derart, dass deren Führungsbefugnis im Kernbereich betroffen ist (vgl. zu dieser Grenze MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 368). Da der Terminus des "gewöhnlichen" Geschäftsverkehrs zudem in handelsrechtlichen Bestimmungen über die Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis verwendet wird (vgl. etwa § 54 Abs. 1, § 116 Abs. 1 HGB), schafft dieser ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriff für den Geschäftsführer auch keinen Zustand untragbarer Rechtsunsicherheit (vgl. zu diesem Aspekt MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 361).
116
(2) K. verstieß jedoch nicht gegen § 7 Abs. 1 GesV, weil sein Vorgehen durch den Aufsichtsratsbeschluss vom 1. Juli 2008 gedeckt war und es damit einer weiteren Einbeziehung des Aufsichtsrats nicht mehr bedurfte.
117
(a) Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass auch im Fall der satzungsmäßig bestimmten Zustimmungsvorbehalte im Vorfeld erteilte Globalbeschlüsse (auch "Generalzustimmung", "Rahmenzustimmung", "Vorwegeinwilligung" ) des Aufsichtsrats grundsätzlich zulässig sind, wenn die Satzung solche - wie hier in § 7 Abs. 3 Satz 2 GesV - zulässt (vgl. Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, S. 203; Hopt/Roth in GroßKommAktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 665 f.; KKAktG /Mertens/Cahn, 3. Aufl., § 111 Rn. 109; MüKoAktG/Habersack, 4. Aufl., § 111 Rn. 126). Rechtsfehlerhaft ist allerdings der von der Strafkammer gezogene Schluss, der Aufsichtsratsbeschluss vom 1. Juli 2008 sei unwirksam, da eine im Vorfeld erteilte generelle Zustimmung zwingend mit Auflagen hätte verbunden werden müssen.
118
Aus dem Wortlaut von § 7 Abs. 3 Satz 2 GesV lässt sich die Verpflichtung des Aufsichtsrats, seine Zustimmung ausdrücklich mit Auflagen zu verbinden , nicht entnehmen. Systematisch bezieht sich die Regelung auf die "zustimmungspflichtigen Geschäfte" und erfasst damit sowohl die in § 7 Abs. 2 GesV konkretisierten als auch alle anderen unter die Generalklausel des Abs. 1 fallenden Geschäfte. Könnte der Aufsichtsrat seine Zustimmung einschränkungslos und spiegelbildlich zur Bestimmung des § 7 Abs. 1 GesV allgemein zu sämtlichen von Abs. 1 erfassten Geschäften erteilen, bestünde die Gefahr, dass er die ihm vom Satzungsgeber zugewiesene Funktion als Kontrollorgan unterliefe. Dies bedingt - wie das Landgericht insoweit zutreffend angenommen hat -, dass er den Umfang und die Voraussetzungen seiner Zustimmung präzisiert. Weitergehende Beschränkungen - auch in inhaltlicher Sicht - folgen hieraus für die Ausgestaltung des Zustimmungsbeschlusses allerdings nicht: Dass der Aufsichtsrat mit jeder Rahmenzustimmung die Kontrolle über die von der Geschäftsführung abgeschlossenen Geschäfte in einem gewissen Maße verliert , liegt in der Natur solcher Rahmenbeschlüsse; dies wird jedoch insbesondere dadurch kompensiert, dass es dem Aufsichtsrat jederzeit möglich ist, die Geschäftsführung zur Berichtserteilung anzuhalten (vgl. hierzu Koppensteiner /Schnorbus in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl., § 52 Rn. 32) und seine Generalzustimmung zu widerrufen. Schließlich verlangen weder die aus der Satzung folgende Funktion des Aufsichtsrats noch sonstige Gesichtspunkte , dass der Aufsichtsrat die für die Zulässigkeit einer Vorwegeinwilligung erforderlichen Konkretisierungen an die Geschäftsführung ausdrücklich als "Auflage" bezeichnet.
119
Nach diesen Maßstäben bestehen an der Wirksamkeit des Aufsichtsratsbeschlusses vom 1. Juli 2008 keine Bedenken. Die von der Zustimmung des Aufsichtsrats erfassten Geschäfte waren dadurch in dem erforderlichen Maße präzisiert, dass der sachliche Bezug der bewilligten Geschäfte zur Finanzierung des Ausbauprojektes hergestellt war und abzuschließenden Vereinbarungen unter der Voraussetzung eines "notwendigen" funktionalen Zusammenhangs standen.
120
(b) Die mit der Finanzierung des Projektes "Nürburgring 2009" eng verbundene Entscheidung zur Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A. war schließlich auch von dem Aufsichtsratsbeschluss vom 1. Juli 2008 umfasst. Insbesondere handelte es sich um eine im Sinne des - von der Strafkammer insoweit nicht näher ausgelegten - Aufsichtsratsbeschlusses zur Finanzierung des Projektes "notwendige" Vereinbarung.
121
Bei verständiger Würdigung beschränkte der Aufsichtsrat seine Zustimmung hiermit nicht auf den Abschluss solcher Verträge und Vereinbarungen, ohne die das Finanzierungskonzept objektiv nicht umsetzbar gewesen wäre, insbesondere die vor der Beschlussfassung seitens der Geschäftsführung vorgelegten Entwürfe des Nießbrauchs-, Generalübernehmer-, Miet- und Optionsvertrages. Vielmehr umfasste die Zustimmung auch solche Vereinbarungen, die - wie hier - in Zusammenhang mit der Finanzierung des Bereichs I standen und seitens der Geschäftsführung in vertretbarer Weise als erforderlich angesehen wurden. Dies folgt daraus, dass der Aufsichtsrat im Beschlusszeitpunkt über die Einzelheiten des verfolgten Finanzierungskonzeptes unterrichtet war und dieses umgesetzt wissen wollte; hätte er der Geschäftsführung hierbei keinen eigenen Gestaltungsspielraum einräumen oder seine Zustimmung auf die ihm vor der Entscheidung vorgelegten Vertragsentwürfe beschränken wollen, hätte es nahegelegen, entweder die Vertragsentwürfe ausdrücklich im Beschluss zu benennen oder von vornherein auf eine Generalzustimmung zu verzichten. In der stattdessen verwendeten Formulierung "Verträge und sonstigen Vereinbarun- gen" kommt die im Beschlusszeitpunkt bestehende Ungewissheit über den Umfang und die Art der für die Umsetzung der Finanzierung erforderlichen Geschäfte deutlich zum Ausdruck.
122
Die von D. befürchteten negativen Folgen auf die - zu diesem Zeitpunkt nicht sichergestellte - Finanzierung des Ausbauprojekts für den Fall, dass sich die Gerüchte um die Verbindung der I. S.A. zur mexikanischen Drogenmafia ausbreiten sollten, lagen nahe und waren von einer sachlichen Grundlage getragen. Dass K. dies anders beurteilt und aus sachfremden Erwägungen heraus gehandelt haben könnte, ist nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund war es im Sinne der dargelegten Maßstäbe vertretbar, die Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A. als für die weitere Durchführung des Projektes notwendig anzusehen.
123
c) Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden könnten, die eine Verurteilung von K. wegen Untreue zu tragen vermögen. Er spricht den Angeklagten deshalb insoweit mit der entsprechenden Kostenfolge frei (§ 354 Abs. 1, § 467 Abs. 1 StPO).
124
2. Im Fall IV.8 der Urteilsgründe tragen die getroffenen Feststellungen aus den bereits zur Revision von D. dargelegten Gründen nicht den Schuldspruch wegen Untreue zum Nachteil der Nürburgring GmbH.
125
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall IV.8 der Urteilsgründe entzieht der insoweit verhängten Einzelstrafe die Grundlage; dies und der durch den Freispruch im Fall IV.2 der Urteilsgründe bedingte Wegfall der in diesem Fall festgesetzten Einzelstrafe führen zur Aufhebung des Gesamtstrafenaus- spruchs. Die Feststellungen im Fall IV.8 der Urteilsgründe können allerdings in dem zur Revision von D. dargelegten Umfang bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
126
4. Weitere zum Nachteil von K. wirkende Rechtsfehler hat die auf die Sachrüge gebotene materiellrechtliche Nachprüfung nicht ergeben. Über die in der Begründungsschrift des Generalbundesanwalts vom 1. Juni 2015 dargelegten Gründe hinaus bedarf nur Folgendes der näheren Erörterung:
127
a) Im Fall IV.3 der Urteilsgründe überschritt K. mit der von ihm veranlassten Zahlung den ihm zukommenden unternehmerischen Entscheidungsfreiraum. Die Maßnahme lag nicht im Unternehmenswohl: Nach der - durch die Nachträge modifizierten - Vertragslage zum Vorvertrag vom 27. März 2007 bestand keine Verpflichtung der Nürburgring GmbH zum Aufwendungsersatz über September 2008 hinaus. Es war auch nicht erkennbar, dass die I. GmbH im Oktober 2008 noch wesentliche Leistungen im Hinblick auf die angestrebte Umsetzung des mit Ba. angestrebten Finanzierungskonzeptes erbringen musste; die für die Anlage der von Ba. geforderten Bareinlage erforderlichen Voraussetzungen waren bereits geschaffen. Bereits am 24. September 2008 - nur zwei Tage nach der Rechnungsstellung - wurde der Betrag von 80 Mio. € absprachegemäß angelegt; die weiteren Schritte waren von Ba. zu erbringen. Weder für die Zahlung noch für eine etwaige mündliche Vereinbarung hierüber - für deren Vorliegen die Urteilsgründe überdies keine konkreten Anhaltspunkte geben; insb. bezog sich die gegenständliche Rechnung auf § 2 des "geschlossenen Vorvertrag[s]" - bestand damit eine wirtschaftliche Rechtfertigung. Da die Maßnahme mithin außerhalb des unternehmerischen Gestaltungsspielraums lag, handelte es sich um eine Pflichtverletzung , ohne dass es auf weitere Wertungen noch ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 343 ff. mwN). Ob K. aufgrund einer Umgehung des Aufsichtsrats zusätzlich noch ein Verstoß gegen die Satzung der Nürburgring GmbH vorzuwerfen ist, bedarf keiner weitergehenden Betrachtung. Ebenso kann offen bleiben, ob Zahlungen auf eine formunwirksame Forderung stets untreuerelevant sind.
128
b) In den Fällen IV.5, 6 und 7 der Urteilsgründe liegt die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch K. ebenfalls darin, dass die gegenständlichen Zahlungen - wie im Rahmen der Revision von D. ausgeführt - unter keinem Gesichtspunkt im Unternehmenswohl und damit außerhalb des dem Geschäftsführer einzuräumenden freien Gestaltungsspielraums lagen.
129
5. Die auf Verstöße gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO und § 199 Abs. 2 Satz 2, § 147 Abs. 1 und 4, § 338 Nr. 8 StPO gestützten Verfahrensrügen bleiben aus den zur Revision von D. dargelegten Gründen ohne Erfolg.
130
IV. Revision des Angeklagten N.
131
1. Der Schuldspruch wegen Untreue im Fall IV.7 der Urteilsgründe erweist sich als rechtsfehlerhaft. Die getroffenen Feststellungen belegen kein täterschaftliches Handeln des Angeklagten N. , da sich aus ihnen weder die konkrete Verletzung einer bestehenden Vermögensbetreuungspflicht noch die allgemeinen Voraussetzungen der Täterschaft (§ 25 StGB) ergeben.
132
a) Täter der Untreue kann aufgrund des Sonderdeliktscharakters nur derjenige sein, dem eine in Bezug auf das geschädigte Vermögen bestehende Betreuungspflicht zukommt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 13. März 2013 - 2 StR 474/12, NStZ 2013, 472, 473). Der Schluss des Landgerichts, dass N. einer derartigen Pflicht zuwider handelte, wird von den Urteilsgründen nicht getragen.
133
aa) Wie im Rahmen der Revision von D. dargelegt, sind die durch § 266 Abs. 1 StGB strafrechtlich geschützten Treueverhältnisse auf die Fälle zu beschränken, in denen für den Betreuenden eine besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen begründet wird. Dabei kann eine vertragliche Beziehung, die sich insgesamt als Treueverhältnis im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB darstellt, auch Verpflichtungen enthalten, deren Einhaltung nicht vom Untreuetatbestand geschützt wird (BGH, Beschluss vom 5. März 2013 - 3 StR 438/12, NJW 2013, 1615). Nicht jede vermögensmindernde Pflichtverletzung eines Vermögensbetreuungspflichtigen ist demnach bereits untreuerelevant, sondern nur der Verstoß gegen eine Pflicht, die gerade spezifisch dem Vermögensschutz dient (MüKoStGB/Dierlamm, 2. Aufl., § 266 Rn. 40; ders. in Kempf/Lüderssen/Volk, Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 201, 204). Maßgebend für die Abgrenzung sind Inhalt und Umfang der Treueabrede, wie sie sich aus den Vertragsvereinbarungen bei sachgerechter Auslegung ergibt (BGH, Urteile vom 30. Oktober1985 - 2 StR 383/85, NStZ 1986, 361, 362; vom 30. Oktober 1990 - 1 StR 544/90, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 17; Beschluss vom 11. August 1993 - 2 StR 309/93, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht

22).


134
bb) Nach diesen Maßstäben ist das Landgericht zunächst rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass dem Angeklagten aufgrund der rechtlichen Ausgestaltung seines Arbeitsverhältnisses eine im vorstehenden Sinne qualifizierte Stellung hinsichtlich des Vermögens der Nürburgring GmbH zukam. Diese folgte aus seiner Verpflichtungs- und Freigabebefugnis für Forderungen gegen die Nürburgring GmbH bis zu maximal 20.000 € und aus seiner Aufgabe, eingehende Rechnungen auf ihre inhaltliche und sachliche Richtigkeit zu prüfen, sowie der hiermit einhergehenden Möglichkeit, auf deren Auszahlung wesentlichen Einfluss zu nehmen.
135
Die Urteilsgründe belegen jedoch nicht, dass N. im Fall IV.7 der Urteilsgründe in diesem Pflichtenkreis tätig wurde: In die mit Me. getroffene Vereinbarung über die Erstattung des Aufwendungsersatzes, war N. nicht eingebunden. Soweit der Angeklagte im Rahmen der Zahlung des Betrages von 150.000 € involviert war, belegen die - missverständlich formulierten - Fest- stellungen lediglich, dass er diese vorbereiten ließ; freigegeben wurde die Auszahlung durch K. , der die auf Veranlassung von N. erstellte Auszahlungsanordnung unterschrieb. Dass N. über eine möglicherweise nur im Innenverhältnis zur Nürburgring GmbH wirkende Beschränkung die Zahlung von Beträgen über 20.000 € wirksam anweisen konnte, belegen die Urteilsgründe nicht. Offenbleiben kann in diesem Zusammenhang, in welchem Umfang N. Handlungsvollmacht eingeräumt war; denn den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen , dass der Angeklagte mit der "Anweisung" gegenüber De. , den Geldbetrag "zu überweisen", in dem ihm hierdurch eröffneten Aufgabenbereich agierte. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass N. Leiter der von ihm aufgebauten Controlling-Abteilung der Nürburgring GmbH war; die Feststellungen lassen offen, welche konkreten Aufgaben und Entscheidungsspielräume sich für den Angeklagten hierdurch ergaben.

136
Da die inhaltlich unrichtige Rechnung der I. GmbH vom 15. Juni 2009 erst nach der Überweisung bei der Nürburgring GmbH einging, kann schließlich auch eine inhaltliche Bestätigung der Rechnung durch N. - ungeachtet der hierzu fehlenden Feststellungen - nicht ursächlich für die Auszahlung geworden sein; da sich die Urteilsgründe nicht dazu verhalten, ob und ggf. durch wen die Rechnung vom 15. Juni 2009 inhaltlich und sachlich bestätigt worden war, ergibt sich schon deshalb auch unter dem Gesichtspunkt einer von N. (mit)bewirkten falschen Buchführung (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2010 - 2 StR 111/09, NJW 2010, 3458, 3460 mwN; BGH, Beschluss vom 26. April 2001 - 5 StR 587/00, BGHSt 47, 8, 11 mwN; Urteil vom 7. Dezember 1965 - 5 StR 312/65, BGHSt 20, 304; MüKoStGB/Dierlamm, 2. Aufl., § 266 Rn. 191, 227) keine Pflichtverletzung im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB.
137
b) Die getroffenen Feststellungen belegen darüber hinaus auch nicht die allgemeinen Voraussetzungen der Täterschaft.
138
aa) Auch wenn man annimmt, N. habe in dem seine Vermögensbetreuungspflicht begründenden Pflichtenkreis gehandelt, verwirklichte er die Tat nicht im Sinne von § 25 Abs. 1 StGB selbst. Soweit er De. zu der sog. Blitzüberweisung aufforderte, lag hierin keine Aufforderung, die Überweisung unmittelbar auszuführen. Diese setzte nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe vielmehr das Vorhandensein einer unterschriebenen Auszahlungsanordnung voraus. Dass De. diese Unterschrift leisten konnte oder nach der Vorstellung von N. hätte leisten sollen, zeigen die Urteilsgründe nicht auf; hiergegen spricht auch, dass angesichts der Höhe der Zahlung auch der De. in der Hierarchie übergeordnete N. zur Unterschrift weder befugt noch willens war. Mit der bloßen Aufforderung an De. , die Überweisung vorzubereiten, war die Wahrscheinlichkeit einer späteren Auszahlung indes noch nicht in einem Maße gestiegen, dass hierin bereits eine tatbestandliche schadensgleiche Vermögensgefährdung gesehen werden kann. Entsprechendes gilt für die spätere Vorlage der Auszahlungsanordnung von N. an K. zur Unterschrift, zumal N. hierbei noch explizit auf seine Bedenken gegen den Vorgang hinwies und gegenüber seinem Vorgesetzten die Auszahlung zu verhindern suchte. Dass N. nach der Vorlage der Auszahlungsanordnung noch an dem weiteren Geschehen beteiligt war, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Nach alledem erschöpfte sich der eigene Beitrag von N. in bloßen Unterstützungshandlungen.
139
bb) Auch eine Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) von N. wird von den Urteilsgründen nicht belegt. Ein mittäterschaftliches Handeln ist gegeben, wenn ein Tatbeteiligter mit seinem Beitrag nicht bloß fremdes tatbestandsverwirklichendes Tun fördern will, sondern dieser Beitrag im Sinne arbeitsteiligen Vorgehens Teil einer gemeinschaftlichen Tätigkeit sein soll. Dabei muss der Beteiligte seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen. Der gemeinschaftliche Tatentschluss kann durch ausdrückliche oder auch durch konkludente Handlungen gefasst werden. Ob ein Beteiligter ein derart enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte für diese Beurteilung können der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille hierzu sein, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. Mai 2015 - 3 StR 575/14, BGHR VStGB § 6 Mittäter 1; vom 23. März 1994 - 3 StR 664/93, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 16). Die Annahme von Mittäterschaft erfordert allerdings nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen; es kann sogar ein Beitrag im Vorbereitungsstadium des unmittelbar tatbestandlichen Handelns (BGH, Beschluss vom 19. August 2014 - 3 StR 326/14, juris Rn. 7) und ein solcher im Stadium zwischen Vollendung und Beendigung der Tat (BGH, Beschluss vom 14. Juni 1989 - 3 StR 156/89, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 5) genügen.
140
Nach diesen Maßstäben begegnet die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Allein seine Kenntnis von der Tatbegehung durch D. und K. kann eine Mittäterschaft nicht begründen. Die festgestellten Tatbeiträge bestanden ausschließlich in Unterstützungshandlungen, welche L. oder K. ohne weiteres selbst hätten vornehmen können. Schließlich ist in den Blick zu nehmen , dass N. ersichtlich kein eigenes Interesse am Taterfolg verfolgte; denn er stellte sich von Beginn an gegen die Forderung von Me. und tat dies sowohl seinem Vorgesetzen L. als auch dem in der Unternehmenshierarchie an der Spitze stehenden K. unter Darstellung seiner Bedenken kund. Selbst wenn N. eine Vermögensbetreuungspflicht oblegen haben sollte, führt dies weder allein (vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 2008 - 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428; Urteil vom 17. September 2009 - 5 StR 521/08, NJW 2010, 92, 97; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, 10. Aufl., § 45 Rn. 21; MüKoStGB/Joecks, 2. Aufl., § 25 Rn. 186; SK-StGB/Hoyer, 32. EL, § 25 Rn. 21 ff.; aA Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 355 ff.; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 25 Rn. 39 ff., 43 f.; S/S-Heine/Weißer, StGB, 29. Aufl., Vor § 25 Rn. 82; SSW-StGB/Saliger, 2. Aufl., § 266 Rn. 107) noch in der Zusammenschau mit den weiteren seine Beteiligung kennzeichnenden Umstände zu einem anderen Ergebnis. Dies gilt auch dann, wenn man dem Tatrichter bei der vorzunehmenden Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe einen Beurtei- lungsspielraum zubilligen wollte, der nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung zugänglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254). Dieser wäre hier jedenfalls überschritten.
141
c) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass trotz des Charakters der Untreue als Sonderdelikt nicht offenbleiben können wird, ob einer täterschaftlichen Verurteilung von N. bereits die allgemeinen Voraussetzungen der (Mit-)Täterschaft oder auch seine im konkreten Fall möglicherweise fehlende qualifizierte Stellung zum Vermögen der Nürburgring GmbH entgegenstehen. Die nach § 266 Abs. 1 StGB erforderliche Vermögensbetreuungspflicht ist ein strafbegründendes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB (BGH, Beschlüsse vom 12. Juli 1994 - 1 StR 300/94, StV 1995, 73; vom 8. Januar 1975 - 2 StR 567/74, BGHSt 26, 53); ihr Fehlen begründet einen zwingenden Strafmilderungsgrund. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine weitere Milderung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben derjenigen nach § 27 Abs. 2 StGB aber dann nicht geboten , wenn die Verurteilung wegen Beihilfe allein darauf beruht, dass das strafbarkeitsbegründende persönliche Merkmal bei dem Tatbeteiligten nicht vorliegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2015 - 4 StR 476/14, wistra 2015, 146; vom 6. März 2013 - 5 StR 66/13; vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12, NJW 2013, 949, 950; vom 8. Januar 1975 - 2 StR 567/74, BGHSt 26, 53).
142
2. Auch im Fall IV.8 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen den Schuldspruch wegen Untreue nicht, weil sie weder eine Vermögensbetreuungspflichtverletzung von N. noch einen hierdurch eingetretenen Vermögensnachteil belegen. Hinsichtlich des von der Strafkammer nicht ausreichend dargelegten Vermögensnachteils gelten die insoweit zur Revision von D. dargelegten Gründe entsprechend. Zur Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht gilt Folgendes:
143
Wie bereits ausgeführt, liegt eine untreuerelevante Pflichtverletzung nur vor, wenn dem Täter eine zum Schutz des Vermögens des Geschädigten hervorgehobene Stellung zukommt und die von ihm konkret verletzte Pflicht auf den Pflichtenkreis zurückgeht, der diese Stellung begründet. Letzteres lässt sich anhand der Urteilsgründe nicht nachvollziehen. Diese teilen nicht mit, aufgrund welcher Umstände N. überhaupt an der Zahlungsvereinbarung beteiligt war. Ihnen ist auch nicht zu entnehmen, aus welchem Grunde N. mit der Vertretungsmacht ausgestattet war, die Nürburgring GmbH durch die Zahlungsvereinbarung zu verpflichten. Dies könnte aufgrund der ihm erteilten Handlungsvollmacht der Fall gewesen sein, ebenso könnte er durch eine einzelfallbezogene Entscheidung seiner Vorgesetzten hinzugezogen und ihm (ggf. konkludent ) Einzelvollmacht erteilt worden sein. Hinsichtlich der bestehenden Handlungsvollmacht bleibt jedoch in den Urteilsgründen offen, ob der Abschluss der Zahlungsvereinbarung von dieser überhaupt umfasst sein konnte. Der Begriff der Handlungsvollmacht ist inhaltlich offen und enthält keinen aus sich heraus bestimmbaren Umfang der Vollmacht. Dieser wird alleine vom Vollmachtgeber festgelegt. Auch § 54 HGB kodifiziert lediglich eine speziell geregelte Rechtsscheinhaftung (Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 54 Rn. 9; Ebenroth /Boujong/Joost/Strohn/Weber, HGB, 3. Aufl., § 54 Rn. 1), deren Umfang indes vom Inhalt der erteilten Vollmacht abhängt (Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 54 Rn. 10), und unterscheidet drei typisierte, in ihrem Umfang wesentlich differierende Varianten der Handlungsvollmacht (Ebenroth /Boujong/Joost/Strohn/Weber, HGB, 3. Aufl., § 54 Rn. 10 ff.). Nähere Feststellungen hierzu hat das Landgericht nicht getroffen. Sie lassen sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen und ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass N. mit seiner Unterschrift unter die Zahlungsvereinbarung "als Financial Controller und Handlungsbevollmächtigter der Nürburgring GmbH" der Vereinbarung zustimmte. Sollte N. hingegen aufgrund einer (konkludent) erteilten Einzelvollmacht tätig geworden sein, belegt auch dies angesichts des Zusammenwirkens mit L. als seinem Vorgesetzten noch nicht ohne weiteres den im Rahmen von § 266 Abs. 1 StGB erforderlichen eigenverantwortlichen Entscheidungsspielraum.
144
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen IV.7 und 8 der Urteilsgründe bedingt den Wegfall der verhängten Einzelstrafen und des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Der Aufhebung der Feststellungen bedarf es im Fall IV.8 der Urteilsgründe über den sich aus den Revisionen von D. und K. ergebenden Umfang hinaus auch im Hinblick auf die Umstände, welche die Vermögensbetreuungspflicht von N. begründen.
145
4. Im Übrigen hat die auf die Sachrüge gebotene sachlichrechtliche Überprüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil von N. ergeben. Über die in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgezeigten Gründe hinaus bedarf es lediglich im Fall IV.3 der Urteilsgründe des im Rahmen der Revision von K. näher ausgeführten Hinweises, dass die Begleichung der Rechnung der I. GmbH vom 22. September 2008 und damit auch deren sachliche und inhaltliche Bestätigung bereits außerhalb des einem Geschäftsführer einzuräumenden unternehmerischen Entscheidungsspielraums lag. Auf die Frage, ob N. bewusst war, dass der Aufsichtsrat bei der Entscheidung übergangen worden war, kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht an.
Becker RiBGH Pfister ist in den Schäfer Ruhestand getreten und daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 446/11
vom
3. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 3. Mai 2012 gemäß §§ 349
Abs. 2 und 4, 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten I. und Iv. wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 6. Mai 2011, auch soweit die Mitangeklagten E. und R. betroffen sind, mit den Feststellungen (mit Ausnahme im Fall II.4) aufgehoben
a) im Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten Iv. im Fall II.4 der Urteilsgründe; die Verurteilung entfällt,
b) im Schuldspruch hinsichtlich der Angeklagten I. , Iv. und E. in den Fällen II.9, 14 und 15 der Urteilsgründe ,
c) im Schuldspruch hinsichtlich der Angeklagten I. , Iv. und R. in den Fällen II.12, 17 und 28 der Urteilsgründe ,
d) im Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten Iv. im Fall II.20, 23 und 25 der Urteilsgründe,
e) im Schuldspruch hinsichtlich der Angeklagten I. und R. im Fall II.30 der Urteilsgründe,
f) im Gesamtstrafenausspruch sowie im Ausspruch über die Kompensationsentscheidung hinsichtlich der Angeklagten I. , Iv. , E. und R. .
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten I. wegen Urkundenfälschung in 25 Fällen, davon in acht Fällen in Tateinheit mit Betrug, in sechs Fällen in Tateinheit mit versuchtem Betrug sowie in sechs Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug und Anstiftung zur Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten Iv. hat die Strafkammer wegen Urkundenfälschung in 27 Fällen, davon in zehn Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug, in sechs Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten Betrug, in sechs Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue und zum Computerbetrug sowie wegen Beihilfe zur Urkundenfälschung in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Den nicht revidierenden Mitangeklagten E. hat das Landgericht wegen Urkundenfälschung in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Untreue und mit Computerbetrug sowie in einem Fall in Tateinheit mit Betrug, den ebenfalls nicht revidierenden Mitangeklagten R. wegen Urkundenfälschung in fünf Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Untreue und mit Computerbetrug sowie in zwei Fällen in Tateinheit mit Betrug zu Gesamtfreiheitsstrafen von zehn Monaten bzw. einem Jahr und vier Monaten verurteilt, die es zur Bewährung ausgesetzt hat. Außerdem hat es hinsichtlich aller Angeklagten eine Kompensationsentscheidung wegen überlanger Verfahrensdauer getroffen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten Iv. wegen Beihilfe zur Urkundenfälschung in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten Betrug im Fall II.4 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der wiederholte Gebrauch der vom Angeklagten gefälschten Dokumente, die bereits zur Tatbegehung im Fall II.3 verwendet worden waren, stellt nach der Verurteilung in diesem Fall kein gesondert verfolgbares Tatunrecht dar. Stellt ein Täter - wie der Angeklagte Iv. im Fall II.3 der Urteilsgründe - eine unechte Urkunde her und macht sich damit wegen Urkundenfälschung strafbar, kommt eine strafbare Teilnahme des Fälschers an dem von einem anderen vorgenommenen Gebrauchmachen derselben Urkunde nicht in Betracht; insoweit liegt eine deliktische Einheit vor, in der die Beihilfehandlung aufgeht (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 156/08, insoweit in BGHSt 53, 34 nicht abgedruckt). Soweit der Angeklagte im Übrigen durch das Herstellen der unechten Urkunde Beihilfe zum (versuchten) Betrug in den Fällen II.3 und 4 leistet, ist nur eine Beihilfe im Rechtssinne gegeben. Die Verurteilung im Fall II.4 hat deshalb zu entfallen. Eines Freispruchs bedarf es insoweit - wie vom Generalbundesanwalt beantragt - allerdings nicht (vgl. BGH, NStZ 2009, 347).
3
2. Soweit die Angeklagten I. und Iv. in den Fällen II.9, 14 und 15 bzw. II.12, 17 und 28 wegen Anstiftung bzw. Beihilfe zur Untreue der Mitangeklagten E. bzw. R. verurteilt worden sind, begegnet dies durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist nicht dargetan, dass die Mitangeklagten E. und R. eine nach § 266 StGB strafbare Untreue begangen haben, an denen sich die Angeklagten I. und Iv. beteiligt haben könnten.
4
Strafbarkeit wegen Untreue setzt auch in der Variante des Missbrauchstatbestandes voraus, dass den Täter eine sog. Vermögensbetreuungspflicht trifft, die aber weder bei einem bloßen Bezug zu fremden Vermögensinteressen noch bei einer allgemeinen vertraglichen Nebenpflicht, auf die Vermögensinteressen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen, gegeben ist. Vielmehr wird verlangt, dass den Täter eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen trifft (vgl. BGHSt 1, 186, 188 f.; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 266 Rn. 35). Die Rechtsprechung entscheidet im Wege einer Gesamtbetrachtung, ob es sich bei den einer Person übertragenen Aufgaben um Angelegenheiten handelt, denen die Bedeutung der Wahrnehmung von Vermögensinteressen zukommt. Von maßgeblicher Bedeutung ist dabei in erster Linie, ob die fremdnützige Vermögensfürsorge den Hauptgegenstand der Rechtsbeziehung bildet und ob dem Verpflichteten bei deren Wahrnehmung ein gewisser Spielraum, eine gewisse Bewegungsfreiheit oder Selbstständigkeit, mit anderen Worten die Möglichkeit zur verantwortlichen Entscheidung innerhalb eines gewissen Ermessensspielraums verbleibt (st. Rspr; vgl. BGHSt 3, 289, 294; 4, 170, 172; 13, 315, 317).
5
Die danach erforderliche Gesamtbetrachtung führt auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen zur Verneinung einer für § 266 StGB erforderlichen Vermögensbetreuungspflicht (vgl. BGH, NStZ 1983, 455 zu einem Sortenkassierer mit Kontrollbefugnis des Kassenbestandes; dagegen BGH, wistra 1989, 60 zum Kassierer mit weitergehender Kontrollbefugnis). Zwar bildete die fremdnützige Vermögenssorge der bei der Postbank beschäftigten Mitangeklagten E. und R. den Hauptgegenstand ihres Tätigkeitsfeldes als Kreditsachbearbeiter bzw. Verkäufer anderer Postbankprodukte wie u.a. Versicherungen. Jedenfalls im Rahmen ihrer Kreditbearbeitung aber fehlte es den Mitangeklagten an der für die Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht erforderlichen Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Entscheidung innerhalb eines gewissen Ermessensspielraums, weil die zu erfüllenden Pflichten in allen Einzelheiten vorgegeben waren und eine Dispositionsbefugnis nicht bestand (vgl. BGH, NStZ 1982, 201; NStZ 1983, 455; s. auch BGH, StV 1987, 535). Zur Tatzeit bestand die Prüfung einer Kreditanfrage bei der Postbank regelmäßig darin, dass die persönlichen Angaben des potentiellen Kreditnehmers sowie der Kreditwunsch durch den Kreditberater in ein automatisiertes Programm eingegeben wurden, wobei es häufig ausreichte, lediglich einen Ausweis und zwei Gehaltsbescheinigungen vorzulegen. Das Programm errechnete selbständig, ob der potentielle Kreditnehmer den Kreditbetrag würde zurückzahlen können, wobei zur Bonitätsprüfung die in den Gehaltsabrechnungen enthaltenen Daten und eine automatisierte Schufa-Anfrage diente. Weiter zeigte das Programm den maximal möglichen Kreditbetrag an; insoweit waren die Kreditmitarbeiter von der Postbank angehalten, nach einer eventuellen Aufstockung des ursprünglichen Kreditwunschs zu fragen. Das Ergebnis der Prüfung wurde nach Eingabe der Daten in einem Ampelsystem dargestellt. Bei einem sog. "Grünfall" wurde der gewünschte Kredit sofort programmgestützt genehmigt und das Geld umgehend automatisiert zur Auszahlung angewiesen. Eine weitere Prüfung war nicht vorgesehen. Bei einem sog. "Gelbfall" kam es nicht zu einer sofortigen Darlehenszusage. Vielmehr waren die für die Kreditbearbeitung erforderlichen Unterlagen in ein besonderes Büro der Postbank einzuschicken, in dem dortige Mitarbeiter den Kreditwunsch nochmals individuell prüften. Bei einem sog. "Rotfall" wurde der Kreditwunsch vor Ort sofort abgelehnt; zu einer weiteren Prüfung kam es nicht (UA S. 14).
6
Entsprechend diesen Aufgaben und Befugnissen war kein Raum für ein eigenverantwortliches, selbständiges Handeln der Postbankkreditberater im unmittelbaren Zusammenhang mit der Kreditvergabe gegeben. Die programmgestützte und allein von den dortigen Vorgaben abhängige Kreditvergabe war auf eine zügige Vergabe möglichst vieler Kredite in möglichst kurzer Zeit, "bestenfalls binnen weniger Minuten", gerichtet. Eine individuelle Beratung des Kreditsuchenden war ebenso wenig vorgesehen wie ein Entscheidungsspielraum des Kreditberaters, dessen Tätigkeit sich insoweit auf die Eingabe der erforderlichen Daten in das System beschränkte. Dass er womöglich in sog. "Grünfällen" den Darlehensvertrag im Auftrag der Bank unterzeichnete, ändert an dieser Einschätzung nichts; denn insoweit handelte es sich um den bloßen Vollzug einer bereits getroffenen Entscheidung, die im Übrigen bereits zu einer automatisierten Auszahlung des Geldes geführt hatte.
7
Auch im Vorfeld der eigentlichen Kreditgewährung sind ausreichende Anhaltspunkte für eine gewisse Eigenverantwortlichkeit der Mitangeklagten E. und R. nicht zu erkennen. Die einzelnen Kreditsachbearbeiter waren in aller Regel nicht besonders zur Überprüfung der eingereichten Unterlagen geschult (UA S. 15), so dass auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass ihnen eine besondere (strafbewehrte) Pflicht zur Prüfung der ihnen vorgelegten Unterlagen auferlegt worden ist. Ihre Tätigkeit beschränkte sich insoweit maßgeblich darauf, die ihnen übergebenen Gehaltsbescheinigungen entgegenzunehmen und die sich daraus ergebenden, für die Kreditbearbeitung erforderlichen Daten in das System einzugeben. Soweit der Generalbundesanwalt in diesem Zusammenhang davon ausgeht, die Postbankmitarbeiter seien die "einzige Kontrollinstanz" gewesen, die anhand eines eigenen Eindrucks von der Person des Darlehensinteressenten und aufgrund einer Prüfung der vorgelegten Unterlagen entschieden hätten, ob die mit den vorgelegten Unterlagen behauptete Bonität tatsächlich vorgelegen habe, und darauf die Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht stützt, findet dies in den (bisherigen) Urteilsfeststellungen keine Stütze.
8
Dass die Kreditbearbeiter zu Beginn einer Kreditanfrage gehalten waren, die Kreditsuchenden auf die Voraussetzungen einer möglichen Kreditgewährung und die Notwendigkeit der Vorlage gewisser Bescheinigungen und Unterlagen hinzuweisen, begründet im Übrigen auch kein eigenverantwortliches Handeln. Denn auch dies folgte den bindenden Vorgaben der Postbank, ohne dass gewisse Handlungsspielräume für die Kreditbearbeiter erkennbar wären (vgl. BGH, NStZ 1983, 455).
9
Das Fehlen der Vermögensbetreuungspflicht bei den Mitangeklagten E. und R. führt zur Aufhebung der Verurteilung der Angeklagten I. und Iv. , auch soweit sie in diesen Fällen rechtsfehlerfrei wegen tateinheitlich verwirklichter Urkundenfälschung und Computerbetruges verurteilt worden sind. Die Aufhebung erstreckt sich insoweit gemäß § 357 StPO auch auf die nicht revidierenden Mitangeklagten E. und R. . Da es nicht ausgeschlossen erscheint, dass noch Feststellungen zum Bestehen einer Vermögensbetreuungspflicht getroffen werden können, verweist der Senat die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.
10
3. Die Verurteilung des Angeklagten Iv. in den Fällen II.20, 23 und 25 der Urteilsgründe, jeweils wegen Beihilfe zum Betrug, sowie des Angeklagten I. im Fall II.30 der Urteilsgründe wegen Betruges hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat in diesen Fällen die Annahme eines (Gefährdungs-)Schadens nicht rechtsfehlerfrei begründet (UA S. 76).
11
Die Annahme eines (Gefährdungs-)Schadens und damit eines vollendeten Betruges auch im Zusammenhang mit einer Kreditvergabe verlangt nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, NJW 2012, 907, 916) die konkrete Feststellung eines Vermögensschadens, bezogen auf den Zeitpunkt der Darlehensauskehrung, wobei dieser Schaden in aller Regel der Höhe nach konkret zu beziffern ist und sich aus der Differenz zwischen der ausgekehrten Darlehenssumme und dem - nach bilanzrechtlichen Maßstäben zu bewertenden - tatsächlichen Wert des Rückzahlungsanspruches des Darlehensgebers zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also zum Zeitpunkt der Darlehensauszahlung, bestimmt (vgl. zum Kreditbetrug BGH, NStZ-RR 2005, 374 f.). Dabei ist davon auszugehen, dass die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs des Darlehensgebers durch die Bonität des Schuldners, gegebenenfalls aber auch durch die Güte einer eventuellen Sicherheit bestimmt ist. Ist der Darlehensnehmer von vornherein zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig , ist der Wert des mit Abschluss des Darlehensvertrages entstandenen Rückzahlungsanspruches des Darlehensgebers mit Null zu bewerten, ein Schaden also in Höhe des versprochenen und ausgezahlten Darlehens entstanden. Besteht dagegen auch nur die Bereitschaft zu teilweiser Tilgung des Darlehensanspruches, kann nicht von einer völligen Wertlosigkeit des Rückzahlungsanspruchs ausgegangen werden (vgl. BGH, NStZ 2010, 329, 330).
12
Gemessen daran begegnet die Annahme eines Gefährdungsschadens in den Fällen II.20, 23, 25 und 30 durchgreifenden rechtlichen Bedenken, während in den übrigen Fällen von Kreditvergabe angesichts jeweils festgestellter Zahlungsunfähigkeit und - unwilligkeit entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts von einem Schaden in Höhe der gesamten Darlehenssumme ausgegangen werden kann.
13
Das Landgericht hat abweichend von den übrigen Fällen in den Fällen II.23, 25 und 30 der Urteilsgründe keine Feststellungen zum (Gefährdungs -)Schaden getroffen. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich nicht entnehmen, ob und in welcher Höhe mit der Darlehensauskehrung ein Vermögensschaden entstanden ist. Im Fall II.23 teilt das Landgericht zwar mit, dass der Kredit "aufgrund der vermeintlichen Bonität der Kre- ditnehmerin" ausgezahlt worden sei (UA S. 50). Ob dieser aber bei Mitteilung der tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht bewilligt worden wäre und ob der von der kreditgewährenden Bank erlangte Rückzahlungsanspruch nach den dargelegten Maßstäben minderwertig ist, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Dies gilt auch im Fall II.25, in dem die Besonderheit hinzukommt, dass der Darlehensnehmer immerhin eineinhalb Jahre lang die vereinbarten Darlehensraten entrichtete (UA S. 52). Was dies für die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs bedeutet, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht. Hinsichtlich des Falles II.30 der Urteilsgründe teilt das Urteil zwar mit, die Angeklagten I. und R. hätten gewusst, dass die Darlehensnehmerin den Kredit möglicherweise nicht vollständig zurückzahlen würde, setzt sich aber nicht mit dem Umstand auseinander, dass der im Laufe des Jahres 2008 ausgezahlte Kredit bis zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung (offensichtlich ) beanstandungsfrei bedient worden ist (UA S. 60). Ob angesichts dessen überhaupt ein konkreter Gefährdungsschaden angenommen werden kann, lässt sich auf der Grundlage der mitgeteilten Informationen nicht abschließend beurteilen. Letztlich gilt dies auch im Fall II.20 der Urteilsgründe, auch wenn die Strafkammer insoweit mitteilt, eine Rückführung des ausgezahlten Darlehens von 10.000 € sei dem Darlehensnehmer weder möglich gewesen noch habe er dies beabsichtigt (UA S. 46). Diese an sich für die Annahme einer vollständigen Wertlosigkeit des Rückzahlungsanspruchs ausreichende Feststellung steht im Widerspruch zu dem weiteren Hinweis des Landgerichts, in diesem Vertragsverhältnis stünden zum 31. März 2011 insgesamt 8.514,64 € offen (UA S. 47). Daraus ergibt sich nämlich, dass tatsächlich doch Tilgungsleistungen durch den Darlehensnehmer auf den ursprünglichen Darlehensbetrag von 10.000 € erbracht worden sind. Was daraus für den Wert des Rückzahlungsanspruchs folgt, wird das Landgericht nunmehr zu prüfen haben.
14
Die Aufhebung der Schuldsprüche wegen Betruges bzw. Beihilfe zum Betrug erfasst auch die an sich rechtsfehlerfreien Verurteilungen wegen Urkundenfälschung. Sie erstreckt sich im Fall II.30 der Urteilsgründe auch auf den nicht revidierenden Mitangeklagten R. .
15
4. Mit der Aufhebung der Schuldsprüche in den genannten Fällen geraten die jeweiligen Einzelstrafen in Wegfall. Dies zieht bei allen Angeklagten die Aufhebung des jeweiligen Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
Ernemann Berger Krehl Eschelbach Ott
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
EGBGB Art. 233 § 2 Abs. 3
Zur Untreue bei behördlichen Entscheidungen im Zusammenhang
mit gesetzlicher Vertretung nach Art. 233 § 2 Abs. 3
EGBGB.
BGH, Urteil vom 9. November 2016 – 5 StR 313/15
LG Leipzig –
ECLI:DE:BGH:2016:091116U5STR313.15.0
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 313/15
vom 9. November 2016 in der Strafsache gegen

1.



2.



3.



4.



wegen Untreue u.a. ECLI:DE:BGH:2016:091116U5STR313.15.0
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. November 2016, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander als Vorsitzender, Richter Dölp, Richter Prof. Dr. König, Richter Bellay, Richter Dr. Feilcke als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwältin R. als Verteidigerin der Angeklagten D. , Rechtsanwältin G. als Verteidigerin der Angeklagten H. , Rechtsanwalt K. als Verteidiger des Angeklagten M. , Rechtsanwalt W. als Verteidiger der Angeklagten T. , Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 17. Dezember 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit freigesprochen worden sind
a) die Angeklagte D. im Fall 2.5 des ersten Tatkomplexes der Urteilsgründe,
b) die Angeklagten H. und M. in den Fällen 2.1, 2.2 und 2.5 des ersten Tatkomplexes der Urteilsgründe.
Die weitergehenden Revisionen betreffend diese Angeklagten und die Revision betreffend die Angeklagte T. werden verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels betreffend die Angeklagte T. sowie die dieser Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagten von Untreue- und Betrugsvorwür1 fen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge gestützten Revisionen. Das die Angeklagte T. betreffende Rechtsmittel bleibt erfolglos; die Revisionen hinsichtlich der Angeklagten D. , H. und M. haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.

A.


I. Den Angeklagten liegt Folgendes zur Last:
2
1. Den Angeklagten D. , H. und M. wird vorgeworfen,
3
gemeinschaftlich handelnd zwischen Juli 2006 und Mai 2009 in insgesamt fünf Fällen als Mitarbeiter des Rechtsamts der Stadt nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB ohne ausreichende Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen und unter billigender Inkaufnahme der Verletzung entsprechender Prüfpflichten gesetzliche Vertreter für vermeintlich unbekannte Grundstückseigentümer bestellt bzw. an deren Bestellung mitgewirkt zu haben und von den bestellten Vertretern vorgenommene Grundstücksveräußerungen genehmigt bzw. an diesen Genehmigungen mitgewirkt zu haben. Der Angeklagten D. wird insoweit ihr Tätigwerden im Rahmen der Fälle 2.4 und 2.5, der Angeklagten H. werden ihre Handlungen bei den Taten 2.1, 2.2, 2.4 sowie 2.5 und dem Angeklagten M. sein Handeln bei den Taten 2.1 bis 2.5 zum Vorwurf gemacht. Der Angeklagten T. als im Fall 2.4 zur gesetzlichen Vertreterin bestellten Rechtsanwältin wird vorgeworfen, die Grundstücksveräußerung vorgenommen zu haben, obwohl ihr ein Miteigentümer des Grundstücks und damit das Fehlen der Vertretungsvoraussetzungen bekannt gewesen seien (Tatkomplex

1).


2. Weiter wird den Angeklagten D. , H. und M. vor4 geworfen, die im Zuge der Grundstücksveräußerungen für (vermeintlich) unbekannte Grundstückseigentümer vereinnahmten und auf städtischen Konten verwahrten Erlöse in insgesamt 43 Fällen entgegen den gesetzlichen Vorschriften ohne die aufgelaufenen Zinsen an die Berechtigten ausgekehrt zu haben. Auch hierbei hätten die Angeklagten die Verletzung ihrer Pflicht zur Zinsauskehr und die Schädigung der Auskehrberechtigten billigend in Kauf genommen. Den Angeklagten D. und M. wird hier zudem vorgeworfen, in jeweils einem Fall zugleich Anspruchsberechtigten gegenüber bewusst wahrheitswidrig eine Verzinsungspflicht in Abrede gestellt und diese dadurch getäuscht zu haben (Tatkomplex 2).
3. Schließlich liegt dem Angeklagten M. zur Last, in 173 Fällen be5 dingt vorsätzlich entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung für die städtische Verwaltungstätigkeit im Zusammenhang mit der Bestellung gesetzlicher Vertreter gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB keine Verwaltungsgebühr nach der Tarifstelle 3.3. des kommunalen Kostenverzeichnisses (KommKVz) der Stadt in Höhe von jeweils 125 bis 1.000 Euro festgesetzt zu haben (Tatkomplex

3).


II. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getrof6 fen:
1. In den 1990er und 2000er Jahren ließen sich Grundstückseigentümer
7
in den neuen Ländern vielfach nur schwer ermitteln, weil in der DDR zahlreiche Immobilien im Volkseigentum gestanden hatten, Grundbücher nicht oder nur unvollständig geführt worden und zudem Restitutions- und Entschädigungsansprüche zu klären waren. Überdies lagen viele Grundstücke, deren eigentumsrechtliche Zuordnung unklar war, gänzlich brach oder waren mit leerstehenden oder stark sanierungsbedürftigen Gebäuden bebaut; dies führte für die verkehrssicherungspflichtigen Kommunen zu finanziellen und organisatorischen Belastungen. Zu deren Verringerung und um eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung der Stadt zu ermöglichen, in der es eine große Nachfrage nach Immobilien gab, bestand bei der Stadtverwaltung ein erhebliches Interesse an einem funktionierenden städtischen Grundstücksmarkt.
Seit Ende 1993 galt mit Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB eine gesetzliche Re8 gelung, die es Kommunen erlaubte, in Fällen der Nichtfeststellbarkeit eines Grundstückseigentümers oder seines Aufenthalts bei Bestehen eines Bedürfnisses für diesen einen gesetzlichen Vertreter zu bestellen. Die Wirksamkeit der von solchen Vertretern vorgenommenen Grundstücksveräußerungen hing von der Genehmigung durch die Bestellungsbehörde ab.
Im zuständigen Rechtsamt der Stadt nahm die inzwischen ver9 storbene frühere Rechtsamtsleiterin B. bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand Ende Oktober 2006 die Bestellung gesetzlicher Vertreter vor und traf Entscheidungen über Genehmigungsersuchen bestellter Vertreter für von ihnen vorgenommene Grundstücksveräußerungen. Sie hinterließ ihren Nach- folgern „chaotische Verhältnisse“ (UA S. 34) insoweit, als Arbeitsabläufe zum Teil nicht organisiert waren, keine schriftlichen Dienstanweisungen existierten und Akten teilweise gar nicht oder falsch registriert bzw. unvollständig waren oder ihr Ablageort unklar war.
Nachdem der Zeuge L. kurzzeitig das Rechtsamt geleitet hatte, nahm
10
seit Februar 2007 die Angeklagte H. übergangsweise die Aufgaben der Rechtsamtsleiterin wahr. Sie hatte in der DDR ein juristisches Studium absolviert und war seit Mitte 1996 stellvertretende Rechtsamtsleiterin. Am 7. Mai 2007 übernahm die Angeklagte D. , eine Volljuristin, die Leitung des Rechtsamts und damit auch die interne Zuständigkeit für die Bestellung von gesetzlichen Vertretern sowie für Genehmigungsentscheidungen. Für die jeweiligen Leiter des Rechtsamts bereitete seit November 2001 der Angeklagte M. , ein Verwaltungsmitarbeiter ohne juristische Ausbildung, die Bestellungs - und Genehmigungsentscheidungen inhaltlich vor.
Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum wurde im Rechtsamt der Be11 reich der gesetzlichen Vertretung regulär von nur zwei Mitarbeitern bearbeitet – nämlichdem jeweiligen Rechtsamtsleiter unterstützt durch den Angeklagten M. . Im Zeitpunkt des tatgerichtlichen Urteils waren zur Erfüllung derselben Aufgaben insgesamt neun Verwaltungsangehörige nach einem von Justiziaren erstellten Prüfschema tätig.
2. In insgesamt fünf Fällen (Tatkomplex 1) bestellten die frühere Rechts12 amtsleiterin B. (Fall 2.1), der Zeuge L. als ihr Vertreter (Fälle 2.1 und 2.2), die Angeklagte D. als Rechtsamtsleiterin (Fälle 2.3, 2.4 und 2.5) und die Angeklagte H. als stellvertretende Rechtsamtsleiterin (Fall 2.4) Rechtsanwälte als gesetzliche Vertreter gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB. Die Angeklagte D. genehmigte in zwei Fällen (Fälle 2.3 und 2.4), die Angeklagte H. in vier Fällen (Fälle 2.1, 2.2, 2.4 und 2.5) von gesetzlichen Vertretern vorgenommene Grundstücksveräußerungen.
Die Bestellungen der gesetzlichen Vertreter bereitete jeweils der Ange13 klagte M. inhaltlich vor. In vier Fällen (Fälle 2.1, 2.2, 2.3 und 2.5) führte er
vor der Bestellungsentscheidung keine eigenen Recherchen zur Feststellung des Grundstückseigentümers, seiner Erben oder deren Aufenthalt durch, sondern vertraute auf die Angaben der die gesetzliche Vertretung beantragenden Erwerbsinteressenten, die Grundstückseigentümer seien unbekannt.
In einem Fall (Fall 2.4) wurde dem Angeklagten M. durch eine von
14
ihm veranlasste Anfrage bei der Stadtkämmerei der mögliche Mitberechtigte He. bekannt, der angab, Erbe eines Anteils an einer einen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück haltenden BGB-Gesellschaft zu sein. Der Angeklagte M. bereitete aber in Abstimmung mit der Angeklagten T. als bereits für andere Berechtigte bestellter gesetzlicher Vertreterin unter Hinweis auf Zweifel an der Rechtsstellung des möglichen Erben auch insoweit eine Vertreterbestellung vor. Das Landgericht hat hier das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB bejaht. Denn da der ermittelte mögliche Mitberechtigte seine Miterbenstellung nicht ausreichend nachgewiesen hatte, insbesondere keinen ihn legitimierenden Erbschein vorgelegt hatte, sei der Grundstückseigentümer hier unbekannt gewesen.
Auch die Genehmigungen der durch die gesetzlichen Vertreter vorge15 nommenen Grundstücksveräußerungen bereitete der Angeklagte M. vor. In einem Fall (Fall 2.1) konnte nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Angeklagte dabei zur Prüfung des Verkaufspreises auf wirtschaftliche Angemessenheit telefonisch beim Amt für Geoinformation und Bodenordnung kundig gemacht hatte. In den übrigen Fällen lagen dem Angeklagten Verkehrswertgutachten vor, die dem später festgelegten Verkaufspreis entsprechende Grundstückswerte auswiesen. In den Fällen 2.1 bis 2.4 führte der Angeklagte M. vor den Genehmigungsentscheidungen keine weiteren Ermittlungen zu den vertretenen Eigentümern durch. Im Fall 2.5 wartete er das Ergebnis nachträglich
veranlasster Ermittlungen nicht ab; diese hatten allerdings keinen konkreten Hinweis auf einen Eigentümer zum Hintergrund.
16
Der Angeklagte M. hielt sich für berechtigt, keine (Fälle 2.1, 2.2 und 2.3) bzw. nur in geringem Maße (Fälle 2.4, 2.5) Eigentümer- oder Erbenermittlungen anzustellen. Er wollte entsprechend den Instruktionen durch die frühere Rechtsamtsleiterin B. und seinem Verständnis der Vertretungsregelung des Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB als Beschleunigungsnorm möglichst schnell die Bestellung der gesetzlichen Vertreter vorbereiten. Mit einer Schädigung der Berechtigten rechnete er nicht. Auch betreffend die Vorbereitung der Genehmigungsentscheidungen ging er nicht von einer Schädigung der Eigentümer aus, da er entweder durch Verkehrswertgutachten oder in einem Fall nicht ausschließbar infolge von Informationen des Amtes für Geoinformation und Bodenordnung den Verkaufspreis geprüft hatte.
Die Angeklagten D. und H. verließen sich auf die ord17 nungsgemäße und fehlerfreie Zuarbeit des Angeklagten M. und rechneten nicht damit, dass für die vorbereiteten Vertreterbestellungen und Genehmigungserklärungen die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen könnten. Die Angeklagte T. ging davon aus, dass auch hinsichtlich des möglichen Mitberechtigten He. die Voraussetzungen für eine Vertreterbestellung vorlagen, da dieser nur eine Mitberechtigung als Mit-Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft durch Erbfolge vorgetragen und ein entsprechendes Erbrecht nicht nachgewiesen hatte. Eine Schädigung von Berechtigten hielten die genannten Angeklagten nicht für möglich.
Während in den Fällen 2.1 und 2.2 die Veräußerungserlöse seitens des
18
Rechtsamts nach Abzug insbesondere der für die Tätigkeit der gesetzlichen Vertreter angefallenen Kosten später an die Berechtigten ausgekehrt wurden, traf dies in den übrigen Fällen nicht zu. Im Fall 2.3 gingen die Berechtigten auf dem Zivilrechtsweg gegen die vorgenommene Grundstücksveräußerung vor und erstritten die Zahlung von Schadensersatz durch die Stadt. Der mögliche Mitberechtigte He. im Fall 2.4 meldete sich nach Vollzug des Kaufvertrags nicht mehr bei der Stadt, weswegen es auch nicht zu einer Auskehrung des Veräußerungserlöses kam. Im Fall 2.5, bei dem irrtümlich nicht für den Eigentümer Z. , sondern für „die Erben nach dem unbekannten Eigentümer Z. “ ein gesetzlicher Vertreter bestellt worden und in deren Namen ein Kaufvertrag geschlossen worden war, erwirkte der Eigentümer auf dem Zivilrechtsweg die Rückübertragung des Grundstücks und die Zahlung von Schadensersatz; eine Belastung mit Vertretungskosten erfolgte nicht.
3. Im Tatkomplex 2 wiesen die insoweit intern zuständigen Angeklagten
19
D. , H. und M. in insgesamt 43 Fällen die Auszahlung von Veräußerungserlösen an berechtigte Eigentümer der durch gesetzliche Vertreter im Sinne von Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB veräußerten Grundstücke abzüglich entstandener Kosten ohne Auskehrung der erwirtschafteten Zinsen an. In jeweils einem der Fälle teilten die Angeklagten D. (Fall II.44 der Anklageschrift ) und M. (Fall II.45 der Anklageschrift) Bevollmächtigten der Berechtigten schriftlich mit, dass eine Verzinsungspflicht für verwahrte Kaufpreiserlöse nicht bestehe.
Dem war eine rechtliche Auseinandersetzung innerhalb der
20
Stadtverwaltung vorausgegangen. Das Rechnungsprüfungsamt der Stadt hatte in den Jahren 1999 und 2002 die bisherige Verfahrensweise beanstandet und die Auffassung vertreten, dass die der Stadt zugeflossenen Kaufpreiserlöse zu Gunsten der Berechtigten verzinslich anzulegen seien. Demgegenüber hatte die frühere Rechtsamtsleiterin B. unter Verweis auf die Regelungen der Hinterlegungsordnung weiterhin die gegenteilige Rechtsauffassung vertreten und etwa im Jahr 2003 die Angeklagten H. und M. angewiesen, die Kaufpreiserlöse generell ohne Zinsen an die Berechtigten auszuzahlen. Dieser Rechtsauffassung folgend führten die Angeklagten die langjährig geübte Praxis fort.
4. In 173 Fällen (Tatkomplex 3) setzte der Angeklagte M. gegenüber
21
den gesetzlich vertretenen früheren Grundstückseigentümern für das Tätigwerden der Stadtverwaltung im Rahmen der gesetzlichen Vertretung lediglich eine Gebühr nach Ziffer 3.1. KommKVz, nicht jedoch eine zweite Gebühr gemäß Ziffer 3.1. KommKVz (nach dem Zusammenhang wohl richtig: 3.3. KommKVz) fest.
Das Kostenverzeichnis sah folgende Tarifstellen vor:
22
23
Ziffer 3.1. KommKVz Genehmigung der Veräußerung des Grundstücks durch den gesetzlichen Vertreter: 150 bis 1.000 € Ziffer 3.2. KommKVz Verwaltung des Kaufpreiserlöses: 1,5 % des verwahrten Geldes, höchstens 2.500 € Ziffer 3.3. KommKVz Verwaltungstätigkeit im Zusammenhang mit der Bestellung einer Person zum gesetzlichen Vertre- ter: 125 bis 1.000 €
24
Der Angeklagte hatte Anfang der 2000er Jahre an der Überarbeitung dieser Vorschriften mitgewirkt. Er ging bei der Festsetzung der Gebühren davon aus, dass eine Gebühr nach 3.1. KommKVz (nach dem Zusammenhang wohl richtig: 3.3. KommKVz) nicht entstanden sei. Nach seinem Verständnis war dieser Gebührentatbestand nur als Auffangtatbestand geschaffen worden für (hier nicht vorliegende) Fälle, in denen der gesetzliche Vertreter bereits vor Abschluss des Kaufvertrages abberufen wurde. Er war der Ansicht, dass der Stadt Gebühren nach dem genannten Tatbestand nicht zustünden.
III. Das Landgericht hat hinsichtlich eines Tatvorwurfs des ersten Tat25 komplexes (Fall 2.4) und betreffend sämtliche Tatvorwürfe des zweiten Tatkomplexes bereits eine Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Untreue bzw. des Betruges verneint. In diesen Fällen wie auch im Übrigen hat es (jedenfalls ) ein vorsätzliches Handeln der Angeklagten nicht feststellen können.

B.


Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben nur hinsichtlich der Ange26 klagten D. , H. und M. teilweise Erfolg. Die Revision betreffend die Angeklagte T. bleibt erfolglos.
I. Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
27
1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet in verfahrensrechtlicher Hinsicht
28
die nicht erschöpfende Würdigung von in die Beweisaufnahme eingeführten Urkunden – insbesondere eines Berichts des Rechnungsprüfungsamts der Stadt vom 20. März 2012 – und der Angaben eines als Zeugen vernommenen Staatsanwalts.
Diese Rügen sind unzulässig, da das Revisionsvorbringen den Anforde29 rungen aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO jeweils nicht gerecht wird. Die Revisions-
führerin hat den Inhalt der in Bezug genommenen Urkunden nur punktuell und damit nicht ausreichend mitgeteilt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14, PharmR 2015, 127, 129; LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 344 Rn. 78, 82 ff.; KK-StPO/Gericke, 7. Aufl., § 344 Rn. 39). Gleiches gilt für die zeugenschaftlichen Angaben, deren Inhalt die Revision nicht vorträgt, sondern insoweit nur auf die Bestätigung von Vorhalten aus dem inhaltlich nicht mitgeteilten Protokoll einer vom Zeugen durchgeführten Vernehmung verweist.
2. Auch die seitens der Staatsanwaltschaft erhobene weitere Inbegriffs30 rüge (§ 261 StPO), das Landgericht habe in seine Beweiswürdigung den „Ver- waltungsvorgang L. Markt “ einbezogen, der in Form der Dokumente der entsprechenden Verwaltungsakte nicht Gegenstand der Beweisaufnahme gewesen sei, greift nicht durch. Die Verfahrensbeanstandung ist bereits unzu- lässig, da die Beschwerdeführerin lediglich behauptet, die „Urkunden zum L. Markt “ seien auch nicht in anderem Zusammenhang in die Beweisaufnahme eingeführt worden, sie sich aber nicht zu der naheliegenden Möglichkeit verhält, dass im Rahmen von Einlassungen oder Zeugenaussagen entsprechende Beweiserkenntnisse erlangt wurden (KK-StPO/Gericke, 7. Aufl., § 344 Rn. 58; BeckOK-StPO/Wiedner, § 344 Rn. 50.1, 58, jeweils mwN).
II. Die Freisprüche der Angeklagten D. , H. und M.
31
halten nicht in vollem Umfang sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. Gegen die Freisprechung der Angeklagten T. ist hingegen aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
1. Im Tatkomplex 1 hat die Strafkammer zwar im Ergebnis rechtlich zu32 treffend festgestellt, dass sich die Angeklagten in den Fällen 2.3 und 2.4 nicht strafbar gemacht haben, weil insoweit bereits die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorliegen (dazu Buchst. a, b). Sie hat jedoch in den übri-
gen Fällen, in denen es nach den – allerdings zum Teil lückenhaften – Feststellungen des Landgerichts jedenfalls möglich erscheint, dass das Handeln der Angeklagten die objektiven Voraussetzungen der Untreue erfüllt, in subjektiver Hinsicht eine Strafbarkeit der Angeklagten D. in dem ihr zur Last gelegten Fall 2.5 und eine Strafbarkeit der Angeklagten H. und M. in den Fällen 2.1, 2.2 und 2.5 nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen (dazu Buchst. c).

a) Untreue setzt sowohl in der Variante des Missbrauchs- als auch derje33 nigen des Treubruchstatbestands voraus, dass dem Täter eine Vermögensbetreuungspflicht obliegt und er diese verletzt. Eine solche Pflicht ist gegeben, wenn der Täter in einer Beziehung zum (potentiell) Geschädigten steht, die eine besondere, über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Den Täter muss eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen. Hierfür ist in erster Linie von Bedeutung, ob sich die fremdnützige Vermögensfürsorge als Hauptpflicht, mithin als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung darstellt. Diese besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen muss über eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit hinausgehen. Erforderlich ist weiterhin, dass dem Täter Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird. Hierbei ist nicht nur auf die Weite des ihm eingeräumten Spielraums abzustellen , sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf seine tatsächlichen Möglichkeiten, ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Urteil vom 28. Juli 2011 – 4 StR 156/11, NJW 2011, 2819; Beschlüsse vom 1. April 2008 – 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428; vom 13. September 2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 297 f.; vom 5. März 2013 – 3 StR 438/12,
BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52; vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585, 2590 f.; vom 16. August 2016 – 4 StR 163/16, jeweils mwN).
aa) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob für die Angeklagten
34
D. und H. bei der Bestellung gesetzlicher Vertreter eine Vermögensbetreuungspflicht bestand. Denn eine solche traf sie, als sie zeitlich nach der Vertreterbestellung – ggf. auf der Grundlage eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses – Grundstücksveräußerungen genehmigten, die von den bestellten Vertretern vorgenommen worden waren. Die Angeklagte D. genehmigte die Grundstücksveräußerung im Fall 2.3, der ihr indes nicht zur Last gelegt wird, die Angeklagte H. genehmigte die Veräußerungen in den Fällen 2.1, 2.2 und 2.5.
(1) Die Genehmigungsentscheidung nach Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 4
35
EGBGB, § 16 Abs. 4 VwVfG, § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB stand im pflichtgemäßen Ermessen der jeweils handelnden Angeklagten (vgl. zur Vormundschaft BayObLG, Beschluss vom 16. April 1957 – 1 Z 190/1956; MüKo-BGB/Wagenitz , 6. Aufl., § 1821 Rn. 50). Hier bestand für sie nicht nur die Pflicht zu prüfen, ob das vom Vertreter vorgenommene Veräußerungsgeschäft nach wirtschaftlicher Betrachtung dem Interesse des Vertretenen entsprach (vgl. LKStGB /Schünemann, 12. Aufl., § 266 Rn. 129; MüKo-BGB/Wagenitz, aaO). Sie hatten vielmehr auch dafür Sorge zu tragen, dass sie Genehmigungen nicht in Fällen erteilten, in denen die Vertretungsvoraussetzungen überhaupt nicht vorlagen , also die Grundstückseigentümer oder deren Erben als Geschäftsherren bekannt oder unschwer ermittelbar waren.
(2) Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde diese Pflicht in den
36
Fällen 2.1, 2.2, 2.3 und 2.5 verletzt.
37
(a) Allerdings bietet die Genehmigung der Veräußerungen zum attestierten – bzw. jedenfalls nicht ausschließbar durch Nachfrage des Angeklagten M. beim Amt für Geoinformation und Bodenordnung schlüssig erscheinenden (Fall 2.1) – Grundstückswert für sich genommen keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer Verletzung der bestehenden Vermögensbetreuungspflicht. Denn der vereinbarte Kaufpreis war nach den den Angeklagten vorliegenden Erkenntnissen marktgerecht, weswegen die Veräußerung zu diesem Preis bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht in einer die Vermögensbetreuungspflicht verletzenden Weise den Vermögensinteressen des Vertretenen zuwiderlief. Dass in zwei Fällen Sachverständige im Rahmen neuer Begutachtungen einen höheren Grundstückswert ermittelten (im Fall 2.3 im Rahmen eines Zivilrechtsstreits und im Fall 2.5 im Rahmen des Ermittlungsverfahrens im Auftrag der Staatsanwaltschaft ), rechtfertigt keine abweichende Einschätzung. Eingedenk des Charakters der gesetzlichen Vertretungsregelung als Beschleunigungsnorm bestand für die Angeklagten keine Pflicht, über die eingeholten Erkenntnisse hinaus – etwa durch Zweitbegutachtung – den Wert der veräußerten Grundstücke noch weitergehend aufzuklären.
(b) Pflichtwidrig waren die Genehmigungsentscheidungen aber deshalb,
38
weil die nach den anzulegenden rechtlichen Maßstäben (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2015 – 9 C 12/14, juris Rn. 18 ff.) defizitären (Fall 2.5) bzw. gänzlich unterbliebenen (Fälle 2.1, 2.2 und 2.3) Eigentümer- bzw. Erbenermittlungen durch den Angeklagten M. keine tragfähige Grundlage für die nachfolgend getroffenen Genehmigungsentscheidungen bildeten und in diesen Fällen gesetzliche Vertreter bestellt und Genehmigungserklärungen für die von diesen vorgenommenen Grundstücksveräußerungen erteilt wurden, obwohl die Eigentümer nicht unbekannt im Sinne von Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB waren. Denn das Rechtsamt hätte zumindest naheliegende Ermittlungsmöglichkeiten ergrei- fen müssen, nämlich solche, die mit einem vertretbaren Aufwand an Mühe, Zeit und Kosten verbunden sind; insbesondere ein vollständiger Ermittlungsverzicht war nicht rechtmäßig (vgl. BVerwG aaO, juris Rn. 18 ff.).
Eine dem Anklagevorwurf entsprechende mittäterschaftliche Zurechnung
39
der Pflichtverletzungen zu der insoweit im Fall 2.5 nicht selbst handelnden Angeklagten D. (Genehmigung durch die Angeklagte H. ) erscheint nicht gänzlich ausgeschlossen, wenngleich weder die Anklageschrift noch die Feststellungen des Landgerichts auf tatsächliche Anhaltspunkte für ein gemeinschaftliches Vorgehen im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB hinweisen. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird ggf. die Prüfung des Vorliegens eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses in den Blick zu nehmen haben.
(c) Im Fall 2.4 verletzten die Angeklagten D. und H.
40
durch die Bestellung der gesetzlichen Vertreterin T. und durch die Abgabe der Genehmigungserklärungen hingegen keine ihnen obliegende Pflicht. Gleiches gilt für den Angeklagten M. , der diese Entscheidungen vorbereitete.
Denn die Voraussetzungen für die Bestellung der Angeklagten T.
41
zur gesetzlichen Vertreterin lagen vor. Der am Grundstück A. Straße möglicherweise Mitberechtigte He. – dem dies oblegen hätte (vgl. LG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 1232; Böhringer, NJ 2015, 492, 494) – hatte trotz mehrfacher Aufforderung durch den Angeklagten M. die behauptete Rechtsstellung in keiner Weise belegt (vgl. BVerwG aaO, juris Rn. 24; Eickmann /Böhringer, Sachenrechtsbereinigung, 23. EL, Art. 233 § 2 Rn. 23 aE). Zudem war er allenfalls Gesellschafter eines unbekannten Gesellschaftsanteils einer einen hälftigen Miteigentumsanteil des Grundstücks haltenden BGBGesellschaft , deren übrige Gesellschafter unbekannt waren (UA S. 97). Durch seine etwaige Namhaftmachung als Gesellschafter war die BGB-Gesellschaft – eine Gesamthandsgemeinschaft (§ 719 BGB) – als Miteigentümerin des Grundstücks keineswegs bekannt im Sinne von Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB (vgl. für die Erbengemeinschaft als Gesamthand: BVerwG aaO, juris Rn. 22, 24).
bb) Vor diesem tatsächlichen Hintergrund scheidet im Fall 2.4 auch eine
42
Strafbarkeit der Angeklagten T. als in dieser Angelegenheit bereits für andere unbekannte Berechtigte bestellte gesetzliche Vertreterin aus. Zwar war sie nach den oben dargestellten Maßstäben betreuungspflichtig in Bezug auf das Vermögen der von ihr vertretenen Grundstückseigentümer. Sie handelte jedoch nicht pflichtwidrig, als sie in Abstimmung mit dem Angeklagten M. und unter Hinweis auf Zweifel an der Rechtsstellung des möglichen Mitberechtigten He. auf ihre Vertreterbestellung hinwirkte. Denn die in Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB normierten Voraussetzungen lagen vor.
cc) Anders als die Angeklagten D. und H. – die Rechts43 amtsleiterin und ihre Stellvertreterin – traf den Angeklagten M. in den Fällen des Tatkomplexes 1 selbst keine Vermögensbetreuungspflicht. Er war bei der Vertreterbestellung und der Veräußerungsgenehmigung in untergeordneter Stellung tätig, arbeitete den Angeklagten D. und H. lediglich zu und bereitete die von diesen zu treffenden Entscheidungen ohne eigene Entscheidungskompetenz vor; er konnte förmliche Rechtswirkungen selbst nicht auslösen. Schon deswegen war er nicht vermögensbetreuungspflichtig (vgl. BVerfGE 126, 170, 209 mwN; LK-StGB/Schünemann, 12. Aufl., § 266 Rn. 42 ff.), so dass wegen Fehlens dieses besonderen persönlichen Merkmals (§ 28 Abs. 1 StGB) nur eine Beteiligung als Gehilfe an etwaigen Taten der Angeklagten D. und H. in Betracht käme (vgl. BGH, Urteil vom
26. November 2015 – 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585, 2600 mwN; vgl. MüKoStGB /Dierlamm, 2. Aufl., § 266 Rn. 286).

b) In den Fällen 2.1, 2.2 und 2.5 – nicht jedoch im Fall 2.3 – kommt auf
44
der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts auch die Verwirklichung der übrigen Merkmale des objektiven Tatbestands – die durch die Pflichtverletzung hervorgerufene Zufügung eines Vermögensnachteils – in Betracht.
Die Nachteilszufügung ist bei der Untreue als Vermögensdelikt allein
45
durch einen Vergleich des Vermögens, das der Betreute ohne die Pflichtverletzung des Täters hätte, mit dem Vermögen festzustellen, über das er infolge der Pflichtverletzung verfügt. Dabei ist jeder Vorteil zu berücksichtigen, der durch die pflichtwidrige Handlung erzielt worden ist. Zum Vermögen gehört nach der maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise alles, was in Geldwert messbar ist (vgl. BGH, Urteile vom 27. Februar 1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234 mwN; vom 12. Oktober 2016 – 5 StR 134/15).
aa) Daraus folgt, dass in den Fällen 2.1, 2.2 und 2.3, in denen den Ver46 tretenen durch die Genehmigung der Grundstücksveräußerung im Gegenzug für den Verlust des Grundstückseigentums ein dem Verkehrswert entsprechender Kaufpreisanspruch erwuchs, ein Vermögensnachteil nicht ohne Weiteres vorlag. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift hinsichtlich der Fälle 2.1 und 2.2 zutreffend ausgeführt hat, kann der nach dem Untreuetatbestand vorausgesetzte Vermögensnachteil jedoch in dem hier vom Veräußerungserlös vorgenommenen Abzug der Kosten für das Tätigwerden des gesetzlichen Vertreters liegen. Mit Blick auf den nach § 266 Abs. 1 StGB verlangten Ursächlichkeitszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Nachteilsentstehung setzt dies jedoch voraus, dass durch die pflichtwidrig erteilte Genehmigung der Vermögensnachteil entstand oder vertieft wurde.
47
Aus dem Urteil ergibt sich für die Fälle 2.1 und 2.2 lediglich die Höhe der vom Veräußerungserlös abgezogenen Beträge, die auch die für die gesetzliche Vertretung angefallenen Kosten umfassen. Jedoch ist bislang nicht festgestellt, nach welchen Kriterien die Vergütung der bestellten gesetzlichen Vertreter tatsächlich erfolgt ist, wie hoch sie war und auf welche Weise sie ggf. vom Veräu- ßerungserlös „abgezogen“ wurde (vgl. auch Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 4 EGBGB, § 16 Abs. 3 VwVfG). Dies wird das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht aufzuklären haben.
bb) Demgegenüber kam es im Fall 2.3 nach den Feststellungen des
48
Landgerichts nicht zu einer Belastung der Vertretenen mit Kosten für das Tätigwerden des gesetzlichen Vertreters, sodass hier ein Vermögensnachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB nicht vorliegt und insoweit eine Strafbarkeit der Angeklagten ausscheidet.
cc) Im Fall 2.5 hingegen erscheint – jedenfalls in objektiver Hinsicht –
49
das Vorliegen eines Vermögensnachteils im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB möglich. Denn hier verlor der Grundstückseigentümer Z. durch die vom gesetzlichen Vertreter der „Erben nach Z. “ vorgenommene Verfü- gung mit Grundbucheintragung des Erwerbers das Grundstückseigentum. Aus dem genehmigten Grundstücksverkauf erwuchs ihm aber nicht unmittelbar ein einen Vermögensnachteil ausschließender Kaufpreisanspruch. Ob mit Blick auf das Vorstellungsbild der Angeklagten ein (bedingter) Vorsatz auch in Bezug auf diesen Vermögensnachteil vorlag, wird das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht zu prüfen haben.

c) Hinsichtlich der hiernach im Tatkomplex 1 verbleibenden Fälle 2.1, 2.2
50
und 2.5 hält die Beweiswürdigung des Landgerichts dahin, dass die Angeklagten nicht vorsätzlich handelten, revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft. Denn das Landgericht hat für die Vorsatzprüfung bedeutsame Umstände nicht festgestellt und in seine Würdigung einbezogen.
aa) Für die Würdigung, ob die Angeklagten D. und H. mit
51
Vorsatz in Bezug auf die Merkmale des objektiven Tatbestands handelten, war mit Blick auf die Feststellungen des Landgerichts zu den Verfahrensabläufen bei den Vertreterbestellungen und Genehmigungen insbesondere von Bedeutung , ob und ggf. inwiefern die jeweiligen Angeklagten Kenntnis von den Abläufen der Antragstellung und davon hatten, dass Ermittlungen zu den Grundstückseigentümern oder ihren Erben entweder defizitär (Fall 2.5) oder gänzlich unterblieben waren (Fälle 2.1, 2.2).
(1) Die Strafkammer hätte hier insbesondere Feststellungen dazu treffen
52
müssen, welche Unterlagen den Angeklagten D. und H. bei den Genehmigungsentscheidungen vorlagen. Denn sollte aus den ihnen vorgelegten Unterlagen hervorgegangen sein, dass der Angeklagte M. die rechtlich gebotenen Ermittlungsbemühungen (vgl. hierzu BVerwG aaO, Rn. 18 ff.; Eickmann /Böhringer, Sachenrechtsbereinigung, 23. EL, Art. 233 § 2 EGBGB Rn. 24a) nicht entfaltet hatte, würde dies gegen ein Vorstellungsbild der Angeklagten sprechen, M. habe die Entscheidungen ordnungsgemäß vorbereitet. Auch wäre es in die Beweiswürdigung einzubeziehen gewesen, wenn diese Angeklagten die Vorlagen des Angeklagten M. ohne entsprechenden Ver- waltungsvorgang gleichsam „blind“ unterschrieben hätten. Demgegenüber wür- de eine – bislang nicht in Rede stehende – wahrheitswidrige „Dokumentation“ von tatsächlich nicht vorgenommenen Ermittlungen in den Verwaltungsakten gegen einen Vorsatz der Angeklagten D. und H. im Hinblick auf die Verletzung ihrer Pflichten sprechen. Zu diesen Fragen verhält sich das angefochtene Urteil nicht mit der nötigen Klarheit.
53
(2) Das Landgericht hätte hinsichtlich eines möglichen Vorsatzes der Angeklagten im Fall 2.5 zudem erkennbar in seine Würdigung einbeziehen müssen , dass die Angeklagten D. und H. , wie es festgestellt bzw. in anderem Zusammenhang in der Beweiswürdigung ausgeführt hat, jeweils dadurch für ein mögliches Fehlverhalten des Angeklagten M. sensibilisiert waren, dass dieser im Rahmen seines Tätigwerdens im Fall 2.3 nicht die gebotenen Ermittlungen durchgeführt hatte (UA S. 42 f., 87 unten).
bb) Im Rahmen der Prüfung eines (Gehilfen-)Vorsatzes des Angeklagten
54
M. hat es die Strafkammer versäumt, dessen Einlassung kritisch zu hinterfragen , er sei davon ausgegangen, keinerlei eigene Ermittlungen zu den Eigentümern bzw. Erben der Grundstücke vornehmen zu müssen. Angesichts der Verpflichtung der Behörde, das Vorliegen der Voraussetzungen der Vorschrift des Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB zu prüfen, und des mit der Vertreterbestellung und Genehmigung offensichtlich verbundenen erheblichen Eingriffs in die Rechtsposition des Grundstückseigentümers versteht sich die Richtigkeit dieser Einlassung nicht von selbst.
cc) Die Strafkammer hätte ferner in ihre Beweiswürdigung für alle Fälle
55
miteinbeziehen müssen, dass der Angeklagte hinsichtlich des Falles 2.3 im Ermittlungsverfahren angegeben hatte, er habe auch deswegen vor der Vertreterbestellung keine eigenen Ermittlungen vorgenommen und auf die Angaben des ihm bekannten Maklers vertraut, weil er zwei bis drei Tage später habe zur Kur fahren und „den ganzen Vorgang vom Tisch haben“ wollen (UA S. 63). Dieser Gesichtspunkt ist erörterungsbedürftig, weil der Angeklagte insoweit selbst angab , (auch) aus sachfremden Erwägungen – und nicht allein infolge seiner (evident unzutreffenden) Rechtsauffassung – keine Eigentümer- bzw. Erbenermitt- lungen durchgeführt zu haben; dies ist auch für die Würdigung seiner Einlassung im Übrigen bedeutsam.
dd) Auch hätte das Landgericht bei Fall 2.5 erkennbar würdigen müssen,
56
dass der Angeklagte M. sich im Ermittlungsverfahren dahin eingelassen hatte, ihm sei nach Fall 2.3 (L. straße ) – mithin mehr als ein Jahr vor seinem Tätigwerden im Fall 2.5 – bewusst gewesen, dass die bisher geübte Ermittlungspraxis nicht ausreichend gewesen sei (UA S. 64 f.). Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird andererseits mit Blick auf den Umstand, dass der Angeklagte M. keine juristische Ausbildung durchlaufen hat, jedoch auch die Möglichkeit in ihre Überlegungen miteinbeziehen müssen, dass der Angeklagte infolge der „gerötelten“ Grundbucheintragung tatsächlich davon ausging, der Aufenthalt des Grundstückseigentümers sei unbekannt.
2. Die Freisprüche der Angeklagten D. , H. und M. in
57
den Fällen des Tatkomplexes 2 halten im Ergebnis revisionsgerichtlicher Prüfung stand. Zwar begegnet die Rechtsansicht des Landgerichts Bedenken, insoweit hätten die Angeklagten jeweils schon nicht den objektiven Tatbestand der Untreue bzw. des Betrugs verwirklicht; jedoch hat das Landgericht rechtsfehlerfrei die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands ausgeschlossen.

a) Die vom Landgericht angeführte Wertung, die Angeklagten hätten bei
58
kritischer Überprüfung der Verwaltungspraxis zu dem Ergebnis kommen dürfen, dass die Auszahlung der Veräußerungserlöse ohne Zinsen vertretbar und damit rechtmäßig sei (UA S. 114), trägt die Verneinung des objektiven Tatbestands nicht. Maßgeblich ist allein, dass eine Pflicht zur Verzinsung zu Gunsten der Berechtigten gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 4 EGBGB, § 16 Abs. 4 Var. 2 VwVfG, § 1915 Abs. 1 Satz 1 und § 1806 BGB bestand. Gegen diese Pflicht haben die für die Anordnung entsprechender Auszahlungen zuständigen und insoweit vermögensbetreuungspflichtigen Angeklagten in objektiver Hinsicht verstoßen bzw. hierzu objektiv unrichtige Angaben gemacht.

b) Jedoch fußt die vom Landgericht hilfsweise angeführte Annahme, die
59
Angeklagten D. , H. und M. hätten bei den Fällen des Tatkomplexes 2 nicht vorsätzlich gehandelt, auf einer tragfähigen und lückenlosen Beweiswürdigung. Das Landgericht hat das Vorstellungsbild der Angeklagten zwar nicht ausdrücklich an den Voraussetzungen des § 16 StGB gemessen. Es hat jedoch in der Sache die Voraussetzungen eines Tatbestandsirrtums dargestellt und mit im Ergebnis zutreffenden Erwägungen das Vorliegen von Untreuebzw. Betrugsvorsatz ausgeschlossen.
aa) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht das Vorstellungsbild der Ange60 klagten dahin festgestellt, dass sie bei ihren Auszahlungsentscheidungen bzw. bei den schriftlichen Mitteilungen an Anspruchsteller der langjährig geübten Praxis folgend davon ausgingen, dass die Zinserträge in Anwendung der Hinterlegungsordnung nicht zugunsten der Berechtigten auszuzahlen seien.
Entgegen der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft hat das
61
Landgericht die entlastenden Einlassungen der Angeklagten nicht ohne Weiteres als unwiderlegt hingenommen, sondern sie seiner Entscheidung tatsächlich erst nach umfänglicher Würdigung unter Einbeziehung der weiteren Beweiserkenntnisse zugrunde gelegt (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Urteile vom 21. Dezember 2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522, 537; vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14, PharmR 2015, 127, 130). Es ist von der Einlassung des Angeklagten M. ausgegangen, dass es im Rechtsamt ständige Übung gewesen sei, die er selbst auch für richtig erachtet habe, in Anwendung der Hinterlegungsordnung keine Zinsen für auf städtischen Konten verwahrte Verkaufserlöse an Berechtigte auszuzahlen. Diese Einlassung hat das Landgericht in Auswertung von Fortbildungsunterlagen und insbesondere der Aussage der Zeugen Su. und Hi. für unwiderlegbar erachtet und im Rahmen dieser Zeugenaussagen auch die Hinweise des Rechnungsprüfungsamts der Stadt in den Jahren 1999 und 2002 in seine Würdigung miteinbezogen.
Es stellt dabei keinen durchgreifenden Mangel der Beweiswürdigung dar,
62
dass das Landgericht nicht ausdrücklich darauf eingegangen ist, dass die Angeklagten im Jahr 2011 selbst von einer Pflicht zur Auskehr von Zinserträgen ausgingen (UA S. 106). Denn Rückschlüsse aus einer von ihnen weit nach dem Tatzeitraum als richtig erkannten Rechtsauffassung auf ihr Vorstellungsbild zum Zeitpunkt der Tatbegehung liegen fern.
bb) Bei dem festgestellten Vorstellungsbild der Angeklagten handelt es
63
sich um einen Irrtum über Tatumstände im Sinne von § 16 StGB.
Die vom Landgericht festgestellte Fehlbewertung der Angeklagten bezog
64
sich darauf, ob eine Pflicht zur Verzinsung und Auskehr aufgelaufener Zinsen an die Berechtigten bestand, mithin auf das Tatbestandsmerkmal der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht (Untreue) und – vorgelagert – namentlich auf das Merkmal der Täuschung (Betrug). Bei normativen Tatbestandsmerkmalen genügt die Kenntnis der die objektive Pflichtwidrigkeit des Handelns begründenden Umstände für die Begründung des Vorsatzes nicht. Der Täter muss zusätzlich die unter das normative Tatbestandsmerkmal zu subsumierenden Sachverhaltselemente in ihrem für die Unrechtsbegründung wesentlichen Bedeutungsgehalt erfasst haben (vgl. MüKo-StGB/Joecks, 2. Aufl., § 16 Rn. 69 ff.; LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 16 Rn. 25 f.; KK-OWiG/Rengier, 4. Aufl., § 11 Rn. 15, 19).
65
Gemessen hieran handelte es sich bei der Fehlbewertung der Angeklagten nicht lediglich um einen den Vorsatz unberührt lassenden Subsumtions-, sondern um einen Tatbestandsirrtum: Sie irrten nicht über den Begriffsinhalt eines Tatbestandsmerkmals der §§ 263, 266 StGB, sondern über den rechtlichen Umstand, dass gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 4 EGBGB, § 16 Abs. 4 Var. 2 VwVfG, § 1915 Abs. 1 Satz 1 und § 1806 BGB eine Pflicht zur Auskehr der aufgelaufenen Zinserträge bestand. Zwar kannten die Angeklagten die weiteren tatsächlichen Gegebenheiten, namentlich die Verwahrung der Kaufpreiserlöse für die Berechtigten und das Auflaufen von Zinserträgen und die Nichtauszahlung der Zinsen. Jedoch erfassten sie nicht, dass sie mit der Nichtauszahlung gegen ihre Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB verstießen. Hinsichtlich des Betruges erkannten sie wegen ihrer Fehlvorstellung die Unwahrheit ihrer Angaben gegenüber den Berechtigten nicht. Die Einschätzung des Landgerichts, dass die rechtliche Fehlbewertung der Angeklagten (jedenfalls ) den Tatvorsatz entfallen lässt, ist daher von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
3. Das Landgericht hat gleichermaßen tragfähig begründet, warum es ein
66
vorsätzliches Handeln des Angeklagten M. in den Fällen des Tatkomplexes 3 nicht hat feststellen können. Es hat auch hier das Vorliegen der Voraussetzungen eines Tatbestandsirrtums im Sinne von § 16 StGB dargestellt und daran anknüpfend im Ergebnis zutreffend den Vorsatz des Angeklagten verneint.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte M.
67
im Hinblick auf die Erhebung von Gebühren für das Verwaltungshandeln der Stadt in Anwendung der Vertretungsvorschriften vermögensbetreuungspflichtig nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben (vgl. oben B.II.1.a). Indem er trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Gebührentatbestands Nr. 3.3. KommKVz keine entsprechenden Gebühren festsetzte, verletzte er diese Pflicht.

b) Der Angeklagte handelte nach den Feststellungen jedoch nicht vor68 sätzlich. Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten vor dem Hintergrund der übrigen Beweiserkenntnisse gewürdigt und seine Darstellung für nicht widerlegbar und plausibel erachtet, er sei – im Ergebnis rechtsirrig – davon ausgegangen, eine Gebühr gemäß Nr. 3.3. KommKVz sei in den ihm zum Vorwurf gemachten Fällen nicht entstanden. Er selbst habe den Gebührentatbestand im Jahr 2002 als Auffangregelung entworfen und diesem Verständnis entsprechend eine Gebührenerhebung in den Fällen des Tatkomplexes 3 unterlassen. Das Landgericht hat infolge dieser Fehlvorstellung des Angeklagten M. dessen Vorsatz verneint, die ihn betreffende Vermögensbetreuungspflicht zu verletzen und der Stadt einen Nachteil zuzufügen.
Der Irrtum des Angeklagten M. über das Bestehen eines (weiterge69 henden) Gebührenanspruchs der Stadt stellt eine Fehlvorstellung dar, die ihn den sozialen Bedeutungsgehalt seines Tuns – die pflichtwidrige Nichterhebung angefallener Gebühren – nicht erkennen ließ. Dieser normative Tatbestandselemente betreffende Irrtum schließt den Untreuevorsatz aus (vgl. oben B.II.2.b, bb).
70
III. Der Senat regt für den neuen Rechtsgang die Prüfung einer Einstellung des Verfahrens (§§ 153, 153a StPO) an. Hierfür könnte sprechen, dass Gewicht und Umfang des noch in Rede stehenden strafrechtlich bedeutsamen Fehlverhaltens im unteren Bereich liegen, die Taten lange zurückliegen und insbesondere keinem der Angeklagten vorgeworfen wird, sich selbst bereichert zu haben.
Sander Dölp König
Bellay Feilcke

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 156/11
vom
28. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
Dem mit einem Zwangsverwaltungsverfahren befassten Rechtspfleger obliegt
eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber Gläubigern und Schuldner.
BGH, Urteil vom 28. Juli 2011 – 4 StR 156/11 – LG Halle
1.
2.
wegen Untreue u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Juli 2011,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
die Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt für den Angeklagten Sch. ,
Rechtsanwalt für den Angeklagten N.
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 22. September 2010 werden verworfen. 2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die durch die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft bedingten notwendigen Auslagen der Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten N. wegen Untreue in Tateinheit mit Vorteilsgewährung unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von acht Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen den Angeklagten Sch. hat es wegen Untreue in Tateinheit mit Vorteilsannahme eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 35 € verhängt. Gegen ihre Verurteilungen wenden sich die Angeklagten mit sachlich-rechtlichen Beanstandungen; der Angeklagte N. hat zudem Verfahrensrügen erhoben. Die Staatsanwaltschaft , deren Rechtsmittel vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, beanstandet mit Sachrügen (nunmehr) allein die Rechtsfolgenaussprüche. Keines der Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte N. ist Rechtsanwalt; er ist seit dem Jahr 2002 im Bereich der Zwangsverwaltung tätig. Der Angeklagte Sch. war von 1996 bis Ende 2007 als Rechtspfleger beim Amtsgericht N. beschäftigt; dort bearbeitete er vor allem Zwangsverwaltungs- und Zwangsversteigerungsverfahren.
4
Am 4. Dezember 2002 beantragte eine Gläubigerin von Johann-Christian T. beim Amtsgericht N. unter anderem die Zwangsverwaltung über dessen Grundstück in L. , str. . Mit Beschluss vom 14. Januar 2003 ordnete der Angeklagte Sch. , in dessen Zuständigkeit die Bearbeitung dieses Antrags fiel, die Zwangsverwaltung an und bestellte den Angeklagten N. zum Zwangsverwalter, obwohl ihm in diesem Anwesen bereits zuvor vom Eigentümer unentgeltlich eine Dachgeschoßwohnung zur Nutzung überlassen worden war, die er auch in der Folgezeit - bis mindestens Ende 2007 - nutzte, ohne hierfür Miete bzw. eine sonstige Nutzungsentschädigung und Betriebskosten an den Zwangsverwalter zu bezahlen. Der Angeklagte N. nahm das Grundstück am 21. Januar 2003 in Besitz und übte seine Verwaltertätigkeit aus. Dabei war ihm bekannt, dass der Angeklagte Sch. , der in dem Haus "nach dem Rechten sah", die Dachgeschosswohnung unentgeltlich nutzte. Dies gestattete er im Einvernehmen mit dem Angeklagten Sch. auch weiterhin, obwohl beide Angeklagte wussten, dass der Angeklagte Sch. auch unter Berücksichtigung seiner Dienste Miete bzw. eine Nutzungsentschädigung zu entrichten und die Betriebskosten zu tragen gehabt hätte. Der Angeklagte Sch. hielt den Angeklagten N. zu keinem Zeitpunkt dazu an, ihn als Nutzer der Immobilie zu erfassen und bei ihm Miete bzw. eine Nutzungsentschädigung und die Betriebskosten einzufordern. Der Angeklagte N. sah von der Geltendmachung dieser Ansprüche ab, "weil er sich hierfür ein Gewogensein des Angeklagten Sch. im Rahmen dessen dienstlicher Tätigkeit versprach. Davon ging auch der Angeklagte Sch. aus." Eine Umsetzung dieser "stillschweigenden Übereinkunft" über die kostenlose Überlassung der Wohnung hinaus vermochte die Strafkammer allerdings nicht festzustellen.
5
Zwischen Februar 2003 und November 2007 entgingen dem Zwangsverwalter bzw. der Gläubigerin von Johann-Christian T. bzw. diesem selbst infolge der kostenlosen Nutzung der Wohnung durch den Angeklagten Sch. insgesamt 8.408,84 € (108,50 €/Monat Kaltmiete und 36,48 €/Monat Betriebs- kosten).

II.


6
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben keinen Erfolg. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in den Antragsschriften vom 26. April 2011 bemerkt der Senat:
7
1. Die Schuldsprüche wegen Untreue weisen keinen Rechtsfehler auf. Insbesondere ist das Landgericht bei beiden Angeklagten zu Recht vom Bestehen einer Vermögensbetreuungspflicht ausgegangen.
8
a) Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte N. nach § 266 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
9
Eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben , wenn der Täter in einer Beziehung zum (potentiell) Geschädigten steht, die eine besondere, über die für jedermann geltenden Pflicht zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Den Täter muss eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen. Hierbei ist in erster Linie von Bedeutung, ob die fremdnützige Vermögensfürsorge den Hauptgegenstand der Rechtsbeziehung bildet und ob dem Verpflichteten bei deren Wahrnehmung ein gewisser Spielraum, eine gewisse Bewegungsfreiheit oder Selbständigkeit, mit anderen Worten die Möglichkeit zur verantwortlichen Entscheidung innerhalb eines gewissen Ermessensspielraums verbleibt (zum Ganzen: BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 297 f. mwN).
10
Eine solche Vermögensbetreuungspflicht - wie auch seine Garantenstellung gegenüber der Gläubigerin von Johann-Christian T. und diesem selbst - bestand für den Angeklagten N. aufgrund von §§ 152, 154 ZVG in Verbindung mit dem Beschluss über seine Bestellung zum Zwangsverwalter.
11
Bereits das Reichsgericht (Urteil vom 16. Oktober 1905 - Rep. 426/05, RGSt 38, 190) hat den Zwangsverwalter zu den "kraft öffentlichrechtlicher Verpflichtung zu besonderer Treue verbundenen Personen" gerechnet und ihm eine Vermögensbetreuungspflicht auferlegt. Hieran hat sich nichts geändert. Denn aus §§ 152, 154 ZVG ergibt sich, dass der Zwangsverwalter eines Grundstücks fremdes Vermögen im Interesse aller Beteiligten, also insbesondere der Gläubiger und Schuldner (§ 9 ZVG), treuhänderisch verwaltet (vgl. Böttcher/Keller in Böttcher, ZVG, 5. Aufl., § 152 Rn. 5; ebenso zur Stellung des Vergleichsverwalters: BGH, Urteil vom 26. Juli 1960 - 1 StR 248/60; zum Kon- kurs- und Insolvenzverwalter: BGH, Urteile vom 14. Februar 1955 - 3 StR 459/54; vom 14. Januar 1998 - 1 StR 504/97, NStZ 1998, 246, 247; zu diesen auch SSW-StGB/Saliger § 266 Rn. 13, 33, Borchardt in Schmidt, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 2. Aufl., § 266 StGB Rn. 1, 9 ff. jeweils mwN). Diesen gegenüber ist er - selbständig und nach pflichtgemäßem Ermessen handelnd (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der Zwangsverwalterverordnung vom 19. Dezember 2003, BGBl. I S. 2804 [gültig ab 1. Januar 2004] - im Folgenden: ZwVwV, bzw. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Geschäftsführung und die Vergütung des Zwangsverwalters vom 16. Februar 1970, BGBl. I S. 185 [gültig bis 31. Dezember 2003] - im Folgenden: ZVwVergV) - für die Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen verantwortlich (§ 154 Satz 1 ZVG). Zu diesen Pflichten gehört es auch und insbesondere, das Grundstück "ordnungsgemäß zu benutzen" (§ 152 Abs. 1 ZVG). Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, unterlässt er es also, alle möglichen Nutzungen zu ziehen (OLG Köln, Beschluss vom 25. Juni 2006 - 2 U 39/07; Böttcher/Keller aaO § 152 Rn. 19), also beispielsweise das Grundstück durch Vermietung nutzbar zu machen (Böttcher /Keller aaO § 152 Rn. 20, 32; zur Umwandlung von unentgeltlichen Überlassungsverträgen in ein Miet- oder Pachtverhältnis: Drasdo NJW 2011, 1782, 1784 mwN) und den Mietzins einzuziehen (OLG Köln aaO) oder zu niedrige Mieten anzuheben (KG, Urteil vom 12. Januar 1978 - 12 U 2661/77, MDR 1978, 586; Sievers in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Zwangsvollstreckung, § 152 Rn. 3), so haftet er für den hierdurch den Gläubigern bzw. dem Schuldner entstandenen Schaden nach § 154 ZVG (vgl. OLG Köln aaO, KG aaO; ferner Böttcher/Keller aaO § 154 Rn. 3b).
12
Auf dieser Grundlage hat der Angeklagte N. durch das Unterlassen des Forderns und Einziehens des Mietzinses bzw. einer Nutzungsentschädigung und der Betriebskosten beim Angeklagten Sch. seine Pflichten als Zwangsverwalter verletzt, hierdurch seine Vermögensbetreuungspflicht missachtet und die Gläubigerin von Johann-Christian T. bzw. diesen selbst geschädigt (vgl. OLG Köln aaO, ferner HansOLG Bremen, Urteil vom 5. Dezember 1988 - Ss 85/87, NStZ 1989, 228; SSW-StGB/Saliger § 266 Rn. 33 mwN).
13
b) Auch die Verurteilung des Angeklagten Sch. wegen Untreue weist keinen Rechtsfehler auf.
14
aa) Ihm oblag ebenfalls eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB gegenüber der Gläubigerin von Johann-Christian T. bzw. diesem selbst.
15
Nach § 153 ZVG hat der Rechtspfleger (§ 3 Nr. 1 Buchst. i RPflG) des Vollstreckungsgerichts unter anderem die Geschäftsführung des Verwalters zu beaufsichtigen. Ihm kommt diesem gegenüber eine "verfahrensbeherrschende Stellung" zu (Böttcher/Keller aaO § 153 Rn. 1). Zwar handelt der Verwalter grundsätzlich selbständig und eigenverantwortlich, jedoch ist das Vollstreckungsgericht berechtigt und verpflichtet, den Verwalter zu leiten und im Rahmen seiner Aufsichtstätigkeit festgestellte Pflichtwidrigkeiten abzustellen (vgl. Böttcher/Keller aaO § 153 Rn. 5). Diese Pflichten berühren nicht nur allgemeine Interessen der Gläubiger und Schuldner; sie betreffen vielmehr auch deren Vermögensinteressen. Denn die Aufsichtspflicht des Rechtspflegers bezieht sich insbesondere auf die treuhänderische Tätigkeit des Zwangsverwalters und die diesem obliegende Pflicht zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Gläubiger und des Schuldners. Hierzu kann und muss der Rechtspfleger dem Zwangsverwalter gegebenenfalls auch (Einzel-)Anweisungen erteilen, die - wie der Generalbundesanwalt mit zahlreichen weiteren Beispielen ausgeführt hat - etwa Mietverträge betreffen können (§§ 6, 10 Abs. 1 Nr. 2 ZwVwV bzw. § 6 ZVwVergV). Solchen Anweisungen muss der Zwangsverwalter folgen, er ist an sie gebunden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 ZwVwV bzw. § 1 Abs. 1 Satz 2 ZVwVergV).
16
Angesichts dieser Stellung und Aufgaben des Rechtspflegers in Zwangsverwaltungsverfahren oblag dem Angeklagten Sch. gegenüber der Gläubigerin von Johann-Christian T. bzw. diesem selbst eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB (vgl. zum Rechtspfleger in Nachlasssachen ebenso BGH, Urteil vom 25. Februar 1988 - 1 StR 466/87, BGHSt 35, 224, 227, 229 = JZ 1988, 881 m. Anm. Otto; zum Gerichtsvollzieher: RGSt 61, 228, 229 ff.; BGH, Beschluss vom 7. Januar 2011 - 4 StR 409/10, NStZ 2011, 281, 282). Dem steht nicht entgegen, dass der Angeklagte Sch. - weil selbst betroffen (vgl. § 10 RPflG i.V.m. § 41 Nr. 1 ZPO) - in dem Zwangsverwaltungsverfahren gar nicht hätte tätig werden dürfen; denn das Verbot, in eigener Sache tätig zu werden, schließt ein gleichwohl bestehendes Treueverhältnis nicht aus (so bereits RGSt 72, 347, 348).
17
bb) Gegen die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht hat der Angeklagte Sch. verstoßen, da er den Zwangsverwalter nicht dazu anhielt, bei ihm selbst Miete bzw. Nutzungsentschädigung und Betriebskosten einzufordern.
18
Zwar genügt die bloße Verletzung einer nicht zumindest auch den fremden Vermögensinteressen dienenden Dienstpflicht nicht für eine Verurteilung wegen Untreue (vgl. RGSt 61, 228, 231 [zum Gerichtsvollzieher]; SSWStGB /Saliger § 266 Rn. 32 mwN; für den Nachlassrechtspfleger auch Otto JZ 1988, 883, 884). Jedoch ist eine Normverletzung pflichtwidrig i.S.v. § 266 StGB, wenn die verletzte Rechtsnorm wie hier - wenigstens auch, und sei es mittelbar - vermögensschützenden Charakter hat (BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 300 f.).
19
cc) Die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch den Angeklagten Sch. hat bei der Gläubigerin von Johann-Christian T. bzw. diesem selbst auch zu einem Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB geführt.
20
Insofern ist ohne Bedeutung, dass es - wie die Revision einwendet - denkbar ist, dass der Zwangsverwalter Anweisungen des Rechtspflegers entgegen seiner Pflicht nicht folgt. Bei einer - wie vorliegend - rechtmäßigen und in der Sache gebotenen Anweisung steht eine solche ohne jeglichen Anhaltspunkt in den Raum gestellte, lediglich denkbare Annahme der Bejahung des erforderlichen Zusammenhangs zwischen dem pflichtwidrigem Tun und dem Erfolg nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2010 - 1 StR 272/09, NJW 2010, 1087, 1091).
21
Auch soweit für eine Verurteilung wegen Untreue gefordert wird (dies in Frage stellend: BGH, Beschluss vom 13. April 2011 - 1 StR 94/10, NJW 2011, 1747, 1751; dagegen beispielsweise SSW-StGB/Saliger § 266 Rn. 83, 84), dass der Vermögensnachteil unmittelbar durch die Pflichtverletzung ausgelöst worden sein muss, fehlt es hieran nicht. Denn ein über den Zurechnungszusammenhang hinausgehendes Unmittelbarkeitserfordernis zwischen Pflichtwidrigkeit und Nachteil steht weder in Fällen der mittelbaren Täterschaft noch in dem hier vom Landgericht angenommenen Fall der Mittäterschaft in Frage. Auch bei der vom Generalbundesanwalt angenommenen Alleintäterschaft des Angeklagten Sch. liegt in dem Unterlassen der Anweisung an den Zwangsverwalter , die gegen ihn selbst bestehenden Forderungen geltend zu machen, aufgrund der Bindung des Zwangsverwalters an eine solche Anweisung zumindest eine unmittelbare schadensgleiche Vermögensgefährdung (vgl. für Schäden , die sich gleichsam von selbst vollstrecken: SSW-StGB/Saliger § 266 Rn. 75; zur Untreue durch Nicht-Erfüllung von Aufsichtspflichten: ders. Rn. 33 jeweils mwN).
22
2. Die Verurteilungen der Angeklagten wegen Vorteilsgewährung bzw. Vorteilsannahme weisen ebenfalls keine Rechtsfehler auf.
23
Die nach §§ 331, 333 StGB erforderliche Unrechtsvereinbarung liegt nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen vor. Denn nach der Neufassung dieser Tatbestände werden auch die Fälle erfasst, in denen durch einen Vorteil nur das generelle Wohlwollen und die Geneigtheit des Amtsträgers erkauft bzw. "allgemeine Klimapflege" betrieben wird, wobei allerdings zwischen dem Vorteil und der Dienstausübung ein "Gegenseitigkeitsverhältnis" in dem Sinne bestehen muss, dass der Vorteil nach dem ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis der Beteiligten seinen Grund gerade in der Dienstausübung hat, also Ziel der Vorteilszuwendung ist, auf die künftige Dienstausübung Einfluss zu nehmen und/oder die vergangene Dienstausübung zu honorieren (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2008 - 1 StR 260/08, BGHSt 53, 6, 15 f. mwN).
24
Dies ist vorliegend gegeben, weil sich der Angeklagte N. ein "Gewogensein des Angeklagten Sch. [gerade] im Rahmen dessen dienstlicher Tätigkeit versprach" (UA 47). Im Einvernehmen hiermit sollte der Angeklagte Sch. als für das Zwangsverwaltungsverfahren zuständiger Rechtspfleger , mithin als "das Vollstreckungsgericht" und als Amtsträger, handeln (vgl.
auch BGH, Urteil vom 25. Februar 1988 - 1 StR 466/87, BGHSt 35, 224, 230 f. = JZ 1988, 881 m. Anm. Otto).
25
Der gewährte bzw. entgegengenommene Vorteil, nämlich die unentgeltliche Nutzung der Wohnung während der von ihm angeordneten Zwangsverwaltung , stellt auch einen Vorteil im Sinne der §§ 331, 333 StGB dar. Denn hierunter ist jede Leistung zu verstehen, auf die der Amtsträger keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 2008 - 1 StR 260/08, BGHSt 53, 6, 11 mwN).

III.


Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben ebenfalls keinen Erfolg.
26
Der Revisionsführerin ist zwar zuzugeben, dass die gegen die Angeklagten verhängten Strafen außerordentlich milde sind. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Strafzumessung ist jedoch in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung , gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 mwN). Auch die Frage, welchen Umständen der Tatrichter bei der Strafrahmenwahl bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2010 - 2 StR 498/09).
27
Die Grenze des Vertretbaren und damit den ihm eingeräumten Spielraum hat das Landgericht bei der Festsetzung der Strafen gegen die Angeklagten noch nicht überschritten. Einen durchgreifenden Rechtsfehler weist die Strafzumessung - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 26. April 2011 dargelegt hat - letztlich nicht auf. Dies gilt auch für die NichtVerhängung eines Berufsverbots gegen den Angeklagten N. .
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 17/15
vom
26. November 2015
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
__________________________________
AEUV Art. 107 ff.; StGB § 266 Abs. 1; HGB § 54; VV-LHO RP § 39 Ziff. 5 Satz
2
1. Ein Mitglied des Aufsichtsrats einer GmbH trifft die Pflicht im Sinne des Untreuetatbestands
, das Vermögen der Gesellschaft zu betreuen. Es verletzt
diese Pflicht u.a. dann, wenn es mit einem leitenden Angestellten der Gesellschaft
bei einem das Gesellschaftsvermögen schädigenden, die Grenzen
der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit überschreitenden Fehlverhalten
zusammenwirkt.
2. § 39 Ziff. 5 Satz 2 der Vorschriften zum Vollzug der Landeshaushaltsordnung
Rheinland-Pfalz schützt die Vermögensinteressen des Haushaltsgebers.
3. Zu der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht und dem Eintritt eines
Vermögensnachteils bei der Übernahme von Bürgschaftsverpflichtungen für
ein Bundesland durch dessen Finanzminister.
4. Ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorschriften zur Gewährung von
Beihilfen begründet keine Pflichtverletzung im Sinne des UntreuetatbestanECLI
:DE:BGH:2015:261115B3STR17.15.0
des; denn diese Regelungen dienen nicht dem Schutz des Vermögens des
Beihilfegebers, sondern dem des europäischen Binnenmarktes vor Wettbewerbsverzerrungen.
5. Zu den Darlegungsanforderungen bezüglich der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht
, wenn dem Angeklagten eine Handlungsvollmacht für die
Gesellschaft erteilt wurde.
BGH, Beschluss vom 26. November 2015 - 3 StR 17/15 - LG Koblenz
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Untreue u.a.
hier: Revisionen der Angeklagten D. , K. und N.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - mit Ausnahme der Aufhebung des Urteils
in den Fällen IV.2 und 7 der Urteilsgründe auf dessen Antrag - am
26. November 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1, § 357 Satz 1
StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 16. April 2014 aufgehoben
a) soweit es den Angeklagten D. betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen in den Fällen IV.8 und 9
a) bis c) sowie e) bis j) der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Fall IV.8 der Urteilsgründe mit Ausnahme derjenigen zum Vermögensnachteil aufrechterhalten ;
b) soweit es den Angeklagten K. betrifft, aa) im Fall IV.2 der Urteilsgründe und der Angeklagte insoweit freigesprochen; die diesbezüglichen Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse; bb) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen im Fall IV.8 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe ; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Fall IV.8 der Urteilsgründe mit Ausnahme derjenigen zum Vermögensnachteil aufrechterhalten ;
c) soweit es den Angeklagten N. betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen in den Fällen IV.7 und 8 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Fall IV.8 der Urteilsgründe mit Ausnahme derjenigen zur Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht und zum Vermögensnachteil aufrecht erhalten;
d) soweit es die Mitangeklagten M. und W. betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen in den Fällen IV.9 a) bis c) und e) bis j) der Urteilsgründe. Im Umfang der Aufhebung - mit Ausnahme des Teilfreispruchs des Angeklagten K. - wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. unter Freispruch im Übrigen wegen Untreue in vierzehn Fällen und falscher uneidlicher Aussage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen die Angeklagten K. und N. hat die Strafkammer wegen Untreue in sieben ( K. ) bzw. vier (N. ) Fällen Bewährungsstrafen verhängt und sie im Übrigen freigesprochen. Die nicht revidierenden Mitangeklagten M. und W. hat das Landgericht jeweils unter Freispruch im Übrigen wegen Untreue in neun Fällen verwarnt und die Verurteilung von Geldstrafen vorbehalten. Mit ihren Revisionen wenden sich die Beschwerdeführer gegen ihre Verurteilungen und rügen die Verletzung materiellen Rechts; die Angeklagten D. und K. beanstanden zudem das Verfahren. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen waren die revidierenden Angeklagten im Tatzeitraum in unterschiedlicher Funktion bei der Nürburgring GmbH tätig. Der Angeklagte K. war deren Geschäftsführer; der Angeklagte D. war damals Finanzminister des Landes Rheinland -Pfalz und seit dem Jahr 2006 Vorsitzender des satzungsmäßig eingerichteten Aufsichtsrats. Der Angeklagte N. war Leiter der Controlling-Abteilung. Er war direkt dem gesondert verfolgten Finanzdirektor und Prokuristen L. unterstellt sowie selbst Vorgesetzter unter anderem des Zeugen De. . Ihm war "Handlungsvollmacht nach § 54 HGB" erteilt. Nach internen Regelungen durfte er Verpflichtungen - mit entsprechender Befugnis zur Freigabe - bis zu einem Umfang von 20.000 € eingehen, bei Beträgen über 5.000 € allerdings nur ge- meinsam mit einem Direktor wie etwa L. . Zu seinem Aufgabenkreis gehörte es weiter, die inhaltliche und sachliche Richtigkeit von eingehenden Rechnungen zu überprüfen. Die Geschäftsanteile an der Nürburgring GmbH hielten zu 90% das Land Rheinland-Pfalz und zu 10% der Landkreis Ahrweiler. Den Verurteilungen liegen Vorgänge zugrunde, die sich im Rahmen des Ausbauprojektes "Nürburgring 2009" zutrugen:
3
1. Der Nürburgring ist eine traditionsreiche, in einer strukturschwachen Region des Landes Rheinland-Pfalz gelegene Rennstrecke, die von der Nürburgring GmbH verwaltet wird. Bereits seit Jahrzehnten wurde versucht, das Angebot am Nürburgring um andere Freizeitmöglichkeiten neben dem Rennbetrieb zu erweitern. Aus diesen Bestrebungen entstand das Ausbauprojekt "Nürburgring 2009", mit dem der Nürburgring zu einem Freizeit-, Business- und Erlebniszentrum mit ganzjährigen, wetterunabhängigen Angeboten entwickelt werden sollte. Das Ausbauprojekt gliederte sich in zwei Bereiche: Bereich I umfasste die Bauprojekte "ringBoulevard", "Warsteiner-Event Center", "ringWerk" und "ringArena"; das Teilprojekt Bereich II betraf den Ausbau der Hotel- und Gastronomieanlagen. Finanziert werden sollte das Vorhaben durch private Investoren , wobei sich die geschätzten Investitionskosten zunächst auf 135 Mio. € für Bereich I und auf 95 Mio. € für den Bereich II beliefen. Die Suche nach Privatinvestoren gestaltete sich allerdings für beide Teilprojekte schwierig.
4
Mitte des Jahre 2006 stellten die Zeugen B. und Me. ein Finanzierungskonzept für den Bereich I des Ausbauprojektes vor. Dieses hatte im Wesentlichen folgenden Inhalt: Die von den Zeugen gehaltene I. (I. ) S.A. (im Folgenden: I. S.A.) zahlt an die Nürburg- ring GmbH 135 Mio. €. Im Gegenzug wird der I. E. GmbH, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der I. S.A., ein Nießbrauchsrecht an den bebauten Grundstücken und Betriebseinrichtungen eingeräumt, welche sie sodann an die Nürburgring GmbH rückvermietet. Der Mietvertrag läuft über 27 Jahre; die Grundmiete beträgt pro Jahr 5 Mio. €, so dass die Investitionssumme am Ende der Gesamtlaufzeit den Grundmieteinnahmen entspricht. Eine Kündigung durch die Nürburgring GmbH ist frühestens nach elf Jahren möglich, wobei in diesem Fall eine "Optionsgebühr" und auf Grundlage einer festgelegten Formel eine Entschädigung zu zahlen ist, die im Wesentlichen der noch offe- nen Mietzinszahlung für die verbleibende Laufzeit entspricht. Der wirtschaftliche Vorteil dieses Konzepts lag für die Nürburgring GmbH darin, dass ihr die Investitionssumme zinsfrei zur Verfügung gestellt würde. Rein rechnerisch ergab sich bereits bis zum Zeitpunkt der frühestmöglichen Kündigung nach elf Jahren ein Zinsvorteil von 33 Mio. €. Zusätzlich garantierte die I. S.A.auf die im Falle einer vorzeitigen Kündigung zu leistenden Entschädigung einen festen Abzugs- betrag in Höhe von 30 Mio. €. Wirtschaftlich betrachtet wären der I. S.A.da- mit im Fall einer Kündigung nach elf Jahren Zinseinnahmen in Höhe von 33 Mio. € entgangen und zusätzlich ein Verlust von 30 Mio. € entstanden.
5
Die I. S.A. bzw. die hinter dieser stehenden B. und Me. wollten ihre Gewinne durch eine Refinanzierung des Investitionskapitals erwirtschaften. Hierzu planten sie, nach dem sog. Senior-Life-Settlements-Modell auf dem USMarkt in einem Volumen von 1,2 Mrd. US-Dollar notleidend gewordene Lebensversicherungen zu einem Bruchteil von deren Nominalablaufwert aufzukaufen. Nach US-amerikanischem Versicherungsrecht erhält der Versicherungsnehmer bei einer Einstellung der Prämienzahlungen keine Leistungen aus dem Vertrag, weshalb es bei drohendem Zahlungsausfall günstiger ist, die Versicherung an einen Aufkäufer zu übertragen, der die restlichen Prämienzahlungen übernimmt. Da der Ausfall der Prämienzahlung seitens der Versicherungen bereits in die Prämienhöhe einkalkuliert wird, erlangt der Investor bei erfolgreicher Durchführung einen im Verhältnis zur Prämienzahlung relativ hohen Betrag. Allerdings sahen die US-amerikanischen Bestimmungen vor, dass ein Aufkauf derartiger Lebensversicherungspolicen durch NichtVersicherungsunternehmen wie der I. S.A. nur in Verbindung mit einem Immobiliengeschäft rechtlich zulässig war. Als ein solches werteten B. und Me. die Beteiligung am Ausbauprojekt "Nürburgring 2009". Da die I. S.A.
die Investitionssumme von 1,2 Mrd. US-Dollar nicht aufbringen konnte, benötigte sie ihrerseits einen Investor, der bereit war, das Projekt zu finanzieren.
6
Im August 2006 schlossen die Nürburgring GmbH und die I. S.A. einen Projektfinanzierungs- und Entwicklungsvertrag, dessen Gegenstand unter anderem die Vermittlung eines Investors durch die I. S.A. war. Dies gelang B. und Me. zunächst allerdings nicht. Im weiteren Verlauf schlossen die Nürburgring GmbH und die I. Gesellschaft mbH (im Folgenden: I. GmbH), eine Tochtergesellschaft der I. S.A., am 27. März 2007 einen Vorvertrag. Hierin verpflichtete sich die Nürburgring GmbH zur pauschalen Erstattung von Vorlaufkosten, die der I. GmbH durch die Suche nach einem Investor bzw. durch die Vermittlung der Finanzierung entstehen würden. Der Vertrag sah monatliche Pauschalzahlungen in Höhe von 20.000 € vor und war zunächst bis zum 31. Dezember 2007 befristet. In der Folgezeit wurde er durch vier Nachträge bis zum 30. September 2008 verlängert , wobei die monatliche Zahlungsverpflichtung zuletzt 40.000 € betrug. Am 2. September 2007 schlossen die Nürburgring GmbH und die I. S.A. zudem eine Provisionsvereinbarung, wonach die I. S.A. für die erfolgreiche Vermittlung der Projektfinanzierung ein Erfolgshonorar in Höhe von 5 Mio. € erhalten sollte. Der Vertrag sah u.a. vor, dass die erste Rate in Höhe von 1 Mio. € des Erfolgshonorars erst nach dem tatsächlichen Eingang der ersten Finanzierungsrate fällig war; die aufgrund des Vorvertrages vom 27. März 2007 von der Nürburgring GmbH erbrachten Zahlungen sollten auf die Provision angerechnet werden.
7
Im Jahr 2008 zeigte sich der gesondert verfolgte Ba. , der in der Folgezeit unter seiner Firma B&B (im Folgenden: B&B ) handelte, an einem Engagement in dem Teilprojekt Bereich I interessiert und unterbreitete verschiedene Finanzierungsangebote. Das dritte Finanzierungsangebot war gerichtet an die I. S.A. und sah eine Investition über 1,2 Mrd. US-Dollar vor, die unter der Bedingung stand, dass die I. S.A. eine Einlage über 10% der Finanzierungssumme - mithin 120 Mio. US-Dollar - für eine Laufzeit von 14 Monaten erbringt. Dieses Finanzierungskonzept verfolgten die Beteiligten weiter, wobei die von der I. S.A. zu leistende Bareinlage schließlich 80 Mio. € betragen sollte. Im Juni 2008 unterrichtete D. den Auf- sichtsrat umfassend über das geplante Finanzierungskonzept. Ende Juni 2008 übermittelte die Geschäftsführung den Aufsichtsratsmitgliedern Entwürfe eines Nießbrauchsvertrages, eines Generalübernehmervertrages, eines Mietvertrages und eines Optionsvertrages; hiermit verbunden war der Antrag auf Zustimmung zum Abschluss des Vertragswerks. Am 1. Juli 2008 fasste der Aufsichtsrat folgenden Beschluss: "Der Aufsichtsrat beauftragt und ermächtigt die Geschäftsführung, alle notwendigen Verträge und sonstigen Vereinbarungen mit der I. , deren Vertretern oder mit der I. verbundenen Gesellschaften abzuschließen, um eine Finanzierung des Projektes Nürburgring 2009 zu realisieren…"
8
Grundlage des Beschlusses war § 7 Abs. 1 und 3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages der Nürburgring GmbH (im Folgenden: GesV). § 7 GesV lautete: "§ 7 Zustimmungsbedürftige Geschäfte Abs. 1: Die Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer erstreckt sich nur auf Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsverkehr mit sich bringt. Für alle darüber hinaus gehenden Handlungen ist die vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats einzuholen.

Abs. 2: Der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen in jedem Fall: … Abs. 3: Der Aufsichtsrat kann sich die vorherige Zustimmung zu bestimmten anderen Arten von Geschäften vorbehalten. Er kann widerruflich seine Einwilligung zu Geschäften, die seiner Zustimmung bedürfen , allgemein unter der Voraussetzung erteilen, dass die von ihm gemachten Auflagen erfüllt sind."
9
Am 31. Juli 2008 entschied D. im Rahmen eines Gesprächs im Finanzministerium mit weiteren an der Finanzierung beteiligten Personen , dass die nach den bisherigen Verträgen von der I. S.A. zu leistende Bareinlage in Höhe von 80 Mio. € von der Nürburgring GmbH erbracht werden sollte, da die I. S.A. hierzu finanziell nicht in der Lage war; die mit der erforderlichen Darlehensaufnahme verbundenen Zinsen sowie die mit der Anlage der Bareinlage verbundenen Bankspesen sollten nach seiner Entscheidung ebenfalls von der Nürburgring GmbH übernommen werden. Den für die Zahlung der Bareinlage erforderlichen Betrag sollte die Nürburgring GmbH darlehensweise aus Landesmitteln über den sog. Liquiditätspool erhalten, der bei dem Kreditreferat des Ministeriums für Finanzen eingerichtet war; diesbezüglich gab D. einem Mitarbeiter des Finanzministeriums vor, dass die Zahlung aus dem Liquiditätspool "unter Bilanzebene" abgewickelt werden sollte ; dementsprechend fand das Darlehen in der Bilanz der Nürburgring GmbH keine Erwähnung.
10
2. Vor dem geschilderten Hintergrund kam es u.a. zu den folgenden Handlungen:
11
a) In die Vorgänge um die Zahlung der von der I. S.A. geschuldeten, jedoch von der Nürburgring GmbH erbrachten Bareinlage in Höhe von 80 Mio. € war die Rechtsanwaltskanzlei C. eingebunden. Ende August 2008 regte sie wegen der verschärften Regelungen zur Geldwäsche an, das Landeskriminalamt einzubinden und prüfen zu lassen, ob es Erkenntnisse oder Verdachtsmomente gegen die an der geplanten Anlage des Bardepots über 80 Mio. € Beteiligten gebe. D. bat daraufhin den damaligen Landesinnenminister Br. um eine entsprechende Überprüfung. Zudem stellte er eigene Internetrecherchen an; dabei stieß er auf Gerüchte einer Verbindung zwischen der I. S.A. und einem mexikanischen Drogenkartell. Dies teilte er am Rande einer Aufsichtsratssitzung am 2. September 2008 K. mit. Am Morgen des 8. September 2008 bestätigte Innenminister Br. D. den Verdacht, dass die I. S.A. zum Umfeld eines mexikanischen Drogenkartells gehöre. Hintergrund war, dass im Handelsregister von Luxemburg zwei irische Firmen als Aktionäre der I. S.A. eingetragen waren; beide Firmen waren auch Aktionäre einer Gesellschaft, in der eine zu den wichtigsten Drahtziehern der mexikanischen Drogenmafia zählende Familie ihre Geschäfte bündelte.
12
Es folgte eine Sitzung im Finanzministerium, an der D. , der Zeuge Dr. von der Kanzlei C. und L. teilnahmen. Die Beteiligten kamen überein, dass ein sofortiges Ende der Geschäftsbeziehung zur I. S.A. erforderlich sei, wenn die Gerüchte über deren Beziehung zur mexikanischen Drogenmafia nicht zügig und umfassend widerlegt werden könnten. D. befürchtete bei deren Ausbreitung einen großen Imageschaden für das Land Rheinland-Pfalz und das Projekt "Nürburgring 2009". Konfrontiert mit den Vorwürfen bestritt Me. jedoch eine bestehende Verbindung zu einem Drogenkartell; die beiden irischen Firmen seien - was sich zehn Tage später bestätigte - lediglich Aktionäre des erworbenen Firmenmantels gewesen. Die Forderung, neue und von dem Verdacht unbelastete Gesellschaften zu gründen, die in die mit der Nürburgring GmbH bestehenden Verträge eintreten sollten, lehnte er wegen der entstehenden Gründungskosten ab. Daraufhin fassten K. sowie L. den Entschluss, die Nürburgring GmbH die Kosten der gewünschten Neugründung einer Gesellschaft, der P. S.A., tragen zu lassen.
13
Noch am 8. September 2008 unterschrieb Me. für die I. GmbH einen Vertrag, nach dem die Nürburgring GmbH die Gründungskosten für die "P. S.A." in Höhe von netto 45.000 € tragen sollte. Die Kosten sollten im Falle einer erfolgreichen Vermittlung der Finanzierung auf den Provisionsanspruch aus dem mit der I. S.A. geschlossenen Vertrag vom 2. September 2007 angerechnet werden. Am selben Tage stellte Me. der Nürburgring GmbH für die I. GmbH den Betrag von 53.550 € (45.000 € netto) in Rechnung. Der Betrag wurde ausgezahlt, nachdem K. und L. die Rechnung als "sachlich und rechnerisch richtig" abgezeichnet hatten. Einen Tag später gründeten Me. und B. vereinbarungsgemäß die P. S.A. und darüber hinaus nach deutschem Recht die P. GmbH. Die Gesellschaften traten kurze Zeit später für die I. S.A. und die I. E. GmbH in die mit der Nürburgring GmbH bestehenden Verträge ein (Fall IV.2 der Urteilsgründe).
14
b) Während dieser Vorgänge wurde die Umsetzung des Finanzierungskonzeptes weiter vorangetrieben. So kündigte N. am 22. September 2008 gegenüber der Schweizer Bank LLB die Überweisung von 80 Mio. € an. Am selben Tag stellte die I. GmbH der Nürburgring GmbH "… gemäß dem ge- schlossenen Vorvertrag" für den Monat Oktober 2008 eine Aufwandsentschä- digung in Höhe von 40.000 € nebst 19% Umsatzsteuer in Rechnung. Nach Ein- gang der Rechnung am 23. September 2008 fassten K. und N. sowie L. den Entschluss, diese Rechnung durch die Nürburgring GmbH begleichen zu lassen. Ihnen war bewusst, dass keine Verpflichtung zur Übernahme dieser Kosten bestand, da der Vorvertrag bis zum Monat September 2008 begrenzt war und auch der vierte Nachtrag zum Vorvertrag eine Aufwandsentschädigung nur bis zum 30. September 2008 vorgesehen hatte. Gleichwohl zeichneten alle drei die Rechnung als sachlich und rechnerisch richtig ab. In weiterer Ausführung des Tatplans veranlassten K. und L. die Auszahlung der in Rechnung gestellten Aufwandsentschädigung. Der Aufsichtsrat der Nürburgring GmbH war mit der Zahlung nicht befasst. Erstattungsfähige Aufwendungen hatten B. und Me. bzw. die I. GmbH im Oktober 2008 nicht (Fall IV.3 der Urteilsgründe).
15
c) Obwohl die von Ba. geforderte Bareinlage in Höhe von 80 Mio. € am 24. September 2008 bei der LLB/Schweiz verbucht und angelegt worden war, kam die Finanzierung nicht zustande: Zunächst hielt Ba. unter anderem eine vertraglich vereinbarte Frist von drei Tagen zum Nachweis eines Investors nicht ein; sodann verschwand er zwischen dem 20. Oktober und 9. November 2008 spurlos. Schließlich wurde die erste Finanzierungsrate auch nach seinem Wiederauftauchen trotz mehrfacher Aufforderung nicht gezahlt.
16
Noch im Jahr 2008 präsentierte Ba. jedoch weitere angebliche Investoren , so u.a. die Ölgesellschaft T. und die A. AG. Eine Überprüfung der Gesellschaften durch die RechtsanwaltskanzleiR. ergab jedoch in beiden Fällen Bedenken, weil sich die ermittelbaren wirtschaftlichen Verhältnisse der Unternehmen nicht so wie von Ba. vorge- geben darstellten. Die Bestrebungen zur Finanzierung des Ausbauprojektes "Nürburgring 2009" konkretisierten sich gleichwohl wieder. Dabei forderte Ba. erneut, dass eine Bareinlage in Höhe von nunmehr 95 Mio. € erbracht werden müsse. Diese wurde ebenfalls von der Nürburgring GmbH geleistet , durch die darlehensweise Inanspruchnahme öffentlicher Mittel finanziert und im März 2009 bei der Liechtensteinischen Landesbank angelegt.
17
Ende April 2009 fand eine Telefonkonferenz zwischen D. und N. sowie L. , B. und Me. statt. Hintergrund war eine zuvor durchgeführte Prüfung des Finanzierungskonzeptes durch eine Schweizer Wirtschaftskanzlei und eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Hierbei hatte sich ergeben, dass der im Rahmen des Finanzierungskonzeptes zwischen der P. S.A. und B&B zu schließende Darlehensvertrag über 165 Mio. € negative ertragssteuerliche Konsequenzen für die P. S.A. gehabt hätte. Me. forderte daraufhin, dass die Ertragssteuer entweder vom Land Rheinland-Pfalz oder der Nürburgring GmbH übernommen werden müsse. Dies lehnte D. ab; er ging aber auf den Vorschlag ein, dass zum Erhalt steuerlicher Vorteile seitens B. und Me. eine Schweizer Aktiengesellschaft gegründet werden sollte. Die Gründungskosten in Höhe von 100.000 € sollte die Nürburgring GmbH tragen. Dabei erklärte D. , dass der Betrag von 100.000 € nicht in Verbindung mit der Gesellschaftsgrün- dung gebracht werden dürfe; auch müsse der Betrag auf das später etwaig zu zahlende Erfolgshonorar angerechnet werden.
18
Unter dem 30. April 2009 ging daraufhin eine Rechnung der I. GmbH bei der Nürburgring GmbH ein, mit der die I. GmbH "für erbrachte Leistungen in den Monaten Juni, Juli und August 2008" ein "Honorar" von netto 100.000 € berechnete. Die Rechnung zeichneten K. und L. entsprechend ih- rem zuvor gefassten gemeinsamen Entschluss als sachlich und rechnerisch richtig ab und gaben sie zur Zahlung frei. Im Juni 2009 gründeten B. und Me. nach schweizerischem Recht die G. AG. Der Aufsichtsrat der Nürburgring GmbH war mit der Zahlung nicht befasst (Fall IV.5 der Urteilsgründe

).


19
d) Im Mai 2009 sprach Me. anlässlich eines Treffens in der Schweiz L. auf die Zahlung einer Aufwandsentschädigung in Höhe von 50.000 € an. L. unterrichtete hierüber telefonisch D. ; gemeinsam entschieden beide, dass die Nürburgring GmbH den Betrag zahlen solle. Daraufhin ging am 22. Mai 2009 eine Rechnung der sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Liquidationsstadium befindlichen I. GmbH ein; die Rechnung lautete auf netto 50.000 € und wies als Gegenstand "erbrachte Leistungen in den Monaten September 2008" aus, obwohl die nach dem Vorvertrag geschuldete Aufwandsentschädigung für den Monat September 2008 bereits im August 2008 gezahlt worden war. Gleichwohl zeichneten K. , der in Kenntnis aller Umstände ebenfalls zur Zahlung entschlossen war, sowie L. die Rechnung als "sachlich und rechnerisch geprüft" ab und veranlassten hierdurch die Auszahlung (Fall IV.6 der Urteilsgründe).
20
e) Anfang Juni 2009 hielten sich B. , Me. , L. und N. im Hotel Do. in Z. auf. Im Laufe eines gemeinsamen Gesprächs rief Me. D. an und begehrte unter Hinweis auf nicht näher spezifi- zierte Aufwendungen eine Zahlung in Höhe von 150.000 €. D. stimmte der Zahlung zu. Hierauf machte N. gegenüber L. deutlich, dass der pauschale Aufwendungsersatz aus seiner Sicht nicht nachvollziehbar sei, zumal die Nürburgring GmbH bereits bisher angefallene Kosten für Flug, Hotel und Spesen in Höhe von 78.000 € für B. und Me. beglichen habe. L.
reagierte jedoch unwirsch und verwies auf die Zustimmung von D. .
21
Bereits vor Eingang einer Rechnung rief N. darauf den ihm bei der Nürburgring GmbH unterstehenden Zeugen De. an und "wies ihn an, den Betrag per Blitzüberweisung auf das bekannte Konto der I. GmbH zu überweisen". De. ließ daraufhin von der entsprechenden Abteilung die Überweisung zur Unterschrift durch K. vorbereiten. Hiernach legteN. K. die Auszahlungsanordnung zur Unterschrift vor, wies jedoch erneut auf seine Bedenken hin. Dieser unterschrieb gleichwohl die Auszahlungsanordnung und veranlasste hierdurch die Zahlung. Erst danach ging am 20. Juli 2009 die auf den 15. Juni 2009 datierende und auf den Nettobetrag von 150.000 € lautende Rechnung der I. GmbH bei der Nürburgring GmbH ein. Als Gegenstand wurden dort seitens der I. GmbH "erbrachte Leistungen in den Monaten Oktober und November 2008" ausgewiesen. Gesondert abrechnungsfähige Aufwendungen hatten B. und Me. indes nicht gehabt (Fall IV.7 der Urteilsgründe

).


22
f) Nachdem B. und Me. die G. AG gegründet hatten , sollte die Finanzierung mit Ba. umgesetzt werden. Bereits im Mai 2009 hatte Ba. als neuen Investor die amerikanische Gesellschaft G. A. (im Folgenden: GA. ) ins Spiel gebracht und die Kopie eines Kontoauszugs überreicht, wonach die Gesellschaft die Anweisung erteilt hatte, 100 Mio. US-Dollar auf ein mit der Bezeichnung "B&B Nürburgring" geführtes Unter-Konto zu überweisen. Hinter der GA. sollte ein Investor namens Du. stehen. Du. war nach den Angaben Ba. s auch "Geschäftsführer" der M. A. (im Folgenden: MA. ), die im weiteren Verlauf neben der GA. zusätzlich in die Finanzierung einge- bunden würde. Im Zuge der abschließenden Verträge fertigte der von der Nürburgring GmbH beauftragte Rechtsanwalt Lü. eine Zahlungsvereinbarung , mit der die genaue Zahlungshöhe und -weise des durch Ba. zur Verfügung gestellten bzw. beschafften Finanzierungskapitals an die Nürburgring GmbH und die Gesellschaften der I. - bzw. P. -Gruppe geregelt werden sollte. Am 29. Juni 2009 übermittelte Rechtsanwalt Lü. L. per E-Mail einen zweiten Entwurf dieser Vereinbarung. Zu diesem Zeitpunkt stand D. unter hohem Zeitdruck, da im Hinblick auf das am 12. Juli 2009 stattfindende Formel-1-Rennen die Eröffnungsfeier für den 9. Juli 2009 vorgesehen und noch kein Privatinvestor gefunden worden war. Zudem hatte ihm der damalige Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Be. , eine Frist bis zu diesem Tage gesetzt, um die Finanzierung des Projektes mit Ba. umzusetzen. Im Falle eines Scheiterns sollte das Bardepot über 95 Mio. € wieder abgezogen werden.
23
Noch am 29. Juni 2009 folgte im Hotel Do. in Z. ein Treffen , an dem für die Nürburgring GmbH N. und L. , daneben B. , Me. sowie Ba. teilnahmen. Letzterer übergab dabei einen auf ein Konto der MA. bei der Bank Wells Fargo gezogenen Scheck über 67 Mio. USDollar , der zugunsten der Nürburgring GmbH ausgestellt war und die ursprünglich vorgesehene Überweisung der ersten Finanzierungsrate ersetzen sollte. Hierauf diskutierten N. , L. , B. und Me. über die Zahlung der nach dem Vertrag vom 2. September 2007 vereinbarten Provision, welche die Nürburgring GmbH für die erfolgreiche Vermittlung der Finanzierung an die - für die I. S.A. in den Vertrag eingetretene - P. S.A. zahlen sollte. B. und Me. vertraten die Auffassung, ihre vertraglichen Pflichten erfüllt zu haben, weshalb die Provision mit der Übergabe des Schecks fällig sei. Auf Forderung des L. änderte N. daraufhin den von Rechtsanwalt L. übermittel- ten Entwurf der Zahlungsvereinbarung dergestalt ab, dass nach Gutschrift des Schecks über 67 Mio. US-Dollar eine Provision in Höhe von 4 Mio. € an die G. AG zu zahlen sei. Weshalb die Beteiligten in Abweichung vom Vertrag vom 2. September 2007 nur über eine Provision in Höhe von 4 Mio. €, statt wie ursprünglich vereinbart 5 Mio. € debattierten, hat die Strafkammer nicht klären können.
24
B. und Me. ging der neue Entwurf jedoch nicht weit genug. Sie forderten eine Zahlung innerhalb von 48 Stunden nach Übergabe des Schecks. Es entbrannte eine hitzige Diskussion, insbesondere N. hielt die Forderung für unangemessen. Im weiteren Verlauf telefonierte Me. mit D. und konfrontierte nun diesen mit seiner Forderung. Vor dem Hintergrund seines Zeitdrucks entschied D. , dem Ansinnen von B. und Me. nachzukommen, wobei ihm bewusst war, dass es nicht möglich sein würde, binnen der kurzen Zeitspanne von 48 Stunden zu überprüfen, ob der von Ba. übergebene Scheck gedeckt war. Telefonisch vereinbarten D. und Me. weiter, dass ein Teilbetrag von 1,2 Mio. € zur Begleichung von "Vorlaufkosten" unmittelbar an die Nürburgring GmbH zurücküberwiesen werden und weitere 2 Mio. € unangetastet auf dem Konto der G. AG verbleiben sollten; der Restbetrag von 800.000 € sollte zur freien Verfügung der G. AG bzw. B. und Me. stehen.
25
Auf Aufforderung des L. änderte N. am frühen Morgen des 30. Juni 2009 den Entwurf der Zahlungsvereinbarung erneut ab. Dieser mittlerweile vierte Entwurf lautete nun auszugsweise wie folgt: "Präambel: Zwischen den Parteien bestehen verschiedene vertragliche Beziehungen. Diese umfassen u.a. Verträge zwischen P. und NG zur Finanzierung des Projektes "Nürburgring 2009" (gemeinsam das "NG/P. Vertragswerk Projekt NG 2009"). … NG zahlt 4 Mio. € an G. /P. alsVorauszahlung auf die Optionsgebühr aus dem Vertragswerk Projekt NG 2009. … § 1 Leistung von Zahlungen 1.2. B&B wird im unmittelbaren Anschluss an die Unterzeichnung dieser Zahlungsvereinbarung einen Betrag in Höhe von 67,0 Mio. US$ …zahlen, und zwar durch Übergabe eines Orderschecks… 1.3. NG wird innerhalb von 48 Stunden nach Übergabe des Schecks gemäß § 1.2 einen Betrag in Höhe von 4 Mio. € … an G. /P. zahlen und zwar durch Überweisung auf ein von der G. /P. zu benennendes Konto."
26
Der Entwurf sah im Unterschriftsfeld für die Nürburgring GmbH neben der Unterschrift von L. als Prokuristen der Gesellschaft auch diejenige von N. vor. L. , Me. und Ba. unterschrieben diese Zahlungsvereinbarung.
27
N. begab sich daraufhin mit L. auf den Weg nach Mainz, um dort den - tatsächlich nicht gedeckten - Scheck über 67 Mio. US-Dollar bei der Landesbank Baden-Württemberg (im Folgenden: LBBW) einzulösen. Er hatte die Zahlungsvereinbarung noch nicht unterschrieben, weil er diese nach wie vor für unangemessen hielt, und machte gegenüber L. seine Unterschrift von einer entsprechenden Weisung von D. und K. abhängig. In dem darauf folgenden Telefonat forderte D. N. mit dem Bemerken , niemand könne so verrückt sein, einen Scheck in dieser Größenordnung zu unterschreiben, der nicht gedeckt sei, zur Unterschrift auf. Nachdem auch K. N. telefonisch hierzu angewiesen hatte, zeichnete dieser die Zahlungsvereinbarung ab und stimmte "als Financial Controller und Handlungsbevollmächtigter der Nürburgring GmbH dem Inhalt der Vereinbarung" zu.
28
Nach der Scheckeinreichung bei der LBBW flogen N. und L. noch am selben Tage wieder nach Z. . Am Vormittag des 3. Juli 2009 forderte N. den Leiter der Buchhaltung der Nürburgring GmbH, Ke. , auf, die Überweisung der 4 Mio. € an die G. AG zu veranlassen, nachdem Me. ihm gegenüber auf der Zahlung bestanden hatte. Ke. informierte hierauf die für die Ausführung der Überweisung zuständige Zeugin La. , die einen Überweisungsauftrag fertigte. Aufgrund vorgebrachter Bedenken des bei der Nürburgring GmbH beschäftigten Justitiars Pa. hinsichtlich des mit der Zahlung verbundenen Risikos, weil die Deckung des übergebenen Schecks noch unklar war, unterschrieb K. den Überweisungsauftrag allerdings zunächst nicht.
29
Währenddessen hatten sich Ba. , N. und B. gemeinsam zur P. -Bank nach Liechtenstein begeben. Dort sollte Ba. einer vorherigen Absprache entsprechend einen Kontoauszug abholen, der belegte, dass die B&B über einen Geldbetrag in Höhe von 100 Mio. € verfügte. Vor der Bank teilte er N. und B. dann allerdings für diese überraschend mit, dass die P. -Bank wegen der schlechten Reputation der Nürburgring GmbH keinen von deren Vertretern empfangen wolle und auch keinen Kontoauszug über- reichen werde. Etwa eine Stunde später kam Ba. wieder heraus und er- klärte wahrheitswidrig, dass der Betrag von 100 Mio. € auf dem Konto der B&B als frei verfügbares Guthaben vorhanden sei, die Bank sich aber sowohl geweigert habe, einen entsprechenden Kontoauszug auszuhändigen, als auch, eine Überweisung auf ein Konto der Nürburgring GmbH auszuführen. N. und B. reagierten zunächst empört und äußerten den Verdacht, dass Ba. eine Hinhaltetaktik verfolge. Ba. schlug daraufhin vor, zunächst einen weiteren Scheck über 33 Mio. US-Dollar auszustellen und übergab N. im Laufe des Tages einen erneut auf ein Konto der MA. bei der Bank Wells Fargo gezogenen Scheck über 33 Mio. €.
30
Am Nachmittag desselben Tages entschloss sich K. , den Auftrag zur Überweisung der 4 Mio. € an die G. AG zu erteilen, obwohl ihm bewusst war, dass die Werthaltigkeit des Schecks über 67 Mio. US-Dollar noch nicht überprüft war. Gegen 16:00 Uhr unterschrieb er den Überweisungsträger und übergab ihn der Zeugin La. zur Ausführung. Diese übermittelte um 17:17 Uhr den Überweisungsträger nach vorheriger telefonischer Ankündigung per Telefax mit der Bitte um "schnellstmögliche Ausführung" an die Kreissparkasse Ahrweiler. Kurze Zeit später übermittelte La. einen weiteren Auftrag per Telefax, der eine Umbuchung von 4 Mio. € von einem Tagesgeldkonto der Nür- burgring GmbH zur Deckung des mit der Auslandsüberweisung belasteten Kontos zum Gegenstand hatte. Bei der Kreissparkasse Ahrweiler kamen den Zeugen St. und Ki. jedoch Bedenken, ob die Überweisung einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Verhinderung von Geldwäsche darstellen könnte, weil der Überweisungsträger als Empfänger nur die Buchstaben-ZahlenKombination "G7 5165" enthielt. Aufgrund dessen führten sie die Überweisung zunächst nicht aus.
31
Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits die Rechtsanwälte Lü. und Di. K. aufgesucht. Lü. hatte am Vortag von dem gegenüber seinen Vertragsentwürfen geänderten Inhalt der Zahlungsvereinbarung erfahren und bewertete deren Inhalt als Untreue. Im Beisein von L. kam es daraufhin zu einem Telefonat zwischen K. und D. . Letzterer blieb trotz der von Lü. vorgebrachten Bedenken und Hinweise auf die bisherige Unzuverlässigkeit des Ba. bei seiner Auffassung, dass der Betrag von 4 Mio. € gezahlt werden solle. Daraufhin wies L. K. auf dessen persönliche Verantwortung als Geschäftsführer hin, worauf D. erklärte, er könne dem Geschäftsführer als Aufsichtsratsvorsitzender keine Weisungen erteilen; zugleich betonte er aber, dass das Risiko des Scheiterns der Finanzierung dann auch bei der Geschäftsleitung läge. K. erklärte schließlich seiner Sekretärin, dass mit der Überweisung gewartet werden sollte; gegen 18:00 Uhr wurde eine Mitarbeiterin der Kreissparkasse Ahrweiler per Telefax informiert.
32
Noch am Abend des 3. Juli 2009 unterrichtete ein Mitarbeiter der LBBW das Finanzministerium über Erkenntnisse zu dem von Ba. ausgestellten Scheck. Nach Mitteilung der Wells Fargo Bank in London stimmten die Daten auf dem Scheck nicht mit den Kontodaten überein; das bezeichnete Konto habe zudem zu keinem Zeitpunkt eine Deckung über 67 Mio. € aufgewiesen. An dem sich anschließenden Wochenende traten weitere Ungereimtheiten auf, sodass D. bereits am Sonntag, den 5. Juli 2009, L. den Auftrag erteilte, die Folgen einer Vertragsauflösung zu prüfen. Am Montag, den 6. Juli 2009, übermittelte La. im Auftrag des K. der Kreissparkasse Ahrweiler ein Telefax, mit dem der Überweisungsauftrag vom 3. Juli 2009 endgültig zurückgenommen wurde. Einen Tag später trat D. von sei- nem Amt als Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz zurück (Fall IV.8 der Urteilsgründe).
33
g) Zeitgleich zu den vorstehend geschilderten Ereignissen um die Finanzierung des Bereichs I von "Nürburgring 2009" wurde der Ausbau des Bereichs II (Hotel- und Gastronomieanlagen) vorangetrieben. Nach den Planungen und den öffentlichen Aussagen der Landesregierung hatte dieser Teil des Ausbauprojektes ausschließlich privat finanziert werden sollen. Weil bis Mitte des Jahres 2007 jedoch trotz Verhandlungen mit zahlreichen Hotelbetreibern kein privater Investor gefunden worden war, wurde schließlich die MS. GmbH als Projektentwicklungsgesellschaft gegründet. 10% ihrer Gesellschaftsanteile hielt die Nürburgring GmbH; 49,5% entfielen auf die später unter dem Namen Med. GmbH firmierende Medi. GmbH. Daneben waren an der MS. GmbH beteiligt die G. & T. GmbH (33,8%) und mit 6,7% die We. -GmbH. Geschäftsführer der MS. GmbH waren die Zeugen Ri. , seinerseits zugleich Geschäftsführer der Med. GmbH, und G. , der Geschäftsführer der G. & T. GmbH.
34
Die M. GmbH betrieb als Bauherrin in der Folgezeit den Ausbau der unter Bereich II fallenden Projekte. Da sie allerdings nicht über die erforderlichen Eigenmittel verfügte, war sie auf eine Fremdfinanzierung angewiesen. Deren Umsetzung gestaltete sich in der Folgezeit schwierig, so dass es u.a. zu folgenden Handlungen kam (Fälle IV.9 a) ff. der Urteilsgründe):
35
Zum Planbereich II gehörte der Bau eines 4-Sterne-Hotels, wegen dessen Finanzierung der Zeuge Ri. Verhandlungen mit der Bank für Tirol und Voralberg (im Folgenden: BTV) führte. Diese war bereit, einen Kredit in Höhe von 26 Mio. € zu gewähren, forderte allerdings, dass die Errichtung des Hotels von einer Gesellschaft betrieben würde, deren einziger Gesellschaftszweck hierin bestand, und daneben einen Eigenkapitalnachweis dieser Gesellschaft in Höhe von6 Mio. €. Die erste Forderung führte zur Gründung der C. M. GmbH (im Folgenden: CM. GmbH). Zur Erbringung des von der BTV geforderten Eigenkapitalnachweises war die MS. GmbH indes nicht in der Lage. Dieser sollte daher von ihren Gesellschaftern entsprechend der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse aufgebracht werden. Da der Geschäftsführer der We. GmbH allerdings nicht bereit war, sich an dem Projekt finanziell zu beteiligen, sollte deren Anteil von der Med. GmbH übernommen werden; diese hatte somit einen Gesamtanteil von 3,4 Mio. € zu tragen. Hierzu war sie nicht fähig.
36
Anfang Mai 2008 wies Ri. gegenüber D. darauf hin, dass ein Baustopp drohe, falls der Eigenkapitalnachweis nicht geführt werden könne. Dieser empfahl Ri. , sich an die I. und S. bank GmbH (im Folgenden: ISB GmbH) zu wenden. Bei dieser handelt es sich um eine Landesbank, deren alleiniger Gesellschafter das Land Rheinland-Pfalz ist und deren Gesellschaftszweck zu diesem Zeitpunkt insbesondere darin lag, Vorhaben der gewerblichen Wirtschaft sowie sonstige Maßnahmen zur Verbesserung und Stärkung der Wirtschaftsstruktur des Landes Rheinland-Pfalz zu fördern. Geschäftsführer der ISB GmbH war der Mitangeklagte M. . Diesen bat D. , die Finanzierung des Bauprojektes zu begleiten.
37
Am 7. Mai 2008 kam es daraufhin zu einem Gespräch in den Räumen der ISB GmbH. An diesem nahmen neben M. der Zeuge Ri. , die Wirtschafts- und Bürgschaftsreferentin des Finanzministeriums Ty. und der Mitangeklagte W. als Geschäftsführer der R.
GmbH (im Folgenden: RIM GmbH) teil. Die RIM GmbH war eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der ISB GmbH; nach ihrem Gesellschaftszweck sollte sie das Land Rheinland-Pfalz in seiner Wirtschafts- und Strukturpolitik im Rahmen der Aufgabenstellung der ISB GmbH unterstützen. Die Überlegung, die Med. GmbH für die Finanzierung des von der BTV geforderten Eigenkapitalnachweises durch eine Landesbürgschaft zu unterstützen, wurde verworfen, weil hierdurch ein finanzielles Engagement des Landes im Bereich II des Ausbauprojektes öffentlich bekannt geworden wäre. Hieraus entwickelte sich der Vorschlag, dass die RIM GmbH befristet eine stille Beteiligung an der Med. GmbH eingehen und in diesem Rahmen eine stille Einlage in Höhe des benötigten Kapitals zur Verfügung stellen solle. Diese Einlage sollte die Med. GmbH sodann der MS. GmbH als Darlehen weiter reichen. Die RIM GmbH ihrerseits refinanzierte sich über ein Darlehen, welches ihr die ISB GmbH zur Verfügung stellte. Weil der ISB GmbH diese Darlehensgewährung aufgrund geltender Bestimmungen ohne die Absicherung durch entsprechende Bürgschaften nicht möglich gewesen wäre, sollte das Land Rheinland-Pfalz den Kredit in voller Höhe durch eine Landesbürgschaft absichern. Dies bot zugleich den Vorteil, dass die grundsätzlich nach § 18 KWG erforderliche Offenlegung von Kreditunterlagen gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 4 KWG entfiel. Die Absicherung des Darlehens durch das Land sollte D. als Finanzminister ermöglichen. Dieser entschied, nachdem er über das Konzept informiert worden war, dass in der vorgeschlagenen Weise vorgegangen werde sollte.
38
Am 16. Mai 2008 schlossen die ISB GmbH und die RIM GmbH einen Darlehensvertrag über 3,4 Mio. € mit einer Laufzeit bis zum 30. September 2009. Am 19. Mai 2008 erstellte W. eine Beschlussvorlage für die Geschäftsführung der ISB GmbH, in der er u.a. ausführte, dass die nach dem Ver- trag als Sicherheit an die RIM GmbH zu verpfändenden Geschäftsanteile der Med. GmbH an der MS. GmbH nur bedingt werthaltig seien. Gleichwohl stufte er die Med. GmbH in Ratingklasse 1 ein, was der besten Bonität entsprach, obwohl ihm, M. , und D. bekannt war, dass die Med. GmbH tatsächlich keinerlei Finanzkraft aufwies. Sodann schlossen W. und Ri. am 29. Mai 2008 den Vertrag über die stille Beteiligung in Höhe von 3,4 Mio. €, welche zum 30. September 2009 zurückgezahlt werden sollte. Danach wurde die Einlage erbracht.
39
Auch die Nürburgring GmbH konnte den von ihr zu stellenden Eigenkapitalnachweis in Höhe von 600.000 € nicht aufbringen. D. entschied daraufhin, dass die zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende stille Beteiligung der RIM GmbH an der Med. GmbH um diesen Betrag aufgestockt und letztere auch den von der Nürburgring GmbH zu erbringenden Teil des Eigenkapitalnachweises übernehmen sollte. Wie zuvor sollte sich die RIM GmbH über ein Darlehen der ISB GmbH refinanzieren und eine Landesbürgschaft diesen Kredit absichern. Dementsprechend wurden in der Folgezeit Verträge über eine weitere stille Beteiligung zwischen der RIM GmbH und der Med. GmbH (Vertrag vom 26. September 2008) und das Darlehen der ISB GmbH an die RIM GmbH in Höhe von 600.000 € (Vertrag vom 30. September 2008) geschlossen.
40
Schon zuvor - nämlich am 28. August 2008 - hatte D. eine "globale Bürgschaftserklärung" des Landes gegenüber der ISB GmbH über ei- nen Bürgschaftsrahmen von 50 Mio. € unterzeichnet; diese sah unter anderem eine Besicherungsquote von "in der Regel 80% des einzelnen Engagements" vor. Daneben war in Ziff. 7 der Erklärung bestimmt, dass der Ausfall als eingetreten gelte, wenn und soweit die Darlehensnehmerin mit fälligen Leistungen aus den Darlehensverträgen länger als drei Monate seit Fälligkeit in Verzug ist und eine zur Abhilfe bestimmte Frist erfolglos abgelaufen oder aus der Verwertung der für das refinanzierte Geschäft bestellten Sicherheiten ein Erlös nicht mehr zu erwarten ist. Diese Bürgschaftserklärung wurde nunmehr durch D. entsprechend seinem zuvor gefassten Entschluss dahin modifiziert , dass das Land die Bürgschaft in voller Höhe auf die beiden von der ISB GmbH gewährten Darlehen erstreckte. Die entsprechende Erklärung gegenüber der ISB GmbH wurde auf seine Weisung durch Ty. mit Schreiben vom 14. Oktober 2008 abgegeben.
41
Nachdem die MS. GmbH den Eigenkapitalnachweis erbracht hatte, ge- währte die BTV den zugesagten Kredit in Höhe von 26 Mio. € (Fall IV.9 a) der Urteilsgründe).
42
Anfang November 2008 drohte Ri. erneut mit einem Baustopp, wenn nicht kurzfristig Gelder in Höhe von 10 Mio. € zur Bezahlung der Bauhandwerker zur Verfügung gestellt würden. D. entschied hierauf, dass der Betrag nach dem bereits zuvor praktizierten Modell einer stillen Beteiligung der RIM GmbH an der Med. GmbH zur Verfügung gestellt werden sollte und das von der ISB GmbH zu vergebende Refinanzierungsdarlehen durch eine Landesbürgschaft zu 100% abgesichert werden sollte. Dementsprechend wurden in der Folgezeit die erforderlichen Verträge zwischen der ISB GmbH und der RIM GmbH sowie der RIM GmbH und der Med. GmbH geschlossen. Des Weiteren ließ das Finanzministerium auf Weisung von D. erklären, dass die Bürgschaftsquote über die Bestimmungen in der bereits erteilten globalen Bürgschaftserklärung hinaus auf 100% erhöht werde. Sodann wurden die 10 Mio. € ausgezahlt, wobei in die Weiterleitung der Gelder von der Med. GmbH an die MS. GmbH in diesem Fall - um die Herkunft der Gel- der aus öffentlichen Mitteln weiter zu verschleiern - noch die P. GmbH zwischengeschaltet war (Fall IV.9 b) der Urteilsgründe).
43
Im November 2008 forderte die Bank für Trient und Bozen im Rahmen von Verhandlungen über deren Beteiligung am Ausbauprojekt, dass die RIM GmbH ihre Beteiligung an der Med. GmbH um 15 Mio. € aufstocken sollte und diese Mittel entsprechend dem Baufortschritt verwendet werden müssten. Auch diese Forderung wurde auf die Entscheidung von D. über das Modell der stillen Beteiligung umgesetzt; dies schloss - über die in der bereits erteilten globalen Bürgschaftserklärung vom 28. August 2008 vorgesehene Besicherung von 80% hinaus - die volle Absicherung des Refinanzierungskredites durch das Land ein. Das Gesamtobligo der mittlerweile auch durch die Absicherung anderer Vorhaben ausgeschöpften globalen Bürgschaftserklärung wurde in diesem Rahmen auf 80 Mio. € erhöht. Zu der geplanten Finanzierung durch die Bank für Trient und Bozen kam es indes nicht (Fall IV.9 c) der Urteilsgründe

).


44
Von April bis Juli 2009 meldeten die Geschäftsführer der MS. GmbH in sieben weiteren Fällen jeweils dringenden Liquiditätsbedarf in Höhe von 5,5 Mio. € bis zu 13,63 Mio. €. Die jeweils benötigten Gelder wurden daraufhin auf jeweilige Entscheidung von D. über das Modell der stillen Beteiligungen von der ISB GmbH finanziert und schließlich als Darlehen von der Med. GmbH an die MS. GmbH weitergereicht (Fälle IV.9 d) bis j) der Urteilsgründe ); in allen Fällen erklärte das Finanzministerium auf Weisung von D. - über die in der bereits erteilten globalen Bürgschaftserklärung hinausgehend - die volle Absicherung des von der ISB GmbH bewilligten Refinanzierungskredits. In den Fällen IV.9 b) und IV.9 d) der Urteilsgründe wurden der RIM GmbH zur Absicherung ihres jeweiligen Rückzahlungsan- spruchs Briefgrundschulden an einem Grundstück und einem Erbbaurecht der MS. GmbH bestellt. In den Fällen IV.9 e) bis j) der Urteilsgründe wurden Eigentümergrundschulden an Grundstücken und Erbbaurechten der MS. GmbH sowie an einem Erbbaurrecht der CM. GmbH bestellt und an die RIM GmbH übertragen. Dass nunmehr Eigentümergrundschulden zur Absicherung dienten, geschah zu Verschleierungszwecken, da zuvor die Eintragung einer Briefgrundschuld über 10 Mio. € bekannt geworden und dadurch der Verdacht aufgekommen war, das Land Rheinland-Pfalz engagiere sich finanziell im privat zu finanzierenden Bereich II des Ausbauprojektes. Aufgrund der Absicherung durch Eigentümergrundschulden war die RIM GmbH als Berechtigte nunmehr nicht mehr aus dem Grundbuch ersichtlich. Die Anträge auf Eintragung der Briefgrundschulden gingen im Fall IV.9 b) der Urteilsgründe nur wenige Wochen nach der Auszahlung der Beteiligungsgelder bei den Grundbuchämtern ein, im Fall IV.9 d) der Urteilsgründe am Tage der Auszahlung. In den Fällen IV.9 e) bis j) der Urteilsgründe wurde der jeweils erste Grundschuldbrief spätestens knapp vier Monate nach Zahlung der Beteiligungssumme übergeben. Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Grundschulden jeweils in voller Höhe ihres Nominalwertes werthaltig waren, da sie "keine sicheren Feststellungen" über die Werthaltigkeit zum Zeitpunkt ihrer Bestellung, "also während der Bauphase" zu treffen vermochte.
45
Keine der stillen Beteiligungen wurde von der Med. GmbH zurückgezahlt. Daraufhin wurden die stillen Beteiligungen teilweise prolongiert; die Darlehensverträge zwischen der ISB GmbH und der RIM GmbH liefen im Fall IV.9 a) der Urteilsgründe ursprünglich bis zum 30. September 2009 und wurden noch vor Ablauf unbefristet verlängert. Die übrigen Refinanzierungsverträge waren von vornherein "bis auf Weiteres" geschlossen worden. Im März 2010 erwarb die Nürburgring GmbH schließlich sämtliche Geschäftsanteile an der MS. GmbH. Sodann wurden die gesamten Verbindlichkeiten der Nürburgring GmbH gegenüber dem Liquiditätspool des Landes Rheinland-Pfalz für die Baukosten im Bereich I des Ausbauprojekts sowie der MS. GmbH hinsichtlich der Rückzahlung der Beteiligungsgelder und der CM. GmbH aus deren notleidend gewordenen Kreditverbindlichkeiten gegenüber der BTV in einen Dar- lehensvertrag über 330 Mio. € zusammengefasst. Darlehensgeber war die ISB GmbH, Darlehensnehmerin die Nürburgring GmbH und als weitere Gesamtschuldnerinnen die MS. GmbH sowie die CM. GmbH. Die ISB GmbH wurde abgesichert durch eine "Garantie- und Freistellungserklärung" des Landes Rheinland-Pfalz.
46
3. Am 2. Juli 2010 fand eine Sitzung des im Zusammenhang mit der Nürburgring-Finanzierung durch den Landtag des Landes Rheinland-Pfalz eingesetzten Untersuchungsausschusses statt. Beweisthema dieser Sitzung war der Abschluss der Zahlungsvereinbarung vom 30. Juni 2009 über die Zahlung der Provision in Höhe von 4 Mio. € (vgl. Fall IV.8 der Urteilsgründe). D. sagte hierzu als Zeuge, zuvor über die Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Aussage sowie nach § 55 StPO belehrt, aus. Hierbei stellte der Abgeordnete Ey. folgende Frage: "…In Bezug auf die 48-Stunden-Regelung wurde in den Raum gestellt, dass diese 48-Stunden-Regelung im Vorfeld bereits mit Ihnen abgestimmt worden ist. Die Frage ist nur, ob das stimmt und zwar von HerrnMe. und Herrn B. wäre das abgestimmt gewesen mit Ihnen. Die Frage ist, ob Sie das bestätigen können oder nicht." Hierauf antwortete D. : "Kann ich nicht bestätigen. Ich kann nur bestätigen, dass Herr Me. und Herr B. gegenüber Herrn L. häufig behauptet hatten, sie hätten eine bestimmte Sache mit mir besprochen, und wenn Herr L. mich drauf angesprochen hat, habe ich gesagt, stimmt überhaupt nicht. Die haben mir erzählt, was sie gerne hätten. Ich habe mir das angehört, habe aber keineswegs gesagt, ich, Aufsichtsratsvorsitzender D. , habe das zur Kenntnis genommen, kann erledigt werden. Haken drunter. Das habe ich nie gemacht. Aber Me. und B. haben das immer mal versucht."
47
II. Revision des Angeklagten D.
48
1. Der Schuldspruch wegen Untreue zum Nachteil der Nürburgring GmbH im Fall IV.8 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung auf die Sachrüge nicht stand.
49
a) Das Landgericht hat D. aufgrund seines - im Einzelnen näher dargestellten - Auftretens im Zusammenhang mit der Umsetzung von "Nürburgring 2009" sowie der von ihm in diesem Rahmen getroffenen Entscheidungen als faktischen Geschäftsführer der Nürburgring GmbH angesehen und hieraus dessen Vermögensbetreuungspflicht gefolgert. Deren Verletzung liege in dem Abschluss der Zahlungsvereinbarung, soweit sich die Nürburgring GmbH dort verpflichtet habe, 4 Mio. € innerhalb von 48 Stunden nach Erhalt des Schecks in Höhe von 67 Mio. US-Dollar an "G. /P. " zu zahlen. Angesichts der zurückliegenden gescheiterten Finanzierungsversuche im Zusammenhang mit der Einschaltung von Ba. sei es unvertretbar und auch nicht mehr durch den der Geschäftsführung der Nürburgring GmbH obliegenden unternehmerischen Gestaltungsspielraum gedeckt gewesen, die Nürburg- ring GmbH hinsichtlich der Zahlung der Provision in einer Höhe von 4 Mio. € in Vorleistung treten zu lassen. Da mit dem Abschluss der 4. Zahlungsvereinbarung ein einklagbarer Zahlungsanspruch entstanden sei, sei das Vermögen der Nürburgring GmbH bereits zu diesem Zeitpunkt in Höhe von 4 Mio. € gefährdet gewesen. Die Vermögensgefährdung sei mit der Erteilung des Überweisungsauftrages nur noch vertieft worden und habe am 6. Juli 2009 mit der Rücknahme des Überweisungsauftrags geendet.
50
b) Diese Erwägungen vermögen den Schuldspruch nicht zu tragen. Im Ergebnis rechtlich zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass D. eine ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt hat. Indes genügen die Feststellungen und Wertungen des Landgerichts nicht den an die Darstellung des Vermögensnachteils in Form einer schadensgleichen Vermögensgefährdung zu stellenden Anforderungen. Im Einzelnen:
51
aa) Es kann offen bleiben, ob die Feststellungen in rechtlicher Hinsicht den Schluss des Landgerichts tragen, D. habe die Geschäfte der Nürburgring GmbH faktisch geführt. Seine nach § 266 Abs. 1 StGB erforderliche Pflicht, die Vermögensinteressen der Gesellschaft zu schützen, folgte jedenfalls aus seiner Stellung als Mitglied des Aufsichtsrats. Hierzu gilt:
52
Eine Betreuungspflicht im Sinne des Untreuetatbestandes ist gegeben, wenn der Täter in einer Beziehung zum (potentiell) Geschädigten steht, die eine besondere, über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Den Täter muss eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen. Hierfür ist in erster Linie von Bedeutung, ob sich die fremdnützige Vermögensfürsorge als Hauptpflicht, mithin als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung darstellt. Diese besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen muss über allgemeine vertragliche Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten ebenso hinausgehen wie über eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit. Erforderlich ist weiterhin, dass dem Täter die ihm übertragene Tätigkeit nicht durch ins Einzelne gehende Weisungen vorgezeichnet ist, sondern ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird. Hierbei ist nicht nur auf die Weite des dem Täter eingeräumten Spielraums abzustellen, sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf seine tatsächlichen Möglichkeiten, ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 - 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428 mwN; vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 297 f. mwN; Urteil vom 28. Juli 2011 - 4 StR 156/11, NJW 2011, 2819; Beschluss vom 5. März 2013 - 3 StR 438/12, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52).
53
Die hiernach erforderliche hervorgehobene Stellung von D. ergab sich aus seiner Stellung als Mitglied des Aufsichtsrats. Dessen wesentliche Aufgabe ist es, die Geschäftsführung zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG, § 52 Abs. 1 GmbHG). Hieraus folgt die Pflicht, fehlerhaftes oder gesellschaftsschädigendes Verhalten des Leitungsorgans abzuwenden. Diese Verpflichtung bezieht sich nicht nur auf abgeschlossene Geschäftsvorgänge, sondern auch auf laufende Geschäfte und Maßnahmen (MüKoAktG/Habersack, 4. Aufl., § 111 Rn. 39 f.; Henssler/Strohn/Henssler, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 111 AktG Rn. 9; Krause, NStZ 2011, 57, 58).
54
Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, welche Einzelmaßnahmen zu ergreifen sind, wenn ein Aufsichtsratsmitglied ein strafbares Verhalten des Leitungsorgans feststellt. Aus der jedem Mitglied des Aufsichtsrats obliegenden Verpflichtung, den durch das Verhalten der Geschäftsführung drohenden Schaden für die Gesellschaft abzuwenden, ergibt sich notwendigerweise die Pflicht, die Geschäftsführung nicht von sich aus zu Handlungen zu veranlassen, die es aufgrund seiner Überwachungspflicht gerade abwenden müsste. Eine Verletzung dieser Pflicht stellt einen Verstoß gegen eine spezifische Treuepflicht im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB dar (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2001 - 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 201 f.). Diese Grundsätze beschränken sich nicht auf Konstellationen, in denen das Aufsichtsratsmitglied den Geschäftsführer zu von ihm abzuwendenen Handlungen bestimmt, sondern gelten gleichermaßen für die sonstige Mitwirkung des Aufsichtsratsmitglieds an entsprechenden Pflichtverletzungen der Geschäftsführung. In den sich aus der Überwachungspflicht (§ 111 Abs. 1 AktG) ergebenden Pflichtenkanon ist die Prüfung, dass sich der Geschäftsführer nicht in unzulässiger Weise seiner Leitungsfunktion begibt, ebenso eingeschlossen wie die Verpflichtung , Hinweisen auf Fehlverhalten leitender Angestellter nachzugehen und zu ermitteln, ob die Geschäftsführung ihrer Organisations- und Überwachungspflicht nachgekommen ist (MüKoAktG/Habersack, 4. Aufl., § 111 Rn. 21, 25 mwN). Eine untreuerelevante Pflichtverletzung liegt daher zumindest auch dann vor, wenn das Aufsichtsratsmitglied mit einem leitenden Angestellten - wie hier K. als Geschäftsführer und L. als Finanzdirektor und Prokurist der Nürburgring GmbH - bei einem das Gesellschaftsvermögen schädigenden Fehlverhalten zusammenwirkt.
55
bb) D. hat seine Vermögensbetreuungspflicht verletzt, indem er der Forderung von Me. , die Provision binnen 48 Stunden nach Übergabe des Schecks in Höhe von 67 Mio. US-Dollar auszuzahlen, zustimmte und hierdurch das weitere Verhalten von L. entscheidend beeinflusste, N. aufforderte, die Zahlungsvereinbarung zu unterschreiben, sowie im weiteren Verlauf versuchte, K. zur Überweisung der Provision zu veranlassen.
56
(1) Die getroffene Vereinbarung über die Modalitäten der Provisionszahlung lag außerhalb des freien unternehmerischen Gestaltungsspielraums, der dem Geschäftsführer der Nürburgring GmbH zuzubilligen war; damit handelte es sich zugleich um eine L. und N. verwehrte Maßnahme, die D. als Mitglied des Aufsichtsrats zu verhindern hatte.
57
(1.1) Nach den ursprünglich zum Aktienrecht entwickelten (BGH, Urteil vom 21. April 1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253) Grundsätzen muss dem Geschäftsführer einer GmbH bei der Leitung der Geschäfte des Unternehmens ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist. Dazu gehört neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Inkaufnahme der Gefahr, bei der wirtschaftlichen Betätigung Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen zu unterliegen. Eine Pflichtverletzung liegt erst dann vor, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes , ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt wird oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss. Diese zum Aktienrecht entwickelten, mittlerweile als sog. Business Judgement Rule in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifizierten Grundsätze gelten in gleicher Weise für den Geschäftsführer einer GmbH (BGH, Urteil vom 4. November 2002 - II ZR 224/00, BGHZ 152, 280, 284; vgl. auch RegE zu § 93 Abs. 1 AktG in BRDrucks. 3/05, S. 21) und sind auch Maßstab für das Vorliegen einer Pflichtverletzung im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 336).
58
(1.2) Danach wurden mit dem Abschluss der Vorauszahlungsvereinbarung die Grenzen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit überschritten: Angesichts des bisherigen Verlaufs der Finanzierungsversuche mit Ba. war die Wahrscheinlichkeit evident hoch, dass der von diesem übergebene Scheck nicht gedeckt sein könnte, die Finanzierung erneut nicht zustande kommen würde und damit die von Me. begehrte Erfüllung des Provisionsanspruchs keine Grundlage hatte (zur gesellschaftsrechtlichen Einstufung von Risikogeschäften als pflichtwidrig vgl. etwa Michalski-Haas/Ziemons, GmbHG, 2. Aufl., § 43 Rn. 81).
59
Zutreffend hat die Strafkammer in diesem Zusammenhang darauf abgestellt , dass der vermeintliche Investor Du. nicht offen in Erscheinung getreten war, was nach den Erfahrungen mit den bisher von Ba. vorgestellten Investoren Anlass zur Zurückhaltung hätte geben müssen; darüber hinaus ließ auch das sonstige Verhalten von Ba. an seiner Seriosität zweifeln. Bereits seine wechselnden Forderungen im Rahmen des ersten Versuchs, die Finanzierung umzusetzen, waren auffällig: Während er zunächst die Umsetzung des verfolgten Finanzierungskonzeptes davon abhängig gemacht hatte, dass seitens der I. S.A. eine Bareinlage in Höhe von 120 Mio. US-Dollar erbracht werde, verzichtete er in seiner Kreditzusage vom 15. Mai 2008 auf diese und forderte stattdessen eine Landesbürgschaft in entsprechender Höhe, um nur wenige Tage später die Landesbürgschaft nebst der Bareinlage einzufordern. Deutliche Hinweise auf seine Unredlichkeit ergaben sich weiter, als er im August 2008 gegenüber N. preisgab, aus "Nebengeschäften" mit den Anlagegeldern Zinseinnahmen erwirtschaften zu wollen, weshalb er aufgrund eintretender Zinsnachteile die von D. gewünschte Verkürzung der Anlagefrist von vierzehn auf zwölf Monate ablehnte. Auch hatte Ba. schon während des ersten Finanzierungsversuchs - bei dem der vermeintliche Investor ebenfalls bereits im Hintergrund geblieben war - vereinbarte Fristen nicht eingehalten, so etwa die Verpflichtung, binnen drei Banktagen nach "Einbuchung der Staatsbürgschaft" bzw. nach "Eingang" der Bareinlage bei der Bank eine definitive Finanzierungszusage des Investors nachzuweisen. Dass Ba. in diesem Zusammenhang zwischen dem 20. Oktober und 9. November 2008 von der Bildfläche verschwunden war - mithin ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt, als die erste Finanzierungsrate gezahlt werden sollte -, stellte seine Zuverlässigkeit zusätzlich in Frage; der von ihm hierzu später genannte Grund, er habe sich in Dubai in Untersuchungshaft befunden, unterstrich diese Zweifel - unabhängig von den verschiedenen von ihm hierzu genannten Hintergründen - ebenso wie der Umstand, dass er schließlich von sich aus gegenüber der P. S.A. die Vertragsbeziehungen gekündigt hatte. Den Beteiligten war ferner bekannt, dass Ba. wiederholt zweifelhafte Investoren ins Spiel gebracht hatte: So hatte die Ölgesellschaft T. nach den Rechercheergebnissen der Rechtsanwaltskanzlei R. nicht über die behaupteten Mittel von 1,2 Mrd. US-Dollar verfügt; auch die Prüfung der A. AG durch die Rechtsanwaltskanzlei R. hatte ergeben, dass deren behauptete Beteiligung an Geothermieprojekten nicht belegbar war und jeglicher Nachweis über die Finanzkraft der Gesellschaft fehlte. Hinsichtlich der T. hatte Ba. im Übrigen erneut eine von ihm in Aussicht gestellte Frist zum Finanzierungsnachweis nicht eingehalten. Schließlich hatte es auch bereits mit dem zuletzt von Ba. präsentierten Investor Du. Ungereimtheiten gegeben, indem etwa zunächst anvisierte Zahlungen des Investors nicht erbracht worden waren.
60
(2) Die Pflichtverletzung stellt sich auch als gravierend im Sinne der zur Ausformung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals der Untreue entwickelten Rechtsprechung dar, da diese Einschränkung der Sache nach nur den - hier wie dargelegt überschrittenen - weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraum widerspiegelt , ohne den unternehmerische Entscheidungen nicht möglich sind (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 343 ff. mwN).
61
cc) Die Urteilsgründe tragen jedoch nicht den Schluss des Landgerichts, in der Zeit vom 30. Juni bis zum 6. Juli 2009 sei das Vermögen der Nürburgring GmbH in einer Höhe von 4 Mio. € konkret (schadensgleich) gefährdet gewesen.
62
(1) Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379). Ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB kann als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, das bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Da es sich bei der Rechtsfigur des Gefährdungsschadens nicht um eine richterrechtlich geschaffene besondere Kategorie von Gefährdungsdelikten handelt, sondern auch in diesem Fall die Vermögensminderung tatsächlich eingetreten sein muss (kritisch daher zur Terminologie BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 224 f.; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331 [zu § 263 StGB]), reicht es nicht aus, lediglich die bloße (konkrete) Gefährdung des Vermögens festzustellen. Dies birgt je nach den Umständen des Einzelfalles die Gefahr einer Verschleifung der Tatbestandsmerkmale der Pflichtwidrigkeit und des Vermögensschadens; ebenso ist ein solches Vorgehen aufgrund einer undifferenzierten Gleichsetzung von zukünftiger Verlustgefahr und gegenwärtigem Schaden geeignet, die gesetzgeberische Entscheidung, den Versuch der Untreue nicht unter Strafe zu stellen, zu unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228). Daher dürfen die Verlustwahrscheinlichkeiten auch nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229). Der Vermögensnachteil ist daher eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228; zu § 263 StGB vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457, 458; vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331). Voraussetzung ist dabei, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 113; BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384). Unter diesen Voraussetzungen kann auch bereits in dem Abschluss wirtschaftlich nachteiliger Verträge eine vermögensnachteilsgleiche Vermögensgefährdung liegen (BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384 f.), wobei deren Annahme die rechtliche Wirksamkeit der eingegangenen Verpflichtung - insbesondere aufgrund des mit der Schaffung der Urkundslage verbundenen erhöh- ten Prozessrisikos (BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 - 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395 f. [zu § 253 StGB]) - nicht zwingend voraussetzt.
63
(2) An einer solchen Darlegung des Vermögensnachteils fehlt es in dem angefochtenen Urteil. Sie war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Bezifferung des Schadens keiner näheren Darlegung bedurft hätte (sog. Evidenzfall, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 48 f.; BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2013 - 3 StR 302/13, NStZ 2014, 578 [jeweils zu § 263 StGB]); insbesondere ist der durch die Gefährdung eingetretene Vermögensverlust auf Grundlage der Urteilsgründe nicht ohne Weiteres mit 4 Mio. € anzusetzen.
64
Nicht zu folgen ist der Erwägung der Strafkammer, durch den Abschluss der 4. Zahlungsvereinbarung sei ein einklagbarer Anspruch und aufgrund dessen die "Gefährdungslage" entstanden. Eine vom Zustandekommen der Finanzierung - und damit auch von der Werthaltigkeit des von Ba. übergebenen Schecks - losgelöste Zahlungsverpflichtung wurde durch die 4. Zahlungsvereinbarung nicht begründet. Hiergegen spricht bereits die Bezeichnung der Zahlung als "Vorauszahlung auf die Optionsgebühr aus dem Vertragswerk Projekt NG 2009" und damit die Bezugnahme auf den Vertrag vom 2. September 2007. Da die Prüfung des Schecks nach den getroffenen Feststellungen in vierzehn Tagen hätte abgeschlossen sein können - tatsächlich waren die Unstimmigkeiten von den beteiligten Banken sogar schon nach drei Tagen aufgedeckt worden -, wäre selbst bei unmittelbarer Anstrengung eines Urkundsverfahrens (§§ 592 ff. ZPO) seitens B. und Me. davon auszugehen gewesen , dass die Nürburgring GmbH ihre Einwendungen gegen den Provisionsanspruch mit den im Urkundsprozess zulässigen Beweismitteln (§ 598 ZPO) hätte geltend machen können.

65
Auch soweit hinsichtlich der Bestimmung des Vermögensnachteils auf die Übermittlung des Überweisungsauftrags an die Kreissparkasse Ahrweiler abgestellt wird, tragen die Urteilsgründe nicht die Wertung des Landgerichts. Insoweit war - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die die Nürburgring GmbH beratenden Rechtsanwälte Lü. und Di. etwa zeitgleich zur Übersendung des Zahlungsauftrags um 17:17 Uhr K. auf die strafrechtliche Dimension seines Handelns hinwiesen und die Überweisung zu verhindern suchten sowie dass seitens der LBBW gegenüber dem Finanzministerium noch am 3. Juli 2009 um 19:19 Uhr und 20:14 Uhr Zweifel an der Werthaltigkeit des Schecks geäußert worden waren - in die erforderliche Bewertung einzustellen, dass nach seinerzeitiger Rechtslage der Überweisungsauftrag seitens der Nürburgring GmbH bis zu dem Zeitpunkt kündbar war, in dem der Überweisungsbetrag dem Kreditinstitut der G. AG endgültig zur Verfügung gestellt worden wäre (§ 676a Abs. 4 BGB aF).
66
c) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat insoweit auf Folgendes hin:
67
aa) Entsprechend der Anregung des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 26. Januar 2015 wird im Hinblick auf die erforderliche wirtschaftliche Bewertung der tatsächlichen Vermögenseinbuße die Hinzuziehung eines Sachverständigen zu erwägen sein.
68
bb) Sollten sich aufgrund der neuen Hauptverhandlung die Voraussetzungen einer schadensgleichen Vermögensgefährdung belegen lassen, wird bei der erforderlichen Bezifferung des Vermögensnachteils in den Blick zu nehmen sein, dass sich D. mit Me. anlässlich des Telefonats vom 29. Juni 2009 auf eine unmittelbare Rücküberweisung von 1,2 Mio. € an die Nürburgring GmbH verständigt hatte. Soweit hierdurch oder vor dem Hintergrund dieser Abmachung durch den Abschluss der 4. Zahlungsvereinbarung ein vertraglicher Anspruch der Nürburgring GmbH auf Rücküberweisung in der verabredeten Höhe entstanden sein sollte, könnte der Vermögensnachteil durch den vertraglichen Gegenanspruch teilweise kompensiert worden sein.
69
2. Auch der Schuldspruch wegen Untreue zum Nachteil des Landes Rheinland-Pfalz in den Fällen IV.9 a) bis c) und e) bis j) kann nicht bestehen bleiben.
70
a) Das Landgericht hat D. aufgrund seiner Stellung als Finanzminister und der hiermit einhergehenden, unter anderem aus § 11 Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 bzw. 2009/2010 folgenden Befugnisse als gegenüber dem Land Rheinland-Pfalz vermögensbetreuungspflichtig angesehen. Mit der Übernahme von Landesbürgschaften in voller Höhe der jeweils von der ISB GmbH der RIM GmbH gewährten Darlehen habe er gegen den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 6 Haushaltsgrundsätzegesetz , § 7 Landeshaushaltsordnung Rheinland-Pfalz [im Folgenden : LHO]) verstoßen, weil die Bürgschaftsübernahmen erklärt worden waren , obwohl sich die RIM GmbH entgegen § 65 Abs. 1 Nr. 3 LHO im Rahmen der eingegangenen stillen Beteiligung bei der Med. GmbH keinen angemessenen Einfluss gesichert habe, die Beteiligungsgelder ohne vorherige Bestellung wirksamer grundpfandrechtlicher Sicherheiten gezahlt worden seien und auch ansonsten keine ausreichende Besicherung gegeben gewesen sei. Die Med. GmbH sei auch niemals in der Lage gewesen, die Beteiligungsgelder fristgerecht zurückzuzahlen. Aufgrund der hieraus folgenden Ausfallgefährdungen habe jeweils die "hohe Wahrscheinlichkeit" für den Eintritt des Bürgschaftsfalls bestanden. Aufgrund dessen sei das Landesvermögen bereits mit der Bürgschaftsübernahme schadensgleich gefährdet gewesen. Soweit in den Einzelfällen zugunsten der RIM GmbH nach diesem Zeitpunkt Grundschulden bestellt worden seien, um die jeweiligen Ansprüche auf Rückzahlung der Beteiligungsgelder abzusichern, sei von deren vollen Werthaltigkeit auszugehen. Im Fall IV.9 b) der Urteilsgründe habe die Vermögensgefährdung daher mit dem Eingang des jeweiligen Antrags auf Eintragung der Briefgrundschuld geendet, in den Fällen bestellter Eigentümergrundschulden (Fälle IV.9 e) bis j) der Urteilsgründe) sei dies mit Eingang des Grundschuldbriefes bei der RIM GmbH anzunehmen. Im Fall IV.9 d) der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten mangels eingetretenen Vermögensnachteils freigesprochen, da die Beteiligungssumme an dem Tag ausgezahlt wurde, an dem die Anträge auf Eintragung der Grundschulden bei den Grundbuchämtern eingingen.
71
b) Die Feststellungen tragen eine Strafbarkeitvon D. wegen Untreue zum Nachteil des Landes Rheinland-Pfalz bereits deshalb nicht, weil die Strafkammer ihre Annahme, mit der Übernahme der Bürgschaften sei das Vermögen des Landes Rheinland-Pfalz schadensgleich gefährdet worden, nicht rechtsfehlerfrei begründet hat.
72
aa) Die Übernahme einer Bürgschaft stellt einen den Bürgen verpflichtenden Rechtsakt dar. Mangels eines unmittelbaren Zahlungsabflusses liegt in der Bürgschaft zunächst nur eine abstrakt wirkende Belastung, die die Gefahr der späteren Inanspruchnahme in sich trägt. Ein Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB besteht bei Abgabe der Bürgschaftserklärung nur dann, wenn sich die künftige Verlustgefahr aufgrund der Eintrittswahrscheinlichkeit des Bürgschaftsfalles schon zu diesem Zeitpunkt so weit verdichtet hat, dass sie als schadensgleich zu qualifizieren ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378 mwN). Wie bereits zu Fall IV.8 der Urteilsgründe ausgeführt ist dies eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren. Mit der vollen Höhe der Bürgschaftssumme kann ein Gefährdungsschaden nur angesetzt werden, wenn mit einer Inanspruchnahme von vornherein zu rechnen ist oder es sich bei dem durch die Bürgschaft ermöglichten Vorhaben um ein hochspekulatives Risikoprojekt handelt (BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378).
73
bb) Nach diesen Maßstäben belegt das angefochtene Urteil einen Vermögensnachteil nicht. Eine an den Maßstäben des Wirtschaftslebens ausgerichtete Darstellung und Bezifferung des Vermögensnachteils ist den Urteilgründen nicht zu entnehmen. Sie war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Rückzahlungsansprüche der ISB GmbH gegen die RIM GmbH "höchst ausfallgefährdet" waren und die Vermögensgefährdung mit den jeweiligen Bürgschaftssummen gleichzusetzen wäre; denn dieser Schluss wird von den Feststellungen nicht getragen.
74
(1) In den Fällen IV.9 b) und e) bis j) der Urteilsgründe hat sich die Strafkammer zutreffend mit der Frage auseinandergesetzt, ob mit der Bestellung der jeweiligen Grundpfandrechte eine Sicherung der RIM GmbH in Höhe der jeweils geleisteten stillen Einlagen eingetreten war. Die Annahme, die Grundschulden seien in sämtlichen Fällen ausreichend werthaltig gewesen, um im Falle einer Verwertung die RIM GmbH in Höhe ihrer Rückzahlungsansprüche zu befriedigen, widerspricht jedoch der Bewertung der Bürgschaften als "höchst ausfallgefährdet". Das Landgericht hat hierbei insbesondere unberücksichtigt gelassen, dass der Ausfall der durch die Bürgschaft abgesicherten Hauptforderung gemäß Ziff. 7 der jeweils zugrundeliegenden globalen Bürgschaftserklä- rungen daran geknüpft war, dass die RIM GmbH als Darlehensnehmerin mit ihrer Rückzahlungsverpflichtung länger als drei Monate in Verzug war und aus der Verwertung der für das refinanzierte Geschäft bestellten Sicherheiten ein Erlös nicht mehr zu erwarten war. Da der längste Zeitraum zwischen Auszahlung der stillen Beteiligung und Bestellung der Grundschuld nur rund vier Monate betrug (Fall IV.9 g) der Urteilsgründe), die Rückzahlungsansprüche aus den Darlehensverträgen aber erst nach diesem Zeitpunkt fällig wurden, war innerhalb dieses kurzen "ungesicherten" Zeitraums mit einer Inanspruchnahme des Landes Rheinland-Pfalz nicht zu rechnen. Kein anderes Ergebnis ergibt sich aus dem Umstand, dass die stillen Beteiligungen ausgezahlt wurden, bevor die Anträge auf Bestellung der Grundschulden bei den jeweiligen Grundbuchämtern eingegangen waren. Dies wäre im Rahmen der vorzunehmenden Prognose nur dann bedeutsam, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestand, dass es zu der Bestellung nicht kommen würde. Dies hat das Landgericht jedoch weder ausdrücklich festgestellt noch geben die getroffenen Feststellungen in ihrem Zusammenhang hierfür einen Anhalt.
75
Aufgrund der Annahme des Landgerichts, die bestellten Grundschulden seien im Zeitpunkt ihrer Bestellung hinsichtlich der abgesicherten Forderungen werthaltig gewesen, ist die Feststellung einer schadensgleichen Vermögensgefährdung auch in den Fällen IV.9 a) und c) der Urteilsgründe nicht nachvollziehbar. Die Validität der Grundschulden hing maßgeblich von der Rentabilität des Ausbauprojektes "Nürburgring 2009" und der auf den belasteten Grundstücken errichteten Anlagen ab. Von diesen Faktoren war gleichermaßen auch die Wirtschaftskraft der Med. GmbH und der MS. GmbH abhängig, so dass die positive Bewertung der bestellten Sicherheiten für die Annahme spricht, dass die Beteiligungsgelder seitens der Med. GmbH bei deren Fälligkeit bzw. im Zeitpunkt einer Inanspruchnahme des Landes Rheinland-Pfalz - ge- mäß der jeweiligen Sicherungsabrede frühestens drei Monate nach Verzug der RIM GmbH - hätten bedient werden können.
76
(2) Die Strafkammer hat sich im Rahmen der Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit im Rahmen der Bürgschaften eine Einstandspflicht des Landes Rheinland-Pfalz zu erwarten gewesen sei, zudem im Wesentlichen auf die Darstellung der Vermögensverhältnisse der Med. GmbH als Vertragspartnerin der Hauptschuldnerin RIM GmbH beschränkt. Da die Bürgschaften im Zeitpunkt ihrer Vergabe nach dem Vertragswerk frühestens drei Monate nach Zahlungsverzug der RIM GmbH in Anspruch genommen werden konnten, hätte die erforderliche Ausfallprognose auf diesen Zeitpunkt bezogen werden müssen. Insoweit war auch zu belegen, ob bzw. in welchem Umfange davon auszugehen war, dass die MS. GmbH die ihrerseits von der Med. GmbH erhaltenen Darlehen nicht zurückzahlen werde. Dass die Strafkammer die seitens der Med. GmbH an die RIM GmbH verpfändeten Geschäftsanteile an der MS. GmbH als wertlos angesehen hat, führt insoweit zu keinem anderen Ergebnis ; die Begründung, die MS. GmbH sei vollständig fremdfinanziert gewesen und als Gegenwert für die zur Verfügung gestellten Gelder habe lediglich eine unvollendete Baustelle gegenübergestanden, lässt besorgen, dass das Landgericht den Wert der Anteile lediglich bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Verpfändung bewertet hat. Der bloße Umstand der Fremdfinanzierung besagt als solcher aber noch nichts über die im Tatzeitpunkt zu erwartende Unrentabilität der geförderten Bauvorhaben. Diese liegt im Fall IV.9 a) der Urteilsgründe auch nicht nahe; hiergegen spricht, dass die in diesem Fall eingegangenen stillen Beteiligungen der RIM GmbH dazu dienten, eine Kreditvergabe der BTV in Höhe von 26 Mio. € zu ermöglichen, was schließlich auch gelang, wobei die BTV ihr Engagement naheliegend erst nach eigener umfassender Prüfung und Bewertung des Projektes eingegangen war.

77
c) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat zu diesen Anklagepunkten auf Folgendes hin:
78
aa) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass D. schon angesichts der in den jeweiligen Landeshaushaltsgesetzen eingeräumten weiten Befugnisse, über das Vermögen des Landes Rheinland-Pfalz zu verfügen und dieses zu verpflichten (vgl. etwa §§ 9, 11 Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 und Landeshaushaltsgesetz 2009/2010), eine hervorgehobene Verantwortung gegenüber dem Land und dessen Vermögen zukam, er mithin vermögensbetreuungspflichtig war.
79
Durch die jeweils hundertprozentige Absicherung der von der ISB GmbH gewährten Darlehen könnte er gegen die Vorschriften zum Vollzug der Landeshaushaltsordnung (VV-LHO) verstoßen haben. Gemäß § 39 Ziff. 5 Satz 2 VVLHO dürfen Bürgschaften nicht übernommen werden, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Inanspruchnahme des Landes zu rechnen ist. Gemäß Satz 3 sind in diesem Fall Ausgaben oder Verpflichtungsermächtigungen (§ 23 LHO) erforderlich (vgl. hierzu Heller, Haushaltsgrundsätze, Rn. 1275; Nebel in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 47. EL, § 39 BHO Rn. 1 f.; Graf in: Heuer, KHR, Rn. 3 zu § 39 BHO). Der Regelung in § 39 Ziff. 5 Sätze 2 und 3 VV-LHO kommt eine die Vermögensinteressen des Haushaltsgebers schützende Bedeutung zu, da die Differenzierung nach der Gewissheit der späteren Inanspruchnahme der hierdurch einhergehenden Beschränkung des künftigen Haushaltsgesetzgebers Rechnung trägt.
80
Sollte ein Verstoß gegen § 39 Ziff. 5 Satz 2 VV-LHO vorliegen, könnte gegebenenfalls auch zu erwägen sein, ob D. zusätzlich pflichtwidrig den aus § 5 Abs. 1 Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 bzw. Landeshaushaltsgesetz 2008/2009 folgenden Parlamentsvorbehalt umging, wonach Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen im Rahmen einer institutionellen Förderung unter den dort genannten Voraussetzungen gesperrt waren und die Aufhebung der Sperre einer Einwilligung des Landtages bedurfte, wenn - wie hier - die Zuwendung den Betrag von 150.000 € überschritt. In Bezug auf die der ISB GmbH ermöglichten Darlehensvergabe bzw. der der RIM GmbH ermöglichten Beteiligungen an der Med. GmbH handelte es sich zwar um eine Projektförderung (vgl. hierzu Dommach in: Heuer, KHR, Rn. 5 zu § 26 BHO; Heller, Haushaltsgrundsätze, 2. Aufl., Rn. 1398 ff.), weil die - dies unterstellt - nach § 39 Ziff. 5 Satz 3 VV-LHO als Zuwendung zu veranschlagenden Landesbürgschaften der Deckung von Ausgaben für ein einzeln abgegrenztes, genau bestimmtes Vorhaben der RIM GmbH dienten. Eine (mittelbare) globale Förderung im Sinne einer institutionellen Förderung gemäß § 5 Abs. 1 Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 bzw. Landeshaushaltsgesetz 2009/2010 lag aber in den Fällen IV.9 b) und e) bis j) der Urteilsgründe gegenüber der MS. GmbH vor; denn insoweit wurden die Gelder jeweils zur Begleichung nicht näher dargestellter Forderungen transferiert, bei deren Nichtbegleichung ein Baustopp gedroht hätte.
81
bb) Soweit die Strafkammer demgegenüber eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch einen Verstoß gegen den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 LHO) angenommen hat, ist sie im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass ein solcher grundsätzlich eine untreuerelevante Pflichtwidrigkeit darstellen kann (BGH, Urteil vom 29. August 2007 - 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, 89; vgl. auch BVerfG, Be- schluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 217 f.; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 266 Rn. 236; MüKoStGB/Dierlamm, 2. Aufl., § 266 Rn. 261; S/S-Perron, StGB, 29. Aufl., § 266 Rn. 19b, 44; aA Munz, Haushaltsuntreue, S. 162 ff.). Die getroffenen Feststellungen belegen einen derartigen Verstoß indes nicht. Hierzu gilt:
82
(1) Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit soll die bestmögliche Nutzung der öffentlichen Ressourcen sicherstellen (Ziff. 1 VV-LHO zu § 7; v.Lewinski/Burbat, BHO, § 7 Rn. 3). Er bezweckt, dass die günstigste Relation zwischen dem verfolgten Zweck und den einzusetzenden Mitteln angestrebt wird (Eibelshäuser/Nowak in: Heuer, KHR, Rn. 16 zu § 7 BHO [Teil 1]; Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 144). Seine Ausprägungen sind das Maximalprinzip, wonach mit einem bestimmten Mitteleinsatz das bestmögliche Ergebnis erzielt werden soll (Ziff. 1.2 zu § 7 VV-LHO) und das Minimalprinzip (auch Sparsamkeitsprinzip), wonach das Ziel mit möglichst geringem Mitteleinsatz zu erreichen ist (Eibelshäuser/Nowak in: Heuer, KHR, Rn. 1 ff. zu § 7 BHO [Teil 2]; Heller, Haushaltsgrundsätze, Rn. 711; Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 144). Inhaltliche Aufgabenprioritäten lassen sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot jedoch nicht ableiten; dieses trifft - anders als der Grundsatz der Notwendigkeit (§ 6 BHO, § 6 LHO) - keine Aussage über das verfolgte Ziel (vgl. Kube in: Maunz/Dürig, GG, 75. EL, Art. 110 Rn. 154; Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 144; aA Nöhrbaß in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 49. EL, § 7 Rn. 3 [der Grundsatz der Notwendigkeit als besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots]); es ist mithin zwar eine Verfahrensmaxime, aber kein Maßstab, der an das politischgestalterische Ziel anzulegen ist (vgl. Kube in: Maunz/Dürig, GG, 75. EL, Art. 114 Rn. 102; Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 144). Schließlich stellt das Gebot - nicht zuletzt auch deswegen, weil sich Maximal- und Minimalprinzip im Einzelfall gegenseitig ausschließen können - nur einen äußeren Begrenzungsrahmen des bestehenden Entfaltungs- und Gestaltungsspielraums dar und verhindert nur solche Maßnahmen, die mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlicht unvereinbar sind (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2004 - 4 StR 294/04, NStZ-RR 2005, 83, 84 mwN; vom 29. August 2007 - 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, 88).
83
(2) Bei ihrer Erwägung, der Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sei darin begründet, dass sich die RIM GmbH entgegen § 65 Abs. 1 Nr. 3 LHO keine hinreichenden Kontrollbefugnisse und damit keinen angemessenen Einfluss bei der Med. GmbH gesichert habe, hat die Strafkammer verkannt, dass sich das Land Rheinland-Pfalz nicht unmittelbar an der Med. GmbH beteiligte. Vielmehr lag - vermittelt über ISB GmbH und RIM GmbH - nur ein Fall der sog. mittelbaren Beteiligung vor. Für diese gilt die Vorgabe des § 65 Abs. 1 Nr. 3 LHO gemäß § 65 Abs. 3 Sätze 1 und 3 LHO jedoch nur, wenn eine Beteiligung von mehr als 25% erworben wird (Nöhrbaß in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 46. EL, § 65 Rn. 13; vgl. auch Ziff. 2.3 zu § 65 VV-LHO). Ein Erwerb von Gesellschaftsanteilen der Med. GmbH war mit den stillen Beteiligungen der RIM GmbH nach den getroffenen Feststellungen jedoch nicht verbunden.
84
In den Fällen IV.9 b), e) bis j) der Urteilsgründe ist eine Verletzung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch nicht darin begründet , dass die Bürgschaften bereits vor der Bestellung der grundpfandrechtlichen Sicherheiten übernommen wurden. Zwar lässt sich am Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich messen, ob durch ein kurzfristiges Handeln vermeidbare finanzielle Nachteile entstehen. Dass D. allein durch die zeitliche Komponente seines Handelns den ihm zuzubilligenden Gestaltungsspiel- raum überschritt, belegen die Urteilsgründe jedoch nicht: Diesen sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die dafür sprechen, dass die spätere Bestellung der Grundpfandrechte ernsthaft in Zweifel hätte gezogen werden müssen. Einer Inanspruchnahme des Landes vor diesem Zeitpunkt standen bereits die in den globalen Bürgschaftserklärungen enthaltenen Fälligkeitsbestimmungen entgegen. Zudem ist in den Blick zu nehmen, dass ein Baustopp unabhängig von politischen Erwägungen nachteilige Konsequenzen für das Bauprojekt und insbesondere die Geschäftsbeziehung mit den die Bauarbeiten ausführenden Firmen bis hin zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen hätte nach sich ziehen können.
85
Schließlich belegen die getroffenen Feststellungen auch nicht, dass aus anderen Gründen durch die gewählte Konstruktion mit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht mehr vereinbare finanzielle Nachteile entstanden, etwa durch hohe Transaktionskosten, die bei einer unmittelbaren Darlehensvergabe der ISB GmbH an die MS. GmbH und einer entsprechenden Landesbürgschaft nicht angefallen wären.
86
cc) Soweit die Strafkammer angenommen hat, dass in dem von den Beteiligten gewählten Vorgehen ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorschriften zur Gewährung von Beihilfen (Art. 107 ff. AEUV) lag (vgl. auch die Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 1. Oktober 2014 - IP/14/1067), ist sie zutreffend davon ausgegangen, dass dies keine untreuerelevante Pflichtverletzung darstellte. Nicht jeder Verstoß gegen die Rechtsordnung begründet zugleich eine im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB relevante Pflichtverletzung. Der erforderliche untreuespezifische Zusammenhang liegt vielmehr nur dann vor, wenn der unmittelbar verletzten Rechtsnorm selbst vermögensschützender Charakter zukommt (BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, NJW 2011, 88, 91 f.). Dies ist bei den europäischen Beihilfevorschriften , deren Zweck im Schutz des Binnenmarktes vor Wettbewerbsverzerrungen liegt (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 92/11, EuZW 2013, 753, 755, 757; G/H/N/von Wallenberg/Schütte, 57. EL, AEUV, Art. 107 Rn. 10; Koenig/Meyer, NJW 2014, 3547, 3550 f.), nicht der Fall.
87
In der Nichtbeachtung der Art. 107 ff. AEUV lag auch nicht deshalbein Verstoß gegen das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit , weil eine europarechtswidrige Ausgabe nicht geleistet werden dürfe und damit zwangsläufig haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgrundsätze verletze. Die Gegenmeinung (vgl. Koenig/Meyer, NJW 2014, 3547, 3551) stützt sich auf die Erwägung, die eine Ausgabe zur Beihilfe qualifizierende Begünstigung im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV setze voraus, dass das Unternehmen eine Leistung ohne angemessene, marktübliche Gegenleistung erlange und sich damit aus Sicht des "market economy investors" als unwirtschaftlich darstelle. Hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, eine EUbeihilferechtswidrige Leistung verletze zugleich haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgrundsätze. Die Unwirtschaftlichkeit einer Maßnahme der öffentlichen Hand verstößt nicht zwangsläufig gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, weil dieses nur eine relative Betrachtung gemessen am selbst nicht zu bewertenden, mit der Leistung verfolgten Zweck verlangt (vgl. Kube in: Maunz/Dürig, GG, 75. EL, Art. 114 Rn. 102); sie bewirkt auch nicht ohne weiteres einen Verstoß gegen den Grundsatz der Notwendigkeit (§ 6 BHO, § 6 LHO). Aus diesem Grunde stehen beide Haushaltsgebote - was die Gegenmeinung nicht in Frage stellt - auch nicht der Gewährung von mit dem EU-Recht vereinbaren Beihilfen (Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV) entgegen, die ebenfalls an die Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 1 AEUV anknüpfen (G/H/N/von Wallenberg/Schütte, 57. EL, Art. 107 Rn. 16 f.; von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl., AEUV, Art. 107 Rn. 196, 212).
88
dd) Hinsichtlich der Feststellung und Bewertung der Höhe des eingetretenen Vermögensnachteils gilt:
89
(1) Sollte das Land Rheinland-Pfalz zwischenzeitlich auf die Bürgschaften bzw. auf die diese im Rahmen des Umschuldungskonzeptes ersetzende Garantie- und Freistellungserklärung finanzielle Leistungen erbracht haben, käme es in dieser Höhe auf die exakte Bezifferung des Gefährdungsschadens im Tatzeitpunkt nicht mehr an. In diesem Fall hätte sich der ursprüngliche Eingehungsschaden in einem Erfüllungsschaden materialisiert und würde sich nach dessen Wert bemessen (vgl. insoweit zur Schadensbestimmung im Rahmen von § 263 StGB: BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2010 - 3 StR 434/10, StraFo 2011, 238, 239; vom 14. April 2011 - 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638, 639; Urteil vom 8. Oktober 2014 - 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 91; Beschluss vom 23. Juli 2015 - 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341).
90
(2) Nicht zu folgen ist der Auffassung, in einer Bürgschaftsvergabe liege mangels Unmittelbarkeit zwischen Pflichtverletzung und Vermögensnachteil dann keine Untreue, wenn - wie hier - der Eintritt des Bürgschaftsfalls den Verzug des Schuldners über einen längeren Zeitraum voraussetze (vgl. Schneider, wistra 2015, 369, 374). Zutreffend ist zwar, dass die Tathandlung im Rahmen von § 266 Abs. 1 StGB den Vermögensnachteil unmittelbar bewirken muss (vgl. BGH, Urteile vom 7. September 2011 - 2 StR 600/10, NJW 2011, 3528, 3529; vom 11. Dezember 2014 - 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94, 115 f.; umfassend SSW-StGB/Saliger, 2. Aufl., § 266 Rn. 84, 62 mwN; aA Rübenstahl /Wasserburg NStZ 2004, 521, 526). Besteht dieser im Tatzeitpunkt aber schon aufgrund der durch die Rahmenumstände gegebenen sicheren Erwartung , dass der Bürgschaftsfall eintreten wird, so ist die aufgrund der Eintrittswahrscheinlichkeit schon durch Eingehen der Verbindlichkeit bewirkte Vermögensminderung in diesem Sinne unmittelbar. Unerheblich ist dann, ob der Erfüllungsschaden isoliert betrachtet eine derartige sachliche und zeitliche Nähe zu der Pflichtverletzung aufweist, dass er dem Unmittelbarkeitserfordernis genügen könnte.
91
(3) Die Haftung der RIM GmbH gegenüber der ISB GmbH war nach den jeweiligen Darlehensverträgen begrenzt auf die Geldeingänge aus der refinanzierten Beteiligung sowie auf die Erlöse der für diese Beteiligung bestellten Sicherheiten , wobei nach weiterer Vereinbarung die Haftungsfreistellung einer Inanspruchnahme des Bürgen durch die ISB GmbH nicht entgegenstehen durfte. Vor dem Hintergrund der Regelung des § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB wird gegebenenfalls zu erörtern sein, ob - was naheliegend erscheint - in den ausgegebenen globalen Bürgschaftserklärungen oder den Schreiben, mit denen D. die Bürgschaft auf die volle Darlehenssumme erstrecken ließ, diesbezügliche Erklärungen des Landes enthalten waren (zur Abdingbarkeit von § 768 vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08, BGHZ 181, 278, 288 f.; MüKoBGB/Habersack, 6. Aufl., § 768 Rn. 3) oder ob entsprechende Einschränkungen sonst aus der Sicherungsabrede folgten (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - XI ZR 331/07, WM 2008, 1350, 1352; Palandt-Sprau, BGB, 75. Aufl., § 768 Rn. 7).
92
(4) Von seiner Annahme ausgehend, dass bereits in dem Eingehen der Bürgschaftsverpflichtung eine schadensgleiche Vermögensgefährdung lag, hat sich das Landgericht konsequent mit der den Schuldgehalt der Tat betreffenden Frage befasst, ob die angenommene Vermögensgefährdung durch spätere Umstände entfallen war. Soweit es den "Gefährdungszeitraum" im Fall IV.9 a) der Urteilsgründe allerdings - D. insoweit nicht beschwerend - auf den "Zeitraum der zugelassenen Anklage" begrenzt hat, begegnet dies rechtlichen Bedenken. Mit dem erstmaligen Eintritt des Vermögensnachteils, im Fall der einem Schaden gleichkommenden Gefährdungslage schon mit dieser, ist das Delikt der Untreue vollendet (BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2001 - 5 StR 530/00, NStZ 2001, 650; vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379). Spätere Entwicklungen, die den Schaden vertiefen oder entfallen lassen, wirken sich allerdings auf das Maß der Schuld aus. Sie sind daher für die Beurteilung von Tat und Täter von Bedeutung und vom Gericht - im Rahmen seiner Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) - zu ermitteln. Der Grundsatz , dass sich Untersuchung und Entscheidung auf die in der Anklage bezeichnete Tat beschränken (§§ 155, 264 StPO), steht dem nicht entgegen (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1975 - 1 StR 755/75, NStZ 1981, 99 mwN).
93
ee) Das neue Tatgericht wird auch zu prüfen haben, ob sich D. wegen Anstiftung zur Untreue durch die Mitangeklagten M. und/oder W. strafbar gemacht hat. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt , dass gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV verstoßende Rechtsgeschäfte gemäß § 134 BGB unwirksam sein können (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 92/11, EuZW 2013, 753, 755 ff. mwN), wird zu prüfen sein, inwieweit bewusst Leistungen rechtsgrundlos oder ohne rechtswirksame Absicherung erbracht wurden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 591/11, NJW 2013, 401, 403).
94
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen IV.8, 9 a) bis c) und
e) bis j) der Urteilsgründe entzieht den insoweit verhängten Einzelstrafen die Grundlage und hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge. Im Fall IV.8 der Urteilsgründe sind die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen , mit Ausnahme derjenigen zum Vermögensnachteil, von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende, zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehende Feststellungen bleiben möglich. In den Fällen IV.9 a) bis c) und e) bis j) der Urteilsgründe hebt der Senat die Feststellungen über den Antrag des Generalbundesanwalts hinaus vollständig auf, da der Angeklagte im Hinblick auf die vom Senat erteilten Hinweise noch keine Möglichkeit der Verteidigung hatte und um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
95
4. Gemäß § 357 StPO war die Aufhebung des Urteils in den Fällen IV.9
a) bis c) sowie e) bis j) der Urteilsgründe auf die Mitangeklagten M. und W. zu erstrecken.
96
5. Im Übrigen hat die auf die Sachbeschwerde gebotene materiellrechtliche Überprüfung des Urteils aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 26. Januar 2015 dargelegten Gründen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil von D. ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
97
a) Es kann auch in den Fällen IV.5, 6, 7 und 10 der Urteilsgründe offen bleiben, ob D. als faktischer Geschäftsführer der Nürburgring GmbH zu qualifizieren ist, da sich dessen Vermögensbetreuungspflicht - wie zu Fall IV.8 der Urteilsgründe dargelegt - jedenfalls aus seiner Stellung als Mitglied des Aufsichtsrats ergab.
98
b) In den Fällen IV.5, 6 und 7 der Urteilsgründe lagen schon die Vereinbarungen zu den einzelnen Zahlungen - wie das Landgericht hinsichtlich Fall IV.6 der Urteilsgründe zutreffend ergänzend dargelegt hat - außerhalb des der Geschäftsführung zuzubilligenden unternehmerischen Gestaltungsspielraums, da die Zahlungen nicht im Unternehmenswohl der Nürburgring GmbH lagen:
99
Im Fall IV.5 der Urteilsgründe entstanden der Nürburgring GmbH durch die Übernahme der Gründungskosten für die G. AG nach den getroffenen Feststellungen keine auch nur im Ansatz erkennbaren Vorteile. Deren Gründung kam ausschließlich B. und Me. entgegen, die sich hierdurch steuerliche Vorteile versprachen. Auch in den Fällen IV.6 und 7 der Urteilsgründe widersprachen die Zahlungen den Unternehmensinteressen. Sie waren nicht durch den Vorvertrag vom 27. März 2007 bzw. dessen Nachträge gedeckt; zudem hatten weder die I. -GmbH noch die P. GmbH "wie auch immer geartete Leistungen" oder "abrechnungsfähige Aufwendungen" erbracht. Bei dieser Sachlage besteht nach den bereits zu Fall IV.8 der Urteilsgründe dargestellten Maßstäben die untreuerelevante Pflichtwidrigkeit von D. darin, dass er gemeinsam mit L. (Fall IV.6) bzw. in dessen Anwesenheit (Fälle IV.5 und 7) den Entschluss zur jeweiligen Zahlung fasste und diese hierdurch veranlasste. Es bedarf damit keiner näheren Betrachtung, ob - wie vom Landgericht angenommen - mit der Zahlung auch deshalb eine Vermögensbetreuungspflicht verletzt wurde, weil dieser kein wirksamer Rechtsgrund zugrunde lag. Rechtsgrundlos geleistete Zahlungen stellen zwar jedenfalls dann eine Pflichtverletzung im Sinne des Untreuetatbestandes dar, wenn das den Rechtsgrund bildende Rechtsgeschäft wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) unwirksam ist (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 591/11, NJW 2013, 401, 402). Angesichts der den § 125 Satz 2, § 134 BGB zugrundeliegenden unterschiedlichen Normzwecke ist jedoch zweifelhaft, ob dies in gleicher Weise generell auch dann anzunehmen ist, wenn die Unwirksamkeit des Rechtsgrundes aus einem Verstoß gegen ein - wie hier - rechtsgeschäftlich begründetes Formerfordernis folgt.
100
c) Die Verurteilung im Fall IV.11 der Urteilsgründe wegen falscher uneidlicher Aussage (§ 153 StGB) erweist sich aus den vom Landgericht in seinem Urteil dargelegten Gründen als rechtsfehlerfrei. Diesen wird auch nicht deshalb die Grundlage entzogen, weil das Urteil im Fall IV.8 der Urteilsgründe aufzuheben ist. Zwar knüpft die Verurteilung wegen falscher uneidlicher Aussage inhaltlich an die dortigen Vorkommnisse an. Die hierzu getroffenen Feststellungen sind jedoch weitgehend rechtsfehlerfrei getroffen und können in dem bereits dargelegten Umfang bestehen bleiben. Soweit die Feststellungen im Fall IV.8 der Urteilsgründe in Bezug auf die Bestimmung des Vermögensnachteils und hinsichtlich der subjektiven Tatseite aufgehoben worden sind, ist dies ohne Bedeutung für die Beurteilung, ob die von D. am 2. Juli 2010 vor dem Untersuchungsausschuss getätigte Aussage falsch war und dieser vorsätzlich handelte.
101
6. Zu den erhobenen Verfahrensrügen gilt das Folgende:
102
a) Die Rüge eines Verstoßes gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 26. Januar 2015 dargelegten Gründen unbegründet.
103
b) Die Rüge eines Verstoßes gegen § 199 Abs. 2 Satz 2, § 147 Abs. 1 und 4, § 338 Nr. 8 StPO, weil das Landgericht der Verteidigung die Akteneinsicht in rechtlich bedenklicher Weise erschwert habe, indem es eine Spiegelung sichergestellter Datenträger abgelehnt und Einblick in diese lediglich in den Räumen der Staatsanwaltschaft gewährt habe, ist unzulässig. Dabei kommt es auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob es sich bei den Datenträgern um Beweismittel oder Aktenbestandteile handelte, nicht an. Selbst wenn die von der Revision vertretene Einstufung als Aktenbestandteil zutreffen sollte, betreffen die mit der Rüge angegriffenen Entscheidungen des Vorsitzenden und der Strafkammer lediglich die Ausgestaltung des Rechts auf Akteneinsicht. Diese Entscheidung ist gemäß § 336 Satz 2, § 147 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht revisibel (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1999 - 1 StR 672/98, NStZ 2000, 46; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 336 Rn. 18). Ob für die Fälle einer willkürlichen Beschneidung des Einsichts- und Besichtigungsrechts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. September 2011 - 2 BvR 449/11, NJW 2012, 141, 142) etwas anderes gilt, bedarf keiner Entscheidung. Ein sachfremdes Handeln hat die Revision nicht dargelegt; insbesondere ergibt sich ein solches nicht aus den angegriffenen Entscheidungen.
104
c) Auf die Rüge eines Verstoßes gegen § 261 StPO kommt es nicht an. Sie betrifft ausschließlich die Beweiswürdigung zu den Fällen IV.9 a) bis c) und
e) bis j) der Urteilsgründe; insoweit ist der Schuldspruch mit den dazugehörigen Feststellungen schon auf die Sachrüge aufzuheben.
105
7. Durch die Teilaufhebung des Urteils ist die gegen die Kostenentscheidung gerichtete sofortige Beschwerde von D. gegenstandslos, da bereits die Teilaufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache in diesem Umfang der Kostenentscheidung die Grundlage entzieht (KK-Gieg, StPO, 7. Aufl., § 464 Rn. 14; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 464 Rn. 20, LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 464 Rn. 42)
106
III. Revision des Angeklagten K.
107
1. Der Schuldspruch kann im Fall IV.2 der Urteilsgründe keinen Bestand haben. Nach den hierzu getroffenen Feststellungen hat sich K. keiner Untreue schuldig gemacht; insoweit ist er freizusprechen. Im Einzelnen:
108
a) Das Landgericht ist der Auffassung, die Entscheidung von K. zur Übernahme der Kosten für die Gründung der P. S.A. sei nicht mehr von der ihm als Geschäftsführer eingeräumten unternehmerischen Entscheidungsfreiheit gedeckt gewesen. Er habe auch Mitwirkungsbefugnisse des Aufsichtsrats verletzt, weil es sich um eine nach § 7 Abs. 1 GesV zustimmungspflichtige Maßnahme gehandelt habe. Soweit der Aufsichtsrat die Geschäftsführung bereits mit Beschluss vom 1. Juli 2008 zu Vertragsabschlüssen im Rahmen der Finanzierung von "Nürburgring 2009" ermächtigt habe, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Beschluss sei auf Grundlage der Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 2 GesV ergangen, die dahin ausgelegt werden müsse, dass eine im Vorfeld erteilte Zustimmung nur dann zulässig sei, wenn der Aufsichtsrat diese an bestimmte Auflagen binde. Dies folge daraus, dass sich der Aufsichtsrat nach der Gesamtkonstruktion des § 7 GesV nicht jeglicher Kontrollmöglichkeiten gegenüber der Geschäftsführung begeben dürfe. An entsprechenden Auflagen habe es in dem Beschluss vom 1. Juli 2008 gefehlt. Überdies sei die Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A. auch nicht "notwendig" im Sinne des Aufsichtsratsbeschlusses gewesen.
109
b) Dies hält materiellrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht ist zwar zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass K. als Geschäftsführer der Nürburgring GmbH vermögensbetreuungspflichtig war (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 27. August 2010 - 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 274). In dem von der Strafkammer festgestellten Verhalten von K. lag jedoch keine Verletzung einer das Vermögen der Nürburgring GmbH schützenden Pflicht; weder überschritt er den ihm als Geschäftsführer eingeräumten unternehmerischen Ermessensspielraum noch umging er Mitwirkungsbefugnisse des Aufsichtsrats. Hierzu gilt:
110
aa) Die Entscheidung zur Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A. lag innerhalb des K. als Geschäftsführer eingeräumten weiten unternehmerischen Ermessensspielraums.
111
Wie im Rahmen der Revision von D. dargelegt, liegt eine Pflichtverletzung in diesem Zusammenhang erst vor, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss. Im Rahmen des der unternehmerischen Entscheidung vorausgehenden Entscheidungsfindungsprozesses sind die möglichen negativen Auswirkungen bestimmter Maßnahmen , wie etwa ein Ansehensverlust des Unternehmens in der Öffentlichkeit, ebenso in die Überlegungen einzustellen wie die mit imagepflegenden Maßnahmen einhergehenden positiven Folgen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. April 1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 255; Bosch/Lange JZ 2009, 225, 231,

233).


112
Gemessen hieran bewegte sich K. mit seiner Entscheidung, die Kosten für die Gründung der P. S.A. zu übernehmen, noch innerhalb des ihm zustehenden weiten Ermessensspielraums. Hinsichtlich der Verbindung der I. S.A. zu einem mexikanischen Drogenkartell lag aufgrund der im luxemburgischen Handelsregister enthaltenen Eintragungen zu den Gesellschaftsverhältnissen ein verifizierbarer und nicht lediglich vager oder offensichtlich haltloser Verdacht vor. Angesichts dessen war es aus unternehmenspolitischen Gründen - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Finanzierung des Ausbauprojekts auch im Bereich II noch nicht sichergestellt war und dort Privatinvestoren gesucht wurden - im Interesse der Gesellschaft, diesen Schein einer Verbindung kurzfristig zu beseitigen. Dass die I. S.A. oder die hinter ihr stehenden B. und Me. hierzu vertraglich verpflichtet waren, belegen die Urteilsgründe auch in ihrem Gesamtzusammenhang nicht. Allein der Umstand, dass eine gute Reputation naheliegend auch im eigenen Interesse der I. S.A. lag, begründete einen vertraglichen Anspruch nicht. Die Höhe der mit der Neugründung der P. S.A. verbundenen Kosten, war zwar in die Abwägung der insoweit gegenläufigen Unternehmensinteressen einzustellen ; dieser Gesichtspunkt wurde allerdings dadurch relativert, dass die Kosten bei erfolgreichem Zustandekommen der Finanzierung auf den dann fälligen Provisionsanspruch angerechnet werden konnten. Bei dieser Sachlage ist ein strafrechtlicher Vorwurf auch nicht deshalb begründet, weil K. seine Entscheidung traf, bevor die Angaben von Me. zum Erwerb der I. S.A. - die sich nur zehn Tage nach Vertragsschluss als zutreffend herausstellten - überprüft worden waren. Denn der durch die Registerlage hervorgerufene Schein blieb bestehen; Dritte hätten weiterhin den Schluss auf eine Verbindung zur mexikanischen Drogenmafia ziehen und mit den etwaigen negativen Folgen für das Ansehen der Nürburgring GmbH bzw. das Ausbauprojekt öffentlich machen können. Dass es sich hierbei nicht nur um ein fernliegendes Szenario handelte, zeigt sich daran, dass auch D. bei seinen eigenen Recherchen im Internet bereits auf entsprechende Gerüchte gestoßen war.
113
bb) K. verstieß mit seiner Entscheidung zur vertraglichen Kostenübernahme und deren Umsetzung auch nicht gegen seine Pflicht zur Einbeziehung des Aufsichtsrats gemäß § 7 Abs. 1 GesV.
114
(1) Zutreffend ist das Landgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Maßnahme grundsätzlich zustimmungsbedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 GesV war. Die Entscheidung zur Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A zählte angesichts des Ausnahmecharakters des Geschäfts sowie seiner finanziellen und unternehmenspolitischen Tragweite im Sinne der Satzung nicht mehr zum gewöhnlichen Geschäftsverkehr.
115
Die Satzungsbestimmung war auch wirksam und verstieß nicht gegen § 52 Abs. 1 GmbHG, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG: Ist nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat bei einer GmbH bestellt, so gilt gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG die Vorschrift des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG entsprechend, wonach die Satzung bestimmte Arten von Geschäften einem Zustimmungsvorbehalt durch den Aufsichtsrat unterwerfen kann. Soweit in der Kommentarliteratur zu § 52 GmbHG unter Rückgriff auf aktienrechtliche Grundsätze die Auffassung vertreten wird, satzungsmäßig bestimmte Zustimmungsvorbehalte seien aufgrund des Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz unzulässig, wenn sie - wie hier - generalklauselartig ausgestaltet sind (Michalski/Giedinghagen, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 229 mwN; MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 361, 369, 371; Ulmer/Heermann, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 110), ist dem jedenfalls für die hier zu bewertende Regelung des § 7 Abs. 1 GesV nicht zu folgen. Die zu § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG entwickelten aktienrechtlichen Grundsät- ze sind auf den fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH nicht ohne weiteres übertragbar , da § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG gemäß § 52 Abs.1 GmbHG nur anzuwenden ist, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag anderes bestimmt ist (sog. Satzungsautonomie , vgl. etwa Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 52 Rn. 24; Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 52 Rn. 3; Michalski/Giedinghagen, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 16; MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 9 ff.). Es ist daher anerkannt, dass die Satzung im Fall des fakultativen Aufsichtsrats die aus § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG folgenden Pflichten sowohl einschränken als auch ausweiten kann (BeckHdbGmbH/Müller, 5. Aufl., § 6 Rn. 52; Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 52 Rn. 13; MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 378; Ulmer/Heermann, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 110). Angesichts des im Recht der GmbH bestehenden Satzungsvorrangs kann der Ausschluss generalklauselartiger Zustimmungsvorbehalte somit nicht auf den Wortlaut des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG ("bestimmte Arten von Geschäften") gestützt werden (so aber Michalski/Giedinghagen, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 229). Angesichts der unterschiedlichen Strukturen von GmbH und AG, wonach dem Geschäftsführer einer GmbH insbesondere angesichts des deutlich stärkeren Einflusses der Gesellschaftsversammlung als oberstem Organ eine schwächere Stellung in der Gesellschaft zukommt als dem Vorstand einer AG (vgl. Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 52 Rn. 2; Michalski/Giedinghagen, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 19), bestehen gegen eine generelle Einschränkung der Geschäftsführungsbefugnis durch die Satzung keine Bedenken; unerheblich ist, dass die Regelung des § 7 Abs. 1 GesV nach aktienrechtlichen Maßstäben als unwirksam zu qualifizieren wäre (vgl. Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 66; KKAktG /Mertens/Cahn, 3. Aufl., § 111 Rn. 85; Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, S. 123 f.; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, § 111 Rn. 46). Die hier zu bewertende, nur Maßnahmen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs erfassende Bestimmung des § 7 Abs. 1 GesV beschneidet die Kompetenzen der Geschäftsführung auch nicht derart, dass deren Führungsbefugnis im Kernbereich betroffen ist (vgl. zu dieser Grenze MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 368). Da der Terminus des "gewöhnlichen" Geschäftsverkehrs zudem in handelsrechtlichen Bestimmungen über die Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis verwendet wird (vgl. etwa § 54 Abs. 1, § 116 Abs. 1 HGB), schafft dieser ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriff für den Geschäftsführer auch keinen Zustand untragbarer Rechtsunsicherheit (vgl. zu diesem Aspekt MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 361).
116
(2) K. verstieß jedoch nicht gegen § 7 Abs. 1 GesV, weil sein Vorgehen durch den Aufsichtsratsbeschluss vom 1. Juli 2008 gedeckt war und es damit einer weiteren Einbeziehung des Aufsichtsrats nicht mehr bedurfte.
117
(a) Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass auch im Fall der satzungsmäßig bestimmten Zustimmungsvorbehalte im Vorfeld erteilte Globalbeschlüsse (auch "Generalzustimmung", "Rahmenzustimmung", "Vorwegeinwilligung" ) des Aufsichtsrats grundsätzlich zulässig sind, wenn die Satzung solche - wie hier in § 7 Abs. 3 Satz 2 GesV - zulässt (vgl. Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, S. 203; Hopt/Roth in GroßKommAktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 665 f.; KKAktG /Mertens/Cahn, 3. Aufl., § 111 Rn. 109; MüKoAktG/Habersack, 4. Aufl., § 111 Rn. 126). Rechtsfehlerhaft ist allerdings der von der Strafkammer gezogene Schluss, der Aufsichtsratsbeschluss vom 1. Juli 2008 sei unwirksam, da eine im Vorfeld erteilte generelle Zustimmung zwingend mit Auflagen hätte verbunden werden müssen.
118
Aus dem Wortlaut von § 7 Abs. 3 Satz 2 GesV lässt sich die Verpflichtung des Aufsichtsrats, seine Zustimmung ausdrücklich mit Auflagen zu verbinden , nicht entnehmen. Systematisch bezieht sich die Regelung auf die "zustimmungspflichtigen Geschäfte" und erfasst damit sowohl die in § 7 Abs. 2 GesV konkretisierten als auch alle anderen unter die Generalklausel des Abs. 1 fallenden Geschäfte. Könnte der Aufsichtsrat seine Zustimmung einschränkungslos und spiegelbildlich zur Bestimmung des § 7 Abs. 1 GesV allgemein zu sämtlichen von Abs. 1 erfassten Geschäften erteilen, bestünde die Gefahr, dass er die ihm vom Satzungsgeber zugewiesene Funktion als Kontrollorgan unterliefe. Dies bedingt - wie das Landgericht insoweit zutreffend angenommen hat -, dass er den Umfang und die Voraussetzungen seiner Zustimmung präzisiert. Weitergehende Beschränkungen - auch in inhaltlicher Sicht - folgen hieraus für die Ausgestaltung des Zustimmungsbeschlusses allerdings nicht: Dass der Aufsichtsrat mit jeder Rahmenzustimmung die Kontrolle über die von der Geschäftsführung abgeschlossenen Geschäfte in einem gewissen Maße verliert , liegt in der Natur solcher Rahmenbeschlüsse; dies wird jedoch insbesondere dadurch kompensiert, dass es dem Aufsichtsrat jederzeit möglich ist, die Geschäftsführung zur Berichtserteilung anzuhalten (vgl. hierzu Koppensteiner /Schnorbus in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl., § 52 Rn. 32) und seine Generalzustimmung zu widerrufen. Schließlich verlangen weder die aus der Satzung folgende Funktion des Aufsichtsrats noch sonstige Gesichtspunkte , dass der Aufsichtsrat die für die Zulässigkeit einer Vorwegeinwilligung erforderlichen Konkretisierungen an die Geschäftsführung ausdrücklich als "Auflage" bezeichnet.
119
Nach diesen Maßstäben bestehen an der Wirksamkeit des Aufsichtsratsbeschlusses vom 1. Juli 2008 keine Bedenken. Die von der Zustimmung des Aufsichtsrats erfassten Geschäfte waren dadurch in dem erforderlichen Maße präzisiert, dass der sachliche Bezug der bewilligten Geschäfte zur Finanzierung des Ausbauprojektes hergestellt war und abzuschließenden Vereinbarungen unter der Voraussetzung eines "notwendigen" funktionalen Zusammenhangs standen.
120
(b) Die mit der Finanzierung des Projektes "Nürburgring 2009" eng verbundene Entscheidung zur Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A. war schließlich auch von dem Aufsichtsratsbeschluss vom 1. Juli 2008 umfasst. Insbesondere handelte es sich um eine im Sinne des - von der Strafkammer insoweit nicht näher ausgelegten - Aufsichtsratsbeschlusses zur Finanzierung des Projektes "notwendige" Vereinbarung.
121
Bei verständiger Würdigung beschränkte der Aufsichtsrat seine Zustimmung hiermit nicht auf den Abschluss solcher Verträge und Vereinbarungen, ohne die das Finanzierungskonzept objektiv nicht umsetzbar gewesen wäre, insbesondere die vor der Beschlussfassung seitens der Geschäftsführung vorgelegten Entwürfe des Nießbrauchs-, Generalübernehmer-, Miet- und Optionsvertrages. Vielmehr umfasste die Zustimmung auch solche Vereinbarungen, die - wie hier - in Zusammenhang mit der Finanzierung des Bereichs I standen und seitens der Geschäftsführung in vertretbarer Weise als erforderlich angesehen wurden. Dies folgt daraus, dass der Aufsichtsrat im Beschlusszeitpunkt über die Einzelheiten des verfolgten Finanzierungskonzeptes unterrichtet war und dieses umgesetzt wissen wollte; hätte er der Geschäftsführung hierbei keinen eigenen Gestaltungsspielraum einräumen oder seine Zustimmung auf die ihm vor der Entscheidung vorgelegten Vertragsentwürfe beschränken wollen, hätte es nahegelegen, entweder die Vertragsentwürfe ausdrücklich im Beschluss zu benennen oder von vornherein auf eine Generalzustimmung zu verzichten. In der stattdessen verwendeten Formulierung "Verträge und sonstigen Vereinbarun- gen" kommt die im Beschlusszeitpunkt bestehende Ungewissheit über den Umfang und die Art der für die Umsetzung der Finanzierung erforderlichen Geschäfte deutlich zum Ausdruck.
122
Die von D. befürchteten negativen Folgen auf die - zu diesem Zeitpunkt nicht sichergestellte - Finanzierung des Ausbauprojekts für den Fall, dass sich die Gerüchte um die Verbindung der I. S.A. zur mexikanischen Drogenmafia ausbreiten sollten, lagen nahe und waren von einer sachlichen Grundlage getragen. Dass K. dies anders beurteilt und aus sachfremden Erwägungen heraus gehandelt haben könnte, ist nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund war es im Sinne der dargelegten Maßstäbe vertretbar, die Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A. als für die weitere Durchführung des Projektes notwendig anzusehen.
123
c) Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden könnten, die eine Verurteilung von K. wegen Untreue zu tragen vermögen. Er spricht den Angeklagten deshalb insoweit mit der entsprechenden Kostenfolge frei (§ 354 Abs. 1, § 467 Abs. 1 StPO).
124
2. Im Fall IV.8 der Urteilsgründe tragen die getroffenen Feststellungen aus den bereits zur Revision von D. dargelegten Gründen nicht den Schuldspruch wegen Untreue zum Nachteil der Nürburgring GmbH.
125
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall IV.8 der Urteilsgründe entzieht der insoweit verhängten Einzelstrafe die Grundlage; dies und der durch den Freispruch im Fall IV.2 der Urteilsgründe bedingte Wegfall der in diesem Fall festgesetzten Einzelstrafe führen zur Aufhebung des Gesamtstrafenaus- spruchs. Die Feststellungen im Fall IV.8 der Urteilsgründe können allerdings in dem zur Revision von D. dargelegten Umfang bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
126
4. Weitere zum Nachteil von K. wirkende Rechtsfehler hat die auf die Sachrüge gebotene materiellrechtliche Nachprüfung nicht ergeben. Über die in der Begründungsschrift des Generalbundesanwalts vom 1. Juni 2015 dargelegten Gründe hinaus bedarf nur Folgendes der näheren Erörterung:
127
a) Im Fall IV.3 der Urteilsgründe überschritt K. mit der von ihm veranlassten Zahlung den ihm zukommenden unternehmerischen Entscheidungsfreiraum. Die Maßnahme lag nicht im Unternehmenswohl: Nach der - durch die Nachträge modifizierten - Vertragslage zum Vorvertrag vom 27. März 2007 bestand keine Verpflichtung der Nürburgring GmbH zum Aufwendungsersatz über September 2008 hinaus. Es war auch nicht erkennbar, dass die I. GmbH im Oktober 2008 noch wesentliche Leistungen im Hinblick auf die angestrebte Umsetzung des mit Ba. angestrebten Finanzierungskonzeptes erbringen musste; die für die Anlage der von Ba. geforderten Bareinlage erforderlichen Voraussetzungen waren bereits geschaffen. Bereits am 24. September 2008 - nur zwei Tage nach der Rechnungsstellung - wurde der Betrag von 80 Mio. € absprachegemäß angelegt; die weiteren Schritte waren von Ba. zu erbringen. Weder für die Zahlung noch für eine etwaige mündliche Vereinbarung hierüber - für deren Vorliegen die Urteilsgründe überdies keine konkreten Anhaltspunkte geben; insb. bezog sich die gegenständliche Rechnung auf § 2 des "geschlossenen Vorvertrag[s]" - bestand damit eine wirtschaftliche Rechtfertigung. Da die Maßnahme mithin außerhalb des unternehmerischen Gestaltungsspielraums lag, handelte es sich um eine Pflichtverletzung , ohne dass es auf weitere Wertungen noch ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 343 ff. mwN). Ob K. aufgrund einer Umgehung des Aufsichtsrats zusätzlich noch ein Verstoß gegen die Satzung der Nürburgring GmbH vorzuwerfen ist, bedarf keiner weitergehenden Betrachtung. Ebenso kann offen bleiben, ob Zahlungen auf eine formunwirksame Forderung stets untreuerelevant sind.
128
b) In den Fällen IV.5, 6 und 7 der Urteilsgründe liegt die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch K. ebenfalls darin, dass die gegenständlichen Zahlungen - wie im Rahmen der Revision von D. ausgeführt - unter keinem Gesichtspunkt im Unternehmenswohl und damit außerhalb des dem Geschäftsführer einzuräumenden freien Gestaltungsspielraums lagen.
129
5. Die auf Verstöße gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO und § 199 Abs. 2 Satz 2, § 147 Abs. 1 und 4, § 338 Nr. 8 StPO gestützten Verfahrensrügen bleiben aus den zur Revision von D. dargelegten Gründen ohne Erfolg.
130
IV. Revision des Angeklagten N.
131
1. Der Schuldspruch wegen Untreue im Fall IV.7 der Urteilsgründe erweist sich als rechtsfehlerhaft. Die getroffenen Feststellungen belegen kein täterschaftliches Handeln des Angeklagten N. , da sich aus ihnen weder die konkrete Verletzung einer bestehenden Vermögensbetreuungspflicht noch die allgemeinen Voraussetzungen der Täterschaft (§ 25 StGB) ergeben.
132
a) Täter der Untreue kann aufgrund des Sonderdeliktscharakters nur derjenige sein, dem eine in Bezug auf das geschädigte Vermögen bestehende Betreuungspflicht zukommt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 13. März 2013 - 2 StR 474/12, NStZ 2013, 472, 473). Der Schluss des Landgerichts, dass N. einer derartigen Pflicht zuwider handelte, wird von den Urteilsgründen nicht getragen.
133
aa) Wie im Rahmen der Revision von D. dargelegt, sind die durch § 266 Abs. 1 StGB strafrechtlich geschützten Treueverhältnisse auf die Fälle zu beschränken, in denen für den Betreuenden eine besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen begründet wird. Dabei kann eine vertragliche Beziehung, die sich insgesamt als Treueverhältnis im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB darstellt, auch Verpflichtungen enthalten, deren Einhaltung nicht vom Untreuetatbestand geschützt wird (BGH, Beschluss vom 5. März 2013 - 3 StR 438/12, NJW 2013, 1615). Nicht jede vermögensmindernde Pflichtverletzung eines Vermögensbetreuungspflichtigen ist demnach bereits untreuerelevant, sondern nur der Verstoß gegen eine Pflicht, die gerade spezifisch dem Vermögensschutz dient (MüKoStGB/Dierlamm, 2. Aufl., § 266 Rn. 40; ders. in Kempf/Lüderssen/Volk, Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 201, 204). Maßgebend für die Abgrenzung sind Inhalt und Umfang der Treueabrede, wie sie sich aus den Vertragsvereinbarungen bei sachgerechter Auslegung ergibt (BGH, Urteile vom 30. Oktober1985 - 2 StR 383/85, NStZ 1986, 361, 362; vom 30. Oktober 1990 - 1 StR 544/90, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 17; Beschluss vom 11. August 1993 - 2 StR 309/93, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht

22).


134
bb) Nach diesen Maßstäben ist das Landgericht zunächst rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass dem Angeklagten aufgrund der rechtlichen Ausgestaltung seines Arbeitsverhältnisses eine im vorstehenden Sinne qualifizierte Stellung hinsichtlich des Vermögens der Nürburgring GmbH zukam. Diese folgte aus seiner Verpflichtungs- und Freigabebefugnis für Forderungen gegen die Nürburgring GmbH bis zu maximal 20.000 € und aus seiner Aufgabe, eingehende Rechnungen auf ihre inhaltliche und sachliche Richtigkeit zu prüfen, sowie der hiermit einhergehenden Möglichkeit, auf deren Auszahlung wesentlichen Einfluss zu nehmen.
135
Die Urteilsgründe belegen jedoch nicht, dass N. im Fall IV.7 der Urteilsgründe in diesem Pflichtenkreis tätig wurde: In die mit Me. getroffene Vereinbarung über die Erstattung des Aufwendungsersatzes, war N. nicht eingebunden. Soweit der Angeklagte im Rahmen der Zahlung des Betrages von 150.000 € involviert war, belegen die - missverständlich formulierten - Fest- stellungen lediglich, dass er diese vorbereiten ließ; freigegeben wurde die Auszahlung durch K. , der die auf Veranlassung von N. erstellte Auszahlungsanordnung unterschrieb. Dass N. über eine möglicherweise nur im Innenverhältnis zur Nürburgring GmbH wirkende Beschränkung die Zahlung von Beträgen über 20.000 € wirksam anweisen konnte, belegen die Urteilsgründe nicht. Offenbleiben kann in diesem Zusammenhang, in welchem Umfang N. Handlungsvollmacht eingeräumt war; denn den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen , dass der Angeklagte mit der "Anweisung" gegenüber De. , den Geldbetrag "zu überweisen", in dem ihm hierdurch eröffneten Aufgabenbereich agierte. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass N. Leiter der von ihm aufgebauten Controlling-Abteilung der Nürburgring GmbH war; die Feststellungen lassen offen, welche konkreten Aufgaben und Entscheidungsspielräume sich für den Angeklagten hierdurch ergaben.

136
Da die inhaltlich unrichtige Rechnung der I. GmbH vom 15. Juni 2009 erst nach der Überweisung bei der Nürburgring GmbH einging, kann schließlich auch eine inhaltliche Bestätigung der Rechnung durch N. - ungeachtet der hierzu fehlenden Feststellungen - nicht ursächlich für die Auszahlung geworden sein; da sich die Urteilsgründe nicht dazu verhalten, ob und ggf. durch wen die Rechnung vom 15. Juni 2009 inhaltlich und sachlich bestätigt worden war, ergibt sich schon deshalb auch unter dem Gesichtspunkt einer von N. (mit)bewirkten falschen Buchführung (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2010 - 2 StR 111/09, NJW 2010, 3458, 3460 mwN; BGH, Beschluss vom 26. April 2001 - 5 StR 587/00, BGHSt 47, 8, 11 mwN; Urteil vom 7. Dezember 1965 - 5 StR 312/65, BGHSt 20, 304; MüKoStGB/Dierlamm, 2. Aufl., § 266 Rn. 191, 227) keine Pflichtverletzung im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB.
137
b) Die getroffenen Feststellungen belegen darüber hinaus auch nicht die allgemeinen Voraussetzungen der Täterschaft.
138
aa) Auch wenn man annimmt, N. habe in dem seine Vermögensbetreuungspflicht begründenden Pflichtenkreis gehandelt, verwirklichte er die Tat nicht im Sinne von § 25 Abs. 1 StGB selbst. Soweit er De. zu der sog. Blitzüberweisung aufforderte, lag hierin keine Aufforderung, die Überweisung unmittelbar auszuführen. Diese setzte nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe vielmehr das Vorhandensein einer unterschriebenen Auszahlungsanordnung voraus. Dass De. diese Unterschrift leisten konnte oder nach der Vorstellung von N. hätte leisten sollen, zeigen die Urteilsgründe nicht auf; hiergegen spricht auch, dass angesichts der Höhe der Zahlung auch der De. in der Hierarchie übergeordnete N. zur Unterschrift weder befugt noch willens war. Mit der bloßen Aufforderung an De. , die Überweisung vorzubereiten, war die Wahrscheinlichkeit einer späteren Auszahlung indes noch nicht in einem Maße gestiegen, dass hierin bereits eine tatbestandliche schadensgleiche Vermögensgefährdung gesehen werden kann. Entsprechendes gilt für die spätere Vorlage der Auszahlungsanordnung von N. an K. zur Unterschrift, zumal N. hierbei noch explizit auf seine Bedenken gegen den Vorgang hinwies und gegenüber seinem Vorgesetzten die Auszahlung zu verhindern suchte. Dass N. nach der Vorlage der Auszahlungsanordnung noch an dem weiteren Geschehen beteiligt war, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Nach alledem erschöpfte sich der eigene Beitrag von N. in bloßen Unterstützungshandlungen.
139
bb) Auch eine Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) von N. wird von den Urteilsgründen nicht belegt. Ein mittäterschaftliches Handeln ist gegeben, wenn ein Tatbeteiligter mit seinem Beitrag nicht bloß fremdes tatbestandsverwirklichendes Tun fördern will, sondern dieser Beitrag im Sinne arbeitsteiligen Vorgehens Teil einer gemeinschaftlichen Tätigkeit sein soll. Dabei muss der Beteiligte seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen. Der gemeinschaftliche Tatentschluss kann durch ausdrückliche oder auch durch konkludente Handlungen gefasst werden. Ob ein Beteiligter ein derart enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte für diese Beurteilung können der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille hierzu sein, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. Mai 2015 - 3 StR 575/14, BGHR VStGB § 6 Mittäter 1; vom 23. März 1994 - 3 StR 664/93, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 16). Die Annahme von Mittäterschaft erfordert allerdings nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen; es kann sogar ein Beitrag im Vorbereitungsstadium des unmittelbar tatbestandlichen Handelns (BGH, Beschluss vom 19. August 2014 - 3 StR 326/14, juris Rn. 7) und ein solcher im Stadium zwischen Vollendung und Beendigung der Tat (BGH, Beschluss vom 14. Juni 1989 - 3 StR 156/89, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 5) genügen.
140
Nach diesen Maßstäben begegnet die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Allein seine Kenntnis von der Tatbegehung durch D. und K. kann eine Mittäterschaft nicht begründen. Die festgestellten Tatbeiträge bestanden ausschließlich in Unterstützungshandlungen, welche L. oder K. ohne weiteres selbst hätten vornehmen können. Schließlich ist in den Blick zu nehmen , dass N. ersichtlich kein eigenes Interesse am Taterfolg verfolgte; denn er stellte sich von Beginn an gegen die Forderung von Me. und tat dies sowohl seinem Vorgesetzen L. als auch dem in der Unternehmenshierarchie an der Spitze stehenden K. unter Darstellung seiner Bedenken kund. Selbst wenn N. eine Vermögensbetreuungspflicht oblegen haben sollte, führt dies weder allein (vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 2008 - 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428; Urteil vom 17. September 2009 - 5 StR 521/08, NJW 2010, 92, 97; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, 10. Aufl., § 45 Rn. 21; MüKoStGB/Joecks, 2. Aufl., § 25 Rn. 186; SK-StGB/Hoyer, 32. EL, § 25 Rn. 21 ff.; aA Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 355 ff.; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 25 Rn. 39 ff., 43 f.; S/S-Heine/Weißer, StGB, 29. Aufl., Vor § 25 Rn. 82; SSW-StGB/Saliger, 2. Aufl., § 266 Rn. 107) noch in der Zusammenschau mit den weiteren seine Beteiligung kennzeichnenden Umstände zu einem anderen Ergebnis. Dies gilt auch dann, wenn man dem Tatrichter bei der vorzunehmenden Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe einen Beurtei- lungsspielraum zubilligen wollte, der nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung zugänglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254). Dieser wäre hier jedenfalls überschritten.
141
c) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass trotz des Charakters der Untreue als Sonderdelikt nicht offenbleiben können wird, ob einer täterschaftlichen Verurteilung von N. bereits die allgemeinen Voraussetzungen der (Mit-)Täterschaft oder auch seine im konkreten Fall möglicherweise fehlende qualifizierte Stellung zum Vermögen der Nürburgring GmbH entgegenstehen. Die nach § 266 Abs. 1 StGB erforderliche Vermögensbetreuungspflicht ist ein strafbegründendes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB (BGH, Beschlüsse vom 12. Juli 1994 - 1 StR 300/94, StV 1995, 73; vom 8. Januar 1975 - 2 StR 567/74, BGHSt 26, 53); ihr Fehlen begründet einen zwingenden Strafmilderungsgrund. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine weitere Milderung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben derjenigen nach § 27 Abs. 2 StGB aber dann nicht geboten , wenn die Verurteilung wegen Beihilfe allein darauf beruht, dass das strafbarkeitsbegründende persönliche Merkmal bei dem Tatbeteiligten nicht vorliegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2015 - 4 StR 476/14, wistra 2015, 146; vom 6. März 2013 - 5 StR 66/13; vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12, NJW 2013, 949, 950; vom 8. Januar 1975 - 2 StR 567/74, BGHSt 26, 53).
142
2. Auch im Fall IV.8 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen den Schuldspruch wegen Untreue nicht, weil sie weder eine Vermögensbetreuungspflichtverletzung von N. noch einen hierdurch eingetretenen Vermögensnachteil belegen. Hinsichtlich des von der Strafkammer nicht ausreichend dargelegten Vermögensnachteils gelten die insoweit zur Revision von D. dargelegten Gründe entsprechend. Zur Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht gilt Folgendes:
143
Wie bereits ausgeführt, liegt eine untreuerelevante Pflichtverletzung nur vor, wenn dem Täter eine zum Schutz des Vermögens des Geschädigten hervorgehobene Stellung zukommt und die von ihm konkret verletzte Pflicht auf den Pflichtenkreis zurückgeht, der diese Stellung begründet. Letzteres lässt sich anhand der Urteilsgründe nicht nachvollziehen. Diese teilen nicht mit, aufgrund welcher Umstände N. überhaupt an der Zahlungsvereinbarung beteiligt war. Ihnen ist auch nicht zu entnehmen, aus welchem Grunde N. mit der Vertretungsmacht ausgestattet war, die Nürburgring GmbH durch die Zahlungsvereinbarung zu verpflichten. Dies könnte aufgrund der ihm erteilten Handlungsvollmacht der Fall gewesen sein, ebenso könnte er durch eine einzelfallbezogene Entscheidung seiner Vorgesetzten hinzugezogen und ihm (ggf. konkludent ) Einzelvollmacht erteilt worden sein. Hinsichtlich der bestehenden Handlungsvollmacht bleibt jedoch in den Urteilsgründen offen, ob der Abschluss der Zahlungsvereinbarung von dieser überhaupt umfasst sein konnte. Der Begriff der Handlungsvollmacht ist inhaltlich offen und enthält keinen aus sich heraus bestimmbaren Umfang der Vollmacht. Dieser wird alleine vom Vollmachtgeber festgelegt. Auch § 54 HGB kodifiziert lediglich eine speziell geregelte Rechtsscheinhaftung (Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 54 Rn. 9; Ebenroth /Boujong/Joost/Strohn/Weber, HGB, 3. Aufl., § 54 Rn. 1), deren Umfang indes vom Inhalt der erteilten Vollmacht abhängt (Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 54 Rn. 10), und unterscheidet drei typisierte, in ihrem Umfang wesentlich differierende Varianten der Handlungsvollmacht (Ebenroth /Boujong/Joost/Strohn/Weber, HGB, 3. Aufl., § 54 Rn. 10 ff.). Nähere Feststellungen hierzu hat das Landgericht nicht getroffen. Sie lassen sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen und ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass N. mit seiner Unterschrift unter die Zahlungsvereinbarung "als Financial Controller und Handlungsbevollmächtigter der Nürburgring GmbH" der Vereinbarung zustimmte. Sollte N. hingegen aufgrund einer (konkludent) erteilten Einzelvollmacht tätig geworden sein, belegt auch dies angesichts des Zusammenwirkens mit L. als seinem Vorgesetzten noch nicht ohne weiteres den im Rahmen von § 266 Abs. 1 StGB erforderlichen eigenverantwortlichen Entscheidungsspielraum.
144
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen IV.7 und 8 der Urteilsgründe bedingt den Wegfall der verhängten Einzelstrafen und des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Der Aufhebung der Feststellungen bedarf es im Fall IV.8 der Urteilsgründe über den sich aus den Revisionen von D. und K. ergebenden Umfang hinaus auch im Hinblick auf die Umstände, welche die Vermögensbetreuungspflicht von N. begründen.
145
4. Im Übrigen hat die auf die Sachrüge gebotene sachlichrechtliche Überprüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil von N. ergeben. Über die in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgezeigten Gründe hinaus bedarf es lediglich im Fall IV.3 der Urteilsgründe des im Rahmen der Revision von K. näher ausgeführten Hinweises, dass die Begleichung der Rechnung der I. GmbH vom 22. September 2008 und damit auch deren sachliche und inhaltliche Bestätigung bereits außerhalb des einem Geschäftsführer einzuräumenden unternehmerischen Entscheidungsspielraums lag. Auf die Frage, ob N. bewusst war, dass der Aufsichtsrat bei der Entscheidung übergangen worden war, kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht an.
Becker RiBGH Pfister ist in den Schäfer Ruhestand getreten und daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 438/12
vom
5. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. März 2013 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 25. April 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Rostock zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die Beanstandungen des Verfahrens kommt es deshalb nicht an.
2
1. Das Landgericht hält den Angeklagten, einen Rechtsanwalt, einer Untreue zum Nachteil der Sparkasse S. (im Folgenden: S. ) für schuldig, weil er eine von vorneherein aussichtslose Widerklage erhoben habe. Zusammengefasst hat es folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Die Rechtsanwaltskanzlei des Angeklagten nahm seit dem Jahre 2001 regelmäßig Mandate für die S. wahr. Diese geriet im Jahre 2003 in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. Die Meinungsverschiedenheiten, die sich auf der Suche nach einem Weg aus der Krise daraus zwischen dem Verwaltungsrat und den damaligen Vorständen der S. , den Zeugen B. und St. , entwickelten, endeten damit, dass der Verwaltungsrat die Abberufung der Vorstände B. und St. beschloss. Mit Schreiben vom 27. November 2003 erklärte der hierzu vom Verwaltungsrat ermächtigte Verwaltungsratsvorsitzende, der gesondert verfolgte L. , die fristlose Kündigung der Anstellungsverträge. Hiergegen setzten sich die Zeugen B. und St. vor dem Landgericht Stralsund zur Wehr.
4
In der Folgezeit beauftragten L. und der neue Vorstandsvorsitzende der S. Ba. die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft D. & T. GmbH (im Folgenden: D & T) mit der Überprüfung des Kredit- und Wertpapiergeschäfts sowie der personalpolitischen Maßnahmen der früheren Vorstände B. und St. . In ihrem Gutachten vom 15. Dezember 2004 kam die D & T zu dem Ergebnis, dass der S. unter den Vorständen B. und St. in den genannten Geschäftsbereichen seit dem Jahre 2002 jeweils Verluste in Höhe von mehreren Millionen Euro entstanden seien. Eventuelle zivil- und strafrechtliche Konsequenzen seien einer rechtlichen Prüfung vorzubehalten.
5
Auf der Grundlage dieses Gutachtens erteilten L. sowie die Vorstände der S. Dr. Sch. und K. , dieser als Vertreter für den Vorstandsvorsitzenden Ba. , der Kanzlei des Angeklagten die Vollmacht zur Erhebung einer auf den Ausgleich der insgesamt entstandenen Verluste gerichteten Widerklage gegen die Zeugen B. und St. . Unter dem 27. Dezember 2004 erhob der Angeklagte dementsprechend eine Widerklage auf Zahlung von 18.748.000 €. In seiner Widerklageschrift übernahm der Angeklagte weitge- hend nahezu wörtlich die Ausführungen aus dem Gutachten von D & T. Mit Anwaltsschreiben an den neuen Vorstandsvorsitzenden H. vom 22. August 2005 boten B. und St. einen Vergleich an. Dieser wurde von der Sparkasse ohne Mitwirkung des Angeklagten abgelehnt. Mit Urteil vom 13. Juni 2007 wies das Landgericht Stralsund die Widerklage ab. Zur Begründung führte es aus, es fehle an einer ordnungsgemäßen Prozessvollmacht des Angeklagten ; hierfür sei ein Beschluss des Verwaltungsrats der S. erforderlich gewesen. Im Übrigen sei die Widerklage auch unbegründet, da keine Pflichtverletzungen der ehemaligen Vorstände B. und St. festgestellt werden könnten.
6
Die Sparkasse entzog dem Angeklagten sodann das Mandat. Der Verwaltungsrat beschloss am 14. September 2007, die Erhebung der Widerklage zu genehmigen und gegen das Urteil des Landgerichts Stralsund Berufung einzulegen , jedoch auf Vorschlag des neuen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt F. begrenzt auf eine Schadenssumme von 5.000.000 €. Mit Beschluss vom 30. Mai 2008 wies das Oberlandesgericht Rostock das Rechtsmittel zurück. Die geänderte Schadensberechnung stelle eine unzulässige Klageänderung dar. Der Schadensersatzanspruch sei im Übrigen auch in der Sache nicht begründet.
7
Das Landgericht ist der Auffassung, dass sich der Angeklagte danach der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht. Er habe, wie die Strafkammer weiter festgestellt hat, die Widerklage erhoben, obwohl er gewusst habe, dass diese keine Aussicht auf Erfolg gehabt und zudem nicht die Möglichkeit bestanden habe, im Falle des Obsiegens die Forderung über den von einer Versicherung abgedeckten Betrag von 5.000.000 DM hinaus zu reali- sieren. Dem Angeklagten, dem gegenüber der S. aufgrund seiner Stellung als weitgehend selbständig für diese tätiger Rechtsanwalt eine Vermögensfürsorgepflicht oblegen habe, sei es darum gegangen, durch die Erhebung der Widerklage Gebühreneinkünfte zu erzielen, auf die er in einer äußerst schwierigen finanziellen Situation dringend angewiesen gewesen sei.
8
2. Der Schuldspruch hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn die Voraussetzungen des hier allein in Betracht kommenden § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB sind durch die vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht belegt. Diesen lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass den Angeklagten bei Erhebung der Widerklage eine hierauf bezogene Vermögensbetreuungspflicht im Sinne der Vorschrift gegenüber der S. traf.
9
a) Voraussetzung des Treubruchstatbestandes gemäß § 266 Abs. 1 StGB ist die tatsächliche Einwirkungsmacht auf fremdes Vermögen, der ein besonders schützenswertes Vertrauen in die Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zugrunde liegt. Wegen der Weite des Tatbestandes sind die durch § 266 Abs. 1 StGB strafrechtlich geschützten Treueverhältnisse auf die Fälle zu beschränken, in denen für den Betreuenden eine besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen begründet wird. Diese muss über allgemeine vertragliche Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten ebenso hinausgehen wie über eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit. Erforderlich ist, dass sich die Vermögensfürsorge als Hauptpflicht, also als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung darstellt. Es muss hinzukommen, dass dem Täter die ihm übertragene Tätigkeit nicht durch ins Einzelne gehende Weisungen vorgezeichnet ist, sondern ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird. Hierbei ist nicht nur auf die Weite des dem Täter eingeräumten Spiel- raums abzustellen, sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf seine tatsächlichen Möglichkeiten, ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 208 ff.; BGH, Beschluss vom 1. April 2008 - 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428 mwN).
10
Der nähere Inhalt des so umschriebenen Treueverhältnisses ergibt sich, wenn er - wie hier allein in Betracht kommend - auf einem Rechtsgeschäft beruht , regelmäßig aus dem allgemeinen Zivil- oder Gesellschaftsrecht (BGH, Urteil vom 13. April 2010 - 5 StR 428/09, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 47). Dabei kann eine vertragliche Beziehung, die sich insgesamt als Treueverhältnis im Sinne des § 266 Abs. 1 darstellt, Verpflichtungen enthalten, deren Einhaltung nicht vom Untreuetatbestand geschützt wird. Maßgebend für die Abgrenzung sind insoweit Inhalt und Umfang der Treueabrede, wie sie sich aus den Vertragsvereinbarungen bei sachgerechter Auslegung ergibt (BGH, Urteile vom 30. Oktober 1985 - 2 StR 383/85, NStZ 1986, 361, 362; vom 30. Oktober 1990 - 1 StR 544/90, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 17; Beschluss vom 11. August 1993 - 2 StR 309/93, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 22).
11
In Anwendung dieser Grundsätze hat die Rechtsprechung die zivilrechtlich als Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 BGB einzuordnende Rechtsbeziehung zwischen einem mit der Führung eines bürgerlichen Rechtsstreits beauftragten Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber grundsätzlich als Rechtsverhältnis angesehen, das für den Rechtsanwalt Treuepflichten im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB begründen kann. Sie hat jedoch ausdrücklich offen gelassen , ob dies immer der Fall ist und im Zusammenhang mit der Beauftragung des Rechtsanwalts zur Einziehung und Durchsetzung von Forderungen auf den Einzelfall abgestellt (BGH, Urteile vom 29. April 1960 - 4 StR 544/59, NJW 1960, 1629; vom 6. Februar 1961 - AnwSt (R) 3/60, BGHSt 15, 372; vom 11. November 1982 - 4 StR 406/82, NJW 1983, 461). Danach wurde eine strafbewehrte Pflicht zur Betreuung fremden Vermögens etwa unter der Voraussetzung angenommen, dass der Rechtsanwalt eine Geldforderung von beträchtlicher Höhe geltend zu machen hatte, er damit wegen seiner besonderen Sachkunde betraut war, es ihm überlassen war, wie er die Forderung durchsetzte, er an besondere Weisungen oder Beschränkungen nicht gebunden und zum Abschluss eines Vergleichs ermächtigt war (BGH, Urteil vom 11.November 1982 - 4 StR 406/82, NJW 1983, 461).
12
b) Nach diesen Maßstäben, von denen auch das Landgericht ausgeht, belegen die Feststellungen die Verletzung einer selbständigen Pflicht des Angeklagten , das Vermögen der S. zu betreuen, nicht.
13
Die Urteilsgründe teilen bereits Näheres zu Zustandekommen, Inhalt und Ausgestaltung des Mandatsverhältnisses zwischen dem Angeklagten und der S. nicht mit. Ihnen ist daher nicht zu entnehmen, dass dem Angeklagten die Entscheidung über das "ob" und "wie" der Widerklage zur selbstverantwortlichen Umsetzung nach eigener Beurteilung übertragen worden war. Eine derartige Selbständigkeit ergibt sich auch nicht aus ihrem Zusammenhang. Der festgestellte Kontext der Widerklageerhebung spricht im Gegenteil eher dagegen, dass der Angeklagte im Zusammenhang hiermit über einen Freiraum verfügte, der ausreichte, um eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB begründen zu können. So holte die S. vor Erhebung der Widerklage ein Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ein. Der Inhalt der Widerklage beruhte sodann nicht auf Vorgaben des Angeklagten, sondern folgte ganz weit- gehend den dortigen Ausführungen. Hinzu kommt, dass die S. mit den Widerbeklagten während des erstinstanzlichen Zivilverfahrens über eine einverständliche Beendigung des Rechtsstreits verhandelte, ohne dass der Angeklagte hiervon überhaupt wusste und in die Vergleichsverhandlungen eingebunden war.
14
Demgegenüber tragen die vom Landgericht für eine selbständige Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten angeführten Argumente nicht. Der Umstand, dass der Angeklagte bis Ende 2004 in zumindest acht weiteren Verfahren für die S. tätig war und dort als "Haus- und Hofanwalt" angesehen wurde, verliert vor dem Hintergrund des herausragenden Umfangs und der besonderen Bedeutung der hier in Rede stehenden Widerklage sowie der konkreten Umstände ihres Zustandekommens, Inhalts und der Betreibung des Verfahrens durch die S. entscheidend an Bedeutung. Mit Blick hierauf wird auch weder eine enge Einbindung des Angeklagten in die Abläufe vor der Erhebung der Widerklage noch gar eine Selbständigkeit allein dadurch belegt, dass der Angeklagte an einem Gespräch teilnahm, in dem die ausreichende Bevollmächtigung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft diskutiert wurde. Ein eigener Freiraum des Angeklagten bei der Verfolgung der widerklagend geltend gemachten Schadensersatzansprüche lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Zeuge Dr. Sch. die Vollmacht für die Erhebung der Widerklage nur deshalb unterzeichnete, weil der gesondert verfolgte L. ihm erklärte, dies sei nicht mit besonderen Kosten verbunden; denn es ist nicht einmal festgestellt , dass dem Angeklagten - der an diesem Gespräch nicht teilnahm - diese Aussage überhaupt bekannt war, geschweige denn, dass sie auf seine Initiative hin getätigt wurde. Schließlich belegt auch der nach Auffassung der Strafkammer unzutreffende Hinweis des Angeklagten auf eine drohende Verjährung der Schadensersatzansprüche dessen selbständigen Beurteilungs- spielraum nicht. Diesem Umstand lässt sich eher entnehmen, dass die Entscheidung über das Ob der Widerklage in der Sache von den Verantwortlichen der S. getroffen wurde. Sollte der Hinweis des Angeklagten tatsächlich inhaltlich unrichtig gewesen sein, ist dieser Umstand gegebenenfalls in erster Linie bei der Beurteilung von Bedeutung, ob das Verhalten des Angeklagten als pflichtwidrig anzusehen ist.
15
3. Danach kann dahinstehen, ob die Mandatierung der Kanzlei des Angeklagten durch den Vorsitzenden des Verwaltungsrats und zwei Vorstandsmitglieder der S. die Voraussetzungen eines den Tatbestand ausschließenden Einverständnisses erfüllt, wie die Ablehnung des während des erstinstanzlichen Verfahrens unterbreiteten Vergleichsangebots rechtlich zu würdigen und ob der Vorsatz des Angeklagten rechtsfehlerfrei dargetan ist. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 18. Januar 2013. Das neue Tatgericht wird allerdings gegebenenfalls auch diese Gesichtspunkte in den Blick und daneben Bedacht darauf zu nehmen haben, wie sich die Genehmigung der Erhebung der Widerklage durch den Verwaltungsrat der S. sowie die Fortführung des Rechtsstreits in zweiter Instanz - wenn auch mit Modifizierungen bei der Höhe des geltend gemachten Schadens - auf den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat auswirken.
16
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 2 StPO Gebrauch.
Tolksdorf Hubert Schäfer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 17/15
vom
26. November 2015
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
__________________________________
AEUV Art. 107 ff.; StGB § 266 Abs. 1; HGB § 54; VV-LHO RP § 39 Ziff. 5 Satz
2
1. Ein Mitglied des Aufsichtsrats einer GmbH trifft die Pflicht im Sinne des Untreuetatbestands
, das Vermögen der Gesellschaft zu betreuen. Es verletzt
diese Pflicht u.a. dann, wenn es mit einem leitenden Angestellten der Gesellschaft
bei einem das Gesellschaftsvermögen schädigenden, die Grenzen
der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit überschreitenden Fehlverhalten
zusammenwirkt.
2. § 39 Ziff. 5 Satz 2 der Vorschriften zum Vollzug der Landeshaushaltsordnung
Rheinland-Pfalz schützt die Vermögensinteressen des Haushaltsgebers.
3. Zu der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht und dem Eintritt eines
Vermögensnachteils bei der Übernahme von Bürgschaftsverpflichtungen für
ein Bundesland durch dessen Finanzminister.
4. Ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorschriften zur Gewährung von
Beihilfen begründet keine Pflichtverletzung im Sinne des UntreuetatbestanECLI
:DE:BGH:2015:261115B3STR17.15.0
des; denn diese Regelungen dienen nicht dem Schutz des Vermögens des
Beihilfegebers, sondern dem des europäischen Binnenmarktes vor Wettbewerbsverzerrungen.
5. Zu den Darlegungsanforderungen bezüglich der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht
, wenn dem Angeklagten eine Handlungsvollmacht für die
Gesellschaft erteilt wurde.
BGH, Beschluss vom 26. November 2015 - 3 StR 17/15 - LG Koblenz
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Untreue u.a.
hier: Revisionen der Angeklagten D. , K. und N.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - mit Ausnahme der Aufhebung des Urteils
in den Fällen IV.2 und 7 der Urteilsgründe auf dessen Antrag - am
26. November 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1, § 357 Satz 1
StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 16. April 2014 aufgehoben
a) soweit es den Angeklagten D. betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen in den Fällen IV.8 und 9
a) bis c) sowie e) bis j) der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Fall IV.8 der Urteilsgründe mit Ausnahme derjenigen zum Vermögensnachteil aufrechterhalten ;
b) soweit es den Angeklagten K. betrifft, aa) im Fall IV.2 der Urteilsgründe und der Angeklagte insoweit freigesprochen; die diesbezüglichen Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse; bb) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen im Fall IV.8 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe ; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Fall IV.8 der Urteilsgründe mit Ausnahme derjenigen zum Vermögensnachteil aufrechterhalten ;
c) soweit es den Angeklagten N. betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen in den Fällen IV.7 und 8 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Fall IV.8 der Urteilsgründe mit Ausnahme derjenigen zur Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht und zum Vermögensnachteil aufrecht erhalten;
d) soweit es die Mitangeklagten M. und W. betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen in den Fällen IV.9 a) bis c) und e) bis j) der Urteilsgründe. Im Umfang der Aufhebung - mit Ausnahme des Teilfreispruchs des Angeklagten K. - wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. unter Freispruch im Übrigen wegen Untreue in vierzehn Fällen und falscher uneidlicher Aussage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen die Angeklagten K. und N. hat die Strafkammer wegen Untreue in sieben ( K. ) bzw. vier (N. ) Fällen Bewährungsstrafen verhängt und sie im Übrigen freigesprochen. Die nicht revidierenden Mitangeklagten M. und W. hat das Landgericht jeweils unter Freispruch im Übrigen wegen Untreue in neun Fällen verwarnt und die Verurteilung von Geldstrafen vorbehalten. Mit ihren Revisionen wenden sich die Beschwerdeführer gegen ihre Verurteilungen und rügen die Verletzung materiellen Rechts; die Angeklagten D. und K. beanstanden zudem das Verfahren. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen waren die revidierenden Angeklagten im Tatzeitraum in unterschiedlicher Funktion bei der Nürburgring GmbH tätig. Der Angeklagte K. war deren Geschäftsführer; der Angeklagte D. war damals Finanzminister des Landes Rheinland -Pfalz und seit dem Jahr 2006 Vorsitzender des satzungsmäßig eingerichteten Aufsichtsrats. Der Angeklagte N. war Leiter der Controlling-Abteilung. Er war direkt dem gesondert verfolgten Finanzdirektor und Prokuristen L. unterstellt sowie selbst Vorgesetzter unter anderem des Zeugen De. . Ihm war "Handlungsvollmacht nach § 54 HGB" erteilt. Nach internen Regelungen durfte er Verpflichtungen - mit entsprechender Befugnis zur Freigabe - bis zu einem Umfang von 20.000 € eingehen, bei Beträgen über 5.000 € allerdings nur ge- meinsam mit einem Direktor wie etwa L. . Zu seinem Aufgabenkreis gehörte es weiter, die inhaltliche und sachliche Richtigkeit von eingehenden Rechnungen zu überprüfen. Die Geschäftsanteile an der Nürburgring GmbH hielten zu 90% das Land Rheinland-Pfalz und zu 10% der Landkreis Ahrweiler. Den Verurteilungen liegen Vorgänge zugrunde, die sich im Rahmen des Ausbauprojektes "Nürburgring 2009" zutrugen:
3
1. Der Nürburgring ist eine traditionsreiche, in einer strukturschwachen Region des Landes Rheinland-Pfalz gelegene Rennstrecke, die von der Nürburgring GmbH verwaltet wird. Bereits seit Jahrzehnten wurde versucht, das Angebot am Nürburgring um andere Freizeitmöglichkeiten neben dem Rennbetrieb zu erweitern. Aus diesen Bestrebungen entstand das Ausbauprojekt "Nürburgring 2009", mit dem der Nürburgring zu einem Freizeit-, Business- und Erlebniszentrum mit ganzjährigen, wetterunabhängigen Angeboten entwickelt werden sollte. Das Ausbauprojekt gliederte sich in zwei Bereiche: Bereich I umfasste die Bauprojekte "ringBoulevard", "Warsteiner-Event Center", "ringWerk" und "ringArena"; das Teilprojekt Bereich II betraf den Ausbau der Hotel- und Gastronomieanlagen. Finanziert werden sollte das Vorhaben durch private Investoren , wobei sich die geschätzten Investitionskosten zunächst auf 135 Mio. € für Bereich I und auf 95 Mio. € für den Bereich II beliefen. Die Suche nach Privatinvestoren gestaltete sich allerdings für beide Teilprojekte schwierig.
4
Mitte des Jahre 2006 stellten die Zeugen B. und Me. ein Finanzierungskonzept für den Bereich I des Ausbauprojektes vor. Dieses hatte im Wesentlichen folgenden Inhalt: Die von den Zeugen gehaltene I. (I. ) S.A. (im Folgenden: I. S.A.) zahlt an die Nürburg- ring GmbH 135 Mio. €. Im Gegenzug wird der I. E. GmbH, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der I. S.A., ein Nießbrauchsrecht an den bebauten Grundstücken und Betriebseinrichtungen eingeräumt, welche sie sodann an die Nürburgring GmbH rückvermietet. Der Mietvertrag läuft über 27 Jahre; die Grundmiete beträgt pro Jahr 5 Mio. €, so dass die Investitionssumme am Ende der Gesamtlaufzeit den Grundmieteinnahmen entspricht. Eine Kündigung durch die Nürburgring GmbH ist frühestens nach elf Jahren möglich, wobei in diesem Fall eine "Optionsgebühr" und auf Grundlage einer festgelegten Formel eine Entschädigung zu zahlen ist, die im Wesentlichen der noch offe- nen Mietzinszahlung für die verbleibende Laufzeit entspricht. Der wirtschaftliche Vorteil dieses Konzepts lag für die Nürburgring GmbH darin, dass ihr die Investitionssumme zinsfrei zur Verfügung gestellt würde. Rein rechnerisch ergab sich bereits bis zum Zeitpunkt der frühestmöglichen Kündigung nach elf Jahren ein Zinsvorteil von 33 Mio. €. Zusätzlich garantierte die I. S.A.auf die im Falle einer vorzeitigen Kündigung zu leistenden Entschädigung einen festen Abzugs- betrag in Höhe von 30 Mio. €. Wirtschaftlich betrachtet wären der I. S.A.da- mit im Fall einer Kündigung nach elf Jahren Zinseinnahmen in Höhe von 33 Mio. € entgangen und zusätzlich ein Verlust von 30 Mio. € entstanden.
5
Die I. S.A. bzw. die hinter dieser stehenden B. und Me. wollten ihre Gewinne durch eine Refinanzierung des Investitionskapitals erwirtschaften. Hierzu planten sie, nach dem sog. Senior-Life-Settlements-Modell auf dem USMarkt in einem Volumen von 1,2 Mrd. US-Dollar notleidend gewordene Lebensversicherungen zu einem Bruchteil von deren Nominalablaufwert aufzukaufen. Nach US-amerikanischem Versicherungsrecht erhält der Versicherungsnehmer bei einer Einstellung der Prämienzahlungen keine Leistungen aus dem Vertrag, weshalb es bei drohendem Zahlungsausfall günstiger ist, die Versicherung an einen Aufkäufer zu übertragen, der die restlichen Prämienzahlungen übernimmt. Da der Ausfall der Prämienzahlung seitens der Versicherungen bereits in die Prämienhöhe einkalkuliert wird, erlangt der Investor bei erfolgreicher Durchführung einen im Verhältnis zur Prämienzahlung relativ hohen Betrag. Allerdings sahen die US-amerikanischen Bestimmungen vor, dass ein Aufkauf derartiger Lebensversicherungspolicen durch NichtVersicherungsunternehmen wie der I. S.A. nur in Verbindung mit einem Immobiliengeschäft rechtlich zulässig war. Als ein solches werteten B. und Me. die Beteiligung am Ausbauprojekt "Nürburgring 2009". Da die I. S.A.
die Investitionssumme von 1,2 Mrd. US-Dollar nicht aufbringen konnte, benötigte sie ihrerseits einen Investor, der bereit war, das Projekt zu finanzieren.
6
Im August 2006 schlossen die Nürburgring GmbH und die I. S.A. einen Projektfinanzierungs- und Entwicklungsvertrag, dessen Gegenstand unter anderem die Vermittlung eines Investors durch die I. S.A. war. Dies gelang B. und Me. zunächst allerdings nicht. Im weiteren Verlauf schlossen die Nürburgring GmbH und die I. Gesellschaft mbH (im Folgenden: I. GmbH), eine Tochtergesellschaft der I. S.A., am 27. März 2007 einen Vorvertrag. Hierin verpflichtete sich die Nürburgring GmbH zur pauschalen Erstattung von Vorlaufkosten, die der I. GmbH durch die Suche nach einem Investor bzw. durch die Vermittlung der Finanzierung entstehen würden. Der Vertrag sah monatliche Pauschalzahlungen in Höhe von 20.000 € vor und war zunächst bis zum 31. Dezember 2007 befristet. In der Folgezeit wurde er durch vier Nachträge bis zum 30. September 2008 verlängert , wobei die monatliche Zahlungsverpflichtung zuletzt 40.000 € betrug. Am 2. September 2007 schlossen die Nürburgring GmbH und die I. S.A. zudem eine Provisionsvereinbarung, wonach die I. S.A. für die erfolgreiche Vermittlung der Projektfinanzierung ein Erfolgshonorar in Höhe von 5 Mio. € erhalten sollte. Der Vertrag sah u.a. vor, dass die erste Rate in Höhe von 1 Mio. € des Erfolgshonorars erst nach dem tatsächlichen Eingang der ersten Finanzierungsrate fällig war; die aufgrund des Vorvertrages vom 27. März 2007 von der Nürburgring GmbH erbrachten Zahlungen sollten auf die Provision angerechnet werden.
7
Im Jahr 2008 zeigte sich der gesondert verfolgte Ba. , der in der Folgezeit unter seiner Firma B&B (im Folgenden: B&B ) handelte, an einem Engagement in dem Teilprojekt Bereich I interessiert und unterbreitete verschiedene Finanzierungsangebote. Das dritte Finanzierungsangebot war gerichtet an die I. S.A. und sah eine Investition über 1,2 Mrd. US-Dollar vor, die unter der Bedingung stand, dass die I. S.A. eine Einlage über 10% der Finanzierungssumme - mithin 120 Mio. US-Dollar - für eine Laufzeit von 14 Monaten erbringt. Dieses Finanzierungskonzept verfolgten die Beteiligten weiter, wobei die von der I. S.A. zu leistende Bareinlage schließlich 80 Mio. € betragen sollte. Im Juni 2008 unterrichtete D. den Auf- sichtsrat umfassend über das geplante Finanzierungskonzept. Ende Juni 2008 übermittelte die Geschäftsführung den Aufsichtsratsmitgliedern Entwürfe eines Nießbrauchsvertrages, eines Generalübernehmervertrages, eines Mietvertrages und eines Optionsvertrages; hiermit verbunden war der Antrag auf Zustimmung zum Abschluss des Vertragswerks. Am 1. Juli 2008 fasste der Aufsichtsrat folgenden Beschluss: "Der Aufsichtsrat beauftragt und ermächtigt die Geschäftsführung, alle notwendigen Verträge und sonstigen Vereinbarungen mit der I. , deren Vertretern oder mit der I. verbundenen Gesellschaften abzuschließen, um eine Finanzierung des Projektes Nürburgring 2009 zu realisieren…"
8
Grundlage des Beschlusses war § 7 Abs. 1 und 3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages der Nürburgring GmbH (im Folgenden: GesV). § 7 GesV lautete: "§ 7 Zustimmungsbedürftige Geschäfte Abs. 1: Die Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer erstreckt sich nur auf Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsverkehr mit sich bringt. Für alle darüber hinaus gehenden Handlungen ist die vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats einzuholen.

Abs. 2: Der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen in jedem Fall: … Abs. 3: Der Aufsichtsrat kann sich die vorherige Zustimmung zu bestimmten anderen Arten von Geschäften vorbehalten. Er kann widerruflich seine Einwilligung zu Geschäften, die seiner Zustimmung bedürfen , allgemein unter der Voraussetzung erteilen, dass die von ihm gemachten Auflagen erfüllt sind."
9
Am 31. Juli 2008 entschied D. im Rahmen eines Gesprächs im Finanzministerium mit weiteren an der Finanzierung beteiligten Personen , dass die nach den bisherigen Verträgen von der I. S.A. zu leistende Bareinlage in Höhe von 80 Mio. € von der Nürburgring GmbH erbracht werden sollte, da die I. S.A. hierzu finanziell nicht in der Lage war; die mit der erforderlichen Darlehensaufnahme verbundenen Zinsen sowie die mit der Anlage der Bareinlage verbundenen Bankspesen sollten nach seiner Entscheidung ebenfalls von der Nürburgring GmbH übernommen werden. Den für die Zahlung der Bareinlage erforderlichen Betrag sollte die Nürburgring GmbH darlehensweise aus Landesmitteln über den sog. Liquiditätspool erhalten, der bei dem Kreditreferat des Ministeriums für Finanzen eingerichtet war; diesbezüglich gab D. einem Mitarbeiter des Finanzministeriums vor, dass die Zahlung aus dem Liquiditätspool "unter Bilanzebene" abgewickelt werden sollte ; dementsprechend fand das Darlehen in der Bilanz der Nürburgring GmbH keine Erwähnung.
10
2. Vor dem geschilderten Hintergrund kam es u.a. zu den folgenden Handlungen:
11
a) In die Vorgänge um die Zahlung der von der I. S.A. geschuldeten, jedoch von der Nürburgring GmbH erbrachten Bareinlage in Höhe von 80 Mio. € war die Rechtsanwaltskanzlei C. eingebunden. Ende August 2008 regte sie wegen der verschärften Regelungen zur Geldwäsche an, das Landeskriminalamt einzubinden und prüfen zu lassen, ob es Erkenntnisse oder Verdachtsmomente gegen die an der geplanten Anlage des Bardepots über 80 Mio. € Beteiligten gebe. D. bat daraufhin den damaligen Landesinnenminister Br. um eine entsprechende Überprüfung. Zudem stellte er eigene Internetrecherchen an; dabei stieß er auf Gerüchte einer Verbindung zwischen der I. S.A. und einem mexikanischen Drogenkartell. Dies teilte er am Rande einer Aufsichtsratssitzung am 2. September 2008 K. mit. Am Morgen des 8. September 2008 bestätigte Innenminister Br. D. den Verdacht, dass die I. S.A. zum Umfeld eines mexikanischen Drogenkartells gehöre. Hintergrund war, dass im Handelsregister von Luxemburg zwei irische Firmen als Aktionäre der I. S.A. eingetragen waren; beide Firmen waren auch Aktionäre einer Gesellschaft, in der eine zu den wichtigsten Drahtziehern der mexikanischen Drogenmafia zählende Familie ihre Geschäfte bündelte.
12
Es folgte eine Sitzung im Finanzministerium, an der D. , der Zeuge Dr. von der Kanzlei C. und L. teilnahmen. Die Beteiligten kamen überein, dass ein sofortiges Ende der Geschäftsbeziehung zur I. S.A. erforderlich sei, wenn die Gerüchte über deren Beziehung zur mexikanischen Drogenmafia nicht zügig und umfassend widerlegt werden könnten. D. befürchtete bei deren Ausbreitung einen großen Imageschaden für das Land Rheinland-Pfalz und das Projekt "Nürburgring 2009". Konfrontiert mit den Vorwürfen bestritt Me. jedoch eine bestehende Verbindung zu einem Drogenkartell; die beiden irischen Firmen seien - was sich zehn Tage später bestätigte - lediglich Aktionäre des erworbenen Firmenmantels gewesen. Die Forderung, neue und von dem Verdacht unbelastete Gesellschaften zu gründen, die in die mit der Nürburgring GmbH bestehenden Verträge eintreten sollten, lehnte er wegen der entstehenden Gründungskosten ab. Daraufhin fassten K. sowie L. den Entschluss, die Nürburgring GmbH die Kosten der gewünschten Neugründung einer Gesellschaft, der P. S.A., tragen zu lassen.
13
Noch am 8. September 2008 unterschrieb Me. für die I. GmbH einen Vertrag, nach dem die Nürburgring GmbH die Gründungskosten für die "P. S.A." in Höhe von netto 45.000 € tragen sollte. Die Kosten sollten im Falle einer erfolgreichen Vermittlung der Finanzierung auf den Provisionsanspruch aus dem mit der I. S.A. geschlossenen Vertrag vom 2. September 2007 angerechnet werden. Am selben Tage stellte Me. der Nürburgring GmbH für die I. GmbH den Betrag von 53.550 € (45.000 € netto) in Rechnung. Der Betrag wurde ausgezahlt, nachdem K. und L. die Rechnung als "sachlich und rechnerisch richtig" abgezeichnet hatten. Einen Tag später gründeten Me. und B. vereinbarungsgemäß die P. S.A. und darüber hinaus nach deutschem Recht die P. GmbH. Die Gesellschaften traten kurze Zeit später für die I. S.A. und die I. E. GmbH in die mit der Nürburgring GmbH bestehenden Verträge ein (Fall IV.2 der Urteilsgründe).
14
b) Während dieser Vorgänge wurde die Umsetzung des Finanzierungskonzeptes weiter vorangetrieben. So kündigte N. am 22. September 2008 gegenüber der Schweizer Bank LLB die Überweisung von 80 Mio. € an. Am selben Tag stellte die I. GmbH der Nürburgring GmbH "… gemäß dem ge- schlossenen Vorvertrag" für den Monat Oktober 2008 eine Aufwandsentschä- digung in Höhe von 40.000 € nebst 19% Umsatzsteuer in Rechnung. Nach Ein- gang der Rechnung am 23. September 2008 fassten K. und N. sowie L. den Entschluss, diese Rechnung durch die Nürburgring GmbH begleichen zu lassen. Ihnen war bewusst, dass keine Verpflichtung zur Übernahme dieser Kosten bestand, da der Vorvertrag bis zum Monat September 2008 begrenzt war und auch der vierte Nachtrag zum Vorvertrag eine Aufwandsentschädigung nur bis zum 30. September 2008 vorgesehen hatte. Gleichwohl zeichneten alle drei die Rechnung als sachlich und rechnerisch richtig ab. In weiterer Ausführung des Tatplans veranlassten K. und L. die Auszahlung der in Rechnung gestellten Aufwandsentschädigung. Der Aufsichtsrat der Nürburgring GmbH war mit der Zahlung nicht befasst. Erstattungsfähige Aufwendungen hatten B. und Me. bzw. die I. GmbH im Oktober 2008 nicht (Fall IV.3 der Urteilsgründe).
15
c) Obwohl die von Ba. geforderte Bareinlage in Höhe von 80 Mio. € am 24. September 2008 bei der LLB/Schweiz verbucht und angelegt worden war, kam die Finanzierung nicht zustande: Zunächst hielt Ba. unter anderem eine vertraglich vereinbarte Frist von drei Tagen zum Nachweis eines Investors nicht ein; sodann verschwand er zwischen dem 20. Oktober und 9. November 2008 spurlos. Schließlich wurde die erste Finanzierungsrate auch nach seinem Wiederauftauchen trotz mehrfacher Aufforderung nicht gezahlt.
16
Noch im Jahr 2008 präsentierte Ba. jedoch weitere angebliche Investoren , so u.a. die Ölgesellschaft T. und die A. AG. Eine Überprüfung der Gesellschaften durch die RechtsanwaltskanzleiR. ergab jedoch in beiden Fällen Bedenken, weil sich die ermittelbaren wirtschaftlichen Verhältnisse der Unternehmen nicht so wie von Ba. vorge- geben darstellten. Die Bestrebungen zur Finanzierung des Ausbauprojektes "Nürburgring 2009" konkretisierten sich gleichwohl wieder. Dabei forderte Ba. erneut, dass eine Bareinlage in Höhe von nunmehr 95 Mio. € erbracht werden müsse. Diese wurde ebenfalls von der Nürburgring GmbH geleistet , durch die darlehensweise Inanspruchnahme öffentlicher Mittel finanziert und im März 2009 bei der Liechtensteinischen Landesbank angelegt.
17
Ende April 2009 fand eine Telefonkonferenz zwischen D. und N. sowie L. , B. und Me. statt. Hintergrund war eine zuvor durchgeführte Prüfung des Finanzierungskonzeptes durch eine Schweizer Wirtschaftskanzlei und eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Hierbei hatte sich ergeben, dass der im Rahmen des Finanzierungskonzeptes zwischen der P. S.A. und B&B zu schließende Darlehensvertrag über 165 Mio. € negative ertragssteuerliche Konsequenzen für die P. S.A. gehabt hätte. Me. forderte daraufhin, dass die Ertragssteuer entweder vom Land Rheinland-Pfalz oder der Nürburgring GmbH übernommen werden müsse. Dies lehnte D. ab; er ging aber auf den Vorschlag ein, dass zum Erhalt steuerlicher Vorteile seitens B. und Me. eine Schweizer Aktiengesellschaft gegründet werden sollte. Die Gründungskosten in Höhe von 100.000 € sollte die Nürburgring GmbH tragen. Dabei erklärte D. , dass der Betrag von 100.000 € nicht in Verbindung mit der Gesellschaftsgrün- dung gebracht werden dürfe; auch müsse der Betrag auf das später etwaig zu zahlende Erfolgshonorar angerechnet werden.
18
Unter dem 30. April 2009 ging daraufhin eine Rechnung der I. GmbH bei der Nürburgring GmbH ein, mit der die I. GmbH "für erbrachte Leistungen in den Monaten Juni, Juli und August 2008" ein "Honorar" von netto 100.000 € berechnete. Die Rechnung zeichneten K. und L. entsprechend ih- rem zuvor gefassten gemeinsamen Entschluss als sachlich und rechnerisch richtig ab und gaben sie zur Zahlung frei. Im Juni 2009 gründeten B. und Me. nach schweizerischem Recht die G. AG. Der Aufsichtsrat der Nürburgring GmbH war mit der Zahlung nicht befasst (Fall IV.5 der Urteilsgründe

).


19
d) Im Mai 2009 sprach Me. anlässlich eines Treffens in der Schweiz L. auf die Zahlung einer Aufwandsentschädigung in Höhe von 50.000 € an. L. unterrichtete hierüber telefonisch D. ; gemeinsam entschieden beide, dass die Nürburgring GmbH den Betrag zahlen solle. Daraufhin ging am 22. Mai 2009 eine Rechnung der sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Liquidationsstadium befindlichen I. GmbH ein; die Rechnung lautete auf netto 50.000 € und wies als Gegenstand "erbrachte Leistungen in den Monaten September 2008" aus, obwohl die nach dem Vorvertrag geschuldete Aufwandsentschädigung für den Monat September 2008 bereits im August 2008 gezahlt worden war. Gleichwohl zeichneten K. , der in Kenntnis aller Umstände ebenfalls zur Zahlung entschlossen war, sowie L. die Rechnung als "sachlich und rechnerisch geprüft" ab und veranlassten hierdurch die Auszahlung (Fall IV.6 der Urteilsgründe).
20
e) Anfang Juni 2009 hielten sich B. , Me. , L. und N. im Hotel Do. in Z. auf. Im Laufe eines gemeinsamen Gesprächs rief Me. D. an und begehrte unter Hinweis auf nicht näher spezifi- zierte Aufwendungen eine Zahlung in Höhe von 150.000 €. D. stimmte der Zahlung zu. Hierauf machte N. gegenüber L. deutlich, dass der pauschale Aufwendungsersatz aus seiner Sicht nicht nachvollziehbar sei, zumal die Nürburgring GmbH bereits bisher angefallene Kosten für Flug, Hotel und Spesen in Höhe von 78.000 € für B. und Me. beglichen habe. L.
reagierte jedoch unwirsch und verwies auf die Zustimmung von D. .
21
Bereits vor Eingang einer Rechnung rief N. darauf den ihm bei der Nürburgring GmbH unterstehenden Zeugen De. an und "wies ihn an, den Betrag per Blitzüberweisung auf das bekannte Konto der I. GmbH zu überweisen". De. ließ daraufhin von der entsprechenden Abteilung die Überweisung zur Unterschrift durch K. vorbereiten. Hiernach legteN. K. die Auszahlungsanordnung zur Unterschrift vor, wies jedoch erneut auf seine Bedenken hin. Dieser unterschrieb gleichwohl die Auszahlungsanordnung und veranlasste hierdurch die Zahlung. Erst danach ging am 20. Juli 2009 die auf den 15. Juni 2009 datierende und auf den Nettobetrag von 150.000 € lautende Rechnung der I. GmbH bei der Nürburgring GmbH ein. Als Gegenstand wurden dort seitens der I. GmbH "erbrachte Leistungen in den Monaten Oktober und November 2008" ausgewiesen. Gesondert abrechnungsfähige Aufwendungen hatten B. und Me. indes nicht gehabt (Fall IV.7 der Urteilsgründe

).


22
f) Nachdem B. und Me. die G. AG gegründet hatten , sollte die Finanzierung mit Ba. umgesetzt werden. Bereits im Mai 2009 hatte Ba. als neuen Investor die amerikanische Gesellschaft G. A. (im Folgenden: GA. ) ins Spiel gebracht und die Kopie eines Kontoauszugs überreicht, wonach die Gesellschaft die Anweisung erteilt hatte, 100 Mio. US-Dollar auf ein mit der Bezeichnung "B&B Nürburgring" geführtes Unter-Konto zu überweisen. Hinter der GA. sollte ein Investor namens Du. stehen. Du. war nach den Angaben Ba. s auch "Geschäftsführer" der M. A. (im Folgenden: MA. ), die im weiteren Verlauf neben der GA. zusätzlich in die Finanzierung einge- bunden würde. Im Zuge der abschließenden Verträge fertigte der von der Nürburgring GmbH beauftragte Rechtsanwalt Lü. eine Zahlungsvereinbarung , mit der die genaue Zahlungshöhe und -weise des durch Ba. zur Verfügung gestellten bzw. beschafften Finanzierungskapitals an die Nürburgring GmbH und die Gesellschaften der I. - bzw. P. -Gruppe geregelt werden sollte. Am 29. Juni 2009 übermittelte Rechtsanwalt Lü. L. per E-Mail einen zweiten Entwurf dieser Vereinbarung. Zu diesem Zeitpunkt stand D. unter hohem Zeitdruck, da im Hinblick auf das am 12. Juli 2009 stattfindende Formel-1-Rennen die Eröffnungsfeier für den 9. Juli 2009 vorgesehen und noch kein Privatinvestor gefunden worden war. Zudem hatte ihm der damalige Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Be. , eine Frist bis zu diesem Tage gesetzt, um die Finanzierung des Projektes mit Ba. umzusetzen. Im Falle eines Scheiterns sollte das Bardepot über 95 Mio. € wieder abgezogen werden.
23
Noch am 29. Juni 2009 folgte im Hotel Do. in Z. ein Treffen , an dem für die Nürburgring GmbH N. und L. , daneben B. , Me. sowie Ba. teilnahmen. Letzterer übergab dabei einen auf ein Konto der MA. bei der Bank Wells Fargo gezogenen Scheck über 67 Mio. USDollar , der zugunsten der Nürburgring GmbH ausgestellt war und die ursprünglich vorgesehene Überweisung der ersten Finanzierungsrate ersetzen sollte. Hierauf diskutierten N. , L. , B. und Me. über die Zahlung der nach dem Vertrag vom 2. September 2007 vereinbarten Provision, welche die Nürburgring GmbH für die erfolgreiche Vermittlung der Finanzierung an die - für die I. S.A. in den Vertrag eingetretene - P. S.A. zahlen sollte. B. und Me. vertraten die Auffassung, ihre vertraglichen Pflichten erfüllt zu haben, weshalb die Provision mit der Übergabe des Schecks fällig sei. Auf Forderung des L. änderte N. daraufhin den von Rechtsanwalt L. übermittel- ten Entwurf der Zahlungsvereinbarung dergestalt ab, dass nach Gutschrift des Schecks über 67 Mio. US-Dollar eine Provision in Höhe von 4 Mio. € an die G. AG zu zahlen sei. Weshalb die Beteiligten in Abweichung vom Vertrag vom 2. September 2007 nur über eine Provision in Höhe von 4 Mio. €, statt wie ursprünglich vereinbart 5 Mio. € debattierten, hat die Strafkammer nicht klären können.
24
B. und Me. ging der neue Entwurf jedoch nicht weit genug. Sie forderten eine Zahlung innerhalb von 48 Stunden nach Übergabe des Schecks. Es entbrannte eine hitzige Diskussion, insbesondere N. hielt die Forderung für unangemessen. Im weiteren Verlauf telefonierte Me. mit D. und konfrontierte nun diesen mit seiner Forderung. Vor dem Hintergrund seines Zeitdrucks entschied D. , dem Ansinnen von B. und Me. nachzukommen, wobei ihm bewusst war, dass es nicht möglich sein würde, binnen der kurzen Zeitspanne von 48 Stunden zu überprüfen, ob der von Ba. übergebene Scheck gedeckt war. Telefonisch vereinbarten D. und Me. weiter, dass ein Teilbetrag von 1,2 Mio. € zur Begleichung von "Vorlaufkosten" unmittelbar an die Nürburgring GmbH zurücküberwiesen werden und weitere 2 Mio. € unangetastet auf dem Konto der G. AG verbleiben sollten; der Restbetrag von 800.000 € sollte zur freien Verfügung der G. AG bzw. B. und Me. stehen.
25
Auf Aufforderung des L. änderte N. am frühen Morgen des 30. Juni 2009 den Entwurf der Zahlungsvereinbarung erneut ab. Dieser mittlerweile vierte Entwurf lautete nun auszugsweise wie folgt: "Präambel: Zwischen den Parteien bestehen verschiedene vertragliche Beziehungen. Diese umfassen u.a. Verträge zwischen P. und NG zur Finanzierung des Projektes "Nürburgring 2009" (gemeinsam das "NG/P. Vertragswerk Projekt NG 2009"). … NG zahlt 4 Mio. € an G. /P. alsVorauszahlung auf die Optionsgebühr aus dem Vertragswerk Projekt NG 2009. … § 1 Leistung von Zahlungen 1.2. B&B wird im unmittelbaren Anschluss an die Unterzeichnung dieser Zahlungsvereinbarung einen Betrag in Höhe von 67,0 Mio. US$ …zahlen, und zwar durch Übergabe eines Orderschecks… 1.3. NG wird innerhalb von 48 Stunden nach Übergabe des Schecks gemäß § 1.2 einen Betrag in Höhe von 4 Mio. € … an G. /P. zahlen und zwar durch Überweisung auf ein von der G. /P. zu benennendes Konto."
26
Der Entwurf sah im Unterschriftsfeld für die Nürburgring GmbH neben der Unterschrift von L. als Prokuristen der Gesellschaft auch diejenige von N. vor. L. , Me. und Ba. unterschrieben diese Zahlungsvereinbarung.
27
N. begab sich daraufhin mit L. auf den Weg nach Mainz, um dort den - tatsächlich nicht gedeckten - Scheck über 67 Mio. US-Dollar bei der Landesbank Baden-Württemberg (im Folgenden: LBBW) einzulösen. Er hatte die Zahlungsvereinbarung noch nicht unterschrieben, weil er diese nach wie vor für unangemessen hielt, und machte gegenüber L. seine Unterschrift von einer entsprechenden Weisung von D. und K. abhängig. In dem darauf folgenden Telefonat forderte D. N. mit dem Bemerken , niemand könne so verrückt sein, einen Scheck in dieser Größenordnung zu unterschreiben, der nicht gedeckt sei, zur Unterschrift auf. Nachdem auch K. N. telefonisch hierzu angewiesen hatte, zeichnete dieser die Zahlungsvereinbarung ab und stimmte "als Financial Controller und Handlungsbevollmächtigter der Nürburgring GmbH dem Inhalt der Vereinbarung" zu.
28
Nach der Scheckeinreichung bei der LBBW flogen N. und L. noch am selben Tage wieder nach Z. . Am Vormittag des 3. Juli 2009 forderte N. den Leiter der Buchhaltung der Nürburgring GmbH, Ke. , auf, die Überweisung der 4 Mio. € an die G. AG zu veranlassen, nachdem Me. ihm gegenüber auf der Zahlung bestanden hatte. Ke. informierte hierauf die für die Ausführung der Überweisung zuständige Zeugin La. , die einen Überweisungsauftrag fertigte. Aufgrund vorgebrachter Bedenken des bei der Nürburgring GmbH beschäftigten Justitiars Pa. hinsichtlich des mit der Zahlung verbundenen Risikos, weil die Deckung des übergebenen Schecks noch unklar war, unterschrieb K. den Überweisungsauftrag allerdings zunächst nicht.
29
Währenddessen hatten sich Ba. , N. und B. gemeinsam zur P. -Bank nach Liechtenstein begeben. Dort sollte Ba. einer vorherigen Absprache entsprechend einen Kontoauszug abholen, der belegte, dass die B&B über einen Geldbetrag in Höhe von 100 Mio. € verfügte. Vor der Bank teilte er N. und B. dann allerdings für diese überraschend mit, dass die P. -Bank wegen der schlechten Reputation der Nürburgring GmbH keinen von deren Vertretern empfangen wolle und auch keinen Kontoauszug über- reichen werde. Etwa eine Stunde später kam Ba. wieder heraus und er- klärte wahrheitswidrig, dass der Betrag von 100 Mio. € auf dem Konto der B&B als frei verfügbares Guthaben vorhanden sei, die Bank sich aber sowohl geweigert habe, einen entsprechenden Kontoauszug auszuhändigen, als auch, eine Überweisung auf ein Konto der Nürburgring GmbH auszuführen. N. und B. reagierten zunächst empört und äußerten den Verdacht, dass Ba. eine Hinhaltetaktik verfolge. Ba. schlug daraufhin vor, zunächst einen weiteren Scheck über 33 Mio. US-Dollar auszustellen und übergab N. im Laufe des Tages einen erneut auf ein Konto der MA. bei der Bank Wells Fargo gezogenen Scheck über 33 Mio. €.
30
Am Nachmittag desselben Tages entschloss sich K. , den Auftrag zur Überweisung der 4 Mio. € an die G. AG zu erteilen, obwohl ihm bewusst war, dass die Werthaltigkeit des Schecks über 67 Mio. US-Dollar noch nicht überprüft war. Gegen 16:00 Uhr unterschrieb er den Überweisungsträger und übergab ihn der Zeugin La. zur Ausführung. Diese übermittelte um 17:17 Uhr den Überweisungsträger nach vorheriger telefonischer Ankündigung per Telefax mit der Bitte um "schnellstmögliche Ausführung" an die Kreissparkasse Ahrweiler. Kurze Zeit später übermittelte La. einen weiteren Auftrag per Telefax, der eine Umbuchung von 4 Mio. € von einem Tagesgeldkonto der Nür- burgring GmbH zur Deckung des mit der Auslandsüberweisung belasteten Kontos zum Gegenstand hatte. Bei der Kreissparkasse Ahrweiler kamen den Zeugen St. und Ki. jedoch Bedenken, ob die Überweisung einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Verhinderung von Geldwäsche darstellen könnte, weil der Überweisungsträger als Empfänger nur die Buchstaben-ZahlenKombination "G7 5165" enthielt. Aufgrund dessen führten sie die Überweisung zunächst nicht aus.
31
Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits die Rechtsanwälte Lü. und Di. K. aufgesucht. Lü. hatte am Vortag von dem gegenüber seinen Vertragsentwürfen geänderten Inhalt der Zahlungsvereinbarung erfahren und bewertete deren Inhalt als Untreue. Im Beisein von L. kam es daraufhin zu einem Telefonat zwischen K. und D. . Letzterer blieb trotz der von Lü. vorgebrachten Bedenken und Hinweise auf die bisherige Unzuverlässigkeit des Ba. bei seiner Auffassung, dass der Betrag von 4 Mio. € gezahlt werden solle. Daraufhin wies L. K. auf dessen persönliche Verantwortung als Geschäftsführer hin, worauf D. erklärte, er könne dem Geschäftsführer als Aufsichtsratsvorsitzender keine Weisungen erteilen; zugleich betonte er aber, dass das Risiko des Scheiterns der Finanzierung dann auch bei der Geschäftsleitung läge. K. erklärte schließlich seiner Sekretärin, dass mit der Überweisung gewartet werden sollte; gegen 18:00 Uhr wurde eine Mitarbeiterin der Kreissparkasse Ahrweiler per Telefax informiert.
32
Noch am Abend des 3. Juli 2009 unterrichtete ein Mitarbeiter der LBBW das Finanzministerium über Erkenntnisse zu dem von Ba. ausgestellten Scheck. Nach Mitteilung der Wells Fargo Bank in London stimmten die Daten auf dem Scheck nicht mit den Kontodaten überein; das bezeichnete Konto habe zudem zu keinem Zeitpunkt eine Deckung über 67 Mio. € aufgewiesen. An dem sich anschließenden Wochenende traten weitere Ungereimtheiten auf, sodass D. bereits am Sonntag, den 5. Juli 2009, L. den Auftrag erteilte, die Folgen einer Vertragsauflösung zu prüfen. Am Montag, den 6. Juli 2009, übermittelte La. im Auftrag des K. der Kreissparkasse Ahrweiler ein Telefax, mit dem der Überweisungsauftrag vom 3. Juli 2009 endgültig zurückgenommen wurde. Einen Tag später trat D. von sei- nem Amt als Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz zurück (Fall IV.8 der Urteilsgründe).
33
g) Zeitgleich zu den vorstehend geschilderten Ereignissen um die Finanzierung des Bereichs I von "Nürburgring 2009" wurde der Ausbau des Bereichs II (Hotel- und Gastronomieanlagen) vorangetrieben. Nach den Planungen und den öffentlichen Aussagen der Landesregierung hatte dieser Teil des Ausbauprojektes ausschließlich privat finanziert werden sollen. Weil bis Mitte des Jahres 2007 jedoch trotz Verhandlungen mit zahlreichen Hotelbetreibern kein privater Investor gefunden worden war, wurde schließlich die MS. GmbH als Projektentwicklungsgesellschaft gegründet. 10% ihrer Gesellschaftsanteile hielt die Nürburgring GmbH; 49,5% entfielen auf die später unter dem Namen Med. GmbH firmierende Medi. GmbH. Daneben waren an der MS. GmbH beteiligt die G. & T. GmbH (33,8%) und mit 6,7% die We. -GmbH. Geschäftsführer der MS. GmbH waren die Zeugen Ri. , seinerseits zugleich Geschäftsführer der Med. GmbH, und G. , der Geschäftsführer der G. & T. GmbH.
34
Die M. GmbH betrieb als Bauherrin in der Folgezeit den Ausbau der unter Bereich II fallenden Projekte. Da sie allerdings nicht über die erforderlichen Eigenmittel verfügte, war sie auf eine Fremdfinanzierung angewiesen. Deren Umsetzung gestaltete sich in der Folgezeit schwierig, so dass es u.a. zu folgenden Handlungen kam (Fälle IV.9 a) ff. der Urteilsgründe):
35
Zum Planbereich II gehörte der Bau eines 4-Sterne-Hotels, wegen dessen Finanzierung der Zeuge Ri. Verhandlungen mit der Bank für Tirol und Voralberg (im Folgenden: BTV) führte. Diese war bereit, einen Kredit in Höhe von 26 Mio. € zu gewähren, forderte allerdings, dass die Errichtung des Hotels von einer Gesellschaft betrieben würde, deren einziger Gesellschaftszweck hierin bestand, und daneben einen Eigenkapitalnachweis dieser Gesellschaft in Höhe von6 Mio. €. Die erste Forderung führte zur Gründung der C. M. GmbH (im Folgenden: CM. GmbH). Zur Erbringung des von der BTV geforderten Eigenkapitalnachweises war die MS. GmbH indes nicht in der Lage. Dieser sollte daher von ihren Gesellschaftern entsprechend der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse aufgebracht werden. Da der Geschäftsführer der We. GmbH allerdings nicht bereit war, sich an dem Projekt finanziell zu beteiligen, sollte deren Anteil von der Med. GmbH übernommen werden; diese hatte somit einen Gesamtanteil von 3,4 Mio. € zu tragen. Hierzu war sie nicht fähig.
36
Anfang Mai 2008 wies Ri. gegenüber D. darauf hin, dass ein Baustopp drohe, falls der Eigenkapitalnachweis nicht geführt werden könne. Dieser empfahl Ri. , sich an die I. und S. bank GmbH (im Folgenden: ISB GmbH) zu wenden. Bei dieser handelt es sich um eine Landesbank, deren alleiniger Gesellschafter das Land Rheinland-Pfalz ist und deren Gesellschaftszweck zu diesem Zeitpunkt insbesondere darin lag, Vorhaben der gewerblichen Wirtschaft sowie sonstige Maßnahmen zur Verbesserung und Stärkung der Wirtschaftsstruktur des Landes Rheinland-Pfalz zu fördern. Geschäftsführer der ISB GmbH war der Mitangeklagte M. . Diesen bat D. , die Finanzierung des Bauprojektes zu begleiten.
37
Am 7. Mai 2008 kam es daraufhin zu einem Gespräch in den Räumen der ISB GmbH. An diesem nahmen neben M. der Zeuge Ri. , die Wirtschafts- und Bürgschaftsreferentin des Finanzministeriums Ty. und der Mitangeklagte W. als Geschäftsführer der R.
GmbH (im Folgenden: RIM GmbH) teil. Die RIM GmbH war eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der ISB GmbH; nach ihrem Gesellschaftszweck sollte sie das Land Rheinland-Pfalz in seiner Wirtschafts- und Strukturpolitik im Rahmen der Aufgabenstellung der ISB GmbH unterstützen. Die Überlegung, die Med. GmbH für die Finanzierung des von der BTV geforderten Eigenkapitalnachweises durch eine Landesbürgschaft zu unterstützen, wurde verworfen, weil hierdurch ein finanzielles Engagement des Landes im Bereich II des Ausbauprojektes öffentlich bekannt geworden wäre. Hieraus entwickelte sich der Vorschlag, dass die RIM GmbH befristet eine stille Beteiligung an der Med. GmbH eingehen und in diesem Rahmen eine stille Einlage in Höhe des benötigten Kapitals zur Verfügung stellen solle. Diese Einlage sollte die Med. GmbH sodann der MS. GmbH als Darlehen weiter reichen. Die RIM GmbH ihrerseits refinanzierte sich über ein Darlehen, welches ihr die ISB GmbH zur Verfügung stellte. Weil der ISB GmbH diese Darlehensgewährung aufgrund geltender Bestimmungen ohne die Absicherung durch entsprechende Bürgschaften nicht möglich gewesen wäre, sollte das Land Rheinland-Pfalz den Kredit in voller Höhe durch eine Landesbürgschaft absichern. Dies bot zugleich den Vorteil, dass die grundsätzlich nach § 18 KWG erforderliche Offenlegung von Kreditunterlagen gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 4 KWG entfiel. Die Absicherung des Darlehens durch das Land sollte D. als Finanzminister ermöglichen. Dieser entschied, nachdem er über das Konzept informiert worden war, dass in der vorgeschlagenen Weise vorgegangen werde sollte.
38
Am 16. Mai 2008 schlossen die ISB GmbH und die RIM GmbH einen Darlehensvertrag über 3,4 Mio. € mit einer Laufzeit bis zum 30. September 2009. Am 19. Mai 2008 erstellte W. eine Beschlussvorlage für die Geschäftsführung der ISB GmbH, in der er u.a. ausführte, dass die nach dem Ver- trag als Sicherheit an die RIM GmbH zu verpfändenden Geschäftsanteile der Med. GmbH an der MS. GmbH nur bedingt werthaltig seien. Gleichwohl stufte er die Med. GmbH in Ratingklasse 1 ein, was der besten Bonität entsprach, obwohl ihm, M. , und D. bekannt war, dass die Med. GmbH tatsächlich keinerlei Finanzkraft aufwies. Sodann schlossen W. und Ri. am 29. Mai 2008 den Vertrag über die stille Beteiligung in Höhe von 3,4 Mio. €, welche zum 30. September 2009 zurückgezahlt werden sollte. Danach wurde die Einlage erbracht.
39
Auch die Nürburgring GmbH konnte den von ihr zu stellenden Eigenkapitalnachweis in Höhe von 600.000 € nicht aufbringen. D. entschied daraufhin, dass die zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende stille Beteiligung der RIM GmbH an der Med. GmbH um diesen Betrag aufgestockt und letztere auch den von der Nürburgring GmbH zu erbringenden Teil des Eigenkapitalnachweises übernehmen sollte. Wie zuvor sollte sich die RIM GmbH über ein Darlehen der ISB GmbH refinanzieren und eine Landesbürgschaft diesen Kredit absichern. Dementsprechend wurden in der Folgezeit Verträge über eine weitere stille Beteiligung zwischen der RIM GmbH und der Med. GmbH (Vertrag vom 26. September 2008) und das Darlehen der ISB GmbH an die RIM GmbH in Höhe von 600.000 € (Vertrag vom 30. September 2008) geschlossen.
40
Schon zuvor - nämlich am 28. August 2008 - hatte D. eine "globale Bürgschaftserklärung" des Landes gegenüber der ISB GmbH über ei- nen Bürgschaftsrahmen von 50 Mio. € unterzeichnet; diese sah unter anderem eine Besicherungsquote von "in der Regel 80% des einzelnen Engagements" vor. Daneben war in Ziff. 7 der Erklärung bestimmt, dass der Ausfall als eingetreten gelte, wenn und soweit die Darlehensnehmerin mit fälligen Leistungen aus den Darlehensverträgen länger als drei Monate seit Fälligkeit in Verzug ist und eine zur Abhilfe bestimmte Frist erfolglos abgelaufen oder aus der Verwertung der für das refinanzierte Geschäft bestellten Sicherheiten ein Erlös nicht mehr zu erwarten ist. Diese Bürgschaftserklärung wurde nunmehr durch D. entsprechend seinem zuvor gefassten Entschluss dahin modifiziert , dass das Land die Bürgschaft in voller Höhe auf die beiden von der ISB GmbH gewährten Darlehen erstreckte. Die entsprechende Erklärung gegenüber der ISB GmbH wurde auf seine Weisung durch Ty. mit Schreiben vom 14. Oktober 2008 abgegeben.
41
Nachdem die MS. GmbH den Eigenkapitalnachweis erbracht hatte, ge- währte die BTV den zugesagten Kredit in Höhe von 26 Mio. € (Fall IV.9 a) der Urteilsgründe).
42
Anfang November 2008 drohte Ri. erneut mit einem Baustopp, wenn nicht kurzfristig Gelder in Höhe von 10 Mio. € zur Bezahlung der Bauhandwerker zur Verfügung gestellt würden. D. entschied hierauf, dass der Betrag nach dem bereits zuvor praktizierten Modell einer stillen Beteiligung der RIM GmbH an der Med. GmbH zur Verfügung gestellt werden sollte und das von der ISB GmbH zu vergebende Refinanzierungsdarlehen durch eine Landesbürgschaft zu 100% abgesichert werden sollte. Dementsprechend wurden in der Folgezeit die erforderlichen Verträge zwischen der ISB GmbH und der RIM GmbH sowie der RIM GmbH und der Med. GmbH geschlossen. Des Weiteren ließ das Finanzministerium auf Weisung von D. erklären, dass die Bürgschaftsquote über die Bestimmungen in der bereits erteilten globalen Bürgschaftserklärung hinaus auf 100% erhöht werde. Sodann wurden die 10 Mio. € ausgezahlt, wobei in die Weiterleitung der Gelder von der Med. GmbH an die MS. GmbH in diesem Fall - um die Herkunft der Gel- der aus öffentlichen Mitteln weiter zu verschleiern - noch die P. GmbH zwischengeschaltet war (Fall IV.9 b) der Urteilsgründe).
43
Im November 2008 forderte die Bank für Trient und Bozen im Rahmen von Verhandlungen über deren Beteiligung am Ausbauprojekt, dass die RIM GmbH ihre Beteiligung an der Med. GmbH um 15 Mio. € aufstocken sollte und diese Mittel entsprechend dem Baufortschritt verwendet werden müssten. Auch diese Forderung wurde auf die Entscheidung von D. über das Modell der stillen Beteiligung umgesetzt; dies schloss - über die in der bereits erteilten globalen Bürgschaftserklärung vom 28. August 2008 vorgesehene Besicherung von 80% hinaus - die volle Absicherung des Refinanzierungskredites durch das Land ein. Das Gesamtobligo der mittlerweile auch durch die Absicherung anderer Vorhaben ausgeschöpften globalen Bürgschaftserklärung wurde in diesem Rahmen auf 80 Mio. € erhöht. Zu der geplanten Finanzierung durch die Bank für Trient und Bozen kam es indes nicht (Fall IV.9 c) der Urteilsgründe

).


44
Von April bis Juli 2009 meldeten die Geschäftsführer der MS. GmbH in sieben weiteren Fällen jeweils dringenden Liquiditätsbedarf in Höhe von 5,5 Mio. € bis zu 13,63 Mio. €. Die jeweils benötigten Gelder wurden daraufhin auf jeweilige Entscheidung von D. über das Modell der stillen Beteiligungen von der ISB GmbH finanziert und schließlich als Darlehen von der Med. GmbH an die MS. GmbH weitergereicht (Fälle IV.9 d) bis j) der Urteilsgründe ); in allen Fällen erklärte das Finanzministerium auf Weisung von D. - über die in der bereits erteilten globalen Bürgschaftserklärung hinausgehend - die volle Absicherung des von der ISB GmbH bewilligten Refinanzierungskredits. In den Fällen IV.9 b) und IV.9 d) der Urteilsgründe wurden der RIM GmbH zur Absicherung ihres jeweiligen Rückzahlungsan- spruchs Briefgrundschulden an einem Grundstück und einem Erbbaurecht der MS. GmbH bestellt. In den Fällen IV.9 e) bis j) der Urteilsgründe wurden Eigentümergrundschulden an Grundstücken und Erbbaurechten der MS. GmbH sowie an einem Erbbaurrecht der CM. GmbH bestellt und an die RIM GmbH übertragen. Dass nunmehr Eigentümergrundschulden zur Absicherung dienten, geschah zu Verschleierungszwecken, da zuvor die Eintragung einer Briefgrundschuld über 10 Mio. € bekannt geworden und dadurch der Verdacht aufgekommen war, das Land Rheinland-Pfalz engagiere sich finanziell im privat zu finanzierenden Bereich II des Ausbauprojektes. Aufgrund der Absicherung durch Eigentümergrundschulden war die RIM GmbH als Berechtigte nunmehr nicht mehr aus dem Grundbuch ersichtlich. Die Anträge auf Eintragung der Briefgrundschulden gingen im Fall IV.9 b) der Urteilsgründe nur wenige Wochen nach der Auszahlung der Beteiligungsgelder bei den Grundbuchämtern ein, im Fall IV.9 d) der Urteilsgründe am Tage der Auszahlung. In den Fällen IV.9 e) bis j) der Urteilsgründe wurde der jeweils erste Grundschuldbrief spätestens knapp vier Monate nach Zahlung der Beteiligungssumme übergeben. Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Grundschulden jeweils in voller Höhe ihres Nominalwertes werthaltig waren, da sie "keine sicheren Feststellungen" über die Werthaltigkeit zum Zeitpunkt ihrer Bestellung, "also während der Bauphase" zu treffen vermochte.
45
Keine der stillen Beteiligungen wurde von der Med. GmbH zurückgezahlt. Daraufhin wurden die stillen Beteiligungen teilweise prolongiert; die Darlehensverträge zwischen der ISB GmbH und der RIM GmbH liefen im Fall IV.9 a) der Urteilsgründe ursprünglich bis zum 30. September 2009 und wurden noch vor Ablauf unbefristet verlängert. Die übrigen Refinanzierungsverträge waren von vornherein "bis auf Weiteres" geschlossen worden. Im März 2010 erwarb die Nürburgring GmbH schließlich sämtliche Geschäftsanteile an der MS. GmbH. Sodann wurden die gesamten Verbindlichkeiten der Nürburgring GmbH gegenüber dem Liquiditätspool des Landes Rheinland-Pfalz für die Baukosten im Bereich I des Ausbauprojekts sowie der MS. GmbH hinsichtlich der Rückzahlung der Beteiligungsgelder und der CM. GmbH aus deren notleidend gewordenen Kreditverbindlichkeiten gegenüber der BTV in einen Dar- lehensvertrag über 330 Mio. € zusammengefasst. Darlehensgeber war die ISB GmbH, Darlehensnehmerin die Nürburgring GmbH und als weitere Gesamtschuldnerinnen die MS. GmbH sowie die CM. GmbH. Die ISB GmbH wurde abgesichert durch eine "Garantie- und Freistellungserklärung" des Landes Rheinland-Pfalz.
46
3. Am 2. Juli 2010 fand eine Sitzung des im Zusammenhang mit der Nürburgring-Finanzierung durch den Landtag des Landes Rheinland-Pfalz eingesetzten Untersuchungsausschusses statt. Beweisthema dieser Sitzung war der Abschluss der Zahlungsvereinbarung vom 30. Juni 2009 über die Zahlung der Provision in Höhe von 4 Mio. € (vgl. Fall IV.8 der Urteilsgründe). D. sagte hierzu als Zeuge, zuvor über die Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Aussage sowie nach § 55 StPO belehrt, aus. Hierbei stellte der Abgeordnete Ey. folgende Frage: "…In Bezug auf die 48-Stunden-Regelung wurde in den Raum gestellt, dass diese 48-Stunden-Regelung im Vorfeld bereits mit Ihnen abgestimmt worden ist. Die Frage ist nur, ob das stimmt und zwar von HerrnMe. und Herrn B. wäre das abgestimmt gewesen mit Ihnen. Die Frage ist, ob Sie das bestätigen können oder nicht." Hierauf antwortete D. : "Kann ich nicht bestätigen. Ich kann nur bestätigen, dass Herr Me. und Herr B. gegenüber Herrn L. häufig behauptet hatten, sie hätten eine bestimmte Sache mit mir besprochen, und wenn Herr L. mich drauf angesprochen hat, habe ich gesagt, stimmt überhaupt nicht. Die haben mir erzählt, was sie gerne hätten. Ich habe mir das angehört, habe aber keineswegs gesagt, ich, Aufsichtsratsvorsitzender D. , habe das zur Kenntnis genommen, kann erledigt werden. Haken drunter. Das habe ich nie gemacht. Aber Me. und B. haben das immer mal versucht."
47
II. Revision des Angeklagten D.
48
1. Der Schuldspruch wegen Untreue zum Nachteil der Nürburgring GmbH im Fall IV.8 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung auf die Sachrüge nicht stand.
49
a) Das Landgericht hat D. aufgrund seines - im Einzelnen näher dargestellten - Auftretens im Zusammenhang mit der Umsetzung von "Nürburgring 2009" sowie der von ihm in diesem Rahmen getroffenen Entscheidungen als faktischen Geschäftsführer der Nürburgring GmbH angesehen und hieraus dessen Vermögensbetreuungspflicht gefolgert. Deren Verletzung liege in dem Abschluss der Zahlungsvereinbarung, soweit sich die Nürburgring GmbH dort verpflichtet habe, 4 Mio. € innerhalb von 48 Stunden nach Erhalt des Schecks in Höhe von 67 Mio. US-Dollar an "G. /P. " zu zahlen. Angesichts der zurückliegenden gescheiterten Finanzierungsversuche im Zusammenhang mit der Einschaltung von Ba. sei es unvertretbar und auch nicht mehr durch den der Geschäftsführung der Nürburgring GmbH obliegenden unternehmerischen Gestaltungsspielraum gedeckt gewesen, die Nürburg- ring GmbH hinsichtlich der Zahlung der Provision in einer Höhe von 4 Mio. € in Vorleistung treten zu lassen. Da mit dem Abschluss der 4. Zahlungsvereinbarung ein einklagbarer Zahlungsanspruch entstanden sei, sei das Vermögen der Nürburgring GmbH bereits zu diesem Zeitpunkt in Höhe von 4 Mio. € gefährdet gewesen. Die Vermögensgefährdung sei mit der Erteilung des Überweisungsauftrages nur noch vertieft worden und habe am 6. Juli 2009 mit der Rücknahme des Überweisungsauftrags geendet.
50
b) Diese Erwägungen vermögen den Schuldspruch nicht zu tragen. Im Ergebnis rechtlich zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass D. eine ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt hat. Indes genügen die Feststellungen und Wertungen des Landgerichts nicht den an die Darstellung des Vermögensnachteils in Form einer schadensgleichen Vermögensgefährdung zu stellenden Anforderungen. Im Einzelnen:
51
aa) Es kann offen bleiben, ob die Feststellungen in rechtlicher Hinsicht den Schluss des Landgerichts tragen, D. habe die Geschäfte der Nürburgring GmbH faktisch geführt. Seine nach § 266 Abs. 1 StGB erforderliche Pflicht, die Vermögensinteressen der Gesellschaft zu schützen, folgte jedenfalls aus seiner Stellung als Mitglied des Aufsichtsrats. Hierzu gilt:
52
Eine Betreuungspflicht im Sinne des Untreuetatbestandes ist gegeben, wenn der Täter in einer Beziehung zum (potentiell) Geschädigten steht, die eine besondere, über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Den Täter muss eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen. Hierfür ist in erster Linie von Bedeutung, ob sich die fremdnützige Vermögensfürsorge als Hauptpflicht, mithin als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung darstellt. Diese besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen muss über allgemeine vertragliche Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten ebenso hinausgehen wie über eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit. Erforderlich ist weiterhin, dass dem Täter die ihm übertragene Tätigkeit nicht durch ins Einzelne gehende Weisungen vorgezeichnet ist, sondern ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird. Hierbei ist nicht nur auf die Weite des dem Täter eingeräumten Spielraums abzustellen, sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf seine tatsächlichen Möglichkeiten, ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 - 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428 mwN; vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 297 f. mwN; Urteil vom 28. Juli 2011 - 4 StR 156/11, NJW 2011, 2819; Beschluss vom 5. März 2013 - 3 StR 438/12, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52).
53
Die hiernach erforderliche hervorgehobene Stellung von D. ergab sich aus seiner Stellung als Mitglied des Aufsichtsrats. Dessen wesentliche Aufgabe ist es, die Geschäftsführung zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG, § 52 Abs. 1 GmbHG). Hieraus folgt die Pflicht, fehlerhaftes oder gesellschaftsschädigendes Verhalten des Leitungsorgans abzuwenden. Diese Verpflichtung bezieht sich nicht nur auf abgeschlossene Geschäftsvorgänge, sondern auch auf laufende Geschäfte und Maßnahmen (MüKoAktG/Habersack, 4. Aufl., § 111 Rn. 39 f.; Henssler/Strohn/Henssler, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 111 AktG Rn. 9; Krause, NStZ 2011, 57, 58).
54
Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, welche Einzelmaßnahmen zu ergreifen sind, wenn ein Aufsichtsratsmitglied ein strafbares Verhalten des Leitungsorgans feststellt. Aus der jedem Mitglied des Aufsichtsrats obliegenden Verpflichtung, den durch das Verhalten der Geschäftsführung drohenden Schaden für die Gesellschaft abzuwenden, ergibt sich notwendigerweise die Pflicht, die Geschäftsführung nicht von sich aus zu Handlungen zu veranlassen, die es aufgrund seiner Überwachungspflicht gerade abwenden müsste. Eine Verletzung dieser Pflicht stellt einen Verstoß gegen eine spezifische Treuepflicht im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB dar (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2001 - 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 201 f.). Diese Grundsätze beschränken sich nicht auf Konstellationen, in denen das Aufsichtsratsmitglied den Geschäftsführer zu von ihm abzuwendenen Handlungen bestimmt, sondern gelten gleichermaßen für die sonstige Mitwirkung des Aufsichtsratsmitglieds an entsprechenden Pflichtverletzungen der Geschäftsführung. In den sich aus der Überwachungspflicht (§ 111 Abs. 1 AktG) ergebenden Pflichtenkanon ist die Prüfung, dass sich der Geschäftsführer nicht in unzulässiger Weise seiner Leitungsfunktion begibt, ebenso eingeschlossen wie die Verpflichtung , Hinweisen auf Fehlverhalten leitender Angestellter nachzugehen und zu ermitteln, ob die Geschäftsführung ihrer Organisations- und Überwachungspflicht nachgekommen ist (MüKoAktG/Habersack, 4. Aufl., § 111 Rn. 21, 25 mwN). Eine untreuerelevante Pflichtverletzung liegt daher zumindest auch dann vor, wenn das Aufsichtsratsmitglied mit einem leitenden Angestellten - wie hier K. als Geschäftsführer und L. als Finanzdirektor und Prokurist der Nürburgring GmbH - bei einem das Gesellschaftsvermögen schädigenden Fehlverhalten zusammenwirkt.
55
bb) D. hat seine Vermögensbetreuungspflicht verletzt, indem er der Forderung von Me. , die Provision binnen 48 Stunden nach Übergabe des Schecks in Höhe von 67 Mio. US-Dollar auszuzahlen, zustimmte und hierdurch das weitere Verhalten von L. entscheidend beeinflusste, N. aufforderte, die Zahlungsvereinbarung zu unterschreiben, sowie im weiteren Verlauf versuchte, K. zur Überweisung der Provision zu veranlassen.
56
(1) Die getroffene Vereinbarung über die Modalitäten der Provisionszahlung lag außerhalb des freien unternehmerischen Gestaltungsspielraums, der dem Geschäftsführer der Nürburgring GmbH zuzubilligen war; damit handelte es sich zugleich um eine L. und N. verwehrte Maßnahme, die D. als Mitglied des Aufsichtsrats zu verhindern hatte.
57
(1.1) Nach den ursprünglich zum Aktienrecht entwickelten (BGH, Urteil vom 21. April 1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253) Grundsätzen muss dem Geschäftsführer einer GmbH bei der Leitung der Geschäfte des Unternehmens ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist. Dazu gehört neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Inkaufnahme der Gefahr, bei der wirtschaftlichen Betätigung Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen zu unterliegen. Eine Pflichtverletzung liegt erst dann vor, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes , ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt wird oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss. Diese zum Aktienrecht entwickelten, mittlerweile als sog. Business Judgement Rule in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifizierten Grundsätze gelten in gleicher Weise für den Geschäftsführer einer GmbH (BGH, Urteil vom 4. November 2002 - II ZR 224/00, BGHZ 152, 280, 284; vgl. auch RegE zu § 93 Abs. 1 AktG in BRDrucks. 3/05, S. 21) und sind auch Maßstab für das Vorliegen einer Pflichtverletzung im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 336).
58
(1.2) Danach wurden mit dem Abschluss der Vorauszahlungsvereinbarung die Grenzen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit überschritten: Angesichts des bisherigen Verlaufs der Finanzierungsversuche mit Ba. war die Wahrscheinlichkeit evident hoch, dass der von diesem übergebene Scheck nicht gedeckt sein könnte, die Finanzierung erneut nicht zustande kommen würde und damit die von Me. begehrte Erfüllung des Provisionsanspruchs keine Grundlage hatte (zur gesellschaftsrechtlichen Einstufung von Risikogeschäften als pflichtwidrig vgl. etwa Michalski-Haas/Ziemons, GmbHG, 2. Aufl., § 43 Rn. 81).
59
Zutreffend hat die Strafkammer in diesem Zusammenhang darauf abgestellt , dass der vermeintliche Investor Du. nicht offen in Erscheinung getreten war, was nach den Erfahrungen mit den bisher von Ba. vorgestellten Investoren Anlass zur Zurückhaltung hätte geben müssen; darüber hinaus ließ auch das sonstige Verhalten von Ba. an seiner Seriosität zweifeln. Bereits seine wechselnden Forderungen im Rahmen des ersten Versuchs, die Finanzierung umzusetzen, waren auffällig: Während er zunächst die Umsetzung des verfolgten Finanzierungskonzeptes davon abhängig gemacht hatte, dass seitens der I. S.A. eine Bareinlage in Höhe von 120 Mio. US-Dollar erbracht werde, verzichtete er in seiner Kreditzusage vom 15. Mai 2008 auf diese und forderte stattdessen eine Landesbürgschaft in entsprechender Höhe, um nur wenige Tage später die Landesbürgschaft nebst der Bareinlage einzufordern. Deutliche Hinweise auf seine Unredlichkeit ergaben sich weiter, als er im August 2008 gegenüber N. preisgab, aus "Nebengeschäften" mit den Anlagegeldern Zinseinnahmen erwirtschaften zu wollen, weshalb er aufgrund eintretender Zinsnachteile die von D. gewünschte Verkürzung der Anlagefrist von vierzehn auf zwölf Monate ablehnte. Auch hatte Ba. schon während des ersten Finanzierungsversuchs - bei dem der vermeintliche Investor ebenfalls bereits im Hintergrund geblieben war - vereinbarte Fristen nicht eingehalten, so etwa die Verpflichtung, binnen drei Banktagen nach "Einbuchung der Staatsbürgschaft" bzw. nach "Eingang" der Bareinlage bei der Bank eine definitive Finanzierungszusage des Investors nachzuweisen. Dass Ba. in diesem Zusammenhang zwischen dem 20. Oktober und 9. November 2008 von der Bildfläche verschwunden war - mithin ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt, als die erste Finanzierungsrate gezahlt werden sollte -, stellte seine Zuverlässigkeit zusätzlich in Frage; der von ihm hierzu später genannte Grund, er habe sich in Dubai in Untersuchungshaft befunden, unterstrich diese Zweifel - unabhängig von den verschiedenen von ihm hierzu genannten Hintergründen - ebenso wie der Umstand, dass er schließlich von sich aus gegenüber der P. S.A. die Vertragsbeziehungen gekündigt hatte. Den Beteiligten war ferner bekannt, dass Ba. wiederholt zweifelhafte Investoren ins Spiel gebracht hatte: So hatte die Ölgesellschaft T. nach den Rechercheergebnissen der Rechtsanwaltskanzlei R. nicht über die behaupteten Mittel von 1,2 Mrd. US-Dollar verfügt; auch die Prüfung der A. AG durch die Rechtsanwaltskanzlei R. hatte ergeben, dass deren behauptete Beteiligung an Geothermieprojekten nicht belegbar war und jeglicher Nachweis über die Finanzkraft der Gesellschaft fehlte. Hinsichtlich der T. hatte Ba. im Übrigen erneut eine von ihm in Aussicht gestellte Frist zum Finanzierungsnachweis nicht eingehalten. Schließlich hatte es auch bereits mit dem zuletzt von Ba. präsentierten Investor Du. Ungereimtheiten gegeben, indem etwa zunächst anvisierte Zahlungen des Investors nicht erbracht worden waren.
60
(2) Die Pflichtverletzung stellt sich auch als gravierend im Sinne der zur Ausformung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals der Untreue entwickelten Rechtsprechung dar, da diese Einschränkung der Sache nach nur den - hier wie dargelegt überschrittenen - weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraum widerspiegelt , ohne den unternehmerische Entscheidungen nicht möglich sind (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 343 ff. mwN).
61
cc) Die Urteilsgründe tragen jedoch nicht den Schluss des Landgerichts, in der Zeit vom 30. Juni bis zum 6. Juli 2009 sei das Vermögen der Nürburgring GmbH in einer Höhe von 4 Mio. € konkret (schadensgleich) gefährdet gewesen.
62
(1) Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379). Ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB kann als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, das bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Da es sich bei der Rechtsfigur des Gefährdungsschadens nicht um eine richterrechtlich geschaffene besondere Kategorie von Gefährdungsdelikten handelt, sondern auch in diesem Fall die Vermögensminderung tatsächlich eingetreten sein muss (kritisch daher zur Terminologie BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 224 f.; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331 [zu § 263 StGB]), reicht es nicht aus, lediglich die bloße (konkrete) Gefährdung des Vermögens festzustellen. Dies birgt je nach den Umständen des Einzelfalles die Gefahr einer Verschleifung der Tatbestandsmerkmale der Pflichtwidrigkeit und des Vermögensschadens; ebenso ist ein solches Vorgehen aufgrund einer undifferenzierten Gleichsetzung von zukünftiger Verlustgefahr und gegenwärtigem Schaden geeignet, die gesetzgeberische Entscheidung, den Versuch der Untreue nicht unter Strafe zu stellen, zu unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228). Daher dürfen die Verlustwahrscheinlichkeiten auch nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229). Der Vermögensnachteil ist daher eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228; zu § 263 StGB vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457, 458; vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331). Voraussetzung ist dabei, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 113; BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384). Unter diesen Voraussetzungen kann auch bereits in dem Abschluss wirtschaftlich nachteiliger Verträge eine vermögensnachteilsgleiche Vermögensgefährdung liegen (BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384 f.), wobei deren Annahme die rechtliche Wirksamkeit der eingegangenen Verpflichtung - insbesondere aufgrund des mit der Schaffung der Urkundslage verbundenen erhöh- ten Prozessrisikos (BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 - 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395 f. [zu § 253 StGB]) - nicht zwingend voraussetzt.
63
(2) An einer solchen Darlegung des Vermögensnachteils fehlt es in dem angefochtenen Urteil. Sie war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Bezifferung des Schadens keiner näheren Darlegung bedurft hätte (sog. Evidenzfall, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 48 f.; BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2013 - 3 StR 302/13, NStZ 2014, 578 [jeweils zu § 263 StGB]); insbesondere ist der durch die Gefährdung eingetretene Vermögensverlust auf Grundlage der Urteilsgründe nicht ohne Weiteres mit 4 Mio. € anzusetzen.
64
Nicht zu folgen ist der Erwägung der Strafkammer, durch den Abschluss der 4. Zahlungsvereinbarung sei ein einklagbarer Anspruch und aufgrund dessen die "Gefährdungslage" entstanden. Eine vom Zustandekommen der Finanzierung - und damit auch von der Werthaltigkeit des von Ba. übergebenen Schecks - losgelöste Zahlungsverpflichtung wurde durch die 4. Zahlungsvereinbarung nicht begründet. Hiergegen spricht bereits die Bezeichnung der Zahlung als "Vorauszahlung auf die Optionsgebühr aus dem Vertragswerk Projekt NG 2009" und damit die Bezugnahme auf den Vertrag vom 2. September 2007. Da die Prüfung des Schecks nach den getroffenen Feststellungen in vierzehn Tagen hätte abgeschlossen sein können - tatsächlich waren die Unstimmigkeiten von den beteiligten Banken sogar schon nach drei Tagen aufgedeckt worden -, wäre selbst bei unmittelbarer Anstrengung eines Urkundsverfahrens (§§ 592 ff. ZPO) seitens B. und Me. davon auszugehen gewesen , dass die Nürburgring GmbH ihre Einwendungen gegen den Provisionsanspruch mit den im Urkundsprozess zulässigen Beweismitteln (§ 598 ZPO) hätte geltend machen können.

65
Auch soweit hinsichtlich der Bestimmung des Vermögensnachteils auf die Übermittlung des Überweisungsauftrags an die Kreissparkasse Ahrweiler abgestellt wird, tragen die Urteilsgründe nicht die Wertung des Landgerichts. Insoweit war - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die die Nürburgring GmbH beratenden Rechtsanwälte Lü. und Di. etwa zeitgleich zur Übersendung des Zahlungsauftrags um 17:17 Uhr K. auf die strafrechtliche Dimension seines Handelns hinwiesen und die Überweisung zu verhindern suchten sowie dass seitens der LBBW gegenüber dem Finanzministerium noch am 3. Juli 2009 um 19:19 Uhr und 20:14 Uhr Zweifel an der Werthaltigkeit des Schecks geäußert worden waren - in die erforderliche Bewertung einzustellen, dass nach seinerzeitiger Rechtslage der Überweisungsauftrag seitens der Nürburgring GmbH bis zu dem Zeitpunkt kündbar war, in dem der Überweisungsbetrag dem Kreditinstitut der G. AG endgültig zur Verfügung gestellt worden wäre (§ 676a Abs. 4 BGB aF).
66
c) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat insoweit auf Folgendes hin:
67
aa) Entsprechend der Anregung des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 26. Januar 2015 wird im Hinblick auf die erforderliche wirtschaftliche Bewertung der tatsächlichen Vermögenseinbuße die Hinzuziehung eines Sachverständigen zu erwägen sein.
68
bb) Sollten sich aufgrund der neuen Hauptverhandlung die Voraussetzungen einer schadensgleichen Vermögensgefährdung belegen lassen, wird bei der erforderlichen Bezifferung des Vermögensnachteils in den Blick zu nehmen sein, dass sich D. mit Me. anlässlich des Telefonats vom 29. Juni 2009 auf eine unmittelbare Rücküberweisung von 1,2 Mio. € an die Nürburgring GmbH verständigt hatte. Soweit hierdurch oder vor dem Hintergrund dieser Abmachung durch den Abschluss der 4. Zahlungsvereinbarung ein vertraglicher Anspruch der Nürburgring GmbH auf Rücküberweisung in der verabredeten Höhe entstanden sein sollte, könnte der Vermögensnachteil durch den vertraglichen Gegenanspruch teilweise kompensiert worden sein.
69
2. Auch der Schuldspruch wegen Untreue zum Nachteil des Landes Rheinland-Pfalz in den Fällen IV.9 a) bis c) und e) bis j) kann nicht bestehen bleiben.
70
a) Das Landgericht hat D. aufgrund seiner Stellung als Finanzminister und der hiermit einhergehenden, unter anderem aus § 11 Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 bzw. 2009/2010 folgenden Befugnisse als gegenüber dem Land Rheinland-Pfalz vermögensbetreuungspflichtig angesehen. Mit der Übernahme von Landesbürgschaften in voller Höhe der jeweils von der ISB GmbH der RIM GmbH gewährten Darlehen habe er gegen den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 6 Haushaltsgrundsätzegesetz , § 7 Landeshaushaltsordnung Rheinland-Pfalz [im Folgenden : LHO]) verstoßen, weil die Bürgschaftsübernahmen erklärt worden waren , obwohl sich die RIM GmbH entgegen § 65 Abs. 1 Nr. 3 LHO im Rahmen der eingegangenen stillen Beteiligung bei der Med. GmbH keinen angemessenen Einfluss gesichert habe, die Beteiligungsgelder ohne vorherige Bestellung wirksamer grundpfandrechtlicher Sicherheiten gezahlt worden seien und auch ansonsten keine ausreichende Besicherung gegeben gewesen sei. Die Med. GmbH sei auch niemals in der Lage gewesen, die Beteiligungsgelder fristgerecht zurückzuzahlen. Aufgrund der hieraus folgenden Ausfallgefährdungen habe jeweils die "hohe Wahrscheinlichkeit" für den Eintritt des Bürgschaftsfalls bestanden. Aufgrund dessen sei das Landesvermögen bereits mit der Bürgschaftsübernahme schadensgleich gefährdet gewesen. Soweit in den Einzelfällen zugunsten der RIM GmbH nach diesem Zeitpunkt Grundschulden bestellt worden seien, um die jeweiligen Ansprüche auf Rückzahlung der Beteiligungsgelder abzusichern, sei von deren vollen Werthaltigkeit auszugehen. Im Fall IV.9 b) der Urteilsgründe habe die Vermögensgefährdung daher mit dem Eingang des jeweiligen Antrags auf Eintragung der Briefgrundschuld geendet, in den Fällen bestellter Eigentümergrundschulden (Fälle IV.9 e) bis j) der Urteilsgründe) sei dies mit Eingang des Grundschuldbriefes bei der RIM GmbH anzunehmen. Im Fall IV.9 d) der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten mangels eingetretenen Vermögensnachteils freigesprochen, da die Beteiligungssumme an dem Tag ausgezahlt wurde, an dem die Anträge auf Eintragung der Grundschulden bei den Grundbuchämtern eingingen.
71
b) Die Feststellungen tragen eine Strafbarkeitvon D. wegen Untreue zum Nachteil des Landes Rheinland-Pfalz bereits deshalb nicht, weil die Strafkammer ihre Annahme, mit der Übernahme der Bürgschaften sei das Vermögen des Landes Rheinland-Pfalz schadensgleich gefährdet worden, nicht rechtsfehlerfrei begründet hat.
72
aa) Die Übernahme einer Bürgschaft stellt einen den Bürgen verpflichtenden Rechtsakt dar. Mangels eines unmittelbaren Zahlungsabflusses liegt in der Bürgschaft zunächst nur eine abstrakt wirkende Belastung, die die Gefahr der späteren Inanspruchnahme in sich trägt. Ein Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB besteht bei Abgabe der Bürgschaftserklärung nur dann, wenn sich die künftige Verlustgefahr aufgrund der Eintrittswahrscheinlichkeit des Bürgschaftsfalles schon zu diesem Zeitpunkt so weit verdichtet hat, dass sie als schadensgleich zu qualifizieren ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378 mwN). Wie bereits zu Fall IV.8 der Urteilsgründe ausgeführt ist dies eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren. Mit der vollen Höhe der Bürgschaftssumme kann ein Gefährdungsschaden nur angesetzt werden, wenn mit einer Inanspruchnahme von vornherein zu rechnen ist oder es sich bei dem durch die Bürgschaft ermöglichten Vorhaben um ein hochspekulatives Risikoprojekt handelt (BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378).
73
bb) Nach diesen Maßstäben belegt das angefochtene Urteil einen Vermögensnachteil nicht. Eine an den Maßstäben des Wirtschaftslebens ausgerichtete Darstellung und Bezifferung des Vermögensnachteils ist den Urteilgründen nicht zu entnehmen. Sie war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Rückzahlungsansprüche der ISB GmbH gegen die RIM GmbH "höchst ausfallgefährdet" waren und die Vermögensgefährdung mit den jeweiligen Bürgschaftssummen gleichzusetzen wäre; denn dieser Schluss wird von den Feststellungen nicht getragen.
74
(1) In den Fällen IV.9 b) und e) bis j) der Urteilsgründe hat sich die Strafkammer zutreffend mit der Frage auseinandergesetzt, ob mit der Bestellung der jeweiligen Grundpfandrechte eine Sicherung der RIM GmbH in Höhe der jeweils geleisteten stillen Einlagen eingetreten war. Die Annahme, die Grundschulden seien in sämtlichen Fällen ausreichend werthaltig gewesen, um im Falle einer Verwertung die RIM GmbH in Höhe ihrer Rückzahlungsansprüche zu befriedigen, widerspricht jedoch der Bewertung der Bürgschaften als "höchst ausfallgefährdet". Das Landgericht hat hierbei insbesondere unberücksichtigt gelassen, dass der Ausfall der durch die Bürgschaft abgesicherten Hauptforderung gemäß Ziff. 7 der jeweils zugrundeliegenden globalen Bürgschaftserklä- rungen daran geknüpft war, dass die RIM GmbH als Darlehensnehmerin mit ihrer Rückzahlungsverpflichtung länger als drei Monate in Verzug war und aus der Verwertung der für das refinanzierte Geschäft bestellten Sicherheiten ein Erlös nicht mehr zu erwarten war. Da der längste Zeitraum zwischen Auszahlung der stillen Beteiligung und Bestellung der Grundschuld nur rund vier Monate betrug (Fall IV.9 g) der Urteilsgründe), die Rückzahlungsansprüche aus den Darlehensverträgen aber erst nach diesem Zeitpunkt fällig wurden, war innerhalb dieses kurzen "ungesicherten" Zeitraums mit einer Inanspruchnahme des Landes Rheinland-Pfalz nicht zu rechnen. Kein anderes Ergebnis ergibt sich aus dem Umstand, dass die stillen Beteiligungen ausgezahlt wurden, bevor die Anträge auf Bestellung der Grundschulden bei den jeweiligen Grundbuchämtern eingegangen waren. Dies wäre im Rahmen der vorzunehmenden Prognose nur dann bedeutsam, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestand, dass es zu der Bestellung nicht kommen würde. Dies hat das Landgericht jedoch weder ausdrücklich festgestellt noch geben die getroffenen Feststellungen in ihrem Zusammenhang hierfür einen Anhalt.
75
Aufgrund der Annahme des Landgerichts, die bestellten Grundschulden seien im Zeitpunkt ihrer Bestellung hinsichtlich der abgesicherten Forderungen werthaltig gewesen, ist die Feststellung einer schadensgleichen Vermögensgefährdung auch in den Fällen IV.9 a) und c) der Urteilsgründe nicht nachvollziehbar. Die Validität der Grundschulden hing maßgeblich von der Rentabilität des Ausbauprojektes "Nürburgring 2009" und der auf den belasteten Grundstücken errichteten Anlagen ab. Von diesen Faktoren war gleichermaßen auch die Wirtschaftskraft der Med. GmbH und der MS. GmbH abhängig, so dass die positive Bewertung der bestellten Sicherheiten für die Annahme spricht, dass die Beteiligungsgelder seitens der Med. GmbH bei deren Fälligkeit bzw. im Zeitpunkt einer Inanspruchnahme des Landes Rheinland-Pfalz - ge- mäß der jeweiligen Sicherungsabrede frühestens drei Monate nach Verzug der RIM GmbH - hätten bedient werden können.
76
(2) Die Strafkammer hat sich im Rahmen der Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit im Rahmen der Bürgschaften eine Einstandspflicht des Landes Rheinland-Pfalz zu erwarten gewesen sei, zudem im Wesentlichen auf die Darstellung der Vermögensverhältnisse der Med. GmbH als Vertragspartnerin der Hauptschuldnerin RIM GmbH beschränkt. Da die Bürgschaften im Zeitpunkt ihrer Vergabe nach dem Vertragswerk frühestens drei Monate nach Zahlungsverzug der RIM GmbH in Anspruch genommen werden konnten, hätte die erforderliche Ausfallprognose auf diesen Zeitpunkt bezogen werden müssen. Insoweit war auch zu belegen, ob bzw. in welchem Umfange davon auszugehen war, dass die MS. GmbH die ihrerseits von der Med. GmbH erhaltenen Darlehen nicht zurückzahlen werde. Dass die Strafkammer die seitens der Med. GmbH an die RIM GmbH verpfändeten Geschäftsanteile an der MS. GmbH als wertlos angesehen hat, führt insoweit zu keinem anderen Ergebnis ; die Begründung, die MS. GmbH sei vollständig fremdfinanziert gewesen und als Gegenwert für die zur Verfügung gestellten Gelder habe lediglich eine unvollendete Baustelle gegenübergestanden, lässt besorgen, dass das Landgericht den Wert der Anteile lediglich bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Verpfändung bewertet hat. Der bloße Umstand der Fremdfinanzierung besagt als solcher aber noch nichts über die im Tatzeitpunkt zu erwartende Unrentabilität der geförderten Bauvorhaben. Diese liegt im Fall IV.9 a) der Urteilsgründe auch nicht nahe; hiergegen spricht, dass die in diesem Fall eingegangenen stillen Beteiligungen der RIM GmbH dazu dienten, eine Kreditvergabe der BTV in Höhe von 26 Mio. € zu ermöglichen, was schließlich auch gelang, wobei die BTV ihr Engagement naheliegend erst nach eigener umfassender Prüfung und Bewertung des Projektes eingegangen war.

77
c) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat zu diesen Anklagepunkten auf Folgendes hin:
78
aa) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass D. schon angesichts der in den jeweiligen Landeshaushaltsgesetzen eingeräumten weiten Befugnisse, über das Vermögen des Landes Rheinland-Pfalz zu verfügen und dieses zu verpflichten (vgl. etwa §§ 9, 11 Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 und Landeshaushaltsgesetz 2009/2010), eine hervorgehobene Verantwortung gegenüber dem Land und dessen Vermögen zukam, er mithin vermögensbetreuungspflichtig war.
79
Durch die jeweils hundertprozentige Absicherung der von der ISB GmbH gewährten Darlehen könnte er gegen die Vorschriften zum Vollzug der Landeshaushaltsordnung (VV-LHO) verstoßen haben. Gemäß § 39 Ziff. 5 Satz 2 VVLHO dürfen Bürgschaften nicht übernommen werden, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Inanspruchnahme des Landes zu rechnen ist. Gemäß Satz 3 sind in diesem Fall Ausgaben oder Verpflichtungsermächtigungen (§ 23 LHO) erforderlich (vgl. hierzu Heller, Haushaltsgrundsätze, Rn. 1275; Nebel in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 47. EL, § 39 BHO Rn. 1 f.; Graf in: Heuer, KHR, Rn. 3 zu § 39 BHO). Der Regelung in § 39 Ziff. 5 Sätze 2 und 3 VV-LHO kommt eine die Vermögensinteressen des Haushaltsgebers schützende Bedeutung zu, da die Differenzierung nach der Gewissheit der späteren Inanspruchnahme der hierdurch einhergehenden Beschränkung des künftigen Haushaltsgesetzgebers Rechnung trägt.
80
Sollte ein Verstoß gegen § 39 Ziff. 5 Satz 2 VV-LHO vorliegen, könnte gegebenenfalls auch zu erwägen sein, ob D. zusätzlich pflichtwidrig den aus § 5 Abs. 1 Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 bzw. Landeshaushaltsgesetz 2008/2009 folgenden Parlamentsvorbehalt umging, wonach Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen im Rahmen einer institutionellen Förderung unter den dort genannten Voraussetzungen gesperrt waren und die Aufhebung der Sperre einer Einwilligung des Landtages bedurfte, wenn - wie hier - die Zuwendung den Betrag von 150.000 € überschritt. In Bezug auf die der ISB GmbH ermöglichten Darlehensvergabe bzw. der der RIM GmbH ermöglichten Beteiligungen an der Med. GmbH handelte es sich zwar um eine Projektförderung (vgl. hierzu Dommach in: Heuer, KHR, Rn. 5 zu § 26 BHO; Heller, Haushaltsgrundsätze, 2. Aufl., Rn. 1398 ff.), weil die - dies unterstellt - nach § 39 Ziff. 5 Satz 3 VV-LHO als Zuwendung zu veranschlagenden Landesbürgschaften der Deckung von Ausgaben für ein einzeln abgegrenztes, genau bestimmtes Vorhaben der RIM GmbH dienten. Eine (mittelbare) globale Förderung im Sinne einer institutionellen Förderung gemäß § 5 Abs. 1 Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 bzw. Landeshaushaltsgesetz 2009/2010 lag aber in den Fällen IV.9 b) und e) bis j) der Urteilsgründe gegenüber der MS. GmbH vor; denn insoweit wurden die Gelder jeweils zur Begleichung nicht näher dargestellter Forderungen transferiert, bei deren Nichtbegleichung ein Baustopp gedroht hätte.
81
bb) Soweit die Strafkammer demgegenüber eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch einen Verstoß gegen den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 LHO) angenommen hat, ist sie im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass ein solcher grundsätzlich eine untreuerelevante Pflichtwidrigkeit darstellen kann (BGH, Urteil vom 29. August 2007 - 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, 89; vgl. auch BVerfG, Be- schluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 217 f.; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 266 Rn. 236; MüKoStGB/Dierlamm, 2. Aufl., § 266 Rn. 261; S/S-Perron, StGB, 29. Aufl., § 266 Rn. 19b, 44; aA Munz, Haushaltsuntreue, S. 162 ff.). Die getroffenen Feststellungen belegen einen derartigen Verstoß indes nicht. Hierzu gilt:
82
(1) Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit soll die bestmögliche Nutzung der öffentlichen Ressourcen sicherstellen (Ziff. 1 VV-LHO zu § 7; v.Lewinski/Burbat, BHO, § 7 Rn. 3). Er bezweckt, dass die günstigste Relation zwischen dem verfolgten Zweck und den einzusetzenden Mitteln angestrebt wird (Eibelshäuser/Nowak in: Heuer, KHR, Rn. 16 zu § 7 BHO [Teil 1]; Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 144). Seine Ausprägungen sind das Maximalprinzip, wonach mit einem bestimmten Mitteleinsatz das bestmögliche Ergebnis erzielt werden soll (Ziff. 1.2 zu § 7 VV-LHO) und das Minimalprinzip (auch Sparsamkeitsprinzip), wonach das Ziel mit möglichst geringem Mitteleinsatz zu erreichen ist (Eibelshäuser/Nowak in: Heuer, KHR, Rn. 1 ff. zu § 7 BHO [Teil 2]; Heller, Haushaltsgrundsätze, Rn. 711; Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 144). Inhaltliche Aufgabenprioritäten lassen sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot jedoch nicht ableiten; dieses trifft - anders als der Grundsatz der Notwendigkeit (§ 6 BHO, § 6 LHO) - keine Aussage über das verfolgte Ziel (vgl. Kube in: Maunz/Dürig, GG, 75. EL, Art. 110 Rn. 154; Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 144; aA Nöhrbaß in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 49. EL, § 7 Rn. 3 [der Grundsatz der Notwendigkeit als besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots]); es ist mithin zwar eine Verfahrensmaxime, aber kein Maßstab, der an das politischgestalterische Ziel anzulegen ist (vgl. Kube in: Maunz/Dürig, GG, 75. EL, Art. 114 Rn. 102; Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 144). Schließlich stellt das Gebot - nicht zuletzt auch deswegen, weil sich Maximal- und Minimalprinzip im Einzelfall gegenseitig ausschließen können - nur einen äußeren Begrenzungsrahmen des bestehenden Entfaltungs- und Gestaltungsspielraums dar und verhindert nur solche Maßnahmen, die mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlicht unvereinbar sind (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2004 - 4 StR 294/04, NStZ-RR 2005, 83, 84 mwN; vom 29. August 2007 - 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, 88).
83
(2) Bei ihrer Erwägung, der Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sei darin begründet, dass sich die RIM GmbH entgegen § 65 Abs. 1 Nr. 3 LHO keine hinreichenden Kontrollbefugnisse und damit keinen angemessenen Einfluss bei der Med. GmbH gesichert habe, hat die Strafkammer verkannt, dass sich das Land Rheinland-Pfalz nicht unmittelbar an der Med. GmbH beteiligte. Vielmehr lag - vermittelt über ISB GmbH und RIM GmbH - nur ein Fall der sog. mittelbaren Beteiligung vor. Für diese gilt die Vorgabe des § 65 Abs. 1 Nr. 3 LHO gemäß § 65 Abs. 3 Sätze 1 und 3 LHO jedoch nur, wenn eine Beteiligung von mehr als 25% erworben wird (Nöhrbaß in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 46. EL, § 65 Rn. 13; vgl. auch Ziff. 2.3 zu § 65 VV-LHO). Ein Erwerb von Gesellschaftsanteilen der Med. GmbH war mit den stillen Beteiligungen der RIM GmbH nach den getroffenen Feststellungen jedoch nicht verbunden.
84
In den Fällen IV.9 b), e) bis j) der Urteilsgründe ist eine Verletzung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch nicht darin begründet , dass die Bürgschaften bereits vor der Bestellung der grundpfandrechtlichen Sicherheiten übernommen wurden. Zwar lässt sich am Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich messen, ob durch ein kurzfristiges Handeln vermeidbare finanzielle Nachteile entstehen. Dass D. allein durch die zeitliche Komponente seines Handelns den ihm zuzubilligenden Gestaltungsspiel- raum überschritt, belegen die Urteilsgründe jedoch nicht: Diesen sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die dafür sprechen, dass die spätere Bestellung der Grundpfandrechte ernsthaft in Zweifel hätte gezogen werden müssen. Einer Inanspruchnahme des Landes vor diesem Zeitpunkt standen bereits die in den globalen Bürgschaftserklärungen enthaltenen Fälligkeitsbestimmungen entgegen. Zudem ist in den Blick zu nehmen, dass ein Baustopp unabhängig von politischen Erwägungen nachteilige Konsequenzen für das Bauprojekt und insbesondere die Geschäftsbeziehung mit den die Bauarbeiten ausführenden Firmen bis hin zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen hätte nach sich ziehen können.
85
Schließlich belegen die getroffenen Feststellungen auch nicht, dass aus anderen Gründen durch die gewählte Konstruktion mit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht mehr vereinbare finanzielle Nachteile entstanden, etwa durch hohe Transaktionskosten, die bei einer unmittelbaren Darlehensvergabe der ISB GmbH an die MS. GmbH und einer entsprechenden Landesbürgschaft nicht angefallen wären.
86
cc) Soweit die Strafkammer angenommen hat, dass in dem von den Beteiligten gewählten Vorgehen ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorschriften zur Gewährung von Beihilfen (Art. 107 ff. AEUV) lag (vgl. auch die Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 1. Oktober 2014 - IP/14/1067), ist sie zutreffend davon ausgegangen, dass dies keine untreuerelevante Pflichtverletzung darstellte. Nicht jeder Verstoß gegen die Rechtsordnung begründet zugleich eine im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB relevante Pflichtverletzung. Der erforderliche untreuespezifische Zusammenhang liegt vielmehr nur dann vor, wenn der unmittelbar verletzten Rechtsnorm selbst vermögensschützender Charakter zukommt (BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, NJW 2011, 88, 91 f.). Dies ist bei den europäischen Beihilfevorschriften , deren Zweck im Schutz des Binnenmarktes vor Wettbewerbsverzerrungen liegt (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 92/11, EuZW 2013, 753, 755, 757; G/H/N/von Wallenberg/Schütte, 57. EL, AEUV, Art. 107 Rn. 10; Koenig/Meyer, NJW 2014, 3547, 3550 f.), nicht der Fall.
87
In der Nichtbeachtung der Art. 107 ff. AEUV lag auch nicht deshalbein Verstoß gegen das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit , weil eine europarechtswidrige Ausgabe nicht geleistet werden dürfe und damit zwangsläufig haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgrundsätze verletze. Die Gegenmeinung (vgl. Koenig/Meyer, NJW 2014, 3547, 3551) stützt sich auf die Erwägung, die eine Ausgabe zur Beihilfe qualifizierende Begünstigung im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV setze voraus, dass das Unternehmen eine Leistung ohne angemessene, marktübliche Gegenleistung erlange und sich damit aus Sicht des "market economy investors" als unwirtschaftlich darstelle. Hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, eine EUbeihilferechtswidrige Leistung verletze zugleich haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgrundsätze. Die Unwirtschaftlichkeit einer Maßnahme der öffentlichen Hand verstößt nicht zwangsläufig gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, weil dieses nur eine relative Betrachtung gemessen am selbst nicht zu bewertenden, mit der Leistung verfolgten Zweck verlangt (vgl. Kube in: Maunz/Dürig, GG, 75. EL, Art. 114 Rn. 102); sie bewirkt auch nicht ohne weiteres einen Verstoß gegen den Grundsatz der Notwendigkeit (§ 6 BHO, § 6 LHO). Aus diesem Grunde stehen beide Haushaltsgebote - was die Gegenmeinung nicht in Frage stellt - auch nicht der Gewährung von mit dem EU-Recht vereinbaren Beihilfen (Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV) entgegen, die ebenfalls an die Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 1 AEUV anknüpfen (G/H/N/von Wallenberg/Schütte, 57. EL, Art. 107 Rn. 16 f.; von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl., AEUV, Art. 107 Rn. 196, 212).
88
dd) Hinsichtlich der Feststellung und Bewertung der Höhe des eingetretenen Vermögensnachteils gilt:
89
(1) Sollte das Land Rheinland-Pfalz zwischenzeitlich auf die Bürgschaften bzw. auf die diese im Rahmen des Umschuldungskonzeptes ersetzende Garantie- und Freistellungserklärung finanzielle Leistungen erbracht haben, käme es in dieser Höhe auf die exakte Bezifferung des Gefährdungsschadens im Tatzeitpunkt nicht mehr an. In diesem Fall hätte sich der ursprüngliche Eingehungsschaden in einem Erfüllungsschaden materialisiert und würde sich nach dessen Wert bemessen (vgl. insoweit zur Schadensbestimmung im Rahmen von § 263 StGB: BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2010 - 3 StR 434/10, StraFo 2011, 238, 239; vom 14. April 2011 - 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638, 639; Urteil vom 8. Oktober 2014 - 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 91; Beschluss vom 23. Juli 2015 - 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341).
90
(2) Nicht zu folgen ist der Auffassung, in einer Bürgschaftsvergabe liege mangels Unmittelbarkeit zwischen Pflichtverletzung und Vermögensnachteil dann keine Untreue, wenn - wie hier - der Eintritt des Bürgschaftsfalls den Verzug des Schuldners über einen längeren Zeitraum voraussetze (vgl. Schneider, wistra 2015, 369, 374). Zutreffend ist zwar, dass die Tathandlung im Rahmen von § 266 Abs. 1 StGB den Vermögensnachteil unmittelbar bewirken muss (vgl. BGH, Urteile vom 7. September 2011 - 2 StR 600/10, NJW 2011, 3528, 3529; vom 11. Dezember 2014 - 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94, 115 f.; umfassend SSW-StGB/Saliger, 2. Aufl., § 266 Rn. 84, 62 mwN; aA Rübenstahl /Wasserburg NStZ 2004, 521, 526). Besteht dieser im Tatzeitpunkt aber schon aufgrund der durch die Rahmenumstände gegebenen sicheren Erwartung , dass der Bürgschaftsfall eintreten wird, so ist die aufgrund der Eintrittswahrscheinlichkeit schon durch Eingehen der Verbindlichkeit bewirkte Vermögensminderung in diesem Sinne unmittelbar. Unerheblich ist dann, ob der Erfüllungsschaden isoliert betrachtet eine derartige sachliche und zeitliche Nähe zu der Pflichtverletzung aufweist, dass er dem Unmittelbarkeitserfordernis genügen könnte.
91
(3) Die Haftung der RIM GmbH gegenüber der ISB GmbH war nach den jeweiligen Darlehensverträgen begrenzt auf die Geldeingänge aus der refinanzierten Beteiligung sowie auf die Erlöse der für diese Beteiligung bestellten Sicherheiten , wobei nach weiterer Vereinbarung die Haftungsfreistellung einer Inanspruchnahme des Bürgen durch die ISB GmbH nicht entgegenstehen durfte. Vor dem Hintergrund der Regelung des § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB wird gegebenenfalls zu erörtern sein, ob - was naheliegend erscheint - in den ausgegebenen globalen Bürgschaftserklärungen oder den Schreiben, mit denen D. die Bürgschaft auf die volle Darlehenssumme erstrecken ließ, diesbezügliche Erklärungen des Landes enthalten waren (zur Abdingbarkeit von § 768 vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08, BGHZ 181, 278, 288 f.; MüKoBGB/Habersack, 6. Aufl., § 768 Rn. 3) oder ob entsprechende Einschränkungen sonst aus der Sicherungsabrede folgten (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - XI ZR 331/07, WM 2008, 1350, 1352; Palandt-Sprau, BGB, 75. Aufl., § 768 Rn. 7).
92
(4) Von seiner Annahme ausgehend, dass bereits in dem Eingehen der Bürgschaftsverpflichtung eine schadensgleiche Vermögensgefährdung lag, hat sich das Landgericht konsequent mit der den Schuldgehalt der Tat betreffenden Frage befasst, ob die angenommene Vermögensgefährdung durch spätere Umstände entfallen war. Soweit es den "Gefährdungszeitraum" im Fall IV.9 a) der Urteilsgründe allerdings - D. insoweit nicht beschwerend - auf den "Zeitraum der zugelassenen Anklage" begrenzt hat, begegnet dies rechtlichen Bedenken. Mit dem erstmaligen Eintritt des Vermögensnachteils, im Fall der einem Schaden gleichkommenden Gefährdungslage schon mit dieser, ist das Delikt der Untreue vollendet (BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2001 - 5 StR 530/00, NStZ 2001, 650; vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379). Spätere Entwicklungen, die den Schaden vertiefen oder entfallen lassen, wirken sich allerdings auf das Maß der Schuld aus. Sie sind daher für die Beurteilung von Tat und Täter von Bedeutung und vom Gericht - im Rahmen seiner Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) - zu ermitteln. Der Grundsatz , dass sich Untersuchung und Entscheidung auf die in der Anklage bezeichnete Tat beschränken (§§ 155, 264 StPO), steht dem nicht entgegen (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1975 - 1 StR 755/75, NStZ 1981, 99 mwN).
93
ee) Das neue Tatgericht wird auch zu prüfen haben, ob sich D. wegen Anstiftung zur Untreue durch die Mitangeklagten M. und/oder W. strafbar gemacht hat. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt , dass gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV verstoßende Rechtsgeschäfte gemäß § 134 BGB unwirksam sein können (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 92/11, EuZW 2013, 753, 755 ff. mwN), wird zu prüfen sein, inwieweit bewusst Leistungen rechtsgrundlos oder ohne rechtswirksame Absicherung erbracht wurden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 591/11, NJW 2013, 401, 403).
94
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen IV.8, 9 a) bis c) und
e) bis j) der Urteilsgründe entzieht den insoweit verhängten Einzelstrafen die Grundlage und hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge. Im Fall IV.8 der Urteilsgründe sind die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen , mit Ausnahme derjenigen zum Vermögensnachteil, von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende, zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehende Feststellungen bleiben möglich. In den Fällen IV.9 a) bis c) und e) bis j) der Urteilsgründe hebt der Senat die Feststellungen über den Antrag des Generalbundesanwalts hinaus vollständig auf, da der Angeklagte im Hinblick auf die vom Senat erteilten Hinweise noch keine Möglichkeit der Verteidigung hatte und um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
95
4. Gemäß § 357 StPO war die Aufhebung des Urteils in den Fällen IV.9
a) bis c) sowie e) bis j) der Urteilsgründe auf die Mitangeklagten M. und W. zu erstrecken.
96
5. Im Übrigen hat die auf die Sachbeschwerde gebotene materiellrechtliche Überprüfung des Urteils aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 26. Januar 2015 dargelegten Gründen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil von D. ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
97
a) Es kann auch in den Fällen IV.5, 6, 7 und 10 der Urteilsgründe offen bleiben, ob D. als faktischer Geschäftsführer der Nürburgring GmbH zu qualifizieren ist, da sich dessen Vermögensbetreuungspflicht - wie zu Fall IV.8 der Urteilsgründe dargelegt - jedenfalls aus seiner Stellung als Mitglied des Aufsichtsrats ergab.
98
b) In den Fällen IV.5, 6 und 7 der Urteilsgründe lagen schon die Vereinbarungen zu den einzelnen Zahlungen - wie das Landgericht hinsichtlich Fall IV.6 der Urteilsgründe zutreffend ergänzend dargelegt hat - außerhalb des der Geschäftsführung zuzubilligenden unternehmerischen Gestaltungsspielraums, da die Zahlungen nicht im Unternehmenswohl der Nürburgring GmbH lagen:
99
Im Fall IV.5 der Urteilsgründe entstanden der Nürburgring GmbH durch die Übernahme der Gründungskosten für die G. AG nach den getroffenen Feststellungen keine auch nur im Ansatz erkennbaren Vorteile. Deren Gründung kam ausschließlich B. und Me. entgegen, die sich hierdurch steuerliche Vorteile versprachen. Auch in den Fällen IV.6 und 7 der Urteilsgründe widersprachen die Zahlungen den Unternehmensinteressen. Sie waren nicht durch den Vorvertrag vom 27. März 2007 bzw. dessen Nachträge gedeckt; zudem hatten weder die I. -GmbH noch die P. GmbH "wie auch immer geartete Leistungen" oder "abrechnungsfähige Aufwendungen" erbracht. Bei dieser Sachlage besteht nach den bereits zu Fall IV.8 der Urteilsgründe dargestellten Maßstäben die untreuerelevante Pflichtwidrigkeit von D. darin, dass er gemeinsam mit L. (Fall IV.6) bzw. in dessen Anwesenheit (Fälle IV.5 und 7) den Entschluss zur jeweiligen Zahlung fasste und diese hierdurch veranlasste. Es bedarf damit keiner näheren Betrachtung, ob - wie vom Landgericht angenommen - mit der Zahlung auch deshalb eine Vermögensbetreuungspflicht verletzt wurde, weil dieser kein wirksamer Rechtsgrund zugrunde lag. Rechtsgrundlos geleistete Zahlungen stellen zwar jedenfalls dann eine Pflichtverletzung im Sinne des Untreuetatbestandes dar, wenn das den Rechtsgrund bildende Rechtsgeschäft wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) unwirksam ist (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 591/11, NJW 2013, 401, 402). Angesichts der den § 125 Satz 2, § 134 BGB zugrundeliegenden unterschiedlichen Normzwecke ist jedoch zweifelhaft, ob dies in gleicher Weise generell auch dann anzunehmen ist, wenn die Unwirksamkeit des Rechtsgrundes aus einem Verstoß gegen ein - wie hier - rechtsgeschäftlich begründetes Formerfordernis folgt.
100
c) Die Verurteilung im Fall IV.11 der Urteilsgründe wegen falscher uneidlicher Aussage (§ 153 StGB) erweist sich aus den vom Landgericht in seinem Urteil dargelegten Gründen als rechtsfehlerfrei. Diesen wird auch nicht deshalb die Grundlage entzogen, weil das Urteil im Fall IV.8 der Urteilsgründe aufzuheben ist. Zwar knüpft die Verurteilung wegen falscher uneidlicher Aussage inhaltlich an die dortigen Vorkommnisse an. Die hierzu getroffenen Feststellungen sind jedoch weitgehend rechtsfehlerfrei getroffen und können in dem bereits dargelegten Umfang bestehen bleiben. Soweit die Feststellungen im Fall IV.8 der Urteilsgründe in Bezug auf die Bestimmung des Vermögensnachteils und hinsichtlich der subjektiven Tatseite aufgehoben worden sind, ist dies ohne Bedeutung für die Beurteilung, ob die von D. am 2. Juli 2010 vor dem Untersuchungsausschuss getätigte Aussage falsch war und dieser vorsätzlich handelte.
101
6. Zu den erhobenen Verfahrensrügen gilt das Folgende:
102
a) Die Rüge eines Verstoßes gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 26. Januar 2015 dargelegten Gründen unbegründet.
103
b) Die Rüge eines Verstoßes gegen § 199 Abs. 2 Satz 2, § 147 Abs. 1 und 4, § 338 Nr. 8 StPO, weil das Landgericht der Verteidigung die Akteneinsicht in rechtlich bedenklicher Weise erschwert habe, indem es eine Spiegelung sichergestellter Datenträger abgelehnt und Einblick in diese lediglich in den Räumen der Staatsanwaltschaft gewährt habe, ist unzulässig. Dabei kommt es auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob es sich bei den Datenträgern um Beweismittel oder Aktenbestandteile handelte, nicht an. Selbst wenn die von der Revision vertretene Einstufung als Aktenbestandteil zutreffen sollte, betreffen die mit der Rüge angegriffenen Entscheidungen des Vorsitzenden und der Strafkammer lediglich die Ausgestaltung des Rechts auf Akteneinsicht. Diese Entscheidung ist gemäß § 336 Satz 2, § 147 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht revisibel (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1999 - 1 StR 672/98, NStZ 2000, 46; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 336 Rn. 18). Ob für die Fälle einer willkürlichen Beschneidung des Einsichts- und Besichtigungsrechts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. September 2011 - 2 BvR 449/11, NJW 2012, 141, 142) etwas anderes gilt, bedarf keiner Entscheidung. Ein sachfremdes Handeln hat die Revision nicht dargelegt; insbesondere ergibt sich ein solches nicht aus den angegriffenen Entscheidungen.
104
c) Auf die Rüge eines Verstoßes gegen § 261 StPO kommt es nicht an. Sie betrifft ausschließlich die Beweiswürdigung zu den Fällen IV.9 a) bis c) und
e) bis j) der Urteilsgründe; insoweit ist der Schuldspruch mit den dazugehörigen Feststellungen schon auf die Sachrüge aufzuheben.
105
7. Durch die Teilaufhebung des Urteils ist die gegen die Kostenentscheidung gerichtete sofortige Beschwerde von D. gegenstandslos, da bereits die Teilaufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache in diesem Umfang der Kostenentscheidung die Grundlage entzieht (KK-Gieg, StPO, 7. Aufl., § 464 Rn. 14; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 464 Rn. 20, LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 464 Rn. 42)
106
III. Revision des Angeklagten K.
107
1. Der Schuldspruch kann im Fall IV.2 der Urteilsgründe keinen Bestand haben. Nach den hierzu getroffenen Feststellungen hat sich K. keiner Untreue schuldig gemacht; insoweit ist er freizusprechen. Im Einzelnen:
108
a) Das Landgericht ist der Auffassung, die Entscheidung von K. zur Übernahme der Kosten für die Gründung der P. S.A. sei nicht mehr von der ihm als Geschäftsführer eingeräumten unternehmerischen Entscheidungsfreiheit gedeckt gewesen. Er habe auch Mitwirkungsbefugnisse des Aufsichtsrats verletzt, weil es sich um eine nach § 7 Abs. 1 GesV zustimmungspflichtige Maßnahme gehandelt habe. Soweit der Aufsichtsrat die Geschäftsführung bereits mit Beschluss vom 1. Juli 2008 zu Vertragsabschlüssen im Rahmen der Finanzierung von "Nürburgring 2009" ermächtigt habe, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Beschluss sei auf Grundlage der Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 2 GesV ergangen, die dahin ausgelegt werden müsse, dass eine im Vorfeld erteilte Zustimmung nur dann zulässig sei, wenn der Aufsichtsrat diese an bestimmte Auflagen binde. Dies folge daraus, dass sich der Aufsichtsrat nach der Gesamtkonstruktion des § 7 GesV nicht jeglicher Kontrollmöglichkeiten gegenüber der Geschäftsführung begeben dürfe. An entsprechenden Auflagen habe es in dem Beschluss vom 1. Juli 2008 gefehlt. Überdies sei die Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A. auch nicht "notwendig" im Sinne des Aufsichtsratsbeschlusses gewesen.
109
b) Dies hält materiellrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht ist zwar zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass K. als Geschäftsführer der Nürburgring GmbH vermögensbetreuungspflichtig war (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 27. August 2010 - 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 274). In dem von der Strafkammer festgestellten Verhalten von K. lag jedoch keine Verletzung einer das Vermögen der Nürburgring GmbH schützenden Pflicht; weder überschritt er den ihm als Geschäftsführer eingeräumten unternehmerischen Ermessensspielraum noch umging er Mitwirkungsbefugnisse des Aufsichtsrats. Hierzu gilt:
110
aa) Die Entscheidung zur Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A. lag innerhalb des K. als Geschäftsführer eingeräumten weiten unternehmerischen Ermessensspielraums.
111
Wie im Rahmen der Revision von D. dargelegt, liegt eine Pflichtverletzung in diesem Zusammenhang erst vor, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss. Im Rahmen des der unternehmerischen Entscheidung vorausgehenden Entscheidungsfindungsprozesses sind die möglichen negativen Auswirkungen bestimmter Maßnahmen , wie etwa ein Ansehensverlust des Unternehmens in der Öffentlichkeit, ebenso in die Überlegungen einzustellen wie die mit imagepflegenden Maßnahmen einhergehenden positiven Folgen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. April 1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 255; Bosch/Lange JZ 2009, 225, 231,

233).


112
Gemessen hieran bewegte sich K. mit seiner Entscheidung, die Kosten für die Gründung der P. S.A. zu übernehmen, noch innerhalb des ihm zustehenden weiten Ermessensspielraums. Hinsichtlich der Verbindung der I. S.A. zu einem mexikanischen Drogenkartell lag aufgrund der im luxemburgischen Handelsregister enthaltenen Eintragungen zu den Gesellschaftsverhältnissen ein verifizierbarer und nicht lediglich vager oder offensichtlich haltloser Verdacht vor. Angesichts dessen war es aus unternehmenspolitischen Gründen - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Finanzierung des Ausbauprojekts auch im Bereich II noch nicht sichergestellt war und dort Privatinvestoren gesucht wurden - im Interesse der Gesellschaft, diesen Schein einer Verbindung kurzfristig zu beseitigen. Dass die I. S.A. oder die hinter ihr stehenden B. und Me. hierzu vertraglich verpflichtet waren, belegen die Urteilsgründe auch in ihrem Gesamtzusammenhang nicht. Allein der Umstand, dass eine gute Reputation naheliegend auch im eigenen Interesse der I. S.A. lag, begründete einen vertraglichen Anspruch nicht. Die Höhe der mit der Neugründung der P. S.A. verbundenen Kosten, war zwar in die Abwägung der insoweit gegenläufigen Unternehmensinteressen einzustellen ; dieser Gesichtspunkt wurde allerdings dadurch relativert, dass die Kosten bei erfolgreichem Zustandekommen der Finanzierung auf den dann fälligen Provisionsanspruch angerechnet werden konnten. Bei dieser Sachlage ist ein strafrechtlicher Vorwurf auch nicht deshalb begründet, weil K. seine Entscheidung traf, bevor die Angaben von Me. zum Erwerb der I. S.A. - die sich nur zehn Tage nach Vertragsschluss als zutreffend herausstellten - überprüft worden waren. Denn der durch die Registerlage hervorgerufene Schein blieb bestehen; Dritte hätten weiterhin den Schluss auf eine Verbindung zur mexikanischen Drogenmafia ziehen und mit den etwaigen negativen Folgen für das Ansehen der Nürburgring GmbH bzw. das Ausbauprojekt öffentlich machen können. Dass es sich hierbei nicht nur um ein fernliegendes Szenario handelte, zeigt sich daran, dass auch D. bei seinen eigenen Recherchen im Internet bereits auf entsprechende Gerüchte gestoßen war.
113
bb) K. verstieß mit seiner Entscheidung zur vertraglichen Kostenübernahme und deren Umsetzung auch nicht gegen seine Pflicht zur Einbeziehung des Aufsichtsrats gemäß § 7 Abs. 1 GesV.
114
(1) Zutreffend ist das Landgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Maßnahme grundsätzlich zustimmungsbedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 GesV war. Die Entscheidung zur Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A zählte angesichts des Ausnahmecharakters des Geschäfts sowie seiner finanziellen und unternehmenspolitischen Tragweite im Sinne der Satzung nicht mehr zum gewöhnlichen Geschäftsverkehr.
115
Die Satzungsbestimmung war auch wirksam und verstieß nicht gegen § 52 Abs. 1 GmbHG, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG: Ist nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat bei einer GmbH bestellt, so gilt gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG die Vorschrift des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG entsprechend, wonach die Satzung bestimmte Arten von Geschäften einem Zustimmungsvorbehalt durch den Aufsichtsrat unterwerfen kann. Soweit in der Kommentarliteratur zu § 52 GmbHG unter Rückgriff auf aktienrechtliche Grundsätze die Auffassung vertreten wird, satzungsmäßig bestimmte Zustimmungsvorbehalte seien aufgrund des Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz unzulässig, wenn sie - wie hier - generalklauselartig ausgestaltet sind (Michalski/Giedinghagen, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 229 mwN; MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 361, 369, 371; Ulmer/Heermann, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 110), ist dem jedenfalls für die hier zu bewertende Regelung des § 7 Abs. 1 GesV nicht zu folgen. Die zu § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG entwickelten aktienrechtlichen Grundsät- ze sind auf den fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH nicht ohne weiteres übertragbar , da § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG gemäß § 52 Abs.1 GmbHG nur anzuwenden ist, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag anderes bestimmt ist (sog. Satzungsautonomie , vgl. etwa Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 52 Rn. 24; Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 52 Rn. 3; Michalski/Giedinghagen, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 16; MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 9 ff.). Es ist daher anerkannt, dass die Satzung im Fall des fakultativen Aufsichtsrats die aus § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG folgenden Pflichten sowohl einschränken als auch ausweiten kann (BeckHdbGmbH/Müller, 5. Aufl., § 6 Rn. 52; Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 52 Rn. 13; MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 378; Ulmer/Heermann, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 110). Angesichts des im Recht der GmbH bestehenden Satzungsvorrangs kann der Ausschluss generalklauselartiger Zustimmungsvorbehalte somit nicht auf den Wortlaut des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG ("bestimmte Arten von Geschäften") gestützt werden (so aber Michalski/Giedinghagen, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 229). Angesichts der unterschiedlichen Strukturen von GmbH und AG, wonach dem Geschäftsführer einer GmbH insbesondere angesichts des deutlich stärkeren Einflusses der Gesellschaftsversammlung als oberstem Organ eine schwächere Stellung in der Gesellschaft zukommt als dem Vorstand einer AG (vgl. Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 52 Rn. 2; Michalski/Giedinghagen, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 19), bestehen gegen eine generelle Einschränkung der Geschäftsführungsbefugnis durch die Satzung keine Bedenken; unerheblich ist, dass die Regelung des § 7 Abs. 1 GesV nach aktienrechtlichen Maßstäben als unwirksam zu qualifizieren wäre (vgl. Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 66; KKAktG /Mertens/Cahn, 3. Aufl., § 111 Rn. 85; Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, S. 123 f.; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, § 111 Rn. 46). Die hier zu bewertende, nur Maßnahmen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs erfassende Bestimmung des § 7 Abs. 1 GesV beschneidet die Kompetenzen der Geschäftsführung auch nicht derart, dass deren Führungsbefugnis im Kernbereich betroffen ist (vgl. zu dieser Grenze MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 368). Da der Terminus des "gewöhnlichen" Geschäftsverkehrs zudem in handelsrechtlichen Bestimmungen über die Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis verwendet wird (vgl. etwa § 54 Abs. 1, § 116 Abs. 1 HGB), schafft dieser ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriff für den Geschäftsführer auch keinen Zustand untragbarer Rechtsunsicherheit (vgl. zu diesem Aspekt MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 361).
116
(2) K. verstieß jedoch nicht gegen § 7 Abs. 1 GesV, weil sein Vorgehen durch den Aufsichtsratsbeschluss vom 1. Juli 2008 gedeckt war und es damit einer weiteren Einbeziehung des Aufsichtsrats nicht mehr bedurfte.
117
(a) Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass auch im Fall der satzungsmäßig bestimmten Zustimmungsvorbehalte im Vorfeld erteilte Globalbeschlüsse (auch "Generalzustimmung", "Rahmenzustimmung", "Vorwegeinwilligung" ) des Aufsichtsrats grundsätzlich zulässig sind, wenn die Satzung solche - wie hier in § 7 Abs. 3 Satz 2 GesV - zulässt (vgl. Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, S. 203; Hopt/Roth in GroßKommAktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 665 f.; KKAktG /Mertens/Cahn, 3. Aufl., § 111 Rn. 109; MüKoAktG/Habersack, 4. Aufl., § 111 Rn. 126). Rechtsfehlerhaft ist allerdings der von der Strafkammer gezogene Schluss, der Aufsichtsratsbeschluss vom 1. Juli 2008 sei unwirksam, da eine im Vorfeld erteilte generelle Zustimmung zwingend mit Auflagen hätte verbunden werden müssen.
118
Aus dem Wortlaut von § 7 Abs. 3 Satz 2 GesV lässt sich die Verpflichtung des Aufsichtsrats, seine Zustimmung ausdrücklich mit Auflagen zu verbinden , nicht entnehmen. Systematisch bezieht sich die Regelung auf die "zustimmungspflichtigen Geschäfte" und erfasst damit sowohl die in § 7 Abs. 2 GesV konkretisierten als auch alle anderen unter die Generalklausel des Abs. 1 fallenden Geschäfte. Könnte der Aufsichtsrat seine Zustimmung einschränkungslos und spiegelbildlich zur Bestimmung des § 7 Abs. 1 GesV allgemein zu sämtlichen von Abs. 1 erfassten Geschäften erteilen, bestünde die Gefahr, dass er die ihm vom Satzungsgeber zugewiesene Funktion als Kontrollorgan unterliefe. Dies bedingt - wie das Landgericht insoweit zutreffend angenommen hat -, dass er den Umfang und die Voraussetzungen seiner Zustimmung präzisiert. Weitergehende Beschränkungen - auch in inhaltlicher Sicht - folgen hieraus für die Ausgestaltung des Zustimmungsbeschlusses allerdings nicht: Dass der Aufsichtsrat mit jeder Rahmenzustimmung die Kontrolle über die von der Geschäftsführung abgeschlossenen Geschäfte in einem gewissen Maße verliert , liegt in der Natur solcher Rahmenbeschlüsse; dies wird jedoch insbesondere dadurch kompensiert, dass es dem Aufsichtsrat jederzeit möglich ist, die Geschäftsführung zur Berichtserteilung anzuhalten (vgl. hierzu Koppensteiner /Schnorbus in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl., § 52 Rn. 32) und seine Generalzustimmung zu widerrufen. Schließlich verlangen weder die aus der Satzung folgende Funktion des Aufsichtsrats noch sonstige Gesichtspunkte , dass der Aufsichtsrat die für die Zulässigkeit einer Vorwegeinwilligung erforderlichen Konkretisierungen an die Geschäftsführung ausdrücklich als "Auflage" bezeichnet.
119
Nach diesen Maßstäben bestehen an der Wirksamkeit des Aufsichtsratsbeschlusses vom 1. Juli 2008 keine Bedenken. Die von der Zustimmung des Aufsichtsrats erfassten Geschäfte waren dadurch in dem erforderlichen Maße präzisiert, dass der sachliche Bezug der bewilligten Geschäfte zur Finanzierung des Ausbauprojektes hergestellt war und abzuschließenden Vereinbarungen unter der Voraussetzung eines "notwendigen" funktionalen Zusammenhangs standen.
120
(b) Die mit der Finanzierung des Projektes "Nürburgring 2009" eng verbundene Entscheidung zur Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A. war schließlich auch von dem Aufsichtsratsbeschluss vom 1. Juli 2008 umfasst. Insbesondere handelte es sich um eine im Sinne des - von der Strafkammer insoweit nicht näher ausgelegten - Aufsichtsratsbeschlusses zur Finanzierung des Projektes "notwendige" Vereinbarung.
121
Bei verständiger Würdigung beschränkte der Aufsichtsrat seine Zustimmung hiermit nicht auf den Abschluss solcher Verträge und Vereinbarungen, ohne die das Finanzierungskonzept objektiv nicht umsetzbar gewesen wäre, insbesondere die vor der Beschlussfassung seitens der Geschäftsführung vorgelegten Entwürfe des Nießbrauchs-, Generalübernehmer-, Miet- und Optionsvertrages. Vielmehr umfasste die Zustimmung auch solche Vereinbarungen, die - wie hier - in Zusammenhang mit der Finanzierung des Bereichs I standen und seitens der Geschäftsführung in vertretbarer Weise als erforderlich angesehen wurden. Dies folgt daraus, dass der Aufsichtsrat im Beschlusszeitpunkt über die Einzelheiten des verfolgten Finanzierungskonzeptes unterrichtet war und dieses umgesetzt wissen wollte; hätte er der Geschäftsführung hierbei keinen eigenen Gestaltungsspielraum einräumen oder seine Zustimmung auf die ihm vor der Entscheidung vorgelegten Vertragsentwürfe beschränken wollen, hätte es nahegelegen, entweder die Vertragsentwürfe ausdrücklich im Beschluss zu benennen oder von vornherein auf eine Generalzustimmung zu verzichten. In der stattdessen verwendeten Formulierung "Verträge und sonstigen Vereinbarun- gen" kommt die im Beschlusszeitpunkt bestehende Ungewissheit über den Umfang und die Art der für die Umsetzung der Finanzierung erforderlichen Geschäfte deutlich zum Ausdruck.
122
Die von D. befürchteten negativen Folgen auf die - zu diesem Zeitpunkt nicht sichergestellte - Finanzierung des Ausbauprojekts für den Fall, dass sich die Gerüchte um die Verbindung der I. S.A. zur mexikanischen Drogenmafia ausbreiten sollten, lagen nahe und waren von einer sachlichen Grundlage getragen. Dass K. dies anders beurteilt und aus sachfremden Erwägungen heraus gehandelt haben könnte, ist nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund war es im Sinne der dargelegten Maßstäbe vertretbar, die Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A. als für die weitere Durchführung des Projektes notwendig anzusehen.
123
c) Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden könnten, die eine Verurteilung von K. wegen Untreue zu tragen vermögen. Er spricht den Angeklagten deshalb insoweit mit der entsprechenden Kostenfolge frei (§ 354 Abs. 1, § 467 Abs. 1 StPO).
124
2. Im Fall IV.8 der Urteilsgründe tragen die getroffenen Feststellungen aus den bereits zur Revision von D. dargelegten Gründen nicht den Schuldspruch wegen Untreue zum Nachteil der Nürburgring GmbH.
125
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall IV.8 der Urteilsgründe entzieht der insoweit verhängten Einzelstrafe die Grundlage; dies und der durch den Freispruch im Fall IV.2 der Urteilsgründe bedingte Wegfall der in diesem Fall festgesetzten Einzelstrafe führen zur Aufhebung des Gesamtstrafenaus- spruchs. Die Feststellungen im Fall IV.8 der Urteilsgründe können allerdings in dem zur Revision von D. dargelegten Umfang bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
126
4. Weitere zum Nachteil von K. wirkende Rechtsfehler hat die auf die Sachrüge gebotene materiellrechtliche Nachprüfung nicht ergeben. Über die in der Begründungsschrift des Generalbundesanwalts vom 1. Juni 2015 dargelegten Gründe hinaus bedarf nur Folgendes der näheren Erörterung:
127
a) Im Fall IV.3 der Urteilsgründe überschritt K. mit der von ihm veranlassten Zahlung den ihm zukommenden unternehmerischen Entscheidungsfreiraum. Die Maßnahme lag nicht im Unternehmenswohl: Nach der - durch die Nachträge modifizierten - Vertragslage zum Vorvertrag vom 27. März 2007 bestand keine Verpflichtung der Nürburgring GmbH zum Aufwendungsersatz über September 2008 hinaus. Es war auch nicht erkennbar, dass die I. GmbH im Oktober 2008 noch wesentliche Leistungen im Hinblick auf die angestrebte Umsetzung des mit Ba. angestrebten Finanzierungskonzeptes erbringen musste; die für die Anlage der von Ba. geforderten Bareinlage erforderlichen Voraussetzungen waren bereits geschaffen. Bereits am 24. September 2008 - nur zwei Tage nach der Rechnungsstellung - wurde der Betrag von 80 Mio. € absprachegemäß angelegt; die weiteren Schritte waren von Ba. zu erbringen. Weder für die Zahlung noch für eine etwaige mündliche Vereinbarung hierüber - für deren Vorliegen die Urteilsgründe überdies keine konkreten Anhaltspunkte geben; insb. bezog sich die gegenständliche Rechnung auf § 2 des "geschlossenen Vorvertrag[s]" - bestand damit eine wirtschaftliche Rechtfertigung. Da die Maßnahme mithin außerhalb des unternehmerischen Gestaltungsspielraums lag, handelte es sich um eine Pflichtverletzung , ohne dass es auf weitere Wertungen noch ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 343 ff. mwN). Ob K. aufgrund einer Umgehung des Aufsichtsrats zusätzlich noch ein Verstoß gegen die Satzung der Nürburgring GmbH vorzuwerfen ist, bedarf keiner weitergehenden Betrachtung. Ebenso kann offen bleiben, ob Zahlungen auf eine formunwirksame Forderung stets untreuerelevant sind.
128
b) In den Fällen IV.5, 6 und 7 der Urteilsgründe liegt die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch K. ebenfalls darin, dass die gegenständlichen Zahlungen - wie im Rahmen der Revision von D. ausgeführt - unter keinem Gesichtspunkt im Unternehmenswohl und damit außerhalb des dem Geschäftsführer einzuräumenden freien Gestaltungsspielraums lagen.
129
5. Die auf Verstöße gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO und § 199 Abs. 2 Satz 2, § 147 Abs. 1 und 4, § 338 Nr. 8 StPO gestützten Verfahrensrügen bleiben aus den zur Revision von D. dargelegten Gründen ohne Erfolg.
130
IV. Revision des Angeklagten N.
131
1. Der Schuldspruch wegen Untreue im Fall IV.7 der Urteilsgründe erweist sich als rechtsfehlerhaft. Die getroffenen Feststellungen belegen kein täterschaftliches Handeln des Angeklagten N. , da sich aus ihnen weder die konkrete Verletzung einer bestehenden Vermögensbetreuungspflicht noch die allgemeinen Voraussetzungen der Täterschaft (§ 25 StGB) ergeben.
132
a) Täter der Untreue kann aufgrund des Sonderdeliktscharakters nur derjenige sein, dem eine in Bezug auf das geschädigte Vermögen bestehende Betreuungspflicht zukommt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 13. März 2013 - 2 StR 474/12, NStZ 2013, 472, 473). Der Schluss des Landgerichts, dass N. einer derartigen Pflicht zuwider handelte, wird von den Urteilsgründen nicht getragen.
133
aa) Wie im Rahmen der Revision von D. dargelegt, sind die durch § 266 Abs. 1 StGB strafrechtlich geschützten Treueverhältnisse auf die Fälle zu beschränken, in denen für den Betreuenden eine besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen begründet wird. Dabei kann eine vertragliche Beziehung, die sich insgesamt als Treueverhältnis im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB darstellt, auch Verpflichtungen enthalten, deren Einhaltung nicht vom Untreuetatbestand geschützt wird (BGH, Beschluss vom 5. März 2013 - 3 StR 438/12, NJW 2013, 1615). Nicht jede vermögensmindernde Pflichtverletzung eines Vermögensbetreuungspflichtigen ist demnach bereits untreuerelevant, sondern nur der Verstoß gegen eine Pflicht, die gerade spezifisch dem Vermögensschutz dient (MüKoStGB/Dierlamm, 2. Aufl., § 266 Rn. 40; ders. in Kempf/Lüderssen/Volk, Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 201, 204). Maßgebend für die Abgrenzung sind Inhalt und Umfang der Treueabrede, wie sie sich aus den Vertragsvereinbarungen bei sachgerechter Auslegung ergibt (BGH, Urteile vom 30. Oktober1985 - 2 StR 383/85, NStZ 1986, 361, 362; vom 30. Oktober 1990 - 1 StR 544/90, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 17; Beschluss vom 11. August 1993 - 2 StR 309/93, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht

22).


134
bb) Nach diesen Maßstäben ist das Landgericht zunächst rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass dem Angeklagten aufgrund der rechtlichen Ausgestaltung seines Arbeitsverhältnisses eine im vorstehenden Sinne qualifizierte Stellung hinsichtlich des Vermögens der Nürburgring GmbH zukam. Diese folgte aus seiner Verpflichtungs- und Freigabebefugnis für Forderungen gegen die Nürburgring GmbH bis zu maximal 20.000 € und aus seiner Aufgabe, eingehende Rechnungen auf ihre inhaltliche und sachliche Richtigkeit zu prüfen, sowie der hiermit einhergehenden Möglichkeit, auf deren Auszahlung wesentlichen Einfluss zu nehmen.
135
Die Urteilsgründe belegen jedoch nicht, dass N. im Fall IV.7 der Urteilsgründe in diesem Pflichtenkreis tätig wurde: In die mit Me. getroffene Vereinbarung über die Erstattung des Aufwendungsersatzes, war N. nicht eingebunden. Soweit der Angeklagte im Rahmen der Zahlung des Betrages von 150.000 € involviert war, belegen die - missverständlich formulierten - Fest- stellungen lediglich, dass er diese vorbereiten ließ; freigegeben wurde die Auszahlung durch K. , der die auf Veranlassung von N. erstellte Auszahlungsanordnung unterschrieb. Dass N. über eine möglicherweise nur im Innenverhältnis zur Nürburgring GmbH wirkende Beschränkung die Zahlung von Beträgen über 20.000 € wirksam anweisen konnte, belegen die Urteilsgründe nicht. Offenbleiben kann in diesem Zusammenhang, in welchem Umfang N. Handlungsvollmacht eingeräumt war; denn den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen , dass der Angeklagte mit der "Anweisung" gegenüber De. , den Geldbetrag "zu überweisen", in dem ihm hierdurch eröffneten Aufgabenbereich agierte. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass N. Leiter der von ihm aufgebauten Controlling-Abteilung der Nürburgring GmbH war; die Feststellungen lassen offen, welche konkreten Aufgaben und Entscheidungsspielräume sich für den Angeklagten hierdurch ergaben.

136
Da die inhaltlich unrichtige Rechnung der I. GmbH vom 15. Juni 2009 erst nach der Überweisung bei der Nürburgring GmbH einging, kann schließlich auch eine inhaltliche Bestätigung der Rechnung durch N. - ungeachtet der hierzu fehlenden Feststellungen - nicht ursächlich für die Auszahlung geworden sein; da sich die Urteilsgründe nicht dazu verhalten, ob und ggf. durch wen die Rechnung vom 15. Juni 2009 inhaltlich und sachlich bestätigt worden war, ergibt sich schon deshalb auch unter dem Gesichtspunkt einer von N. (mit)bewirkten falschen Buchführung (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2010 - 2 StR 111/09, NJW 2010, 3458, 3460 mwN; BGH, Beschluss vom 26. April 2001 - 5 StR 587/00, BGHSt 47, 8, 11 mwN; Urteil vom 7. Dezember 1965 - 5 StR 312/65, BGHSt 20, 304; MüKoStGB/Dierlamm, 2. Aufl., § 266 Rn. 191, 227) keine Pflichtverletzung im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB.
137
b) Die getroffenen Feststellungen belegen darüber hinaus auch nicht die allgemeinen Voraussetzungen der Täterschaft.
138
aa) Auch wenn man annimmt, N. habe in dem seine Vermögensbetreuungspflicht begründenden Pflichtenkreis gehandelt, verwirklichte er die Tat nicht im Sinne von § 25 Abs. 1 StGB selbst. Soweit er De. zu der sog. Blitzüberweisung aufforderte, lag hierin keine Aufforderung, die Überweisung unmittelbar auszuführen. Diese setzte nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe vielmehr das Vorhandensein einer unterschriebenen Auszahlungsanordnung voraus. Dass De. diese Unterschrift leisten konnte oder nach der Vorstellung von N. hätte leisten sollen, zeigen die Urteilsgründe nicht auf; hiergegen spricht auch, dass angesichts der Höhe der Zahlung auch der De. in der Hierarchie übergeordnete N. zur Unterschrift weder befugt noch willens war. Mit der bloßen Aufforderung an De. , die Überweisung vorzubereiten, war die Wahrscheinlichkeit einer späteren Auszahlung indes noch nicht in einem Maße gestiegen, dass hierin bereits eine tatbestandliche schadensgleiche Vermögensgefährdung gesehen werden kann. Entsprechendes gilt für die spätere Vorlage der Auszahlungsanordnung von N. an K. zur Unterschrift, zumal N. hierbei noch explizit auf seine Bedenken gegen den Vorgang hinwies und gegenüber seinem Vorgesetzten die Auszahlung zu verhindern suchte. Dass N. nach der Vorlage der Auszahlungsanordnung noch an dem weiteren Geschehen beteiligt war, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Nach alledem erschöpfte sich der eigene Beitrag von N. in bloßen Unterstützungshandlungen.
139
bb) Auch eine Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) von N. wird von den Urteilsgründen nicht belegt. Ein mittäterschaftliches Handeln ist gegeben, wenn ein Tatbeteiligter mit seinem Beitrag nicht bloß fremdes tatbestandsverwirklichendes Tun fördern will, sondern dieser Beitrag im Sinne arbeitsteiligen Vorgehens Teil einer gemeinschaftlichen Tätigkeit sein soll. Dabei muss der Beteiligte seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen. Der gemeinschaftliche Tatentschluss kann durch ausdrückliche oder auch durch konkludente Handlungen gefasst werden. Ob ein Beteiligter ein derart enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte für diese Beurteilung können der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille hierzu sein, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. Mai 2015 - 3 StR 575/14, BGHR VStGB § 6 Mittäter 1; vom 23. März 1994 - 3 StR 664/93, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 16). Die Annahme von Mittäterschaft erfordert allerdings nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen; es kann sogar ein Beitrag im Vorbereitungsstadium des unmittelbar tatbestandlichen Handelns (BGH, Beschluss vom 19. August 2014 - 3 StR 326/14, juris Rn. 7) und ein solcher im Stadium zwischen Vollendung und Beendigung der Tat (BGH, Beschluss vom 14. Juni 1989 - 3 StR 156/89, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 5) genügen.
140
Nach diesen Maßstäben begegnet die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Allein seine Kenntnis von der Tatbegehung durch D. und K. kann eine Mittäterschaft nicht begründen. Die festgestellten Tatbeiträge bestanden ausschließlich in Unterstützungshandlungen, welche L. oder K. ohne weiteres selbst hätten vornehmen können. Schließlich ist in den Blick zu nehmen , dass N. ersichtlich kein eigenes Interesse am Taterfolg verfolgte; denn er stellte sich von Beginn an gegen die Forderung von Me. und tat dies sowohl seinem Vorgesetzen L. als auch dem in der Unternehmenshierarchie an der Spitze stehenden K. unter Darstellung seiner Bedenken kund. Selbst wenn N. eine Vermögensbetreuungspflicht oblegen haben sollte, führt dies weder allein (vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 2008 - 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428; Urteil vom 17. September 2009 - 5 StR 521/08, NJW 2010, 92, 97; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, 10. Aufl., § 45 Rn. 21; MüKoStGB/Joecks, 2. Aufl., § 25 Rn. 186; SK-StGB/Hoyer, 32. EL, § 25 Rn. 21 ff.; aA Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 355 ff.; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 25 Rn. 39 ff., 43 f.; S/S-Heine/Weißer, StGB, 29. Aufl., Vor § 25 Rn. 82; SSW-StGB/Saliger, 2. Aufl., § 266 Rn. 107) noch in der Zusammenschau mit den weiteren seine Beteiligung kennzeichnenden Umstände zu einem anderen Ergebnis. Dies gilt auch dann, wenn man dem Tatrichter bei der vorzunehmenden Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe einen Beurtei- lungsspielraum zubilligen wollte, der nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung zugänglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254). Dieser wäre hier jedenfalls überschritten.
141
c) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass trotz des Charakters der Untreue als Sonderdelikt nicht offenbleiben können wird, ob einer täterschaftlichen Verurteilung von N. bereits die allgemeinen Voraussetzungen der (Mit-)Täterschaft oder auch seine im konkreten Fall möglicherweise fehlende qualifizierte Stellung zum Vermögen der Nürburgring GmbH entgegenstehen. Die nach § 266 Abs. 1 StGB erforderliche Vermögensbetreuungspflicht ist ein strafbegründendes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB (BGH, Beschlüsse vom 12. Juli 1994 - 1 StR 300/94, StV 1995, 73; vom 8. Januar 1975 - 2 StR 567/74, BGHSt 26, 53); ihr Fehlen begründet einen zwingenden Strafmilderungsgrund. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine weitere Milderung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben derjenigen nach § 27 Abs. 2 StGB aber dann nicht geboten , wenn die Verurteilung wegen Beihilfe allein darauf beruht, dass das strafbarkeitsbegründende persönliche Merkmal bei dem Tatbeteiligten nicht vorliegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2015 - 4 StR 476/14, wistra 2015, 146; vom 6. März 2013 - 5 StR 66/13; vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12, NJW 2013, 949, 950; vom 8. Januar 1975 - 2 StR 567/74, BGHSt 26, 53).
142
2. Auch im Fall IV.8 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen den Schuldspruch wegen Untreue nicht, weil sie weder eine Vermögensbetreuungspflichtverletzung von N. noch einen hierdurch eingetretenen Vermögensnachteil belegen. Hinsichtlich des von der Strafkammer nicht ausreichend dargelegten Vermögensnachteils gelten die insoweit zur Revision von D. dargelegten Gründe entsprechend. Zur Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht gilt Folgendes:
143
Wie bereits ausgeführt, liegt eine untreuerelevante Pflichtverletzung nur vor, wenn dem Täter eine zum Schutz des Vermögens des Geschädigten hervorgehobene Stellung zukommt und die von ihm konkret verletzte Pflicht auf den Pflichtenkreis zurückgeht, der diese Stellung begründet. Letzteres lässt sich anhand der Urteilsgründe nicht nachvollziehen. Diese teilen nicht mit, aufgrund welcher Umstände N. überhaupt an der Zahlungsvereinbarung beteiligt war. Ihnen ist auch nicht zu entnehmen, aus welchem Grunde N. mit der Vertretungsmacht ausgestattet war, die Nürburgring GmbH durch die Zahlungsvereinbarung zu verpflichten. Dies könnte aufgrund der ihm erteilten Handlungsvollmacht der Fall gewesen sein, ebenso könnte er durch eine einzelfallbezogene Entscheidung seiner Vorgesetzten hinzugezogen und ihm (ggf. konkludent ) Einzelvollmacht erteilt worden sein. Hinsichtlich der bestehenden Handlungsvollmacht bleibt jedoch in den Urteilsgründen offen, ob der Abschluss der Zahlungsvereinbarung von dieser überhaupt umfasst sein konnte. Der Begriff der Handlungsvollmacht ist inhaltlich offen und enthält keinen aus sich heraus bestimmbaren Umfang der Vollmacht. Dieser wird alleine vom Vollmachtgeber festgelegt. Auch § 54 HGB kodifiziert lediglich eine speziell geregelte Rechtsscheinhaftung (Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 54 Rn. 9; Ebenroth /Boujong/Joost/Strohn/Weber, HGB, 3. Aufl., § 54 Rn. 1), deren Umfang indes vom Inhalt der erteilten Vollmacht abhängt (Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 54 Rn. 10), und unterscheidet drei typisierte, in ihrem Umfang wesentlich differierende Varianten der Handlungsvollmacht (Ebenroth /Boujong/Joost/Strohn/Weber, HGB, 3. Aufl., § 54 Rn. 10 ff.). Nähere Feststellungen hierzu hat das Landgericht nicht getroffen. Sie lassen sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen und ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass N. mit seiner Unterschrift unter die Zahlungsvereinbarung "als Financial Controller und Handlungsbevollmächtigter der Nürburgring GmbH" der Vereinbarung zustimmte. Sollte N. hingegen aufgrund einer (konkludent) erteilten Einzelvollmacht tätig geworden sein, belegt auch dies angesichts des Zusammenwirkens mit L. als seinem Vorgesetzten noch nicht ohne weiteres den im Rahmen von § 266 Abs. 1 StGB erforderlichen eigenverantwortlichen Entscheidungsspielraum.
144
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen IV.7 und 8 der Urteilsgründe bedingt den Wegfall der verhängten Einzelstrafen und des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Der Aufhebung der Feststellungen bedarf es im Fall IV.8 der Urteilsgründe über den sich aus den Revisionen von D. und K. ergebenden Umfang hinaus auch im Hinblick auf die Umstände, welche die Vermögensbetreuungspflicht von N. begründen.
145
4. Im Übrigen hat die auf die Sachrüge gebotene sachlichrechtliche Überprüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil von N. ergeben. Über die in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgezeigten Gründe hinaus bedarf es lediglich im Fall IV.3 der Urteilsgründe des im Rahmen der Revision von K. näher ausgeführten Hinweises, dass die Begleichung der Rechnung der I. GmbH vom 22. September 2008 und damit auch deren sachliche und inhaltliche Bestätigung bereits außerhalb des einem Geschäftsführer einzuräumenden unternehmerischen Entscheidungsspielraums lag. Auf die Frage, ob N. bewusst war, dass der Aufsichtsrat bei der Entscheidung übergangen worden war, kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht an.
Becker RiBGH Pfister ist in den Schäfer Ruhestand getreten und daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 2 0 6 / 1 3
vom
28. Mai 2014
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja [nur zu I. und IV.]
Veröffentlichung: ja
1. § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 StGB erfasst auch Subventionen, die nicht
nur Betrieben und Unternehmen, sondern auch Privatpersonen gewährt
werden können.
2. § 4 SubvG enthält subventionserhebliche Regelungen im Sinne des §
264 Abs. 8 Nr. 2 StGB.
BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 - 3 StR 206/13 - LG Hildesheim
in der Strafsache
gegen
wegen Subventionsbetrugs
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 28. Mai
2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 19. Dezember 2012
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Subventionsbetrugs und des Subventionsbetrugs in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist;
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Subventionsbetrugs in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt und bestimmt, dass zwei Monate dieser Strafe als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gelten. Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten, die den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg erzielt. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte - ein Steuerberater und vereidigter Buchprüfer - Gesellschafter der E. /D. sowie der GmbH (nachfolgend: WuG GmbH), der Komplementärin der (nachfolgend WuG KG). Im Dezember 1998 erwarben die E. /D. und die WuG KG in H. Eigentum an identisch gestalteten Wohnkomplexen mit jeweils 115 Mietwohnungen. Während sich zunächst der Verkäufer verpflichtet hatte, die erforderlichen Sanierungsarbeiten im Wert von rund 5,2 Mio. DM pro Komplex durchzuführen, kamen die Parteien im Juni 2000 überein, dass die noch ausstehenden Arbeiten von den jeweiligen Käufern selbst durchgeführt werden sollten. Auf der Grundlage eines Angebots des die bisherigen Sanierungsarbeiten durchführenden Unternehmens in Höhe von brutto 981.000,40 DM je Komplex gaben im Oktober 2000 beide Gesellschaften Teilarbeiten in einem Volumen von jeweils 400.000 DM in Auftrag.
3
Während der Durchführung dieser Arbeiten "erfuhr der Angeklagte von der Möglichkeit, im Rahmen des Förderprogramms 'Wohnen 2001' Fördermittel für Sanierung und Modernisierung von Wohnraum zu erhalten. [… Er ent- schloss sich] gemeinsam mit dem früheren Mitangeklagten E. im Rahmen der Fortführung der begonnen Sanierungsmaßnahmen an den beiden Bauvorhaben die Firmen RU und RW […] zwischenzuschalten, um die Baukosten 'auf dem Papier' zu erhöhen, um so überhöhte Fördermittel zu erschleichen." Bei der RU GmbH sowie der RW GmbH handelte es sich um Immobiliengesellschaften , die tatsächlich vom Angeklagten gesteuert wurden, deren Geschäftsführung - ebenso wie die der WuG GmbH bis zum 14. Dezember 2001 - formal jedoch D. R. , eine frühere Angestellte des Angeklagten in dessen Steuerberatungsgesellschaft, innehatte. Zur Tatzeit war D. R. als Studentin eingeschrieben, betrieb das Studium jedoch nie ernsthaft. Aus ihrer Geschäftsführertätigkeit bezog sie keine Einkünfte, wurde vielmehr vom Ange- klagten "mit monatlich 2.000 €" unterstützt.
4
In Umsetzung des Plans machten die WuG KG und die E. /D. GbR mit Anträgen vom 25. Juni 2001 unter identischer Aufstellung von Baukosten im Umfang von jeweils 3.464.500 DM beim Landesförderinstitut SachsenAnhalt Fördermittel geltend, die antragsgemäß in Höhe von jeweils 699.114,95 € bewilligt wurden. Die Anträge waren für die WuG KG von D. R. , für die E. /D. GbR von den beiden Gesellschaftern unterzeichnet worden. Nach einer Korrektur hinsichtlich eines Teils der Baukosten im Rahmen der Vorlage der Schlussrechnungen wurden die Bewilligungen auf jeweils 621.292,09 € gekürzt und- nach Abzug von Bearbeitungsgebühren - bis Juli 2003 an beide Gesellschaften je 609.252,13 € ausbezahlt.Tatsächlich waren nur Baukosten in Höhe von 610.650 € je Objekt entstanden. Ausgehend von der höchst möglichen Förderquote von 50% stand demnach beiden Gesell- schaften lediglich ein Förderbetrag in Höhe von jeweils 305.325 € zu (Fälle 1 und 2).
5
Am 26. November 2003 beantragte die WuG KG beim Finanzamt H. für das Jahr 2002 eine Investitionszulage. Auch insoweit machte der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer - der Antrag selbst ist von der Ehefrau des Angeklagten unterschrieben, die D. R. als Geschäftsführerin der Komplementärin abgelöst hatte - bis 31. Oktober 2002 entstandene Baukosten in Höhe von 1.615.725 € geltend und erreichte dadurch die Festsetzung und Auszahlung einer Zulage in Höhe von 167.048,80 €. Bei ordnungs- gemäßer Angabe der Baukosten in Höhe von 610.650 € hätte sich eine Zulage von 91.214,10 € errechnet, mithin ein um 75.833,70 € geringerer Betrag (Fall

3).


6
II. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht. Die Taten sind nicht verjährt, § 78 Abs. 1 Satz 1 StGB. Der Lauf der für Vergehen nach § 264 Abs. 1 StGB geltenden Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) beginnt gemäß § 78a Satz 1 StGB, sobald die Tat beendet ist. Die Tatbeendigung liegt in den Fällen des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB indes nicht schon in der Einreichung des Subventionsantrags. Vielmehr tritt sie erst mit der Zahlung der Subvention an den Begünstigten ein, bei Ausreichung in Teilbeträgen mit Eingang der letzten Rate (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 - 5 StR 467/06, NStZ 2007, 578, 579; NK-StGB-Hellmann, 4. Aufl., § 264 Rn. 182a; SSWStGB /Saliger, 2. Aufl., § 264 Rn. 41; aA OLG München, Urteil vom 22. Februar 2006 - 5St RR 12/06, NStZ 2006, 630, 631). Begann demnach in den Fällen 1 und 2 die Verjährungsfrist erst im Juli 2003, im Fall 3 erst im November 2003 zu laufen, so wurde diese - wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat - durch die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse vom 20. Juni 2006 und 20. September 2007 rechtzeitig unterbrochen und war absolute Verjährung (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, § 78b Abs. 4, § 78c Abs. 3 Satz 2 und 3 StGB) vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils (§ 78b Abs. 3, § 78c Abs. 3 Satz 3 StGB) nicht eingetreten.
7
III. Den Verfahrensbeanstandungen bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt.
8
IV. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Subventionsbetrugs. Lediglich die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Taten bedarf der Korrektur.
9
1. Bei den beantragten und bewilligten Fördermitteln handelte es sich um Subventionen im Sinne des § 264 Abs. 7 Satz 1 StGB. Abzustellen ist insoweit auf § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 StGB, denn die gewährten Leistungen hatten ihre Grundlage im nationalen Recht: in den Fällen 1 und 2 in den Regelungen der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Modernisierung und Instandsetzung von vermietetem oder vermietbarem Wohnraum in den Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf 'die soziale Stadt' sowie weiteren Quartieren und großen Wohngebieten (nachfolgend: Wohnen 2001 Richtlinie), die ihrerseits an das Gesetz zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft und zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums in den neuen Ländern (Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost) vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944, 982 f.) anknüpft, und im Fall 3 im Investitionszulagengesetz 1999 (nachfolgend: InvZulG 1999).
10
Nach § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB soll die Leistung wenigstens zum Teil der Förderung der Wirtschaft dienen. Mit dieser Regelung beabsichtigte der Gesetzgeber, die durch § 264 StGB gegenüber § 263 StGB bewirkte Vorverlagerung der Strafbarkeit in einen Gefährdungstatbestand, der selbst leichtfertiges Handeln einschließt, auf den Bereich zu beschränken, für den ein unabweisbares Bedürfnis für den verstärkten Strafschutz gesehen wurde (BT-Drucks. 7/5291, S.10). Insbesondere sollten Sozialleistungen nicht erfasst werden, deren ungerechtfertigte Erschleichung wegen des im Gegensatz zum Wirtschaftssektor regelmäßig leichter durchschaubaren Sachverhalts einfacher nachzuweisen ist und deshalb vom Betrugstatbestand ausreichend zuverlässig abgedeckt wird (BT-Drucks. aaO, S. 11). Da aber mit der Vergabe von Fördermitteln oftmals mehrere Zwecke verfolgt werden, reicht es für die Anwendbarkeit des Subventionsbetrugstatbestandes aus, dass diese "wenigstens zum Teil" der Wirtschaftsförderung dienen soll. Lediglich ein ganz entfernter Bezug zur Wirtschaft soll nicht genügen (BT-Drucks. aaO).
11
Welche Zwecke mit einer Leistung verfolgt werden, ist mittels Auslegung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen zu ermitteln (LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 264 Rn. 67; Eberle, Der Subventionsbetrug nach § 264 StGB - Ausgewählte Probleme einer verfehlten Reform, 1983, S. 99 ff.). Wenn nach Nr. 2 der Wohnen 2001 Richtlinie Gegenstand der Förderung Maßnahmen zur Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse sind und nach § 3 Abs. 1 InvZulG 1999 Investitionen an Wohnraum nur dann begünstigt werden, wenn dieser nach Durchführung der Arbeiten fünf Jahre lang entgeltlich überlassen wird, kann nicht fraglich sein, dass die verfahrensgegenständlichen Leistungen soziale Zwecke verfolgten. Sie beschränkten sich allerdings nicht hierauf: denn § 3 Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost bestimmt ausdrücklich, dass die Finanzmittel zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft und zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums bereitgestellt werden. Entsprechendes gilt für § 3 InvZulG 1999, der an § 3 Fördergebietsgesetz vom 23. September 1993 (BGBl. I 1993, 1654) anknüpft und wie dieser das Ziel verfolgt, den wirtschaftlichen Umbruch nach der Wiedervereinigung abzufedern (vgl. 19. Subventionsbericht der Bundesregierung vom 1. Oktober 2003, S. 32). Daraus wird deutlich, dass die maßgeblichen Förderungen vor allem auch der Wirtschaft galten, sei es der mit den Arbeiten beauftragten Bauwirtschaft, sei es dem Erhalt der Wirtschaftsstruktur insgesamt. Dieser teilweise der Wirtschaftsförderung dienende Zweck genügt. Da es sich hierbei um einen Endzweck im Gegensatz zu dem in der Erreichung eines bestimmten Verhaltens des Subventionsempfängers liegenden Primärzweck handelt, bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob nur solche Endzwecke von § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 StGB erfasst werden (so LK/Tiedemann aaO, § 264 Rn. 64; S/S-Perron, StGB, 29. Aufl., § 264 Rn. 18; NK-StGB-Hellmann aaO, § 264 Rn. 39; Eberle aaO, S. 95 ff.; SSW-StGB/Saliger aaO, § 264 Rn. 13; vgl. auch BGH, Urteil vom 5. September 1989 - 1 StR 291/89, NStZ 1990, 35, 36) oder ob jeder mit der Leistung angestrebte Zweck ausreicht, auch wenn er lediglich eine Bedingung für das gewünschte Ziel darstellt (so MüKoStGB/Wohlers/Mühlbauer, 2. Aufl., § 264 Rn. 45; SK-StGB/Hoyer, 67. Lfg., § 264 Rn. 34 ff.).
12
Schließlich handelte es sich bei den die Leistungen empfangenden Gesellschaften auch um Betriebe im Sinne des § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 StGB; denn sie bildeten nicht nur vorübergehend organisatorisch zusammengefasste Einheiten unter einheitlicher Leitung zu dem arbeitstechnischen Zweck, bestimmte Leistungen hervorzubringen oder zur Verfügung zu stellen (vgl. S/SPerron aaO, § 14 Rn. 28 f.). Damit ist § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 StGB Genüge getan. Dessen Anwendbarkeit steht nicht entgegen, dass die verfahrensgegenständlichen Fördermittel dem Grunde nach auch Privaten offenstanden (so auch Eberle aaO, S. 69; SK-StGB/Hoyer aaO, § 264 Rn. 32). Soweit demgegenüber unter Bezugnahme auf den gesetzgeberischen Willen vertreten wird, dass nur solche Leistungen erfasst würden, die ausschließlich Betrieben und Unternehmen zugutekommen können (so Sannwald, Rechtsgut und Subventionsbegriff (§ 264 StGB), 1982, S. 124 f.; G/J/W-Straßer, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 264 Rn. 29; Carlsen, AgrarR 1978, 267, 268; LK/Tiedemann aaO, § 264 Rn. 54; S/S-Perron aaO, § 264 Rn. 21), kann dem nicht gefolgt werden. Mit der Einschränkung des Empfängerkreises wollte der Gesetzgeber lediglich eine zusätzliche Schranke errichten, um Sozialleistungen für unterstützungsbedürftige Einzelpersonen aus dem Anwendungsbereich der Norm auszuschließen (BT-Drucks. aaO, S. 12). Die Notwendigkeit hierzu ergab sich aber schon daraus, dass auch Sozialleistungen zugleich wirtschaftsfördernde Zwecke erfüllen können (zum Beispiel des Kurzarbeitergeldes s. Eberle aaO, S. 105 f.; LK/Tiedemann aaO, § 264 Rn. 67). Dass diese Überlegung die vorliegende Konstellation nicht erfasst und die Investitionszulagen auch gegenüber einer Privatperson keine Sozialleistung zu deren Gunsten darstellen, führt deshalb dazu, auch die auf entsprechender Grundlage an Betriebe geleisteten Mittel nicht aus dem Subventionsbegriff des § 264 Abs. 7 Nr. 1 StGB auszunehmen.
13
2. Bei den Angaben zu den Baukosten handelte es sich auch um subventionserhebliche Tatsachen im Sinne des § 264 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 8 StGB. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob der in den jeweiligen Antragsformularen enthaltene Hinweis, wonach alle Angaben in bestimmten Anlagen subventionserheblich seien, zu pauschal war, um den Anforderungen des § 264 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 StGB zu genügen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11. November 1998 - 3 StR 101/998, BGHSt 44, 233, 238). Denn jedenfalls die Voraussetzungen des § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB sind erfüllt. Dessen Anwendbarkeit steht zunächst nicht entgegen, dass vorliegend eine ausdrückliche Bezeichnung von Tatsachen als subventionserheblich gemäß § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB möglich und gewollt, aber möglicherweise unzureichend vorgenommen worden war (vgl. OLG München, Beschluss vom 1. Juli 1981 - 2 Ws 668/81, NJW 1982, 457, 458). Die Bewilligung der hier in Rede stehenden Subventionen hing auch von einem Gesetz ab. Zwar fehlt es hieran regelmäßig, soweit die Vorschriften der Verwaltung einen Ermessensspielraum einräumen (BGH, Urteil vom 11. November 1998 - 3 StR 101/98, aaO, 241). Das war bezüglich der hier maßgeblichen subventionserheblichen Tatsachen indes nicht der Fall. Dies folgt zum einen unmittelbar aus § 3 InvZulG 1999, der die Voraussetzungen aufzählt, bei deren Vorliegen die Zulage zwingend zu gewähren ist und deren Bemessung gesetzlich festlegt (§ 3 Abs. 4 InvZulG). Aber auch in den Fällen 1 und 2 stand lediglich die Entscheidung über die Bewilligung im Ermessen der zuständigen Behörde, nicht jedoch die Entscheidung über deren Höhe, die sich prozentual an den tatsächlichen Baukosten zu orientieren hatte. Die dies regelnden Bestimmungen der maßgeblichen Richtlinie sind zwar weder Gesetz im formellen noch im materiellen Sinne (hierzu S/S-Lenckner/Perron aaO, § 264 Rn. 33, 36). Das Verbot der Subventionierung über den tatsächlichen Bedarf hinaus folgt jedoch zwingend bereits aus § 4 SubvG, der gemäß § 1 SubvG-LSA Anwendung findet. Auf diese Bestimmungen wurde unter Ziffer 7.8 des Antragsformulars im Übrigen ausdrücklich hingewiesen.
14
Die Voraussetzungen des § 4 SubvG sind rechtsfehlerfrei festgestellt. Dabei kann der Senat offenlassen, ob in der Zwischenschaltung mehrerer Gesellschaften mit der Strafkammer ein Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 SubvG gesehen werden kann, der grundsätzlich die Gewährung von Subventionen insgesamt ausschließt. Es besteht keine Verpflichtung des Bauherrn, die Arbeiten an die unmittelbar Ausführenden selbst zu vergeben. Dieses Vorgehen widerspricht für sich betrachtet weder dem Subventionszweck noch werden hierdurch die förmlichen Voraussetzungen für eine Subventionsgewährung künstlich geschaffen, § 4 Abs. 2 Satz 2 und 3 SubvG. Die Feststellungen tragen aber jedenfalls die Annahme eines Scheingeschäfts im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 SubvG, § 117 Abs. 1 BGB. Ein solches ist anzunehmen, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem Geschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen, den Parteien also der Geschäftswille fehlt (BGH, Urteil vom 25. Oktober1961 - V ZR 103/60, BGHZ 36, 84, 87 f.; BFH, Urteil vom 21. Oktober 1988 - III R 194/84, BStBl II 1989, 216). So liegt der Fall hier. Die zwischengeschalteten Unternehmen sollten nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien keine Leistungen erbringen. Dass tatsächlich Schriftverkehr unter den Briefköpfen dieser Unternehmen geführt wurde, hat das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht als Erfüllung einer geschuldeten Generalübernehmertätigkeit, sondern als Teil des nach außen aufgebauten Täuschungsszenarios gewürdigt.
15
3. Die das Scheingeschäft ausmachenden Angaben stellen sich dementsprechend nach § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB als unrichtig im Sinne von nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmend dar (vgl. LK/Tiedemann aaO, § 264 Rn. 96). Maßgeblich war vielmehr der verdeckte Sachverhalt, § 4 Abs. 1 Satz 2 SubvG. Der Angeklagte handelte auch jeweils täterschaftlich. Insoweit gilt:
16
§ 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist kein Sonderdelikt. Täter kann mithin nicht nur der Subventionsnehmer bzw. dessen gesetzlicher Vertreter (§ 14 Abs. 1 StGB), sondern jedermann sein (BGH, Urteil vom 28. April 1981 - 5 StR 692/80, NJW 1981, 1744, 1745). Dabei gelten für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei Personen, die im Lager des Subventionsempfängers stehen, die allgemeinen Regeln (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 1986 - 3 StR 103/86, NStZ 1986, 463 zum wortgleichen § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO; MüKoStGB/Wohlers/Mühlbauer aaO, § 264 Rn. 49). Es kommt mithin nicht darauf an, ob der Angeklagte auch gegenüber D. R. als faktischer (Mit)Geschäftsführer der Komplementärin der WuG KG anzusehen war. Denn jedenfalls war er hinsichtlich der Antragstellung entscheidungskompetent (hierzu Eberle aaO, S. 136), so dass das Landgericht in Fall 2 zu Recht das vorsätzliche Handeln der D. R. - Unterzeichnung des Bewilligungsantrags der WuG KG - dem Angeklagten gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet hat.
17
Dagegen ist die - aus der Liste der angewandten Vorschriften zu erschließende - Annahme von Mittäterschaft in Fall 3 nicht belegt, da die Strafkammer keine Feststellungen zum Vorstellungsbild der Ehefrau des Angeklagten getroffen hat. Im Falle deren Gutgläubigkeit wäre allerdings mittelbare Täterschaft gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB zu bejahen, deren Annahme auch bei § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB nichts im Wege stünde (BGH, Urteil vom 28. April 1981 - 5 StR 692/80, NJW 1981, 1744, 1745). Da die verschiedenen Täterschaftsformen auf einer im Wesentlichen gleichen Bewertungsebene liegen, ist eine wahlweise Feststellung, die den Schuldspruch unberührt lässt, zulässig (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1969 - 1 StR 339/69, BGHSt 23, 203, 208). Soweit ein Hinweis gemäß § 265 StPO für erforderlich gehalten wird (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1957 - 1 StR 318/57, BGHSt 11, 18, 19), vermag der Senat auszuschließen, dass sich der Angeklagte, der unabhängig vom Vorstellungsbild seiner Ehefrau nach den Feststellungen als faktischer Geschäftsführer die treibende Kraft war, anders als geschehen hätte verteidigen können.
18
4. Als rechtsfehlerhaft erweist sich allerdings die Annahme des Landgerichts , die Fälle 1 und 2 stünden zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB). Davon ist zwar grundsätzlich bei der Begehung mehrerer Subventionsbetrugstaten durch aktives Tun auszugehen. Nach der zum Steuerstrafrecht gefestigten Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 1985 - 1 StR 583/84, BGHSt 33, 163; zustimmend G/J/W-Rolletschke aaO, § 370 AO Rn. 554), die angesichts der Vergleichbarkeit der Vorgänge auf den Subventionsbetrug zu übertragen ist, liegt jedoch Tateinheit (§ 52 StGB) im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit dann vor, wenn die Abgabe verschiedener Anträge in einem äußeren Vorgang zusammenfällt und in den jeweiligen Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben enthalten sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da sich die am selben Tag beim Bauordnungsamt der Stadt H. eingegangenen Bewilligungsanträge der WuG KG und der E. /D. GbR hinsichtlich der maßgeblichen Angaben zu den erwarteten Baukosten vollumfänglich deckten.
19
V. Die Änderung des Konkurrenzverhältnisses bedingt den Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen 1 und 2 (1 Jahr 8 Monate und 1 Jahr 4 Monate) und die Aufhebung der Gesamtstrafe. Darüber hinaus hat das Landgericht - was auch zur Aufhebung der in Fall 3 festgesetzten Einzelstrafe (8 Monate) führt - den bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt nicht erörtert, ob der Angeklagte etwaige berufsrechtliche Folgen gemäß § 57 Abs. 2 Satz 2, § 89 Abs. 2 und 3, § 90 Abs. 1 Nr. 4 und 5 StBerG unter dem Aspekt des möglichen Verlustes seiner wirtschaftlichen und beruflichen Basis zu gewärtigen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Februar 2010 - 4 StR 514/09, wistra 2010, 301, 302; vom 11. April 2013 - 2 StR 506/12, NStZ 2013, 522, jeweils zu § 114 BRAO).
20
Angesichts der reinen Wertungsfehler bedarf es einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch nicht. Ergänzende Feststellungen, die nicht in Widerspruch zu den bisher getroffenen treten, sind möglich.
Becker Pfister Hubert Mayer Spaniol

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja (zu 1. und 2.)
Veröffentlichung : ja
1. Bewirkt ein Sachbearbeiter des Finanzamtes durch die eigenhändig
vorgenommene Eingabe erfundener Daten in die EDV-Anlage
des Finanzamtes für fingierte Steuerpflichtige die Erstattung in
Wirklichkeit nicht vorhandener Steueranrechnungsbeträge (§ 36
Abs. 2 EStG), macht er sich wegen Untreue (§ 266 StGB) in Tateinheit
mit Steuerhinterziehung (§ 370 AO), nicht aber wegen
Computerbetruges (§ 263a StGB) strafbar.
2. Zinsen auf Steuererstattungsbeträge gemäß § 233a AO sind
Steuervorteile im Sinne von § 370 Abs. 1 AO (Abgrenzung zu
BGHSt 43, 381).
3. Bei einer aufgrund unrichtiger Angaben gegenüber den Finanzbehörden
erlangten Eigenheimzulage im Sinne des Eigenheimzulagengesetzes
vom 26. März 1997 (BGBl. I S. 734) handelt es
sich nicht um einen Steuervorteil im Sinne von § 370 Abs. 1 AO,
sondern um einen Vermögensvorteil im Sinne von § 263 StGB.
BGH, Urteil vom 6. Juni 2007 – 5 StR 127/07
LG Würzburg –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 6. Juni 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Juni
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Richterin
alsVertreterinderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 28. November 2006 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Verurteilung wegen Computerbetruges entfällt.
Der Schuldspruch wird wie folgt neu gefasst: Der Angeklagte ist schuldig des Betruges sowie der Untreue in Tateinheit mit Steuerhinterziehung in sechzehn Fällen, davon in neun Fällen in weiterer Tateinheit mit Urkundenfälschung.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das genannte Urteil wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges sowie wegen Untreue in Tateinheit mit Steuerhinterziehung und mit Computerbetrug in sechzehn Fällen, davon in neun Fällen in weiterer Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Es hat zudem im Urteilstenor zum Ausdruck gebracht, in welchen der sechzehn Fälle und wie oft die Tatbestände der Steuerhinterziehung und der Urkundenfälschung jeweils tateinheitlich verwirklicht wurden.
2
Die Revision des Angeklagten führt lediglich zum Wegfall der Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Computerbetruges (§ 263a StGB) und zur Neufassung des Schuldspruchs. Im Übrigen haben sein Rechtsmittel und die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, keinen Erfolg.

I.


3
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Der nicht vorbestrafte Angeklagte war seit 1981 beim Finanzamt Würzburg als Finanzbeamter tätig. Dabei hatte er unter anderem in der elektronischen Datenverarbeitung des Finanzamtes die „Grundinformationsdaten“ von Steuerpflichtigen wie Name, Anschrift und Bankverbindung zu erfassen.
5
a) Um für sich nicht gerechtfertigte Steuervorteile zu erlangen, reichte der Angeklagte in der Zeit von Februar 2003 bis Juni 2006 beim Finanzamt Würzburg an acht verschiedenen Tagen für drei nicht existente Steuerpflichtige insgesamt fünfzehn Einkommensteuererklärungen ein, die er mit den Namen der von ihm erfundenen Personen unterschrieben hatte. Den Inhalt von dreizehn dieser Steuererklärungen, die sich auf die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2005 bezogen, gab er an neun verschiedenen Tagen selbst in die Datenverarbeitungsanlage des Finanzamtes ein und veranlasste deren elektronische Verarbeitung. Zwei der Erklärungen ließ er von nicht in sein Vorhaben eingeweihten Mitarbeitern der Datenerfassungsstelle eingeben. Die Angaben in den Steuererklärungen hatte der Angeklagte – z. B. durch Geltendmachung von erheblichen Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit, Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen sowie von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung oder aus anderen Veranlagungszeiträumen – jeweils so gewählt, dass die danach festzusetzenden Einkommensteuerbeträge niedriger waren als die als einbehaltene Lohn- oder Kapitalertragsteuer erklärten Steueranrechnungsbeträge, so dass sich jeweils Erstattungsbeträge ergaben. Wie vom Angeklagten beabsichtigt, wurden aufgrund dieser Erklärungen fünfzehn Steuerbescheide mit Erstattungsbeträgen erlassen. An zwei der genannten und sieben weiteren Tagen änderte der Angeklagte in der Datenverarbeitungsanlage die Daten, die bereits zu einer antragsgemäßen Veranlagung geführt hatten, ohne hierfür weitere Steuererklärungen einzureichen, und bewirkte so den Erlass von fünfzehn Änderungsbescheiden, die wiederum Erstattungsbeträge auswiesen. In allen dreißig Fällen erstattete die Finanzkasse die sich hieraus ergebenden, scheinbar zuviel bezahlten Beträge an Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag sowie Zinsen in Höhe von insgesamt 173.837,56 Euro. Aufgrund der von dem Angeklagten bei der Datenerfassung eingegebenen Daten wurden die Auszahlungsbeträge auf Bankkonten seiner Schwiegermutter und seiner Ehefrau überwiesen, auf die der Angeklagte Zugriff hatte. Da die gefälschten Einkommensteuererklärungen in ihrem äußeren Erscheinungsbild keine Auffälligkeiten aufwiesen, wurden auch Erstattungsbeträge von über 5.000 Euro ausgezahlt, deren Freigabe dem Zeichnungsrecht des Sachgebietsleiters oblag.
6
b) Schließlich stellte der Angeklagte für eine nicht existierende Person, für die er bereits in den vorgenannten Fällen eine Steuernummer vergeben hatte, einen Antrag auf Gewährung einer Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz. Hierdurch erwirkte er im Februar 2005 den Erlass eines Bescheides über die Gewährung einer Eigenheimzulage für die Jahre 2001 bis 2006 und die Überweisung von Zulagebeträgen in Höhe von insgesamt 15.952,32 Euro auf ein Konto, auf das er Zugriff hatte.
7
2. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten im Hinblick auf die an insgesamt sechzehn Tagen vorgenommenen Eingaben unrichtiger Daten in die elektronische Datenverarbeitungsanlage des Finanzamts Würzburg als sechzehn Fälle der Untreue (§ 266 StGB) zum Nachteil des Freistaates Bayern und als jeweils tateinheitlich begangenen Computerbetrug (§ 263a StGB) gewertet. Darüber hinaus hat das Landgericht die Erstellung und Erfassung der dreißig Steuererklärungen für nicht existierende Personen mit anschließender Auszahlung von Erstattungsbeträgen durch die Finanzbehörde als Steuerhinterziehung (§ 370 AO) in dreißig Fällen eingestuft. Soweit der Angeklagte die Angaben aus mehreren Steuererklärungen am jeweils selben Tag in die Datenverarbeitungsanlage des Finanzamts eingab, hat das Landgericht die einzelnen Steuerhinterziehungen mit der durch die Eingabe der Daten jeweils zugleich begangenen Untreue insgesamt tateinheitlich zusammengefasst. Da der Angeklagte die Daten an neun der sechzehn Tage auf der Grundlage der fingierten Steuererklärungen erfasste, hat das Landgericht insoweit jeweils Urkundenfälschung in Tateinheit mit Untreue , Computerbetrug und Steuerhinterziehung angenommen.
8
Die mit falschen Angaben bewirkte Festsetzung und Auszahlung der Eigenheimzulagebeträge für die Jahre 2001 bis 2006 hat das Landgericht als einheitlichen Betrug gewertet.
9
3. Das Landgericht hat – im Wesentlichen ausgerichtet an der Schadenshöhe – siebzehn Einzelfreiheitsstrafen zwischen sieben Monaten und einem Jahr Freiheitsstrafe verhängt. Es hat – insbesondere im Hinblick auf die verursachten Schäden – jeweils besonders schwere Fälle der Untreue (§ 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 4 StGB), der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AO) und des Computerbetruges (§ 263a Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 4 StGB) sowie des Betruges (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 4 StGB) angenommen. Innerhalb der sich hieraus ergebenden Strafrahmen hat das Landgericht – außer im Fall des Betruges – strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte jeweils mehrere Strafgesetze verletzt hat. Als wesentlichen Strafmilderungsgrund hat es neben Teilschadenswiedergutmachung und einem von Schuldeinsicht geprägten Geständnis den Umstand gewertet, dass die Verurteilung des Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe in der festgesetzten Höhe zum Verlust seiner Amtsstellung führt.
II. Revision des Angeklagten
10
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zum Wegfall der Verurteilung wegen Computerbetruges. Sein weitergehendes Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
11
1. Der Schuldspruch der Untreue in Tateinheit mit Steuerhinterziehung in sechzehn Fällen, davon in neun Fällen in weiterer Tateinheit mit Urkundenfälschung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
12
a) Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Straftatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt hat. Der Angeklagte machte gegenüber dem Finanzamt Würzburg dadurch unrichtige Angaben, dass er für nicht existente Personen Einkommensteuererklärungen abgab und die von ihm erfundenen Beträge selbst in die Datenverarbeitungsanlage des Finanzamts eingab bzw. in zwei Fällen über vorsatzlos handelnde Kollegen eingeben ließ. Dadurch erlangte er in dreißig Fällen nicht gerechtfertigte Steuervorteile (§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 2 AO).
13
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH wistra 1998, 64; vgl. auch BGH wistra 1990, 58), der sich der Bundesfinanzhof angeschlossen hat (BFH BStBl II 2006, 356 [= BFHE 211, 19]), verwirklicht ein Finanzbeamter den Tatbestand der Steuerhinterziehung, wenn er tatsächlich nicht bestehende Steuerschuldverhältnisse fingiert und dadurch nicht gerechtfertigte Steuererstattungen erlangt (vgl. auch BayObLG wistra 1997, 313). Der Umstand, dass die Existenz bestimmter Steuerpflichtiger lediglich vorgetäuscht wird, steht der rechtlichen Einordnung des Verhaltens als Steuerhinterziehung nicht entgegen. Dies gilt nicht nur im Bereich der Vergütung von Vorsteuern (vgl. BGHSt 40, 109, 113; BGH wistra 2004, 309, 310; 2003, 20, 21), sondern auch für die Erstattung von Ertragsteuern (BGH wistra 1998, 64, 65; 1990, 58). So verhält es sich auch hier.
14
aa) Indem der Angeklagte für nicht existente Personen Einkommensteuererklärungen einreichte und fingierte Besteuerungsgrundlagen sowie tatsächlich nicht vorhandene Steueranrechnungsbeträge in der Datenverarbeitungsanlage erfasste, machte er jeweils gegenüber dem Finanzamt Würzburg unrichtige Angaben im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Die Vorschrift des § 370 AO setzt keine wirksame Steuererklärung voraus; ausreichend sind sonstige Bekundungen zum Zwecke der Steuerverkürzung oder zur Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile. Daher können auch formlose Erklärungen ohne Verwendung eines Steuerformulars, wie etwa mündliche Angaben, Tathandlungen für eine Steuerhinterziehung sein (vgl. BGHSt 25, 190, 203; BGH wistra 2003, 20, 21). Nichts anderes gilt, wenn Daten derart über ein Datenerfassungsgerät in die EDV der Finanzverwaltung eingespeist werden, dass sie in einem steuerlichen Verfahren Grundlage einer Steuerfestsetzung , -erhebung oder -erstattung werden (vgl. auch BFH aaO S. 358).
15
bb) Die unrichtigen Angaben des Angeklagten betrafen „steuerlich erhebliche Tatsachen“ im Sinne des § 370 Abs. 1 AO. Denn sie bezogen sich auf Besteuerungsgrundlagen sowie steuerliche Anrechnungsbeträge im Sinne von § 36 Abs. 2 EStG und sollten in den Verfahren der Steuerfestsetzung und Steuererhebung Verwendung finden.
16
cc) Der Angeklagte machte die unrichtigen Angaben gegenüber einer Finanzbehörde. Dem steht nicht entgegen, dass er selbst Mitarbeiter der Fi- nanzbehörde war und die Angaben damit nicht – wie im Regelfall der Steuerhinterziehung – von einer Person außerhalb der Finanzverwaltung stammten. Maßgeblich ist allein, dass die Angaben jeweils in einem steuerlichen Verfahren Verwendung finden sollten, unabhängig davon, ob das Verfahren erst mit den falschen Angaben eingeleitet wurde oder bereits vorher in Gang gesetzt worden war (vgl. BFH aaO S. 358).
17
dd) Täter einer Steuerhinterziehung in der hier einschlägigen Begehungsvariante (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) kann auch derjenige sein, den selbst keine steuerlichen Pflichten treffen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 38, 37, 41; BGH wistra 2007, 112, 113 m.w.N.). Ausreichend ist, dass er durch unrichtige Angaben auf ein steuerliches Verfahren Einfluss nimmt. Eine solche Einflussmöglichkeit hatte der Angeklagte bereits aufgrund der ihm durch seinen Dienstherrn zugewiesenen Aufgaben und der dadurch eröffneten Möglichkeit der Einwirkung auf die Datenverarbeitung der Finanzverwaltung im Rahmen der Steuerfestsetzung und -erhebung (vgl. auch BFH aaO S. 359).
18
ee) Das Landgericht hat den Umfang der von dem Angeklagten erlangten Steuervorteile zutreffend bestimmt. Mit Recht hat es sowohl die Steuererstattungen als auch die auf die Erstattungsbeträge gemäß § 233a Abs. 3 AO ausgezahlten Zinsen als nicht gerechtfertigte Steuervorteile gewertet.
19
(1) Insoweit ist es im Ergebnis ohne Bedeutung, ob es hier überhaupt zu einer wirksamen Steuerfestsetzung kommen konnte oder ob es sich bei den Steuerfestsetzungen um Nichtakte handelte (vgl. § 125 AO), weil mit einem nicht vorhandenen Steuerpflichtigen von vornherein kein Steuerschuldverhältnis im Sinne von § 37 Abs. 1 AO bestehen kann (vgl. auch BFH aaO). Denn der Angeklagte erlangte – ungeachtet der Wirksamkeit der Erstattungsverfügungen – spätestens mit dem Erhalt der vom Finanzamt auf die von ihm angegebenen Konten veranlassten Überweisungen Steuervorteile in Höhe der Überschüsse, die sich nach Anrechnung (§ 36 Abs. 2 EStG) der von ihm geltend gemachten, tatsächlich aber nicht bestehenden Steuerabzugsbeträge ergaben. Steuererstattungen stellen auch dann Steuervorteile dar, wenn die Zahlungen – wie hier – nicht gerechtfertigt sind. Dies ergibt sich bereits daraus, dass mit der Auszahlung ein Anspruch der Finanzbehörden auf Rückerstattung der rechtsgrundlos „zurückgezahlten“ Beträge, mithin ein Steuerschuldverhältnis mit dem Empfänger, entsteht (vgl. § 37 Abs. 2 i.V.m. § 38 AO). Die Auszahlung von Steuererstattungsbeträgen ist auch nicht dem Steuerfestsetzungsverfahren zuzuordnen. Vielmehr gehört bereits die Anrechnung einbehaltener Steuerabzugsbeträge wie Lohnsteuer (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 1, § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) und Kapitalertragsteuer (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 1 AO) auf die im Wege der Veranlagung festgesetzte Jahressteuerschuld ebenso wie die Anrechnung von Einkommensteuervorauszahlungen (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 1, § 37 EStG) zum Steuererhebungsverfahren (vgl. BFH BStBl II 1997, 787, 788; Heinicke in Schmidt, EStG 26. Aufl. § 36 Rdn. 30 m.w.N.). Lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen wird die Anrechnungsverfügung mit der Steuerfestsetzung in einem Bescheid verbunden (BFH aaO).
20
(2) Bei Steuererstattungen werden auch die gemäß § 233a Abs. 3 und Abs. 5 AO gezahlten Zinsen vom Straftatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO erfasst. Aus der Regelung des § 233a AO ergibt sich unmittelbar , dass es sich bei der Verzinsung von Steuererstattungen um Steuervorteile im Sinne von § 370 Abs. 1 AO handelt. Das Gesetz knüpft die Verzinsung , deren Höhe gesetzlich bestimmt ist (vgl. § 238 AO) und auf deren Festsetzung die für Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anwendbar sind (§ 239 Abs. 1 Satz 1 AO), ohne Ermessensspielraum für die Finanzverwaltung an den zu erstattenden Unterschiedsbetrag zwischen den anzurechnenden Steuerabzugsbeträgen und der festgesetzten Steuer an.
21
Im Gegensatz zu Säumnis- und Verspätungszuschlägen sowie Zwangsgeldern (vgl. zur Verkürzung solcher steuerlicher Nebenleistungen BGHSt 43, 381, 406) steht bei Zinsen auf Steuererstattungen die wirtschaftli- che Bedeutung des Zeitpunkts von Steuerzahlungen für die staatlichen Einnahmen im Vordergrund. Denn Zweck der Vorschrift des § 233a AO ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden (so die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 11/2157 S. 194). Durch die Verzinsung gemäß § 233a AO soll dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Rechnung getragen werden, indem Liquiditätsvorteile bzw. -nachteile bei später Steuerfestsetzung in einem praktikablen, d. h. typisierenden Verfahren ausgeglichen werden (vgl. BFH BStBl II 1997, 259, 260; 1996, 53, 54; 1996, 503, 504; Rüsken in Klein, Abgabenordnung 9. Aufl. § 233a Rdn. 1). Damit dient die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen unmittelbar dem zu schützenden Rechtsgut des § 370 AO, nämlich dem Anspruch des Steuergläubigers auf den vollen Ertrag jeder einzelnen Steuer (vgl. BGHSt 36, 100, 102; 40, 109, 111; 43, 381, 404).
22
ff) Die Einreichung gefälschter Einkommensteuererklärungen und die Eingabe falscher Daten in die EDV-Anlage durch den Angeklagten führten zur Auszahlung nicht gerechtfertigter Steuererstattungen sowie Zinsbeträge und waren daher für den Taterfolg ursächlich. Dies gilt auch für die Fälle, in denen der Angeklagte den steuerlichen Vorgang abschließend bearbeitete und weder andere Mitarbeiter der Datenerfassungsstelle noch der Sachgebietsleiter mit der Sache befasst waren.
23
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHSt 37, 266, 285; BGH wistra 2000, 63, 64) setzt der Tatbestand der Steuerhinterziehung – im Gegensatz zum Betrug – keine gelungene Täuschung mit hervorgerufenem Irrtum beim zuständigen Finanzbeamten voraus (so aber Hellmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzordnung , 10. Aufl. 171 Lfg. November 2001 § 370 AO Rdn. 200). Es genügt daher, dass die unrichtigen oder unvollständigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen in anderer Weise als durch eine Täuschung für die Steuerverkürzung oder das Erlangen nicht gerechtfertigter Steuervorteile ur- sächlich werden (BGHSt 37, 266, 285; BGH wistra 2000, 63, 64; so auch BFH BStBl II 2006, 356, 357). Dies folgt bereits aus dem vom Betrugstatbestand des § 263 StGB abweichenden Wortlaut des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO und aus den Regelbeispielen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 AO, die Fälle erfassen, in denen ein Amtsträger bei einer Steuerhinterziehung seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht (vgl. BGH wistra 2000, 63, 64).
24
(2) Soweit von Teilen der Literatur die Ansicht vertreten wird, in den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO sei zwar nicht das ungeschriebene Merkmal eines Irrtums im Sinne einer Fehlvorstellung, aber zumindest der „Unkenntnis“ der Finanzbehörde vom wahren Sachverhalt „hineinzulesen“ (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 198 f.; Kohlmann, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 34. Lfg. Oktober 2005 § 370 AO Rdn. 263 und 1101), ist dies ungeachtet der grundsätzlichen Bedenken gegen diese Auffassung (vgl. BGH wistra 2000, 63, 64) jedenfalls insoweit abzulehnen, als nach dieser Ansicht der Finanzbehörde das Wissen des Amtsträgers, der vorsätzlich zum Nachteil der Finanzbehörde handelt, zugerechnet werden soll (so auch Kürzinger in Wannemacher, Steuerstrafrecht 5. Aufl. Rdn. 156 f.; a. A. Tormöhlen DStZ 2006, 262, 264; vgl. auch BFH BStBl II 1998, 458, 460 f.). Die Veranlagung fiktiver Personen ist niemandem innerhalb der Finanzverwaltung zugewiesen. Somit handelte der Angeklagte jedenfalls außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs (vgl. auch BFH BStBl II 2006, 356, 358 f.). Seine Kenntnis vom wirklichen Sachverhalt steht daher einer Tatbestandsverwirklichung nicht entgegen. In den Fällen, in denen andere Angehörige der Finanzbehörde von dem Vorhaben des Täters keine Kenntnis haben, besteht auch nicht die von Joecks (aaO Rdn. 199) beschriebene Gefahr, aus dem Tatbestand der Steuerhinterziehung könnte ein abstraktes Gefährdungsdelikt werden, „das die fiskalischen Interessen nur noch sehr mittelbar dadurch schützt, dass es den bloßen Ungehorsam des Bürgers erfasst“. Vielmehr besteht gerade dann, wenn der Steuerpflichtige kollusiv mit dem Amtsträger zusammenwirkt oder wenn – wie hier – ein Fi- nanzbeamter mit dem Ziel der Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile auf ein steuerliches Verfahren einwirkt, eine besonders große konkrete Gefahr für die fiskalischen Interessen des Staates.
25
gg) Der Angeklagte hat den Straftatbestand der Steuerhinterziehung insgesamt dreißigmal verwirklicht. Denn die vom Angeklagten eingereichten Steuererklärungen und gemachten EDV-Eingaben setzten dreißig verschiedene Veranlagungsverfahren in Gang und führten dementsprechend zu jeweils dreißig Steuerbescheiden und Erstattungsverfügungen.
26
b) Der Angeklagte hat sich daneben der Untreue in sechzehn Fällen strafbar gemacht.
27
aa) Wird die Steuerhinterziehung durch einen Finanzbeamten bewirkt, der – wie hier – seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AO), ist regelmäßig auch der Tatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB erfüllt (vgl. BGH wistra 1998, 64, 65). Dieser tritt – anders als bei § 263 StGB – nicht hinter der spezielleren Vorschrift des § 370 AO zurück. Denn mit dem Unrechtsgehalt des Straftatbestandes der Steuerhinterziehung nach § 370 AO wird nicht regelmäßig zugleich der des Tatbestandes nach § 266 StGB erfasst (BGH aaO). So verhält es sich auch hier.
28
bb) Dass das Landgericht in den teilweise in kurzer zeitlicher Abfolge für mehrere fingierte Steuerpflichtige vorgenommenen Dateneingaben in die EDV-Anlage jeweils nur eine einheitliche Untreuehandlung gesehen hat, lässt keinen revisiblen Rechtsfehler erkennen.
29
c) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) in den Fällen, in denen der Angeklagte Einkommensteuererklärungen mit dem Namenszug der von ihm erfundenen Personen einreichte und der Dateneingabe zugrundelegte, ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
30
Dasselbe gilt für die Annahme von Tateinheit zwischen Steuerhinterziehung und Untreue; denn in der Eingabe der erfundenen Daten in die Datenverarbeitungsanlage des Finanzamts überschnitten sich hier die Tathandlungen beider Delikte. Soweit die Ausführungshandlungen mehrerer selbständiger Steuerhinterziehungen zugleich Tathandlungen ein und derselben Untreuetat waren, hat das Landgericht konsequent mit Recht auch zwischen den auf diese Weise verbundenen Steuerhinterziehungen Tateinheit angenommen. Es handelt sich um diejenigen Fälle, in denen der Angeklagte die Inhalte mehrerer Steuererklärungen oder – soweit er keine Steuererklärungen gefertigt hatte – die sich auf unterschiedliche Steuerpflichtige oder Veranlagungszeiträume beziehenden Daten zeitlich zusammenhängend in die Datenverarbeitungsanlage des Finanzamts eingab.
31
d) Demgegenüber hält die Verurteilung wegen Computerbetruges (§ 263a StGB) rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dieser Schuldspruch entfällt.
32
Es kann dahinstehen, ob eine Strafbarkeit gemäß § 263a StGB bereits dann ausscheidet, wenn – wie hier nach den Feststellungen des Landgerichts bei Erstattungsbeträgen über 5.000 Euro – eine mittels elektronischer Datenverarbeitung getroffene Steuerfestsetzung und Erstattungsverfügung noch der Kontrolle und Billigung durch den Sachgebietsleiter bedarf. Denn neben Steuerhinterziehung kommt hier eine tateinheitliche Verurteilung wegen Computerbetruges (§ 263a StGB) von vornherein nicht in Betracht.
33
aa) Da es sich beim Tatbestand des § 370 AO um eine abschließende Sonderregelung handelt, die gemäß ihrem gesetzgeberischen Zweck den allgemeinen Betrugstatbestand verdrängt und allenfalls dann eine tateinheitliche Begehung zulässt, wenn der Täter mit Mitteln der Täuschung außerhalb der Verkürzung von Steuereinnahmen oder der Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile noch weitere Vorteile erstrebt (BGHSt 40, 109, 110 f.; 36, 100, 101; BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 2, jeweils m.w.N.; BGH wistra 1998, 64, 65), kommt sowohl für die von dem Angeklagten erlangten Steuererstattungen als auch für die ausgezahlten Zinsbeträge eine tateinheitliche Verurteilung wegen Betruges (§ 263 StGB) nicht in Betracht.
34
bb) Dasselbe gilt für den Straftatbestand des Computerbetruges gemäß § 263a StGB (so auch Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263a Rdn. 82; Hoyer in SK-StGB 65. Lfg. April 2006 § 263a Rdn. 65; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 263a Rdn. 38 a.E.; Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 263a Rdn. 42). Aus der Entstehungsgeschichte dieser Norm ergibt sich, dass durch die Einfügung des § 263a StGB diejenigen Strafbarkeitslücken geschlossen werden sollten, die bestanden, weil es bei der Manipulation von Datenverarbeitungsanlagen oft an der täuschungsbedingten Irrtumserregung bei einer natürlichen Person fehlt und der Betrugstatbestand des § 263 StGB daher nicht anwendbar ist (vgl. Tröndle/Fischer aaO Rdn. 2 m.w.N.). Der Unrechtsgehalt einer durch die Manipulation von Datenverarbeitungsvorgängen der Finanzverwaltung im Rahmen steuerlicher Verfahren begangenen Steuerhinterziehung wird indes bereits vollständig vom Tatbestand des § 370 AO erfasst, wenn nicht der Täter über die Verkürzung von Steuereinnahmen oder die Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile hinaus noch weitere Vorteile erstrebt. Aus diesem Grund weisen auch Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 19. Februar 1986 im Gesetzgebungsverfahren zur Einführung des § 263a StGB durch das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität ausdrücklich darauf hin, dass, „soweit § 370 AO dem Betrugstatbestand vorgeht, dies auch im Verhältnis zu § 263a StGB gilt“ (BT-Drucks. 10/5058 S. 30).
35
2. Die Verurteilung wegen Betruges (§ 263 StGB) durch Erschleichung einer nicht gerechtfertigten Eigenheimzulage hält rechtlicher Nachprüfung stand.
36
a) Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist noch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Angeklagte den für eine nicht existierende Person gestellten Antrag auf Gewährung einer Eigenheimzulage zwar fertigte und beim Finanzamt einreichte, nicht aber selbst bearbeitete. Damit beruhen die Festsetzung der Eigenheimzulage und die Auszahlung der Zulagebeträge auf einem Irrtum des zuständigen Finanzbeamten im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB über die Existenz des Antragstellers und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung einer Eigenheimzulage.
37
b) Für den Fall der ungerechtfertigten Erlangung einer Eigenheimzulage wird der Betrugstatbestand des § 263 StGB nicht vom Straftatbestand der Steuerhinterziehung verdrängt. § 370 AO erfasst Eigenheimzulagen nicht und stellt insoweit auch keine Sonderregelung gegenüber § 263 StGB dar.
38
aa) Die Gewährung einer nicht gerechtfertigten Eigenheimzulage stellt weder eine Steuerverkürzung noch einen Steuervorteil im Sinne von § 370 Abs. 1 AO dar (so auch OFD Koblenz FR 1999, 328 sub Ziffer 3; Gotzens, PStR 2004, 84, 88). Der Umstand, dass die Eigenheimzulage aus den Einkommensteuereinnahmen gezahlt wird (§ 13 Abs. 2 EigZulG), genügt hierfür nicht. Denn bei der Eigenheimzulage handelt es sich um eine staatliche Leistung zur Wohnungsbauförderung, die nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Festsetzung oder Erhebung einer Steuer im Sinne von § 3 Abs. 1 AO, sondern in einem gesonderten, aus dem Besteuerungsverfahren ausgegliederten Verfahren festgesetzt und ausgezahlt wird. Um allen Bürgern, darunter auch Haushalten mit nur geringem Einkommen, eine gleich hohe Zulage zukommen zu lassen, hat sich der Gesetzgeber mit Schaffung des Eigenheimzulagengesetzes bewusst dafür entschieden, die bisherige Förderung nach § 10e EStG a.F. in der Form der Abziehbarkeit von Anschaffungs- bzw. Her- stellungskosten für Wohneigentum wie Sonderausgaben aufzugeben und die Förderung auf die Gewährung einer Eigenheimzulage nach dem Vorbild der Investitionszulagengesetze umzustellen (vgl. die Gesetzesbegründung in BR-Drucks. 498/95 vom 11. August 1995, 29, 31). Die wirtschaftliche Besserstellung des Anspruchsberechtigten bei der Eigenheimzulage ist bei dieser Ausgestaltung des Verfahrens kein „spezifisch steuerrechtlicher“ Vorteil (vgl. Hellmann aaO Rdn. 172; Kohlmann aaO Rdn. 542) mehr, sondern das Ergebnis einer vom Besteuerungsverfahren unabhängigen allgemeinen Wohnungsbauförderung. Somit handelt es sich bei der Auszahlung einer Eigenheimzulage weder um die Erstattung einer Steuer im Sinne von § 3 Abs. 1 AO noch um eine Steuervergütung (so aber unter bloßem Hinweis auf § 15 Abs. 1 Satz 1 EigZulG Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung 111. Lfg Oktober 2006 § 37 Rdn. 6; Koch/Scholtz, Abgabenordnung 5. Aufl. § 1 Rdn. 3).
39
bb) Auch die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 EigZulG, welche die für die Steuervergütungen geltenden Vorschriften für entsprechend anwendbar erklärt, gebietet keine andere Bewertung. Zwar bestimmt § 370 Abs. 4 Satz 2 AO, dass auch Steuervergütungen Steuervorteile sind. Im Gegensatz zu Regelungen , in denen – wie z. B. beim Kindergeld (§ 31 Abs. 1 Satz 3 EStG; vgl. BFH NV 1999, 1597; Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung 9. Aufl. § 37 Rdn. 2; Joecks aaO Rdn. 100) – die Zuwendungen „als Steuervergütung“ gezahlt werden, beinhaltet die Verweisung in § 15 Abs. 1 EigZulG keine materiellrechtliche Qualifizierung der Zuwendungen als Steuervorteile, sondern bildet lediglich eine Vorschrift zur Regelung des Verfahrens über die Festsetzung , Auszahlung und Rückforderung der Förderung.
40
cc) Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der Vorschrift des § 15 Abs. 2 EigZulG. Danach gelten für die Verfolgung einer Straftat gemäß § 263 StGB, die sich auf die Eigenheimzulage bezieht, die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verfolgung von Steuerstraftaten entsprechend. Hierdurch werden indes lediglich die Verfahrensvorschriften der §§ 385 ff.
AO einschließlich der Ermittlungszuständigkeit der Finanzbehörden (vgl. § 386 Abs. 2 AO) für anwendbar erklärt.
41
3. Der Senat sieht gemäß § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO davon ab, in den Fällen, in denen sich der Angeklagte neben Untreue zugleich mehrfach wegen Steuerhinterziehung oder Urkundenfälschung strafbar gemacht hat, die jeweils gleichartige Tateinheit im Tenor zum Ausdruck zu bringen. Nach § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO genügt die Angabe der rechtlichen Bezeichnung der Tat, daher reicht hier die Bezeichnung „Steuerhinterziehung“ und „Urkundenfälschung“ aus. Zwar kann es sich grundsätzlich auch bei gleichartiger Tateinheit empfehlen, dies im Urteilsspruch kenntlich zu machen. Davon kann aber abgesehen werden, wenn – wie hier – der Tenor unübersichtlich würde. Denn dies widerspräche dem auch zu berücksichtigenden Gebot der Klarheit und Verständlichkeit der Urteilsformel (vgl. BGH NStZ 1996, 610, 611; BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 – 5 StR 525/05).
42
4. Trotz des Wegfalls der tateinheitlichen Verurteilung des Angeklagten wegen Computerbetruges haben die vom Landgericht verhängten Einzelstrafen Bestand. Der Schwerpunkt des verwirklichten Unrechts liegt bei der Untreue und den Steuerhinterziehungen. Insbesondere angesichts der moderaten Höhe der verhängten Einzelstrafen kann der Senat ausschließen, dass der Tatrichter noch geringere Einzelfreiheitsstrafen verhängt hätte, wenn er die tateinheitliche Verurteilung wegen Computerbetruges nicht vorgenommen hätte. Die Höhe der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe rechtfertigt sich namentlich unter Berücksichtigung beachtlicher Schadenswiedergutmachungsleistungen. Dass dabei die Zusage einer zukünftigen weiteren Schadenswiedergutmachung aus dem Blick geraten sein könnte, ist auszuschließen.
III. Die Revision der Staatsanwaltschaft
43
In gleicher Weise deckt die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler in der Strafzumessung zum Vorteil des Angeklagten auf, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat.
44
Soweit die Staatsanwaltschaft geltend macht, dem Gewinnstreben des Angeklagten sei in der Strafzumessung nicht ausreichend Rechnung getragen worden, unternimmt sie den im Revisionsverfahren unbeachtlichen Versuch , ihre Strafzumessungserwägungen an die Stelle der Strafzumessung des Tatgerichts zu setzen. Bereits die Annahme der Staatsanwaltschaft, der Angeklagte habe aus besonders verwerflichem Gewinnstreben zur Finanzierung seines aufwändigen Lebensstils gehandelt, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen. Solches ergibt sich hier auch nicht aus dem Umstand, dass der Angeklagte nach dem Erwerb von Wohneigentum hohe Zins- und Tilgungszahlungen zu erbringen hatte.
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 214/09
vom
8. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2009 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 3. Dezember 2008 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:



1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 53 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Untreue zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
Der Senat sieht auch von einer Schuldspruchänderung ab, wie sie der Generalbundesanwalt dahingehend beantragt hat, dass der Angeklagte der Untreue in Tateinheit mit Steuerhinterziehung in 16 Fällen schuldig zu sprechen sei.
4
Der Angeklagte, ein Steueroberinspektor, hatte in der Zeit vom 21. Juli 2004 bis zum 13. Juli 2007 unter 17 Fantasienamen 53 fingierte Einkommensteuererklärungen mit entsprechenden Veranlagungen - ohne Anlegen von Akten - in das Datenverarbeitungssystem seines Finanzamts eingegeben. Es ergaben sich jeweils Einkommensteuererstattungen zwischen 2.421,48 € und 4.610,00 €, die auf das in den Erklärungen benannte Konto einer Tatbeteiligten überwiesen wurden. Teilweise lagen die Zeitpunkte „der letzten Bearbeitung“ bei Erklärungen unter identischen Namen nur wenige Minuten auseinander.
5
Hinsichtlich der Untreuehandlungen sei, so der Generalbundesanwalt unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Juni 2007 - 5 StR 127/07 -, in derartigen Fällen eine einheitliche Handlung zu sehen, die dann auch die entsprechenden Steuerhinterziehungen zu einer Tat verbinde.
6
Dem folgt der Senat nicht. Die - andere - rechtliche Bewertung seitens der Strafkammer ist jedenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
7
Tathandlung war sowohl hinsichtlich der Untreue wie auch hinsichtlich der Steuerhinterziehung jeweils die „Freigabe zur Datenverarbeitung“ (UA S. 16). Hierzu bedurfte es, auch wenn dies alles gedanklich oder tatsächlich vorbereitet war, auch bei rascher Folge jeweils eines neuen Tatentschlusses. Die benannten Steuerpflichtigen existierten nicht. Die identischen Fantasienamen führten deshalb auch zu keiner personellen Verknüpfung. Vor diesem Hintergrund liegt die Annahme von Tatmehrheit hinsichtlich aller Einzelfälle näher , jedenfalls bleibt dies im Rahmen tatrichterlicher Würdigung und ist rechtsfehlerfrei.
8
Der damals für Steuerstrafsachen zuständige Senat des Bundesgerichtshofs hat zwar in dem oben genannten Urteil (5 StR 127/07) zu einem vergleichbaren Sachverhalt die gegenteilige Bewertung in der damals zur Überprüfung anstehenden landgerichtlichen Entscheidung nicht beanstandet. Dies geschah aber ersichtlich nur im Hinblick auf den insoweit bestehenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum: „Dass das Landgericht in den teilweise in kurzer zeitlicher Abfolge für mehrere fingierte Steuerpflichtige vorgenommenen Dateneingaben in die EDV-Anlage jeweils nur eine einheitliche Untreuehandlung gesehen hat, lässt keinen revisiblen Rechtsfehler erkennen“ (aaO Rdn. 28, in BGHSt 51, 356 insoweit nicht abgedruckt).
9
Da der Generalbundesanwalt neben der Schuldspruchänderung nicht auch die Aufhebung des Strafausspruchs beantragt hat, war der Senat an einer Entscheidung nach § 349 Abs. 2 StPO nicht gehindert (vgl. BGH, Beschl. vom 26. April 2006 - 1 StR 151/06 - m.w.N.). Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Begünstigte Investitionen sind:

1.
nachträgliche Herstellungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind,
2.
die Anschaffung von Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind, soweit nachträgliche Herstellungsarbeiten nach dem rechtswirksamen Abschluss des obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind, und
3.
Erhaltungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind,
soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder der Erhaltungsarbeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen,
4.
die Anschaffung neuer Gebäude bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung und die Herstellung neuer Gebäude,
a)
soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen und
b)
wenn der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweist, dass das Gebäude im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet nach dem Baugesetzbuch, einem förmlich festgelegten Erhaltungssatzungsgebiet nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Baugesetzbuchs oder in einem Gebiet liegt, das durch Bebauungsplan als Kerngebiet im Sinne des § 7 der Baunutzungsverordnung festgesetzt ist oder das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung diesem Gebiet entspricht.
Satz 1 Nr. 1 und 2 kann nur angewendet werden, wenn der Anspruchsberechtigte und im Veräußerungsfall der Erwerber für die Herstellungsarbeiten keine erhöhten Absetzungen in Anspruch nimmt. Im Fall der Anschaffung kann Satz 1 nur angewendet werden, wenn kein anderer Anspruchsberechtigter für das Gebäude Investitionszulage in Anspruch nimmt. Im Fall nachträglicher Herstellungsarbeiten im Sinne von Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie im Fall der Herstellung im Sinne von Satz 1 Nr. 4 kann Satz 1 nur angewendet werden, soweit im Veräußerungsfall der Erwerber für das Gebäude keine Sonderabschreibungen in Anspruch nimmt.

(2) Die Investitionen sind begünstigt, wenn sie der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 1998 und

1.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 vor dem 1. Januar 2005,
2.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 vor dem 1. Januar 2002
abschließt. Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 sind in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die nachträglichen Herstellungsarbeiten oder die Erhaltungsarbeiten beendet worden sind. Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 sind in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die Gebäude angeschafft oder hergestellt worden sind.

(3) Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage ist die den Betrag von 2.556 Euro übersteigende Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen der im Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen, soweit sie die vor dem 1. Januar 1999 geleisteten Anzahlungen auf Anschaffungskosten, Anzahlungen auf Erhaltungsaufwendungen und entstandenen Teilherstellungskosten übersteigen. Zur Bemessungsgrundlage gehören jedoch nicht

1.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 und 3 die nachträglichen Herstellungskosten und die Erhaltungsaufwendungen, soweit sie insgesamt in den Jahren 1999 bis 2004 614 Euro je Quadratmeter Wohnfläche übersteigen. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1, die der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 2001 begonnen hat oder bei denen er das Objekt im Fall der Anschaffung auf Grund eines nach dem 31. Dezember 2001 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft hat, gehören die nachträglichen Herstellungskosten und die Erhaltungsaufwendungen nur zur Bemessungsgrundlage, soweit sie insgesamt in den Jahren 2002 bis 2004 50 Euro je Quadratmeter Wohnfläche überschreiten. In den zuletzt genannten Fällen ist der Betrag von 2.556 Euro nicht zu berücksichtigen. Betreffen nachträgliche Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten mehrere Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sind die nachträglichen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen nach dem Verhältnis der Nutzflächen auf die Gebäudeteile aufzuteilen, soweit eine unmittelbare Zuordnung nicht möglich ist. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten die Sätze 1 bis 4 mit der Maßgabe entsprechend, dass an die Stelle der nachträglichen Herstellungskosten die Anschaffungskosten treten, die auf nachträgliche Herstellungsarbeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 entfallen;
2.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, soweit sie 2.045 Euro je Quadratmeter Wohnfläche des Gebäudes übersteigen.
§ 2 Abs. 5 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. In die Bemessungsgrundlage können die im Kalenderjahr geleisteten Anzahlungen auf Erhaltungsaufwendungen einbezogen werden. Als Beginn der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten gilt bei Baumaßnahmen, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird; bei baugenehmigungsfreien Bauvorhaben, für die Bauunterlagen einzureichen sind, der Zeitpunkt, in dem die Bauunterlagen eingereicht werden.

(4) Die Investitionszulage beträgt

1.
15 vom Hundert für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 entfällt, und
2.
10 vom Hundert für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 entfällt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 2 0 6 / 1 3
vom
28. Mai 2014
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja [nur zu I. und IV.]
Veröffentlichung: ja
1. § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 StGB erfasst auch Subventionen, die nicht
nur Betrieben und Unternehmen, sondern auch Privatpersonen gewährt
werden können.
2. § 4 SubvG enthält subventionserhebliche Regelungen im Sinne des §
264 Abs. 8 Nr. 2 StGB.
BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 - 3 StR 206/13 - LG Hildesheim
in der Strafsache
gegen
wegen Subventionsbetrugs
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 28. Mai
2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 19. Dezember 2012
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Subventionsbetrugs und des Subventionsbetrugs in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist;
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Subventionsbetrugs in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt und bestimmt, dass zwei Monate dieser Strafe als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gelten. Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten, die den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg erzielt. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte - ein Steuerberater und vereidigter Buchprüfer - Gesellschafter der E. /D. sowie der GmbH (nachfolgend: WuG GmbH), der Komplementärin der (nachfolgend WuG KG). Im Dezember 1998 erwarben die E. /D. und die WuG KG in H. Eigentum an identisch gestalteten Wohnkomplexen mit jeweils 115 Mietwohnungen. Während sich zunächst der Verkäufer verpflichtet hatte, die erforderlichen Sanierungsarbeiten im Wert von rund 5,2 Mio. DM pro Komplex durchzuführen, kamen die Parteien im Juni 2000 überein, dass die noch ausstehenden Arbeiten von den jeweiligen Käufern selbst durchgeführt werden sollten. Auf der Grundlage eines Angebots des die bisherigen Sanierungsarbeiten durchführenden Unternehmens in Höhe von brutto 981.000,40 DM je Komplex gaben im Oktober 2000 beide Gesellschaften Teilarbeiten in einem Volumen von jeweils 400.000 DM in Auftrag.
3
Während der Durchführung dieser Arbeiten "erfuhr der Angeklagte von der Möglichkeit, im Rahmen des Förderprogramms 'Wohnen 2001' Fördermittel für Sanierung und Modernisierung von Wohnraum zu erhalten. [… Er ent- schloss sich] gemeinsam mit dem früheren Mitangeklagten E. im Rahmen der Fortführung der begonnen Sanierungsmaßnahmen an den beiden Bauvorhaben die Firmen RU und RW […] zwischenzuschalten, um die Baukosten 'auf dem Papier' zu erhöhen, um so überhöhte Fördermittel zu erschleichen." Bei der RU GmbH sowie der RW GmbH handelte es sich um Immobiliengesellschaften , die tatsächlich vom Angeklagten gesteuert wurden, deren Geschäftsführung - ebenso wie die der WuG GmbH bis zum 14. Dezember 2001 - formal jedoch D. R. , eine frühere Angestellte des Angeklagten in dessen Steuerberatungsgesellschaft, innehatte. Zur Tatzeit war D. R. als Studentin eingeschrieben, betrieb das Studium jedoch nie ernsthaft. Aus ihrer Geschäftsführertätigkeit bezog sie keine Einkünfte, wurde vielmehr vom Ange- klagten "mit monatlich 2.000 €" unterstützt.
4
In Umsetzung des Plans machten die WuG KG und die E. /D. GbR mit Anträgen vom 25. Juni 2001 unter identischer Aufstellung von Baukosten im Umfang von jeweils 3.464.500 DM beim Landesförderinstitut SachsenAnhalt Fördermittel geltend, die antragsgemäß in Höhe von jeweils 699.114,95 € bewilligt wurden. Die Anträge waren für die WuG KG von D. R. , für die E. /D. GbR von den beiden Gesellschaftern unterzeichnet worden. Nach einer Korrektur hinsichtlich eines Teils der Baukosten im Rahmen der Vorlage der Schlussrechnungen wurden die Bewilligungen auf jeweils 621.292,09 € gekürzt und- nach Abzug von Bearbeitungsgebühren - bis Juli 2003 an beide Gesellschaften je 609.252,13 € ausbezahlt.Tatsächlich waren nur Baukosten in Höhe von 610.650 € je Objekt entstanden. Ausgehend von der höchst möglichen Förderquote von 50% stand demnach beiden Gesell- schaften lediglich ein Förderbetrag in Höhe von jeweils 305.325 € zu (Fälle 1 und 2).
5
Am 26. November 2003 beantragte die WuG KG beim Finanzamt H. für das Jahr 2002 eine Investitionszulage. Auch insoweit machte der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer - der Antrag selbst ist von der Ehefrau des Angeklagten unterschrieben, die D. R. als Geschäftsführerin der Komplementärin abgelöst hatte - bis 31. Oktober 2002 entstandene Baukosten in Höhe von 1.615.725 € geltend und erreichte dadurch die Festsetzung und Auszahlung einer Zulage in Höhe von 167.048,80 €. Bei ordnungs- gemäßer Angabe der Baukosten in Höhe von 610.650 € hätte sich eine Zulage von 91.214,10 € errechnet, mithin ein um 75.833,70 € geringerer Betrag (Fall

3).


6
II. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht. Die Taten sind nicht verjährt, § 78 Abs. 1 Satz 1 StGB. Der Lauf der für Vergehen nach § 264 Abs. 1 StGB geltenden Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) beginnt gemäß § 78a Satz 1 StGB, sobald die Tat beendet ist. Die Tatbeendigung liegt in den Fällen des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB indes nicht schon in der Einreichung des Subventionsantrags. Vielmehr tritt sie erst mit der Zahlung der Subvention an den Begünstigten ein, bei Ausreichung in Teilbeträgen mit Eingang der letzten Rate (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 - 5 StR 467/06, NStZ 2007, 578, 579; NK-StGB-Hellmann, 4. Aufl., § 264 Rn. 182a; SSWStGB /Saliger, 2. Aufl., § 264 Rn. 41; aA OLG München, Urteil vom 22. Februar 2006 - 5St RR 12/06, NStZ 2006, 630, 631). Begann demnach in den Fällen 1 und 2 die Verjährungsfrist erst im Juli 2003, im Fall 3 erst im November 2003 zu laufen, so wurde diese - wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat - durch die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse vom 20. Juni 2006 und 20. September 2007 rechtzeitig unterbrochen und war absolute Verjährung (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, § 78b Abs. 4, § 78c Abs. 3 Satz 2 und 3 StGB) vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils (§ 78b Abs. 3, § 78c Abs. 3 Satz 3 StGB) nicht eingetreten.
7
III. Den Verfahrensbeanstandungen bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt.
8
IV. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Subventionsbetrugs. Lediglich die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Taten bedarf der Korrektur.
9
1. Bei den beantragten und bewilligten Fördermitteln handelte es sich um Subventionen im Sinne des § 264 Abs. 7 Satz 1 StGB. Abzustellen ist insoweit auf § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 StGB, denn die gewährten Leistungen hatten ihre Grundlage im nationalen Recht: in den Fällen 1 und 2 in den Regelungen der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Modernisierung und Instandsetzung von vermietetem oder vermietbarem Wohnraum in den Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf 'die soziale Stadt' sowie weiteren Quartieren und großen Wohngebieten (nachfolgend: Wohnen 2001 Richtlinie), die ihrerseits an das Gesetz zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft und zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums in den neuen Ländern (Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost) vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944, 982 f.) anknüpft, und im Fall 3 im Investitionszulagengesetz 1999 (nachfolgend: InvZulG 1999).
10
Nach § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB soll die Leistung wenigstens zum Teil der Förderung der Wirtschaft dienen. Mit dieser Regelung beabsichtigte der Gesetzgeber, die durch § 264 StGB gegenüber § 263 StGB bewirkte Vorverlagerung der Strafbarkeit in einen Gefährdungstatbestand, der selbst leichtfertiges Handeln einschließt, auf den Bereich zu beschränken, für den ein unabweisbares Bedürfnis für den verstärkten Strafschutz gesehen wurde (BT-Drucks. 7/5291, S.10). Insbesondere sollten Sozialleistungen nicht erfasst werden, deren ungerechtfertigte Erschleichung wegen des im Gegensatz zum Wirtschaftssektor regelmäßig leichter durchschaubaren Sachverhalts einfacher nachzuweisen ist und deshalb vom Betrugstatbestand ausreichend zuverlässig abgedeckt wird (BT-Drucks. aaO, S. 11). Da aber mit der Vergabe von Fördermitteln oftmals mehrere Zwecke verfolgt werden, reicht es für die Anwendbarkeit des Subventionsbetrugstatbestandes aus, dass diese "wenigstens zum Teil" der Wirtschaftsförderung dienen soll. Lediglich ein ganz entfernter Bezug zur Wirtschaft soll nicht genügen (BT-Drucks. aaO).
11
Welche Zwecke mit einer Leistung verfolgt werden, ist mittels Auslegung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen zu ermitteln (LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 264 Rn. 67; Eberle, Der Subventionsbetrug nach § 264 StGB - Ausgewählte Probleme einer verfehlten Reform, 1983, S. 99 ff.). Wenn nach Nr. 2 der Wohnen 2001 Richtlinie Gegenstand der Förderung Maßnahmen zur Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse sind und nach § 3 Abs. 1 InvZulG 1999 Investitionen an Wohnraum nur dann begünstigt werden, wenn dieser nach Durchführung der Arbeiten fünf Jahre lang entgeltlich überlassen wird, kann nicht fraglich sein, dass die verfahrensgegenständlichen Leistungen soziale Zwecke verfolgten. Sie beschränkten sich allerdings nicht hierauf: denn § 3 Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost bestimmt ausdrücklich, dass die Finanzmittel zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft und zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums bereitgestellt werden. Entsprechendes gilt für § 3 InvZulG 1999, der an § 3 Fördergebietsgesetz vom 23. September 1993 (BGBl. I 1993, 1654) anknüpft und wie dieser das Ziel verfolgt, den wirtschaftlichen Umbruch nach der Wiedervereinigung abzufedern (vgl. 19. Subventionsbericht der Bundesregierung vom 1. Oktober 2003, S. 32). Daraus wird deutlich, dass die maßgeblichen Förderungen vor allem auch der Wirtschaft galten, sei es der mit den Arbeiten beauftragten Bauwirtschaft, sei es dem Erhalt der Wirtschaftsstruktur insgesamt. Dieser teilweise der Wirtschaftsförderung dienende Zweck genügt. Da es sich hierbei um einen Endzweck im Gegensatz zu dem in der Erreichung eines bestimmten Verhaltens des Subventionsempfängers liegenden Primärzweck handelt, bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob nur solche Endzwecke von § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 StGB erfasst werden (so LK/Tiedemann aaO, § 264 Rn. 64; S/S-Perron, StGB, 29. Aufl., § 264 Rn. 18; NK-StGB-Hellmann aaO, § 264 Rn. 39; Eberle aaO, S. 95 ff.; SSW-StGB/Saliger aaO, § 264 Rn. 13; vgl. auch BGH, Urteil vom 5. September 1989 - 1 StR 291/89, NStZ 1990, 35, 36) oder ob jeder mit der Leistung angestrebte Zweck ausreicht, auch wenn er lediglich eine Bedingung für das gewünschte Ziel darstellt (so MüKoStGB/Wohlers/Mühlbauer, 2. Aufl., § 264 Rn. 45; SK-StGB/Hoyer, 67. Lfg., § 264 Rn. 34 ff.).
12
Schließlich handelte es sich bei den die Leistungen empfangenden Gesellschaften auch um Betriebe im Sinne des § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 StGB; denn sie bildeten nicht nur vorübergehend organisatorisch zusammengefasste Einheiten unter einheitlicher Leitung zu dem arbeitstechnischen Zweck, bestimmte Leistungen hervorzubringen oder zur Verfügung zu stellen (vgl. S/SPerron aaO, § 14 Rn. 28 f.). Damit ist § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 StGB Genüge getan. Dessen Anwendbarkeit steht nicht entgegen, dass die verfahrensgegenständlichen Fördermittel dem Grunde nach auch Privaten offenstanden (so auch Eberle aaO, S. 69; SK-StGB/Hoyer aaO, § 264 Rn. 32). Soweit demgegenüber unter Bezugnahme auf den gesetzgeberischen Willen vertreten wird, dass nur solche Leistungen erfasst würden, die ausschließlich Betrieben und Unternehmen zugutekommen können (so Sannwald, Rechtsgut und Subventionsbegriff (§ 264 StGB), 1982, S. 124 f.; G/J/W-Straßer, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 264 Rn. 29; Carlsen, AgrarR 1978, 267, 268; LK/Tiedemann aaO, § 264 Rn. 54; S/S-Perron aaO, § 264 Rn. 21), kann dem nicht gefolgt werden. Mit der Einschränkung des Empfängerkreises wollte der Gesetzgeber lediglich eine zusätzliche Schranke errichten, um Sozialleistungen für unterstützungsbedürftige Einzelpersonen aus dem Anwendungsbereich der Norm auszuschließen (BT-Drucks. aaO, S. 12). Die Notwendigkeit hierzu ergab sich aber schon daraus, dass auch Sozialleistungen zugleich wirtschaftsfördernde Zwecke erfüllen können (zum Beispiel des Kurzarbeitergeldes s. Eberle aaO, S. 105 f.; LK/Tiedemann aaO, § 264 Rn. 67). Dass diese Überlegung die vorliegende Konstellation nicht erfasst und die Investitionszulagen auch gegenüber einer Privatperson keine Sozialleistung zu deren Gunsten darstellen, führt deshalb dazu, auch die auf entsprechender Grundlage an Betriebe geleisteten Mittel nicht aus dem Subventionsbegriff des § 264 Abs. 7 Nr. 1 StGB auszunehmen.
13
2. Bei den Angaben zu den Baukosten handelte es sich auch um subventionserhebliche Tatsachen im Sinne des § 264 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 8 StGB. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob der in den jeweiligen Antragsformularen enthaltene Hinweis, wonach alle Angaben in bestimmten Anlagen subventionserheblich seien, zu pauschal war, um den Anforderungen des § 264 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 StGB zu genügen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11. November 1998 - 3 StR 101/998, BGHSt 44, 233, 238). Denn jedenfalls die Voraussetzungen des § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB sind erfüllt. Dessen Anwendbarkeit steht zunächst nicht entgegen, dass vorliegend eine ausdrückliche Bezeichnung von Tatsachen als subventionserheblich gemäß § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB möglich und gewollt, aber möglicherweise unzureichend vorgenommen worden war (vgl. OLG München, Beschluss vom 1. Juli 1981 - 2 Ws 668/81, NJW 1982, 457, 458). Die Bewilligung der hier in Rede stehenden Subventionen hing auch von einem Gesetz ab. Zwar fehlt es hieran regelmäßig, soweit die Vorschriften der Verwaltung einen Ermessensspielraum einräumen (BGH, Urteil vom 11. November 1998 - 3 StR 101/98, aaO, 241). Das war bezüglich der hier maßgeblichen subventionserheblichen Tatsachen indes nicht der Fall. Dies folgt zum einen unmittelbar aus § 3 InvZulG 1999, der die Voraussetzungen aufzählt, bei deren Vorliegen die Zulage zwingend zu gewähren ist und deren Bemessung gesetzlich festlegt (§ 3 Abs. 4 InvZulG). Aber auch in den Fällen 1 und 2 stand lediglich die Entscheidung über die Bewilligung im Ermessen der zuständigen Behörde, nicht jedoch die Entscheidung über deren Höhe, die sich prozentual an den tatsächlichen Baukosten zu orientieren hatte. Die dies regelnden Bestimmungen der maßgeblichen Richtlinie sind zwar weder Gesetz im formellen noch im materiellen Sinne (hierzu S/S-Lenckner/Perron aaO, § 264 Rn. 33, 36). Das Verbot der Subventionierung über den tatsächlichen Bedarf hinaus folgt jedoch zwingend bereits aus § 4 SubvG, der gemäß § 1 SubvG-LSA Anwendung findet. Auf diese Bestimmungen wurde unter Ziffer 7.8 des Antragsformulars im Übrigen ausdrücklich hingewiesen.
14
Die Voraussetzungen des § 4 SubvG sind rechtsfehlerfrei festgestellt. Dabei kann der Senat offenlassen, ob in der Zwischenschaltung mehrerer Gesellschaften mit der Strafkammer ein Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 SubvG gesehen werden kann, der grundsätzlich die Gewährung von Subventionen insgesamt ausschließt. Es besteht keine Verpflichtung des Bauherrn, die Arbeiten an die unmittelbar Ausführenden selbst zu vergeben. Dieses Vorgehen widerspricht für sich betrachtet weder dem Subventionszweck noch werden hierdurch die förmlichen Voraussetzungen für eine Subventionsgewährung künstlich geschaffen, § 4 Abs. 2 Satz 2 und 3 SubvG. Die Feststellungen tragen aber jedenfalls die Annahme eines Scheingeschäfts im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 SubvG, § 117 Abs. 1 BGB. Ein solches ist anzunehmen, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem Geschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen, den Parteien also der Geschäftswille fehlt (BGH, Urteil vom 25. Oktober1961 - V ZR 103/60, BGHZ 36, 84, 87 f.; BFH, Urteil vom 21. Oktober 1988 - III R 194/84, BStBl II 1989, 216). So liegt der Fall hier. Die zwischengeschalteten Unternehmen sollten nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien keine Leistungen erbringen. Dass tatsächlich Schriftverkehr unter den Briefköpfen dieser Unternehmen geführt wurde, hat das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht als Erfüllung einer geschuldeten Generalübernehmertätigkeit, sondern als Teil des nach außen aufgebauten Täuschungsszenarios gewürdigt.
15
3. Die das Scheingeschäft ausmachenden Angaben stellen sich dementsprechend nach § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB als unrichtig im Sinne von nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmend dar (vgl. LK/Tiedemann aaO, § 264 Rn. 96). Maßgeblich war vielmehr der verdeckte Sachverhalt, § 4 Abs. 1 Satz 2 SubvG. Der Angeklagte handelte auch jeweils täterschaftlich. Insoweit gilt:
16
§ 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist kein Sonderdelikt. Täter kann mithin nicht nur der Subventionsnehmer bzw. dessen gesetzlicher Vertreter (§ 14 Abs. 1 StGB), sondern jedermann sein (BGH, Urteil vom 28. April 1981 - 5 StR 692/80, NJW 1981, 1744, 1745). Dabei gelten für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei Personen, die im Lager des Subventionsempfängers stehen, die allgemeinen Regeln (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 1986 - 3 StR 103/86, NStZ 1986, 463 zum wortgleichen § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO; MüKoStGB/Wohlers/Mühlbauer aaO, § 264 Rn. 49). Es kommt mithin nicht darauf an, ob der Angeklagte auch gegenüber D. R. als faktischer (Mit)Geschäftsführer der Komplementärin der WuG KG anzusehen war. Denn jedenfalls war er hinsichtlich der Antragstellung entscheidungskompetent (hierzu Eberle aaO, S. 136), so dass das Landgericht in Fall 2 zu Recht das vorsätzliche Handeln der D. R. - Unterzeichnung des Bewilligungsantrags der WuG KG - dem Angeklagten gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet hat.
17
Dagegen ist die - aus der Liste der angewandten Vorschriften zu erschließende - Annahme von Mittäterschaft in Fall 3 nicht belegt, da die Strafkammer keine Feststellungen zum Vorstellungsbild der Ehefrau des Angeklagten getroffen hat. Im Falle deren Gutgläubigkeit wäre allerdings mittelbare Täterschaft gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB zu bejahen, deren Annahme auch bei § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB nichts im Wege stünde (BGH, Urteil vom 28. April 1981 - 5 StR 692/80, NJW 1981, 1744, 1745). Da die verschiedenen Täterschaftsformen auf einer im Wesentlichen gleichen Bewertungsebene liegen, ist eine wahlweise Feststellung, die den Schuldspruch unberührt lässt, zulässig (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1969 - 1 StR 339/69, BGHSt 23, 203, 208). Soweit ein Hinweis gemäß § 265 StPO für erforderlich gehalten wird (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1957 - 1 StR 318/57, BGHSt 11, 18, 19), vermag der Senat auszuschließen, dass sich der Angeklagte, der unabhängig vom Vorstellungsbild seiner Ehefrau nach den Feststellungen als faktischer Geschäftsführer die treibende Kraft war, anders als geschehen hätte verteidigen können.
18
4. Als rechtsfehlerhaft erweist sich allerdings die Annahme des Landgerichts , die Fälle 1 und 2 stünden zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB). Davon ist zwar grundsätzlich bei der Begehung mehrerer Subventionsbetrugstaten durch aktives Tun auszugehen. Nach der zum Steuerstrafrecht gefestigten Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 1985 - 1 StR 583/84, BGHSt 33, 163; zustimmend G/J/W-Rolletschke aaO, § 370 AO Rn. 554), die angesichts der Vergleichbarkeit der Vorgänge auf den Subventionsbetrug zu übertragen ist, liegt jedoch Tateinheit (§ 52 StGB) im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit dann vor, wenn die Abgabe verschiedener Anträge in einem äußeren Vorgang zusammenfällt und in den jeweiligen Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben enthalten sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da sich die am selben Tag beim Bauordnungsamt der Stadt H. eingegangenen Bewilligungsanträge der WuG KG und der E. /D. GbR hinsichtlich der maßgeblichen Angaben zu den erwarteten Baukosten vollumfänglich deckten.
19
V. Die Änderung des Konkurrenzverhältnisses bedingt den Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen 1 und 2 (1 Jahr 8 Monate und 1 Jahr 4 Monate) und die Aufhebung der Gesamtstrafe. Darüber hinaus hat das Landgericht - was auch zur Aufhebung der in Fall 3 festgesetzten Einzelstrafe (8 Monate) führt - den bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt nicht erörtert, ob der Angeklagte etwaige berufsrechtliche Folgen gemäß § 57 Abs. 2 Satz 2, § 89 Abs. 2 und 3, § 90 Abs. 1 Nr. 4 und 5 StBerG unter dem Aspekt des möglichen Verlustes seiner wirtschaftlichen und beruflichen Basis zu gewärtigen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Februar 2010 - 4 StR 514/09, wistra 2010, 301, 302; vom 11. April 2013 - 2 StR 506/12, NStZ 2013, 522, jeweils zu § 114 BRAO).
20
Angesichts der reinen Wertungsfehler bedarf es einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch nicht. Ergänzende Feststellungen, die nicht in Widerspruch zu den bisher getroffenen treten, sind möglich.
Becker Pfister Hubert Mayer Spaniol

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 2 0 6 / 1 3
vom
28. Mai 2014
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja [nur zu I. und IV.]
Veröffentlichung: ja
1. § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 StGB erfasst auch Subventionen, die nicht
nur Betrieben und Unternehmen, sondern auch Privatpersonen gewährt
werden können.
2. § 4 SubvG enthält subventionserhebliche Regelungen im Sinne des §
264 Abs. 8 Nr. 2 StGB.
BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 - 3 StR 206/13 - LG Hildesheim
in der Strafsache
gegen
wegen Subventionsbetrugs
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 28. Mai
2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 19. Dezember 2012
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Subventionsbetrugs und des Subventionsbetrugs in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist;
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Subventionsbetrugs in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt und bestimmt, dass zwei Monate dieser Strafe als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gelten. Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten, die den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg erzielt. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte - ein Steuerberater und vereidigter Buchprüfer - Gesellschafter der E. /D. sowie der GmbH (nachfolgend: WuG GmbH), der Komplementärin der (nachfolgend WuG KG). Im Dezember 1998 erwarben die E. /D. und die WuG KG in H. Eigentum an identisch gestalteten Wohnkomplexen mit jeweils 115 Mietwohnungen. Während sich zunächst der Verkäufer verpflichtet hatte, die erforderlichen Sanierungsarbeiten im Wert von rund 5,2 Mio. DM pro Komplex durchzuführen, kamen die Parteien im Juni 2000 überein, dass die noch ausstehenden Arbeiten von den jeweiligen Käufern selbst durchgeführt werden sollten. Auf der Grundlage eines Angebots des die bisherigen Sanierungsarbeiten durchführenden Unternehmens in Höhe von brutto 981.000,40 DM je Komplex gaben im Oktober 2000 beide Gesellschaften Teilarbeiten in einem Volumen von jeweils 400.000 DM in Auftrag.
3
Während der Durchführung dieser Arbeiten "erfuhr der Angeklagte von der Möglichkeit, im Rahmen des Förderprogramms 'Wohnen 2001' Fördermittel für Sanierung und Modernisierung von Wohnraum zu erhalten. [… Er ent- schloss sich] gemeinsam mit dem früheren Mitangeklagten E. im Rahmen der Fortführung der begonnen Sanierungsmaßnahmen an den beiden Bauvorhaben die Firmen RU und RW […] zwischenzuschalten, um die Baukosten 'auf dem Papier' zu erhöhen, um so überhöhte Fördermittel zu erschleichen." Bei der RU GmbH sowie der RW GmbH handelte es sich um Immobiliengesellschaften , die tatsächlich vom Angeklagten gesteuert wurden, deren Geschäftsführung - ebenso wie die der WuG GmbH bis zum 14. Dezember 2001 - formal jedoch D. R. , eine frühere Angestellte des Angeklagten in dessen Steuerberatungsgesellschaft, innehatte. Zur Tatzeit war D. R. als Studentin eingeschrieben, betrieb das Studium jedoch nie ernsthaft. Aus ihrer Geschäftsführertätigkeit bezog sie keine Einkünfte, wurde vielmehr vom Ange- klagten "mit monatlich 2.000 €" unterstützt.
4
In Umsetzung des Plans machten die WuG KG und die E. /D. GbR mit Anträgen vom 25. Juni 2001 unter identischer Aufstellung von Baukosten im Umfang von jeweils 3.464.500 DM beim Landesförderinstitut SachsenAnhalt Fördermittel geltend, die antragsgemäß in Höhe von jeweils 699.114,95 € bewilligt wurden. Die Anträge waren für die WuG KG von D. R. , für die E. /D. GbR von den beiden Gesellschaftern unterzeichnet worden. Nach einer Korrektur hinsichtlich eines Teils der Baukosten im Rahmen der Vorlage der Schlussrechnungen wurden die Bewilligungen auf jeweils 621.292,09 € gekürzt und- nach Abzug von Bearbeitungsgebühren - bis Juli 2003 an beide Gesellschaften je 609.252,13 € ausbezahlt.Tatsächlich waren nur Baukosten in Höhe von 610.650 € je Objekt entstanden. Ausgehend von der höchst möglichen Förderquote von 50% stand demnach beiden Gesell- schaften lediglich ein Förderbetrag in Höhe von jeweils 305.325 € zu (Fälle 1 und 2).
5
Am 26. November 2003 beantragte die WuG KG beim Finanzamt H. für das Jahr 2002 eine Investitionszulage. Auch insoweit machte der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer - der Antrag selbst ist von der Ehefrau des Angeklagten unterschrieben, die D. R. als Geschäftsführerin der Komplementärin abgelöst hatte - bis 31. Oktober 2002 entstandene Baukosten in Höhe von 1.615.725 € geltend und erreichte dadurch die Festsetzung und Auszahlung einer Zulage in Höhe von 167.048,80 €. Bei ordnungs- gemäßer Angabe der Baukosten in Höhe von 610.650 € hätte sich eine Zulage von 91.214,10 € errechnet, mithin ein um 75.833,70 € geringerer Betrag (Fall

3).


6
II. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht. Die Taten sind nicht verjährt, § 78 Abs. 1 Satz 1 StGB. Der Lauf der für Vergehen nach § 264 Abs. 1 StGB geltenden Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) beginnt gemäß § 78a Satz 1 StGB, sobald die Tat beendet ist. Die Tatbeendigung liegt in den Fällen des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB indes nicht schon in der Einreichung des Subventionsantrags. Vielmehr tritt sie erst mit der Zahlung der Subvention an den Begünstigten ein, bei Ausreichung in Teilbeträgen mit Eingang der letzten Rate (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 - 5 StR 467/06, NStZ 2007, 578, 579; NK-StGB-Hellmann, 4. Aufl., § 264 Rn. 182a; SSWStGB /Saliger, 2. Aufl., § 264 Rn. 41; aA OLG München, Urteil vom 22. Februar 2006 - 5St RR 12/06, NStZ 2006, 630, 631). Begann demnach in den Fällen 1 und 2 die Verjährungsfrist erst im Juli 2003, im Fall 3 erst im November 2003 zu laufen, so wurde diese - wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat - durch die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse vom 20. Juni 2006 und 20. September 2007 rechtzeitig unterbrochen und war absolute Verjährung (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, § 78b Abs. 4, § 78c Abs. 3 Satz 2 und 3 StGB) vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils (§ 78b Abs. 3, § 78c Abs. 3 Satz 3 StGB) nicht eingetreten.
7
III. Den Verfahrensbeanstandungen bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt.
8
IV. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Subventionsbetrugs. Lediglich die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Taten bedarf der Korrektur.
9
1. Bei den beantragten und bewilligten Fördermitteln handelte es sich um Subventionen im Sinne des § 264 Abs. 7 Satz 1 StGB. Abzustellen ist insoweit auf § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 StGB, denn die gewährten Leistungen hatten ihre Grundlage im nationalen Recht: in den Fällen 1 und 2 in den Regelungen der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Modernisierung und Instandsetzung von vermietetem oder vermietbarem Wohnraum in den Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf 'die soziale Stadt' sowie weiteren Quartieren und großen Wohngebieten (nachfolgend: Wohnen 2001 Richtlinie), die ihrerseits an das Gesetz zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft und zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums in den neuen Ländern (Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost) vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944, 982 f.) anknüpft, und im Fall 3 im Investitionszulagengesetz 1999 (nachfolgend: InvZulG 1999).
10
Nach § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB soll die Leistung wenigstens zum Teil der Förderung der Wirtschaft dienen. Mit dieser Regelung beabsichtigte der Gesetzgeber, die durch § 264 StGB gegenüber § 263 StGB bewirkte Vorverlagerung der Strafbarkeit in einen Gefährdungstatbestand, der selbst leichtfertiges Handeln einschließt, auf den Bereich zu beschränken, für den ein unabweisbares Bedürfnis für den verstärkten Strafschutz gesehen wurde (BT-Drucks. 7/5291, S.10). Insbesondere sollten Sozialleistungen nicht erfasst werden, deren ungerechtfertigte Erschleichung wegen des im Gegensatz zum Wirtschaftssektor regelmäßig leichter durchschaubaren Sachverhalts einfacher nachzuweisen ist und deshalb vom Betrugstatbestand ausreichend zuverlässig abgedeckt wird (BT-Drucks. aaO, S. 11). Da aber mit der Vergabe von Fördermitteln oftmals mehrere Zwecke verfolgt werden, reicht es für die Anwendbarkeit des Subventionsbetrugstatbestandes aus, dass diese "wenigstens zum Teil" der Wirtschaftsförderung dienen soll. Lediglich ein ganz entfernter Bezug zur Wirtschaft soll nicht genügen (BT-Drucks. aaO).
11
Welche Zwecke mit einer Leistung verfolgt werden, ist mittels Auslegung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen zu ermitteln (LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 264 Rn. 67; Eberle, Der Subventionsbetrug nach § 264 StGB - Ausgewählte Probleme einer verfehlten Reform, 1983, S. 99 ff.). Wenn nach Nr. 2 der Wohnen 2001 Richtlinie Gegenstand der Förderung Maßnahmen zur Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse sind und nach § 3 Abs. 1 InvZulG 1999 Investitionen an Wohnraum nur dann begünstigt werden, wenn dieser nach Durchführung der Arbeiten fünf Jahre lang entgeltlich überlassen wird, kann nicht fraglich sein, dass die verfahrensgegenständlichen Leistungen soziale Zwecke verfolgten. Sie beschränkten sich allerdings nicht hierauf: denn § 3 Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost bestimmt ausdrücklich, dass die Finanzmittel zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft und zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums bereitgestellt werden. Entsprechendes gilt für § 3 InvZulG 1999, der an § 3 Fördergebietsgesetz vom 23. September 1993 (BGBl. I 1993, 1654) anknüpft und wie dieser das Ziel verfolgt, den wirtschaftlichen Umbruch nach der Wiedervereinigung abzufedern (vgl. 19. Subventionsbericht der Bundesregierung vom 1. Oktober 2003, S. 32). Daraus wird deutlich, dass die maßgeblichen Förderungen vor allem auch der Wirtschaft galten, sei es der mit den Arbeiten beauftragten Bauwirtschaft, sei es dem Erhalt der Wirtschaftsstruktur insgesamt. Dieser teilweise der Wirtschaftsförderung dienende Zweck genügt. Da es sich hierbei um einen Endzweck im Gegensatz zu dem in der Erreichung eines bestimmten Verhaltens des Subventionsempfängers liegenden Primärzweck handelt, bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob nur solche Endzwecke von § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 StGB erfasst werden (so LK/Tiedemann aaO, § 264 Rn. 64; S/S-Perron, StGB, 29. Aufl., § 264 Rn. 18; NK-StGB-Hellmann aaO, § 264 Rn. 39; Eberle aaO, S. 95 ff.; SSW-StGB/Saliger aaO, § 264 Rn. 13; vgl. auch BGH, Urteil vom 5. September 1989 - 1 StR 291/89, NStZ 1990, 35, 36) oder ob jeder mit der Leistung angestrebte Zweck ausreicht, auch wenn er lediglich eine Bedingung für das gewünschte Ziel darstellt (so MüKoStGB/Wohlers/Mühlbauer, 2. Aufl., § 264 Rn. 45; SK-StGB/Hoyer, 67. Lfg., § 264 Rn. 34 ff.).
12
Schließlich handelte es sich bei den die Leistungen empfangenden Gesellschaften auch um Betriebe im Sinne des § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 StGB; denn sie bildeten nicht nur vorübergehend organisatorisch zusammengefasste Einheiten unter einheitlicher Leitung zu dem arbeitstechnischen Zweck, bestimmte Leistungen hervorzubringen oder zur Verfügung zu stellen (vgl. S/SPerron aaO, § 14 Rn. 28 f.). Damit ist § 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 StGB Genüge getan. Dessen Anwendbarkeit steht nicht entgegen, dass die verfahrensgegenständlichen Fördermittel dem Grunde nach auch Privaten offenstanden (so auch Eberle aaO, S. 69; SK-StGB/Hoyer aaO, § 264 Rn. 32). Soweit demgegenüber unter Bezugnahme auf den gesetzgeberischen Willen vertreten wird, dass nur solche Leistungen erfasst würden, die ausschließlich Betrieben und Unternehmen zugutekommen können (so Sannwald, Rechtsgut und Subventionsbegriff (§ 264 StGB), 1982, S. 124 f.; G/J/W-Straßer, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 264 Rn. 29; Carlsen, AgrarR 1978, 267, 268; LK/Tiedemann aaO, § 264 Rn. 54; S/S-Perron aaO, § 264 Rn. 21), kann dem nicht gefolgt werden. Mit der Einschränkung des Empfängerkreises wollte der Gesetzgeber lediglich eine zusätzliche Schranke errichten, um Sozialleistungen für unterstützungsbedürftige Einzelpersonen aus dem Anwendungsbereich der Norm auszuschließen (BT-Drucks. aaO, S. 12). Die Notwendigkeit hierzu ergab sich aber schon daraus, dass auch Sozialleistungen zugleich wirtschaftsfördernde Zwecke erfüllen können (zum Beispiel des Kurzarbeitergeldes s. Eberle aaO, S. 105 f.; LK/Tiedemann aaO, § 264 Rn. 67). Dass diese Überlegung die vorliegende Konstellation nicht erfasst und die Investitionszulagen auch gegenüber einer Privatperson keine Sozialleistung zu deren Gunsten darstellen, führt deshalb dazu, auch die auf entsprechender Grundlage an Betriebe geleisteten Mittel nicht aus dem Subventionsbegriff des § 264 Abs. 7 Nr. 1 StGB auszunehmen.
13
2. Bei den Angaben zu den Baukosten handelte es sich auch um subventionserhebliche Tatsachen im Sinne des § 264 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 8 StGB. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob der in den jeweiligen Antragsformularen enthaltene Hinweis, wonach alle Angaben in bestimmten Anlagen subventionserheblich seien, zu pauschal war, um den Anforderungen des § 264 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 StGB zu genügen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11. November 1998 - 3 StR 101/998, BGHSt 44, 233, 238). Denn jedenfalls die Voraussetzungen des § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB sind erfüllt. Dessen Anwendbarkeit steht zunächst nicht entgegen, dass vorliegend eine ausdrückliche Bezeichnung von Tatsachen als subventionserheblich gemäß § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB möglich und gewollt, aber möglicherweise unzureichend vorgenommen worden war (vgl. OLG München, Beschluss vom 1. Juli 1981 - 2 Ws 668/81, NJW 1982, 457, 458). Die Bewilligung der hier in Rede stehenden Subventionen hing auch von einem Gesetz ab. Zwar fehlt es hieran regelmäßig, soweit die Vorschriften der Verwaltung einen Ermessensspielraum einräumen (BGH, Urteil vom 11. November 1998 - 3 StR 101/98, aaO, 241). Das war bezüglich der hier maßgeblichen subventionserheblichen Tatsachen indes nicht der Fall. Dies folgt zum einen unmittelbar aus § 3 InvZulG 1999, der die Voraussetzungen aufzählt, bei deren Vorliegen die Zulage zwingend zu gewähren ist und deren Bemessung gesetzlich festlegt (§ 3 Abs. 4 InvZulG). Aber auch in den Fällen 1 und 2 stand lediglich die Entscheidung über die Bewilligung im Ermessen der zuständigen Behörde, nicht jedoch die Entscheidung über deren Höhe, die sich prozentual an den tatsächlichen Baukosten zu orientieren hatte. Die dies regelnden Bestimmungen der maßgeblichen Richtlinie sind zwar weder Gesetz im formellen noch im materiellen Sinne (hierzu S/S-Lenckner/Perron aaO, § 264 Rn. 33, 36). Das Verbot der Subventionierung über den tatsächlichen Bedarf hinaus folgt jedoch zwingend bereits aus § 4 SubvG, der gemäß § 1 SubvG-LSA Anwendung findet. Auf diese Bestimmungen wurde unter Ziffer 7.8 des Antragsformulars im Übrigen ausdrücklich hingewiesen.
14
Die Voraussetzungen des § 4 SubvG sind rechtsfehlerfrei festgestellt. Dabei kann der Senat offenlassen, ob in der Zwischenschaltung mehrerer Gesellschaften mit der Strafkammer ein Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 SubvG gesehen werden kann, der grundsätzlich die Gewährung von Subventionen insgesamt ausschließt. Es besteht keine Verpflichtung des Bauherrn, die Arbeiten an die unmittelbar Ausführenden selbst zu vergeben. Dieses Vorgehen widerspricht für sich betrachtet weder dem Subventionszweck noch werden hierdurch die förmlichen Voraussetzungen für eine Subventionsgewährung künstlich geschaffen, § 4 Abs. 2 Satz 2 und 3 SubvG. Die Feststellungen tragen aber jedenfalls die Annahme eines Scheingeschäfts im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 SubvG, § 117 Abs. 1 BGB. Ein solches ist anzunehmen, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem Geschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen, den Parteien also der Geschäftswille fehlt (BGH, Urteil vom 25. Oktober1961 - V ZR 103/60, BGHZ 36, 84, 87 f.; BFH, Urteil vom 21. Oktober 1988 - III R 194/84, BStBl II 1989, 216). So liegt der Fall hier. Die zwischengeschalteten Unternehmen sollten nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien keine Leistungen erbringen. Dass tatsächlich Schriftverkehr unter den Briefköpfen dieser Unternehmen geführt wurde, hat das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht als Erfüllung einer geschuldeten Generalübernehmertätigkeit, sondern als Teil des nach außen aufgebauten Täuschungsszenarios gewürdigt.
15
3. Die das Scheingeschäft ausmachenden Angaben stellen sich dementsprechend nach § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB als unrichtig im Sinne von nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmend dar (vgl. LK/Tiedemann aaO, § 264 Rn. 96). Maßgeblich war vielmehr der verdeckte Sachverhalt, § 4 Abs. 1 Satz 2 SubvG. Der Angeklagte handelte auch jeweils täterschaftlich. Insoweit gilt:
16
§ 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist kein Sonderdelikt. Täter kann mithin nicht nur der Subventionsnehmer bzw. dessen gesetzlicher Vertreter (§ 14 Abs. 1 StGB), sondern jedermann sein (BGH, Urteil vom 28. April 1981 - 5 StR 692/80, NJW 1981, 1744, 1745). Dabei gelten für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei Personen, die im Lager des Subventionsempfängers stehen, die allgemeinen Regeln (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 1986 - 3 StR 103/86, NStZ 1986, 463 zum wortgleichen § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO; MüKoStGB/Wohlers/Mühlbauer aaO, § 264 Rn. 49). Es kommt mithin nicht darauf an, ob der Angeklagte auch gegenüber D. R. als faktischer (Mit)Geschäftsführer der Komplementärin der WuG KG anzusehen war. Denn jedenfalls war er hinsichtlich der Antragstellung entscheidungskompetent (hierzu Eberle aaO, S. 136), so dass das Landgericht in Fall 2 zu Recht das vorsätzliche Handeln der D. R. - Unterzeichnung des Bewilligungsantrags der WuG KG - dem Angeklagten gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet hat.
17
Dagegen ist die - aus der Liste der angewandten Vorschriften zu erschließende - Annahme von Mittäterschaft in Fall 3 nicht belegt, da die Strafkammer keine Feststellungen zum Vorstellungsbild der Ehefrau des Angeklagten getroffen hat. Im Falle deren Gutgläubigkeit wäre allerdings mittelbare Täterschaft gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB zu bejahen, deren Annahme auch bei § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB nichts im Wege stünde (BGH, Urteil vom 28. April 1981 - 5 StR 692/80, NJW 1981, 1744, 1745). Da die verschiedenen Täterschaftsformen auf einer im Wesentlichen gleichen Bewertungsebene liegen, ist eine wahlweise Feststellung, die den Schuldspruch unberührt lässt, zulässig (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1969 - 1 StR 339/69, BGHSt 23, 203, 208). Soweit ein Hinweis gemäß § 265 StPO für erforderlich gehalten wird (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1957 - 1 StR 318/57, BGHSt 11, 18, 19), vermag der Senat auszuschließen, dass sich der Angeklagte, der unabhängig vom Vorstellungsbild seiner Ehefrau nach den Feststellungen als faktischer Geschäftsführer die treibende Kraft war, anders als geschehen hätte verteidigen können.
18
4. Als rechtsfehlerhaft erweist sich allerdings die Annahme des Landgerichts , die Fälle 1 und 2 stünden zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB). Davon ist zwar grundsätzlich bei der Begehung mehrerer Subventionsbetrugstaten durch aktives Tun auszugehen. Nach der zum Steuerstrafrecht gefestigten Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 1985 - 1 StR 583/84, BGHSt 33, 163; zustimmend G/J/W-Rolletschke aaO, § 370 AO Rn. 554), die angesichts der Vergleichbarkeit der Vorgänge auf den Subventionsbetrug zu übertragen ist, liegt jedoch Tateinheit (§ 52 StGB) im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit dann vor, wenn die Abgabe verschiedener Anträge in einem äußeren Vorgang zusammenfällt und in den jeweiligen Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben enthalten sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da sich die am selben Tag beim Bauordnungsamt der Stadt H. eingegangenen Bewilligungsanträge der WuG KG und der E. /D. GbR hinsichtlich der maßgeblichen Angaben zu den erwarteten Baukosten vollumfänglich deckten.
19
V. Die Änderung des Konkurrenzverhältnisses bedingt den Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen 1 und 2 (1 Jahr 8 Monate und 1 Jahr 4 Monate) und die Aufhebung der Gesamtstrafe. Darüber hinaus hat das Landgericht - was auch zur Aufhebung der in Fall 3 festgesetzten Einzelstrafe (8 Monate) führt - den bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt nicht erörtert, ob der Angeklagte etwaige berufsrechtliche Folgen gemäß § 57 Abs. 2 Satz 2, § 89 Abs. 2 und 3, § 90 Abs. 1 Nr. 4 und 5 StBerG unter dem Aspekt des möglichen Verlustes seiner wirtschaftlichen und beruflichen Basis zu gewärtigen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Februar 2010 - 4 StR 514/09, wistra 2010, 301, 302; vom 11. April 2013 - 2 StR 506/12, NStZ 2013, 522, jeweils zu § 114 BRAO).
20
Angesichts der reinen Wertungsfehler bedarf es einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch nicht. Ergänzende Feststellungen, die nicht in Widerspruch zu den bisher getroffenen treten, sind möglich.
Becker Pfister Hubert Mayer Spaniol

(1) Die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung sind entsprechend anzuwenden. Dies gilt nicht für § 163 der Abgabenordnung. In öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die auf Grund dieses Gesetzes ergehenden Verwaltungsakte der Finanzbehörden ist der Finanzrechtsweg, gegen die Versagung von Bescheinigungen ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

(2) Die Investitionszulage ist nach Ablauf des Wirtschaftsjahres oder Kalenderjahres festzusetzen. Beantragen Ehegatten die Investitionszulage nach § 5 Abs. 1 gemeinsam, ist die Festsetzung der Investitionszulage zusammen durchzuführen. Die Investitionszulage für Investitionen, die zu einem Investitionsvorhaben gehören, das die Anmeldungsvoraussetzungen gemäß dem multisektoralen Regionalbeihilferahmen für größere Investitionsvorhaben vom 16. Dezember 1997 (ABl. EG 1998 Nr. C 107 S. 7), zuletzt geändert durch die Mitteilung der Kommission an die Mitgliedstaaten vom 11. August 2001 (ABl. EG Nr. C 226 S. 16), erfüllt, ist erst festzusetzen, wenn die Europäische Kommission die höchstzulässige Beihilfeintensität festgelegt hat. Die Investitionszulage für Investitionen, die zu einem Investitionsvorhaben gehören, das die Anmeldungsvoraussetzungen gemäß dem multisektoralen Regionalbeihilferahmen für große Investitionsvorhaben vom 13. Februar 2002 (ABl. EG Nr. C 70 S. 8), geändert durch Mitteilung der Kommission vom 1. November 2003 (ABl. EU Nr. C 263 S. 3), erfüllt, ist in den Fällen, in denen hiernach eine Einzelnotifizierung vorgeschrieben ist, erst nach Genehmigung durch die Europäische Kommission festzusetzen. Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates weitere Einzelnotifizierungspflichten zu regeln, die sich aus den von den Organen der Europäischen Gemeinschaften erlassenen Rechtsvorschriften ergeben. Die Investitionszulage ist der Europäischen Kommission zur Genehmigung vorzulegen und erst nach deren Genehmigung festzusetzen, wenn sie für Unternehmen bestimmt ist, die

1.
keine kleinen Unternehmen im Sinne der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. EG Nr. L 107 S. 4), ersetzt durch die Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. EU Nr. L 124 S. 36), sind,
2.
als Unternehmen in Schwierigkeiten Umstrukturierungsbeihilfen im Sinne der "Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten" vom 1. Oktober 2004 (ABl. EU Nr. C 244 S. 2) erhalten haben und
3.
sich in der Umstrukturierungsphase befinden. Die Umstrukturierungsphase beginnt mit der Genehmigung des Umstrukturierungsplans im Sinne der "Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten" und endet mit der vollständigen Durchführung des Umstrukturierungsplans.

(3) Die Investitionszulage ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids aus den Einnahmen an Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer auszuzahlen.

(1) Ehegatten, die gemeinsam Eigentümer einer Wohnung sind, können die Investitionszulage nach § 4 gemeinsam beantragen, wenn in dem Jahr, für das der Antrag gestellt wird, die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes vorgelegen haben.

(2) Der Antrag ist bei dem für die Besteuerung des Anspruchsberechtigten nach dem Einkommen zuständigen Finanzamt zu stellen. Ist eine Personengesellschaft oder Gemeinschaft Anspruchsberechtigter, so ist der Antrag bei dem Finanzamt zu stellen, das für die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte zuständig ist.

(3) Der Antrag ist nach amtlichem Vordruck zu stellen und vom Anspruchsberechtigten eigenhändig zu unterschreiben. In dem Antrag sind die Investitionen, für die eine Investitionszulage beansprucht wird, so genau zu bezeichnen, dass ihre Feststellung bei einer Nachprüfung möglich ist.

(1) Die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung sind entsprechend anzuwenden. Dies gilt nicht für § 163 der Abgabenordnung. In öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die auf Grund dieses Gesetzes ergehenden Verwaltungsakte der Finanzbehörden ist der Finanzrechtsweg, gegen die Versagung von Bescheinigungen ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

(2) Die Investitionszulage ist nach Ablauf des Wirtschaftsjahres oder Kalenderjahres festzusetzen. Beantragen Ehegatten die Investitionszulage nach § 5 Abs. 1 gemeinsam, ist die Festsetzung der Investitionszulage zusammen durchzuführen. Die Investitionszulage für Investitionen, die zu einem Investitionsvorhaben gehören, das die Anmeldungsvoraussetzungen gemäß dem multisektoralen Regionalbeihilferahmen für größere Investitionsvorhaben vom 16. Dezember 1997 (ABl. EG 1998 Nr. C 107 S. 7), zuletzt geändert durch die Mitteilung der Kommission an die Mitgliedstaaten vom 11. August 2001 (ABl. EG Nr. C 226 S. 16), erfüllt, ist erst festzusetzen, wenn die Europäische Kommission die höchstzulässige Beihilfeintensität festgelegt hat. Die Investitionszulage für Investitionen, die zu einem Investitionsvorhaben gehören, das die Anmeldungsvoraussetzungen gemäß dem multisektoralen Regionalbeihilferahmen für große Investitionsvorhaben vom 13. Februar 2002 (ABl. EG Nr. C 70 S. 8), geändert durch Mitteilung der Kommission vom 1. November 2003 (ABl. EU Nr. C 263 S. 3), erfüllt, ist in den Fällen, in denen hiernach eine Einzelnotifizierung vorgeschrieben ist, erst nach Genehmigung durch die Europäische Kommission festzusetzen. Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates weitere Einzelnotifizierungspflichten zu regeln, die sich aus den von den Organen der Europäischen Gemeinschaften erlassenen Rechtsvorschriften ergeben. Die Investitionszulage ist der Europäischen Kommission zur Genehmigung vorzulegen und erst nach deren Genehmigung festzusetzen, wenn sie für Unternehmen bestimmt ist, die

1.
keine kleinen Unternehmen im Sinne der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. EG Nr. L 107 S. 4), ersetzt durch die Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. EU Nr. L 124 S. 36), sind,
2.
als Unternehmen in Schwierigkeiten Umstrukturierungsbeihilfen im Sinne der "Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten" vom 1. Oktober 2004 (ABl. EU Nr. C 244 S. 2) erhalten haben und
3.
sich in der Umstrukturierungsphase befinden. Die Umstrukturierungsphase beginnt mit der Genehmigung des Umstrukturierungsplans im Sinne der "Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten" und endet mit der vollständigen Durchführung des Umstrukturierungsplans.

(3) Die Investitionszulage ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids aus den Einnahmen an Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer auszuzahlen.

(1) Begünstigte Investitionen sind:

1.
nachträgliche Herstellungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind,
2.
die Anschaffung von Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind, soweit nachträgliche Herstellungsarbeiten nach dem rechtswirksamen Abschluss des obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind, und
3.
Erhaltungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellt worden sind,
soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder der Erhaltungsarbeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen,
4.
die Anschaffung neuer Gebäude bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung und die Herstellung neuer Gebäude,
a)
soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen und
b)
wenn der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweist, dass das Gebäude im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet nach dem Baugesetzbuch, einem förmlich festgelegten Erhaltungssatzungsgebiet nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Baugesetzbuchs oder in einem Gebiet liegt, das durch Bebauungsplan als Kerngebiet im Sinne des § 7 der Baunutzungsverordnung festgesetzt ist oder das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung diesem Gebiet entspricht.
Satz 1 Nr. 1 und 2 kann nur angewendet werden, wenn der Anspruchsberechtigte und im Veräußerungsfall der Erwerber für die Herstellungsarbeiten keine erhöhten Absetzungen in Anspruch nimmt. Im Fall der Anschaffung kann Satz 1 nur angewendet werden, wenn kein anderer Anspruchsberechtigter für das Gebäude Investitionszulage in Anspruch nimmt. Im Fall nachträglicher Herstellungsarbeiten im Sinne von Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie im Fall der Herstellung im Sinne von Satz 1 Nr. 4 kann Satz 1 nur angewendet werden, soweit im Veräußerungsfall der Erwerber für das Gebäude keine Sonderabschreibungen in Anspruch nimmt.

(2) Die Investitionen sind begünstigt, wenn sie der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 1998 und

1.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 vor dem 1. Januar 2005,
2.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 vor dem 1. Januar 2002
abschließt. Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 sind in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die nachträglichen Herstellungsarbeiten oder die Erhaltungsarbeiten beendet worden sind. Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 sind in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die Gebäude angeschafft oder hergestellt worden sind.

(3) Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage ist die den Betrag von 2.556 Euro übersteigende Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen der im Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen, soweit sie die vor dem 1. Januar 1999 geleisteten Anzahlungen auf Anschaffungskosten, Anzahlungen auf Erhaltungsaufwendungen und entstandenen Teilherstellungskosten übersteigen. Zur Bemessungsgrundlage gehören jedoch nicht

1.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 und 3 die nachträglichen Herstellungskosten und die Erhaltungsaufwendungen, soweit sie insgesamt in den Jahren 1999 bis 2004 614 Euro je Quadratmeter Wohnfläche übersteigen. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1, die der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 2001 begonnen hat oder bei denen er das Objekt im Fall der Anschaffung auf Grund eines nach dem 31. Dezember 2001 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft hat, gehören die nachträglichen Herstellungskosten und die Erhaltungsaufwendungen nur zur Bemessungsgrundlage, soweit sie insgesamt in den Jahren 2002 bis 2004 50 Euro je Quadratmeter Wohnfläche überschreiten. In den zuletzt genannten Fällen ist der Betrag von 2.556 Euro nicht zu berücksichtigen. Betreffen nachträgliche Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten mehrere Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sind die nachträglichen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen nach dem Verhältnis der Nutzflächen auf die Gebäudeteile aufzuteilen, soweit eine unmittelbare Zuordnung nicht möglich ist. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten die Sätze 1 bis 4 mit der Maßgabe entsprechend, dass an die Stelle der nachträglichen Herstellungskosten die Anschaffungskosten treten, die auf nachträgliche Herstellungsarbeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 entfallen;
2.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, soweit sie 2.045 Euro je Quadratmeter Wohnfläche des Gebäudes übersteigen.
§ 2 Abs. 5 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. In die Bemessungsgrundlage können die im Kalenderjahr geleisteten Anzahlungen auf Erhaltungsaufwendungen einbezogen werden. Als Beginn der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten gilt bei Baumaßnahmen, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird; bei baugenehmigungsfreien Bauvorhaben, für die Bauunterlagen einzureichen sind, der Zeitpunkt, in dem die Bauunterlagen eingereicht werden.

(4) Die Investitionszulage beträgt

1.
15 vom Hundert für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 entfällt, und
2.
10 vom Hundert für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 entfällt.

(1) Begünstigte Investitionen sind:

1.
nachträgliche Herstellungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1949 fertig gestellt worden sind,
2.
die Anschaffung von Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1949 fertig gestellt worden sind, soweit nachträgliche Herstellungsarbeiten nach dem rechtswirksamen Abschluss des obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind, und
3.
Erhaltungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1949 fertig gestellt worden sind,
wenn der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweist, dass das Gebäude im Zeitpunkt der Anschaffung oder Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten und Erhaltungsarbeiten in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet nach dem Baugesetzbuch, einem förmlich festgelegten Erhaltungssatzungsgebiet nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Baugesetzbuchs oder in einem Gebiet liegt, das durch Bebauungsplan als Kerngebiet im Sinne des § 7 der Baunutzungsverordnung festgesetzt ist oder das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung diesem Gebiet entspricht. Satz 1 gilt entsprechend für Gebäude, die nach dem 31. Dezember 1948 und vor dem 1. Januar 1960 fertig gestellt worden sind, wenn der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen Denkmalbehörde nachweist, dass das Gebäude oder ein Gebäudeteil nach den landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist. Die Sätze 1 und 2 können nur angewendet werden, soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder der Erhaltungsarbeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen. Die Sätze 1 und 2 können nur angewendet werden, wenn für die nachträglichen Herstellungsarbeiten oder die Erhaltungsarbeiten keine Investitionszulage nach § 3 in Anspruch genommen wird. § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) Investitionen im Sinne des Absatzes 1 sind begünstigt, wenn der Anspruchsberechtigte im Fall nachträglicher Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten nach dem 31. Dezember 2001 mit den Arbeiten begonnen hat oder im Fall der Anschaffung das Objekt auf Grund eines nach dem 31. Dezember 2001 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft hat. Als Beginn der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten gilt bei Baumaßnahmen, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird; bei baugenehmigungsfreien Bauvorhaben, für die Bauunterlagen einzureichen sind, der Zeitpunkt, in dem die Bauunterlagen eingereicht werden.

(3) Die Investitionen sind begünstigt, wenn sie der Anspruchsberechtigte vor dem 1. Januar 2005 abschließt. § 3 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage ist die Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen der im Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 und 3 gehören die nachträglichen Herstellungskosten und die Erhaltungsaufwendungen nur zur Bemessungsgrundlage, soweit sie insgesamt in den Jahren 2002 bis 2004 50 Euro je Quadratmeter Wohnfläche überschreiten und 1.200 Euro je Quadratmeter Wohnfläche nicht übersteigen. Betreffen nachträgliche Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten mehrere Gebäudeteile, die selbstständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sind die nachträglichen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen nach dem Verhältnis der Nutzflächen auf die Gebäudeteile aufzuteilen, soweit eine unmittelbare Zuordnung nicht möglich ist. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten die Sätze 2 und 3 mit der Maßgabe entsprechend, dass an die Stelle der nachträglichen Herstellungskosten die Anschaffungskosten treten, die auf nachträgliche Herstellungsarbeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 entfallen. § 2 Abs. 5 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. In die Bemessungsgrundlage können die im Kalenderjahr geleisteten Anzahlungen auf Erhaltungsaufwendungen einbezogen werden.

(5) Die Investitionszulage beträgt 22 vom Hundert der Bemessungsgrundlage.

(1) Kerngebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur.

(2) Zulässig sind

1.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
2.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes und Vergnügungsstätten,
3.
sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe,
4.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
5.
Tankstellen im Zusammenhang mit Parkhäusern und Großgaragen,
6.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter,
7.
sonstige Wohnungen nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Tankstellen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 5 fallen,
2.
Wohnungen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 6 und 7 fallen.

(4) Für Teile eines Kerngebiets kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass

1.
oberhalb eines im Bebauungsplan bestimmten Geschosses nur Wohnungen zulässig sind oder
2.
in Gebäuden ein im Bebauungsplan bestimmter Anteil der zulässigen Geschossfläche oder eine bestimmte Größe der Geschossfläche für Wohnungen zu verwenden ist.
Dies gilt auch, wenn durch solche Festsetzungen dieser Teil des Kerngebiets nicht vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23. Juni 2010 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen die Rücknahme einer sogenannten Kerngebietsbescheinigung, eines Grundlagenbescheides für die Gewährung einer Investitionszulage.

2

Diese betrifft die Doppelhaushälfte E-Straße in B-Stadt. Der Bereich ist in dem Bebauungsplan F als Allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Die gegenüberliegende Straßenseite ist unbebaut. In etwa 150 m Entfernung beginnt auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Ortskern von B-Stadt. Dort befinden sich eine Schule, das Amtsgebäude und einige Gewerbebetriebe.

3

Mit Datum vom 28.03.2002 erteilte der Beklagte auf den Antrag der Kläger eine Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4b InvZulG 1999, mit der bescheinigt wurde, dass das Gebäude in einem Gebiet liegt, das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung einem Gebiet entspricht, welches durch Bebauungsplan als Kerngebiet im Sinne des § 7 BauNVO festgesetzt ist. Auf der Grundlage dieser Bescheinigung wurde eine Investitionszulage in Höhe von 5.460,09 EUR an die Kläger ausgezahlt.

4

Mit Schreiben vom 27.01.2003 wies das Finanzamt Stralsund bezogen auf andere Gebäude E-Straße auf rechtliche Zweifel an der Richtigkeit der Bescheinigungen hin, die für Bauvorhaben "auf der grünen Wiese" ausgestellt worden seien, und verwies auf die "Hinweise für die kommunale Bescheinigungspraxis..." des Bundesbauministeriums. Das Finanzamt bat um Überprüfung aller vom Beklagten in der Vergangenheit bereits erteilten Investitionszulagenbescheinigungen und ggf. Rücknahme der entsprechenden Bescheide, einschließlich eines Hinweises "auf die Möglichkeit einer straf- oder bußgeldrechtlichen Würdigung bei bestehendem Verdacht einer falsch ausgestellten Bescheinigung".

5

Der Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 20.02.2003. Eine Rücknahme ausgestellter Bescheinigungen werde abgelehnt, weil die Voraussetzungen jeweils von der Bauamtsleitung des Amtes sorgfältig überprüft und zum Zeitpunkt der Bescheinigungserstellung als erfüllt angesehen worden seien. Dies sei auf der Grundlage entsprechender Ausführungen in der Zeitschrift des Städte- und Gemeindetages erfolgt. Ergänzend sei mit dem Finanzamt Rücksprache gehalten worden, worüber ein Telefonvermerk existiere. Erst im November 2002 sei eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Greifswald bekannt geworden, auf Grund derer der Städte- und Gemeindetag seine bisherige Empfehlung einer großzügigen Auslegung des InvZulG zurück gezogen habe. Ebenfalls erst zu diesem Zeitpunkt habe das Innenministerium M-V Hinweise und Merkblätter zur Investitionszulage nach dem InvZulG 1999 versandt. Der Beklagte verwies auf den Vertrauensschutz der Begünstigten, die die Planung und Finanzierung ihrer Bauvorhaben auf die Förderbarkeit nach dem InvZulG aufgebaut hätten. Die aus einer möglichen Rücknahme der Verwaltungsakte resultierenden Konsequenzen seien als unzumutbare Nachteile für die Betroffenen zu werten und würden auf Grund dessen vom Amt prinzipiell abgelehnt.

6

In der Beschlussvorlage für die Sitzung der Gemeindevertretung B-Stadt am 18.02.2003 erläuterte die Amtsverwaltung, weshalb die Kerngebietsbescheinigungen für das Gemeindegebiet nicht rechtmäßig erteilt worden seien, und empfohlen, diese zurückzunehmen. Im Protokoll heißt es hierzu: "Die Beschlussvorlage wird durch den Bürgermeister zurückgezogen. Es erfolgt die Information, dass die Grundlagenbescheide durch die Gemeinde B-Stadt vor der Änderung der rechtlichen Auslegung nicht zurückgezogen werden sollen. Neue Bescheinigungen werden indes nicht mehr ausgestellt."

7

Unter dem 07.01.2003 beantragten die Kläger für die andere Doppelhaushälfte E-Straße in B-Stadt ebenfalls einen Grundlagenbescheid nach dem Investitionszulagengesetz. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27.02.2003 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 InvZulG 1999 lägen nicht vor. Den Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.04.2003 als unbegründet zurück.

8

Mit Schreiben des Landrates des Landkreises Nordvorpommern als untere Rechtsaufsichtsbehörde vom 12.11.2007 wurden die Amtsverwaltungen aufgefordert, in allen Fällen fehlerhafter Investitionsbescheinigungen Rücknahmebescheide zu erlassen und bis zum 30.11.2007 über den Erlass der Rücknahmebescheide zu berichten. Die Kommunalabteilung des Innenministeriums habe darauf hingewiesen, dass grundsätzlich in allen diesen Fällen Rücknahmebescheide zu erlassen seien. Dabei stehe der Aspekt im Vordergrund, dass nur mittels einer generellen "Fehlerkorrektur" das Vertrauen in die öffentliche Verwaltung herzustellen sei. Auf einen Vertrauensschutz könnten sich die Begünstigten regelmäßig nicht berufen. Zwar hätten diese eine Vermögensdisposition vorgenommen, aber der geldwerte Vorteil stecke quasi in der Liegenschaft und sei damit als Gegenstand der Bereicherung noch vorhanden. Das Finanzministerium habe angekündigt, die Kommunen, falls sie der Aufforderung der Rechtsaufsichtsbehörde zur Rücknahme der Bescheinigungen nicht nachkämen, in die Haftung nehmen zu wollen.

9

Mit Schreiben vom 25.07. und 11.09.2007 hörte der Beklagte die Kläger zu der beabsichtigten Rücknahme an. Die Kläger äußerten sich nicht.

10

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.11.2007 nahm der Beklagte den Grundlagenbescheid vom 28.03.2002 mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und führte zur Begründung aus: Im Rahmen einer nochmaligen Prüfung der Sach- und Rechtslage sei festgestellt worden, dass die bescheinigten Voraussetzungen nicht gegeben seien. Die konkrete örtliche Situation biete keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein eines Kerngebietes iSv § 7 BauNVO. Auch die Bebauung der näheren Umgebung entspreche nicht ansatzweise einem solchen Kerngebiet. Zwar lägen im Ortsteil Einrichtungen, die auch in einem Kerngebiet zulässig seien, wie die Grundschule, ein Hotel und andere Gewerbebetriebe, dennoch handele es sich um einen Ortsteil, der überwiegend durch eine Wohnbebauung gekennzeichnet sei. Ein Dorfkern stelle regelmäßig kein Kerngebiet iSd § 3 Abs. 1 Nr. 4b InvZulG 1999 dar. Das Vertrauen der Kläger sei nicht wegen Verbrauchs gewährter Leistungen schutzwürdig, weil die Kläger Aufwendungen erspart hätten, die sonst aus eigenen Mitteln aufzubringen gewesen wären. Im Rahmen der Anhörung hätten die Kläger auch kein schutzwürdiges Vertrauen geltend gemacht.

11

Den Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008 als unbegründet zurück. Die Jahresfrist für die Rücknahme sei gewahrt. Die Frist habe nicht bereits im Jahr 2003 zu laufen begonnen, weil damals – wie im einzelnen näher ausgeführt wird - keine Sicherheit über die Rechtswidrigkeit der erteilten Grundlagenbescheide bestanden habe. Eine Einzelfallprüfung hinsichtlich einer Rücknahme sei nicht durchgeführt worden. Man habe vergebens auf eine Rückäußerung des Finanzamtes gewartet. Da die Kläger die Doppelhaushälfte zu einem Preis von etwa 138.000 EUR veräußert hätten, seien sie nicht entreichert; die Verwendung des Geldes stehe - unter dem Gesichtspunkt eines schutzwürdigen Vertrauens, § 48 Abs. 2 VwVfG M-V - der Rücknahme nicht entgegen. Bei der Ermessensentscheidung über die Rücknahme sei der Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung der Haushaltsmittel zu beachten, der den großzügigen Verzicht auf die Rücknahme verbiete. Angesichts des mangelnden Vertrauensschutzes überwiege das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung eines rechtskonformen Zustandes gegenüber dem privaten Interesse an der Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Bescheides.

12

Die Kläger haben am 27.02.2008 Klage erhoben. Sie haben vorgetragen: Die Rücknahme sei nicht gemäß § 48 Abs. 4 VwVfG M-V fristgerecht innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen erfolgt. Daraus dass der Beklagte die Erteilung einer Investitionszulagenbescheinigung für das zweite Grundstück der Kläger bereits Anfang des Jahres 2003 abgelehnt habe, ergebe sich, dass die Rechtswidrigkeit des zurück genommenen Bescheides ihm bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sei. Auch das Finanzamt Stralsund, das Bauministerium M-V und das Finanzministerium M-V hätten bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der ausgestellten Grundlagenbescheide gehabt. Für das Finanzministerium M-V gelte dies bereits seit April 2001. In der 2007 erteilten Weisung des Landkreises Nordvorpommern, Grundlagenbescheide aus früheren Jahren zurück zu nehmen, sei die Rücknahme nicht von einer Würdigung der Einzelfallumstände abhängig gemacht worden. Das anschließende Anhörungsschreiben an die Kläger vom 11.09.2007 sei nicht auf weitere Sachverhaltsaufklärung gerichtet gewesen; es stelle sich lediglich als formelle Wahrung des rechtlichen Gehörs dar. Die Kläger haben sich auf die Entscheidung des VGH Mannheim vom 05.04.2007 - 8 S 2090/06 - berufen, nach der die Jahresfrist zur Rücknahme zu laufen beginnt, wenn aus der Sicht der Behörde Entscheidungsreife gegeben ist.

13

Die Kläger haben beantragt,

14

den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 20.11.2007 und dessen Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008 aufzuheben.

15

Der Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Er hat vorgetragen, die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG M-V stehe der Rücknahme nicht entgegen, weil diese erst mit Kenntnis der Behörde von allen für die zu treffende Ermessensentscheidung relevanten Tatsachen beginne. Diese habe erst im Juli 2007 vorgelegen.

18

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger zu 2. erklärt, als er die Investitionszulage erhalten habe, sei das Gebäude bereits errichtet gewesen. Weitere Investitionsmaßnahmen habe er danach nicht getätigt. Über die Voraussetzungen, unter denen eine Investitionszulage gewährt werde, habe er sich seinerzeit überhaupt keine Gedanken gemacht. Diese sei von seinem Steuerberater beantragt worden.

19

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil des Berichterstatters vom 23.06.2010 der Klage stattgegeben und den angefochtenen Rücknahmebescheid aufgehoben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die zurück genommene Kerngebietsbescheinigung sei rechtswidrig. Die Rücknahme sei gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG M-V nicht durch Vertrauensschutzgesichtspunkte gehindert, weil von einer grob fahrlässigen Unkenntnis bei den Klägern bzw. dem Steuerberater als ihrem Vertreter auszugehen sei. Die Rücknahme sei jedoch nicht innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG M-V erfolgt. Der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten habe spätestens im Februar 2003 die Rechtswidrigkeit der Kerngebietsbescheinigung erkannt. Soweit grundsätzlich auch die vollständige Kenntnis der Behörde über den für die Entscheidung über die Rücknahme erheblichen Sachverhalt Voraussetzung für den Fristlauf sei, insbesondere einschließlich Vertrauensschutzaspekten und Ermessensgesichtspunkten, gelte dies nicht, wenn die Behörde zu erkennen gegeben habe, dass sie von vornherein - ohne Klärung dieser Gesichtspunkte - eine Rücknahme für unzulässig halte. Es komme also - wie der VGH Mannheim in der von Klägerseite angeführten Entscheidung zu Recht dargelegt habe - allein auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife aus Sicht der Behörde an. Dies sei hier der Zeitpunkt im Februar 2003 gewesen, in dem der Beklagte erklärt habe, eine Rücknahme werde abgelehnt.

20

Im übrigen sei die Rücknahme ermessensfehlerhaft. Allerdings begründeten die Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie die fehlende Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Kläger ein intendiertes Ermessen. Der Beklagte habe aber berücksichtigen müssen, dass ihn ein erhebliches Mitverschulden an der rechtswidrigen Erteilung der Bescheinigung treffe. Auch bei einer weiten Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 4b InvZulG 1999 sei offensichtlich gewesen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung nicht vorgelegen hätten. Bei lebensnaher Betrachtung könne daher davon ausgegangen werden, dass er die Bescheinigung in Kenntnis der Rechtswidrigkeit erteilt habe oder zumindest den sich aufdrängenden Zweifeln an deren Rechtmäßigkeit nicht nachgegangen sei. Auch der fehlende Vertrauensschutz zu Gunsten der Kläger hindere eine Berücksichtigung des Mitverschuldens der Behörde nicht. Im übrigen habe der Beklagte auch den Zeitablauf seit Kenntnis der Rechtswidrigkeit bei der Ermessensentscheidung berücksichtigen müssen. Es habe näherer Darlegung bedurft, weshalb auch vier Jahre später noch das öffentliche Interesse an der Rücknahme der Bescheinigung gegenüber dem Interesse der Kläger überwiege.

21

Gegen das am 03.08.2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 30.08.2010 die Zulassung der Berufung beantragt und den Antrag am Montag, den 04.10.2010 begründet. Der Senat hat mit Beschluss vom 18.01.2013, zugestellt am 23.01.2013, die Berufung zugelassen. Der Beklagte hat daraufhin am 22.02.2013 die Berufung begründet.

22

Er trägt vor: Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG M-V sei im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht abgelaufen gewesen. Das Amt habe erst im Jahre 2007 Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der erteilten Investitionsbescheinigungen gehabt. Bis dahin sei zur Frage der Rechtmäßigkeit eine differenzierte Auffassung vertreten worden. Die Richtlinien des Innenministeriums vom 05.11.2002 hätten lediglich die künftige Bescheinigungspraxis geregelt, sich zu den bereits zuvor erlassenen Bescheinigungen aber nicht geäußert. Dies ergebe sich bereits aus dem Widerspruchsbescheid.

23

Es treffe auch nicht zu, dass er - der Beklagte - bereits im Jahr 2003 zu erkennen gegeben habe, dass eine Rücknahme für unzulässig gehalten werde. Dies ergebe sich insbesondere nicht aus dem Protokoll der Gemeindevertretersitzung vom 18.02.2003. In dieser Sitzung sei die Gemeindevertretung lediglich informiert worden, habe aber keine Beschlüsse gefasst. Der informierende Bürgermeister - der im übrigen für die Entscheidung über die Rücknahme nicht zuständig gewesen sei - habe die Auffassung vertreten, dass die Bescheide im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig gewesen seien. Entsprechend habe sich der Amtsvorsteher in dem Schreiben an das Finanzamt Stralsund vom 20.02.2003 geäußert. Allerdings habe dieser in dem genannten Schreiben die Rücknahme auch aus Vertrauensschutzgründen "prinzipiell abgelehnt". Aus der anschließenden Bekundung des Interesses an einer informellen Klärung ergebe sich jedoch, dass dies eher als Absichtserklärung denn als Entscheidung gemeint gewesen sei. Eine endgültige Entscheidungsreife, wie sie der VGH Mannheim in seiner Entscheidung vom 05.04.2007 fordere, habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen.

24

Im übrigen weiche die genannte Entscheidung des VGH Mannheim von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab, nach der die Jahresfrist erst zu laufen beginne, wenn der Behörde sämtliche für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt seien, wozu auch alle Tatsachen gehörten, die für die Beurteilung eines Vertrauensschutzes nach § 48 Abs. 2 VwVfG M-V sowie für die Ermessensausübung relevant seien. Der VGH Mannheim lege die subjektive Perspektive der Behörde zu Grunde, während das Bundesverwaltungsgericht einen objektiven Maßstab anlege. Objektiv sei die Sachaufklärung jedoch erst nach Anhörung der Betroffenen abgeschlossen.

25

Ein Mitverschulden sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bei der Ermessensausübung nicht zu berücksichtigen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass derjenige, der gemäß § 48 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG M-V keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen könne, über die Anwendung von Verschuldensgrundsätzen letztlich doch wieder geschützt werden solle. Weshalb der Zeitablauf im Rahmen der Ermessensentscheidung hätte berücksichtigt werden müssen, sei ebenfalls nicht erkennbar. Insbesondere bestünden keine Anhaltspunkte für einen Wegfall des öffentlichen Interesses daran, fehlerhaft bewilligte Fördermittel, die durch das Steueraufkommen finanziert würden, zurück zu verlangen. Allenfalls könne der Zeitablauf zu einer Verwirkung der Rücknahmebefugnis führen.

26

Der Beklagte beantragt,

27

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

28

Die Kläger beantragen,

29

die Berufung zurückzuweisen.

30

Das Verwaltungsgericht habe zu Recht angenommen, dass der Rücknahmebescheid rechtswidrig sei, weil die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG M-V bereits abgelaufen gewesen sei. Für den Fristbeginn sei - wie der VGH Mannheim zu Recht entschieden habe - die Entscheidungsreife aus der Sicht der Behörde maßgeblich. Diese habe bereits zum Zeitpunkt der Sitzung der Gemeindevertretung am 18.02.2003 vorgelegen. Ebenso ergebe sie sich aus dem Schreiben des Beklagten an das Finanzamt Stralsund vom 28.03.2002, in dem eine Rücknahme der Bescheinigung ausdrücklich abgelehnt werde. Die Kläger berufen sich auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der ein Fehler in der Rechtsanwendung vorliegt, der den Beginn der Jahresfrist nicht hinauszuschieben vermag, wenn die Behörde umfassende Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen hatte und sich lediglich über die Erforderlichkeit ausdrücklicher Ermessenserwägungen geirrt hat. Ebenso berufen sie sich auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der es auf die subjektive Fähigkeit der Rücknahmebehörde, die Reichweite und die rechtlichen Anforderungen der Rücknahmeermächtigung richtig zu erkennen, nicht ankomme, und Rechtsirrtümer, die der Behörde insoweit trotz umfassender Tatsachenkenntnisse unterlaufen, zu ihren Lasten gingen. Die Kläger tragen vor, durch eine nachgeschobene Anhörung der Betroffenen könne der Behörde nicht eine Art "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" gewährt werden. Dies würde dem auf Rechtssicherheit zielenden Zweck der Rücknahmefrist zuwider laufen. Die Anforderung, dass die Entscheidungsreife nicht von der rechtlichen Erkenntnisfähigkeit der Behörde abhängig gemacht werden dürfe, würde konterkariert werden. Auch nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.12.1984 könne der Zeitpunkt der Entscheidungsreife mit dem Zeitpunkt zusammen fallen, in dem die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes erkenne.

31

Sie - die Kläger - könnten sich gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG M-V auf Vertrauensschutz berufen. Ihnen bzw. ihrem Steuerberater sei jedenfalls nicht bekannt oder grob fahrlässig unbekannt gewesen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Investitionszulage von vornherein nicht vorgelegen hätten. Es sei davon auszugehen, dass der Steuerberater auf Grund der damaligen großzügigen kommunalen Bescheinigungspraxis angenommen habe, dass zu den förderungswürdigen Bauvorhaben auch solche gehörten, die auf Grund der Bebauung in näherer Umgebung eines Kerngebietes lagen. Eine andere Bewertung habe sich ihnen zum Zeitpunkt der Antragstellung jedenfalls nicht ohne weiteres aufdrängen müssen. Im übrigen sei die Rücknahme auch ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte sein eigenes Mitverschulden nicht berücksichtigt habe.

32

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

33

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klage ist unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen, weil sie zulässig, aber unbegründet ist. Der angefochtene Rücknahmebescheid des Beklagten vom 20.11.2007 und dessen Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

34

Rechtsgrundlage für die Rücknahme ist § 48 VwVfG M-V. Nach § 48 Abs. 1 VwVfG M-V kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 1); ein Verwaltungsakt der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden (Satz 2).

35

1. Bei der unanfechtbar gewordenen Bescheinigung vom 28.03.2002, mit der nach § 3 Abs. 1 Nr. 4b InvZulG 1999 bescheinigt wurde, dass das Gebäude E-Straße in B-Stadt in einem Gebiet liegt, das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung einem Gebiet entspricht, welches durch Bebauungsplan als Kerngebiet im Sinne des § 7 BauNVO festgesetzt ist, handelt es sich um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt. Tatsächlich liegt das Gebäude in einem Gebiet, das durch Bebauungsplan als Allgemeines Wohngebiet gemäß § 4 BauNVO festgesetzt ist und auch tatsächlich so genutzt wird.

36

Auf die Frage, ob die Bescheinigung nichtig ist, weil sie an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dieser bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist (§ 44 Abs. 1 VwVfG M-V), kommt es nicht an. Auch ein nichtiger Verwaltungsakt kann zurückgenommen werden. Die Behörde ist nicht auf die Feststellung nach § 44 Abs. 5 VwVfG M-V beschränkt (vgl. BSG U. v. 23.02.1989 - 11/7 RAr 103/87 - NVwZ 1989, 902 = Juris Rn. 17; Kopp/Ramsauer VwVfG 13. Aufl. 2012 § 48 Rn. 18; Sachs in Stelkens ua VwVfG § 48 Rn. 67; jew. mwN).

37

2. Die von der zuständigen Gemeindebehörde erteilte Investitionsbescheinigung ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4b InvZulG 1999 die Grundlage für die Gewährung einer Investitionszulage und damit ein begünstigender Verwaltungsakt iSd § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG M-V. Da es sich um einen Verwaltungsakt handelt, der Voraussetzung für die Gewährung einer einmaligen Geldleistung ist, darf dieser gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG M-V nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Satz 1); das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Satz 2). Dabei finden die Grundsätze Anwendung, die zum Umfang des Bereicherungsanspruchs (§ 818 BGB) entwickelt worden sind. Danach ist eine Geldleistung nicht im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG M-V verbraucht, wenn sie zur Schuldentilgung oder für Anschaffungen verwendet worden ist, die wertmäßig im Vermögen des Begünstigten noch vorhanden sind (BVerwG U. v. 28.01.1993 - 2 C 15.91 - NVwZ-RR 1994, 32 = Juris Rn. 11 f.).

38

Nach diesen Maßstäben kommt ein Vertrauensschutz hier nicht in Betracht und wird von den Klägern auch nicht geltend gemacht. Der durch die Gewährung der Investitionszulage bei den Klägern eingetretene Vermögenszuwachs – durch Schuldentilgung bzw. Investition in das errichtete Gebäude, für das sodann ein entsprechender Kaufpreis erzielt wurde – ist wertmäßig noch vorhanden. Ein „Wegfall der Bereicherung“ ist nicht eingetreten. Es bestehen im übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger die Gesamtinvestition nur im Hinblick auf die erwartete Investitionszulage getätigt hätten oder mit der Zulage bestimmte weitere Maßnahmen finanziert hätten, die ansonsten unterblieben wären. Denn sie haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht angegeben, das Gebäude sei bereits errichtet gewesen, als sie die Investitionszulage erhalten hätten; weitere Investitionsmaßnahmen wie z.B. Modernisierungen seien nach Erhalt der Investitionszulage nicht vorgenommen worden.

39

Auf die Frage, ob sich die Kläger – wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - auf Vertrauensschutz auch deshalb nicht berufen können, weil sie die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannten oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannten bzw. ihnen das Verschulden ihres Steuerberaters zuzurechnen ist (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG M-V), kommt es daher nicht mehr an.

40

3. Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, die die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig, § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG M-V. Diese Frist ist hier gewahrt.

41

Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG wird in Lauf gesetzt, wenn die Behörde positive Kenntnis von den Tatsachen erhalten hat, die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigen. Dass die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen aktenkundig sind, genügt nicht. Die Behörde erlangt diese positive Kenntnis, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme des Verwaltungsakts berufene Amtswalter oder ein sonst innerbehördlich zur rechtlichen Überprüfung des Verwaltungsakts berufener Amtswalter die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen feststellt. Die Behörde muss insoweit nicht nur die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt haben, sondern ihr müssen außerdem sämtliche für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sein, wozu auch alle Tatsachen gehören, die im Falle des § 48 Abs. 2 VwVfG M-V ein Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsakts entweder nicht rechtfertigen oder ein bestehendes Vertrauen als nicht schutzwürdig erscheinen lassen, sowie die für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände (st. Rspr. seit BVerwG, B. v. 19.12.1984 - Gr.Sen.1,2.84 - NJW 1985, 819, 820 f. = Juris Rn. 17 ff.; vgl. zuletzt ausführlich BVerwG U. v. 28.06.2012 - 2 C 13.11 - BVerwGE 143, 230 = Juris Rn. 27 ff.).

42

Bereits der Wortlaut des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG M-V fordert die Kenntnis von Tatsachen, die die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts "rechtfertigen", und stellt damit klar, daß die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit für sich allein den Fristlauf nicht auszulösen vermag, sondern hierzu die vollständige Kenntnis des für die Entscheidung über die Rücknahme des Verwaltungsakts erheblichen Sachverhalts nötig ist. Hierzu gehören auch alle Tatsachen, die im Falle des § 48 Abs. 2 VwVfG M-V ein Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsakts entweder nicht rechtfertigen oder ein bestehendes Vertrauen als nicht schutzwürdig erscheinen lassen, sowie die für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände. Die Frist beginnt demgemäß zu laufen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme des Verwaltungsakts zu entscheiden. Das entspricht dem Zweck der Jahresfrist als einer Entscheidungsfrist, die sinnvollerweise erst anlaufen kann, wenn der zuständigen Behörde alle für die Rücknahmeentscheidung bedeutsamen Tatsachen bekannt sind. Die Behörde soll nicht durch den drohenden Fristablauf zu einer Entscheidung gezwungen werden, obwohl ihr diese mangels vollständiger Kenntnis des insofern erheblichen Sachverhalts noch nicht möglich ist. Ein entsprechendes Verständnis der Jahresfrist als einer Bearbeitungsfrist für die Behörde würde dem Wortlaut der Vorschrift widersprechen und von ihrem Sinn und Zweck nicht getragen sein (vgl. BVerwG B. v. 19.12.1984 - Gr.Sen.1,2.84 – aaO; zum Charakter der Frist als Entscheidungs- und nicht Bearbeitungsfrist vgl. zuletzt BVerwG U. v. 28.06.2012 – 2 C 13.11 – aaO Rn. 33).

43

Das Bundesverwaltungsgericht hat in Fortentwicklung dieser Rechtsprechung auch entschieden, dass zur Herstellung der Entscheidungsreife, mit deren Eintritt die Entscheidungsfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erst zu laufen beginnen kann, regelmäßig das Anhörungsverfahren gehört, das der Wahrung des in einem rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahren gebotenen rechtlichen Gehörs dient, und zwar unabhängig vom Ergebnis der Anhörung. Denn die Einwände des Anzuhörenden können nur dann ernstlich zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen werden, wenn sich die Behörde ihre Entscheidung bis zum Abschluss des Anhörungsverfahrens offen hält. Das gilt auch und gerade, wenn es sich bei der zu treffenden Entscheidung um eine Ermessensentscheidung handelt, bei der die für die Ermessensbetätigung maßgeblichen Umstände auch in der Sphäre des anzuhörenden Betroffenen liegen. Es liegt in der Konsequenz der Ausgestaltung der Rücknahmefrist als Entscheidungsfrist, dass es die Behörde in der Hand hat, den Beginn der Frist durch eine Verzögerung des Anhörungsverfahrens hinauszuschieben. Ein solches Verhalten kann allerdings zur Verwirkung des Rechts auf Rücknahme führen (vgl. BVerwG, U. v. 20.09.2001 - 7 C 6.01 - NVwZ 2002, 485 mwN; BVerwG B. v. 04.12.2008 - 2 B 60.08 - Juris Rn. 7).

44

Nach diesen Maßstäben war eine Anhörung der Kläger hier zur Herstellung der Entscheidungsreife erforderlich, um zu klären, ob die Kläger in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hatten, § 48 Abs. 2 VwVfG M-V. Mit dem Abschluss des Anhörungsverfahrens im Jahr 2007 begann die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG M-V zu laufen; sie wurde folglich durch den Rücknahmebescheid vom 20.11.2007 gewahrt.

45

Soweit die Kläger sich auf eine – ebenfalls die Rücknahme einer Investitionsbescheinigung betreffende - Entscheidung des VGH Mannheim berufen (U. v. 05.04.2007 - 8 S 2090/06 - VBlBW 2007, 347), nach der die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG M-V zu laufen beginnt, wenn aus der Sicht der Behörde - subjektiv - Entscheidungsreife vorliegt bzw. die Behörde zu erkennen gegeben hat, dass sie eine Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts von vornherein - ohne Klärung konkreter Vertrauensschutzaspekte - für unzulässig hält, folgt der Senat dieser Auffassung nicht. Der VGH Mannheim hat ausgeführt, die Jahresfrist zur Rücknahme habe in dem Moment zu laufen begonnen, in dem die Behörde die Rechtswidrigkeit der erteilten Bescheinigung erkannt, aber offenbar angenommen habe, die weiteren Rücknahmevoraussetzungen lägen nicht vor. Mit Blick auf den Zweck der Ausschlussfrist als Entscheidungsfrist komme es allein darauf an, ob aus Sicht der Behörde Entscheidungsreife gegeben sei. Habe diese zu erkennen gegeben, dass sie eine Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts von vornherein - ohne Klärung konkreter Vertrauensschutzaspekte - für unzulässig halte, beginne die Jahresfrist auch dann zu laufen, wenn diese Rechtsauffassung unzutreffend sei und eine Rücknahme bei hinreichender Aufklärung des Sachverhalts in Betracht komme. Denn ein auf die weiteren Rücknahmevoraussetzungen bezogener Rechtsirrtum habe keine fristhemmende Wirkung. Käme es für die Frage der Entscheidungsreife nicht auf die Rechtsauffassung der Rücknahmebehörde, sondern auf die zutreffende Anwendung der Rücknahmevoraussetzungen an, wäre es von den Rechtskenntnissen der Behörde abhängig, ob und wann sie die zur Herbeiführung der Entscheidungsreife notwendige Sachaufklärung vornehme. Die zur Verfügung stehende Rücknahmefrist wäre also um so länger bemessen, je geringer die Rechtskenntnisse der jeweiligen Behörde sind. Dies wäre aber mit dem Zweck der Jahresfrist, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Hinblick auf den Bestand von Verwaltungsakten zu gewährleisten, nicht zu vereinbaren. Im Übrigen läge auch treuwidriges Verhalten vor, wenn sich eine Rücknahmebehörde, die zu erkennen gegeben hatte, dass aus ihrer Sicht Entscheidungsreife vorlag, später hinsichtlich des Fristablaufs auf die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung beriefe.

46

Die Auffassung des VGH Mannheim, dass die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG M-V zu laufen beginnt, wenn aus der Sicht der Behörde - subjektiv - Entscheidungsreife vorliegt bzw. die Behörde zu erkennen gegeben hat, dass sie eine Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts von vornherein - ohne Klärung konkreter Vertrauensschutzaspekte - für unzulässig hält, ist mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vereinbar. Allerdings mögen Besonderheiten des Einzelfalles eine Abweichung von dem regelmäßigen Beginn der Jahresfrist rechtfertigen können (vgl. BVerwG B. v. 09.01.2007 - 8 B 36.06 - Juris Rn. 5). Der VGH Mannheim berücksichtigt jedoch nicht Besonderheiten des Einzelfalles, sondern stellt Rechtsgrundsätze auf, die von denen des Bundesverwaltungsgerichts abweichen. Dass der Lauf der Rücknahmefrist von den Rechtskenntnissen der Behörde abhängt, liegt in der Konsequenz der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Denn danach reicht bereits die Kenntnis der Behörde von denjenigen Tatsachen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ergibt, nicht aus um die Jahresfrist in Lauf zu setzen; vielmehr muss hinzu kommen, dass die Behörde auch die zutreffende Schlussfolgerung auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gezogen hat (BVerwG B. v. 19.12.1984 - GrSen 1, 2.84 - aaO). Wann diese Schlussfolgerung gezogen wird, hängt von den Rechtskenntnissen ab. Soweit der Gesichtspunkt von Treu und Glauben herangezogen wird um zu begründen, dass die Behörde, aus deren Sicht bereits Entscheidungsreife vorgelegen hatte, sich nicht später hinsichtlich des Fristablaufs auf die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung berufen könne, bleibt unberücksichtigt, dass das Bundesverwaltungsgericht im Falle einer Verzögerung der Sachaufklärung den - engeren bzw. konkreteren - Maßstab der Verwirkung anwendet. Dass ein Verstoß gegen Treu und Glauben an die "subjektive Entscheidungsreife" aus Sicht der Behörde anknüpfen soll, erscheint auch deshalb nicht plausibel, weil diese nicht notwendig nach außen deutlich geworden ist, sondern vielmehr typischerweise behördenintern geblieben bzw. - wie in dem vom VGH Mannheim entschiedenen ebenso wie in dem hier vorliegenden Fall - nur gegenüber einer anderen Behörde erkennbar geworden ist, nicht aber gegenüber dem Rücknahmeadressaten. Die Kriterien der Verwirkung berücksichtigen demgegenüber zu Recht die Perspektive des Adressaten der Erklärung bzw. Entscheidung.

47

4. Ein Fall der Verwirkung der Rücknahmebefugnis liegt nicht vor. Die Verwirkung setzt voraus, dass Umstände eingetreten sind, aus denen der die Rechtswidrigkeit kennende Begünstigte berechtigterweise den Schluss ziehen durfte, der Verwaltungsakt werde nicht mehr zurückgenommen, obwohl die Behörde dessen Rücknehmbarkeit erkannt hat, der Begünstigte ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass die Rücknahmebefugnis nicht mehr ausgeübt werde und dieses Vertrauen in einer Weise betätigt hat, dass ihm mit der sodann gleichwohl erfolgten Rücknahme ein unzumutbarer Nachteil entstünde (vgl. BVerwG, U. v. 20.12.1999 - 7 C 42.98 - NJW 2000, 1512, 1514). Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der Vertrauensgrundlage als der ersten dieser Voraussetzungen. Die bloße Untätigkeit des Beklagten nach Versagung der Investitionsbescheinigung für die zweite Doppelhaushälfte Am E. 14a reicht insoweit nicht aus. Das Verhalten der Gemeindevertretung ist nicht relevant, weil diese für die Entscheidung über die Rücknahme nicht zuständig war und die Entscheidung sie im rechtlichen Sinne auch sonst "nichts anging". Dass die Korrespondenz des Beklagten mit dem Finanzamt Stralsund den Klägern bekannt gewesen wäre, ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Erst recht fehlt es an einer Vertrauensbetätigung in dem Sinne, dass den Klägern aus der gleichwohl erfolgenden Rücknahme ein unzumutbarer Nachteil entstünde.

48

5. Der Beklagte hat entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Allerdings enthält der Ausgangsbescheid keine Ermessenserwägungen. Dort heißt es lediglich, da die Kläger von ihrem Anhörungsrecht keinen Gebrauch gemacht und somit auch die Schutzwürdigkeit ihres Vertrauens nicht geltend gemacht hätten, werde die rechtswidrig erteilte Bescheinigung auch für die Vergangenheit zurückgenommen. Im Widerspruchsbescheid hat die Behörde jedoch deutlich gemacht, dass sie sich des ihr zustehenden Ermessens bewusst ist. Sie hat den "Grundsatz einer sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung der Landeshaushaltsmittel" angeführt, der den großzügigen Verzicht auf die Rücknahme verbiete, und darauf hingewiesen, dass mit der Rücknahme der Bescheinigung ein rechtskonformer Zustand wiederhergestellt werde. Angesichts des mangelnden Vertrauensschutzes überwiege das entsprechende öffentliche Interesse gegenüber dem privaten Interesse an der Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Bescheides. Die Rücknahme der Bescheinigung auch zum jetzigen Zeitpunkt werde für angemessen gehalten.

49

Weiter gehende Ermessenserwägungen musste der Beklagte weder bezogen auf den Zeitablauf seit Kenntnis von der Rechtswidrigkeit noch bezogen auf das eigene (Mit-)verschulden anstellen.

50

a) Der Zeitablauf ist in der Begründung der Ermessensentscheidung mit dem Satz: "Die Rücknahme der Grundlagenbescheinigung auch zum jetzigen Zeitpunkt halte ich für sachgerecht und angemessen." zumindest angesprochen. Weitergehende Erwägungen waren nicht erforderlich. Der Zeitablauf seit Kenntnis der Behörde von der Rechtswidrigkeit wird unter den weiteren Voraussetzungen des Vertrauensschutzes, des Ablaufs der Rücknahmefrist oder der Verwirkung berücksichtigt. Eine eigenständige Bedeutung kommt diesem Gesichtspunkt darüber hinaus regelmäßig nicht zu.

51

Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung zum Lastenausgleichsrecht den Zeitablauf seit Kenntnis von der Rechtswidrigkeit als zu berücksichtigenden Ermessensgesichtspunkt genannt hat, handelte es sich um Fälle, in denen eine Ermessensausübung völlig fehlte (BVerwG U. v. 09.11.1978 - 3 C 68.77 - Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 63 = Juris Rn. 28; U. v. 08.10.1981 - 3 C 36.81 – Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 70). Darum geht es hier jedoch nicht. Ebenso liegt kein Sonderfall etwa deshalb vor, weil ein Zeitraum von mehr als 30 Jahren verstrichen wäre, nach dessen Ablauf in weiten Teilen der Rechtsordnung spätestens eine Verjährung eintritt (vgl. OVG Münster U. v. 08.11.2012 - 11 A 1548/11 - NVwZ-RR 2013, 250; ebenfalls zum Lastenausgleichsrecht, betreffend einen Zeitraum von 52 Jahren).

52

b) Das (Mit-)Verschulden der Behörde an dem Erlass des rechtswidrigen Verwaltungsaktes stellt regelmäßig keinen Ermessensgesichtspunkt dar, der gegen eine Rücknahme sprechen könnte. Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt erlassen, so wird - mit Ausnahme der Fälle arglistiger Täuschung oder unrichtiger oder unvollständiger Angaben des Begünstigten oder eines Dritten - typischerweise ein Verschulden oder Mitverschulden der Behörde vorliegen. Dies gilt insbesondere in Fällen von Rechtsanwendungsfehlern. Typischerweise wird das Verschulden der Behörde um so höher sein, je "schlimmer" der Fehler ist. Ein "schlimmer" Fehler begründet aber unter dem Gesichtspunkt der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gerade ein höheres Interesse an einer Rücknahme, dem gegenüber die ggf. gegen eine Rücknahme sprechenden Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes eher zurück treten. Wollte man dies anders sehen, so würde gerade in krassen Fällen, in denen sehenden Auges rechtswidrige Entscheidungen erlassen worden sind bzw. Fälle von Korruption oder anderer Straftaten vorliegen, die Rückgängigmachung der entsprechenden Entscheidungen und Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände erschwert. Diese Wertung erscheint nicht sachgerecht.

53

Soweit in der Rechtsprechung die Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Behörde bei der Ermessensentscheidung über die Rücknahme verlangt worden ist, ging es typischerweise um Fälle aus dem Bereich des Sozialrechts, in denen ein Vertrauensschutz des Betroffenen nicht bereits mangels Vorliegens eines Vertrauenstatbestandes ausschied, sondern mangels Schutzwürdigkeit des Vertrauens, wobei die entsprechende Bewertung an ein Verschulden des Betroffenen anknüpfte (vgl. OVG Münster U. v. 11.08.1994 - 24 A 646/92 – zur Sozialhilfe; U. v. 23.01.1990 - 16 A 2836/88 – zum BAföG; VG Sigmaringen U. v. 29.11.2006 - 5 K 1225/06 – Juris). In solchen Fällen das Verschulden des Betroffenen in eine Relation zum Verschulden der Behörde zu setzen, leuchtet ein. Entsprechendes gilt, soweit das Mitverschulden der Behörde berücksichtigt wird, um die Schutzwürdigkeit eines Vertrauens des Begünstigten ("unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rückforderung") zu begründen (vgl. VGH Kassel, U. v. 09.09.1991 - 8 UE 1097/85 - Juris Rn. 38). Auch in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen subventionsrechtlichen Fall, in dem eine Berücksichtigung des Mitverschuldens der Behörde entsprechend den Grundsätzen des § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung für möglich gehalten wurde (vgl. BVerwG, U. v. 14.08.1986 - 3 C 9.85 - NVwZ 1987, 44) war ein Vertrauensschutz des Betroffenen nicht bereits mangels Vorliegens eines Vertrauenstatbestandes ausgeschieden, sondern mangels Schutzwürdigkeit des Vertrauens, nämlich wegen unrichtiger Angaben (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG M-V).

54

Soweit im übrigen in der Rechtsprechung allgemeiner die Berücksichtigung der Verantwortung bzw. des Fehlverhaltens der Behörde verlangt worden ist (vgl. BVerwG U. v. 09.11.1978 - 3 C 68.77 - Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 63 = Juris Rn. 28; U. v. 08.10.1981 - 3 C 36.81 – Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 70; jeweils zum Lastenausgleichsrecht), handelte es sich um Fälle, in denen eine Ermessensausübung gänzlich unterblieben war, und gesagt sein sollte, dass unter den genannten Umständen auch bei fehlendem Vertrauensschutz eine Ermessensausübung nicht etwa gänzlich entbehrlich ist. Lässt die Entscheidung über die Rücknahme aber - wie hier - erkennen, dass die Behörde das ihr zustehende Ermessen gesehen hat, so bedarf es für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung nicht der ausdrücklichen Erwähnung ihres eigenen (Mit-)Verschuldens.

55

c) Dass in der Begründung der Ermessensentscheidung von "Landeshaushaltsmitteln" die Rede ist, begründet schließlich ebenfalls keinen Ermessensfehler. Allerdings stehen die Einnahmen aus der Einkommensteuer, aus denen die Investitionszulage finanziert wird (vgl. § 6 Abs. 3 InvZulG 1999), Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam zu (vgl. Art. 106 Abs. 3 und Abs. 5 GG). Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 LHO ist nicht anwendbar. Bei dem hier in Rede stehenden Interesse der öffentlichen Hand an der vollständigen Einnahmeerhebung (das u.a. in § 34 Abs. 1 LHO zum Ausdruck kommt), geht es jedoch um dasselbe Ziel. Dieses trägt neben dem ausdrücklich angesprochenen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG; vgl. auch § 85 AO) die angefochtene Rücknahmeentscheidung.

56

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

57

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

58

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tatbestand

1

I. Die in den Streitjahren zusammen veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben mit notariellem Kaufvertrag vom 25. Juni 2003 von der Stadt M (Stadt) einen Miteigentumsanteil an dem Gebäude O mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 3 im 2. Obergeschoss samt Balkonen und im Dachgeschoss sowie am Abstellraum Nr. 3 im Erdgeschoss. Die Stadt verpflichtete sich in Abschn. III des Vertrages, die Anlage auf dem Vertragsgrundbesitz nach den vereinbarten Bauplänen und der vereinbarten Baubeschreibung in angemessener Zeit nach den anerkannten Regeln der Baukunst und den Bauvorschriften technisch einwandfrei zu erstellen. Zum Umfang der Herstellungsverpflichtung wurde klargestellt, dass das Gebäude einer umfassenden Sanierung unter weitgehender Erhaltung der Altbausubstanz unterzogen werde. In dem vereinbarten Kaufpreis von 120.100 € waren sämtliche Aufwendungen für die Sanierung des Kaufobjekts gemäß der Bau- und Sanierungsbeschreibung, alle Baunebenkosten und die Kosten für den Erwerb des Grund und Bodens enthalten, ferner die Anliegerleistungen im weitesten Sinne.

2

Nachdem die Kläger im August 2004 die Eigentumswohnung bezogen hatten, beantragten sie zunächst die Eigenheim- und die Kinderzulage. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde vom Bausachverständigen des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) festgestellt, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei von einem bautechnisch neuen Gebäude auszugehen.

3

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre beantragten die Kläger gemäß § 10f Abs. 1 i.V.m. § 7h Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hinsichtlich der über die Bemessungsgrundlage für die Eigenheimzulage hinausgehenden Baukosten für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung die Berücksichtigung eines Abzugsbetrages für 2004 in Höhe von 7.775 € sowie für 2005 und 2006 jeweils in Höhe von 8.638 €.

4

Die Stadt bestätigte mit Schreiben vom 26. Oktober 2005,
"dass das Gebäude O in M in einem durch Sanierungssatzung vom xx.yy.1998 förmlich festlegten Sanierungsgebiet belegen ist. Im Zuge der Sanierung wurden 4 Wohnungen hergerichtet, welche als Eigentumswohnungen verkauft wurden. Bauherr der Maßnahme war die Stadt M.
An dem Gebäude sind durchgeführt worden: Maßnahmen, die der Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung eines Gebäudes dienen, das wegen seiner geschichtlichen oder städtebaulichen Bedeutung erhaltenswert ist.
Für die Käufer der Eigentumswohnung 3, , sind Aufwendungen von 138.359,04 € einschließlich Mehrwertsteuer für den Erwerb und für Bauleistungen in Eigenregie entstanden.
Die Aufwendungen sind in dem anliegenden Verzeichnis der Kosten, das Bestandteil dieser Bescheinigung ist, gekennzeichnet. Die dargestellten Kosten sind nachgewiesen worden. Die Bescheinigung ist nicht alleinige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung. Die Finanzbehörde prüft weitere steuerrechtliche Voraussetzungen, insbesondere die Abziehbarkeit der Aufwendungen als Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben und die Zugehörigkeit der Aufwen-dungen zu den Anschaffungskosten i. S. des § 7h Abs. 1 Satz 3 EStG oder den Herstellungskosten, zu den Werbungskosten, insbesondere zum Erhaltungsaufwand, oder zu den nicht abziehbaren Kosten... ."

5

Ein weiteres Schreiben vom 20. Dezember 2006 der Stadt hatte den Wortlaut:
"... ergänzend zu der Bescheinigung vom 26.10.2006 bestätigen wir Ihnen hiermit, dass der bescheinigte Betrag für Herstellungskosten in Höhe von 138.359,04 € für Maßnahmen im Sinne des § 177 BauGB angefallen ist, welche der Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung des Gebäudes bzw. der Wohnung in diesem Gebäude dienten, das wegen seiner geschichtlichen und städtebaulichen Bedeutung erhalten werden sollte."

6

Das FA lehnte den Sonderausgabenabzug mit der Begründung ab, nur Herstellungskosten an einem bestehenden Gebäude seien gemäß § 10f i.V.m. § 7h EStG begünstigt, nicht hingegen der Neu- oder Wiederaufbau von Gebäuden. Die Bescheinigungen der Stadt enthielten --entgegen der Auffassung der Kläger-- keine anders lautende bindende Entscheidung. Nach der für Thüringen relevanten Bescheinigungsrichtlinie habe die Bescheinigungsbehörde zu prüfen und zu bescheinigen, ob die in § 7h Abs. 1 EStG aufgeführten Tatbestandsmerkmale vorlägen; die Entscheidung über das Vorliegen der übrigen steuerlich bedeutsamen Tatbestandsmerkmale falle jedoch in die Zuständigkeit der Finanzbehörden, sofern die Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 EStG den Hinweis enthalte, die Bescheinigung sei nicht alleinige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung. Zu der der Finanzbehörde obliegenden Prüfung gehöre auch die Beurteilung, ob durch die Baumaßnahmen ein Neubau oder ein bautechnisch neues Gebäude entstanden sei. Zwischen den Beteiligten sei im Streitfall unstreitig, dass die vorgenommenen Baumaßnahmen zu einem bautechnisch neuen Gebäude geführt hätten.

7

Ihre nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage begründeten die Kläger unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 24. Juni 2009 X R 8/08 (BFHE 225, 431, BStBl II 2009, 960) vor allem damit, dass der Normzweck des § 7h EStG mit dem des § 7i EStG vergleichbar sei. Beide Vorschriften zielten erkennbar auf die Erhaltung von Gebäuden, sei es als Baudenkmal oder sei es wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen oder städtebaulichen Bedeutung. Es gebe keinen Grund, die vom Bundesfinanzhof (BFH) vorgenommene tatbestandsspezifische Einschränkung des Neubaubegriffs in § 7h EStG nicht ebenfalls vorzunehmen.

8

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit dem nicht veröffentlichten Urteil abgewiesen.

9

Ihre Revision begründen die Kläger mit der Verletzung materiellen Rechts.

10

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidungen vom 29. September 2010 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 28. April 2006 dahingehend zu ändern, dass ein Abzugsbetrag in Höhe von 7.775 € gemäß § 10f i.V.m. § 7h EStG berücksichtigt wird, und die Einkommensteuerbescheide für 2005 vom 14. Februar 2007 und für 2006 vom 20. Juni 2008 so zu ändern, dass jeweils ein Betrag in Höhe von 8.638 € gemäß § 7h i.V.m. § 10f EStG abgezogen wird.

11

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

13

Der erkennende Senat teilt nicht die Auffassung des FG, den Klägern sei der Abzug der Aufwendungen für die Baumaßnahmen allein deshalb zu versagen, weil durch sie ein nicht nach § 7h EStG geförderter Neubau im bautechnischen Sinne errichtet worden sei (dazu unten 1.). Der Senat kann jedoch auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Voraussetzungen des § 10f i.V.m. § 7h EStG im Streitfall erfüllt worden sind (unten 2.). Die Sache geht daher zur Nachholung tragfähiger Feststellungen an das FG zurück.

14

1. Nach § 10f Abs. 1 EStG kann der Steuerpflichtige bei Stellung des Bauantrags vor dem 31. Dezember 2003 (argumentum aus § 52 Abs. 27 Satz 2 EStG) Aufwendungen "an einem eigenen Gebäude" im Kalenderjahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den neun folgenden Kalenderjahren jeweils bis zu 10 % wie Sonderausgaben abziehen, wenn die Voraussetzungen des --hier relevanten-- § 7h EStG oder des § 7i EStG vorliegen. Die Aufwendungen sind nur begünstigt, soweit der Steuerpflichtige das Gebäude in dem jeweiligen Kalenderjahr zu eigenen Wohnzwecken nutzt und die Aufwendungen nicht in die Bemessungsgrundlage nach § 10e EStG oder dem Eigenheimzulagengesetz einbezogen hat (§ 10f Abs. 1 Satz 2 EStG). Nach § 10f Abs. 5 EStG ist Abs. 1 "auf Eigentumswohnungen" entsprechend anzuwenden.

15

a) Nach Maßgabe des § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige --abweichend von § 7 Abs. 4 und 5 EStG-- bei einem im Inland belegenen Gebäude in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder städtebaulichen Entwicklungsbereich im Jahr der Herstellung und in den folgenden neun Jahren jeweils bis zu 10 % der Herstellungskosten für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S. des § 177 des Baugesetzbuchs (BauGB) absetzen. § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG ist entsprechend anzuwenden auf Herstellungskosten für Maßnahmen, die der Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung eines Gebäudes im Sinne des Satzes 1 dienen, das wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen oder städtebaulichen Bedeutung erhalten bleiben soll, und zu deren Durchführung sich der Eigentümer neben bestimmten Modernisierungsmaßnahmen gegenüber der Gemeinde verpflichtet hat (§ 7h Abs. 1 Satz 2 EStG). Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen ebenfalls für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Maßnahmen im Sinne der Sätze 1 und 2 entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrages oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind (§ 7h Abs. 1 Satz 3 EStG).

16

b) Der Steuerpflichtige muss gemäß § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG die Voraussetzungen des Abs. 1 für das Gebäude und die Maßnahmen durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweisen. Die Bescheinigung ist materiell-rechtliche Abzugsvoraussetzung für die Begünstigung des § 7h EStG und Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (BFH-Urteil vom 22. September 2005 IX R 13/04, BFHE 215, 158, BStBl II 2007, 373, m.w.N.). Dies folgt aus dem Zweck des § 7h Abs. 2 EStG. Denn mangels eigener Sachkunde ist es den Finanzbehörden nicht möglich zu überprüfen, ob Maßnahmen i.S. des § 7h Abs. 1 EStG durchgeführt worden sind.

17

aa) Die Bindungswirkung der Bescheinigung erstreckt sich auf die in § 7h Abs. 1 EStG benannten Tatbestandsmerkmale, nämlich auf die Feststellung, ob das Gebäude in einem Sanierungsgebiet belegen ist, ob Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S. des § 177 BauGB bzw. Maßnahmen i.S. des § 7h Abs. 1 Satz 2 EStG durchgeführt und ob Zuschüsse aus Sanierungs- oder Entwicklungsförderungsmitteln gewährt worden sind. Nach diesen Grundsätzen prüft allein die Gemeinde, ob Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S. des § 177 BauGB durchgeführt wurden. Aufgrund der Wertungen des Baugesetzbuchs muss entschieden werden, wie die Begriffe "Modernisierung" und "Instandsetzung" zu verstehen sind und ob darunter auch ein Neubau in bautechnischem Sinne zu subsumieren ist.

18

Vertritt das FA eine von der bescheinigenden Gemeinde abweichende Auffassung und hält es den Grundlagenbescheid für rechtswidrig, so hat es nur die Möglichkeit, bei der Gemeinde darauf hinzuwirken, dass sie ihre Bescheinigung zurücknimmt oder ändert (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 17. Dezember 1996 IX R 91/94, BFHE 182, 175, BStBl II 1997, 398) und ist nach Remonstration auf den Verwaltungsrechtsweg verwiesen (vgl. zu dem Vorstehenden BFH-Urteile vom 21. August 2001 IX R 20/99, BFHE 196, 191, BStBl II 2003, 910; in BFHE 215, 158, BStBl II 2007, 373, und jüngst vom 6. Mai 2014 IX R 15/13, BFHE 246, 61; IX R 16/13, BFH/NV 2014, 1729, und IX R 17/13, BFH/NV 2014, 1731). Sollte sich dieser Weg in der Praxis als ungeeignet erweisen, um etwaigen offensichtlich unrichtigen Bescheinigungen wirksam entgegenzutreten, wäre es die Aufgabe des Gesetzgebers, die gegebene Kompetenzverteilung im Interesse der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung zu überprüfen und ggf. zu korrigieren.

19

Der erkennende Senat schließt sich damit für die Frage der Bindungswirkung der gemeindlichen Bescheinigung gemäß § 7h Abs. 2 EStG der Rechtsprechung des IX. Senats des BFH an.

20

bb) Der Senat weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass sich die Bindungswirkung der Bescheinigung gemäß § 7h Abs. 2 EStG lediglich auf die in § 7h Abs. 1 EStG benannten Tatbestandsmerkmale erstreckt, nämlich auf die Feststellung, ob das Gebäude in einem Sanierungsgebiet belegen ist, ob Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S. des § 177 BauGB bzw. Maßnahmen i.S. des § 7h Abs. 1 Satz 2 EStG durchgeführt und ob Zuschüsse aus Sanierungs- oder Entwicklungsförderungsmitteln gewährt worden sind.

21

Keine Bindungswirkung besteht demgegenüber in Bezug auf die Höhe der begünstigten Herstellungsaufwendungen. Bei Maßnahmen i.S. des § 7h EStG ist nämlich --anders als bei den nach § 7i EStG geförderten Baumaßnahmen an Baudenkmälern-- nicht gesetzlich vorgeschrieben, dass sich aus der Bescheinigung selbst auch die Höhe der begünstigten Herstellungskosten ergeben muss (so BFH-Urteil vom 4. Mai 2004 XI R 38/01, BFHE 207, 100, BStBl II 2005, 171 zur Vorgängervorschrift des § 82g der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung; ebenso Clausen in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 7h EStG Rz 21; Schmidt/ Kulosa, EStG, 33. Aufl., § 7h Rz 7; Kaligin in Lademann, EStG, § 7h EStG Rz 26; derselbe, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2008, 1763; Beck, DStR 2009, 1412; Handzik in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 7h Rz 11a; a.A. R 7h Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs 2013; wohl auch FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juni 1996  5 K 269/95, Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 1209).

22

Dies folgt aus dem Wortlaut des § 7h Abs. 2 EStG, in dem lediglich gefordert wird, dass der Steuerpflichtige durch die Bescheinigung die Voraussetzungen des Abs. 1 für das Gebäude und die Maßnahmen nachweist; die Höhe der Herstellungskosten ist dagegen nicht genannt. Demgegenüber sind in § 7i Abs. 2 EStG die Voraussetzungen des § 7i Abs. 1 EStG für das Gebäude und die Erforderlichkeit der Aufwendungen nachzuweisen, so dass diese Bescheinigung auch die Höhe der Aufwendungen enthalten muss (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 31. Mai 2001 IX R 23/97, BFH/NV 2001, 1397; Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 7i EStG Rz 7).

23

Ist aber die Höhe der Aufwendungen kein notwendiger Bestandteil der Bescheinigung gemäß § 7h Abs. 2 EStG, kann die bescheinigte Höhe auch nicht für die Finanzverwaltung bindend sein. Infolgedessen hat die Finanzbehörde nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Verpflichtung, die Höhe der geltend gemachten Aufwendungen zu überprüfen.

24

2. Der Senat kann im Streitfall nicht durcherkennen, da die sich in den Akten befindenden Bescheinigungen, die von den Klägern vorgelegt wurden, weder vollständig noch widerspruchsfrei sind. Sie reichen nicht als Nachweis gemäß § 7h Abs. 2 EStG aus.

25

a) Zunächst kann den beiden aufeinander aufbauenden Bescheinigungen der Stadt vom 26. Oktober 2005 und vom 20. Dezember 2006 nicht entnommen werden, ob es sich um Aufwendungen i.S. des § 7h Abs. 1 Satz 2 EStG oder um solche i.S. des § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG gehandelt hat.

26

In der Bescheinigung vom 26. Oktober 2005 wird das Vorliegen der Voraussetzungen i.S. des § 7h Abs. 1 Satz 2 EStG bestätigt, nämlich dass an dem Gebäude Maßnahmen durchgeführt worden seien, die der Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung eines Gebäudes dienten, das wegen seiner geschichtlichen oder städtebaulichen Bedeutung erhaltenswert sei. In der ergänzenden Bescheinigung vom 20. Dezember 2006 bestätigt die Stadt demgegenüber, dass Herstellungskosten für Maßnahmen i.S. des § 177 BauGB --und damit Maßnahmen i.S. des § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG-- angefallen seien, welche der Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung des Gebäudes bzw. der Wohnung in diesem Gebäude dienten, das wegen seiner geschichtlichen oder städtebaulichen Bedeutung erhaltenswert sei.

27

Zwar kann in der Bescheinigung auf eine Unterscheidung zwischen Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S. des § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG und solchen i.S. des § 7h Abs. 1 Satz 2 EStG verzichtet werden (so BFH-Urteil in BFHE 215, 158, BStBl II 2007, 373, unter II.1.b). Enthält die Bescheinigung aber eine Präzisierung, muss sie in sich widerspruchsfrei sein.

28

b) Zudem ist den Bescheinigungen der Stadt das geförderte Objekt nicht eindeutig zu entnehmen. Während sich die Bescheinigung vom 26. Oktober 2005 lediglich auf das Gebäude O bezieht, wird in der ergänzenden Bescheinigung vom 20. Dezember 2006 sowohl das Gebäude als auch die Wohnung der Kläger als das "instandgesetzte" Objekt bezeichnet. Nach der Rechtsprechung des BFH muss sich in den Fällen, in denen die Begünstigung des § 7h EStG nicht für das Gebäude als Ganzes, sondern objektbezogen für die erworbene Eigentumswohnung des Steuerpflichtigen als selbständiges Wirtschaftsgut in Anspruch genommen wird, der gemäß § 7h Abs. 2 EStG erforderliche Nachweis ausdrücklich auf die erworbene Eigentumswohnung beziehen (s. BFH-Urteile in BFHE 246, 61; in BFH/NV 2014, 1729; in BFH/NV 2014, 1731, sowie Senatsurteil vom 16. September 2014 X R 29/12, www.bundesfinanzhof.de).

29

c) Im Streitfall ist die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Stadt selbst als Bauherrin tätig geworden ist. In einem solchen Fall besteht nicht die Möglichkeit, ein Gebot zu einer Maßnahme gemäß § 177 BauGB auszusprechen oder eine Baumaßnahme gemäß § 7h Abs. 1 Satz 2 EStG zu vereinbaren, weil die Gemeinde sich nicht selbst zur Beseitigung der Missstände oder Behebung der vorhandenen Mängel verpflichten kann (s.a. Köhler in Schrödter, Baugesetzbuch, 7. Aufl., § 177 Rz 9).

30

Daraus folgt aber nicht, dass der Erwerber eines Gebäudes (oder einer Eigentumswohnung), das von der verkaufenden Gemeinde noch instandgesetzt oder modernisiert werden soll, grundsätzlich von der Förderung gemäß § 7h EStG ausgeschlossen wäre, da ansonsten die Sanierungsbemühungen der Gemeinde und damit die Verwirklichung des Zwecks des § 7h EStG erschwert würden.

31

Es bedarf in einer solchen Konstellation indes einer dem § 7h Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 EStG vergleichbaren Verpflichtung der Gemeinde, die es der Finanzbehörde ermöglicht, die Höhe der förderungsfähigen Sanierungsaufwendungen zu überprüfen. So könnte sich im Streitfall die Verpflichtung der Stadt aus dem Kaufvertrag vom 25. Juni 2003 ergeben, in dem sie sich den Klägern gegenüber zur Erbringung von bestimmten Sanierungsmaßnahmen verpflichtete, die laut Kaufvertrag einer als Anlage beigefügten Beschreibung entnommen werden konnte.

32

Eine besonders intensive Prüfung der --sich nicht in den Akten befindenden-- Anlagen sowohl des Kaufvertrages als auch der Bescheinigung vom 26. Oktober 2005 ist auch deshalb gefordert, weil es in einer Situation wie der vorliegenden an einem natürlichen Interessengegensatz bei der Gemeinde fehlt. Diese ist einerseits als Bauherrin und Verkäuferin an der Erzielung eines möglichst hohen Verkaufserlöses interessiert und kann andererseits eine Bescheinigung ausstellen, die als Grundlage für eine Steuervergünstigung des Käufers dient und die zu Lasten des Steueraufkommens des Bundes und der Länder wirkt.

33

d) Es ist ebenfalls darauf hinzuweisen, dass die Kläger als Käufer und nicht als Bauherren gemäß § 7h Abs. 1 Satz 3 EStG die Steuervergünstigung für die in den Sätzen 1 und 2 genannten Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen in Anspruch nehmen wollen. Der Steuerabzug umfasst dann den Teil der Anschaffungskosten, der auf Maßnahmen i.S. des § 7h Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG entfällt, soweit diese nach dem Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvorgangs --hier also nach dem 25. Juni 2003-- vorgenommen worden sind.

34

Gefördert wird damit nicht der Kaufpreis an sich, sondern nur der Teil, der sich auf Baumaßnahmen i.S. des § 7h Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG bezieht. Der Gesamtkaufpreis, der auch sämtliche bis zum Abschluss der Baumaßnahmen entstehende Aufwendungen umfasst, ist damit aufzuteilen und dem Grund und Boden, der Altbausubstanz des Gebäudes, den Baumaßnahmen i.S. des § 7h Abs. 1 Satz 3 EStG, den übrigen Baumaßnahmen und den sofort abziehbaren Werbungskosten zuzuordnen (vgl. dazu auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Oktober 2003, BStBl I 2003, 546, Rz 10; Stuhrmann in Bordewin/Brandt, § 7h EStG Rz 16 f.; HHR/Clausen, § 7h EStG Rz 18; Kaligin in Lademann, a.a.O., § 7h EStG Rz 19).

35

e) Im Streitfall kann der Senat mangels tatsächlicher Feststellungen des FG nicht beurteilen, welche Bauverpflichtungen die Stadt eingegangen ist. In den Akten sowohl des FG als auch des FA sind die konkreten Vereinbarungen wegen der fehlenden Anlagen nicht enthalten. Auch ist den Akten nicht zu entnehmen, wann die Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten, zu denen die Stadt sich verpflichtet hat, vorgenommen wurden. Weder das FA noch das FG haben --ausgehend von ihrem Rechtsstandpunkt zu Recht-- entsprechende Unterlagen angefordert.

(1)1Bei einem im Inland belegenen Gebäude in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder städtebaulichen Entwicklungsbereich kann der Steuerpflichtige abweichend von § 7 Absatz 4 und 5 im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis zu 9 Prozent und in den folgenden vier Jahren jeweils bis zu 7 Prozent der Herstellungskosten für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen im Sinne des § 177 des Baugesetzbuchs absetzen.2Satz 1 ist entsprechend anzuwenden auf Herstellungskosten für Maßnahmen, die der Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung eines Gebäudes im Sinne des Satzes 1 dienen, das wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen oder städtebaulichen Bedeutung erhalten bleiben soll, und zu deren Durchführung sich der Eigentümer neben bestimmten Modernisierungsmaßnahmen gegenüber der Gemeinde verpflichtet hat.3Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der Maßnahme und in den folgenden elf Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Maßnahmen im Sinne der Sätze 1 und 2 entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind.4Die erhöhten Absetzungen können nur in Anspruch genommen werden, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten durch Zuschüsse aus Sanierungs- oder Entwicklungsförderungsmitteln nicht gedeckt sind.5Nach Ablauf des Begünstigungszeitraums ist ein Restwert den Herstellungs- oder Anschaffungskosten des Gebäudes oder dem an deren Stelle tretenden Wert hinzuzurechnen; die weiteren Absetzungen für Abnutzung sind einheitlich für das gesamte Gebäude nach dem sich hiernach ergebenden Betrag und dem für das Gebäude maßgebenden Prozentsatz zu bemessen.

(1a)1Absatz 1 ist nicht anzuwenden, sofern Maßnahmen zur Herstellung eines neuen Gebäudes führen.2Die Prüfung, ob Maßnahmen zur Herstellung eines neuen Gebäudes führen, obliegt der Finanzbehörde.

(2)1Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen nur in Anspruch nehmen, wenn er durch eine nicht offensichtlich rechtswidrige Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde die Voraussetzungen des Absatzes 1 für das Gebäude und die Maßnahmen nachweist; die Bescheinigung hat die Höhe der Aufwendungen für die Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 und 2 zu enthalten.2Sind ihm Zuschüsse aus Sanierungs- oder Entwicklungsförderungsmitteln gewährt worden, so hat die Bescheinigung auch deren Höhe zu enthalten; werden ihm solche Zuschüsse nach Ausstellung der Bescheinigung gewährt, so ist diese entsprechend zu ändern.

(3) Die Absätze 1 bis 2 sind auf Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie auf Eigentumswohnungen und auf im Teileigentum stehende Räume entsprechend anzuwenden.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. März 2016  2 K 2320/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob Leistungen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) gegenüber Nichterwerbstätigen im Rahmen eines sogenannten Lotsendienstes für Gründungswillige von der Umsatzsteuer zu befreien sind.

2

Der Kläger führte in den Streitjahren 2009 und 2010 neben Umsätzen aus der Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt die Unterrichtung von Gründungswilligen durch. Nach den vorgelegten Leistungsvereinbarungen wurde er hierbei von der ... GmbH (GmbH), einem sogenannten Lotsendienst, jeweils mit der Durchführung individueller Qualifizierungen für Existenzgründer beauftragt.

3

Die Verträge sahen eine mehrere Stunden umfassende qualifizierende juristische Beratung der in den Verträgen namentlich aufgeführten Gründungswilligen vor, bei denen es vorwiegend um zivilrechtliche und wirtschaftsrechtliche Themen gehen sollte. Die Leistungen waren ausdrücklich nur für die Zeit vor der von den Beratenen geplanten Unternehmensgründung zu erbringen. Seine Leistungen wurden dem Kläger von der GmbH mit jeweils 50 € pro Stunde vergütet.

4

Den Vereinbarungen zwischen der GmbH und dem Kläger lag eine vom Brandenburgischen Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie erlassene "Richtlinie ... zur Förderung der qualifizierenden Beratung von Gründungswilligen in der Vorgründungsphase, von Existenzgründerinnen und -gründern in der Startphase sowie bei der Begleitung von Unternehmensnachfolgen" vom 24. Januar 2007 (Amtsblatt für Brandenburg 2007 Nr. 9, 524) zugrunde. Danach gewährte das Land Brandenburg die Finanzierung der als Lotsendienste bezeichneten Maßnahmen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds sowie eigenen Haushaltsmitteln. Die konkrete Wahrnehmung der Lotsendienste war gemäß 2.1.1 ff. der Richtlinie vom 24. Januar 2007 durch externe (private) Leistungserbringer vorgesehen.

5

Parallel zu den zuvor beschriebenen Qualifizierungsleistungen durch externe, regional gegliederte Lotsendienste sah die zuvor zitierte Richtlinie vom 24. Januar 2007 auch vor, dass an den Hochschulen des Landes Brandenburg Lotsendienste mit dem entsprechenden Tätigkeitsfeld der Vorgründungsberatung gründungswilliger Studenten und Absolventen eingerichtet wurden. Diese Hochschul-Lotsendienste sollten u.a. auch in vergleichbarer Art und Weise die vom Kläger durchgeführten Aufgaben wahrnehmen. Diese universitären Lotsendienste werden seit 2007 an den Brandenburger Hochschulen für die Teilnehmer kostenlos angeboten.

6

In seinen Umsatzsteuererklärungen für 2009 und Voranmeldungen für das I. bis III. Kalendervierteljahr 2010 behandelte der Kläger die Umsätze aus der Tätigkeit im Rahmen des Lotsendienstes als steuerfrei. Aufgrund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Ansicht, dass diese Umsätze steuerpflichtig seien, und erließ am 2. März 2011 einen entsprechenden Bescheid über Umsatzsteuer für 2009 sowie am 1. März 2011 Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für das I. bis III. Kalendervierteljahr 2010.

7

Im anschließenden Einspruchsverfahren erließ das FA nach Zustimmung zur Umsatzsteuererklärung des Klägers für diesen Besteuerungszeitraum am 9. August 2012 einen Änderungsbescheid und wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 6. September 2012 als unbegründet zurück. Das FA erließ während des Klageverfahrens zuletzt am 22. April 2013 einen Änderungsbescheid über Umsatzsteuer für 2010.

8

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nur aus hier nicht streitigen Gründen statt und wies sie im Übrigen ab. Es vertrat die Auffassung, dass die streitigen Beratungsleistungen des Klägers nicht steuerfrei seien. Weder lägen die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vor, noch komme eine Umsatzsteuerbefreiung durch unmittelbare Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, i oder j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) in Betracht.

9

Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1124 veröffentlicht.

10

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 4 Nr. 21 UStG. Überdies ergebe sich die Steuerbefreiung aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. i, g und j MwStSystRL.

11

Er trägt im Wesentlichen vor, die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG könne nicht an der fehlenden Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde scheitern. Der ablehnende Bescheid der Landesbehörde gegenüber der GmbH sei nichtig.

12

Er, der Kläger, könne sich auch unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL berufen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen vor. Insbesondere handele es sich bei ihm um eine "Einrichtung" i.S. dieser Vorschrift. In vergleichbaren Fällen würde die Befreiung gewährt. Dies sei ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

13

Es lägen weiter die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL vor. Nur weil er, der Kläger, als Subunternehmer die Aufgabe der Daseinsfürsorge übernehme, könnten die Leistungen nicht steuerpflichtig werden. Es handele sich bei ihm in Bezug auf die streitigen Schulungsmaßnahmen um eine Einrichtung mit sozialem Charakter.

14

Ebenso würden die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL vorliegen. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ergebe sich nicht, dass die Entgeltlichkeit der Leistungen des als Dritter in die Leistungserbringung eingeschalteten Trägers einer Bildungseinrichtung für die Steuerbefreiung maßgeblich sein soll. Auch auf diese Vorschrift könne er sich unmittelbar berufen.

15

Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidung vom 6. September 2012 und Änderung der Bescheide vom 2. März 2011 und 22. April 2013 die Umsatzsteuer für 2009 auf ... € und für 2010 auf ... € festzusetzen.

16

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

17

Es trägt vor, die Beratungsleistungen des Klägers seien entgegen der Ansicht des FG schon vom Grundsatz her nicht steuerfrei.

18

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Entscheidungsgründe

II.

19

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

20

Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die Leistungen des Klägers gegenüber Nichterwerbstätigen im Rahmen eines sogenannten Lotsendienstes für Gründungswillige nicht von der Umsatzsteuer befreit sind. Weder kommt eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG (1.) noch eine solche nach Unionsrecht in Betracht (2.).

21

1. Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG ist, wie das FG zutreffend angenommen hat, nicht gegeben; es fehlt jedenfalls an der erforderlichen Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb i.V.m. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG.

22

a) Nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer an privaten Schulen und anderen allgemein bildenden oder berufsbildenden Einrichtungen steuerfrei, soweit diese die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG erfüllen. Nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG ist erforderlich, dass die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass u.a. auf einen Beruf ordnungsgemäß vorbereitet wird. Bei der Bescheinigung i.S. des § 4 Nr. 21 UStG handelt es sich um einen Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung, der die Finanzbehörden als auch die FG bindet (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Februar 2013 V R 27/11, BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529, Rz 16; vom 28. Mai 2013 XI R 35/11, BFHE 242, 250, BStBl II 2013, 879, Rz 50; vom 20. April 2016 XI R 6/14, BFHE 253, 499, BStBl II 2016, 828, Rz 21).

23

b) Danach fehlt es im Streitfall an einer entsprechenden Bescheinigung. Die zuständige Landesbehörde hat mit Bescheid vom 20. März 2012 der GmbH die Erteilung einer Bescheinigung abgelehnt. Auf den Vortrag des Klägers, dass dieser Bescheid fehlerhaft oder sogar nichtig sei, kommt es nicht an. Es fehlt an einer Voraussetzung für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG (hier die Erteilung der Bescheinigung durch die zuständige Landesbehörde). Der Kläger ist dadurch nicht in seinen Rechten verletzt. Gegen den ablehnenden Bescheid der zuständigen Behörde hätte er im Klageverfahren vorgehen können (vgl. zur im Einzelfall erforderlichen Klageerhebung auch Craig, EFG 2016, 1126).

24

2. Zu Recht ist das FG auch davon ausgegangen, dass der Kläger sich für eine Steuerfreiheit seiner Leistungen nicht auf das Unionsrecht berufen kann.

25

a) Eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG--) kommt nicht in Betracht.

26

aa) Ein Steuerpflichtiger kann sich grundsätzlich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 25. April 2013 V R 7/11, BFHE 241, 475, BStBl II 2013, 976, Rz 21; vom 18. Februar 2016 V R 46/14, BFHE 253, 421, BFH/NV 2016, 1120, Rz 27; jeweils m.w.N.).

27

bb) Danach befreien die Mitgliedstaaten folgende Umsätze von der Steuer: "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen ..., einschließlich derjenigen, die durch ... Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden".

28

Der Begriff "Einrichtung" ist grundsätzlich weit genug, um auch natürliche Personen (vgl. EuGH-Urteil Gregg vom 7. September 1999 C-216/97, EU:C:1999:390, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1999, 419, Rz 21) und private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht (vgl. dazu EuGH-Urteile Kingscrest Associates und Montecello vom 26. Mai 2005 C-498/03, EU:C:2005:322, UR 2005, 453, Rz 35 und 40; MDDP vom 28. November 2013 C-319/12, EU:C:2013:778, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2014, 177, Rz 28 und 31) zu erfassen.

29

Nach den EuGH-Urteilen Kügler vom 10. September 2002 C-141/00 (EU:C:2002:473, UR 2002, 513, Rz 54 und 58) und Zimmermann vom 15. November 2012 C-174/11 (EU:C:2012:716, UR 2013, 35, Rz 26) legt Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL die Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung nicht fest. Vielmehr ist es Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann. Dabei haben die nationalen Behörden im Einklang mit dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte die für die Anerkennung maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Zu diesen gehören

das Bestehen spezifischer Vorschriften, bei denen es sich um nationale oder regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit handeln kann,

das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse,

die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und

die Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder durch andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit.

30

cc) Allerdings sollen durch Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit werden. Durch diese Vorschrift werden nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit, sondern nur diejenigen, die in ihr einzeln aufgeführt und sehr genau beschrieben sind (vgl. EuGH-Urteile Kommission/Deutschland vom 20. Juni 2002 C-287/00, EU:C:2002:388, HFR 2002, 852, Rz 45; Horizon College vom 14. Juni 2007 C-434/05, EU:C:2007:343, BFH/NV 2007, Beilage 4, 389, Rz 14; Canterbury Hockey Club und Canterbury Ladies Hockey Club vom 16. Oktober 2008 C-253/07, EU:C:2008:571, HFR 2009, 87, Rz 18; Mesto Žamberk vom 21. Februar 2013 C-18/12, EU:C:2013:95, UR 2013, 338, Rz 18; VDP Dental Laboratory u.a. vom 26. Februar 2015 C-144/13, C-154/13 und C-160/13, EU:C:2015:116, UR 2015, 474, Rz 45). Folglich kann nicht jede Person, die eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausübt, als eine vom Mitgliedstaat anerkannte Einrichtung angesehen werden. So hat der EuGH die Berufsgruppe der Rechtsanwälte von der Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ausgeschlossen, da Dienstleistungen i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL nur eines der Ziele des Anwaltsberufs darstellen können (vgl. EuGH-Urteil Ordre des barreaux francophones und germanophone u.a. vom 28. Juli 2016 C-543/14, EU:C:2016:605, UR 2016, 634, Rz 60 ff.).

31

dd) Der Kläger ist als Rechtsanwalt tätig und erbrachte die streitigen Dienstleistungen. Selbst wenn diese Dienstleistungen als solche unter Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL fallen würden, stellen sie nur einen Teil seiner anwaltlichen Tätigkeit dar, die für die Qualifizierung als Einrichtung mit sozialem Charakter nicht ausreicht (vgl. EuGH-Urteil Ordre des barreaux francophones und germanophone u.a., EU:C:2016:605, UR 2016, 634, Rz 60 ff.).

32

b) Eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG) scheidet gleichfalls aus.

33

aa) Wie bei Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL kann sich ein Steuerpflichtiger auch auf diese Vorschrift unmittelbar berufen (vgl. BFH-Urteile vom 19. Mai 2005 V R 32/03, BFHE 210, 175, BStBl II 2005, 900; vom 18. August 2005 V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143; vom 21. März 2007 V R 28/04, BFHE 217, 59, BStBl II 2010, 999, unter II.2.c aa, Rz 25).

34

bb) Nach dieser Vorschrift wird u.a. die "Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen ... durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" von der Steuer befreit. Voraussetzung ist aber auch hier, dass die Einrichtung anerkannt ist. Die Rechtsprechung zur unternehmerbezogenen Anerkennung im Sozialbereich (Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL) ist dabei grundsätzlich auch auf den Unterrichtsbereich (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) zu übertragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217, 59, BStBl II 2010, 999, unter II.2.c dd (2), Rz 33; in BFHE 253, 421, BFH/NV 2016, 1120, Rz 47; vom 10. August 2016 V R 38/15, BFHE 254, 448, BFH/NV 2016, 1864, Rz 18).

35

cc) Bei Anwendung dieser Grundsätze fehlt es im Streitfall an einer Einrichtung mit sozialem Charakter (s. oben zu II.2.a), so dass der Kläger auch nach dieser Vorschrift keine Steuerbefreiung erlangen kann.

36

c) Eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL kommt --wie das FG zutreffend entschieden hat-- ebenfalls nicht in Betracht.

37

aa) Ein Steuerpflichtiger kann sich grundsätzlich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL berufen (vgl. z.B. EuGH-Urteil Haderer vom 14. Juni 2007 C-445/05, EU:C:2007:344, UR 2007, 592, Rz 38; BFH-Urteile vom 27. September 2007 V R 75/03, BFHE 219, 250, BStBl II 2008, 323, unter II.5., Rz 37; in BFHE 245, 433, BFH/NV 2014, 1687, Rz 15 ff.).

38

bb) Steuerfrei ist danach der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht. Nach dem zu dieser Bestimmung ergangenen EuGH-Urteil Eulitz vom 28. Januar 2010 C-473/08, (EU:C:2010:47, UR 2010, 174, Rz 38) kommt es auf "Unterrichtseinheiten an, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht" beziehen. Dies erfasst nicht nur Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (vgl. EuGH-Urteil Haderer, EU:C:2007:344, UR 2007, 592, Rz 26). Dem hat sich der BFH angeschlossen (vgl. BFH-Urteile vom 20. März 2014 V R 3/13, BFH/NV 2014, 1175, Rz 20; in BFHE 245, 433, BFH/NV 2014, 1687, Rz 17; jeweils m.w.N.).

39

Der Unterricht wird von einem Privatlehrer i.S. dieser Vorschrift erteilt, wenn der Unterricht "privat" erteilt wird (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 18. November 2015 XI B 61/15, BFH/NV 2016, 435, Rz 21 f., m.w.N.). Dies kann auch gegenüber einer Einzelperson erfolgen. Erforderlich ist aber, dass der Unternehmer Träger der Bildungseinrichtung ist, an der die Bildungsmaßnahmen erbracht werden (vgl. EuGH-Urteil Eulitz, EU:C:2010:47, UR 2010, 174, Rz 52 ff.). Der Unternehmer muss auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln (vgl. EuGH-Urteil Haderer, EU:C:2007:344, UR 2007, 592, Rz 30). Daher sind Leistungen, die an einer anderen Bildungseinrichtung ausgeführt werden, in der Regel nicht "privat" (vgl. Oelmaier in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 21 Rz 32; Philipowski, UR 2010, 166; Korn, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 688, 690; Tehler in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 21 Rz 339, der aber eine Präzisierung durch den EuGH fordert). Ob dies voraussetzt, dass der Unternehmer eigene Vertragsbeziehungen zu dem Unterrichteten unterhalten muss, ist streitig (ablehnend EuGH-Urteil Haderer, EU:C:2007:344, UR 2007, 592, Rz 32; Oelmaier in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 4 Nr. 21 Rz 34; Tehler in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 4 Nr. 21 Rz 340; Philipowski, UR 2010, 161, 166; Kulmsee in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG § 4 Nr. 21 Rz 101; a.A. Lippross, Umsatzsteuer, 24. Aufl., S. 739; zweifelnd auch Stadie, UStG, 3. Aufl., § 4 Nr. 21 Rz 12). Schädlich ist aber eine Zwischenschaltung eines Dritten auf der Seite des Leistenden (vgl. Korn, DStR 2010, 688, 690; Kulmsee in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 4 Nr. 21 Rz 101).

40

cc) Nach diesen Grundsätzen fehlt es im Streitfall daran, dass der Kläger selbst Träger der Bildungseinrichtung ist. Die GmbH, nicht aber der Kläger, war Träger der Bildungseinrichtung Lotsendienst, an der er die Unterrichtung Gründungswilliger vornahm und Ausbildungsleistungen für die Teilnehmer an diesen Maßnahmen erbrachte (vgl. EuGH-Urteil Eulitz, EU:C:2010:47, UR 2010, 174, Rz 52 ff.). Er war somit nicht "Privatlehrer" i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL.

41

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

1.
a)
die Ausfuhrlieferungen (§ 6) und die Lohnveredelungen an Gegenständen der Ausfuhr (§ 7),
b)
die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a); dies gilt nicht, wenn der Unternehmer seiner Pflicht zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldung (§ 18a) nicht nachgekommen ist oder soweit er diese im Hinblick auf die jeweilige Lieferung unrichtig oder unvollständig abgegeben hat;
2.
die Umsätze für die Seeschiffahrt und für die Luftfahrt (§ 8);
3.
die folgenden sonstigen Leistungen:
a)
die grenzüberschreitenden Beförderungen von Gegenständen, die Beförderungen im internationalen Eisenbahnfrachtverkehr und andere sonstige Leistungen, wenn sich die Leistungen
aa)
unmittelbar auf Gegenstände der Ausfuhr beziehen oder auf eingeführte Gegenstände beziehen, die im externen Versandverfahren in das Drittlandsgebiet befördert werden, oder
bb)
auf Gegenstände der Einfuhr in das Gebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union beziehen und die Kosten für die Leistungen in der Bemessungsgrundlage für diese Einfuhr enthalten sind. Nicht befreit sind die Beförderungen der in § 1 Abs. 3 Nr. 4 Buchstabe a bezeichneten Gegenstände aus einem Freihafen in das Inland;
b)
die Beförderungen von Gegenständen nach und von den Inseln, die die autonomen Regionen Azoren und Madeira bilden;
c)
sonstige Leistungen, die sich unmittelbar auf eingeführte Gegenstände beziehen, für die zollamtlich eine vorübergehende Verwendung in den in § 1 Abs. 1 Nr. 4 bezeichneten Gebieten bewilligt worden ist, wenn der Leistungsempfänger ein ausländischer Auftraggeber (§ 7 Abs. 2) ist. Dies gilt nicht für sonstige Leistungen, die sich auf Beförderungsmittel, Paletten und Container beziehen.
Die Vorschrift gilt nicht für die in den Nummern 8, 10 und 11 bezeichneten Umsätze und für die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands einschließlich der Werkleistung im Sinne des § 3 Abs. 10. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat;
4.
die Lieferungen von Gold an Zentralbanken;
4a.
die folgenden Umsätze:
a)
die Lieferungen der in der Anlage 1 bezeichneten Gegenstände an einen Unternehmer für sein Unternehmen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Zusammenhang mit der Lieferung in ein Umsatzsteuerlager eingelagert wird oder sich in einem Umsatzsteuerlager befindet. Mit der Auslagerung eines Gegenstands aus einem Umsatzsteuerlager entfällt die Steuerbefreiung für die der Auslagerung vorangegangene Lieferung, den der Auslagerung vorangegangenen innergemeinschaftlichen Erwerb oder die der Auslagerung vorangegangene Einfuhr; dies gilt nicht, wenn der Gegenstand im Zusammenhang mit der Auslagerung in ein anderes Umsatzsteuerlager im Inland eingelagert wird. Eine Auslagerung ist die endgültige Herausnahme eines Gegenstands aus einem Umsatzsteuerlager. Der endgültigen Herausnahme steht gleich der sonstige Wegfall der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung sowie die Erbringung einer nicht nach Buchstabe b begünstigten Leistung an den eingelagerten Gegenständen,
b)
die Leistungen, die mit der Lagerung, der Erhaltung, der Verbesserung der Aufmachung und Handelsgüte oder der Vorbereitung des Vertriebs oder Weiterverkaufs der eingelagerten Gegenstände unmittelbar zusammenhängen. Dies gilt nicht, wenn durch die Leistungen die Gegenstände so aufbereitet werden, dass sie zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeignet sind.
Die Steuerbefreiung gilt nicht für Leistungen an Unternehmer, die diese zur Ausführung von Umsätzen verwenden, für die die Steuer nach den Durchschnittssätzen des § 24 festgesetzt ist. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen vom Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar nachgewiesen sein. Umsatzsteuerlager kann jedes Grundstück oder Grundstücksteil im Inland sein, das zur Lagerung der in Anlage 1 genannten Gegenstände dienen soll und von einem Lagerhalter betrieben wird. Es kann mehrere Lagerorte umfassen. Das Umsatzsteuerlager bedarf der Bewilligung des für den Lagerhalter zuständigen Finanzamts. Der Antrag ist schriftlich zu stellen. Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn ein wirtschaftliches Bedürfnis für den Betrieb des Umsatzsteuerlagers besteht und der Lagerhalter die Gewähr für dessen ordnungsgemäße Verwaltung bietet;
4b.
die einer Einfuhr vorangehende Lieferung von Gegenständen, wenn der Abnehmer oder dessen Beauftragter den Gegenstand der Lieferung einführt. Dies gilt entsprechend für Lieferungen, die den in Satz 1 genannten Lieferungen vorausgegangen sind. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen vom Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar nachgewiesen sein;
4c.
die Lieferung von Gegenständen an einen Unternehmer für sein Unternehmen, die dieser nach § 3 Absatz 3a Satz 1 im Gemeinschaftsgebiet weiterliefert;
5.
die Vermittlung
a)
der unter die Nummern 1 Buchstabe a, Nummern 2 bis 4b und Nummern 6 und 7 fallenden Umsätze,
b)
der grenzüberschreitenden Beförderungen von Personen mit Luftfahrzeugen oder Seeschiffen,
c)
der Umsätze, die ausschließlich im Drittlandsgebiet bewirkt werden,
d)
der Lieferungen, die nach § 3 Abs. 8 als im Inland ausgeführt zu behandeln sind.
Nicht befreit ist die Vermittlung von Umsätzen durch Reisebüros für Reisende. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat,
6.
a)
die Lieferungen und sonstigen Leistungen der Eisenbahnen des Bundes auf Gemeinschaftsbahnhöfen, Betriebswechselbahnhöfen, Grenzbetriebsstrecken und Durchgangsstrecken an Eisenbahnverwaltungen mit Sitz im Ausland,
b)
(weggefallen)
c)
die Lieferungen von eingeführten Gegenständen an im Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3, ansässige Abnehmer, soweit für die Gegenstände zollamtlich eine vorübergehende Verwendung in den in § 1 Abs. 1 Nr. 4 bezeichneten Gebieten bewilligt worden ist und diese Bewilligung auch nach der Lieferung gilt. Nicht befreit sind die Lieferungen von Beförderungsmitteln, Paletten und Containern,
d)
Personenbeförderungen im Passagier- und Fährverkehr mit Wasserfahrzeugen für die Seeschifffahrt, wenn die Personenbeförderungen zwischen inländischen Seehäfen und der Insel Helgoland durchgeführt werden,
e)
die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle im Verkehr mit Wasserfahrzeugen für die Seeschiffahrt zwischen einem inländischen und ausländischen Seehafen und zwischen zwei ausländischen Seehäfen. Inländische Seehäfen im Sinne des Satzes 1 sind auch die Freihäfen und Häfen auf der Insel Helgoland;
7.
die Lieferungen, ausgenommen Lieferungen neuer Fahrzeuge im Sinne des § 1b Abs. 2 und 3, und die sonstigen Leistungen
a)
an andere Vertragsparteien des Nordatlantikvertrages, die nicht unter die in § 26 Abs. 5 bezeichneten Steuerbefreiungen fallen, wenn die Umsätze für den Gebrauch oder Verbrauch durch die Streitkräfte dieser Vertragsparteien, ihr ziviles Begleitpersonal oder für die Versorgung ihrer Kasinos oder Kantinen bestimmt sind und die Streitkräfte der gemeinsamen Verteidigungsanstrengung dienen,
b)
an die in dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates stationierten Streitkräfte der Vertragsparteien des Nordatlantikvertrags, soweit sie nicht an die Streitkräfte dieses Mitgliedstaates ausgeführt werden,
c)
an die in dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ansässigen ständigen diplomatischen Missionen und berufskonsularischen Vertretungen sowie deren Mitglieder,
d)
an die in dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ansässigen zwischenstaatlichen Einrichtungen sowie deren Mitglieder,
e)
an Streitkräfte eines anderen Mitgliedstaates, wenn die Umsätze für den Gebrauch oder Verbrauch durch die Streitkräfte, ihres zivilen Begleitpersonals oder für die Versorgung ihrer Kasinos oder Kantinen bestimmt sind und die Streitkräfte an einer Verteidigungsanstrengung teilnehmen, die zur Durchführung einer Tätigkeit der Union im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits-und Verteidigungspolitik unternommen wird und
f)
an die in dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates stationierten Streitkräfte eines Mitgliedstaates, wenn die Umsätze nicht an die Streitkräfte des anderen Mitgliedstaates ausgeführt werden, die Umsätze für den Gebrauch oder Verbrauch durch die Streitkräfte, ihres zivilen Begleitpersonals oder für die Versorgung ihrer Kasinos oder Kantinen bestimmt sind und die Streitkräfte an einer Verteidigungsanstrengung teilnehmen, die zur Durchführung einer Tätigkeit der Union im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik unternommen wird.
Der Gegenstand der Lieferung muss in den Fällen des Satzes 1 Buchstabe b bis d und f in das Gebiet des anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet werden. Für die Steuerbefreiungen nach Satz 1 Buchstabe b bis d und f sind die in dem anderen Mitgliedstaat geltenden Voraussetzungen maßgebend. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiungen müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Bei den Steuerbefreiungen nach Satz 1 Buchstabe b bis d und f hat der Unternehmer die in dem anderen Mitgliedstaat geltenden Voraussetzungen dadurch nachzuweisen, dass ihm der Abnehmer eine von der zuständigen Behörde des anderen Mitgliedstaates oder, wenn er hierzu ermächtigt ist, eine selbst ausgestellte Bescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster aushändigt. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer die übrigen Voraussetzungen nachzuweisen hat;
8.
a)
die Gewährung und die Vermittlung von Krediten,
b)
die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze von gesetzlichen Zahlungsmitteln. Das gilt nicht, wenn die Zahlungsmittel wegen ihres Metallgehalts oder ihres Sammlerwerts umgesetzt werden,
c)
die Umsätze im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren sowie die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die Einziehung von Forderungen,
d)
die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze im Einlagengeschäft, im Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr und das Inkasso von Handelspapieren,
e)
die Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren und die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren,
f)
die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen,
g)
die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze,
h)
die Verwaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren im Sinne des § 1 Absatz 2 des Kapitalanlagegesetzbuchs, die Verwaltung von mit diesen vergleichbaren alternativen Investmentfonds im Sinne des § 1 Absatz 3 des Kapitalanlagegesetzbuchs, die Verwaltung von Wagniskapitalfonds und die Verwaltung von Versorgungseinrichtungen im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes,
i)
die Umsätze der im Inland gültigen amtlichen Wertzeichen zum aufgedruckten Wert;
j)
(weggefallen)
k)
(weggefallen)
9.
a)
die Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen,
b)
die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Nicht befreit sind die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden Umsätze, die von der Rennwett- und Lotteriesteuer befreit sind oder von denen diese Steuer allgemein nicht erhoben wird;
10.
a)
die Leistungen auf Grund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des Versicherungsteuergesetzes. Das gilt auch, wenn die Zahlung des Versicherungsentgelts nicht der Versicherungsteuer unterliegt;
b)
die Leistungen, die darin bestehen, dass anderen Personen Versicherungsschutz verschafft wird;
11.
die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler;
11a.
die folgenden vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 1995 ausgeführten Umsätze der Deutschen Bundespost TELEKOM und der Deutsche Telekom AG:
a)
die Überlassung von Anschlüssen des Telefonnetzes und des diensteintegrierenden digitalen Fernmeldenetzes sowie die Bereitstellung der von diesen Anschlüssen ausgehenden Verbindungen innerhalb dieser Netze und zu Mobilfunkendeinrichtungen,
b)
die Überlassung von Übertragungswegen im Netzmonopol des Bundes,
c)
die Ausstrahlung und Übertragung von Rundfunksignalen einschließlich der Überlassung der dazu erforderlichen Sendeanlagen und sonstigen Einrichtungen sowie das Empfangen und Verteilen von Rundfunksignalen in Breitbandverteilnetzen einschließlich der Überlassung von Kabelanschlüssen;
11b.
Universaldienstleistungen nach Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. L 15 vom 21.1.1998, S. 14, L 23 vom 30.1.1998, S. 39), die zuletzt durch die Richtlinie 2008/6/EG (ABl. L 52 vom 27.2.2008, S. 3) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung. Die Steuerbefreiung setzt voraus, dass der Unternehmer sich entsprechend einer Bescheinigung des Bundeszentralamtes für Steuern gegenüber dieser Behörde verpflichtet hat, flächendeckend im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Gesamtheit der Universaldienstleistungen oder einen Teilbereich dieser Leistungen nach Satz 1 anzubieten. Die Steuerbefreiung gilt nicht für Leistungen, die der Unternehmer erbringt
a)
auf Grund individuell ausgehandelter Vereinbarungen oder
b)
auf Grund allgemeiner Geschäftsbedingungen zu abweichenden Qualitätsbedingungen oder zu günstigeren Preisen als den nach den allgemein für jedermann zugänglichen Tarifen oder als den nach § 19 des Postgesetzes vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3294), das zuletzt durch Artikel 272 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, genehmigten Entgelten;
12.
a)
die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken, von Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und von staatlichen Hoheitsrechten, die Nutzungen von Grund und Boden betreffen,
b)
die Überlassung von Grundstücken und Grundstücksteilen zur Nutzung auf Grund eines auf Übertragung des Eigentums gerichteten Vertrags oder Vorvertrags,
c)
die Bestellung, die Übertragung und die Überlassung der Ausübung von dinglichen Nutzungsrechten an Grundstücken.
Nicht befreit sind die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen, die kurzfristige Vermietung auf Campingplätzen und die Vermietung und die Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind;
13.
die Leistungen, die die Gemeinschaften der Wohnungseigentümer im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 403-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, in der jeweils geltenden Fassung an die Wohnungseigentümer und Teileigentümer erbringen, soweit die Leistungen in der Überlassung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Gebrauch, seiner Instandhaltung, Instandsetzung und sonstigen Verwaltung sowie der Lieferung von Wärme und ähnlichen Gegenständen bestehen;
14.
a)
Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden. Satz 1 gilt nicht für die Lieferung oder Wiederherstellung von Zahnprothesen (aus Unterpositionen 9021 21 und 9021 29 00 des Zolltarifs) und kieferorthopädischen Apparaten (aus Unterposition 9021 10 des Zolltarifs), soweit sie der Unternehmer in seinem Unternehmen hergestellt oder wiederhergestellt hat;
b)
Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden. Die in Satz 1 bezeichneten Leistungen sind auch steuerfrei, wenn sie von
aa)
zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder anderen Krankenhäusern, die ihre Leistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen wie die Krankenhäuser erbringen, die in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehen oder nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zugelassen sind; in sozialer Hinsicht vergleichbare Bedingungen liegen vor, wenn das Leistungsangebot des Krankenhauses den von Krankenhäusern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zugelassenen Krankenhäusern erbrachten Leistungen entspricht und die Kosten voraussichtlich in mindestens 40 Prozent der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde oder voraussichtlich mindestens 40 Prozent der Leistungen den in § 4 Nummer 15 Buchstabe b genannten Personen zugutekommen, dabei ist grundsätzlich auf die Verhältnisse im vorangegangenen Kalenderjahr abzustellen,
bb)
Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung, die an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch teilnehmen oder für die Regelungen nach § 115 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten,
cc)
Einrichtungen, die von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 34 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch an der Versorgung beteiligt worden sind,
dd)
Einrichtungen, mit denen Versorgungsverträge nach den §§ 111 und 111a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bestehen,
ee)
Rehabilitationseinrichtungen, mit denen Verträge nach § 38 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch bestehen,
ff)
Einrichtungen zur Geburtshilfe, für die Verträge nach § 134a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten,
gg)
Hospizen, mit denen Verträge nach § 39a Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bestehen, oder
hh)
Einrichtungen, mit denen Verträge nach § 127 in Verbindung mit § 126 Absatz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch über die Erbringung nichtärztlicher Dialyseleistungen bestehen,
erbracht werden und es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Zulassung, der Vertrag oder die Regelung nach dem Sozialgesetzbuch jeweils bezieht, oder
ii)
von Einrichtungen nach § 138 Abs. 1 Satz 1 des Strafvollzugsgesetzes erbracht werden;
c)
Leistungen nach den Buchstaben a und b, die im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder der besonderen Versorgung nach § 140a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch von Einrichtungen erbracht werden, mit denen entsprechende Verträge bestehen, sowie Leistungen zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung in stationären Pflegeeinrichtungen die durch Einrichtungen erbracht werden, mit denen Verträge nach § 119b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bestehen;
d)
(weggefallen)
e)
die zur Verhütung von nosokomialen Infektionen und zur Vermeidung der Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, erbrachten Leistungen eines Arztes oder einer Hygienefachkraft, an in den Buchstaben a und b genannte Einrichtungen, die diesen dazu dienen, ihre Heilbehandlungsleistungen ordnungsgemäß unter Beachtung der nach dem Infektionsschutzgesetz und den Rechtsverordnungen der Länder nach § 23 Absatz 8 des Infektionsschutzgesetzes bestehenden Verpflichtungen zu erbringen;
f)
die eng mit der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens verbundenen Leistungen, die erbracht werden von
aa)
juristischen Personen des öffentlichen Rechts,
bb)
Sanitäts- und Rettungsdiensten, die die landesrechtlichen Voraussetzungen erfüllen, oder
cc)
Einrichtungen, die nach § 75 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch die Durchführung des ärztlichen Notdienstes sicherstellen;
15.
die Umsätze der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung, der gesetzlichen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sowie der gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, der örtlichen und überörtlichen Träger der Sozialhilfe sowie der Verwaltungsbehörden und sonstigen Stellen der Kriegsopferversorgung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge
a)
untereinander,
b)
an die Versicherten, die Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, die Empfänger von Sozialhilfe oder die Versorgungsberechtigten;
15a.
die auf Gesetz beruhenden Leistungen der Medizinischen Dienste (§ 278 SGB V) und des Medizinischen Dienstes Bund (§ 281 SGB V) untereinander und für die gesetzlichen Träger der Sozialversicherung und deren Verbände und für die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sowie die gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch;
15b.
Eingliederungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch und vergleichbare Leistungen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden. Andere Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne dieser Vorschrift sind Einrichtungen,
a)
die nach § 178 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch zugelassen sind,
b)
die für ihre Leistungen nach Satz 1 Verträge mit den gesetzlichen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch geschlossen haben oder
c)
die für Leistungen, die denen nach Satz 1 vergleichbar sind, Verträge mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die diese Leistungen mit dem Ziel der Eingliederung in den Arbeitsmarkt durchführen, geschlossen haben;
15c.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden. Andere Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne dieser Vorschrift sind Rehabilitationsdienste und -einrichtungen nach den §§ 36 und 51 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, mit denen Verträge nach § 38 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch abgeschlossen worden sind;
16.
die eng mit der Betreuung oder Pflege körperlich, kognitiv oder psychisch hilfsbedürftiger Personen verbundenen Leistungen, die erbracht werden von
a)
juristischen Personen des öffentlichen Rechts,
b)
Einrichtungen, mit denen ein Vertrag nach § 132 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch besteht,
c)
Einrichtungen, mit denen ein Vertrag nach § 132a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, § 72 oder § 77 des Elften Buches Sozialgesetzbuch besteht oder die Leistungen zur häuslichen Pflege oder zur Heimpflege erbringen und die hierzu nach § 26 Abs. 5 in Verbindung mit § 44 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch bestimmt sind,
d)
Einrichtungen, die Leistungen der häuslichen Krankenpflege oder Haushaltshilfe erbringen und die hierzu nach § 26 Abs. 5 in Verbindung mit den §§ 32 und 42 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch bestimmt sind,
e)
Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung nach § 194 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch besteht,
f)
Einrichtungen, die nach § 225 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch anerkannt sind,
g)
Einrichtungen, soweit sie Leistungen erbringen, die landesrechtlich als Angebote zur Unterstützung im Alltag nach § 45a des Elften Buches Sozialgesetzbuch anerkannt sind,
h)
Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung nach § 123 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder nach § 76 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch besteht,
i)
Einrichtungen, mit denen ein Vertrag nach § 8 Absatz 3 des Gesetzes zur Errichtung der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau über die Gewährung von häuslicher Krankenpflege oder Haushaltshilfe nach den §§ 10 und 11 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte, § 10 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte oder nach § 54 Absatz 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch besteht,
j)
Einrichtungen, die aufgrund einer Landesrahmenempfehlung nach § 2 der Frühförderungsverordnung als fachlich geeignete interdisziplinäre Frühförderstellen anerkannt sind,
k)
Einrichtungen, die als Betreuer nach § 1814 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestellt worden sind, sofern es sich nicht um Leistungen handelt, die nach § 1877 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vergütet werden,
l)
Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung zur Pflegeberatung nach § 7a des Elften Buches Sozialgesetzbuch besteht, oder
m)
Einrichtungen, bei denen die Betreuungs- oder Pflegekosten oder die Kosten für eng mit der Betreuung oder Pflege verbundene Leistungen in mindestens 25 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung, den Trägern der Sozialhilfe, den Trägern der Eingliederungshilfe nach § 94 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet werden.
Leistungen im Sinne des Satzes 1, die von Einrichtungen nach den Buchstaben b bis m erbracht werden, sind befreit, soweit es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Anerkennung, der Vertrag oder die Vereinbarung nach Sozialrecht oder die Vergütung jeweils bezieht;
17.
a)
die Lieferungen von menschlichen Organen, menschlichem Blut und Frauenmilch,
b)
die Beförderungen von kranken und verletzten Personen mit Fahrzeugen, die hierfür besonders eingerichtet sind;
18.
eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen, wenn diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben, erbracht werden. Etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen verwendet werden. Für in anderen Nummern des § 4 bezeichnete Leistungen kommt die Steuerbefreiung nur unter den dort genannten Voraussetzungen in Betracht;
18a.
die Leistungen zwischen den selbständigen Gliederungen einer politischen Partei, soweit diese Leistungen im Rahmen der satzungsgemäßen Aufgaben gegen Kostenerstattung ausgeführt werden, und sofern die jeweilige Partei nicht gemäß § 18 Absatz 7 des Parteiengesetzes von der staatlichen Teilfinanzierung ausgeschlossen ist;
19.
a)
die Umsätze der Blinden, die nicht mehr als zwei Arbeitnehmer beschäftigen. Nicht als Arbeitnehmer gelten der Ehegatte, der eingetragene Lebenspartner, die minderjährigen Abkömmlinge, die Eltern des Blinden und die Lehrlinge. Die Blindheit ist nach den für die Besteuerung des Einkommens maßgebenden Vorschriften nachzuweisen. Die Steuerfreiheit gilt nicht für die Lieferungen von Energieerzeugnissen im Sinne des § 1 Abs. 2 und 3 des Energiesteuergesetzes und von Alkoholerzeugnissen im Sinne des Alkoholsteuergesetzes, wenn der Blinde für diese Erzeugnisse Energiesteuer oder Alkoholsteuer zu entrichten hat, und für Lieferungen im Sinne der Nummer 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2,
b)
die folgenden Umsätze der nicht unter Buchstabe a fallenden Inhaber von anerkannten Blindenwerkstätten und der anerkannten Zusammenschlüsse von Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch:
aa)
die Lieferungen von Blindenwaren und Zusatzwaren,
bb)
die sonstigen Leistungen, soweit bei ihrer Ausführung ausschließlich Blinde mitgewirkt haben;
20.
a)
die Umsätze folgender Einrichtungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts: Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre, Museen, botanische Gärten, zoologische Gärten, Tierparks, Archive, Büchereien sowie Denkmäler der Bau- und Gartenbaukunst. Das Gleiche gilt für die Umsätze gleichartiger Einrichtungen anderer Unternehmer, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in Satz 1 bezeichneten Einrichtungen erfüllen. Steuerfrei sind auch die Umsätze von Bühnenregisseuren und Bühnenchoreographen an Einrichtungen im Sinne der Sätze 1 und 2, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass deren künstlerische Leistungen diesen Einrichtungen unmittelbar dienen. Museen im Sinne dieser Vorschrift sind wissenschaftliche Sammlungen und Kunstsammlungen,
b)
die Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten durch andere Unternehmer, wenn die Darbietungen von den unter Buchstabe a bezeichneten Theatern, Orchestern, Kammermusikensembles oder Chören erbracht werden,
21.
a)
die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen,
aa)
wenn sie als Ersatzschulen gemäß Artikel 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind oder
bb)
wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten,
b)
die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer
aa)
an Hochschulen im Sinne der §§ 1 und 70 des Hochschulrahmengesetzes und öffentlichen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schulen oder
bb)
an privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit diese die Voraussetzungen des Buchstabens a erfüllen;
21a.
(weggefallen)
22.
a)
die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden,
b)
andere kulturelle und sportliche Veranstaltungen, die von den in Buchstabe a genannten Unternehmern durchgeführt werden, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht;
23.
a)
die Erziehung von Kindern und Jugendlichen und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen, die durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder durch andere Einrichtungen erbracht werden, deren Zielsetzung mit der einer Einrichtung des öffentlichen Rechts vergleichbar ist und die keine systematische Gewinnerzielung anstreben; etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen verwendet werden,
b)
eng mit der Betreuung von Kindern und Jugendlichen verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen, die durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder durch andere als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen erbracht werden. Andere Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne dieser Vorschrift sind Einrichtungen, soweit sie
aa)
auf Grund gesetzlicher Regelungen im Bereich der sozialen Sicherheit tätig werden oder
bb)
Leistungen erbringen, die im vorangegangenen Kalenderjahr ganz oder zum überwiegenden Teil durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts vergütet wurden,
c)
Verpflegungsdienstleistungen und Beherbergungsleistungen gegenüber Kindern in Kindertageseinrichtungen, Studierenden und Schülern an Hochschulen im Sinne der Hochschulgesetze der Länder, an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Berufsakademie, an öffentlichen Schulen und an Ersatzschulen, die gemäß Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind, sowie an staatlich anerkannten Ergänzungsschulen und an Berufsschulheimen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder durch andere Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben; etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen verwendet werden.
Steuerfrei sind auch die Beherbergung, Beköstigung und die üblichen Naturalleistungen, die die Unternehmer den Personen, die bei der Erbringung der Leistungen nach Satz 1 Buchstabe a und b beteiligt sind, als Vergütung für die geleisteten Dienste gewähren. Kinder und Jugendliche im Sinne von Satz 1 Buchstabe a und b sind alle Personen, die noch nicht 27 Jahre alt sind. Für die in den Nummern 15b, 15c, 21, 24 und 25 bezeichneten Leistungen kommt die Steuerbefreiung nur unter den dort genannten Voraussetzungen in Betracht;
24.
die Leistungen des Deutschen Jugendherbergswerkes, Hauptverband für Jugendwandern und Jugendherbergen e.V., einschließlich der diesem Verband angeschlossenen Untergliederungen, Einrichtungen und Jugendherbergen, soweit die Leistungen den Satzungszwecken unmittelbar dienen oder Personen, die bei diesen Leistungen tätig sind, Beherbergung, Beköstigung und die üblichen Naturalleistungen als Vergütung für die geleisteten Dienste gewährt werden. Das Gleiche gilt für die Leistungen anderer Vereinigungen, die gleiche Aufgaben unter denselben Voraussetzungen erfüllen;
25.
Leistungen der Jugendhilfe nach § 2 Absatz 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch, die Inobhutnahme nach § 42 des Achten Buches Sozialgesetzbuch und Leistungen der Adoptionsvermittlung nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz, wenn diese Leistungen von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe oder anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden. Andere Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne dieser Vorschrift sind
a)
von der zuständigen Jugendbehörde anerkannte Träger der freien Jugendhilfe, die Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts,
b)
Einrichtungen, soweit sie
aa)
für ihre Leistungen eine im Achten Buch Sozialgesetzbuch geforderte Erlaubnis besitzen oder nach § 44 oder § 45 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch einer Erlaubnis nicht bedürfen,
bb)
Leistungen erbringen, die im vorangegangenen Kalenderjahr ganz oder zum überwiegenden Teil durch Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder Einrichtungen nach Buchstabe a vergütet wurden,
cc)
Leistungen der Kindertagespflege erbringen, für die sie nach § 23 Absatz 3 des Achten Buches Sozialgesetzbuch geeignet sind, oder
dd)
Leistungen der Adoptionsvermittlung erbringen, für die sie nach § 4 Absatz 1 des Adoptionsvermittlungsgesetzes anerkannt oder nach § 4 Absatz 2 des Adoptionsvermittlungsgesetzes zugelassen sind.
Steuerfrei sind auch
a)
die Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen, wenn die Darbietungen von den von der Jugendhilfe begünstigten Personen selbst erbracht oder die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden und diese Leistungen in engem Zusammenhang mit den in Satz 1 bezeichneten Leistungen stehen,
b)
die Beherbergung, Beköstigung und die üblichen Naturalleistungen, die diese Einrichtungen den Empfängern der Jugendhilfeleistungen und Mitarbeitern in der Jugendhilfe sowie den bei den Leistungen nach Satz 1 tätigen Personen als Vergütung für die geleisteten Dienste gewähren,
c)
Leistungen, die von Einrichtungen erbracht werden, die als Vormünder nach § 1773 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder als Ergänzungspfleger nach § 1809 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestellt worden sind, sofern es sich nicht um Leistungen handelt, die nach § 1877 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vergütet werden,
d)
Einrichtungen, die als Verfahrensbeistand nach den §§ 158, 174 oder 191 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestellt worden sind, wenn die Preise, die diese Einrichtungen verlangen, von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen; bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der Mehrwertsteuer unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern;
26.
die ehrenamtliche Tätigkeit,
a)
wenn sie für juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgeübt wird oder
b)
wenn das Entgelt für diese Tätigkeit nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht;
27.
a)
die Gestellung von Personal durch religiöse und weltanschauliche Einrichtungen für die in Nummer 14 Buchstabe b, in den Nummern 16, 18, 21, 22 Buchstabe a sowie in den Nummern 23 und 25 genannten Tätigkeiten und für Zwecke geistlichen Beistands,
b)
die Gestellung von land- und forstwirtschaftlichen Arbeitskräften durch juristische Personen des privaten oder des öffentlichen Rechts für land- und forstwirtschaftliche Betriebe (§ 24 Abs. 2) mit höchstens drei Vollarbeitskräften zur Überbrückung des Ausfalls des Betriebsinhabers oder dessen voll mitarbeitenden Familienangehörigen wegen Krankheit, Unfalls, Schwangerschaft, eingeschränkter Erwerbsfähigkeit oder Todes sowie die Gestellung von Betriebshelfern an die gesetzlichen Träger der Sozialversicherung;
28.
die Lieferungen von Gegenständen, für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1a ausgeschlossen ist oder wenn der Unternehmer die gelieferten Gegenstände ausschließlich für eine nach den Nummern 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet hat;
29.
sonstige Leistungen von selbständigen, im Inland ansässigen Zusammenschlüssen von Personen, deren Mitglieder eine dem Gemeinwohl dienende nichtunternehmerische Tätigkeit oder eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausüben, die nach den Nummern 11b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder 27 von der Steuer befreit ist, gegenüber ihren im Inland ansässigen Mitgliedern, soweit diese Leistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeiten verwendet werden und der Zusammenschluss von seinen Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordert, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt.

(1) Von der Steuer befreit ist das Halten von Kraftfahrzeugen, solange die Fahrzeuge für schwerbehinderte Personen zugelassen sind, die durch einen Ausweis im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder des Artikels 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 9. Juli 1979 (BGBl. I S. 989) mit dem Merkzeichen "H", "BI" oder "aG" nachweisen, dass sie hilflos, blind oder außergewöhnlich gehbehindert sind.

(2) Die Steuer ermäßigt sich um 50 vom Hundert für Kraftfahrzeuge, solange die Fahrzeuge für schwerbehinderte Personen zugelassen sind, die durch einen Ausweis im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder des Artikels 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr mit orangefarbenem Flächenaufdruck nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 228 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erfüllen. Die Steuerermäßigung wird nicht gewährt, solange die schwerbehinderte Person das Recht zur unentgeltlichen Beförderung nach § 228 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt.

(3) Die Steuervergünstigung der Absätze 1 und 2 steht den behinderten Personen nur für ein Fahrzeug und nur auf schriftlichen Antrag zu. Sie entfällt, wenn das Fahrzeug zur Beförderung von Gütern (ausgenommen Handgepäck), zur entgeltlichen Beförderung von Personen (ausgenommen die gelegentliche Mitbeförderung) oder durch andere Personen zu Fahrten benutzt wird, die nicht im Zusammenhang mit der Fortbewegung oder der Haushaltsführung der behinderten Personen stehen.

(1)1Bei einem im Inland belegenen Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, kann der Steuerpflichtige abweichend von § 7 Absatz 4 und 5 im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis zu 9 Prozent und in den folgenden vier Jahren jeweils bis zu 7 Prozent der Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind, absetzen.2Eine sinnvolle Nutzung ist nur anzunehmen, wenn das Gebäude in der Weise genutzt wird, dass die Erhaltung der schützenswerten Substanz des Gebäudes auf die Dauer gewährleistet ist.3Bei einem im Inland belegenen Gebäudeteil, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, sind die Sätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.4Bei einem im Inland belegenen Gebäude oder Gebäudeteil, das für sich allein nicht die Voraussetzungen für ein Baudenkmal erfüllt, aber Teil einer Gebäudegruppe oder Gesamtanlage ist, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften als Einheit geschützt ist, kann der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen von den Herstellungskosten für Baumaßnahmen vornehmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des schützenswerten äußeren Erscheinungsbildes der Gebäudegruppe oder Gesamtanlage erforderlich sind.5Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den folgenden elf Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Baumaßnahmen im Sinne der Sätze 1 bis 4 entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind.6Die Baumaßnahmen müssen in Abstimmung mit der in Absatz 2 bezeichneten Stelle durchgeführt worden sein.7Die erhöhten Absetzungen können nur in Anspruch genommen werden, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten nicht durch Zuschüsse aus öffentlichen Kassen gedeckt sind.8§ 7h Absatz 1 Satz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2)1Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen nur in Anspruch nehmen, wenn er durch eine nicht offensichtlich rechtswidrige Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle die Voraussetzungen des Absatzes 1 für das Gebäude oder Gebäudeteil und für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nachweist.2Hat eine der für Denkmalschutz oder Denkmalpflege zuständigen Behörden ihm Zuschüsse gewährt, so hat die Bescheinigung auch deren Höhe zu enthalten; werden ihm solche Zuschüsse nach Ausstellung der Bescheinigung gewährt, so ist diese entsprechend zu ändern.

(3) § 7h Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Begünstigte Investitionen sind:

1.
nachträgliche Herstellungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1949 fertig gestellt worden sind,
2.
die Anschaffung von Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1949 fertig gestellt worden sind, soweit nachträgliche Herstellungsarbeiten nach dem rechtswirksamen Abschluss des obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind, und
3.
Erhaltungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1949 fertig gestellt worden sind,
wenn der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweist, dass das Gebäude im Zeitpunkt der Anschaffung oder Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten und Erhaltungsarbeiten in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet nach dem Baugesetzbuch, einem förmlich festgelegten Erhaltungssatzungsgebiet nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Baugesetzbuchs oder in einem Gebiet liegt, das durch Bebauungsplan als Kerngebiet im Sinne des § 7 der Baunutzungsverordnung festgesetzt ist oder das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung diesem Gebiet entspricht. Satz 1 gilt entsprechend für Gebäude, die nach dem 31. Dezember 1948 und vor dem 1. Januar 1960 fertig gestellt worden sind, wenn der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen Denkmalbehörde nachweist, dass das Gebäude oder ein Gebäudeteil nach den landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist. Die Sätze 1 und 2 können nur angewendet werden, soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder der Erhaltungsarbeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen. Die Sätze 1 und 2 können nur angewendet werden, wenn für die nachträglichen Herstellungsarbeiten oder die Erhaltungsarbeiten keine Investitionszulage nach § 3 in Anspruch genommen wird. § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) Investitionen im Sinne des Absatzes 1 sind begünstigt, wenn der Anspruchsberechtigte im Fall nachträglicher Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten nach dem 31. Dezember 2001 mit den Arbeiten begonnen hat oder im Fall der Anschaffung das Objekt auf Grund eines nach dem 31. Dezember 2001 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft hat. Als Beginn der nachträglichen Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten gilt bei Baumaßnahmen, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird; bei baugenehmigungsfreien Bauvorhaben, für die Bauunterlagen einzureichen sind, der Zeitpunkt, in dem die Bauunterlagen eingereicht werden.

(3) Die Investitionen sind begünstigt, wenn sie der Anspruchsberechtigte vor dem 1. Januar 2005 abschließt. § 3 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage ist die Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen der im Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 und 3 gehören die nachträglichen Herstellungskosten und die Erhaltungsaufwendungen nur zur Bemessungsgrundlage, soweit sie insgesamt in den Jahren 2002 bis 2004 50 Euro je Quadratmeter Wohnfläche überschreiten und 1.200 Euro je Quadratmeter Wohnfläche nicht übersteigen. Betreffen nachträgliche Herstellungsarbeiten oder Erhaltungsarbeiten mehrere Gebäudeteile, die selbstständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sind die nachträglichen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen nach dem Verhältnis der Nutzflächen auf die Gebäudeteile aufzuteilen, soweit eine unmittelbare Zuordnung nicht möglich ist. Bei Investitionen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten die Sätze 2 und 3 mit der Maßgabe entsprechend, dass an die Stelle der nachträglichen Herstellungskosten die Anschaffungskosten treten, die auf nachträgliche Herstellungsarbeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 entfallen. § 2 Abs. 5 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. In die Bemessungsgrundlage können die im Kalenderjahr geleisteten Anzahlungen auf Erhaltungsaufwendungen einbezogen werden.

(5) Die Investitionszulage beträgt 22 vom Hundert der Bemessungsgrundlage.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

Tatbestand

1

I. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war die Errichtung von Wohn- und Gewerbebauten als Bauträgerin sowie die Errichtung von Hochbauten als Bauunternehmen. Die Klägerin beantragte im Februar 2001 für die Errichtung eines in WX belegenen Gebäudes (W) und im Oktober 2001 für die Errichtung eines in ZX belegenen Gebäudes (Z) jeweils nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Investitionszulagengesetzes 1999 (InvZulG 1999) Investitionszulage in Höhe von 660.797,25 DM (= 337.860,27 €) für W und in Höhe von 341.721,40 DM (= 174.719,38 €) für Z. Beide Anträge hatte die Klägerin auf dem amtlichen Vordruck für das Jahr 1999 gestellt. Als Jahr der Fertigstellung war jeweils das Jahr 2000 angegeben. Vorgelegt wurden auch Bescheinigungen der zuständigen Behörden vom Februar 2001 für W und vom Februar 2000 für Z, denen zufolge die Gebäude in einem der nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 begünstigten Gebiete lagen.

2

Nach Rückfragen des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) stellten die zuständigen Behörden im September 2001 für W und im Dezember 2001 für Z geänderte Bescheinigungen aus, denen zufolge die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 nicht erfüllt waren.

3

Das FA lehnte den Zulagenantrag der Klägerin vom Februar 2001 für W im November 2001 ab, da keine Bescheinigung i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 vorliege. Der Bescheid erging "für das Kalenderjahr 1999". Der Einspruch, den die Klägerin damit begründete, dass ihr die geänderte Bescheinigung des Amtes in W nicht bekannt sei, wurde "gegen den Bescheid ... für das Kalenderjahr 1999" eingelegt.

4

Die geänderten Bescheinigungen vom September 2001 und Dezember 2001 wurden mit Schreiben vom 10. Dezember 2004 (für W) und vom 29. August 2005 (für Z) aufgehoben, nachdem in den von der Klägerin angestrengten verwaltungsgerichtlichen Verfahren in 2004 bzw. 2005 darauf hingewiesen worden war, dass es an einer Bekanntgabe der geänderten Bescheinigungen gegenüber der Klägerin fehlen dürfte.

5

Ab Januar 2006 führte das FA bei der Klägerin eine Investitionszulage-Sonderprüfung für die "Anträge 1999" durch. Nach der im Rahmen dieser Prüfung überreichten Aufstellung der Investitionskosten begehrte die Klägerin nunmehr Investitionszulage in Höhe von insgesamt 721.656,74 € (= 1.411.437,90 DM). Nach dem Prüfungsbericht vom März 2006 war die Investitionszulage auf 0 DM festzusetzen, da im Jahr der Fertigstellung 2000 kein Investitionszulagenantrag gestellt worden sei und dieser wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr nachgeholt werden könne.

6

Im April 2006 beantragte die Klägerin daraufhin Investitionszulage für die Jahre 1999 bis 2002. Die Anträge wurden jeweils getrennt für die einzelnen Jahre auf dem --handschriftlich angepassten-- amtlichen Vordruck für das Kalenderjahr 1999 gestellt. Das FA lehnte die Anträge für 2000 bis 2002 Mitte 2006 ab, da sie nicht auf den amtlichen Vordrucken gestellt worden seien. Für die Jahre 2000 und 2001 sei zudem die Festsetzungsfrist abgelaufen. Die gegen die Ablehnungsbescheide für 2000 bis 2002 Ende Juni 2006 eingelegten Einsprüche der Klägerin wurden mit Einspruchsentscheidung vom 13. März 2007 als unbegründet zurückgewiesen.

7

Im März 2007 wurde auch ihr gegen den Ablehnungsbescheid vom November 2001 gerichteter Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

8

Die Klägerin hatte bereits im Mai 2002 Klage erhoben. Mit Schreiben vom September 2006 bat das Finanzgericht (FG) um Mitteilung, für welche Jahre die Klägerin Investitionszulage begehre. Daraufhin teilte die Klägerin mit Schriftsatz vom Oktober 2006 mit, es werde "die Festsetzung der Investitionszulage aus den Wirtschaftsjahren 1998 bis 2001 bezogen auf eine Bemessungsgrundlage von DM 14.117.054,80 ~ € 7.217.935,50" begehrt.

9

Das FG wies die Klage für die Kalenderjahre 1999 bis 2002 als unbegründet ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 964), nachdem es das Verfahren im April 2004 nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum Abschluss der verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausgesetzt hatte. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus:

10

Das FA habe die Anträge auf Gewährung von Investitionszulage nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 für die Jahre 1999 bis 2002 zu Recht abgelehnt, weil ein etwaiger Anspruch für den Bau der Gebäude W und Z bereits nach § 47 der Abgabenordnung (AO) erloschen sei. Die Klägerin habe es versäumt, für das Jahr 2000, dem Jahr des Investitionsabschlusses, bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2004 einen Antrag auf Gewährung von Investitionszulage zu stellen. Es sei weder zu einer Anlauf- noch zu einer Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist gekommen.

11

Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO komme nicht in Betracht, da die Anträge vom Februar 2001 bzw. Oktober 2001 nur als solche für das Jahr 1999, nicht aber auch als solche für das Jahr 2000 ausgelegt werden könnten. Es sei auch keine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO eingetreten. Ebenso sei der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt gewesen, da die Investitionszulage-Sonderprüfung erst im Januar 2006 und damit nach Ablauf der Festsetzungsfrist begonnen habe.

12

Schließlich scheide eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO aus. Obwohl die nach § 3 InvZulG 1999 notwendige Belegenheitsbescheinigung eine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Anspruch auf Investitionszulage darstelle, widerspreche es dem Sinn und Zweck der in § 171 Abs. 10 AO geregelten Ablaufhemmung, dass das Verfahren in diesen Fällen insgesamt mit der Möglichkeit offen bleibe, auch einen Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage nachzuholen. Diese Frage könne letztlich offen bleiben. Denn die Bescheide, auf die sich der Anspruch auf Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 stützen könnte, seien bereits in den Jahren 2000 bzw. 2001 ergangen. Die geänderten Bescheinigungen seien dagegen mangels wirksamer Bekanntgabe zu keinem Zeitpunkt wirksam geworden. Für die Ablaufhemmung des Folgebescheids komme es nach § 171 Abs. 10 AO aber auf die Bekanntgabe des Grundlagenbescheids und somit dessen Wirksamwerden an. Die Unanfechtbarkeit des Grundlagenbescheids sei nicht maßgebend.

13

Es führe auch weder § 126 Abs. 2 AO noch der Rechtsgedanke des § 126 Abs. 3 AO zu einem anderen Ergebnis, weil es für das Jahr 2000 bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist an einem heilbaren Verwaltungsakt fehle. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund des Rechtsgedankens in § 126 Abs. 3 AO i.V.m. § 110 AO scheide aus.

14

Die Tatbestandsberichtigungsanträge der Klägerin wies das FG im Juni 2007 durch Beschluss ab und führte u.a. aus, aus Tz. 7 und 14 des Prüfungsberichts der Steuerfahndungsstelle vom März 2002 ergebe sich, dass sich die Prüfung allein auf das Jahr 1999 bezogen habe und sie deshalb für die Frage der Festsetzungsverjährung für das Jahr 2000 nicht entscheidungserheblich gewesen sei. Da das Urteil darauf abstelle, dass bis zum 31. Dezember 2004 weder ein Antrag noch eine Klage auf Gewährung von Investitionszulage für das Jahr 2000 eingereicht worden sei, sei auch die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO nicht entscheidungserheblich gewesen.

15

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Zu ihrer Begründung trägt sie insbesondere vor:

16

Sie habe bereits im Jahr 2001 einen formwirksamen Antrag auf Investitionszulage für das Jahr 2000 gestellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei die Verwendung anderer als der grundsätzlich notwendigen Formulare unbeachtlich, wenn das FA mit dem tatsächlich verwendeten Formular in der Lage sei, den Antrag abschließend zu prüfen. Das sei hier der Fall. Denn die Formulare für 1999 und für 2000 seien bei den notwendigen Angaben identisch. Es mache auch keinen Sinn, im Jahr 2001 für im Jahre 2000 fertig gestellte Gebäude noch einen Antrag wegen Teilherstellungskosten des Jahres 1999 zu stellen. Auch aus den Kostenbelegen bis zum Jahr 2001 ergebe sich, dass keinesfalls Anträge für 1999 hätten gestellt werden sollen. Daneben wäre es die Amtspflicht des FA gewesen, richtige Formulare zur Verfügung zu stellen, jedenfalls aber auf Korrekturen hinzuwirken, wenn mangels aktueller Formulare nur die Formulare des Vorjahres zur Verfügung stünden. Zumindest sei sie, die Klägerin, so zu behandeln, wie sie bei pflichtgemäßem Verhalten des FA gestanden hätte. Dass sie seit Einreichung der Klage anwaltlich vertreten sei, ändere daran nichts. Aus der Tatsache, dass bis dato jeder Hinweis auf ein falsches Formular gefehlt habe und dass vom FA bereits im Januar 2002 eine Prüfung der Bemessungsgrundlage in Auftrag gegeben worden sei, habe man schließen dürfen, dass die Verwendung des Formulars 1999 vom FA als unbeachtlich angesehen worden sei. Im Übrigen habe man auch aus dem Gerichtsverfahren nicht schlussfolgern können, dass die Anträge an einem Formfehler scheitern könnten. Abgesehen davon, dass auch seitens des Gerichts nach § 76 Abs. 2 FGO ein Hinweis zu erwarten gewesen wäre, sei das Verfahren wegen Vorgreiflichkeit des Streits um die Grundlagenbescheide ausgesetzt worden. Das wäre nicht erforderlich gewesen, wenn die Klage schon wegen untauglicher Antragsformulare abzuweisen gewesen wäre.

17

Zudem habe es mehrere Hemmungsgründe gegeben, weshalb sie, die Klägerin, zumindest noch 2006 neue Antragsformulare habe einreichen können. So sei bereits eine Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 3 AO eingetreten. Hierfür genüge ein hinreichend bestimmter Antrag, der erkennen lasse, was der Steuerpflichtige wolle, wobei der Umfang der Ablaufhemmung erforderlichenfalls durch Auslegung des Antragsinhalts zu ermitteln sei. Diesen Anforderungen hätten die Anträge aus dem Jahr 2001 genügt. Daher habe es auch nicht an Einspruchs- bzw. Klageverfahren i.S. des § 171 Abs. 3a AO wegen Anträgen für das Jahr 2000 gefehlt. Das FG hätte daher die im April 2006 eingereichten Anträge inhaltlich prüfen müssen und sie nicht als verfristet behandeln dürfen. Außerdem sei die Frage zu klären, ob § 171 Abs. 10 AO anwendbar sei. Die Klägerin habe einen verwaltungsrechtlichen Streit geführt, bei dem es nicht um den Erlass, sondern um die Aufhebung eines den Grundlagenbescheid ändernden Bescheids gegangen sei. Diese Aufhebungen seien im Dezember 2004 bzw. Ende August 2005 erfolgt. Würde man § 171 Abs. 10 AO auf diesen Fall anwenden, wären die Antragsfristen erst im Dezember 2006 bzw. September 2007 abgelaufen, so dass das FG die im April 2006 gestellten Anträge hätte prüfen müssen.

18

Zudem habe das FG übersehen, dass nach dem Wortlaut des § 126 Abs. 1 Nr. 1 AO auch Anträge nachgeholt werden könnten. Ebenso müsse die Heilung von Fehlern möglich sein, soweit ein Antrag zwar vorliege, aber fehlerhaft gestellt worden sei. Wenn fehlerhafte, aber nicht nichtige Verwaltungsakte geheilt werden könnten, müssten auch fehlerhafte Anträge geheilt werden können.

19

Schließlich habe das FG auch mehrere Verfahrensfehler begangen.

20

Es habe gegen die Sachaufklärungspflicht verstoßen. In seiner Entscheidung führe es aus, dass sich der konkrete Umfang der mit den Anträgen vorgelegten Unterlagen auch in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend habe klären lassen. Das FG habe diese Frage dann zwar für nicht entscheidungserheblich gehalten, weshalb auch ein Beweisantrag mit Sicherheit zurückgewiesen worden wäre. Das Offenlassen dieser Frage habe jedoch zur Folge gehabt, dass die Anträge der Klägerin vom FG als nicht prüfbar und deshalb nicht dem Jahr 2000 zuordenbar angesehen worden seien. Das FG hätte daher die Vorlage der gesamten Unterlagen verlangen und diese beiziehen müssen.

21

Es habe ferner nicht berücksichtigt, dass bereits im Januar 2002 eine Investitionszulage-Prüfung in Gestalt einer Fahndungsprüfung stattgefunden habe. Hätte das FG diese Prüfung beachtet, hätte es eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO nicht ablehnen dürfen und zudem die Voraussetzungen des § 171 Abs. 5 AO prüfen müssen. Da sie, die Klägerin, den Prüfungsbericht vom März 2002 im Klageverfahren vorgelegt habe, stelle sich die Entscheidung des FG auch als Überraschungsentscheidung dar. Zudem zeige sich in der Nichtberücksichtigung der Prüfung im Jahr 2002, dass das FG gegen das Gebot verstoßen habe, das Gesamtergebnis des Verfahrens umfassend zu würdigen.

22

Gegen dieses Gebot, den gesamten Inhalt der Akten zum Gegenstand der Entscheidungsfindung zu machen, habe das FG auch dadurch verstoßen, dass es sich nicht mit den Gründen für seinen eigenen Aussetzungsbeschluss auseinandergesetzt habe. Nur so habe es zu dem Ergebnis gelangen können, dass der Streit um einen Änderungsbescheid dem Streit um den Erlass eines Grundlagenbescheids nicht gleichzustellen sei. Ein weiterer Verstoß gegen das vorgenannte Gebot liege darin, dass das FG sich geweigert habe, ihre unwidersprochen gebliebene Behauptung in den Tatbestand aufzunehmen, sie habe die für ihren Antrag verwendeten Formulare für das Kalenderjahr 1999 auf telefonische Anforderung Ende 2000 vom FA zur Verfügung gestellt bekommen. Denn es komme entscheidend darauf an, weshalb sie Formulare für das Jahr 1999 und nicht für das Jahr 2000 verwendet habe.

23

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil, den Ablehnungsbescheid für 1999 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 13. März 2007 sowie die Ablehnungsbescheide vom 27. Juni 2006 für 2000 bis 2002 und die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 13. März 2007 aufzuheben und für die Errichtung der Gebäude W und Z Investitionszulage für 1999 in Höhe von 337.373,51 € (= 659.845,24 DM), für 2000 in Höhe von 210.803,22 € (= 412.295,27 DM), für 2001 in Höhe von 172.200,89 € (= 336.795,66 DM) und für 2002 in Höhe von 1.160,32 € (= 2.269,39 DM) festzusetzen.

24

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

25

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 FGO).

Entscheidungsgründe

26

II. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin für die Kalenderjahre 1999 bis 2002 kein Anspruch auf Investitionszulage nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 für die Gebäude W und Z zusteht.

27

1. Zutreffend hat das FG die Zulässigkeit der für die Streitjahre 1999 bis 2002 erhobenen Klage bejaht.

28

Es spricht vieles dafür, dass die Klägerin zunächst mit der im Mai 2002 erhobenen Klage ausschließlich die versagte Gewährung der Investitionszulage für das Kalenderjahr 1999 angegriffen hat. Sie hat jedoch im Wege einer zulässigen Klageänderung gemäß § 67 FGO die Investitionszulage für die Kalenderjahre 2000 bis 2002 zum Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gemacht.

29

a) Mit Schriftsatz vom Oktober 2006 erklärte die Klägerin auf richterliche Nachfrage, es werde "die Festsetzung der Investitionszulage aus den Wirtschaftsjahren 1998 bis 2001 bezogen auf eine Bemessungsgrundlage von DM 14.117.054,80 ~ € 7.217.935,50" begehrt. Unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich Mitte 2006 für die Jahre 2000 bis 2002 ergangenen Ablehnungsbescheide ist dieses Schreiben der Klägerin im Wege der Auslegung und unter Rückgriff auf die Steuerakten dahingehend zu verstehen, dass nunmehr (im Oktober 2006) die Klage auch auf die Ablehnungsbescheide für die Jahre 2000 bis 2002 erstreckt wurde.

30

b) Bei dieser Sachlage ist von einer zulässigen Klageänderung in Gestalt einer nachträglichen objektiven Klagehäufung auszugehen.

31

Es liegen die Voraussetzungen des § 67 FGO vor, daneben erfüllen die neuen Klagebegehren jeweils die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen (vgl. dazu Schallmoser in Hübschmann/ Hepp/Spitaler --HHSP--, § 67 FGO Rz 44; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 67 Rz 10, m.w.N.). Zum einen hat sich das FA rügelos auf die neuen Klagebegehren (Investitionszulage für die Kalenderjahre 2000 bis 2002) eingelassen (§ 67 Abs. 2 FGO), zum anderen ist die Einspruchsentscheidung hinsichtlich der Ablehnungsbescheide für 2000 bis 2002, gegen die im Zeitpunkt der Klageänderung bereits Rechtsbehelfe eingelegt waren, noch während des Klageverfahrens ergangen. Die Voraussetzung eines abgeschlossenen Vorverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO) stellt keine Zugangs-, sondern eine Sachurteilsvoraussetzung dar, die auch noch während des finanzgerichtlichen Verfahrens eintreten kann (z.B. Senatsurteil vom 17. Mai 1985 III R 213/82, BFHE 143, 509, BStBl II 1985, 521; BFH-Urteil vom 2. Juni 1987 VIII R 192/83, BFH/NV 1988, 104).

32

2. Ebenso ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin für den Bau der Gebäude W und Z kein Anspruch auf Investitionszulage für die Kalenderjahre 1999 bis 2002 zusteht.

33

Im Streitfall käme ein (endgültiger) Zulagenanspruch der Klägerin für die genannten Gebäude ohnehin nur für das Kalenderjahr 2000 in Betracht, weil ein solcher Anspruch mit Ablauf des Kalenderjahres entsteht, in dem die begünstigten Investitionen --im Streitfall das Jahr 2000-- abgeschlossen sind. Ein Anspruch der Klägerin auf Investitionszulage für das Kalenderjahr 2000 ist jedoch mit Ablauf des 31. Dezember 2004 nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 i.V.m. § 47 AO erloschen, weil die Investitionszulage für das Kalenderjahr 2000 nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist beantragt wurde.

34

a) Dass eine Investitionszulage für förderfähige Investitionen nach § 3 InvZulG 1999 nur dann festgesetzt werden kann, wenn ein Antrag für das Kalenderjahr des Abschlusses der förderfähigen Investition gestellt wird (vgl. Senatsurteil vom 26. Juni 2003 III R 16/01, BFHE 203, 283, BStBl II 2004, 22, zu § 2 Satz 1, § 4 Satz 1 InvZulG 1993), ergibt sich aus der Systematik sowie dem Sinn und Zweck des InvZulG 1999.

35

aa) Nach § 5 InvZulG 1999 darf die Investitionszulage nur bei Vorliegen eines formgerechten Antrags festgesetzt werden. Hierbei handelt es sich um eine eigenständige formelle Voraussetzung, ohne deren Vorliegen das FA nicht tätig werden darf (§ 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 i.V.m. § 86 Satz 2 Nr. 2 AO). § 5 InvZulG 1999 regelt selbst nicht, für welche Kalenderjahre die Zulage zu beantragen ist. Diese Frage ist unter Rückgriff auf die übrigen Vorschriften des InvZulG 1999 zu beantworten.

36

§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 begünstigt --bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen-- die Anschaffung oder Herstellung von Mietwohnungsneubauten. Bemessungsgrundlage hierfür ist gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1999 grundsätzlich die den Betrag von 5.000 DM (ab 2002: 2.556 €) übersteigende Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten der im Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen. Der Zeitpunkt der Zahlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist unerheblich. So können auch Zahlungen vor dem Jahr der Anschaffung oder Herstellung oder solche nach diesem Jahr zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Mietwohnungsneubaus gehören. Im Übrigen umfassen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht nur Aufwendungen, die bis zum Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung entstanden sind, sondern auch Kosten, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Anschaffung des Wirtschaftsguts bzw. in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dessen Herstellung stehen, d.h. zwangsläufig im Gefolge der Anschaffung bzw. mit der Herstellung anfallen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. Oktober 2001 I R 32/00, BFHE 197, 58, BStBl II 2002, 349).

37

Daneben verweist § 3 Abs. 3 Satz 3 InvZulG 1999 auf die Vorschrift des § 2 Abs. 5 Satz 2 bis 4 InvZulG 1999. Danach können in die Bemessungsgrundlage die im Kalenderjahr geleisteten Anzahlungen auf Anschaffungskosten und Teilherstellungskosten einbezogen werden (§ 2 Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1999). Für diesen Fall dürfen im Kalenderjahr der Anschaffung oder Herstellung des Mietwohnungsneubaus die Anschaffungs-/Herstellungskosten bei der Bemessung der Investitionszulage aber nur berücksichtigt werden, soweit sie die geleisteten Anzahlungen oder Teilherstellungskosten übersteigen (§ 2 Abs. 5 Satz 3 InvZulG 1999). Hieraus ergibt sich zwar, dass der Anspruchsberechtigte (wahlweise) bereits einen Anspruch auf Investitionszulage für die im Kalenderjahr geleisteten Anzahlungen auf Anschaffungskosten oder entstandenen Teilherstellungskosten geltend machen kann (Senatsurteil vom 15. Dezember 2005 III R 20/05, BFH/NV 2006, 1343, zu § 3 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1999). Zugleich ist aber § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 InvZulG 1999 zu entnehmen, dass es sich bei den geleisteten Anzahlungen oder entstandenen Teilherstellungskosten selbst um keine begünstigten (förderfähigen) Investitionen, sondern lediglich um Vorleistungen auf eine zu einem späteren Zeitpunkt vollzogene Anschaffung oder Herstellung handelt. Dies hat der Senat bereits für die auf Anzahlungen gewährte Investitionszulage entschieden (Senatsurteil in BFHE 203, 283, BStBl II 2004, 22, zu § 2 Satz 1 InvZulG 1993). Nichts anderes kann gelten, wenn --wie im Streitfall-- kein Anschaffungs-, sondern ein Herstellungsvorgang vorliegt. Auch in diesem Fall dient die Begünstigung der Teilherstellungskosten der frühzeitigen Stärkung der Liquidität des Anspruchstellers. Es wird lediglich der Zeitpunkt vorverlegt, zu dem die nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 zu gewährende Zulage geltend gemacht werden kann.

38

bb) Beruht aber die vorgezogene Zulagengewährung auf keinem eigenständigen Begünstigungstatbestand, so hängt die Entscheidung, ob der Anspruchsberechtigte die vorläufig gewährte Zulage endgültig behalten darf, zwingend davon ab, ob für das Jahr des Entstehens des Anspruchs für die begünstigte (förderfähige) Investition eine entsprechende Investitionszulage festgesetzt wird.

39

Wann der Anspruch für die begünstigte Investition entsteht, ist im InvZulG 1999 selbst nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 i.V.m. § 38 AO, dass der Anspruch auf Investitionszulage entsteht, sobald der Begünstigungstatbestand verwirklicht ist. Dies setzt in den Fällen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 voraus, dass gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 InvZulG 1999 die Investition abgeschlossen, d.h. der Mietwohnungsneubau angeschafft oder hergestellt worden ist. Da die Investitionszulage gemäß § 6 Abs. 2 InvZulG 1999 nach Ablauf des Kalenderjahres für die den Betrag von 5.000 DM (ab 2002: 2.556 €) übersteigende Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten der im Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen festgesetzt wird, entsteht der Anspruch auf Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 nicht mit der Verwirklichung des einzelnen Investitionstatbestandes, sondern erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die förderfähigen Investitionen abgeschlossen wurden (vgl. Senatsurteil vom 20. September 1999 III R 33/97, BFHE 190, 266, BStBl II 2000, 208, zu § 4 Satz 1 InvZulG 1993). Das FA setzt eine einheitliche (Jahres-)Investitionszulage, nicht etwa für jede begünstigte Investition eine gesonderte Zulage fest (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 1984 III R 95/81, BFHE 142, 352, BStBl II 1985, 63, zu § 4b InvZulG 1975; Kaligin, Investitionszulagengesetz 1999, Praktikerkommentar, § 6 Rz 2).

40

cc) Dies bedeutet, dass in den Fällen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 der Anspruch auf Investitionszulage mit Ablauf des Kalenderjahres entsteht, in dem die begünstigten Investitionen abgeschlossen, d.h. die Mietwohnungsneubauten angeschafft oder hergestellt worden sind (vgl. Kaligin, a.a.O., § 6 Rz 2). Für dieses Kalenderjahr --im Streitfall nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) das Jahr 2000-- muss der Anspruchsberechtigte einen Antrag auf Investitionszulage stellen. Anderenfalls darf das FA nicht verbindlich und abschließend eine Jahreszulage nach § 3 InvZulG 1999 --unter Einbeziehung aller in diesem Kalenderjahr angeschafften oder hergestellten Mietwohnungsneubauten-- festsetzen.

41

b) Revisionsrechtlich ist der Würdigung des FG zu folgen, wonach die Klägerin mit ihren Anträgen im Jahr 2001 keine Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 für das Kalenderjahr 2000 beantragt hat.

42

aa) Der Antrag auf Investitionszulage ist als außerprozessuale empfangsbedürftige Verfahrenserklärung, sofern er auslegungsbedürftig ist, entsprechend §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auszulegen. Nach den zu diesen gesetzlichen Bestimmungen entwickelten Rechtsgrundsätzen ist entscheidend, wie das FA als Erklärungsempfänger den Antrag nach seinem objektiven Erklärungswert verstehen musste. Hierbei kann ggf. auch auf Umstände zurückgegriffen werden, die außerhalb der auszulegenden Erklärung liegen und einen Rückschluss auf den vom Antragsteller erklärten Willen erlauben. Bei der Ermittlung des in dem Antrag verkörperten Willens können nur solche Umstände berücksichtigt werden, die für das FA als Empfänger im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung erkennbar waren (Senatsurteil vom 3. Februar 2000 III R 4/97, BFH/NV 2000, 888).

43

Voraussetzung für eine Auslegung ist, dass die (Verfahrens-) Erklärung überhaupt auslegungsbedürftig ist. Hieran fehlt es, wenn die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat. Ob eine Erklärung auslegungsbedürftig ist, ist revisionsrechtlich nachprüfbar (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2000, 888). Im Übrigen ist die Auslegung des Antrags Gegenstand der vom FG zu treffenden tatsächlichen Feststellungen, an die der BFH gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), soweit im Revisionsverfahren --wie im Streitfall-- hiergegen keine durchgreifenden Verfahrensrügen gemäß § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO erhoben worden sind (vgl. dazu unten II.3.). Der BFH kann die Auslegung des FG nur daraufhin überprüfen, ob es die gesetzlichen Auslegungsregeln beachtet und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (Lange in HHSp, § 118 FGO Rz 207).

44

bb) Daran gemessen hält die Entscheidung des FG einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

45

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die von der Klägerin im Jahr 2001 gestellten Anträge auf Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 auslegungsbedürftig sein sollten, weil auch Belege für das Jahr 2000 eingereicht worden sind, ist die vom FG vorgenommene Auslegung im Ergebnis nicht zu beanstanden.

46

Das FG hat u.a. darauf abgestellt, dass der von der Klägerin für die Antragstellung verwendete amtliche Vordruck für das Kalenderjahr 1999 in der Einleitung den ausdrücklichen Hinweis enthält, dass mit diesem Vordruck "die im Kalenderjahr 1999 abgeschlossenen Investitionen, geleisteten Anzahlungen auf Anschaffungskosten und Erhaltungsaufwendungen sowie entstandenen Teilherstellungskosten aufzuführen" sind. Damit hätte selbst einem nicht vertretenen Steuerpflichtigen klar sein müssen, dass für jedes Kalenderjahr ein gesonderter Antrag auf Investitionszulage abzugeben war.

47

Danach ist es nicht zu beanstanden, dass das FG die im Jahr 2001 erfolgten Antragstellungen der Klägerin als solche für Vorleistungen des Kalenderjahres 1999 und nicht als solche für fertiggestellte Mietwohnungsneubauten des Kalenderjahres 2000 unter Verwendung unzutreffender Formulare gewertet hat. Unabhängig hiervon darf erwartet werden, dass Hinweise in den amtlichen Vordrucken für zu beantragende Steuervergütungen von den Personen, die eine solche begehren, auch tatsächlich beachtet werden. Außerdem bleibt zu berücksichtigen, dass die Klägerin auf den verwendeten amtlichen Vordrucken für das Kalenderjahr 1999 nicht die Jahreszahl "1999" (handschriftlich) gestrichen und durch die Jahreszahl "2000" ersetzt hat.

48

c) Ebenso hat es das FG zu Recht abgelehnt, in der im April 2006 erfolgten Antragstellung einen rechtzeitigen Antrag auf Investitionszulage für das Kalenderjahr 2000 zu erblicken.

49

aa) Die Frist, Investitionszulage für die Mietwohnungsneubauten W und Z zu beantragen, endete --vorbehaltlich einer Ablaufhemmung nach § 171 AO (vgl. dazu unten II.2.c bb)-- mit Ablauf des Kalenderjahres 2004.

50

Nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) waren die Mietwohnungsneubauten W und Z im Kalenderjahr 2000 abgeschlossen. Im Gegensatz zu seiner Vorgängerregelung (§ 6 Abs. 1 InvZulG 1996) enthält § 5 InvZulG 1999 keine Ausschlussfrist mehr, innerhalb derer der Antrag auf Investitionszulage zu stellen ist. Es sind daher nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 i.V.m. § 155 Abs. 4 AO die für die Steuerfestsetzung und damit die für die Festsetzungsverjährung geltenden allgemeinen Vorschriften zu beachten. Danach beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist (vgl. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) grundsätzlich nach § 170 Abs. 1 AO mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch auf Investitionszulage entstanden ist. Dies ist im Streitfall das Kalenderjahr 2000. Da für die erstmalige Festsetzung der Investitionszulage weder eine Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO noch eine solche gemäß § 170 Abs. 3 AO besteht (Senatsurteil vom 29. März 2001 III R 1/99, BFHE 194, 331, BStBl II 2001, 432), ist mit Ablauf des 31. Dezember 2004 Festsetzungsverjährung eingetreten.

51

bb) Der Ablauf der Festsetzungsfrist war auch nicht bis April 2006 gehemmt.

52

Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) kommt allenfalls eine Ablaufhemmung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 i.V.m. § 171 Abs. 10 AO in Betracht.

53

aaa) Gemäß § 171 Abs. 10 Satz 1 AO endet die Festsetzungsfrist, soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Maßgebend für die Hemmung ist die Bekanntgabe des Grundlagenbescheids, nicht dessen Unanfechtbarkeit (BFH-Urteil vom 19. Januar 2005 X R 14/04, BFHE 208, 410, BStBl II 2005, 242). Die Bekanntgabe des Grundlagenbescheids kann auf seinem erstmaligen Ergehen, seiner Änderung oder Aufhebung beruhen. Da der Hemmungstatbestand die Bekanntgabe eines Grundlagenbescheids voraussetzt, kann ein Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren, bei dem es um die Aufhebung eines den Grundlagenbescheid ändernden Bescheids geht, als solches nicht zur Hemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO führen. Werden die ursprünglichen Feststellungen in dem Grundlagenbescheid in einem Verwaltungs-, Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren geändert oder aufgehoben, führt dies mit Bekanntgabe des Änderungs- oder Aufhebungsbescheids zu einer erneuten Anpassungspflicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO und damit zu einer (erneuten) Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO. Dagegen löst die Bekanntgabe eines Grundlagenbescheids, der einen gleichartigen, dem Inhaltsadressaten wirksam bekannt gegebenen Verwaltungsakt in seinem verbindlichen Regelungsgehalt lediglich wiederholt, keine erneute Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 10 AO aus (Banniza in HHSp, § 171 AO Rz 220, m.w.N.).

54

Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird nur insoweit gehemmt, als die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids reicht. Dies folgt bereits aus der in § 171 Abs. 10 AO durch das Wort "soweit" enthaltenen Einschränkung (BFH-Urteil vom 12. August 1987 II R 202/84, BFHE 150, 319, BStBl II 1988, 318; Hartmann in Beermann/Gosch, AO § 171 Rz 85). § 171 Abs. 10 Satz 1 AO führt daher zu einer punktuellen Ablaufhemmung (Banniza in HHSp, § 171 AO Rz 215). Diese Vorschrift bewirkt die Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist für den Folgebescheid, soweit und solange ein (geänderter) Grundlagenbescheid, der für die Festsetzung der Folgesteuer bindend ist, noch zulässig ergehen kann (BFH-Urteil vom 30. November 1999 IX R 41/97, BFHE 190, 71, BStBl II 2000, 173). Soweit die Steuerfestsetzung --im Streitfall die Festsetzung der Investitionszulage-- nicht auf dem Grundlagenbescheid beruht, wird der Lauf der Festsetzungsfrist durch § 171 Abs. 10 Satz 1 AO nicht berührt.

55

bbb) Bei Anwendung dieser Grundsätze wurde die Festsetzungsfrist für die Gewährung der Investitionszulage für das Jahr 2000 nicht gemäß § 171 Abs. 10 AO gehemmt. Dies würde selbst dann gelten, wenn erst durch die Bekanntgabe der Bescheide vom 10. Dezember 2004 (für W) und vom 29. August 2005 (für Z), mit denen die geänderten Bescheinigungen aufgehoben wurden, die ursprünglichen positiven Bescheinigungen wieder aufgelebt wären und damit für den Fristbeginn grundsätzlich an die Bekanntgabe der Bescheide vom 10. Dezember 2004 und 29. August 2005 anzuknüpfen wäre.

56

Der BFH hat bislang noch nicht entschieden, ob es sich bei der Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 um einen Grundlagenbescheid handelt und, bejahendenfalls, inwieweit eine Bindungswirkung dieses Verwaltungsaktes für das Zulagenfestsetzungsverfahren besteht. Der BFH geht aber zur Rechtsnatur und Bindungswirkung derartiger, in einem Steuergesetz als Tatbestandsvoraussetzung geforderten Bescheinigungen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sie materiell-rechtliche Voraussetzung für die Festsetzung der Investitionszulage sind und weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht der Nachprüfung durch die Finanzbehörde unterliegen, soweit es sich um außersteuerrechtliche Beurteilungen handelt (vgl. zum Ganzen Senatsbeschluss vom 28. Mai 2003 III B 87/02, BFH/NV 2003, 1218, m.w.N.). Danach stellt auch die Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 einen Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO dar, der für die Finanzbehörden bindend ist, soweit er die in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 bestimmten außersteuerrechtlichen Feststellungen enthält (gleicher Ansicht Kaligin, a.a.O., § 3 Rz 13; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. Februar 2003 IV A 5 -InvZ 1272- 6/03, BStBl I 2003, 218, Tz 15). Die Festsetzungsfrist kann daher aufgrund der eingeschränkten Bindungswirkung der Bescheinigung nur insoweit gehemmt sein, als die Beurteilung der in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 genannten außersteuerrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Investitionszulage in Rede steht. Das Antragserfordernis gemäß § 5 InvZulG 1999 ist hingegen eine hiervon zu unterscheidende, eigenständige formelle Voraussetzung, die zur Einleitung des Zulagenfestsetzungsverfahrens unabdingbar ist. Eine positive Bescheinigung kann daher nicht einen fehlenden Antrag ersetzen.

57

ccc) Dieses Ergebnis entspricht auch dem systematischen Zusammenhang des § 171 Abs. 10 AO mit § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO und der begrenzten Zielsetzung der Ablaufhemmung, durch die der Finanzbehörde lediglich eine ausreichende Zeit zur Auswertung des Grundlagenbescheids verschafft werden soll. Die genannten Vorschriften bringen deutlich zum Ausdruck, dass die Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid nicht die Wiederaufrollung der gesamten Steuerveranlagung --im Streitfall des gesamten Zulagenfestsetzungsverfahrens-- rechtfertigt, sondern dass die Anpassungspflicht der Finanzbehörde nur so weit reicht, wie es die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids verlangt (vgl. auch BFH-Urteil vom 29. Juni 2005 X R 31/04, BFH/NV 2005, 1749).

58

ddd) Schließlich wird das gefundene Ergebnis durch den historischen Willen des Gesetzgebers bestätigt. Das InvZulG 1999 vom 18. August 1997 (BGBl I 1997, 2070, BStBl I 1997, 790) behielt zunächst in § 5 Abs. 1 InvZulG 1999 die vormals in § 6 Abs. 1 InvZulG 1996 geregelte Antragsfrist bei, wonach der (wirksame) Zulagenantrag bis zum 30. September des Kalenderjahres zu stellen ist, das dem Kalenderjahr folgt, in dem die Investitionen abgeschlossen worden sind (Ausschlussfrist). Durch Art. 8 Nr. 3 des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 (StBereinG 1999) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) wurde § 5 Abs. 1 InvZulG 1999 geändert; die Ausschlussfrist für den Zulagenantrag wurde ersatzlos mit Wirkung ab dem 1. Januar 1999 (Art. 28 Abs. 4 StBereinG 1999) aufgehoben. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass "die Anträge auf Gewährung der Investitionszulage künftig nicht mehr bis zum 30. September des auf das Jahr des Investitionsabschlusses folgenden Jahres, sondern innerhalb der regelmäßigen Festsetzungsfrist gestellt werden müssen" (BTDrucks 14/2070, S. 13). Danach ergebe sich für die Antragstellung nunmehr ein anderer zeitlicher Rahmen (BTDrucks 14/2070, S. 28). Hieraus ergibt sich der klare gesetzgeberische Wille, dass der Antrag von dem Berechtigten --will er ein Erlöschen des Zulagenanspruchs infolge Festsetzungsverjährung vermeiden-- innerhalb der Festsetzungsfrist gestellt werden muss.

59

d) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, "wann Anträge heilbar sind", ist nicht entscheidungserheblich.

60

Nach den den Senat bindenden Feststellungen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hat die Klägerin nicht innerhalb der Festsetzungsfrist für das Jahr 2000 einen fehlerbehafteten Antrag, sondern für das Jahr 2000 innerhalb der Festsetzungsfrist überhaupt keinen Antrag gestellt.

61

e) Ebenso ist es nicht entscheidungserheblich, ob das FA im Zusammenhang mit der im Jahr 2001 erfolgten Antragstellung gegen seine Hinweis- und Auskunftspflichten nach § 89 AO verstoßen hat.

62

Der Anspruchsberechtigte kann bei einem Verstoß der Finanzbehörde gegen ihre Hinweis- und Auskunftspflichten nach § 89 AO nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen so gestellt werden, als wäre der Verstoß nicht geschehen. Ist dies --wie im Streitfall-- wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht möglich, kann der Verstoß allenfalls zu Schadenersatzansprüchen wegen Amtspflichtverletzung nach Art. 34 des Grundgesetzes (GG), § 839 BGB führen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 27. Februar 2007 III B 158/06, BFH/NV 2007, 1090, m.w.N.). Gleichfalls scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus; § 110 AO gilt nicht für den Ablauf der Festsetzungsfrist (Senatsurteil vom 19. August 1999 III R 57/98, BFHE 191, 198, BStBl II 2000, 330, m.w.N.).

63

Abgesehen davon ist zweifelhaft, ob das FA mit Blick auf die klaren Hinweise in dem amtlichen Vordruck überhaupt gegen seine Pflichten nach § 89 AO verstoßen hat.

64

3. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

65

Soweit diese überhaupt in einer den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO genügenden Form dargelegt wurden, liegen sie jedenfalls nicht vor.

66

Insbesondere ist der von der Klägerin gerügte Verfahrensverstoß im erstinstanzlichen Verfahren wegen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch eine sog. Überraschungsentscheidung (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) nicht erkennbar. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine Überraschungsentscheidung anzunehmen, wenn das FG in seinem Urteil ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbevollmächtigter nicht zu rechnen brauchte (z.B. Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 III B 118/07, BFH/NV 2009, 1828). Das FG hat der Klägerin seine Überlegungen zur Verjährungsproblematik bereits mit Schreiben vom 14. Dezember 2006 mitgeteilt. Schon in diesem Schreiben fand die im Jahr 2002 erfolgte Prüfung der Investitionszulage keine Erwähnung. Es ist daher nicht ersichtlich, wie das FG dem Rechtsstreit infolge der vermeintlichen Nichtberücksichtigung dieses Gesichtspunkts in seinem Urteil eine überraschende Wendung hätte geben können.

67

Im Übrigen sieht der Senat in Bezug auf die erhobenen Verfahrensrügen von einer weiteren Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).

(1) Die Investitionszulage beträgt

1.bei Investitionen im Sinne des § 3 Nr. 112 vom Hundert,
2.bei Investitionen im Sinne des § 3 Nr. 2 und 38 vom Hundert,
3.bei Investitionen im Sinne des § 3 Nr. 4 und 55 vom Hundert

der Bemessungsgrundlage.

(2) Die Investitionszulage erhöht sich bei Investitionen im Sinne des § 3 Nr. 3 und 4, die der Anspruchsberechtigte vor dem 1. Januar 1995 begonnen und vor dem 1. Januar 1997 abgeschlossen hat, auf 20 vom Hundert der Bemessungsgrundlage, soweit die Bemessungsgrundlage im Wirtschaftsjahr 1 Million Deutsche Mark nicht übersteigt, wenn

1.
die Investitionen vorgenommen werden von
a)
Steuerpflichtigen im Sinne des Einkommensteuergesetzes, die am 9. November 1989 einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten, oder
b)
Gesellschaften im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes, bei denen mehr als die Hälfte der Anteile unmittelbar Steuerpflichtigen im Sinne des Buchstabens a zuzurechnen sind, oder
c)
Steuerpflichtigen im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, an deren Kapital zu mehr als der Hälfte unmittelbar Steuerpflichtige im Sinne des Buchstabens a beteiligt sind, und
2.
die Wirtschaftsgüter mindestens 3 Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung
a)
zum Anlagevermögen des Betriebs eines Gewerbetreibenden, der in die Handwerksrolle oder das Verzeichnis handwerksähnlicher Betriebe eingetragen ist, oder eines Betriebs des verarbeitenden Gewerbes gehören und
b)
in einem solchen Betrieb verbleiben.
§ 19 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung gilt sinngemäß.

(3) Die Investitionszulage erhöht sich bei Investitionen im Sinne des § 3 Nr. 4 auf 10 vom Hundert der Bemessungsgrundlage, soweit die Bemessungsgrundlage im Wirtschaftsjahr 5 Millionen Deutsche Mark nicht übersteigt, wenn

1.
der Betrieb zu Beginn des Wirtschaftsjahrs, in dem die Investitionen vorgenommen werden, nicht mehr als 250 Arbeitnehmer in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis beschäftigt, die Arbeitslohn, Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld oder Winterausfallgeld beziehen, und
2.
die Wirtschaftsgüter mindestens 3 Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung
a)
zum Anlagevermögen eines Betriebs des Anspruchsberechtigten, der in die Handwerksrolle oder das Verzeichnis handwerksähnlicher Betriebe eingetragen ist, oder eines Betriebs des verarbeitenden Gewerbes des Anspruchsberechtigten gehören und
b)
in einem solchen Betrieb des Anspruchsberechtigten verbleiben.
Satz 1 gilt nicht bei Investitionen, die der Anspruchsberechtigte vor dem 1. Januar 1995 begonnen hat und bei denen die Voraussetzungen des Absatzes 2 Nr. 1 vorliegen.

(4) Die Investitionszulage erhöht sich bei Investitionen im Sinne des § 3 Nr. 4, die der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 1995 begonnen hat, auf 10 vom Hundert der Bemessungsgrundlage, soweit die Bemessungsgrundlage im Wirtschaftsjahr 250.000 Deutsche Mark nicht übersteigt, wenn

1.
der Betrieb zu Beginn des Wirtschaftsjahrs, in dem die Investitionen vorgenommen werden, nicht mehr als 50 Arbeitnehmer in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis beschäftigt, die Arbeitslohn, Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld oder Winterausfallgeld beziehen,
2.
die Wirtschaftsgüter mindestens 3 Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung
a)
zum Anlagevermögen eines Betriebs des Groß- oder Einzelhandels des Anspruchsberechtigten gehören und
b)
in einer Betriebsstätte des Groß- oder Einzelhandels des Anspruchsberechtigten verbleiben und
3.
der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweist, daß die Betriebsstätte im Zeitpunkt des Abschlusses der Investitionen nicht in einem Gebiet liegt, das durch Bebauungsplan oder sonstige städtebauliche Satzung als Industriegebiet, Gewerbegebiet oder als Sondergebiet im Sinne des § 11 Abs. 3 der Baunutzungsverordnung festgesetzt ist oder in dem aufgrund eines Aufstellungsbeschlusses entsprechende Festsetzungen getroffen werden sollen oder das aufgrund der Bebauung der näheren Umgebung einem dieser Gebiete entspricht.
Satz 1 gilt nicht bei Investitionen, bei denen die Voraussetzungen des Absatzes 3 vorliegen.

(1) Begünstigte Investitionen sind die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung (Fünfjahreszeitraum)

1.
zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören,
2.
in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben,
3.
in jedem Jahr zu nicht mehr als 10 vom Hundert privat genutzt werden und
4.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllen.
Nicht begünstigt sind geringwertige Wirtschaftsgüter im Sinne des § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes, Luftfahrzeuge und Personenkraftwagen. Beträgt die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des begünstigten beweglichen Wirtschaftsguts weniger als fünf Jahre, tritt diese Nutzungsdauer an die Stelle des Zeitraums von fünf Jahren.

(2) Begünstigt sind die folgenden beweglichen Wirtschaftsgüter:

1.
Wirtschaftsgüter, die während des Fünfjahreszeitraums in Betrieben des verarbeitenden Gewerbes oder in Betrieben der produktionsnahen Dienstleistungen verbleiben. Betriebe der produktionsnahen Dienstleistungen sind die folgenden Betriebe:
a)
Betriebe der Datenverarbeitung und Datenbanken,
b)
Betriebe der Forschung und Entwicklung,
c)
Betriebe der Markt- und Meinungsforschung,
d)
Ingenieurbüros für bautechnische Gesamtplanung,
e)
Ingenieurbüros für technische Fachplanung,
f)
Büros für Industrie-Design,
g)
Betriebe der technischen, physikalischen und chemischen Untersuchung,
h)
Betriebe der Werbung und
i)
Betriebe des fotografischen Gewerbes.
Hat ein Betrieb Betriebsstätten im Fördergebiet und außerhalb des Fördergebiets, gelten für die Einordnung des Betriebs in das verarbeitende Gewerbe die gesamten Betriebsstätten im Fördergebiet als ein Betrieb;
2.
Wirtschaftsgüter, die während des Fünfjahreszeitraums ausschließlich kleinen und mittleren Betrieben des Handwerks dienen. Betriebe des Handwerks sind die Gewerbe, die in die Handwerksrolle oder in das Verzeichnis handwerksähnlicher Betriebe eingetragen sind. Kleine und mittlere Betriebe sind Betriebe, die nicht mehr als 250 Arbeitnehmer in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis beschäftigen, die Arbeitslohn oder Kurzarbeitergeld beziehen;
3.
Wirtschaftsgüter, die während des Fünfjahreszeitraums in kleinen und mittleren Betrieben des Groß- oder Einzelhandels und in Betriebsstätten des Groß- oder Einzelhandels in den Innenstädten verbleiben. Kleine und mittlere Betriebe sind Betriebe, die nicht mehr als 50 Arbeitnehmer in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis beschäftigen, die Arbeitslohn oder Kurzarbeitergeld beziehen. Eine Betriebsstätte liegt in der Innenstadt, wenn der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nachweist, dass die Betriebsstätte nicht in einem Gebiet liegt, das durch Bebauungsplan oder sonstige städtebauliche Satzung als Industriegebiet, Gewerbegebiet oder als Sondergebiet im Sinne des § 11 Abs. 3 der Baunutzungsverordnung festgesetzt ist oder in dem auf Grund eines Aufstellungsbeschlusses entsprechende Festsetzungen getroffen werden sollen oder das auf Grund der Bebauung der näheren Umgebung einem dieser Gebiete entspricht.
Die Nummern 1 bis 3 gelten nur, soweit in den sensiblen Sektoren, die in der Anlage 1 zu diesem Gesetz aufgeführt sind, die Förderfähigkeit nicht ausgeschlossen ist. Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, zur Durchführung der von den Organen der Europäischen Gemeinschaften erlassenen Rechtsvorschriften die Liste der sensiblen Sektoren im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 (Anlage 1 zu diesem Gesetz), in denen die Europäische Kommission die Förderfähigkeit ganz oder teilweise ausgeschlossen hat, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anzupassen.

(3) Begünstigte Investitionen sind die Anschaffung neuer Gebäude, Eigentumswohnungen, im Teileigentum stehender Räume und anderer Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind (Gebäude), bis zum Ende der Fertigstellung sowie die Herstellung neuer Gebäude, soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung

1.
in einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes oder in einem Betrieb der produktionsnahen Dienstleistungen im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1,
2.
in einem kleinen und mittleren Betrieb des Handwerks im Sinne des Absatzes 2 Nr. 2 oder
3.
in einem kleinen und mittleren Betrieb des Groß- oder Einzelhandels und in einer Betriebsstätte des Groß- oder Einzelhandels in der Innenstadt im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3
verwendet werden und soweit es sich um Erstinvestitionen handelt. Im Fall der Anschaffung kann Satz 1 nur angewendet werden, wenn für das Gebäude keine Investitionszulage in Anspruch genommen worden ist. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Die Investitionen sind begünstigt, wenn sie der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 1998 und

1.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 und des Absatzes 3 Nr. 1 vor dem 1. Januar 2005,
2.
bei Investitionen im Sinne des Absatzes 2 Nr. 2 und 3 und des Absatzes 3 Nr. 2 und 3 vor dem 1. Januar 2002
abschließt. Satz 1 gilt nur bei Investitionen, die nach dem 24. August 1997 begonnen worden sind. Investitionen sind in dem Zeitpunkt begonnen, in dem die Wirtschaftsgüter bestellt oder herzustellen begonnen worden sind. Investitionen sind in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt worden sind. Gebäude gelten in dem Zeitpunkt als bestellt, in dem über ihre Anschaffung ein rechtswirksam abgeschlossener obligatorischer Vertrag oder ein gleichstehender Rechtsakt vorliegt. Als Beginn der Herstellung gilt bei Gebäuden, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird; bei baugenehmigungsfreien Gebäuden, für die Bauunterlagen einzureichen sind, der Zeitpunkt, in dem die Bauunterlagen eingereicht werden. Investitionen sind in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt worden sind.

(5) Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage ist die Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten der im Wirtschaftsjahr oder Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen, soweit sie die vor dem 1. Januar 1999 geleisteten Anzahlungen auf Anschaffungskosten und entstandenen Teilherstellungskosten übersteigen. In die Bemessungsgrundlage können die im Wirtschaftsjahr oder Kalenderjahr geleisteten Anzahlungen auf Anschaffungskosten und entstandenen Teilherstellungskosten einbezogen werden. In den Fällen des Satzes 2 dürfen im Wirtschaftsjahr oder Kalenderjahr der Anschaffung oder Herstellung der Wirtschaftsgüter die Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei der Bemessung der Investitionszulage nur berücksichtigt werden, soweit sie die Anzahlungen oder Teilherstellungskosten übersteigen. § 7a Abs. 2 Satz 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes gilt entsprechend.

(6) Die Investitionszulage beträgt

1.
10 vom Hundert der Bemessungsgrundlage für Erstinvestitionen, die der Anspruchsberechtigte vor dem 1. Januar 2000 begonnen hat,
2.
12,5 vom Hundert der Bemessungsgrundlage für Erstinvestitionen, die der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 1999 begonnen hat,
3.
15 vom Hundert der Bemessungsgrundlage für Erstinvestitionen, die der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 2000 begonnen hat, wenn es sich um Investitionen in Betriebsstätten im Randgebiet nach der Anlage 2 zu diesem Gesetz handelt,
4.
5 vom Hundert der Bemessungsgrundlage für andere Investitionen, wenn sie der Anspruchsberechtigte vor dem 1. Januar 2002 abschließt.

(7) Die Investitionszulage erhöht sich für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 entfällt, wenn die Wirtschaftsgüter während des Fünfjahreszeitraums in Betrieben verbleiben, die nicht mehr als 250 Arbeitnehmer in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis beschäftigen, die Arbeitslohn oder Kurzarbeitergeld beziehen, auf

1.
20 vom Hundert für Erstinvestitionen, die der Anspruchsberechtigte vor dem 1. Januar 2000 begonnen hat,
2.
25 vom Hundert für Erstinvestitionen, die der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 1999 begonnen hat,
3.
27,5 vom Hundert für Erstinvestitionen, die der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 2000 begonnen hat, wenn es sich um Investitionen in Betriebsstätten im Randgebiet nach der Anlage 2 zu diesem Gesetz handelt,
4.
10 vom Hundert für andere Investitionen, wenn sie der Anspruchsberechtigte vor dem 1. Januar 2002 abschließt. Schließt der Anspruchsberechtigte diese Investitionen nach dem 31. Dezember 2001 und vor dem 1. Januar 2005 ab, beträgt die Investitionszulage 5 vom Hundert.

(8) Erstinvestitionen sind die Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern, die einem der folgenden Vorgänge dienen:

1.
Errichtung einer neuen Betriebsstätte,
2.
Erweiterung einer bestehenden Betriebsstätte,
3.
grundlegende Änderung eines Produkts oder eines Produktionsverfahrens eines bestehenden Betriebs oder einer bestehenden Betriebsstätte oder
4.
Übernahme eines Betriebs, der geschlossen worden ist oder geschlossen worden wäre, wenn der Betrieb nicht übernommen worden wäre.

Tatbestand

1

I. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war die Errichtung von Wohn- und Gewerbebauten als Bauträgerin sowie die Errichtung von Hochbauten als Bauunternehmen. Die Klägerin beantragte im Februar 2001 für die Errichtung eines in WX belegenen Gebäudes (W) und im Oktober 2001 für die Errichtung eines in ZX belegenen Gebäudes (Z) jeweils nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Investitionszulagengesetzes 1999 (InvZulG 1999) Investitionszulage in Höhe von 660.797,25 DM (= 337.860,27 €) für W und in Höhe von 341.721,40 DM (= 174.719,38 €) für Z. Beide Anträge hatte die Klägerin auf dem amtlichen Vordruck für das Jahr 1999 gestellt. Als Jahr der Fertigstellung war jeweils das Jahr 2000 angegeben. Vorgelegt wurden auch Bescheinigungen der zuständigen Behörden vom Februar 2001 für W und vom Februar 2000 für Z, denen zufolge die Gebäude in einem der nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 begünstigten Gebiete lagen.

2

Nach Rückfragen des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) stellten die zuständigen Behörden im September 2001 für W und im Dezember 2001 für Z geänderte Bescheinigungen aus, denen zufolge die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 nicht erfüllt waren.

3

Das FA lehnte den Zulagenantrag der Klägerin vom Februar 2001 für W im November 2001 ab, da keine Bescheinigung i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 vorliege. Der Bescheid erging "für das Kalenderjahr 1999". Der Einspruch, den die Klägerin damit begründete, dass ihr die geänderte Bescheinigung des Amtes in W nicht bekannt sei, wurde "gegen den Bescheid ... für das Kalenderjahr 1999" eingelegt.

4

Die geänderten Bescheinigungen vom September 2001 und Dezember 2001 wurden mit Schreiben vom 10. Dezember 2004 (für W) und vom 29. August 2005 (für Z) aufgehoben, nachdem in den von der Klägerin angestrengten verwaltungsgerichtlichen Verfahren in 2004 bzw. 2005 darauf hingewiesen worden war, dass es an einer Bekanntgabe der geänderten Bescheinigungen gegenüber der Klägerin fehlen dürfte.

5

Ab Januar 2006 führte das FA bei der Klägerin eine Investitionszulage-Sonderprüfung für die "Anträge 1999" durch. Nach der im Rahmen dieser Prüfung überreichten Aufstellung der Investitionskosten begehrte die Klägerin nunmehr Investitionszulage in Höhe von insgesamt 721.656,74 € (= 1.411.437,90 DM). Nach dem Prüfungsbericht vom März 2006 war die Investitionszulage auf 0 DM festzusetzen, da im Jahr der Fertigstellung 2000 kein Investitionszulagenantrag gestellt worden sei und dieser wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr nachgeholt werden könne.

6

Im April 2006 beantragte die Klägerin daraufhin Investitionszulage für die Jahre 1999 bis 2002. Die Anträge wurden jeweils getrennt für die einzelnen Jahre auf dem --handschriftlich angepassten-- amtlichen Vordruck für das Kalenderjahr 1999 gestellt. Das FA lehnte die Anträge für 2000 bis 2002 Mitte 2006 ab, da sie nicht auf den amtlichen Vordrucken gestellt worden seien. Für die Jahre 2000 und 2001 sei zudem die Festsetzungsfrist abgelaufen. Die gegen die Ablehnungsbescheide für 2000 bis 2002 Ende Juni 2006 eingelegten Einsprüche der Klägerin wurden mit Einspruchsentscheidung vom 13. März 2007 als unbegründet zurückgewiesen.

7

Im März 2007 wurde auch ihr gegen den Ablehnungsbescheid vom November 2001 gerichteter Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

8

Die Klägerin hatte bereits im Mai 2002 Klage erhoben. Mit Schreiben vom September 2006 bat das Finanzgericht (FG) um Mitteilung, für welche Jahre die Klägerin Investitionszulage begehre. Daraufhin teilte die Klägerin mit Schriftsatz vom Oktober 2006 mit, es werde "die Festsetzung der Investitionszulage aus den Wirtschaftsjahren 1998 bis 2001 bezogen auf eine Bemessungsgrundlage von DM 14.117.054,80 ~ € 7.217.935,50" begehrt.

9

Das FG wies die Klage für die Kalenderjahre 1999 bis 2002 als unbegründet ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 964), nachdem es das Verfahren im April 2004 nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum Abschluss der verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausgesetzt hatte. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus:

10

Das FA habe die Anträge auf Gewährung von Investitionszulage nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 für die Jahre 1999 bis 2002 zu Recht abgelehnt, weil ein etwaiger Anspruch für den Bau der Gebäude W und Z bereits nach § 47 der Abgabenordnung (AO) erloschen sei. Die Klägerin habe es versäumt, für das Jahr 2000, dem Jahr des Investitionsabschlusses, bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2004 einen Antrag auf Gewährung von Investitionszulage zu stellen. Es sei weder zu einer Anlauf- noch zu einer Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist gekommen.

11

Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO komme nicht in Betracht, da die Anträge vom Februar 2001 bzw. Oktober 2001 nur als solche für das Jahr 1999, nicht aber auch als solche für das Jahr 2000 ausgelegt werden könnten. Es sei auch keine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO eingetreten. Ebenso sei der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt gewesen, da die Investitionszulage-Sonderprüfung erst im Januar 2006 und damit nach Ablauf der Festsetzungsfrist begonnen habe.

12

Schließlich scheide eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO aus. Obwohl die nach § 3 InvZulG 1999 notwendige Belegenheitsbescheinigung eine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Anspruch auf Investitionszulage darstelle, widerspreche es dem Sinn und Zweck der in § 171 Abs. 10 AO geregelten Ablaufhemmung, dass das Verfahren in diesen Fällen insgesamt mit der Möglichkeit offen bleibe, auch einen Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage nachzuholen. Diese Frage könne letztlich offen bleiben. Denn die Bescheide, auf die sich der Anspruch auf Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 stützen könnte, seien bereits in den Jahren 2000 bzw. 2001 ergangen. Die geänderten Bescheinigungen seien dagegen mangels wirksamer Bekanntgabe zu keinem Zeitpunkt wirksam geworden. Für die Ablaufhemmung des Folgebescheids komme es nach § 171 Abs. 10 AO aber auf die Bekanntgabe des Grundlagenbescheids und somit dessen Wirksamwerden an. Die Unanfechtbarkeit des Grundlagenbescheids sei nicht maßgebend.

13

Es führe auch weder § 126 Abs. 2 AO noch der Rechtsgedanke des § 126 Abs. 3 AO zu einem anderen Ergebnis, weil es für das Jahr 2000 bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist an einem heilbaren Verwaltungsakt fehle. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund des Rechtsgedankens in § 126 Abs. 3 AO i.V.m. § 110 AO scheide aus.

14

Die Tatbestandsberichtigungsanträge der Klägerin wies das FG im Juni 2007 durch Beschluss ab und führte u.a. aus, aus Tz. 7 und 14 des Prüfungsberichts der Steuerfahndungsstelle vom März 2002 ergebe sich, dass sich die Prüfung allein auf das Jahr 1999 bezogen habe und sie deshalb für die Frage der Festsetzungsverjährung für das Jahr 2000 nicht entscheidungserheblich gewesen sei. Da das Urteil darauf abstelle, dass bis zum 31. Dezember 2004 weder ein Antrag noch eine Klage auf Gewährung von Investitionszulage für das Jahr 2000 eingereicht worden sei, sei auch die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO nicht entscheidungserheblich gewesen.

15

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Zu ihrer Begründung trägt sie insbesondere vor:

16

Sie habe bereits im Jahr 2001 einen formwirksamen Antrag auf Investitionszulage für das Jahr 2000 gestellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei die Verwendung anderer als der grundsätzlich notwendigen Formulare unbeachtlich, wenn das FA mit dem tatsächlich verwendeten Formular in der Lage sei, den Antrag abschließend zu prüfen. Das sei hier der Fall. Denn die Formulare für 1999 und für 2000 seien bei den notwendigen Angaben identisch. Es mache auch keinen Sinn, im Jahr 2001 für im Jahre 2000 fertig gestellte Gebäude noch einen Antrag wegen Teilherstellungskosten des Jahres 1999 zu stellen. Auch aus den Kostenbelegen bis zum Jahr 2001 ergebe sich, dass keinesfalls Anträge für 1999 hätten gestellt werden sollen. Daneben wäre es die Amtspflicht des FA gewesen, richtige Formulare zur Verfügung zu stellen, jedenfalls aber auf Korrekturen hinzuwirken, wenn mangels aktueller Formulare nur die Formulare des Vorjahres zur Verfügung stünden. Zumindest sei sie, die Klägerin, so zu behandeln, wie sie bei pflichtgemäßem Verhalten des FA gestanden hätte. Dass sie seit Einreichung der Klage anwaltlich vertreten sei, ändere daran nichts. Aus der Tatsache, dass bis dato jeder Hinweis auf ein falsches Formular gefehlt habe und dass vom FA bereits im Januar 2002 eine Prüfung der Bemessungsgrundlage in Auftrag gegeben worden sei, habe man schließen dürfen, dass die Verwendung des Formulars 1999 vom FA als unbeachtlich angesehen worden sei. Im Übrigen habe man auch aus dem Gerichtsverfahren nicht schlussfolgern können, dass die Anträge an einem Formfehler scheitern könnten. Abgesehen davon, dass auch seitens des Gerichts nach § 76 Abs. 2 FGO ein Hinweis zu erwarten gewesen wäre, sei das Verfahren wegen Vorgreiflichkeit des Streits um die Grundlagenbescheide ausgesetzt worden. Das wäre nicht erforderlich gewesen, wenn die Klage schon wegen untauglicher Antragsformulare abzuweisen gewesen wäre.

17

Zudem habe es mehrere Hemmungsgründe gegeben, weshalb sie, die Klägerin, zumindest noch 2006 neue Antragsformulare habe einreichen können. So sei bereits eine Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 3 AO eingetreten. Hierfür genüge ein hinreichend bestimmter Antrag, der erkennen lasse, was der Steuerpflichtige wolle, wobei der Umfang der Ablaufhemmung erforderlichenfalls durch Auslegung des Antragsinhalts zu ermitteln sei. Diesen Anforderungen hätten die Anträge aus dem Jahr 2001 genügt. Daher habe es auch nicht an Einspruchs- bzw. Klageverfahren i.S. des § 171 Abs. 3a AO wegen Anträgen für das Jahr 2000 gefehlt. Das FG hätte daher die im April 2006 eingereichten Anträge inhaltlich prüfen müssen und sie nicht als verfristet behandeln dürfen. Außerdem sei die Frage zu klären, ob § 171 Abs. 10 AO anwendbar sei. Die Klägerin habe einen verwaltungsrechtlichen Streit geführt, bei dem es nicht um den Erlass, sondern um die Aufhebung eines den Grundlagenbescheid ändernden Bescheids gegangen sei. Diese Aufhebungen seien im Dezember 2004 bzw. Ende August 2005 erfolgt. Würde man § 171 Abs. 10 AO auf diesen Fall anwenden, wären die Antragsfristen erst im Dezember 2006 bzw. September 2007 abgelaufen, so dass das FG die im April 2006 gestellten Anträge hätte prüfen müssen.

18

Zudem habe das FG übersehen, dass nach dem Wortlaut des § 126 Abs. 1 Nr. 1 AO auch Anträge nachgeholt werden könnten. Ebenso müsse die Heilung von Fehlern möglich sein, soweit ein Antrag zwar vorliege, aber fehlerhaft gestellt worden sei. Wenn fehlerhafte, aber nicht nichtige Verwaltungsakte geheilt werden könnten, müssten auch fehlerhafte Anträge geheilt werden können.

19

Schließlich habe das FG auch mehrere Verfahrensfehler begangen.

20

Es habe gegen die Sachaufklärungspflicht verstoßen. In seiner Entscheidung führe es aus, dass sich der konkrete Umfang der mit den Anträgen vorgelegten Unterlagen auch in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend habe klären lassen. Das FG habe diese Frage dann zwar für nicht entscheidungserheblich gehalten, weshalb auch ein Beweisantrag mit Sicherheit zurückgewiesen worden wäre. Das Offenlassen dieser Frage habe jedoch zur Folge gehabt, dass die Anträge der Klägerin vom FG als nicht prüfbar und deshalb nicht dem Jahr 2000 zuordenbar angesehen worden seien. Das FG hätte daher die Vorlage der gesamten Unterlagen verlangen und diese beiziehen müssen.

21

Es habe ferner nicht berücksichtigt, dass bereits im Januar 2002 eine Investitionszulage-Prüfung in Gestalt einer Fahndungsprüfung stattgefunden habe. Hätte das FG diese Prüfung beachtet, hätte es eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO nicht ablehnen dürfen und zudem die Voraussetzungen des § 171 Abs. 5 AO prüfen müssen. Da sie, die Klägerin, den Prüfungsbericht vom März 2002 im Klageverfahren vorgelegt habe, stelle sich die Entscheidung des FG auch als Überraschungsentscheidung dar. Zudem zeige sich in der Nichtberücksichtigung der Prüfung im Jahr 2002, dass das FG gegen das Gebot verstoßen habe, das Gesamtergebnis des Verfahrens umfassend zu würdigen.

22

Gegen dieses Gebot, den gesamten Inhalt der Akten zum Gegenstand der Entscheidungsfindung zu machen, habe das FG auch dadurch verstoßen, dass es sich nicht mit den Gründen für seinen eigenen Aussetzungsbeschluss auseinandergesetzt habe. Nur so habe es zu dem Ergebnis gelangen können, dass der Streit um einen Änderungsbescheid dem Streit um den Erlass eines Grundlagenbescheids nicht gleichzustellen sei. Ein weiterer Verstoß gegen das vorgenannte Gebot liege darin, dass das FG sich geweigert habe, ihre unwidersprochen gebliebene Behauptung in den Tatbestand aufzunehmen, sie habe die für ihren Antrag verwendeten Formulare für das Kalenderjahr 1999 auf telefonische Anforderung Ende 2000 vom FA zur Verfügung gestellt bekommen. Denn es komme entscheidend darauf an, weshalb sie Formulare für das Jahr 1999 und nicht für das Jahr 2000 verwendet habe.

23

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil, den Ablehnungsbescheid für 1999 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 13. März 2007 sowie die Ablehnungsbescheide vom 27. Juni 2006 für 2000 bis 2002 und die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 13. März 2007 aufzuheben und für die Errichtung der Gebäude W und Z Investitionszulage für 1999 in Höhe von 337.373,51 € (= 659.845,24 DM), für 2000 in Höhe von 210.803,22 € (= 412.295,27 DM), für 2001 in Höhe von 172.200,89 € (= 336.795,66 DM) und für 2002 in Höhe von 1.160,32 € (= 2.269,39 DM) festzusetzen.

24

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

25

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 FGO).

Entscheidungsgründe

26

II. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin für die Kalenderjahre 1999 bis 2002 kein Anspruch auf Investitionszulage nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 für die Gebäude W und Z zusteht.

27

1. Zutreffend hat das FG die Zulässigkeit der für die Streitjahre 1999 bis 2002 erhobenen Klage bejaht.

28

Es spricht vieles dafür, dass die Klägerin zunächst mit der im Mai 2002 erhobenen Klage ausschließlich die versagte Gewährung der Investitionszulage für das Kalenderjahr 1999 angegriffen hat. Sie hat jedoch im Wege einer zulässigen Klageänderung gemäß § 67 FGO die Investitionszulage für die Kalenderjahre 2000 bis 2002 zum Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gemacht.

29

a) Mit Schriftsatz vom Oktober 2006 erklärte die Klägerin auf richterliche Nachfrage, es werde "die Festsetzung der Investitionszulage aus den Wirtschaftsjahren 1998 bis 2001 bezogen auf eine Bemessungsgrundlage von DM 14.117.054,80 ~ € 7.217.935,50" begehrt. Unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich Mitte 2006 für die Jahre 2000 bis 2002 ergangenen Ablehnungsbescheide ist dieses Schreiben der Klägerin im Wege der Auslegung und unter Rückgriff auf die Steuerakten dahingehend zu verstehen, dass nunmehr (im Oktober 2006) die Klage auch auf die Ablehnungsbescheide für die Jahre 2000 bis 2002 erstreckt wurde.

30

b) Bei dieser Sachlage ist von einer zulässigen Klageänderung in Gestalt einer nachträglichen objektiven Klagehäufung auszugehen.

31

Es liegen die Voraussetzungen des § 67 FGO vor, daneben erfüllen die neuen Klagebegehren jeweils die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen (vgl. dazu Schallmoser in Hübschmann/ Hepp/Spitaler --HHSP--, § 67 FGO Rz 44; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 67 Rz 10, m.w.N.). Zum einen hat sich das FA rügelos auf die neuen Klagebegehren (Investitionszulage für die Kalenderjahre 2000 bis 2002) eingelassen (§ 67 Abs. 2 FGO), zum anderen ist die Einspruchsentscheidung hinsichtlich der Ablehnungsbescheide für 2000 bis 2002, gegen die im Zeitpunkt der Klageänderung bereits Rechtsbehelfe eingelegt waren, noch während des Klageverfahrens ergangen. Die Voraussetzung eines abgeschlossenen Vorverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO) stellt keine Zugangs-, sondern eine Sachurteilsvoraussetzung dar, die auch noch während des finanzgerichtlichen Verfahrens eintreten kann (z.B. Senatsurteil vom 17. Mai 1985 III R 213/82, BFHE 143, 509, BStBl II 1985, 521; BFH-Urteil vom 2. Juni 1987 VIII R 192/83, BFH/NV 1988, 104).

32

2. Ebenso ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin für den Bau der Gebäude W und Z kein Anspruch auf Investitionszulage für die Kalenderjahre 1999 bis 2002 zusteht.

33

Im Streitfall käme ein (endgültiger) Zulagenanspruch der Klägerin für die genannten Gebäude ohnehin nur für das Kalenderjahr 2000 in Betracht, weil ein solcher Anspruch mit Ablauf des Kalenderjahres entsteht, in dem die begünstigten Investitionen --im Streitfall das Jahr 2000-- abgeschlossen sind. Ein Anspruch der Klägerin auf Investitionszulage für das Kalenderjahr 2000 ist jedoch mit Ablauf des 31. Dezember 2004 nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 i.V.m. § 47 AO erloschen, weil die Investitionszulage für das Kalenderjahr 2000 nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist beantragt wurde.

34

a) Dass eine Investitionszulage für förderfähige Investitionen nach § 3 InvZulG 1999 nur dann festgesetzt werden kann, wenn ein Antrag für das Kalenderjahr des Abschlusses der förderfähigen Investition gestellt wird (vgl. Senatsurteil vom 26. Juni 2003 III R 16/01, BFHE 203, 283, BStBl II 2004, 22, zu § 2 Satz 1, § 4 Satz 1 InvZulG 1993), ergibt sich aus der Systematik sowie dem Sinn und Zweck des InvZulG 1999.

35

aa) Nach § 5 InvZulG 1999 darf die Investitionszulage nur bei Vorliegen eines formgerechten Antrags festgesetzt werden. Hierbei handelt es sich um eine eigenständige formelle Voraussetzung, ohne deren Vorliegen das FA nicht tätig werden darf (§ 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 i.V.m. § 86 Satz 2 Nr. 2 AO). § 5 InvZulG 1999 regelt selbst nicht, für welche Kalenderjahre die Zulage zu beantragen ist. Diese Frage ist unter Rückgriff auf die übrigen Vorschriften des InvZulG 1999 zu beantworten.

36

§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 begünstigt --bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen-- die Anschaffung oder Herstellung von Mietwohnungsneubauten. Bemessungsgrundlage hierfür ist gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1999 grundsätzlich die den Betrag von 5.000 DM (ab 2002: 2.556 €) übersteigende Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten der im Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen. Der Zeitpunkt der Zahlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist unerheblich. So können auch Zahlungen vor dem Jahr der Anschaffung oder Herstellung oder solche nach diesem Jahr zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Mietwohnungsneubaus gehören. Im Übrigen umfassen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht nur Aufwendungen, die bis zum Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung entstanden sind, sondern auch Kosten, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Anschaffung des Wirtschaftsguts bzw. in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dessen Herstellung stehen, d.h. zwangsläufig im Gefolge der Anschaffung bzw. mit der Herstellung anfallen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. Oktober 2001 I R 32/00, BFHE 197, 58, BStBl II 2002, 349).

37

Daneben verweist § 3 Abs. 3 Satz 3 InvZulG 1999 auf die Vorschrift des § 2 Abs. 5 Satz 2 bis 4 InvZulG 1999. Danach können in die Bemessungsgrundlage die im Kalenderjahr geleisteten Anzahlungen auf Anschaffungskosten und Teilherstellungskosten einbezogen werden (§ 2 Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1999). Für diesen Fall dürfen im Kalenderjahr der Anschaffung oder Herstellung des Mietwohnungsneubaus die Anschaffungs-/Herstellungskosten bei der Bemessung der Investitionszulage aber nur berücksichtigt werden, soweit sie die geleisteten Anzahlungen oder Teilherstellungskosten übersteigen (§ 2 Abs. 5 Satz 3 InvZulG 1999). Hieraus ergibt sich zwar, dass der Anspruchsberechtigte (wahlweise) bereits einen Anspruch auf Investitionszulage für die im Kalenderjahr geleisteten Anzahlungen auf Anschaffungskosten oder entstandenen Teilherstellungskosten geltend machen kann (Senatsurteil vom 15. Dezember 2005 III R 20/05, BFH/NV 2006, 1343, zu § 3 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1999). Zugleich ist aber § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 InvZulG 1999 zu entnehmen, dass es sich bei den geleisteten Anzahlungen oder entstandenen Teilherstellungskosten selbst um keine begünstigten (förderfähigen) Investitionen, sondern lediglich um Vorleistungen auf eine zu einem späteren Zeitpunkt vollzogene Anschaffung oder Herstellung handelt. Dies hat der Senat bereits für die auf Anzahlungen gewährte Investitionszulage entschieden (Senatsurteil in BFHE 203, 283, BStBl II 2004, 22, zu § 2 Satz 1 InvZulG 1993). Nichts anderes kann gelten, wenn --wie im Streitfall-- kein Anschaffungs-, sondern ein Herstellungsvorgang vorliegt. Auch in diesem Fall dient die Begünstigung der Teilherstellungskosten der frühzeitigen Stärkung der Liquidität des Anspruchstellers. Es wird lediglich der Zeitpunkt vorverlegt, zu dem die nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 zu gewährende Zulage geltend gemacht werden kann.

38

bb) Beruht aber die vorgezogene Zulagengewährung auf keinem eigenständigen Begünstigungstatbestand, so hängt die Entscheidung, ob der Anspruchsberechtigte die vorläufig gewährte Zulage endgültig behalten darf, zwingend davon ab, ob für das Jahr des Entstehens des Anspruchs für die begünstigte (förderfähige) Investition eine entsprechende Investitionszulage festgesetzt wird.

39

Wann der Anspruch für die begünstigte Investition entsteht, ist im InvZulG 1999 selbst nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 i.V.m. § 38 AO, dass der Anspruch auf Investitionszulage entsteht, sobald der Begünstigungstatbestand verwirklicht ist. Dies setzt in den Fällen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 voraus, dass gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 InvZulG 1999 die Investition abgeschlossen, d.h. der Mietwohnungsneubau angeschafft oder hergestellt worden ist. Da die Investitionszulage gemäß § 6 Abs. 2 InvZulG 1999 nach Ablauf des Kalenderjahres für die den Betrag von 5.000 DM (ab 2002: 2.556 €) übersteigende Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten der im Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen festgesetzt wird, entsteht der Anspruch auf Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 nicht mit der Verwirklichung des einzelnen Investitionstatbestandes, sondern erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die förderfähigen Investitionen abgeschlossen wurden (vgl. Senatsurteil vom 20. September 1999 III R 33/97, BFHE 190, 266, BStBl II 2000, 208, zu § 4 Satz 1 InvZulG 1993). Das FA setzt eine einheitliche (Jahres-)Investitionszulage, nicht etwa für jede begünstigte Investition eine gesonderte Zulage fest (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 1984 III R 95/81, BFHE 142, 352, BStBl II 1985, 63, zu § 4b InvZulG 1975; Kaligin, Investitionszulagengesetz 1999, Praktikerkommentar, § 6 Rz 2).

40

cc) Dies bedeutet, dass in den Fällen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 der Anspruch auf Investitionszulage mit Ablauf des Kalenderjahres entsteht, in dem die begünstigten Investitionen abgeschlossen, d.h. die Mietwohnungsneubauten angeschafft oder hergestellt worden sind (vgl. Kaligin, a.a.O., § 6 Rz 2). Für dieses Kalenderjahr --im Streitfall nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) das Jahr 2000-- muss der Anspruchsberechtigte einen Antrag auf Investitionszulage stellen. Anderenfalls darf das FA nicht verbindlich und abschließend eine Jahreszulage nach § 3 InvZulG 1999 --unter Einbeziehung aller in diesem Kalenderjahr angeschafften oder hergestellten Mietwohnungsneubauten-- festsetzen.

41

b) Revisionsrechtlich ist der Würdigung des FG zu folgen, wonach die Klägerin mit ihren Anträgen im Jahr 2001 keine Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 für das Kalenderjahr 2000 beantragt hat.

42

aa) Der Antrag auf Investitionszulage ist als außerprozessuale empfangsbedürftige Verfahrenserklärung, sofern er auslegungsbedürftig ist, entsprechend §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auszulegen. Nach den zu diesen gesetzlichen Bestimmungen entwickelten Rechtsgrundsätzen ist entscheidend, wie das FA als Erklärungsempfänger den Antrag nach seinem objektiven Erklärungswert verstehen musste. Hierbei kann ggf. auch auf Umstände zurückgegriffen werden, die außerhalb der auszulegenden Erklärung liegen und einen Rückschluss auf den vom Antragsteller erklärten Willen erlauben. Bei der Ermittlung des in dem Antrag verkörperten Willens können nur solche Umstände berücksichtigt werden, die für das FA als Empfänger im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung erkennbar waren (Senatsurteil vom 3. Februar 2000 III R 4/97, BFH/NV 2000, 888).

43

Voraussetzung für eine Auslegung ist, dass die (Verfahrens-) Erklärung überhaupt auslegungsbedürftig ist. Hieran fehlt es, wenn die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat. Ob eine Erklärung auslegungsbedürftig ist, ist revisionsrechtlich nachprüfbar (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2000, 888). Im Übrigen ist die Auslegung des Antrags Gegenstand der vom FG zu treffenden tatsächlichen Feststellungen, an die der BFH gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), soweit im Revisionsverfahren --wie im Streitfall-- hiergegen keine durchgreifenden Verfahrensrügen gemäß § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO erhoben worden sind (vgl. dazu unten II.3.). Der BFH kann die Auslegung des FG nur daraufhin überprüfen, ob es die gesetzlichen Auslegungsregeln beachtet und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (Lange in HHSp, § 118 FGO Rz 207).

44

bb) Daran gemessen hält die Entscheidung des FG einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

45

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die von der Klägerin im Jahr 2001 gestellten Anträge auf Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 auslegungsbedürftig sein sollten, weil auch Belege für das Jahr 2000 eingereicht worden sind, ist die vom FG vorgenommene Auslegung im Ergebnis nicht zu beanstanden.

46

Das FG hat u.a. darauf abgestellt, dass der von der Klägerin für die Antragstellung verwendete amtliche Vordruck für das Kalenderjahr 1999 in der Einleitung den ausdrücklichen Hinweis enthält, dass mit diesem Vordruck "die im Kalenderjahr 1999 abgeschlossenen Investitionen, geleisteten Anzahlungen auf Anschaffungskosten und Erhaltungsaufwendungen sowie entstandenen Teilherstellungskosten aufzuführen" sind. Damit hätte selbst einem nicht vertretenen Steuerpflichtigen klar sein müssen, dass für jedes Kalenderjahr ein gesonderter Antrag auf Investitionszulage abzugeben war.

47

Danach ist es nicht zu beanstanden, dass das FG die im Jahr 2001 erfolgten Antragstellungen der Klägerin als solche für Vorleistungen des Kalenderjahres 1999 und nicht als solche für fertiggestellte Mietwohnungsneubauten des Kalenderjahres 2000 unter Verwendung unzutreffender Formulare gewertet hat. Unabhängig hiervon darf erwartet werden, dass Hinweise in den amtlichen Vordrucken für zu beantragende Steuervergütungen von den Personen, die eine solche begehren, auch tatsächlich beachtet werden. Außerdem bleibt zu berücksichtigen, dass die Klägerin auf den verwendeten amtlichen Vordrucken für das Kalenderjahr 1999 nicht die Jahreszahl "1999" (handschriftlich) gestrichen und durch die Jahreszahl "2000" ersetzt hat.

48

c) Ebenso hat es das FG zu Recht abgelehnt, in der im April 2006 erfolgten Antragstellung einen rechtzeitigen Antrag auf Investitionszulage für das Kalenderjahr 2000 zu erblicken.

49

aa) Die Frist, Investitionszulage für die Mietwohnungsneubauten W und Z zu beantragen, endete --vorbehaltlich einer Ablaufhemmung nach § 171 AO (vgl. dazu unten II.2.c bb)-- mit Ablauf des Kalenderjahres 2004.

50

Nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) waren die Mietwohnungsneubauten W und Z im Kalenderjahr 2000 abgeschlossen. Im Gegensatz zu seiner Vorgängerregelung (§ 6 Abs. 1 InvZulG 1996) enthält § 5 InvZulG 1999 keine Ausschlussfrist mehr, innerhalb derer der Antrag auf Investitionszulage zu stellen ist. Es sind daher nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 i.V.m. § 155 Abs. 4 AO die für die Steuerfestsetzung und damit die für die Festsetzungsverjährung geltenden allgemeinen Vorschriften zu beachten. Danach beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist (vgl. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) grundsätzlich nach § 170 Abs. 1 AO mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch auf Investitionszulage entstanden ist. Dies ist im Streitfall das Kalenderjahr 2000. Da für die erstmalige Festsetzung der Investitionszulage weder eine Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO noch eine solche gemäß § 170 Abs. 3 AO besteht (Senatsurteil vom 29. März 2001 III R 1/99, BFHE 194, 331, BStBl II 2001, 432), ist mit Ablauf des 31. Dezember 2004 Festsetzungsverjährung eingetreten.

51

bb) Der Ablauf der Festsetzungsfrist war auch nicht bis April 2006 gehemmt.

52

Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) kommt allenfalls eine Ablaufhemmung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 i.V.m. § 171 Abs. 10 AO in Betracht.

53

aaa) Gemäß § 171 Abs. 10 Satz 1 AO endet die Festsetzungsfrist, soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Maßgebend für die Hemmung ist die Bekanntgabe des Grundlagenbescheids, nicht dessen Unanfechtbarkeit (BFH-Urteil vom 19. Januar 2005 X R 14/04, BFHE 208, 410, BStBl II 2005, 242). Die Bekanntgabe des Grundlagenbescheids kann auf seinem erstmaligen Ergehen, seiner Änderung oder Aufhebung beruhen. Da der Hemmungstatbestand die Bekanntgabe eines Grundlagenbescheids voraussetzt, kann ein Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren, bei dem es um die Aufhebung eines den Grundlagenbescheid ändernden Bescheids geht, als solches nicht zur Hemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO führen. Werden die ursprünglichen Feststellungen in dem Grundlagenbescheid in einem Verwaltungs-, Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren geändert oder aufgehoben, führt dies mit Bekanntgabe des Änderungs- oder Aufhebungsbescheids zu einer erneuten Anpassungspflicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO und damit zu einer (erneuten) Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO. Dagegen löst die Bekanntgabe eines Grundlagenbescheids, der einen gleichartigen, dem Inhaltsadressaten wirksam bekannt gegebenen Verwaltungsakt in seinem verbindlichen Regelungsgehalt lediglich wiederholt, keine erneute Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 10 AO aus (Banniza in HHSp, § 171 AO Rz 220, m.w.N.).

54

Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird nur insoweit gehemmt, als die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids reicht. Dies folgt bereits aus der in § 171 Abs. 10 AO durch das Wort "soweit" enthaltenen Einschränkung (BFH-Urteil vom 12. August 1987 II R 202/84, BFHE 150, 319, BStBl II 1988, 318; Hartmann in Beermann/Gosch, AO § 171 Rz 85). § 171 Abs. 10 Satz 1 AO führt daher zu einer punktuellen Ablaufhemmung (Banniza in HHSp, § 171 AO Rz 215). Diese Vorschrift bewirkt die Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist für den Folgebescheid, soweit und solange ein (geänderter) Grundlagenbescheid, der für die Festsetzung der Folgesteuer bindend ist, noch zulässig ergehen kann (BFH-Urteil vom 30. November 1999 IX R 41/97, BFHE 190, 71, BStBl II 2000, 173). Soweit die Steuerfestsetzung --im Streitfall die Festsetzung der Investitionszulage-- nicht auf dem Grundlagenbescheid beruht, wird der Lauf der Festsetzungsfrist durch § 171 Abs. 10 Satz 1 AO nicht berührt.

55

bbb) Bei Anwendung dieser Grundsätze wurde die Festsetzungsfrist für die Gewährung der Investitionszulage für das Jahr 2000 nicht gemäß § 171 Abs. 10 AO gehemmt. Dies würde selbst dann gelten, wenn erst durch die Bekanntgabe der Bescheide vom 10. Dezember 2004 (für W) und vom 29. August 2005 (für Z), mit denen die geänderten Bescheinigungen aufgehoben wurden, die ursprünglichen positiven Bescheinigungen wieder aufgelebt wären und damit für den Fristbeginn grundsätzlich an die Bekanntgabe der Bescheide vom 10. Dezember 2004 und 29. August 2005 anzuknüpfen wäre.

56

Der BFH hat bislang noch nicht entschieden, ob es sich bei der Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 um einen Grundlagenbescheid handelt und, bejahendenfalls, inwieweit eine Bindungswirkung dieses Verwaltungsaktes für das Zulagenfestsetzungsverfahren besteht. Der BFH geht aber zur Rechtsnatur und Bindungswirkung derartiger, in einem Steuergesetz als Tatbestandsvoraussetzung geforderten Bescheinigungen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sie materiell-rechtliche Voraussetzung für die Festsetzung der Investitionszulage sind und weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht der Nachprüfung durch die Finanzbehörde unterliegen, soweit es sich um außersteuerrechtliche Beurteilungen handelt (vgl. zum Ganzen Senatsbeschluss vom 28. Mai 2003 III B 87/02, BFH/NV 2003, 1218, m.w.N.). Danach stellt auch die Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 einen Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO dar, der für die Finanzbehörden bindend ist, soweit er die in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 bestimmten außersteuerrechtlichen Feststellungen enthält (gleicher Ansicht Kaligin, a.a.O., § 3 Rz 13; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. Februar 2003 IV A 5 -InvZ 1272- 6/03, BStBl I 2003, 218, Tz 15). Die Festsetzungsfrist kann daher aufgrund der eingeschränkten Bindungswirkung der Bescheinigung nur insoweit gehemmt sein, als die Beurteilung der in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 genannten außersteuerrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Investitionszulage in Rede steht. Das Antragserfordernis gemäß § 5 InvZulG 1999 ist hingegen eine hiervon zu unterscheidende, eigenständige formelle Voraussetzung, die zur Einleitung des Zulagenfestsetzungsverfahrens unabdingbar ist. Eine positive Bescheinigung kann daher nicht einen fehlenden Antrag ersetzen.

57

ccc) Dieses Ergebnis entspricht auch dem systematischen Zusammenhang des § 171 Abs. 10 AO mit § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO und der begrenzten Zielsetzung der Ablaufhemmung, durch die der Finanzbehörde lediglich eine ausreichende Zeit zur Auswertung des Grundlagenbescheids verschafft werden soll. Die genannten Vorschriften bringen deutlich zum Ausdruck, dass die Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid nicht die Wiederaufrollung der gesamten Steuerveranlagung --im Streitfall des gesamten Zulagenfestsetzungsverfahrens-- rechtfertigt, sondern dass die Anpassungspflicht der Finanzbehörde nur so weit reicht, wie es die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids verlangt (vgl. auch BFH-Urteil vom 29. Juni 2005 X R 31/04, BFH/NV 2005, 1749).

58

ddd) Schließlich wird das gefundene Ergebnis durch den historischen Willen des Gesetzgebers bestätigt. Das InvZulG 1999 vom 18. August 1997 (BGBl I 1997, 2070, BStBl I 1997, 790) behielt zunächst in § 5 Abs. 1 InvZulG 1999 die vormals in § 6 Abs. 1 InvZulG 1996 geregelte Antragsfrist bei, wonach der (wirksame) Zulagenantrag bis zum 30. September des Kalenderjahres zu stellen ist, das dem Kalenderjahr folgt, in dem die Investitionen abgeschlossen worden sind (Ausschlussfrist). Durch Art. 8 Nr. 3 des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 (StBereinG 1999) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) wurde § 5 Abs. 1 InvZulG 1999 geändert; die Ausschlussfrist für den Zulagenantrag wurde ersatzlos mit Wirkung ab dem 1. Januar 1999 (Art. 28 Abs. 4 StBereinG 1999) aufgehoben. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass "die Anträge auf Gewährung der Investitionszulage künftig nicht mehr bis zum 30. September des auf das Jahr des Investitionsabschlusses folgenden Jahres, sondern innerhalb der regelmäßigen Festsetzungsfrist gestellt werden müssen" (BTDrucks 14/2070, S. 13). Danach ergebe sich für die Antragstellung nunmehr ein anderer zeitlicher Rahmen (BTDrucks 14/2070, S. 28). Hieraus ergibt sich der klare gesetzgeberische Wille, dass der Antrag von dem Berechtigten --will er ein Erlöschen des Zulagenanspruchs infolge Festsetzungsverjährung vermeiden-- innerhalb der Festsetzungsfrist gestellt werden muss.

59

d) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, "wann Anträge heilbar sind", ist nicht entscheidungserheblich.

60

Nach den den Senat bindenden Feststellungen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hat die Klägerin nicht innerhalb der Festsetzungsfrist für das Jahr 2000 einen fehlerbehafteten Antrag, sondern für das Jahr 2000 innerhalb der Festsetzungsfrist überhaupt keinen Antrag gestellt.

61

e) Ebenso ist es nicht entscheidungserheblich, ob das FA im Zusammenhang mit der im Jahr 2001 erfolgten Antragstellung gegen seine Hinweis- und Auskunftspflichten nach § 89 AO verstoßen hat.

62

Der Anspruchsberechtigte kann bei einem Verstoß der Finanzbehörde gegen ihre Hinweis- und Auskunftspflichten nach § 89 AO nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen so gestellt werden, als wäre der Verstoß nicht geschehen. Ist dies --wie im Streitfall-- wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht möglich, kann der Verstoß allenfalls zu Schadenersatzansprüchen wegen Amtspflichtverletzung nach Art. 34 des Grundgesetzes (GG), § 839 BGB führen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 27. Februar 2007 III B 158/06, BFH/NV 2007, 1090, m.w.N.). Gleichfalls scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus; § 110 AO gilt nicht für den Ablauf der Festsetzungsfrist (Senatsurteil vom 19. August 1999 III R 57/98, BFHE 191, 198, BStBl II 2000, 330, m.w.N.).

63

Abgesehen davon ist zweifelhaft, ob das FA mit Blick auf die klaren Hinweise in dem amtlichen Vordruck überhaupt gegen seine Pflichten nach § 89 AO verstoßen hat.

64

3. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

65

Soweit diese überhaupt in einer den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO genügenden Form dargelegt wurden, liegen sie jedenfalls nicht vor.

66

Insbesondere ist der von der Klägerin gerügte Verfahrensverstoß im erstinstanzlichen Verfahren wegen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch eine sog. Überraschungsentscheidung (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) nicht erkennbar. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine Überraschungsentscheidung anzunehmen, wenn das FG in seinem Urteil ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbevollmächtigter nicht zu rechnen brauchte (z.B. Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 III B 118/07, BFH/NV 2009, 1828). Das FG hat der Klägerin seine Überlegungen zur Verjährungsproblematik bereits mit Schreiben vom 14. Dezember 2006 mitgeteilt. Schon in diesem Schreiben fand die im Jahr 2002 erfolgte Prüfung der Investitionszulage keine Erwähnung. Es ist daher nicht ersichtlich, wie das FG dem Rechtsstreit infolge der vermeintlichen Nichtberücksichtigung dieses Gesichtspunkts in seinem Urteil eine überraschende Wendung hätte geben können.

67

Im Übrigen sieht der Senat in Bezug auf die erhobenen Verfahrensrügen von einer weiteren Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt;
2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt;
3.
den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein;
4.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann;
5.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht;
6.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt;
2.
eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat;
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war;
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

Tenor

Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 22. April 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde, die sich auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) stützt, bleibt ohne Erfolg.

2

1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

3

a) Die Beschwerde will geklärt wissen: "Ist § 44 Abs. 1 VwVfG dahin auszulegen, dass die Offensichtlichkeit des besonders schwerwiegenden Fehlers, an dem der Verwaltungsakt leidet, schon im Zeitpunkt seines Erlasses bestanden haben muss?" Die Beigeladene meint, dass Verwaltungsgericht hätte, bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses der hier angefochtenen Entgeltgenehmigung vom 10. November 2008, von der Nichtigkeit der vorangegangenen Entgeltgenehmigung vom 27. Oktober 2005 ausgehen müssen; denn diese sei nicht, wie seinerzeit von der Bundesnetzagentur angenommen, bereits an dem Telekommunikationsgesetz vom 22. Juni 2004 (BGBl I S. 1190) - TKG 2004 -, sondern übergangsweise noch an dem Telekommunikationsgesetz vom 25. Juli 1996 (BGBl I S. 1120) - TKG 1996 - zu messen, wie sich aus der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Senats zu der Übergangsvorschrift des § 150 Abs. 1 TKG 2004 ergebe (vgl. Beschluss vom 17. Mai 2006 - BVerwG 6 C 14.05 - BVerwGE 126, 74 Rn. 49 = Buchholz 442.066 § 150 TKG Nr. 1).

4

Die von der Beigeladenen aufgeworfene Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Nach § 44 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Abgesehen davon, dass es für die Nichtigkeit schon nach dem Gesetzeswortlaut  ("ist nichtig") jedenfalls grundsätzlich - vorbehaltlich etwaiger Abweichungen aufgrund spezieller Rechtsvorschriften - auf den Erlasszeitpunkt ankommt, so dass die spätere Klärung einer zuvor in Rechtsprechung und Literatur umstritten gewesenen Rechtsfrage nicht nachträglich zur Nichtigkeit eines zuvor erlassenen Verwaltungsaktes führt (s.a. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 44 Rn. 125 m.w.N.), wäre die Frage in einem etwaigen Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Denn Bezugspunkt der Offensichtlichkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG ist - unabhängig vom Beurteilungszeitpunkt - das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers. Dabei handelt es sich um einen Mangel, der den Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt; die an einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu stellenden Anforderungen müssen in so erheblichem Maße verletzt sein, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (Urteil vom 17. Oktober 1997 - BVerwG 8 C 1.96 - Buchholz 401.0 § 125 AO Nr. 1 S. 3 f., Beschluss vom 11. Mai 2000 - BVerwG 11 B 26.00 - Buchholz 316 § 44 VwVfG Nr. 12 S. 4). Ein derart schwerwiegender Fehler haftet der ursprünglichen Entgeltgenehmigung vom 27. Oktober 2005 nicht an. Die Frage der zutreffenden Auslegung des § 150 Abs. 1 TKG 2004 über die Anwendung des alten bzw. des neuen Rechts auf eine Entgeltgenehmigung im Übergangszeitraum rührt nicht an die Grundprinzipien der Rechtsordnung.

5

b) Die Beigeladene fragt im Hinblick auf das Telekommunikationsgesetz 1996 weiter: "Sind die § 39 Alternative 1 und 2, § 25 Abs. 1, § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG dahingehend auszulegen, dass sie die Genehmigung unterschiedlicher Entgelte für dieselbe Zugangsleistung in Abhängigkeit davon zulassen, ob diese Leistung einerseits vertraglich vereinbart, andererseits behördlich angeordnet ist?" Diese Frage verhilft der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg, weil sie sich für die Vorinstanz nicht gestellt hat. Das Verwaltungsgericht hat seine Begründung nicht auf eine am Maßstab der von der Beschwerde genannten Bestimmungen für zulässig angesehene Differenzierung der Entgelte für Zusammenschaltungsverträge und Zusammenschaltungsanordnungen gestützt, sondern darauf, dass die hier angefochtene Entgeltgenehmigung vom 10. November 2008 dem Vorgängerbeschluss vom 27. Oktober 2005 widerspreche, der seinerseits - für auf Zusammenschaltungsanordnung beruhende Entgelte - weder durch das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. Mai 2008 - 1 K 6817/05 - aufgehoben noch von der Bundesnetzagentur zurückgenommen worden sei.

6

Auch soweit die Beigeladene ihre Frage dahin präzisiert, "ob im Falle einer Rücknahme einer Entgeltgenehmigung nach dem TKG 1996 das Rücknahmeermessen nach § 48 VwVfG durch die materiell-rechtlichen Vorgaben des § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG 1996 überlagert ist mit der Folge, dass sich das Rücknahmeermessen in solchen Fällen auf Null reduziert", verleiht dies der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Rechtsfragen aufgrund ausgelaufenen Rechts haben nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine solche Bedeutung regelmäßig nicht mehr, da der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf eine Klärung für die Zukunft gerichtet ist. Etwas anderes kann - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall eines Klärungsbedarfs der altrechtlichen Problematik für einen nicht überschaubaren Personenkreis - ausnahmsweise nur dann gelten, wenn sich die als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage bei den gesetzlichen Bestimmungen, die den außer Kraft getretenen Vorschriften nachgefolgt sind, in gleicher Weise stellt. Dies muss offensichtlich sein, da es nicht Aufgabe des Beschwerdeverfahrens ist, in diesem Zusammenhang mehr oder weniger komplexe Fragen des geltenden Rechts zu klären, um die frühere mit der geltenden Rechtslage vergleichen zu können (Beschluss vom 5. Oktober 2009 - BVerwG 6 B 17.09 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 4 Rn. 11 m.w.N.).

7

Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Für die Beantwortung der Frage, ob sich eine Entgeltgenehmigung im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG "auf andere Weise erledigt", wenn die Bundesnetzagentur nach Stellung eines neuen Entgeltantrages eine neue - höhere - Entgeltgenehmigung für eine (teil-)identische Leistung und Geltungsdauer erlässt, bzw. ob bei einer insoweit etwa erforderlichen Rücknahme (§ 48 VwVfG) der früheren Entgeltgenehmigung sich das Rücknahmeermessen zugunsten des Entgeltgläubigers "auf Null" reduziert, ist nicht evident, dass dem alten und dem neuen Recht inhaltsgleiche Wertungen zu entnehmen sind. Vielmehr ergeben sich Unterschiede nicht nur im Hinblick auf den § 39 Alt. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 TKG 1996 zugrundeliegenden "Einzelvertragsbezug" der Entgeltgenehmigung (s. Urteil vom 16. Juli 2003 - BVerwG 6 C 19.02 - Buchholz 442.066 § 39 TKG Nr. 1 S. 3 ff.), sondern auch hinsichtlich der Rückwirkung, die eine auf der Grundlage des § 25 Abs. 1 TKG 1996 erteilte Entgeltgenehmigung für den Fall des vertraglich vereinbarten Netzzugangs wie auch für den Fall der Zusammenschaltungsanordnung entfaltete (Urteil vom 21. Januar 2004 - BVerwG 6 C 1.03 - BVerwGE 120, 54 <59 ff.> = Buchholz 442.066 § 33 TKG Nr. 3 S. 46 ff. und vom 25. März 2009 - BVerwG 6 C 3.08 - Buchholz 442.066 § 35 TKG Nr. 2 Rn. 25), während sie nach neuem Recht wesentlich eingeschränkt ist (§ 35 Abs. 5 Satz 3 TKG 2004). Von daher lässt sich gerade nicht ausschließen, dass sich die von der Beklagten aufgeworfene Frage nach einer "Überlagerung" des Rücknahmeermessens der Bundesnetzagentur durch Wertungen des Telekommunikationsgesetzes nach neuem Recht anders darstellt als nach dem im Streitfall noch anwendbaren alten Recht.

8

2. Die Revision ist schließlich auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO unter dem Gesichtspunkt der Divergenz zuzulassen. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

9

Soweit die Beschwerde das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Januar 2010 - BVerwG 3 C 17.09 - (BVerwGE 136, 43 = Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 128) erwähnt, bezeichnet sie keinen abstrakten Rechtssatz, zu dem sich das angefochtene Urteil in Widerspruch gesetzt haben könnte. Dem von der Beschwerde gleichfalls benannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 1984 - BVerwG 3 C 79.82 - (Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 52 = NVwZ 1985, 488) lässt sich ein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts, dass bei zwei aufeinanderfolgenden Verwaltungsakten, von denen der spätere dem früheren inhaltlich widerspricht, regelmäßig - auch ohne ausdrückliche Nennung des Wortes "Rücknahme" - anzunehmen sein soll, dass die Behörde mit dem späteren den früheren Verwaltungsakt zurücknehmen will, entgegen der Behauptung der Beigeladenen nicht entnehmen. In diesem Urteil hat vielmehr das Bundesverwaltungsgericht seine - als solche auf den vorliegenden Fall ersichtlich nicht übertragbare - Annahme, dass in der Rückforderung einer gewährten Geldleistung regelmäßig auch die Rücknahme des gewährenden Verwaltungsaktes liegt, auf den allgemeinen Rechtssatz gestützt, dass bei der Auslegung eines Verwaltungsaktes entsprechend § 133 BGB der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist.

10

Ebenso wenig lässt sich dem angefochtenen Urteil ein abstrakter Rechtssatz entnehmen, nach dem bei Ersetzung eines früheren durch einen späteren Verwaltungsakt eine Rücknahme nur in Betracht komme, wenn in dem nachfolgenden Verwaltungsakt an irgendeiner Stelle das Wort "Rücknahme" verwendet werde. Vielmehr ist die betreffende, von der Beschwerde zitierte Aussage in den Urteilsgründen, in dem Beschluss der Bundesnetzagentur vom 10. November 2008 sei "von einer Rücknahme nirgendwo die Rede" (UA S. 13), im Zusammenhang mit dem nachfolgenden Satz zu sehen, wonach die Behörde zum Ausdruck gebracht habe, dass aus ihrer Sicht eine Rücknahme nicht erforderlich sei. Daraus wird deutlich, dass das Verwaltungsgericht eine - im Prinzip für möglich gehaltene - konkludente Rücknahme unter den hier vorliegenden Umständen nicht erkennen konnte. Soweit die Beigeladene meint, dass das Verwaltungsgericht bei zutreffender Bewertung der konkreten Gegebenheiten die Genehmigung vom 10. November 2008 als eine stillschweigende Rücknahme der Vorgängergenehmigung von 27. Oktober 2005 hätte verstehen müssen, behauptet sie eine fehlerhafte Anwendung der Auslegungsregeln im Einzelfall, die den Anforderungen an eine Divergenzrüge nicht genügt.

11

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Tatbestand

1

I. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war die Errichtung von Wohn- und Gewerbebauten als Bauträgerin sowie die Errichtung von Hochbauten als Bauunternehmen. Die Klägerin beantragte im Februar 2001 für die Errichtung eines in WX belegenen Gebäudes (W) und im Oktober 2001 für die Errichtung eines in ZX belegenen Gebäudes (Z) jeweils nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Investitionszulagengesetzes 1999 (InvZulG 1999) Investitionszulage in Höhe von 660.797,25 DM (= 337.860,27 €) für W und in Höhe von 341.721,40 DM (= 174.719,38 €) für Z. Beide Anträge hatte die Klägerin auf dem amtlichen Vordruck für das Jahr 1999 gestellt. Als Jahr der Fertigstellung war jeweils das Jahr 2000 angegeben. Vorgelegt wurden auch Bescheinigungen der zuständigen Behörden vom Februar 2001 für W und vom Februar 2000 für Z, denen zufolge die Gebäude in einem der nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 begünstigten Gebiete lagen.

2

Nach Rückfragen des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) stellten die zuständigen Behörden im September 2001 für W und im Dezember 2001 für Z geänderte Bescheinigungen aus, denen zufolge die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 nicht erfüllt waren.

3

Das FA lehnte den Zulagenantrag der Klägerin vom Februar 2001 für W im November 2001 ab, da keine Bescheinigung i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 vorliege. Der Bescheid erging "für das Kalenderjahr 1999". Der Einspruch, den die Klägerin damit begründete, dass ihr die geänderte Bescheinigung des Amtes in W nicht bekannt sei, wurde "gegen den Bescheid ... für das Kalenderjahr 1999" eingelegt.

4

Die geänderten Bescheinigungen vom September 2001 und Dezember 2001 wurden mit Schreiben vom 10. Dezember 2004 (für W) und vom 29. August 2005 (für Z) aufgehoben, nachdem in den von der Klägerin angestrengten verwaltungsgerichtlichen Verfahren in 2004 bzw. 2005 darauf hingewiesen worden war, dass es an einer Bekanntgabe der geänderten Bescheinigungen gegenüber der Klägerin fehlen dürfte.

5

Ab Januar 2006 führte das FA bei der Klägerin eine Investitionszulage-Sonderprüfung für die "Anträge 1999" durch. Nach der im Rahmen dieser Prüfung überreichten Aufstellung der Investitionskosten begehrte die Klägerin nunmehr Investitionszulage in Höhe von insgesamt 721.656,74 € (= 1.411.437,90 DM). Nach dem Prüfungsbericht vom März 2006 war die Investitionszulage auf 0 DM festzusetzen, da im Jahr der Fertigstellung 2000 kein Investitionszulagenantrag gestellt worden sei und dieser wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr nachgeholt werden könne.

6

Im April 2006 beantragte die Klägerin daraufhin Investitionszulage für die Jahre 1999 bis 2002. Die Anträge wurden jeweils getrennt für die einzelnen Jahre auf dem --handschriftlich angepassten-- amtlichen Vordruck für das Kalenderjahr 1999 gestellt. Das FA lehnte die Anträge für 2000 bis 2002 Mitte 2006 ab, da sie nicht auf den amtlichen Vordrucken gestellt worden seien. Für die Jahre 2000 und 2001 sei zudem die Festsetzungsfrist abgelaufen. Die gegen die Ablehnungsbescheide für 2000 bis 2002 Ende Juni 2006 eingelegten Einsprüche der Klägerin wurden mit Einspruchsentscheidung vom 13. März 2007 als unbegründet zurückgewiesen.

7

Im März 2007 wurde auch ihr gegen den Ablehnungsbescheid vom November 2001 gerichteter Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

8

Die Klägerin hatte bereits im Mai 2002 Klage erhoben. Mit Schreiben vom September 2006 bat das Finanzgericht (FG) um Mitteilung, für welche Jahre die Klägerin Investitionszulage begehre. Daraufhin teilte die Klägerin mit Schriftsatz vom Oktober 2006 mit, es werde "die Festsetzung der Investitionszulage aus den Wirtschaftsjahren 1998 bis 2001 bezogen auf eine Bemessungsgrundlage von DM 14.117.054,80 ~ € 7.217.935,50" begehrt.

9

Das FG wies die Klage für die Kalenderjahre 1999 bis 2002 als unbegründet ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 964), nachdem es das Verfahren im April 2004 nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum Abschluss der verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausgesetzt hatte. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus:

10

Das FA habe die Anträge auf Gewährung von Investitionszulage nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 für die Jahre 1999 bis 2002 zu Recht abgelehnt, weil ein etwaiger Anspruch für den Bau der Gebäude W und Z bereits nach § 47 der Abgabenordnung (AO) erloschen sei. Die Klägerin habe es versäumt, für das Jahr 2000, dem Jahr des Investitionsabschlusses, bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2004 einen Antrag auf Gewährung von Investitionszulage zu stellen. Es sei weder zu einer Anlauf- noch zu einer Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist gekommen.

11

Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO komme nicht in Betracht, da die Anträge vom Februar 2001 bzw. Oktober 2001 nur als solche für das Jahr 1999, nicht aber auch als solche für das Jahr 2000 ausgelegt werden könnten. Es sei auch keine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO eingetreten. Ebenso sei der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt gewesen, da die Investitionszulage-Sonderprüfung erst im Januar 2006 und damit nach Ablauf der Festsetzungsfrist begonnen habe.

12

Schließlich scheide eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO aus. Obwohl die nach § 3 InvZulG 1999 notwendige Belegenheitsbescheinigung eine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Anspruch auf Investitionszulage darstelle, widerspreche es dem Sinn und Zweck der in § 171 Abs. 10 AO geregelten Ablaufhemmung, dass das Verfahren in diesen Fällen insgesamt mit der Möglichkeit offen bleibe, auch einen Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage nachzuholen. Diese Frage könne letztlich offen bleiben. Denn die Bescheide, auf die sich der Anspruch auf Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 stützen könnte, seien bereits in den Jahren 2000 bzw. 2001 ergangen. Die geänderten Bescheinigungen seien dagegen mangels wirksamer Bekanntgabe zu keinem Zeitpunkt wirksam geworden. Für die Ablaufhemmung des Folgebescheids komme es nach § 171 Abs. 10 AO aber auf die Bekanntgabe des Grundlagenbescheids und somit dessen Wirksamwerden an. Die Unanfechtbarkeit des Grundlagenbescheids sei nicht maßgebend.

13

Es führe auch weder § 126 Abs. 2 AO noch der Rechtsgedanke des § 126 Abs. 3 AO zu einem anderen Ergebnis, weil es für das Jahr 2000 bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist an einem heilbaren Verwaltungsakt fehle. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund des Rechtsgedankens in § 126 Abs. 3 AO i.V.m. § 110 AO scheide aus.

14

Die Tatbestandsberichtigungsanträge der Klägerin wies das FG im Juni 2007 durch Beschluss ab und führte u.a. aus, aus Tz. 7 und 14 des Prüfungsberichts der Steuerfahndungsstelle vom März 2002 ergebe sich, dass sich die Prüfung allein auf das Jahr 1999 bezogen habe und sie deshalb für die Frage der Festsetzungsverjährung für das Jahr 2000 nicht entscheidungserheblich gewesen sei. Da das Urteil darauf abstelle, dass bis zum 31. Dezember 2004 weder ein Antrag noch eine Klage auf Gewährung von Investitionszulage für das Jahr 2000 eingereicht worden sei, sei auch die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO nicht entscheidungserheblich gewesen.

15

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Zu ihrer Begründung trägt sie insbesondere vor:

16

Sie habe bereits im Jahr 2001 einen formwirksamen Antrag auf Investitionszulage für das Jahr 2000 gestellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei die Verwendung anderer als der grundsätzlich notwendigen Formulare unbeachtlich, wenn das FA mit dem tatsächlich verwendeten Formular in der Lage sei, den Antrag abschließend zu prüfen. Das sei hier der Fall. Denn die Formulare für 1999 und für 2000 seien bei den notwendigen Angaben identisch. Es mache auch keinen Sinn, im Jahr 2001 für im Jahre 2000 fertig gestellte Gebäude noch einen Antrag wegen Teilherstellungskosten des Jahres 1999 zu stellen. Auch aus den Kostenbelegen bis zum Jahr 2001 ergebe sich, dass keinesfalls Anträge für 1999 hätten gestellt werden sollen. Daneben wäre es die Amtspflicht des FA gewesen, richtige Formulare zur Verfügung zu stellen, jedenfalls aber auf Korrekturen hinzuwirken, wenn mangels aktueller Formulare nur die Formulare des Vorjahres zur Verfügung stünden. Zumindest sei sie, die Klägerin, so zu behandeln, wie sie bei pflichtgemäßem Verhalten des FA gestanden hätte. Dass sie seit Einreichung der Klage anwaltlich vertreten sei, ändere daran nichts. Aus der Tatsache, dass bis dato jeder Hinweis auf ein falsches Formular gefehlt habe und dass vom FA bereits im Januar 2002 eine Prüfung der Bemessungsgrundlage in Auftrag gegeben worden sei, habe man schließen dürfen, dass die Verwendung des Formulars 1999 vom FA als unbeachtlich angesehen worden sei. Im Übrigen habe man auch aus dem Gerichtsverfahren nicht schlussfolgern können, dass die Anträge an einem Formfehler scheitern könnten. Abgesehen davon, dass auch seitens des Gerichts nach § 76 Abs. 2 FGO ein Hinweis zu erwarten gewesen wäre, sei das Verfahren wegen Vorgreiflichkeit des Streits um die Grundlagenbescheide ausgesetzt worden. Das wäre nicht erforderlich gewesen, wenn die Klage schon wegen untauglicher Antragsformulare abzuweisen gewesen wäre.

17

Zudem habe es mehrere Hemmungsgründe gegeben, weshalb sie, die Klägerin, zumindest noch 2006 neue Antragsformulare habe einreichen können. So sei bereits eine Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 3 AO eingetreten. Hierfür genüge ein hinreichend bestimmter Antrag, der erkennen lasse, was der Steuerpflichtige wolle, wobei der Umfang der Ablaufhemmung erforderlichenfalls durch Auslegung des Antragsinhalts zu ermitteln sei. Diesen Anforderungen hätten die Anträge aus dem Jahr 2001 genügt. Daher habe es auch nicht an Einspruchs- bzw. Klageverfahren i.S. des § 171 Abs. 3a AO wegen Anträgen für das Jahr 2000 gefehlt. Das FG hätte daher die im April 2006 eingereichten Anträge inhaltlich prüfen müssen und sie nicht als verfristet behandeln dürfen. Außerdem sei die Frage zu klären, ob § 171 Abs. 10 AO anwendbar sei. Die Klägerin habe einen verwaltungsrechtlichen Streit geführt, bei dem es nicht um den Erlass, sondern um die Aufhebung eines den Grundlagenbescheid ändernden Bescheids gegangen sei. Diese Aufhebungen seien im Dezember 2004 bzw. Ende August 2005 erfolgt. Würde man § 171 Abs. 10 AO auf diesen Fall anwenden, wären die Antragsfristen erst im Dezember 2006 bzw. September 2007 abgelaufen, so dass das FG die im April 2006 gestellten Anträge hätte prüfen müssen.

18

Zudem habe das FG übersehen, dass nach dem Wortlaut des § 126 Abs. 1 Nr. 1 AO auch Anträge nachgeholt werden könnten. Ebenso müsse die Heilung von Fehlern möglich sein, soweit ein Antrag zwar vorliege, aber fehlerhaft gestellt worden sei. Wenn fehlerhafte, aber nicht nichtige Verwaltungsakte geheilt werden könnten, müssten auch fehlerhafte Anträge geheilt werden können.

19

Schließlich habe das FG auch mehrere Verfahrensfehler begangen.

20

Es habe gegen die Sachaufklärungspflicht verstoßen. In seiner Entscheidung führe es aus, dass sich der konkrete Umfang der mit den Anträgen vorgelegten Unterlagen auch in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend habe klären lassen. Das FG habe diese Frage dann zwar für nicht entscheidungserheblich gehalten, weshalb auch ein Beweisantrag mit Sicherheit zurückgewiesen worden wäre. Das Offenlassen dieser Frage habe jedoch zur Folge gehabt, dass die Anträge der Klägerin vom FG als nicht prüfbar und deshalb nicht dem Jahr 2000 zuordenbar angesehen worden seien. Das FG hätte daher die Vorlage der gesamten Unterlagen verlangen und diese beiziehen müssen.

21

Es habe ferner nicht berücksichtigt, dass bereits im Januar 2002 eine Investitionszulage-Prüfung in Gestalt einer Fahndungsprüfung stattgefunden habe. Hätte das FG diese Prüfung beachtet, hätte es eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO nicht ablehnen dürfen und zudem die Voraussetzungen des § 171 Abs. 5 AO prüfen müssen. Da sie, die Klägerin, den Prüfungsbericht vom März 2002 im Klageverfahren vorgelegt habe, stelle sich die Entscheidung des FG auch als Überraschungsentscheidung dar. Zudem zeige sich in der Nichtberücksichtigung der Prüfung im Jahr 2002, dass das FG gegen das Gebot verstoßen habe, das Gesamtergebnis des Verfahrens umfassend zu würdigen.

22

Gegen dieses Gebot, den gesamten Inhalt der Akten zum Gegenstand der Entscheidungsfindung zu machen, habe das FG auch dadurch verstoßen, dass es sich nicht mit den Gründen für seinen eigenen Aussetzungsbeschluss auseinandergesetzt habe. Nur so habe es zu dem Ergebnis gelangen können, dass der Streit um einen Änderungsbescheid dem Streit um den Erlass eines Grundlagenbescheids nicht gleichzustellen sei. Ein weiterer Verstoß gegen das vorgenannte Gebot liege darin, dass das FG sich geweigert habe, ihre unwidersprochen gebliebene Behauptung in den Tatbestand aufzunehmen, sie habe die für ihren Antrag verwendeten Formulare für das Kalenderjahr 1999 auf telefonische Anforderung Ende 2000 vom FA zur Verfügung gestellt bekommen. Denn es komme entscheidend darauf an, weshalb sie Formulare für das Jahr 1999 und nicht für das Jahr 2000 verwendet habe.

23

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil, den Ablehnungsbescheid für 1999 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 13. März 2007 sowie die Ablehnungsbescheide vom 27. Juni 2006 für 2000 bis 2002 und die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 13. März 2007 aufzuheben und für die Errichtung der Gebäude W und Z Investitionszulage für 1999 in Höhe von 337.373,51 € (= 659.845,24 DM), für 2000 in Höhe von 210.803,22 € (= 412.295,27 DM), für 2001 in Höhe von 172.200,89 € (= 336.795,66 DM) und für 2002 in Höhe von 1.160,32 € (= 2.269,39 DM) festzusetzen.

24

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

25

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 FGO).

Entscheidungsgründe

26

II. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin für die Kalenderjahre 1999 bis 2002 kein Anspruch auf Investitionszulage nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 für die Gebäude W und Z zusteht.

27

1. Zutreffend hat das FG die Zulässigkeit der für die Streitjahre 1999 bis 2002 erhobenen Klage bejaht.

28

Es spricht vieles dafür, dass die Klägerin zunächst mit der im Mai 2002 erhobenen Klage ausschließlich die versagte Gewährung der Investitionszulage für das Kalenderjahr 1999 angegriffen hat. Sie hat jedoch im Wege einer zulässigen Klageänderung gemäß § 67 FGO die Investitionszulage für die Kalenderjahre 2000 bis 2002 zum Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gemacht.

29

a) Mit Schriftsatz vom Oktober 2006 erklärte die Klägerin auf richterliche Nachfrage, es werde "die Festsetzung der Investitionszulage aus den Wirtschaftsjahren 1998 bis 2001 bezogen auf eine Bemessungsgrundlage von DM 14.117.054,80 ~ € 7.217.935,50" begehrt. Unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich Mitte 2006 für die Jahre 2000 bis 2002 ergangenen Ablehnungsbescheide ist dieses Schreiben der Klägerin im Wege der Auslegung und unter Rückgriff auf die Steuerakten dahingehend zu verstehen, dass nunmehr (im Oktober 2006) die Klage auch auf die Ablehnungsbescheide für die Jahre 2000 bis 2002 erstreckt wurde.

30

b) Bei dieser Sachlage ist von einer zulässigen Klageänderung in Gestalt einer nachträglichen objektiven Klagehäufung auszugehen.

31

Es liegen die Voraussetzungen des § 67 FGO vor, daneben erfüllen die neuen Klagebegehren jeweils die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen (vgl. dazu Schallmoser in Hübschmann/ Hepp/Spitaler --HHSP--, § 67 FGO Rz 44; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 67 Rz 10, m.w.N.). Zum einen hat sich das FA rügelos auf die neuen Klagebegehren (Investitionszulage für die Kalenderjahre 2000 bis 2002) eingelassen (§ 67 Abs. 2 FGO), zum anderen ist die Einspruchsentscheidung hinsichtlich der Ablehnungsbescheide für 2000 bis 2002, gegen die im Zeitpunkt der Klageänderung bereits Rechtsbehelfe eingelegt waren, noch während des Klageverfahrens ergangen. Die Voraussetzung eines abgeschlossenen Vorverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO) stellt keine Zugangs-, sondern eine Sachurteilsvoraussetzung dar, die auch noch während des finanzgerichtlichen Verfahrens eintreten kann (z.B. Senatsurteil vom 17. Mai 1985 III R 213/82, BFHE 143, 509, BStBl II 1985, 521; BFH-Urteil vom 2. Juni 1987 VIII R 192/83, BFH/NV 1988, 104).

32

2. Ebenso ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin für den Bau der Gebäude W und Z kein Anspruch auf Investitionszulage für die Kalenderjahre 1999 bis 2002 zusteht.

33

Im Streitfall käme ein (endgültiger) Zulagenanspruch der Klägerin für die genannten Gebäude ohnehin nur für das Kalenderjahr 2000 in Betracht, weil ein solcher Anspruch mit Ablauf des Kalenderjahres entsteht, in dem die begünstigten Investitionen --im Streitfall das Jahr 2000-- abgeschlossen sind. Ein Anspruch der Klägerin auf Investitionszulage für das Kalenderjahr 2000 ist jedoch mit Ablauf des 31. Dezember 2004 nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 i.V.m. § 47 AO erloschen, weil die Investitionszulage für das Kalenderjahr 2000 nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist beantragt wurde.

34

a) Dass eine Investitionszulage für förderfähige Investitionen nach § 3 InvZulG 1999 nur dann festgesetzt werden kann, wenn ein Antrag für das Kalenderjahr des Abschlusses der förderfähigen Investition gestellt wird (vgl. Senatsurteil vom 26. Juni 2003 III R 16/01, BFHE 203, 283, BStBl II 2004, 22, zu § 2 Satz 1, § 4 Satz 1 InvZulG 1993), ergibt sich aus der Systematik sowie dem Sinn und Zweck des InvZulG 1999.

35

aa) Nach § 5 InvZulG 1999 darf die Investitionszulage nur bei Vorliegen eines formgerechten Antrags festgesetzt werden. Hierbei handelt es sich um eine eigenständige formelle Voraussetzung, ohne deren Vorliegen das FA nicht tätig werden darf (§ 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 i.V.m. § 86 Satz 2 Nr. 2 AO). § 5 InvZulG 1999 regelt selbst nicht, für welche Kalenderjahre die Zulage zu beantragen ist. Diese Frage ist unter Rückgriff auf die übrigen Vorschriften des InvZulG 1999 zu beantworten.

36

§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 begünstigt --bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen-- die Anschaffung oder Herstellung von Mietwohnungsneubauten. Bemessungsgrundlage hierfür ist gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1999 grundsätzlich die den Betrag von 5.000 DM (ab 2002: 2.556 €) übersteigende Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten der im Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen. Der Zeitpunkt der Zahlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist unerheblich. So können auch Zahlungen vor dem Jahr der Anschaffung oder Herstellung oder solche nach diesem Jahr zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Mietwohnungsneubaus gehören. Im Übrigen umfassen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht nur Aufwendungen, die bis zum Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung entstanden sind, sondern auch Kosten, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Anschaffung des Wirtschaftsguts bzw. in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dessen Herstellung stehen, d.h. zwangsläufig im Gefolge der Anschaffung bzw. mit der Herstellung anfallen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. Oktober 2001 I R 32/00, BFHE 197, 58, BStBl II 2002, 349).

37

Daneben verweist § 3 Abs. 3 Satz 3 InvZulG 1999 auf die Vorschrift des § 2 Abs. 5 Satz 2 bis 4 InvZulG 1999. Danach können in die Bemessungsgrundlage die im Kalenderjahr geleisteten Anzahlungen auf Anschaffungskosten und Teilherstellungskosten einbezogen werden (§ 2 Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1999). Für diesen Fall dürfen im Kalenderjahr der Anschaffung oder Herstellung des Mietwohnungsneubaus die Anschaffungs-/Herstellungskosten bei der Bemessung der Investitionszulage aber nur berücksichtigt werden, soweit sie die geleisteten Anzahlungen oder Teilherstellungskosten übersteigen (§ 2 Abs. 5 Satz 3 InvZulG 1999). Hieraus ergibt sich zwar, dass der Anspruchsberechtigte (wahlweise) bereits einen Anspruch auf Investitionszulage für die im Kalenderjahr geleisteten Anzahlungen auf Anschaffungskosten oder entstandenen Teilherstellungskosten geltend machen kann (Senatsurteil vom 15. Dezember 2005 III R 20/05, BFH/NV 2006, 1343, zu § 3 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1999). Zugleich ist aber § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 InvZulG 1999 zu entnehmen, dass es sich bei den geleisteten Anzahlungen oder entstandenen Teilherstellungskosten selbst um keine begünstigten (förderfähigen) Investitionen, sondern lediglich um Vorleistungen auf eine zu einem späteren Zeitpunkt vollzogene Anschaffung oder Herstellung handelt. Dies hat der Senat bereits für die auf Anzahlungen gewährte Investitionszulage entschieden (Senatsurteil in BFHE 203, 283, BStBl II 2004, 22, zu § 2 Satz 1 InvZulG 1993). Nichts anderes kann gelten, wenn --wie im Streitfall-- kein Anschaffungs-, sondern ein Herstellungsvorgang vorliegt. Auch in diesem Fall dient die Begünstigung der Teilherstellungskosten der frühzeitigen Stärkung der Liquidität des Anspruchstellers. Es wird lediglich der Zeitpunkt vorverlegt, zu dem die nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 zu gewährende Zulage geltend gemacht werden kann.

38

bb) Beruht aber die vorgezogene Zulagengewährung auf keinem eigenständigen Begünstigungstatbestand, so hängt die Entscheidung, ob der Anspruchsberechtigte die vorläufig gewährte Zulage endgültig behalten darf, zwingend davon ab, ob für das Jahr des Entstehens des Anspruchs für die begünstigte (förderfähige) Investition eine entsprechende Investitionszulage festgesetzt wird.

39

Wann der Anspruch für die begünstigte Investition entsteht, ist im InvZulG 1999 selbst nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 i.V.m. § 38 AO, dass der Anspruch auf Investitionszulage entsteht, sobald der Begünstigungstatbestand verwirklicht ist. Dies setzt in den Fällen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 voraus, dass gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 InvZulG 1999 die Investition abgeschlossen, d.h. der Mietwohnungsneubau angeschafft oder hergestellt worden ist. Da die Investitionszulage gemäß § 6 Abs. 2 InvZulG 1999 nach Ablauf des Kalenderjahres für die den Betrag von 5.000 DM (ab 2002: 2.556 €) übersteigende Summe der Anschaffungs- und Herstellungskosten der im Kalenderjahr abgeschlossenen begünstigten Investitionen festgesetzt wird, entsteht der Anspruch auf Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 nicht mit der Verwirklichung des einzelnen Investitionstatbestandes, sondern erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die förderfähigen Investitionen abgeschlossen wurden (vgl. Senatsurteil vom 20. September 1999 III R 33/97, BFHE 190, 266, BStBl II 2000, 208, zu § 4 Satz 1 InvZulG 1993). Das FA setzt eine einheitliche (Jahres-)Investitionszulage, nicht etwa für jede begünstigte Investition eine gesonderte Zulage fest (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 1984 III R 95/81, BFHE 142, 352, BStBl II 1985, 63, zu § 4b InvZulG 1975; Kaligin, Investitionszulagengesetz 1999, Praktikerkommentar, § 6 Rz 2).

40

cc) Dies bedeutet, dass in den Fällen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1999 der Anspruch auf Investitionszulage mit Ablauf des Kalenderjahres entsteht, in dem die begünstigten Investitionen abgeschlossen, d.h. die Mietwohnungsneubauten angeschafft oder hergestellt worden sind (vgl. Kaligin, a.a.O., § 6 Rz 2). Für dieses Kalenderjahr --im Streitfall nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) das Jahr 2000-- muss der Anspruchsberechtigte einen Antrag auf Investitionszulage stellen. Anderenfalls darf das FA nicht verbindlich und abschließend eine Jahreszulage nach § 3 InvZulG 1999 --unter Einbeziehung aller in diesem Kalenderjahr angeschafften oder hergestellten Mietwohnungsneubauten-- festsetzen.

41

b) Revisionsrechtlich ist der Würdigung des FG zu folgen, wonach die Klägerin mit ihren Anträgen im Jahr 2001 keine Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 für das Kalenderjahr 2000 beantragt hat.

42

aa) Der Antrag auf Investitionszulage ist als außerprozessuale empfangsbedürftige Verfahrenserklärung, sofern er auslegungsbedürftig ist, entsprechend §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auszulegen. Nach den zu diesen gesetzlichen Bestimmungen entwickelten Rechtsgrundsätzen ist entscheidend, wie das FA als Erklärungsempfänger den Antrag nach seinem objektiven Erklärungswert verstehen musste. Hierbei kann ggf. auch auf Umstände zurückgegriffen werden, die außerhalb der auszulegenden Erklärung liegen und einen Rückschluss auf den vom Antragsteller erklärten Willen erlauben. Bei der Ermittlung des in dem Antrag verkörperten Willens können nur solche Umstände berücksichtigt werden, die für das FA als Empfänger im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung erkennbar waren (Senatsurteil vom 3. Februar 2000 III R 4/97, BFH/NV 2000, 888).

43

Voraussetzung für eine Auslegung ist, dass die (Verfahrens-) Erklärung überhaupt auslegungsbedürftig ist. Hieran fehlt es, wenn die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat. Ob eine Erklärung auslegungsbedürftig ist, ist revisionsrechtlich nachprüfbar (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2000, 888). Im Übrigen ist die Auslegung des Antrags Gegenstand der vom FG zu treffenden tatsächlichen Feststellungen, an die der BFH gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), soweit im Revisionsverfahren --wie im Streitfall-- hiergegen keine durchgreifenden Verfahrensrügen gemäß § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO erhoben worden sind (vgl. dazu unten II.3.). Der BFH kann die Auslegung des FG nur daraufhin überprüfen, ob es die gesetzlichen Auslegungsregeln beachtet und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (Lange in HHSp, § 118 FGO Rz 207).

44

bb) Daran gemessen hält die Entscheidung des FG einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

45

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die von der Klägerin im Jahr 2001 gestellten Anträge auf Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 auslegungsbedürftig sein sollten, weil auch Belege für das Jahr 2000 eingereicht worden sind, ist die vom FG vorgenommene Auslegung im Ergebnis nicht zu beanstanden.

46

Das FG hat u.a. darauf abgestellt, dass der von der Klägerin für die Antragstellung verwendete amtliche Vordruck für das Kalenderjahr 1999 in der Einleitung den ausdrücklichen Hinweis enthält, dass mit diesem Vordruck "die im Kalenderjahr 1999 abgeschlossenen Investitionen, geleisteten Anzahlungen auf Anschaffungskosten und Erhaltungsaufwendungen sowie entstandenen Teilherstellungskosten aufzuführen" sind. Damit hätte selbst einem nicht vertretenen Steuerpflichtigen klar sein müssen, dass für jedes Kalenderjahr ein gesonderter Antrag auf Investitionszulage abzugeben war.

47

Danach ist es nicht zu beanstanden, dass das FG die im Jahr 2001 erfolgten Antragstellungen der Klägerin als solche für Vorleistungen des Kalenderjahres 1999 und nicht als solche für fertiggestellte Mietwohnungsneubauten des Kalenderjahres 2000 unter Verwendung unzutreffender Formulare gewertet hat. Unabhängig hiervon darf erwartet werden, dass Hinweise in den amtlichen Vordrucken für zu beantragende Steuervergütungen von den Personen, die eine solche begehren, auch tatsächlich beachtet werden. Außerdem bleibt zu berücksichtigen, dass die Klägerin auf den verwendeten amtlichen Vordrucken für das Kalenderjahr 1999 nicht die Jahreszahl "1999" (handschriftlich) gestrichen und durch die Jahreszahl "2000" ersetzt hat.

48

c) Ebenso hat es das FG zu Recht abgelehnt, in der im April 2006 erfolgten Antragstellung einen rechtzeitigen Antrag auf Investitionszulage für das Kalenderjahr 2000 zu erblicken.

49

aa) Die Frist, Investitionszulage für die Mietwohnungsneubauten W und Z zu beantragen, endete --vorbehaltlich einer Ablaufhemmung nach § 171 AO (vgl. dazu unten II.2.c bb)-- mit Ablauf des Kalenderjahres 2004.

50

Nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) waren die Mietwohnungsneubauten W und Z im Kalenderjahr 2000 abgeschlossen. Im Gegensatz zu seiner Vorgängerregelung (§ 6 Abs. 1 InvZulG 1996) enthält § 5 InvZulG 1999 keine Ausschlussfrist mehr, innerhalb derer der Antrag auf Investitionszulage zu stellen ist. Es sind daher nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 i.V.m. § 155 Abs. 4 AO die für die Steuerfestsetzung und damit die für die Festsetzungsverjährung geltenden allgemeinen Vorschriften zu beachten. Danach beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist (vgl. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) grundsätzlich nach § 170 Abs. 1 AO mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch auf Investitionszulage entstanden ist. Dies ist im Streitfall das Kalenderjahr 2000. Da für die erstmalige Festsetzung der Investitionszulage weder eine Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO noch eine solche gemäß § 170 Abs. 3 AO besteht (Senatsurteil vom 29. März 2001 III R 1/99, BFHE 194, 331, BStBl II 2001, 432), ist mit Ablauf des 31. Dezember 2004 Festsetzungsverjährung eingetreten.

51

bb) Der Ablauf der Festsetzungsfrist war auch nicht bis April 2006 gehemmt.

52

Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) kommt allenfalls eine Ablaufhemmung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 i.V.m. § 171 Abs. 10 AO in Betracht.

53

aaa) Gemäß § 171 Abs. 10 Satz 1 AO endet die Festsetzungsfrist, soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Maßgebend für die Hemmung ist die Bekanntgabe des Grundlagenbescheids, nicht dessen Unanfechtbarkeit (BFH-Urteil vom 19. Januar 2005 X R 14/04, BFHE 208, 410, BStBl II 2005, 242). Die Bekanntgabe des Grundlagenbescheids kann auf seinem erstmaligen Ergehen, seiner Änderung oder Aufhebung beruhen. Da der Hemmungstatbestand die Bekanntgabe eines Grundlagenbescheids voraussetzt, kann ein Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren, bei dem es um die Aufhebung eines den Grundlagenbescheid ändernden Bescheids geht, als solches nicht zur Hemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO führen. Werden die ursprünglichen Feststellungen in dem Grundlagenbescheid in einem Verwaltungs-, Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren geändert oder aufgehoben, führt dies mit Bekanntgabe des Änderungs- oder Aufhebungsbescheids zu einer erneuten Anpassungspflicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO und damit zu einer (erneuten) Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO. Dagegen löst die Bekanntgabe eines Grundlagenbescheids, der einen gleichartigen, dem Inhaltsadressaten wirksam bekannt gegebenen Verwaltungsakt in seinem verbindlichen Regelungsgehalt lediglich wiederholt, keine erneute Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 10 AO aus (Banniza in HHSp, § 171 AO Rz 220, m.w.N.).

54

Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird nur insoweit gehemmt, als die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids reicht. Dies folgt bereits aus der in § 171 Abs. 10 AO durch das Wort "soweit" enthaltenen Einschränkung (BFH-Urteil vom 12. August 1987 II R 202/84, BFHE 150, 319, BStBl II 1988, 318; Hartmann in Beermann/Gosch, AO § 171 Rz 85). § 171 Abs. 10 Satz 1 AO führt daher zu einer punktuellen Ablaufhemmung (Banniza in HHSp, § 171 AO Rz 215). Diese Vorschrift bewirkt die Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist für den Folgebescheid, soweit und solange ein (geänderter) Grundlagenbescheid, der für die Festsetzung der Folgesteuer bindend ist, noch zulässig ergehen kann (BFH-Urteil vom 30. November 1999 IX R 41/97, BFHE 190, 71, BStBl II 2000, 173). Soweit die Steuerfestsetzung --im Streitfall die Festsetzung der Investitionszulage-- nicht auf dem Grundlagenbescheid beruht, wird der Lauf der Festsetzungsfrist durch § 171 Abs. 10 Satz 1 AO nicht berührt.

55

bbb) Bei Anwendung dieser Grundsätze wurde die Festsetzungsfrist für die Gewährung der Investitionszulage für das Jahr 2000 nicht gemäß § 171 Abs. 10 AO gehemmt. Dies würde selbst dann gelten, wenn erst durch die Bekanntgabe der Bescheide vom 10. Dezember 2004 (für W) und vom 29. August 2005 (für Z), mit denen die geänderten Bescheinigungen aufgehoben wurden, die ursprünglichen positiven Bescheinigungen wieder aufgelebt wären und damit für den Fristbeginn grundsätzlich an die Bekanntgabe der Bescheide vom 10. Dezember 2004 und 29. August 2005 anzuknüpfen wäre.

56

Der BFH hat bislang noch nicht entschieden, ob es sich bei der Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 um einen Grundlagenbescheid handelt und, bejahendenfalls, inwieweit eine Bindungswirkung dieses Verwaltungsaktes für das Zulagenfestsetzungsverfahren besteht. Der BFH geht aber zur Rechtsnatur und Bindungswirkung derartiger, in einem Steuergesetz als Tatbestandsvoraussetzung geforderten Bescheinigungen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sie materiell-rechtliche Voraussetzung für die Festsetzung der Investitionszulage sind und weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht der Nachprüfung durch die Finanzbehörde unterliegen, soweit es sich um außersteuerrechtliche Beurteilungen handelt (vgl. zum Ganzen Senatsbeschluss vom 28. Mai 2003 III B 87/02, BFH/NV 2003, 1218, m.w.N.). Danach stellt auch die Bescheinigung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 einen Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO dar, der für die Finanzbehörden bindend ist, soweit er die in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 bestimmten außersteuerrechtlichen Feststellungen enthält (gleicher Ansicht Kaligin, a.a.O., § 3 Rz 13; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. Februar 2003 IV A 5 -InvZ 1272- 6/03, BStBl I 2003, 218, Tz 15). Die Festsetzungsfrist kann daher aufgrund der eingeschränkten Bindungswirkung der Bescheinigung nur insoweit gehemmt sein, als die Beurteilung der in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b InvZulG 1999 genannten außersteuerrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Investitionszulage in Rede steht. Das Antragserfordernis gemäß § 5 InvZulG 1999 ist hingegen eine hiervon zu unterscheidende, eigenständige formelle Voraussetzung, die zur Einleitung des Zulagenfestsetzungsverfahrens unabdingbar ist. Eine positive Bescheinigung kann daher nicht einen fehlenden Antrag ersetzen.

57

ccc) Dieses Ergebnis entspricht auch dem systematischen Zusammenhang des § 171 Abs. 10 AO mit § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO und der begrenzten Zielsetzung der Ablaufhemmung, durch die der Finanzbehörde lediglich eine ausreichende Zeit zur Auswertung des Grundlagenbescheids verschafft werden soll. Die genannten Vorschriften bringen deutlich zum Ausdruck, dass die Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid nicht die Wiederaufrollung der gesamten Steuerveranlagung --im Streitfall des gesamten Zulagenfestsetzungsverfahrens-- rechtfertigt, sondern dass die Anpassungspflicht der Finanzbehörde nur so weit reicht, wie es die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids verlangt (vgl. auch BFH-Urteil vom 29. Juni 2005 X R 31/04, BFH/NV 2005, 1749).

58

ddd) Schließlich wird das gefundene Ergebnis durch den historischen Willen des Gesetzgebers bestätigt. Das InvZulG 1999 vom 18. August 1997 (BGBl I 1997, 2070, BStBl I 1997, 790) behielt zunächst in § 5 Abs. 1 InvZulG 1999 die vormals in § 6 Abs. 1 InvZulG 1996 geregelte Antragsfrist bei, wonach der (wirksame) Zulagenantrag bis zum 30. September des Kalenderjahres zu stellen ist, das dem Kalenderjahr folgt, in dem die Investitionen abgeschlossen worden sind (Ausschlussfrist). Durch Art. 8 Nr. 3 des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 (StBereinG 1999) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) wurde § 5 Abs. 1 InvZulG 1999 geändert; die Ausschlussfrist für den Zulagenantrag wurde ersatzlos mit Wirkung ab dem 1. Januar 1999 (Art. 28 Abs. 4 StBereinG 1999) aufgehoben. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass "die Anträge auf Gewährung der Investitionszulage künftig nicht mehr bis zum 30. September des auf das Jahr des Investitionsabschlusses folgenden Jahres, sondern innerhalb der regelmäßigen Festsetzungsfrist gestellt werden müssen" (BTDrucks 14/2070, S. 13). Danach ergebe sich für die Antragstellung nunmehr ein anderer zeitlicher Rahmen (BTDrucks 14/2070, S. 28). Hieraus ergibt sich der klare gesetzgeberische Wille, dass der Antrag von dem Berechtigten --will er ein Erlöschen des Zulagenanspruchs infolge Festsetzungsverjährung vermeiden-- innerhalb der Festsetzungsfrist gestellt werden muss.

59

d) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, "wann Anträge heilbar sind", ist nicht entscheidungserheblich.

60

Nach den den Senat bindenden Feststellungen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hat die Klägerin nicht innerhalb der Festsetzungsfrist für das Jahr 2000 einen fehlerbehafteten Antrag, sondern für das Jahr 2000 innerhalb der Festsetzungsfrist überhaupt keinen Antrag gestellt.

61

e) Ebenso ist es nicht entscheidungserheblich, ob das FA im Zusammenhang mit der im Jahr 2001 erfolgten Antragstellung gegen seine Hinweis- und Auskunftspflichten nach § 89 AO verstoßen hat.

62

Der Anspruchsberechtigte kann bei einem Verstoß der Finanzbehörde gegen ihre Hinweis- und Auskunftspflichten nach § 89 AO nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen so gestellt werden, als wäre der Verstoß nicht geschehen. Ist dies --wie im Streitfall-- wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht möglich, kann der Verstoß allenfalls zu Schadenersatzansprüchen wegen Amtspflichtverletzung nach Art. 34 des Grundgesetzes (GG), § 839 BGB führen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 27. Februar 2007 III B 158/06, BFH/NV 2007, 1090, m.w.N.). Gleichfalls scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus; § 110 AO gilt nicht für den Ablauf der Festsetzungsfrist (Senatsurteil vom 19. August 1999 III R 57/98, BFHE 191, 198, BStBl II 2000, 330, m.w.N.).

63

Abgesehen davon ist zweifelhaft, ob das FA mit Blick auf die klaren Hinweise in dem amtlichen Vordruck überhaupt gegen seine Pflichten nach § 89 AO verstoßen hat.

64

3. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

65

Soweit diese überhaupt in einer den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO genügenden Form dargelegt wurden, liegen sie jedenfalls nicht vor.

66

Insbesondere ist der von der Klägerin gerügte Verfahrensverstoß im erstinstanzlichen Verfahren wegen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch eine sog. Überraschungsentscheidung (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) nicht erkennbar. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine Überraschungsentscheidung anzunehmen, wenn das FG in seinem Urteil ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbevollmächtigter nicht zu rechnen brauchte (z.B. Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 III B 118/07, BFH/NV 2009, 1828). Das FG hat der Klägerin seine Überlegungen zur Verjährungsproblematik bereits mit Schreiben vom 14. Dezember 2006 mitgeteilt. Schon in diesem Schreiben fand die im Jahr 2002 erfolgte Prüfung der Investitionszulage keine Erwähnung. Es ist daher nicht ersichtlich, wie das FG dem Rechtsstreit infolge der vermeintlichen Nichtberücksichtigung dieses Gesichtspunkts in seinem Urteil eine überraschende Wendung hätte geben können.

67

Im Übrigen sieht der Senat in Bezug auf die erhobenen Verfahrensrügen von einer weiteren Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 440/15
vom
24. Mai 2016
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
__________________________
Zur (Haushalts-)Untreue durch Zubilligung von Erfahrungsstufen bei Einstellung als
Tarifbeschäftigte(r) im Öffentlichen Dienst.
BGH, Urteil vom 24. Mai 2016 – 4 StR 440/15 – LG Halle (Saale)
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
ECLI:DE:BGH:2016:240516U4STR440.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Verhandlung am 17. März 2016 und in der Sitzung vom 24. Mai 2016, an der teilgenommen haben :
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Mutzbauer, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizangestellte – in der Verhandlung –, Justizangestellte – bei der Verkündung – als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 9. Februar 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts Magdeburg zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten, den amtierenden Oberbürgermeister der Stadt H. , vom Vorwurf der Untreue zum Nachteil des Vermögens der Stadt im Zusammenhang mit der Einstellung von drei städtischen Bediensteten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
2
Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, hat Erfolg.

I.


3
1. Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legte dem Angeklagten zur Last, er habe am Tage seines Dienstantritts als neu gewählter Oberbürgermeister, am 1. Dezember 2012, mit drei von ihm ausgesuch- ten und ihm genehmen Personen, die ihn bereits in der Vergangenheit bei seiner kommunalpolitischen Arbeit unterstützt hatten und denen er deshalb im besonderen Maße vertraute, unter anderem unter Umgehung geltender Vorschriften über die Ausschreibung derartiger Dienstposten Arbeitsverträge mit einer gemessen an ihrer jeweiligen Qualifikation zu hohen tariflichen Einstufung abgeschlossen. Durch die pflichtwidrige, nämlich unter Verstoß gegen § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD (VKA) vorgenommene Zuordnung der drei Beschäftigten zur fünften der jeweils sechs zur Verfügung stehenden Erfahrungsstufen der jeweiligen Entgeltgruppe sei der Stadt H. ein vom Angeklagten zumindest billigend in Kauf genommener Gefährdungsschaden in Höhe von ca. 290.000 Euro entstanden.
4
2. Das Landgericht hat dazu im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
5
Im Vorfeld der Übernahme seines Amtes bemühte sich der Angeklagte unter den Beschäftigten der Stadtverwaltung erfolglos um die Gewinnung von Personen für die Besetzung von drei im Haushaltsplan der Stadt ausgebrachten Stellen. Er wollte diese Positionen mit vertrauenswürdigen Mitarbeitern besetzen , die ihn bei der Umsetzung seiner politischen Vorhaben während seiner Amtszeit wirkungsvoll und loyal unterstützen würden, und sah die zügige Besetzung dieser Stellen deshalb als dringlich an. Ihm war bekannt, dass er bei einem Zugriff auf externe Kandidaten allenfalls hinsichtlich der Stelle des Büroleiters des Oberbürgermeisters auf eine förmliche Ausschreibung würde verzichten können. Gleichwohl setzte er das Einstellungsverfahren mit dem Ziel der Besetzung der Stellen mit den Zeuginnen E. und W. sowie mit dem Zeugen P. , die Tätigkeiten außerhalb der Verwaltung der StadtH. ausübten und die zur Übernahme der Stellen bereit waren, ohne eine förmliche Ausschreibung in Gang. Alle drei Personen hatten ihn im Vorfeld seiner Wahl zum Oberbürgermeister unterstützt, die Zeugin E. war für den Angeklagten darüber hinaus wegen ihrer vorangegangenen Tätigkeit als seine persönliche Referentin in seiner Zeit als Beigeordneter in H. eine „gesetzte Mitarbeiterin“. Den Personalrat beteiligte er weder bei der Einstellung der genannten Mitarbeiter noch bei deren konkreter Eingruppierung in die Erfahrungsstufen der den Zeugen zustehenden Entgeltgruppen, da er aufgrund zuvor geführter Gespräche mit Vertretern des Personalrates sowie Mitgliedern des Personalamtes Widerstände gegen die von ihm beabsichtigte Stellenbesetzung befürchtete und weitere Diskussionen über seine Entscheidungen und das Auswahlverfahren nicht aufkommen lassen wollte. Er veranlasste ferner, dass dem Personalamt der Stadt erst zwei Wochen vor dem beabsichtigten Einstellungstermin Bewerbungsunterlagen der drei von ihm ausgewählten Zeugen übermittelt wurden; diese Unterlagen waren zudem unzureichend.
6
Mit seinem Amtsantritt am 1. Dezember 2012 schloss er sodann die auf seine Amtszeit befristeten Arbeitsverträge mit der Zeugin E. als seiner Büroleiterin (Entgeltgruppe 15 TVöD VKA), dem Zeugen P. als Referent für strategische Grundsatzfragen (Entgeltgruppe 14 TVöD VKA) und der Zeugin W. als Referentin und wissenschaftliche Sachbearbeiterin für Sicherheit und Ordnung (Entgeltgruppe 13 TVöD VKA). Die Unterzeichnung der von ihm selbst erstellten Vertragsurkunden erfolgte in Anwesenheit der drei Zeugen in seinem Büro. Um befürchtete Widerstände seitens des Personalamtes gegen eine zu hohe Zubilligung von Erfahrungsstufen gar nicht erst aufkommen zu lassen, machte er die jeweils gewährte Erfahrungsstufe 5 in den von ihm eigenhändig unterschriebenen Arbeitsverträgen zum Vertragsbestandteil. Die hausinterne Organisationsverfügung, wonach die Erfahrungsstufe bei Neueinstellungen vom Personalamt gesondert festzulegen war, hatte er zuvor durch eine Dienstanweisung aufgehoben. Alle drei Zeugen verbesserten sich durch die ihnen gewährte Entgeltgruppe mit der jeweiligen Erfahrungsstufe 5 finanziell teilweise deutlich gegenüber ihren bisherigen Tätigkeiten. So war etwa die Vergütung der Zeugin E. während ihrer auf ein Jahr befristeten Beschäftigung bei der Stadt H. als persönliche Referentin des Angeklagten in seiner Eigenschaft als Beigeordneter in der Entgeltgruppe 13 mit der Erfahrungsstufe 1 erfolgt. Auch hatte keine der drei genannten Personen die Erfahrungsstufe 5 bei den Verhandlungen zum Abschluss der jeweiligen Arbeitsverträge gefordert. Der Zeuge P. hatte vorab lediglich darauf hingewiesen, dass er sich erst ab Erfahrungsstufe 4 finanziell nicht gegenüber seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit schlechter stellen würde und die Zubilligung dieser Erfahrungsstufe für ihn ein wichtiges Entscheidungskriterium für den Abschluss des Arbeitsvertrages wäre. Dass die drei Zeugen ihre Tätigkeit alle auch unter Zubilligung der Erfahrungsstufe 4 ausgeübt hätten, war dem Angeklagten bewusst. Mit der Zubilligung der Erfahrungsstufe 5 verfolgte der Angeklagte unter anderem das Ziel, den Zeugen entgegenzukommen, um sie künftig an sich zu binden , und sie gleichzeitig für die im Wahlkampf geleistete Unterstützung zu belohnen. Nach der in der Verwaltung der Stadt H. geübten Verwaltungspraxis wurde bei zeitlich befristeten Verträgen im Regelfall allenfalls die Erfahrungsstufe 3 als höchste Stufenzuordnung vergeben. Gleichwohl machte der Angeklagte seine Beweggründe für die höhere Einstufung nicht aktenkundig.
7
Erst mit Schreiben vom 11. Dezember 2012 unterbreitete der Angeklagte ohne nähere Begründung die vorgenommenen Einstellungen mit der dazugehörigen Stufenzuordnung dem Personalrat, der der Zubilligung der Erfahrungsstufe 5 umgehend widersprach, da er die erforderlichen Nachweise für diese Zuordnung in keinem der drei Fälle als erbracht ansah. Eine Einigung über die Einstufung der drei Zeugen zwischen dem Angeklagten und dem Personalrat kam auch in der Folgezeit nicht zustande. Letztlich setzte sich der Angeklagte, der die Probezeit der drei neu eingestellten Mitarbeiter mit Wirkung zum 30. April 2013 vorzeitig für beendet erklärt hatte, mit der Abgabe einer sog. qualifizierten Begründung nach § 62 Abs. 7 Satz 2 PersVG des Landes SachsenAnhalt , die in seinem Auftrag eine Rechtsanwältin, die Zeugin K. , unter dem 30. Mai 2013 vorbereitete, über die Einwände des Personalrates hinweg, sodass es bei der Zubilligung der Erfahrungsstufe 5 bei allen drei Zeugen verblieb.
8
3. Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Untreue aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Untreue im Sinne von § 266 StGB in Form der sogenannten Haushaltsuntreue komme nur in Fällen evidenter Pflichtverletzungen in Betracht, also dann, wenn eine sachlich nicht gerechtfertigte und damit unangemessene Gegenleistung gewährt werde. Eine danach erforderliche gravierende Pflichtverletzung habe dem Angeklagten nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden können. Bei der Entscheidung über die Einstufung der drei Mitarbeiter in Erfahrungsstufe 5 habe der Angeklagte in Übereinstimmung mit § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD (VKA) gehandelt; insbesondere seien alle drei Einstellungen zur Deckung des Personalbedarfs im Sinne dieser Vorschrift erfolgt. Danach sei der Angeklagte befugt gewesen, Zeiten einer vorherigen Beschäftigung für die Frage der Ein- stufung zu berücksichtigen, wenn diese für die vorgesehene Tätigkeit bloß „förderlich“ gewesen seien. Bei der Beurteilung der Förderlichkeit im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD (VKA) sei ihm ein weitgehendes Ermessen eingeräumt , welche Vorbeschäftigungen er als förderlich ansehe und in welchem Maße er diese für die Einstufung heranziehe. Diesen Ermessensspielraum habe der Angeklagte im vorliegenden Fall weder grob verkannt noch bewusst um- gangen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei es zwar durchaus möglich , wenn nicht sogar naheliegend, dass sich der Angeklagte bei seiner Entscheidung über die Einstufung der drei Mitarbeiter möglicherweise auch von sachfremden Motiven habe beeinflussen lassen. Unter Weglassung sachfremder Kriterien hätte allen drei Personen eine Vergütung nach der Erfahrungsstufe 4 gewährt werden können. Es habe jedoch nicht festgestellt werden können, dass sachfremde Motive allein oder ganz wesentlich die Grundlage der Entscheidung des Angeklagten gebildet hätten. Vielmehr habe er seine Entscheidung im Wesentlichen anhand sachlicher Kriterien getroffen, die zwar im Einzelfall möglicherweise nicht ermessensfehlerfrei berücksichtigt worden seien, aber keinesfalls gravierende oder gar willkürlich erscheinende Fehler darstellten.

II.


9
Die Begründung des Landgerichts für den Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10
1. a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Untreue im Sinne von § 266 Abs. 1 Fall 2 StGB zum Nachteil der Stadt H. nur in Betracht kommt, wenn er eine ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt hat. Zu Recht hat es eine derartige Treuepflicht im vorliegenden Fall aus der Stellung des Angeklagten als (hauptamtlicher) Oberbürgermeister im Sinne von § 63 Abs. 1 GO LSA in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung vom 10. August 2009 (GVBl. LSA 2009, 383) gefolgert. Danach oblag es ihm, die Haushaltswirtschaft u.a. nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 90 Abs. 2 GO LSA aF) zu führen (vgl. BVerfG, NJW 2010, 3209, 3217, Tz. 128). Konkretisiert wurde dies zum Tatzeitpunkt u.a. auch durch die Verwaltungsvorschrift des Landes Sachsen-Anhalt zu § 7 LHO LSA, wonach das Sparsamkeitsprinzip bei allen ausgabenwirksamen Maßnahmen zu beachten war (Nr. 1 VV zu § 7 LHO LSA, RdErl. des FM v. 1. Februar 2000 – 21 – 04003/2).
11
b) Der Sparsamkeitsgrundsatz, wonach der Staat nichts „verschenken“ darf, stellt ein allgemeines Prinzip der Haushaltsführung für den gesamten öffentlichen Bereich dar, das von allen Trägern hoheitlicher Gewalt unabhängig davon zu beachten ist, auf welcher Grundlage sie tätig werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 9. Dezember 2004 – 4 StR 294/04, NStZ-RR 2005, 83; vom 26. April 2006 – 2 StR 515/05, NStZ-RR 2006, 307, und vom 29. August 2007 – 5 StR 103/07, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Pflichtwidrigkeit 4; Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, Tz. 81 f. mwN, z. Veröff. in BGHSt best.; vgl. auch Krell, Untreue durch Stellenbesetzungen, 2015, S. 69 mwN). Als rechtliche Steuerungsnorm ist er dazu bestimmt, einen äußeren Begrenzungsrahmen für den Entfaltungs- und Gestaltungsspielraum aller Hoheitsträger dahingehend zu bilden, solche Maßnahmen zu verhindern, die mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlicht unvereinbar sind (BGH, Urteile vom 9. Dezember 2004 und vom 29. August 2007, jeweils aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, Tz. 82 a.E.).
12
Er verpflichtet indes nicht zur Kostensenkung um jeden Preis. Daher ist auch für die Höhe der im Bereich der öffentlichen Verwaltung gezahlten Vergütungen ein verhältnismäßig weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum eröffnet. Einen durch den Untreuetatbestand strafbewehrten Grundsatz, wonach er der Zubilligung einer höheren Vergütung dann entgegensteht, wenn der Betreffende seine Leistung auch zu anderen, günstigeren Bedingungen erbracht hätte oder erbringen muss, kennt das deutsche Recht nicht (BGH, Urteil vom 29. August 2007 aaO). Daher überschreitet der zur Entscheidung Berufene auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung, soweit ihn öffentlich-rechtliche Vorschriften insoweit nicht begrenzen, seinen Ermessensspielraum regelmäßig nicht, wenn er eine angemessene Vergütung zahlt, und zwar auch dann, wenn der betreffende Vertragspartner auf Grund seiner persönlichen wirtschaftlichen Situation selbst zu deutlich ungünstigeren Bedingungen kontrahieren würde. Die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit bilden insoweit lediglich eine äußere Grenze (BGH aaO).
13
2. Eine solche Vorschrift, die hier den Entscheidungsspielraum des Angeklagten über die Eingruppierung der bei seinem Amtsantritt eingestellten drei Beschäftigten begrenzte, ist – was das Landgericht im Ansatz ebenfalls zutreffend erkannt hat – § 16 TVöD (VKA). Denn diese Vorschrift trifft eine für die Höhe der Vergütung von Tarifbeschäftigten relevante Regelung. Indem sie die Eingruppierung in verschiedene Erfahrungsstufen im Sinne eines RegelAusnahme -Verhältnisses vom Vorliegen jeweils unterschiedlicher Tatbestandsvoraussetzungen abhängig macht, dient sie zunächst, wie jede Vergütungsbestimmung in einem Tarifvertrag, der Vergütungsgerechtigkeit durch Schaffung eines objektivierten Gefüges (Wiedemann, Tarifvertragsgesetz, 7. Aufl., Einl. Rn. 7 unter Hinweis auf BAG, Urteil vom 24. März 2004 – 5 AZR 303/03, BAGE 110, 79, Tz. 44 mwN). Der in Bund und Kommunen am 1. Oktober 2005 in Kraft getretene TVöD sowie der TV-L für den Bereich der Länder vom 1. November 2006 hatten indes auch zum Ziel, die Entgeltsysteme im öffentlichen Dienst unter Betonung leistungsorientierter Kriterien zu flexibilisieren (vgl. dazu Winter in: Däubler (Hrsg.), Tarifvertragsgesetz, 3. Aufl., § 1, Rn. 401, 404). Ermöglicht es aber eine tarifvertragliche Bestimmung – wie hier § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD (VKA) – dem öffentlichen Arbeitgeber, diesem Gesichtspunkt bei der Eingrup- pierung eines Tarifbeschäftigten Rechnung zu tragen, ist er bei seiner auf diese Vorschrift gestützten Entscheidung seinerseits zur Einhaltung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichtet (BAG, Urteil vom 5. Juni 2014 – 6 AZR 1008/12, BAGE 148, 217, Tz. 20 zur gleichlautenden Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L).
14
3. Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe bei der Zubilligung der Erfahrungsstufe 5 für die drei eingestellten Mitarbeiter in Übereinstimmung mit § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD (VKA) gehandelt, lässt indes nicht nur besorgen, dass sie den Regelungsgehalt dieser tarifrechtlichen Bestimmung verkannt hat, sondern auch, dass sich dieser rechtlich fehlerhafte Ausgangspunkt bei der Beurteilung der Frage, ob der Angeklagte den drei Beschäftigten jeweils eine sachlich nicht gerechtfertigte, unangemessene Vergütung gewährt und damit im Sinne von § 266 StGB pflichtwidrig gehandelt hat, zu seinem Vorteil ausgewirkt hat.
15
a) Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 und 2 TVöD (VKA) werden Beschäftigte ohne einschlägige Berufserfahrung der Erfahrungsstufe 1 zugeordnet, verfügen sie über einschlägige Berufserfahrungen unter den in Satz 2 näher bestimmten Voraussetzungen , erfolgt eine Zuordnung maximal in die dritte Erfahrungsstufe. Unabhängig davon kann der Arbeitgeber nach der hier entscheidungserheblichen Bestimmung des § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD (VKA) bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist.
16
b) Schon die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe die hier in Rede stehenden Einstellungen in Erfahrungsstufe 5 „zur Deckung des Per- sonalbedarfs“ im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD (VKA) vorgenommen, be- gegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
17
aa) Nach der insoweit einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD (VKA) reine Rechtsanwendung. Bei den Merkmalen der bezweckten Deckung eines Personalbedarfs – ebenso wie bei der Bewertung der Förderlichkeit einer vorherigen beruflichen Tätigkeit – handelt es sich daher um eine Tatbestandsvoraussetzung. Erst wenn diese beiden einschränkenden Voraussetzungen objektiv erfüllt sind, wird dem Arbeitgeber auf der Rechtsfolgenseite Ermessen eröffnet (vgl. nur BAG, Urteil vom 5. Juni 2014 – 6 AZR 1008/12, BAGE 148, 217 mwN zur gleichlautenden Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L). Das Tatbestands- merkmal „zurDeckung des Personalbedarfs“ ist nur dann erfüllt, wenn der Arbeitgeber tatsächlich Schwierigkeiten bei der Gewinnung von Personal für die Besetzung einer bestimmten Stelle hat (BAG, Urteil vom 26. Juni 2008 – 6 AZR 498/07, ZTR 2008, 547, Tz. 29). Dies liegt etwa auch dann vor, wenn die für eine Stelle in Aussicht genommene Person nicht bereit ist, diese ohne Zubilligung einer bestimmten Erfahrungsstufe anzutreten (vgl. LAG Baden-Württemberg , Urteil vom 21. März 2011 – 22 Sa 76/10, ZTR 2011, 426, Tz. 102).
18
bb) Bereits daran fehlt es hier nach den im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen.
19
Das Landgericht hat eine derartige Schwierigkeit, Personen für die Besetzung der drei im Haushaltsplan vorhandenen Stellen zu gewinnen, gerade nicht festgestellt. Zwar waren die Bemühungen des Angeklagten zur Gewinnung von Kandidaten für die Stellen aus dem Kreis der bei der Stadt H. Beschäftigten erfolglos. Mit den Zeuginnen E. und W. sowie dem Zeugen P. standen indes Anwärter für die Stellen zur Verfügung; deren Einstellung sollte auch erfolgen. Auch hatte nur einer von ihnen, der Zeuge P. , die Zubilligung einer bestimmten Erfahrungsstufe – Stufe 4 – als Bedingung für den Abschluss des Arbeitsvertrages konkret gefordert. Damit war bereits die erste Voraussetzung für die Anwendung von § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD (VKA) unter Zubilligung der Erfahrungsstufe 5 nach den Feststellungen nicht gegeben.
20
c) Ungeachtet dessen hält auch die weitere Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe die Zubilligung der Erfahrungsstufe 5 vornehmen können, da alle drei Beschäftigten in der Vergangenheit berufliche Tätigkeiten ausgeübt hätten, die im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD (VKA) für die vorgesehenen Tätigkeiten „förderlich“ seien, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
21
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommen als förderliche vorherige berufliche Tätigkeiten in erster Linie gleichartige und gleichwertige Tätigkeiten in Betracht, die der Arbeitnehmer bei einem anderen öffentlichen oder privaten Arbeitgeber ausgeübt hat. Förderlichkeit kann insbesondere anzunehmen sein, wenn die frühere berufliche Tätigkeit mit der auszuübenden Tätigkeit in sachlichem Zusammenhang steht und die dabei erworbenen Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen für die Erfüllung der auszuübenden Tätigkeit offenkundig von Nutzen sind. Auch eine selbstständige Tätigkeit kann danach eine förderliche berufliche Tätigkeit sein (vgl. zu alledem BAG, Urteile vom 5. Juni 2014 – 6 AZR 1008/12, BAGE 148, 217, Tz. 30; vom 19. Dezember 2013 – 6 AZR 94/12, Tz. 58, und vom 21. November 2013 – 6 AZR 23/12, ZTR 2014, 148, Tz. 53).

22
bb) Gemessen daran wird die dahingehende Annahme des Landgerichts, die sich letztlich nur auf die ungeprüft übernommene Einlassung des Angeklagten und die von ihm veranlasste sog. qualifizierte Begründung im Rahmen des personalvertretungsrechtlichen Einigungsverfahrens stützt, nicht hinreichend belegt. Nach den getroffenen Feststellungen versteht sich dies im Hinblick auf alle drei betroffenen Personen auch nicht von selbst. Es kommt hinzu, dass das Landgericht nicht ausschließbar die Auffassung vertreten hat, dem Angeklagten stünde bereits bei der Bejahung des Merkmals der Förderlichkeit ein „weitge- hendes“ Ermessen zu. Dies trifft jedoch, wie oben näher ausgeführt,nicht zu, weil es sich insoweit um reine Rechtsanwendung auf der Tatbestandsseite von § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD (VKA) handelt.
23
Danach beruht der Freispruch des Angeklagten in entscheidungserheblichen Punkten auf der rechtlich unzutreffenden Bewertung derjenigen Tatbestandsmerkmale von § 16 Abs. 2 Satz 3 TVöD (VKA), die dem Angeklagten erst die Möglichkeit eröffneten, über die Eingruppierung der drei Beschäftigten in einer über der Stufe 3 liegenden Erfahrungsstufe zu befinden.
24
4. Der Freispruch des Angeklagten erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis rechtsfehlerfrei.
25
Tragfähige Feststellungen zu einem der Stadt H. als Anstellungskörperschaft möglicherweise entstandenen Vermögensschaden hat das Landgericht, da es bereits das Vorliegen einer Pflichtverletzung verneint hat, nicht getroffen. Der Senat vermag dem angefochtenen Urteil schon im Hinblick auf die Erwägungen zu dem durch die Zubilligung der Erfahrungsstufe 5 not- wendig gewordenen erhöhten Mittelabfluss aus dem Haushalt der Stadt H. nicht zu entnehmen, dass ein solcher Schaden unter keinem denkbaren Gesichtspunkt entstanden sein kann.

III.


26
Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
27
1. Sollte der neue Tatrichter im Hinblick auf die Begleitumstände der Zubilligung der Erfahrungsstufe 5 für alle drei Beschäftigten zu Feststellungen gelangen , die denen des angefochtenen Urteils entsprechen, wird er in einer Gesamtbetrachtung zu bewerten haben, ob diese die Annahme einer Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB stützen können oder jedenfalls für die Beurteilung der subjektiven Tatseite von Bedeutung sind. Dabei wird gegebenenfalls in den Blick zu nehmen sein, dass der Angeklagte bestehende Ausschreibungsvorschriften nicht beachtete, die für die Einstufung maßgeblichen Gründe nicht dokumentierte, ferner die verspätete Zuleitung unvollständiger Bewerbungsunterlagen an das Personalamt der Stadt, die Nichtbeteiligung des Personalrats, die vorfristige Verkürzung der vorgesehenen Probezeiten und der Umstand, dass der Angeklagte – nach den Feststellungen in Abweichung von der üblichen Verfahrensweise – die Zubilligung der Erfahrungsstufe unmittelbar in den Arbeitsverträgen festschrieb.
28
2. Bei der Berechnung eines der Stadt H. möglicherweise entstandenen Vermögensschadens wird Folgendes zu bedenken sein:
29
Maßgeblich für die Feststellung eines derartigen Schadens ist ein Vergleich des Vermögensstandes der Stadtverwaltung vor dem Abschluss der drei Arbeitsverträge mit dem Vermögensstand danach. Danach könnte jedenfalls die Feststellung eines Mindestschadens in Höhe der Differenzbeträge zwischen einer möglicherweise maximal zu bewilligenden Erfahrungsstufe 4 und der tatsächlich bewilligten Stufe 5 sowie der dadurch letztlich veranlasste Mittelabfluss aus dem Haushalt in Betracht zu ziehen sein. Im Übrigen verweist der Senat auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Schadensberechnung in derartigen Fällen (vgl. nur BGH, Urteil vom 4. Mai 1962 – 4 StR 71/62, BGHSt 17, 254, 256).

IV.


30
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an die Wirtschaftsstrafkammer eines anderen Landgerichts zurückzuverweisen.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 17/15
vom
26. November 2015
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
__________________________________
AEUV Art. 107 ff.; StGB § 266 Abs. 1; HGB § 54; VV-LHO RP § 39 Ziff. 5 Satz
2
1. Ein Mitglied des Aufsichtsrats einer GmbH trifft die Pflicht im Sinne des Untreuetatbestands
, das Vermögen der Gesellschaft zu betreuen. Es verletzt
diese Pflicht u.a. dann, wenn es mit einem leitenden Angestellten der Gesellschaft
bei einem das Gesellschaftsvermögen schädigenden, die Grenzen
der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit überschreitenden Fehlverhalten
zusammenwirkt.
2. § 39 Ziff. 5 Satz 2 der Vorschriften zum Vollzug der Landeshaushaltsordnung
Rheinland-Pfalz schützt die Vermögensinteressen des Haushaltsgebers.
3. Zu der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht und dem Eintritt eines
Vermögensnachteils bei der Übernahme von Bürgschaftsverpflichtungen für
ein Bundesland durch dessen Finanzminister.
4. Ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorschriften zur Gewährung von
Beihilfen begründet keine Pflichtverletzung im Sinne des UntreuetatbestanECLI
:DE:BGH:2015:261115B3STR17.15.0
des; denn diese Regelungen dienen nicht dem Schutz des Vermögens des
Beihilfegebers, sondern dem des europäischen Binnenmarktes vor Wettbewerbsverzerrungen.
5. Zu den Darlegungsanforderungen bezüglich der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht
, wenn dem Angeklagten eine Handlungsvollmacht für die
Gesellschaft erteilt wurde.
BGH, Beschluss vom 26. November 2015 - 3 StR 17/15 - LG Koblenz
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Untreue u.a.
hier: Revisionen der Angeklagten D. , K. und N.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - mit Ausnahme der Aufhebung des Urteils
in den Fällen IV.2 und 7 der Urteilsgründe auf dessen Antrag - am
26. November 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1, § 357 Satz 1
StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 16. April 2014 aufgehoben
a) soweit es den Angeklagten D. betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen in den Fällen IV.8 und 9
a) bis c) sowie e) bis j) der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Fall IV.8 der Urteilsgründe mit Ausnahme derjenigen zum Vermögensnachteil aufrechterhalten ;
b) soweit es den Angeklagten K. betrifft, aa) im Fall IV.2 der Urteilsgründe und der Angeklagte insoweit freigesprochen; die diesbezüglichen Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse; bb) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen im Fall IV.8 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe ; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Fall IV.8 der Urteilsgründe mit Ausnahme derjenigen zum Vermögensnachteil aufrechterhalten ;
c) soweit es den Angeklagten N. betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen in den Fällen IV.7 und 8 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Fall IV.8 der Urteilsgründe mit Ausnahme derjenigen zur Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht und zum Vermögensnachteil aufrecht erhalten;
d) soweit es die Mitangeklagten M. und W. betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen in den Fällen IV.9 a) bis c) und e) bis j) der Urteilsgründe. Im Umfang der Aufhebung - mit Ausnahme des Teilfreispruchs des Angeklagten K. - wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. unter Freispruch im Übrigen wegen Untreue in vierzehn Fällen und falscher uneidlicher Aussage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen die Angeklagten K. und N. hat die Strafkammer wegen Untreue in sieben ( K. ) bzw. vier (N. ) Fällen Bewährungsstrafen verhängt und sie im Übrigen freigesprochen. Die nicht revidierenden Mitangeklagten M. und W. hat das Landgericht jeweils unter Freispruch im Übrigen wegen Untreue in neun Fällen verwarnt und die Verurteilung von Geldstrafen vorbehalten. Mit ihren Revisionen wenden sich die Beschwerdeführer gegen ihre Verurteilungen und rügen die Verletzung materiellen Rechts; die Angeklagten D. und K. beanstanden zudem das Verfahren. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen waren die revidierenden Angeklagten im Tatzeitraum in unterschiedlicher Funktion bei der Nürburgring GmbH tätig. Der Angeklagte K. war deren Geschäftsführer; der Angeklagte D. war damals Finanzminister des Landes Rheinland -Pfalz und seit dem Jahr 2006 Vorsitzender des satzungsmäßig eingerichteten Aufsichtsrats. Der Angeklagte N. war Leiter der Controlling-Abteilung. Er war direkt dem gesondert verfolgten Finanzdirektor und Prokuristen L. unterstellt sowie selbst Vorgesetzter unter anderem des Zeugen De. . Ihm war "Handlungsvollmacht nach § 54 HGB" erteilt. Nach internen Regelungen durfte er Verpflichtungen - mit entsprechender Befugnis zur Freigabe - bis zu einem Umfang von 20.000 € eingehen, bei Beträgen über 5.000 € allerdings nur ge- meinsam mit einem Direktor wie etwa L. . Zu seinem Aufgabenkreis gehörte es weiter, die inhaltliche und sachliche Richtigkeit von eingehenden Rechnungen zu überprüfen. Die Geschäftsanteile an der Nürburgring GmbH hielten zu 90% das Land Rheinland-Pfalz und zu 10% der Landkreis Ahrweiler. Den Verurteilungen liegen Vorgänge zugrunde, die sich im Rahmen des Ausbauprojektes "Nürburgring 2009" zutrugen:
3
1. Der Nürburgring ist eine traditionsreiche, in einer strukturschwachen Region des Landes Rheinland-Pfalz gelegene Rennstrecke, die von der Nürburgring GmbH verwaltet wird. Bereits seit Jahrzehnten wurde versucht, das Angebot am Nürburgring um andere Freizeitmöglichkeiten neben dem Rennbetrieb zu erweitern. Aus diesen Bestrebungen entstand das Ausbauprojekt "Nürburgring 2009", mit dem der Nürburgring zu einem Freizeit-, Business- und Erlebniszentrum mit ganzjährigen, wetterunabhängigen Angeboten entwickelt werden sollte. Das Ausbauprojekt gliederte sich in zwei Bereiche: Bereich I umfasste die Bauprojekte "ringBoulevard", "Warsteiner-Event Center", "ringWerk" und "ringArena"; das Teilprojekt Bereich II betraf den Ausbau der Hotel- und Gastronomieanlagen. Finanziert werden sollte das Vorhaben durch private Investoren , wobei sich die geschätzten Investitionskosten zunächst auf 135 Mio. € für Bereich I und auf 95 Mio. € für den Bereich II beliefen. Die Suche nach Privatinvestoren gestaltete sich allerdings für beide Teilprojekte schwierig.
4
Mitte des Jahre 2006 stellten die Zeugen B. und Me. ein Finanzierungskonzept für den Bereich I des Ausbauprojektes vor. Dieses hatte im Wesentlichen folgenden Inhalt: Die von den Zeugen gehaltene I. (I. ) S.A. (im Folgenden: I. S.A.) zahlt an die Nürburg- ring GmbH 135 Mio. €. Im Gegenzug wird der I. E. GmbH, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der I. S.A., ein Nießbrauchsrecht an den bebauten Grundstücken und Betriebseinrichtungen eingeräumt, welche sie sodann an die Nürburgring GmbH rückvermietet. Der Mietvertrag läuft über 27 Jahre; die Grundmiete beträgt pro Jahr 5 Mio. €, so dass die Investitionssumme am Ende der Gesamtlaufzeit den Grundmieteinnahmen entspricht. Eine Kündigung durch die Nürburgring GmbH ist frühestens nach elf Jahren möglich, wobei in diesem Fall eine "Optionsgebühr" und auf Grundlage einer festgelegten Formel eine Entschädigung zu zahlen ist, die im Wesentlichen der noch offe- nen Mietzinszahlung für die verbleibende Laufzeit entspricht. Der wirtschaftliche Vorteil dieses Konzepts lag für die Nürburgring GmbH darin, dass ihr die Investitionssumme zinsfrei zur Verfügung gestellt würde. Rein rechnerisch ergab sich bereits bis zum Zeitpunkt der frühestmöglichen Kündigung nach elf Jahren ein Zinsvorteil von 33 Mio. €. Zusätzlich garantierte die I. S.A.auf die im Falle einer vorzeitigen Kündigung zu leistenden Entschädigung einen festen Abzugs- betrag in Höhe von 30 Mio. €. Wirtschaftlich betrachtet wären der I. S.A.da- mit im Fall einer Kündigung nach elf Jahren Zinseinnahmen in Höhe von 33 Mio. € entgangen und zusätzlich ein Verlust von 30 Mio. € entstanden.
5
Die I. S.A. bzw. die hinter dieser stehenden B. und Me. wollten ihre Gewinne durch eine Refinanzierung des Investitionskapitals erwirtschaften. Hierzu planten sie, nach dem sog. Senior-Life-Settlements-Modell auf dem USMarkt in einem Volumen von 1,2 Mrd. US-Dollar notleidend gewordene Lebensversicherungen zu einem Bruchteil von deren Nominalablaufwert aufzukaufen. Nach US-amerikanischem Versicherungsrecht erhält der Versicherungsnehmer bei einer Einstellung der Prämienzahlungen keine Leistungen aus dem Vertrag, weshalb es bei drohendem Zahlungsausfall günstiger ist, die Versicherung an einen Aufkäufer zu übertragen, der die restlichen Prämienzahlungen übernimmt. Da der Ausfall der Prämienzahlung seitens der Versicherungen bereits in die Prämienhöhe einkalkuliert wird, erlangt der Investor bei erfolgreicher Durchführung einen im Verhältnis zur Prämienzahlung relativ hohen Betrag. Allerdings sahen die US-amerikanischen Bestimmungen vor, dass ein Aufkauf derartiger Lebensversicherungspolicen durch NichtVersicherungsunternehmen wie der I. S.A. nur in Verbindung mit einem Immobiliengeschäft rechtlich zulässig war. Als ein solches werteten B. und Me. die Beteiligung am Ausbauprojekt "Nürburgring 2009". Da die I. S.A.
die Investitionssumme von 1,2 Mrd. US-Dollar nicht aufbringen konnte, benötigte sie ihrerseits einen Investor, der bereit war, das Projekt zu finanzieren.
6
Im August 2006 schlossen die Nürburgring GmbH und die I. S.A. einen Projektfinanzierungs- und Entwicklungsvertrag, dessen Gegenstand unter anderem die Vermittlung eines Investors durch die I. S.A. war. Dies gelang B. und Me. zunächst allerdings nicht. Im weiteren Verlauf schlossen die Nürburgring GmbH und die I. Gesellschaft mbH (im Folgenden: I. GmbH), eine Tochtergesellschaft der I. S.A., am 27. März 2007 einen Vorvertrag. Hierin verpflichtete sich die Nürburgring GmbH zur pauschalen Erstattung von Vorlaufkosten, die der I. GmbH durch die Suche nach einem Investor bzw. durch die Vermittlung der Finanzierung entstehen würden. Der Vertrag sah monatliche Pauschalzahlungen in Höhe von 20.000 € vor und war zunächst bis zum 31. Dezember 2007 befristet. In der Folgezeit wurde er durch vier Nachträge bis zum 30. September 2008 verlängert , wobei die monatliche Zahlungsverpflichtung zuletzt 40.000 € betrug. Am 2. September 2007 schlossen die Nürburgring GmbH und die I. S.A. zudem eine Provisionsvereinbarung, wonach die I. S.A. für die erfolgreiche Vermittlung der Projektfinanzierung ein Erfolgshonorar in Höhe von 5 Mio. € erhalten sollte. Der Vertrag sah u.a. vor, dass die erste Rate in Höhe von 1 Mio. € des Erfolgshonorars erst nach dem tatsächlichen Eingang der ersten Finanzierungsrate fällig war; die aufgrund des Vorvertrages vom 27. März 2007 von der Nürburgring GmbH erbrachten Zahlungen sollten auf die Provision angerechnet werden.
7
Im Jahr 2008 zeigte sich der gesondert verfolgte Ba. , der in der Folgezeit unter seiner Firma B&B (im Folgenden: B&B ) handelte, an einem Engagement in dem Teilprojekt Bereich I interessiert und unterbreitete verschiedene Finanzierungsangebote. Das dritte Finanzierungsangebot war gerichtet an die I. S.A. und sah eine Investition über 1,2 Mrd. US-Dollar vor, die unter der Bedingung stand, dass die I. S.A. eine Einlage über 10% der Finanzierungssumme - mithin 120 Mio. US-Dollar - für eine Laufzeit von 14 Monaten erbringt. Dieses Finanzierungskonzept verfolgten die Beteiligten weiter, wobei die von der I. S.A. zu leistende Bareinlage schließlich 80 Mio. € betragen sollte. Im Juni 2008 unterrichtete D. den Auf- sichtsrat umfassend über das geplante Finanzierungskonzept. Ende Juni 2008 übermittelte die Geschäftsführung den Aufsichtsratsmitgliedern Entwürfe eines Nießbrauchsvertrages, eines Generalübernehmervertrages, eines Mietvertrages und eines Optionsvertrages; hiermit verbunden war der Antrag auf Zustimmung zum Abschluss des Vertragswerks. Am 1. Juli 2008 fasste der Aufsichtsrat folgenden Beschluss: "Der Aufsichtsrat beauftragt und ermächtigt die Geschäftsführung, alle notwendigen Verträge und sonstigen Vereinbarungen mit der I. , deren Vertretern oder mit der I. verbundenen Gesellschaften abzuschließen, um eine Finanzierung des Projektes Nürburgring 2009 zu realisieren…"
8
Grundlage des Beschlusses war § 7 Abs. 1 und 3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages der Nürburgring GmbH (im Folgenden: GesV). § 7 GesV lautete: "§ 7 Zustimmungsbedürftige Geschäfte Abs. 1: Die Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer erstreckt sich nur auf Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsverkehr mit sich bringt. Für alle darüber hinaus gehenden Handlungen ist die vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats einzuholen.

Abs. 2: Der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen in jedem Fall: … Abs. 3: Der Aufsichtsrat kann sich die vorherige Zustimmung zu bestimmten anderen Arten von Geschäften vorbehalten. Er kann widerruflich seine Einwilligung zu Geschäften, die seiner Zustimmung bedürfen , allgemein unter der Voraussetzung erteilen, dass die von ihm gemachten Auflagen erfüllt sind."
9
Am 31. Juli 2008 entschied D. im Rahmen eines Gesprächs im Finanzministerium mit weiteren an der Finanzierung beteiligten Personen , dass die nach den bisherigen Verträgen von der I. S.A. zu leistende Bareinlage in Höhe von 80 Mio. € von der Nürburgring GmbH erbracht werden sollte, da die I. S.A. hierzu finanziell nicht in der Lage war; die mit der erforderlichen Darlehensaufnahme verbundenen Zinsen sowie die mit der Anlage der Bareinlage verbundenen Bankspesen sollten nach seiner Entscheidung ebenfalls von der Nürburgring GmbH übernommen werden. Den für die Zahlung der Bareinlage erforderlichen Betrag sollte die Nürburgring GmbH darlehensweise aus Landesmitteln über den sog. Liquiditätspool erhalten, der bei dem Kreditreferat des Ministeriums für Finanzen eingerichtet war; diesbezüglich gab D. einem Mitarbeiter des Finanzministeriums vor, dass die Zahlung aus dem Liquiditätspool "unter Bilanzebene" abgewickelt werden sollte ; dementsprechend fand das Darlehen in der Bilanz der Nürburgring GmbH keine Erwähnung.
10
2. Vor dem geschilderten Hintergrund kam es u.a. zu den folgenden Handlungen:
11
a) In die Vorgänge um die Zahlung der von der I. S.A. geschuldeten, jedoch von der Nürburgring GmbH erbrachten Bareinlage in Höhe von 80 Mio. € war die Rechtsanwaltskanzlei C. eingebunden. Ende August 2008 regte sie wegen der verschärften Regelungen zur Geldwäsche an, das Landeskriminalamt einzubinden und prüfen zu lassen, ob es Erkenntnisse oder Verdachtsmomente gegen die an der geplanten Anlage des Bardepots über 80 Mio. € Beteiligten gebe. D. bat daraufhin den damaligen Landesinnenminister Br. um eine entsprechende Überprüfung. Zudem stellte er eigene Internetrecherchen an; dabei stieß er auf Gerüchte einer Verbindung zwischen der I. S.A. und einem mexikanischen Drogenkartell. Dies teilte er am Rande einer Aufsichtsratssitzung am 2. September 2008 K. mit. Am Morgen des 8. September 2008 bestätigte Innenminister Br. D. den Verdacht, dass die I. S.A. zum Umfeld eines mexikanischen Drogenkartells gehöre. Hintergrund war, dass im Handelsregister von Luxemburg zwei irische Firmen als Aktionäre der I. S.A. eingetragen waren; beide Firmen waren auch Aktionäre einer Gesellschaft, in der eine zu den wichtigsten Drahtziehern der mexikanischen Drogenmafia zählende Familie ihre Geschäfte bündelte.
12
Es folgte eine Sitzung im Finanzministerium, an der D. , der Zeuge Dr. von der Kanzlei C. und L. teilnahmen. Die Beteiligten kamen überein, dass ein sofortiges Ende der Geschäftsbeziehung zur I. S.A. erforderlich sei, wenn die Gerüchte über deren Beziehung zur mexikanischen Drogenmafia nicht zügig und umfassend widerlegt werden könnten. D. befürchtete bei deren Ausbreitung einen großen Imageschaden für das Land Rheinland-Pfalz und das Projekt "Nürburgring 2009". Konfrontiert mit den Vorwürfen bestritt Me. jedoch eine bestehende Verbindung zu einem Drogenkartell; die beiden irischen Firmen seien - was sich zehn Tage später bestätigte - lediglich Aktionäre des erworbenen Firmenmantels gewesen. Die Forderung, neue und von dem Verdacht unbelastete Gesellschaften zu gründen, die in die mit der Nürburgring GmbH bestehenden Verträge eintreten sollten, lehnte er wegen der entstehenden Gründungskosten ab. Daraufhin fassten K. sowie L. den Entschluss, die Nürburgring GmbH die Kosten der gewünschten Neugründung einer Gesellschaft, der P. S.A., tragen zu lassen.
13
Noch am 8. September 2008 unterschrieb Me. für die I. GmbH einen Vertrag, nach dem die Nürburgring GmbH die Gründungskosten für die "P. S.A." in Höhe von netto 45.000 € tragen sollte. Die Kosten sollten im Falle einer erfolgreichen Vermittlung der Finanzierung auf den Provisionsanspruch aus dem mit der I. S.A. geschlossenen Vertrag vom 2. September 2007 angerechnet werden. Am selben Tage stellte Me. der Nürburgring GmbH für die I. GmbH den Betrag von 53.550 € (45.000 € netto) in Rechnung. Der Betrag wurde ausgezahlt, nachdem K. und L. die Rechnung als "sachlich und rechnerisch richtig" abgezeichnet hatten. Einen Tag später gründeten Me. und B. vereinbarungsgemäß die P. S.A. und darüber hinaus nach deutschem Recht die P. GmbH. Die Gesellschaften traten kurze Zeit später für die I. S.A. und die I. E. GmbH in die mit der Nürburgring GmbH bestehenden Verträge ein (Fall IV.2 der Urteilsgründe).
14
b) Während dieser Vorgänge wurde die Umsetzung des Finanzierungskonzeptes weiter vorangetrieben. So kündigte N. am 22. September 2008 gegenüber der Schweizer Bank LLB die Überweisung von 80 Mio. € an. Am selben Tag stellte die I. GmbH der Nürburgring GmbH "… gemäß dem ge- schlossenen Vorvertrag" für den Monat Oktober 2008 eine Aufwandsentschä- digung in Höhe von 40.000 € nebst 19% Umsatzsteuer in Rechnung. Nach Ein- gang der Rechnung am 23. September 2008 fassten K. und N. sowie L. den Entschluss, diese Rechnung durch die Nürburgring GmbH begleichen zu lassen. Ihnen war bewusst, dass keine Verpflichtung zur Übernahme dieser Kosten bestand, da der Vorvertrag bis zum Monat September 2008 begrenzt war und auch der vierte Nachtrag zum Vorvertrag eine Aufwandsentschädigung nur bis zum 30. September 2008 vorgesehen hatte. Gleichwohl zeichneten alle drei die Rechnung als sachlich und rechnerisch richtig ab. In weiterer Ausführung des Tatplans veranlassten K. und L. die Auszahlung der in Rechnung gestellten Aufwandsentschädigung. Der Aufsichtsrat der Nürburgring GmbH war mit der Zahlung nicht befasst. Erstattungsfähige Aufwendungen hatten B. und Me. bzw. die I. GmbH im Oktober 2008 nicht (Fall IV.3 der Urteilsgründe).
15
c) Obwohl die von Ba. geforderte Bareinlage in Höhe von 80 Mio. € am 24. September 2008 bei der LLB/Schweiz verbucht und angelegt worden war, kam die Finanzierung nicht zustande: Zunächst hielt Ba. unter anderem eine vertraglich vereinbarte Frist von drei Tagen zum Nachweis eines Investors nicht ein; sodann verschwand er zwischen dem 20. Oktober und 9. November 2008 spurlos. Schließlich wurde die erste Finanzierungsrate auch nach seinem Wiederauftauchen trotz mehrfacher Aufforderung nicht gezahlt.
16
Noch im Jahr 2008 präsentierte Ba. jedoch weitere angebliche Investoren , so u.a. die Ölgesellschaft T. und die A. AG. Eine Überprüfung der Gesellschaften durch die RechtsanwaltskanzleiR. ergab jedoch in beiden Fällen Bedenken, weil sich die ermittelbaren wirtschaftlichen Verhältnisse der Unternehmen nicht so wie von Ba. vorge- geben darstellten. Die Bestrebungen zur Finanzierung des Ausbauprojektes "Nürburgring 2009" konkretisierten sich gleichwohl wieder. Dabei forderte Ba. erneut, dass eine Bareinlage in Höhe von nunmehr 95 Mio. € erbracht werden müsse. Diese wurde ebenfalls von der Nürburgring GmbH geleistet , durch die darlehensweise Inanspruchnahme öffentlicher Mittel finanziert und im März 2009 bei der Liechtensteinischen Landesbank angelegt.
17
Ende April 2009 fand eine Telefonkonferenz zwischen D. und N. sowie L. , B. und Me. statt. Hintergrund war eine zuvor durchgeführte Prüfung des Finanzierungskonzeptes durch eine Schweizer Wirtschaftskanzlei und eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Hierbei hatte sich ergeben, dass der im Rahmen des Finanzierungskonzeptes zwischen der P. S.A. und B&B zu schließende Darlehensvertrag über 165 Mio. € negative ertragssteuerliche Konsequenzen für die P. S.A. gehabt hätte. Me. forderte daraufhin, dass die Ertragssteuer entweder vom Land Rheinland-Pfalz oder der Nürburgring GmbH übernommen werden müsse. Dies lehnte D. ab; er ging aber auf den Vorschlag ein, dass zum Erhalt steuerlicher Vorteile seitens B. und Me. eine Schweizer Aktiengesellschaft gegründet werden sollte. Die Gründungskosten in Höhe von 100.000 € sollte die Nürburgring GmbH tragen. Dabei erklärte D. , dass der Betrag von 100.000 € nicht in Verbindung mit der Gesellschaftsgrün- dung gebracht werden dürfe; auch müsse der Betrag auf das später etwaig zu zahlende Erfolgshonorar angerechnet werden.
18
Unter dem 30. April 2009 ging daraufhin eine Rechnung der I. GmbH bei der Nürburgring GmbH ein, mit der die I. GmbH "für erbrachte Leistungen in den Monaten Juni, Juli und August 2008" ein "Honorar" von netto 100.000 € berechnete. Die Rechnung zeichneten K. und L. entsprechend ih- rem zuvor gefassten gemeinsamen Entschluss als sachlich und rechnerisch richtig ab und gaben sie zur Zahlung frei. Im Juni 2009 gründeten B. und Me. nach schweizerischem Recht die G. AG. Der Aufsichtsrat der Nürburgring GmbH war mit der Zahlung nicht befasst (Fall IV.5 der Urteilsgründe

).


19
d) Im Mai 2009 sprach Me. anlässlich eines Treffens in der Schweiz L. auf die Zahlung einer Aufwandsentschädigung in Höhe von 50.000 € an. L. unterrichtete hierüber telefonisch D. ; gemeinsam entschieden beide, dass die Nürburgring GmbH den Betrag zahlen solle. Daraufhin ging am 22. Mai 2009 eine Rechnung der sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Liquidationsstadium befindlichen I. GmbH ein; die Rechnung lautete auf netto 50.000 € und wies als Gegenstand "erbrachte Leistungen in den Monaten September 2008" aus, obwohl die nach dem Vorvertrag geschuldete Aufwandsentschädigung für den Monat September 2008 bereits im August 2008 gezahlt worden war. Gleichwohl zeichneten K. , der in Kenntnis aller Umstände ebenfalls zur Zahlung entschlossen war, sowie L. die Rechnung als "sachlich und rechnerisch geprüft" ab und veranlassten hierdurch die Auszahlung (Fall IV.6 der Urteilsgründe).
20
e) Anfang Juni 2009 hielten sich B. , Me. , L. und N. im Hotel Do. in Z. auf. Im Laufe eines gemeinsamen Gesprächs rief Me. D. an und begehrte unter Hinweis auf nicht näher spezifi- zierte Aufwendungen eine Zahlung in Höhe von 150.000 €. D. stimmte der Zahlung zu. Hierauf machte N. gegenüber L. deutlich, dass der pauschale Aufwendungsersatz aus seiner Sicht nicht nachvollziehbar sei, zumal die Nürburgring GmbH bereits bisher angefallene Kosten für Flug, Hotel und Spesen in Höhe von 78.000 € für B. und Me. beglichen habe. L.
reagierte jedoch unwirsch und verwies auf die Zustimmung von D. .
21
Bereits vor Eingang einer Rechnung rief N. darauf den ihm bei der Nürburgring GmbH unterstehenden Zeugen De. an und "wies ihn an, den Betrag per Blitzüberweisung auf das bekannte Konto der I. GmbH zu überweisen". De. ließ daraufhin von der entsprechenden Abteilung die Überweisung zur Unterschrift durch K. vorbereiten. Hiernach legteN. K. die Auszahlungsanordnung zur Unterschrift vor, wies jedoch erneut auf seine Bedenken hin. Dieser unterschrieb gleichwohl die Auszahlungsanordnung und veranlasste hierdurch die Zahlung. Erst danach ging am 20. Juli 2009 die auf den 15. Juni 2009 datierende und auf den Nettobetrag von 150.000 € lautende Rechnung der I. GmbH bei der Nürburgring GmbH ein. Als Gegenstand wurden dort seitens der I. GmbH "erbrachte Leistungen in den Monaten Oktober und November 2008" ausgewiesen. Gesondert abrechnungsfähige Aufwendungen hatten B. und Me. indes nicht gehabt (Fall IV.7 der Urteilsgründe

).


22
f) Nachdem B. und Me. die G. AG gegründet hatten , sollte die Finanzierung mit Ba. umgesetzt werden. Bereits im Mai 2009 hatte Ba. als neuen Investor die amerikanische Gesellschaft G. A. (im Folgenden: GA. ) ins Spiel gebracht und die Kopie eines Kontoauszugs überreicht, wonach die Gesellschaft die Anweisung erteilt hatte, 100 Mio. US-Dollar auf ein mit der Bezeichnung "B&B Nürburgring" geführtes Unter-Konto zu überweisen. Hinter der GA. sollte ein Investor namens Du. stehen. Du. war nach den Angaben Ba. s auch "Geschäftsführer" der M. A. (im Folgenden: MA. ), die im weiteren Verlauf neben der GA. zusätzlich in die Finanzierung einge- bunden würde. Im Zuge der abschließenden Verträge fertigte der von der Nürburgring GmbH beauftragte Rechtsanwalt Lü. eine Zahlungsvereinbarung , mit der die genaue Zahlungshöhe und -weise des durch Ba. zur Verfügung gestellten bzw. beschafften Finanzierungskapitals an die Nürburgring GmbH und die Gesellschaften der I. - bzw. P. -Gruppe geregelt werden sollte. Am 29. Juni 2009 übermittelte Rechtsanwalt Lü. L. per E-Mail einen zweiten Entwurf dieser Vereinbarung. Zu diesem Zeitpunkt stand D. unter hohem Zeitdruck, da im Hinblick auf das am 12. Juli 2009 stattfindende Formel-1-Rennen die Eröffnungsfeier für den 9. Juli 2009 vorgesehen und noch kein Privatinvestor gefunden worden war. Zudem hatte ihm der damalige Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Be. , eine Frist bis zu diesem Tage gesetzt, um die Finanzierung des Projektes mit Ba. umzusetzen. Im Falle eines Scheiterns sollte das Bardepot über 95 Mio. € wieder abgezogen werden.
23
Noch am 29. Juni 2009 folgte im Hotel Do. in Z. ein Treffen , an dem für die Nürburgring GmbH N. und L. , daneben B. , Me. sowie Ba. teilnahmen. Letzterer übergab dabei einen auf ein Konto der MA. bei der Bank Wells Fargo gezogenen Scheck über 67 Mio. USDollar , der zugunsten der Nürburgring GmbH ausgestellt war und die ursprünglich vorgesehene Überweisung der ersten Finanzierungsrate ersetzen sollte. Hierauf diskutierten N. , L. , B. und Me. über die Zahlung der nach dem Vertrag vom 2. September 2007 vereinbarten Provision, welche die Nürburgring GmbH für die erfolgreiche Vermittlung der Finanzierung an die - für die I. S.A. in den Vertrag eingetretene - P. S.A. zahlen sollte. B. und Me. vertraten die Auffassung, ihre vertraglichen Pflichten erfüllt zu haben, weshalb die Provision mit der Übergabe des Schecks fällig sei. Auf Forderung des L. änderte N. daraufhin den von Rechtsanwalt L. übermittel- ten Entwurf der Zahlungsvereinbarung dergestalt ab, dass nach Gutschrift des Schecks über 67 Mio. US-Dollar eine Provision in Höhe von 4 Mio. € an die G. AG zu zahlen sei. Weshalb die Beteiligten in Abweichung vom Vertrag vom 2. September 2007 nur über eine Provision in Höhe von 4 Mio. €, statt wie ursprünglich vereinbart 5 Mio. € debattierten, hat die Strafkammer nicht klären können.
24
B. und Me. ging der neue Entwurf jedoch nicht weit genug. Sie forderten eine Zahlung innerhalb von 48 Stunden nach Übergabe des Schecks. Es entbrannte eine hitzige Diskussion, insbesondere N. hielt die Forderung für unangemessen. Im weiteren Verlauf telefonierte Me. mit D. und konfrontierte nun diesen mit seiner Forderung. Vor dem Hintergrund seines Zeitdrucks entschied D. , dem Ansinnen von B. und Me. nachzukommen, wobei ihm bewusst war, dass es nicht möglich sein würde, binnen der kurzen Zeitspanne von 48 Stunden zu überprüfen, ob der von Ba. übergebene Scheck gedeckt war. Telefonisch vereinbarten D. und Me. weiter, dass ein Teilbetrag von 1,2 Mio. € zur Begleichung von "Vorlaufkosten" unmittelbar an die Nürburgring GmbH zurücküberwiesen werden und weitere 2 Mio. € unangetastet auf dem Konto der G. AG verbleiben sollten; der Restbetrag von 800.000 € sollte zur freien Verfügung der G. AG bzw. B. und Me. stehen.
25
Auf Aufforderung des L. änderte N. am frühen Morgen des 30. Juni 2009 den Entwurf der Zahlungsvereinbarung erneut ab. Dieser mittlerweile vierte Entwurf lautete nun auszugsweise wie folgt: "Präambel: Zwischen den Parteien bestehen verschiedene vertragliche Beziehungen. Diese umfassen u.a. Verträge zwischen P. und NG zur Finanzierung des Projektes "Nürburgring 2009" (gemeinsam das "NG/P. Vertragswerk Projekt NG 2009"). … NG zahlt 4 Mio. € an G. /P. alsVorauszahlung auf die Optionsgebühr aus dem Vertragswerk Projekt NG 2009. … § 1 Leistung von Zahlungen 1.2. B&B wird im unmittelbaren Anschluss an die Unterzeichnung dieser Zahlungsvereinbarung einen Betrag in Höhe von 67,0 Mio. US$ …zahlen, und zwar durch Übergabe eines Orderschecks… 1.3. NG wird innerhalb von 48 Stunden nach Übergabe des Schecks gemäß § 1.2 einen Betrag in Höhe von 4 Mio. € … an G. /P. zahlen und zwar durch Überweisung auf ein von der G. /P. zu benennendes Konto."
26
Der Entwurf sah im Unterschriftsfeld für die Nürburgring GmbH neben der Unterschrift von L. als Prokuristen der Gesellschaft auch diejenige von N. vor. L. , Me. und Ba. unterschrieben diese Zahlungsvereinbarung.
27
N. begab sich daraufhin mit L. auf den Weg nach Mainz, um dort den - tatsächlich nicht gedeckten - Scheck über 67 Mio. US-Dollar bei der Landesbank Baden-Württemberg (im Folgenden: LBBW) einzulösen. Er hatte die Zahlungsvereinbarung noch nicht unterschrieben, weil er diese nach wie vor für unangemessen hielt, und machte gegenüber L. seine Unterschrift von einer entsprechenden Weisung von D. und K. abhängig. In dem darauf folgenden Telefonat forderte D. N. mit dem Bemerken , niemand könne so verrückt sein, einen Scheck in dieser Größenordnung zu unterschreiben, der nicht gedeckt sei, zur Unterschrift auf. Nachdem auch K. N. telefonisch hierzu angewiesen hatte, zeichnete dieser die Zahlungsvereinbarung ab und stimmte "als Financial Controller und Handlungsbevollmächtigter der Nürburgring GmbH dem Inhalt der Vereinbarung" zu.
28
Nach der Scheckeinreichung bei der LBBW flogen N. und L. noch am selben Tage wieder nach Z. . Am Vormittag des 3. Juli 2009 forderte N. den Leiter der Buchhaltung der Nürburgring GmbH, Ke. , auf, die Überweisung der 4 Mio. € an die G. AG zu veranlassen, nachdem Me. ihm gegenüber auf der Zahlung bestanden hatte. Ke. informierte hierauf die für die Ausführung der Überweisung zuständige Zeugin La. , die einen Überweisungsauftrag fertigte. Aufgrund vorgebrachter Bedenken des bei der Nürburgring GmbH beschäftigten Justitiars Pa. hinsichtlich des mit der Zahlung verbundenen Risikos, weil die Deckung des übergebenen Schecks noch unklar war, unterschrieb K. den Überweisungsauftrag allerdings zunächst nicht.
29
Währenddessen hatten sich Ba. , N. und B. gemeinsam zur P. -Bank nach Liechtenstein begeben. Dort sollte Ba. einer vorherigen Absprache entsprechend einen Kontoauszug abholen, der belegte, dass die B&B über einen Geldbetrag in Höhe von 100 Mio. € verfügte. Vor der Bank teilte er N. und B. dann allerdings für diese überraschend mit, dass die P. -Bank wegen der schlechten Reputation der Nürburgring GmbH keinen von deren Vertretern empfangen wolle und auch keinen Kontoauszug über- reichen werde. Etwa eine Stunde später kam Ba. wieder heraus und er- klärte wahrheitswidrig, dass der Betrag von 100 Mio. € auf dem Konto der B&B als frei verfügbares Guthaben vorhanden sei, die Bank sich aber sowohl geweigert habe, einen entsprechenden Kontoauszug auszuhändigen, als auch, eine Überweisung auf ein Konto der Nürburgring GmbH auszuführen. N. und B. reagierten zunächst empört und äußerten den Verdacht, dass Ba. eine Hinhaltetaktik verfolge. Ba. schlug daraufhin vor, zunächst einen weiteren Scheck über 33 Mio. US-Dollar auszustellen und übergab N. im Laufe des Tages einen erneut auf ein Konto der MA. bei der Bank Wells Fargo gezogenen Scheck über 33 Mio. €.
30
Am Nachmittag desselben Tages entschloss sich K. , den Auftrag zur Überweisung der 4 Mio. € an die G. AG zu erteilen, obwohl ihm bewusst war, dass die Werthaltigkeit des Schecks über 67 Mio. US-Dollar noch nicht überprüft war. Gegen 16:00 Uhr unterschrieb er den Überweisungsträger und übergab ihn der Zeugin La. zur Ausführung. Diese übermittelte um 17:17 Uhr den Überweisungsträger nach vorheriger telefonischer Ankündigung per Telefax mit der Bitte um "schnellstmögliche Ausführung" an die Kreissparkasse Ahrweiler. Kurze Zeit später übermittelte La. einen weiteren Auftrag per Telefax, der eine Umbuchung von 4 Mio. € von einem Tagesgeldkonto der Nür- burgring GmbH zur Deckung des mit der Auslandsüberweisung belasteten Kontos zum Gegenstand hatte. Bei der Kreissparkasse Ahrweiler kamen den Zeugen St. und Ki. jedoch Bedenken, ob die Überweisung einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Verhinderung von Geldwäsche darstellen könnte, weil der Überweisungsträger als Empfänger nur die Buchstaben-ZahlenKombination "G7 5165" enthielt. Aufgrund dessen führten sie die Überweisung zunächst nicht aus.
31
Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits die Rechtsanwälte Lü. und Di. K. aufgesucht. Lü. hatte am Vortag von dem gegenüber seinen Vertragsentwürfen geänderten Inhalt der Zahlungsvereinbarung erfahren und bewertete deren Inhalt als Untreue. Im Beisein von L. kam es daraufhin zu einem Telefonat zwischen K. und D. . Letzterer blieb trotz der von Lü. vorgebrachten Bedenken und Hinweise auf die bisherige Unzuverlässigkeit des Ba. bei seiner Auffassung, dass der Betrag von 4 Mio. € gezahlt werden solle. Daraufhin wies L. K. auf dessen persönliche Verantwortung als Geschäftsführer hin, worauf D. erklärte, er könne dem Geschäftsführer als Aufsichtsratsvorsitzender keine Weisungen erteilen; zugleich betonte er aber, dass das Risiko des Scheiterns der Finanzierung dann auch bei der Geschäftsleitung läge. K. erklärte schließlich seiner Sekretärin, dass mit der Überweisung gewartet werden sollte; gegen 18:00 Uhr wurde eine Mitarbeiterin der Kreissparkasse Ahrweiler per Telefax informiert.
32
Noch am Abend des 3. Juli 2009 unterrichtete ein Mitarbeiter der LBBW das Finanzministerium über Erkenntnisse zu dem von Ba. ausgestellten Scheck. Nach Mitteilung der Wells Fargo Bank in London stimmten die Daten auf dem Scheck nicht mit den Kontodaten überein; das bezeichnete Konto habe zudem zu keinem Zeitpunkt eine Deckung über 67 Mio. € aufgewiesen. An dem sich anschließenden Wochenende traten weitere Ungereimtheiten auf, sodass D. bereits am Sonntag, den 5. Juli 2009, L. den Auftrag erteilte, die Folgen einer Vertragsauflösung zu prüfen. Am Montag, den 6. Juli 2009, übermittelte La. im Auftrag des K. der Kreissparkasse Ahrweiler ein Telefax, mit dem der Überweisungsauftrag vom 3. Juli 2009 endgültig zurückgenommen wurde. Einen Tag später trat D. von sei- nem Amt als Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz zurück (Fall IV.8 der Urteilsgründe).
33
g) Zeitgleich zu den vorstehend geschilderten Ereignissen um die Finanzierung des Bereichs I von "Nürburgring 2009" wurde der Ausbau des Bereichs II (Hotel- und Gastronomieanlagen) vorangetrieben. Nach den Planungen und den öffentlichen Aussagen der Landesregierung hatte dieser Teil des Ausbauprojektes ausschließlich privat finanziert werden sollen. Weil bis Mitte des Jahres 2007 jedoch trotz Verhandlungen mit zahlreichen Hotelbetreibern kein privater Investor gefunden worden war, wurde schließlich die MS. GmbH als Projektentwicklungsgesellschaft gegründet. 10% ihrer Gesellschaftsanteile hielt die Nürburgring GmbH; 49,5% entfielen auf die später unter dem Namen Med. GmbH firmierende Medi. GmbH. Daneben waren an der MS. GmbH beteiligt die G. & T. GmbH (33,8%) und mit 6,7% die We. -GmbH. Geschäftsführer der MS. GmbH waren die Zeugen Ri. , seinerseits zugleich Geschäftsführer der Med. GmbH, und G. , der Geschäftsführer der G. & T. GmbH.
34
Die M. GmbH betrieb als Bauherrin in der Folgezeit den Ausbau der unter Bereich II fallenden Projekte. Da sie allerdings nicht über die erforderlichen Eigenmittel verfügte, war sie auf eine Fremdfinanzierung angewiesen. Deren Umsetzung gestaltete sich in der Folgezeit schwierig, so dass es u.a. zu folgenden Handlungen kam (Fälle IV.9 a) ff. der Urteilsgründe):
35
Zum Planbereich II gehörte der Bau eines 4-Sterne-Hotels, wegen dessen Finanzierung der Zeuge Ri. Verhandlungen mit der Bank für Tirol und Voralberg (im Folgenden: BTV) führte. Diese war bereit, einen Kredit in Höhe von 26 Mio. € zu gewähren, forderte allerdings, dass die Errichtung des Hotels von einer Gesellschaft betrieben würde, deren einziger Gesellschaftszweck hierin bestand, und daneben einen Eigenkapitalnachweis dieser Gesellschaft in Höhe von6 Mio. €. Die erste Forderung führte zur Gründung der C. M. GmbH (im Folgenden: CM. GmbH). Zur Erbringung des von der BTV geforderten Eigenkapitalnachweises war die MS. GmbH indes nicht in der Lage. Dieser sollte daher von ihren Gesellschaftern entsprechend der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse aufgebracht werden. Da der Geschäftsführer der We. GmbH allerdings nicht bereit war, sich an dem Projekt finanziell zu beteiligen, sollte deren Anteil von der Med. GmbH übernommen werden; diese hatte somit einen Gesamtanteil von 3,4 Mio. € zu tragen. Hierzu war sie nicht fähig.
36
Anfang Mai 2008 wies Ri. gegenüber D. darauf hin, dass ein Baustopp drohe, falls der Eigenkapitalnachweis nicht geführt werden könne. Dieser empfahl Ri. , sich an die I. und S. bank GmbH (im Folgenden: ISB GmbH) zu wenden. Bei dieser handelt es sich um eine Landesbank, deren alleiniger Gesellschafter das Land Rheinland-Pfalz ist und deren Gesellschaftszweck zu diesem Zeitpunkt insbesondere darin lag, Vorhaben der gewerblichen Wirtschaft sowie sonstige Maßnahmen zur Verbesserung und Stärkung der Wirtschaftsstruktur des Landes Rheinland-Pfalz zu fördern. Geschäftsführer der ISB GmbH war der Mitangeklagte M. . Diesen bat D. , die Finanzierung des Bauprojektes zu begleiten.
37
Am 7. Mai 2008 kam es daraufhin zu einem Gespräch in den Räumen der ISB GmbH. An diesem nahmen neben M. der Zeuge Ri. , die Wirtschafts- und Bürgschaftsreferentin des Finanzministeriums Ty. und der Mitangeklagte W. als Geschäftsführer der R.
GmbH (im Folgenden: RIM GmbH) teil. Die RIM GmbH war eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der ISB GmbH; nach ihrem Gesellschaftszweck sollte sie das Land Rheinland-Pfalz in seiner Wirtschafts- und Strukturpolitik im Rahmen der Aufgabenstellung der ISB GmbH unterstützen. Die Überlegung, die Med. GmbH für die Finanzierung des von der BTV geforderten Eigenkapitalnachweises durch eine Landesbürgschaft zu unterstützen, wurde verworfen, weil hierdurch ein finanzielles Engagement des Landes im Bereich II des Ausbauprojektes öffentlich bekannt geworden wäre. Hieraus entwickelte sich der Vorschlag, dass die RIM GmbH befristet eine stille Beteiligung an der Med. GmbH eingehen und in diesem Rahmen eine stille Einlage in Höhe des benötigten Kapitals zur Verfügung stellen solle. Diese Einlage sollte die Med. GmbH sodann der MS. GmbH als Darlehen weiter reichen. Die RIM GmbH ihrerseits refinanzierte sich über ein Darlehen, welches ihr die ISB GmbH zur Verfügung stellte. Weil der ISB GmbH diese Darlehensgewährung aufgrund geltender Bestimmungen ohne die Absicherung durch entsprechende Bürgschaften nicht möglich gewesen wäre, sollte das Land Rheinland-Pfalz den Kredit in voller Höhe durch eine Landesbürgschaft absichern. Dies bot zugleich den Vorteil, dass die grundsätzlich nach § 18 KWG erforderliche Offenlegung von Kreditunterlagen gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 4 KWG entfiel. Die Absicherung des Darlehens durch das Land sollte D. als Finanzminister ermöglichen. Dieser entschied, nachdem er über das Konzept informiert worden war, dass in der vorgeschlagenen Weise vorgegangen werde sollte.
38
Am 16. Mai 2008 schlossen die ISB GmbH und die RIM GmbH einen Darlehensvertrag über 3,4 Mio. € mit einer Laufzeit bis zum 30. September 2009. Am 19. Mai 2008 erstellte W. eine Beschlussvorlage für die Geschäftsführung der ISB GmbH, in der er u.a. ausführte, dass die nach dem Ver- trag als Sicherheit an die RIM GmbH zu verpfändenden Geschäftsanteile der Med. GmbH an der MS. GmbH nur bedingt werthaltig seien. Gleichwohl stufte er die Med. GmbH in Ratingklasse 1 ein, was der besten Bonität entsprach, obwohl ihm, M. , und D. bekannt war, dass die Med. GmbH tatsächlich keinerlei Finanzkraft aufwies. Sodann schlossen W. und Ri. am 29. Mai 2008 den Vertrag über die stille Beteiligung in Höhe von 3,4 Mio. €, welche zum 30. September 2009 zurückgezahlt werden sollte. Danach wurde die Einlage erbracht.
39
Auch die Nürburgring GmbH konnte den von ihr zu stellenden Eigenkapitalnachweis in Höhe von 600.000 € nicht aufbringen. D. entschied daraufhin, dass die zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende stille Beteiligung der RIM GmbH an der Med. GmbH um diesen Betrag aufgestockt und letztere auch den von der Nürburgring GmbH zu erbringenden Teil des Eigenkapitalnachweises übernehmen sollte. Wie zuvor sollte sich die RIM GmbH über ein Darlehen der ISB GmbH refinanzieren und eine Landesbürgschaft diesen Kredit absichern. Dementsprechend wurden in der Folgezeit Verträge über eine weitere stille Beteiligung zwischen der RIM GmbH und der Med. GmbH (Vertrag vom 26. September 2008) und das Darlehen der ISB GmbH an die RIM GmbH in Höhe von 600.000 € (Vertrag vom 30. September 2008) geschlossen.
40
Schon zuvor - nämlich am 28. August 2008 - hatte D. eine "globale Bürgschaftserklärung" des Landes gegenüber der ISB GmbH über ei- nen Bürgschaftsrahmen von 50 Mio. € unterzeichnet; diese sah unter anderem eine Besicherungsquote von "in der Regel 80% des einzelnen Engagements" vor. Daneben war in Ziff. 7 der Erklärung bestimmt, dass der Ausfall als eingetreten gelte, wenn und soweit die Darlehensnehmerin mit fälligen Leistungen aus den Darlehensverträgen länger als drei Monate seit Fälligkeit in Verzug ist und eine zur Abhilfe bestimmte Frist erfolglos abgelaufen oder aus der Verwertung der für das refinanzierte Geschäft bestellten Sicherheiten ein Erlös nicht mehr zu erwarten ist. Diese Bürgschaftserklärung wurde nunmehr durch D. entsprechend seinem zuvor gefassten Entschluss dahin modifiziert , dass das Land die Bürgschaft in voller Höhe auf die beiden von der ISB GmbH gewährten Darlehen erstreckte. Die entsprechende Erklärung gegenüber der ISB GmbH wurde auf seine Weisung durch Ty. mit Schreiben vom 14. Oktober 2008 abgegeben.
41
Nachdem die MS. GmbH den Eigenkapitalnachweis erbracht hatte, ge- währte die BTV den zugesagten Kredit in Höhe von 26 Mio. € (Fall IV.9 a) der Urteilsgründe).
42
Anfang November 2008 drohte Ri. erneut mit einem Baustopp, wenn nicht kurzfristig Gelder in Höhe von 10 Mio. € zur Bezahlung der Bauhandwerker zur Verfügung gestellt würden. D. entschied hierauf, dass der Betrag nach dem bereits zuvor praktizierten Modell einer stillen Beteiligung der RIM GmbH an der Med. GmbH zur Verfügung gestellt werden sollte und das von der ISB GmbH zu vergebende Refinanzierungsdarlehen durch eine Landesbürgschaft zu 100% abgesichert werden sollte. Dementsprechend wurden in der Folgezeit die erforderlichen Verträge zwischen der ISB GmbH und der RIM GmbH sowie der RIM GmbH und der Med. GmbH geschlossen. Des Weiteren ließ das Finanzministerium auf Weisung von D. erklären, dass die Bürgschaftsquote über die Bestimmungen in der bereits erteilten globalen Bürgschaftserklärung hinaus auf 100% erhöht werde. Sodann wurden die 10 Mio. € ausgezahlt, wobei in die Weiterleitung der Gelder von der Med. GmbH an die MS. GmbH in diesem Fall - um die Herkunft der Gel- der aus öffentlichen Mitteln weiter zu verschleiern - noch die P. GmbH zwischengeschaltet war (Fall IV.9 b) der Urteilsgründe).
43
Im November 2008 forderte die Bank für Trient und Bozen im Rahmen von Verhandlungen über deren Beteiligung am Ausbauprojekt, dass die RIM GmbH ihre Beteiligung an der Med. GmbH um 15 Mio. € aufstocken sollte und diese Mittel entsprechend dem Baufortschritt verwendet werden müssten. Auch diese Forderung wurde auf die Entscheidung von D. über das Modell der stillen Beteiligung umgesetzt; dies schloss - über die in der bereits erteilten globalen Bürgschaftserklärung vom 28. August 2008 vorgesehene Besicherung von 80% hinaus - die volle Absicherung des Refinanzierungskredites durch das Land ein. Das Gesamtobligo der mittlerweile auch durch die Absicherung anderer Vorhaben ausgeschöpften globalen Bürgschaftserklärung wurde in diesem Rahmen auf 80 Mio. € erhöht. Zu der geplanten Finanzierung durch die Bank für Trient und Bozen kam es indes nicht (Fall IV.9 c) der Urteilsgründe

).


44
Von April bis Juli 2009 meldeten die Geschäftsführer der MS. GmbH in sieben weiteren Fällen jeweils dringenden Liquiditätsbedarf in Höhe von 5,5 Mio. € bis zu 13,63 Mio. €. Die jeweils benötigten Gelder wurden daraufhin auf jeweilige Entscheidung von D. über das Modell der stillen Beteiligungen von der ISB GmbH finanziert und schließlich als Darlehen von der Med. GmbH an die MS. GmbH weitergereicht (Fälle IV.9 d) bis j) der Urteilsgründe ); in allen Fällen erklärte das Finanzministerium auf Weisung von D. - über die in der bereits erteilten globalen Bürgschaftserklärung hinausgehend - die volle Absicherung des von der ISB GmbH bewilligten Refinanzierungskredits. In den Fällen IV.9 b) und IV.9 d) der Urteilsgründe wurden der RIM GmbH zur Absicherung ihres jeweiligen Rückzahlungsan- spruchs Briefgrundschulden an einem Grundstück und einem Erbbaurecht der MS. GmbH bestellt. In den Fällen IV.9 e) bis j) der Urteilsgründe wurden Eigentümergrundschulden an Grundstücken und Erbbaurechten der MS. GmbH sowie an einem Erbbaurrecht der CM. GmbH bestellt und an die RIM GmbH übertragen. Dass nunmehr Eigentümergrundschulden zur Absicherung dienten, geschah zu Verschleierungszwecken, da zuvor die Eintragung einer Briefgrundschuld über 10 Mio. € bekannt geworden und dadurch der Verdacht aufgekommen war, das Land Rheinland-Pfalz engagiere sich finanziell im privat zu finanzierenden Bereich II des Ausbauprojektes. Aufgrund der Absicherung durch Eigentümergrundschulden war die RIM GmbH als Berechtigte nunmehr nicht mehr aus dem Grundbuch ersichtlich. Die Anträge auf Eintragung der Briefgrundschulden gingen im Fall IV.9 b) der Urteilsgründe nur wenige Wochen nach der Auszahlung der Beteiligungsgelder bei den Grundbuchämtern ein, im Fall IV.9 d) der Urteilsgründe am Tage der Auszahlung. In den Fällen IV.9 e) bis j) der Urteilsgründe wurde der jeweils erste Grundschuldbrief spätestens knapp vier Monate nach Zahlung der Beteiligungssumme übergeben. Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Grundschulden jeweils in voller Höhe ihres Nominalwertes werthaltig waren, da sie "keine sicheren Feststellungen" über die Werthaltigkeit zum Zeitpunkt ihrer Bestellung, "also während der Bauphase" zu treffen vermochte.
45
Keine der stillen Beteiligungen wurde von der Med. GmbH zurückgezahlt. Daraufhin wurden die stillen Beteiligungen teilweise prolongiert; die Darlehensverträge zwischen der ISB GmbH und der RIM GmbH liefen im Fall IV.9 a) der Urteilsgründe ursprünglich bis zum 30. September 2009 und wurden noch vor Ablauf unbefristet verlängert. Die übrigen Refinanzierungsverträge waren von vornherein "bis auf Weiteres" geschlossen worden. Im März 2010 erwarb die Nürburgring GmbH schließlich sämtliche Geschäftsanteile an der MS. GmbH. Sodann wurden die gesamten Verbindlichkeiten der Nürburgring GmbH gegenüber dem Liquiditätspool des Landes Rheinland-Pfalz für die Baukosten im Bereich I des Ausbauprojekts sowie der MS. GmbH hinsichtlich der Rückzahlung der Beteiligungsgelder und der CM. GmbH aus deren notleidend gewordenen Kreditverbindlichkeiten gegenüber der BTV in einen Dar- lehensvertrag über 330 Mio. € zusammengefasst. Darlehensgeber war die ISB GmbH, Darlehensnehmerin die Nürburgring GmbH und als weitere Gesamtschuldnerinnen die MS. GmbH sowie die CM. GmbH. Die ISB GmbH wurde abgesichert durch eine "Garantie- und Freistellungserklärung" des Landes Rheinland-Pfalz.
46
3. Am 2. Juli 2010 fand eine Sitzung des im Zusammenhang mit der Nürburgring-Finanzierung durch den Landtag des Landes Rheinland-Pfalz eingesetzten Untersuchungsausschusses statt. Beweisthema dieser Sitzung war der Abschluss der Zahlungsvereinbarung vom 30. Juni 2009 über die Zahlung der Provision in Höhe von 4 Mio. € (vgl. Fall IV.8 der Urteilsgründe). D. sagte hierzu als Zeuge, zuvor über die Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Aussage sowie nach § 55 StPO belehrt, aus. Hierbei stellte der Abgeordnete Ey. folgende Frage: "…In Bezug auf die 48-Stunden-Regelung wurde in den Raum gestellt, dass diese 48-Stunden-Regelung im Vorfeld bereits mit Ihnen abgestimmt worden ist. Die Frage ist nur, ob das stimmt und zwar von HerrnMe. und Herrn B. wäre das abgestimmt gewesen mit Ihnen. Die Frage ist, ob Sie das bestätigen können oder nicht." Hierauf antwortete D. : "Kann ich nicht bestätigen. Ich kann nur bestätigen, dass Herr Me. und Herr B. gegenüber Herrn L. häufig behauptet hatten, sie hätten eine bestimmte Sache mit mir besprochen, und wenn Herr L. mich drauf angesprochen hat, habe ich gesagt, stimmt überhaupt nicht. Die haben mir erzählt, was sie gerne hätten. Ich habe mir das angehört, habe aber keineswegs gesagt, ich, Aufsichtsratsvorsitzender D. , habe das zur Kenntnis genommen, kann erledigt werden. Haken drunter. Das habe ich nie gemacht. Aber Me. und B. haben das immer mal versucht."
47
II. Revision des Angeklagten D.
48
1. Der Schuldspruch wegen Untreue zum Nachteil der Nürburgring GmbH im Fall IV.8 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung auf die Sachrüge nicht stand.
49
a) Das Landgericht hat D. aufgrund seines - im Einzelnen näher dargestellten - Auftretens im Zusammenhang mit der Umsetzung von "Nürburgring 2009" sowie der von ihm in diesem Rahmen getroffenen Entscheidungen als faktischen Geschäftsführer der Nürburgring GmbH angesehen und hieraus dessen Vermögensbetreuungspflicht gefolgert. Deren Verletzung liege in dem Abschluss der Zahlungsvereinbarung, soweit sich die Nürburgring GmbH dort verpflichtet habe, 4 Mio. € innerhalb von 48 Stunden nach Erhalt des Schecks in Höhe von 67 Mio. US-Dollar an "G. /P. " zu zahlen. Angesichts der zurückliegenden gescheiterten Finanzierungsversuche im Zusammenhang mit der Einschaltung von Ba. sei es unvertretbar und auch nicht mehr durch den der Geschäftsführung der Nürburgring GmbH obliegenden unternehmerischen Gestaltungsspielraum gedeckt gewesen, die Nürburg- ring GmbH hinsichtlich der Zahlung der Provision in einer Höhe von 4 Mio. € in Vorleistung treten zu lassen. Da mit dem Abschluss der 4. Zahlungsvereinbarung ein einklagbarer Zahlungsanspruch entstanden sei, sei das Vermögen der Nürburgring GmbH bereits zu diesem Zeitpunkt in Höhe von 4 Mio. € gefährdet gewesen. Die Vermögensgefährdung sei mit der Erteilung des Überweisungsauftrages nur noch vertieft worden und habe am 6. Juli 2009 mit der Rücknahme des Überweisungsauftrags geendet.
50
b) Diese Erwägungen vermögen den Schuldspruch nicht zu tragen. Im Ergebnis rechtlich zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass D. eine ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt hat. Indes genügen die Feststellungen und Wertungen des Landgerichts nicht den an die Darstellung des Vermögensnachteils in Form einer schadensgleichen Vermögensgefährdung zu stellenden Anforderungen. Im Einzelnen:
51
aa) Es kann offen bleiben, ob die Feststellungen in rechtlicher Hinsicht den Schluss des Landgerichts tragen, D. habe die Geschäfte der Nürburgring GmbH faktisch geführt. Seine nach § 266 Abs. 1 StGB erforderliche Pflicht, die Vermögensinteressen der Gesellschaft zu schützen, folgte jedenfalls aus seiner Stellung als Mitglied des Aufsichtsrats. Hierzu gilt:
52
Eine Betreuungspflicht im Sinne des Untreuetatbestandes ist gegeben, wenn der Täter in einer Beziehung zum (potentiell) Geschädigten steht, die eine besondere, über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Den Täter muss eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen. Hierfür ist in erster Linie von Bedeutung, ob sich die fremdnützige Vermögensfürsorge als Hauptpflicht, mithin als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung darstellt. Diese besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen muss über allgemeine vertragliche Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten ebenso hinausgehen wie über eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit. Erforderlich ist weiterhin, dass dem Täter die ihm übertragene Tätigkeit nicht durch ins Einzelne gehende Weisungen vorgezeichnet ist, sondern ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird. Hierbei ist nicht nur auf die Weite des dem Täter eingeräumten Spielraums abzustellen, sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf seine tatsächlichen Möglichkeiten, ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 - 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428 mwN; vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 297 f. mwN; Urteil vom 28. Juli 2011 - 4 StR 156/11, NJW 2011, 2819; Beschluss vom 5. März 2013 - 3 StR 438/12, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52).
53
Die hiernach erforderliche hervorgehobene Stellung von D. ergab sich aus seiner Stellung als Mitglied des Aufsichtsrats. Dessen wesentliche Aufgabe ist es, die Geschäftsführung zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG, § 52 Abs. 1 GmbHG). Hieraus folgt die Pflicht, fehlerhaftes oder gesellschaftsschädigendes Verhalten des Leitungsorgans abzuwenden. Diese Verpflichtung bezieht sich nicht nur auf abgeschlossene Geschäftsvorgänge, sondern auch auf laufende Geschäfte und Maßnahmen (MüKoAktG/Habersack, 4. Aufl., § 111 Rn. 39 f.; Henssler/Strohn/Henssler, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 111 AktG Rn. 9; Krause, NStZ 2011, 57, 58).
54
Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, welche Einzelmaßnahmen zu ergreifen sind, wenn ein Aufsichtsratsmitglied ein strafbares Verhalten des Leitungsorgans feststellt. Aus der jedem Mitglied des Aufsichtsrats obliegenden Verpflichtung, den durch das Verhalten der Geschäftsführung drohenden Schaden für die Gesellschaft abzuwenden, ergibt sich notwendigerweise die Pflicht, die Geschäftsführung nicht von sich aus zu Handlungen zu veranlassen, die es aufgrund seiner Überwachungspflicht gerade abwenden müsste. Eine Verletzung dieser Pflicht stellt einen Verstoß gegen eine spezifische Treuepflicht im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB dar (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2001 - 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 201 f.). Diese Grundsätze beschränken sich nicht auf Konstellationen, in denen das Aufsichtsratsmitglied den Geschäftsführer zu von ihm abzuwendenen Handlungen bestimmt, sondern gelten gleichermaßen für die sonstige Mitwirkung des Aufsichtsratsmitglieds an entsprechenden Pflichtverletzungen der Geschäftsführung. In den sich aus der Überwachungspflicht (§ 111 Abs. 1 AktG) ergebenden Pflichtenkanon ist die Prüfung, dass sich der Geschäftsführer nicht in unzulässiger Weise seiner Leitungsfunktion begibt, ebenso eingeschlossen wie die Verpflichtung , Hinweisen auf Fehlverhalten leitender Angestellter nachzugehen und zu ermitteln, ob die Geschäftsführung ihrer Organisations- und Überwachungspflicht nachgekommen ist (MüKoAktG/Habersack, 4. Aufl., § 111 Rn. 21, 25 mwN). Eine untreuerelevante Pflichtverletzung liegt daher zumindest auch dann vor, wenn das Aufsichtsratsmitglied mit einem leitenden Angestellten - wie hier K. als Geschäftsführer und L. als Finanzdirektor und Prokurist der Nürburgring GmbH - bei einem das Gesellschaftsvermögen schädigenden Fehlverhalten zusammenwirkt.
55
bb) D. hat seine Vermögensbetreuungspflicht verletzt, indem er der Forderung von Me. , die Provision binnen 48 Stunden nach Übergabe des Schecks in Höhe von 67 Mio. US-Dollar auszuzahlen, zustimmte und hierdurch das weitere Verhalten von L. entscheidend beeinflusste, N. aufforderte, die Zahlungsvereinbarung zu unterschreiben, sowie im weiteren Verlauf versuchte, K. zur Überweisung der Provision zu veranlassen.
56
(1) Die getroffene Vereinbarung über die Modalitäten der Provisionszahlung lag außerhalb des freien unternehmerischen Gestaltungsspielraums, der dem Geschäftsführer der Nürburgring GmbH zuzubilligen war; damit handelte es sich zugleich um eine L. und N. verwehrte Maßnahme, die D. als Mitglied des Aufsichtsrats zu verhindern hatte.
57
(1.1) Nach den ursprünglich zum Aktienrecht entwickelten (BGH, Urteil vom 21. April 1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253) Grundsätzen muss dem Geschäftsführer einer GmbH bei der Leitung der Geschäfte des Unternehmens ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist. Dazu gehört neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Inkaufnahme der Gefahr, bei der wirtschaftlichen Betätigung Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen zu unterliegen. Eine Pflichtverletzung liegt erst dann vor, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes , ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt wird oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss. Diese zum Aktienrecht entwickelten, mittlerweile als sog. Business Judgement Rule in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifizierten Grundsätze gelten in gleicher Weise für den Geschäftsführer einer GmbH (BGH, Urteil vom 4. November 2002 - II ZR 224/00, BGHZ 152, 280, 284; vgl. auch RegE zu § 93 Abs. 1 AktG in BRDrucks. 3/05, S. 21) und sind auch Maßstab für das Vorliegen einer Pflichtverletzung im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 336).
58
(1.2) Danach wurden mit dem Abschluss der Vorauszahlungsvereinbarung die Grenzen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit überschritten: Angesichts des bisherigen Verlaufs der Finanzierungsversuche mit Ba. war die Wahrscheinlichkeit evident hoch, dass der von diesem übergebene Scheck nicht gedeckt sein könnte, die Finanzierung erneut nicht zustande kommen würde und damit die von Me. begehrte Erfüllung des Provisionsanspruchs keine Grundlage hatte (zur gesellschaftsrechtlichen Einstufung von Risikogeschäften als pflichtwidrig vgl. etwa Michalski-Haas/Ziemons, GmbHG, 2. Aufl., § 43 Rn. 81).
59
Zutreffend hat die Strafkammer in diesem Zusammenhang darauf abgestellt , dass der vermeintliche Investor Du. nicht offen in Erscheinung getreten war, was nach den Erfahrungen mit den bisher von Ba. vorgestellten Investoren Anlass zur Zurückhaltung hätte geben müssen; darüber hinaus ließ auch das sonstige Verhalten von Ba. an seiner Seriosität zweifeln. Bereits seine wechselnden Forderungen im Rahmen des ersten Versuchs, die Finanzierung umzusetzen, waren auffällig: Während er zunächst die Umsetzung des verfolgten Finanzierungskonzeptes davon abhängig gemacht hatte, dass seitens der I. S.A. eine Bareinlage in Höhe von 120 Mio. US-Dollar erbracht werde, verzichtete er in seiner Kreditzusage vom 15. Mai 2008 auf diese und forderte stattdessen eine Landesbürgschaft in entsprechender Höhe, um nur wenige Tage später die Landesbürgschaft nebst der Bareinlage einzufordern. Deutliche Hinweise auf seine Unredlichkeit ergaben sich weiter, als er im August 2008 gegenüber N. preisgab, aus "Nebengeschäften" mit den Anlagegeldern Zinseinnahmen erwirtschaften zu wollen, weshalb er aufgrund eintretender Zinsnachteile die von D. gewünschte Verkürzung der Anlagefrist von vierzehn auf zwölf Monate ablehnte. Auch hatte Ba. schon während des ersten Finanzierungsversuchs - bei dem der vermeintliche Investor ebenfalls bereits im Hintergrund geblieben war - vereinbarte Fristen nicht eingehalten, so etwa die Verpflichtung, binnen drei Banktagen nach "Einbuchung der Staatsbürgschaft" bzw. nach "Eingang" der Bareinlage bei der Bank eine definitive Finanzierungszusage des Investors nachzuweisen. Dass Ba. in diesem Zusammenhang zwischen dem 20. Oktober und 9. November 2008 von der Bildfläche verschwunden war - mithin ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt, als die erste Finanzierungsrate gezahlt werden sollte -, stellte seine Zuverlässigkeit zusätzlich in Frage; der von ihm hierzu später genannte Grund, er habe sich in Dubai in Untersuchungshaft befunden, unterstrich diese Zweifel - unabhängig von den verschiedenen von ihm hierzu genannten Hintergründen - ebenso wie der Umstand, dass er schließlich von sich aus gegenüber der P. S.A. die Vertragsbeziehungen gekündigt hatte. Den Beteiligten war ferner bekannt, dass Ba. wiederholt zweifelhafte Investoren ins Spiel gebracht hatte: So hatte die Ölgesellschaft T. nach den Rechercheergebnissen der Rechtsanwaltskanzlei R. nicht über die behaupteten Mittel von 1,2 Mrd. US-Dollar verfügt; auch die Prüfung der A. AG durch die Rechtsanwaltskanzlei R. hatte ergeben, dass deren behauptete Beteiligung an Geothermieprojekten nicht belegbar war und jeglicher Nachweis über die Finanzkraft der Gesellschaft fehlte. Hinsichtlich der T. hatte Ba. im Übrigen erneut eine von ihm in Aussicht gestellte Frist zum Finanzierungsnachweis nicht eingehalten. Schließlich hatte es auch bereits mit dem zuletzt von Ba. präsentierten Investor Du. Ungereimtheiten gegeben, indem etwa zunächst anvisierte Zahlungen des Investors nicht erbracht worden waren.
60
(2) Die Pflichtverletzung stellt sich auch als gravierend im Sinne der zur Ausformung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals der Untreue entwickelten Rechtsprechung dar, da diese Einschränkung der Sache nach nur den - hier wie dargelegt überschrittenen - weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraum widerspiegelt , ohne den unternehmerische Entscheidungen nicht möglich sind (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 343 ff. mwN).
61
cc) Die Urteilsgründe tragen jedoch nicht den Schluss des Landgerichts, in der Zeit vom 30. Juni bis zum 6. Juli 2009 sei das Vermögen der Nürburgring GmbH in einer Höhe von 4 Mio. € konkret (schadensgleich) gefährdet gewesen.
62
(1) Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen (BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379). Ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB kann als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, das bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Da es sich bei der Rechtsfigur des Gefährdungsschadens nicht um eine richterrechtlich geschaffene besondere Kategorie von Gefährdungsdelikten handelt, sondern auch in diesem Fall die Vermögensminderung tatsächlich eingetreten sein muss (kritisch daher zur Terminologie BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 224 f.; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331 [zu § 263 StGB]), reicht es nicht aus, lediglich die bloße (konkrete) Gefährdung des Vermögens festzustellen. Dies birgt je nach den Umständen des Einzelfalles die Gefahr einer Verschleifung der Tatbestandsmerkmale der Pflichtwidrigkeit und des Vermögensschadens; ebenso ist ein solches Vorgehen aufgrund einer undifferenzierten Gleichsetzung von zukünftiger Verlustgefahr und gegenwärtigem Schaden geeignet, die gesetzgeberische Entscheidung, den Versuch der Untreue nicht unter Strafe zu stellen, zu unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228). Daher dürfen die Verlustwahrscheinlichkeiten auch nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229). Der Vermögensnachteil ist daher eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 228; zu § 263 StGB vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, NStZ 2014, 457, 458; vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, NStZ 2009, 330, 331). Voraussetzung ist dabei, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100, 113; BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384). Unter diesen Voraussetzungen kann auch bereits in dem Abschluss wirtschaftlich nachteiliger Verträge eine vermögensnachteilsgleiche Vermögensgefährdung liegen (BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 - 5 StR 494/98, BGHSt 44, 376, 384 f.), wobei deren Annahme die rechtliche Wirksamkeit der eingegangenen Verpflichtung - insbesondere aufgrund des mit der Schaffung der Urkundslage verbundenen erhöh- ten Prozessrisikos (BGH, Urteil vom 9. Juli 1987 - 4 StR 216/87, BGHSt 34, 394, 395 f. [zu § 253 StGB]) - nicht zwingend voraussetzt.
63
(2) An einer solchen Darlegung des Vermögensnachteils fehlt es in dem angefochtenen Urteil. Sie war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Bezifferung des Schadens keiner näheren Darlegung bedurft hätte (sog. Evidenzfall, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 48 f.; BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2013 - 3 StR 302/13, NStZ 2014, 578 [jeweils zu § 263 StGB]); insbesondere ist der durch die Gefährdung eingetretene Vermögensverlust auf Grundlage der Urteilsgründe nicht ohne Weiteres mit 4 Mio. € anzusetzen.
64
Nicht zu folgen ist der Erwägung der Strafkammer, durch den Abschluss der 4. Zahlungsvereinbarung sei ein einklagbarer Anspruch und aufgrund dessen die "Gefährdungslage" entstanden. Eine vom Zustandekommen der Finanzierung - und damit auch von der Werthaltigkeit des von Ba. übergebenen Schecks - losgelöste Zahlungsverpflichtung wurde durch die 4. Zahlungsvereinbarung nicht begründet. Hiergegen spricht bereits die Bezeichnung der Zahlung als "Vorauszahlung auf die Optionsgebühr aus dem Vertragswerk Projekt NG 2009" und damit die Bezugnahme auf den Vertrag vom 2. September 2007. Da die Prüfung des Schecks nach den getroffenen Feststellungen in vierzehn Tagen hätte abgeschlossen sein können - tatsächlich waren die Unstimmigkeiten von den beteiligten Banken sogar schon nach drei Tagen aufgedeckt worden -, wäre selbst bei unmittelbarer Anstrengung eines Urkundsverfahrens (§§ 592 ff. ZPO) seitens B. und Me. davon auszugehen gewesen , dass die Nürburgring GmbH ihre Einwendungen gegen den Provisionsanspruch mit den im Urkundsprozess zulässigen Beweismitteln (§ 598 ZPO) hätte geltend machen können.

65
Auch soweit hinsichtlich der Bestimmung des Vermögensnachteils auf die Übermittlung des Überweisungsauftrags an die Kreissparkasse Ahrweiler abgestellt wird, tragen die Urteilsgründe nicht die Wertung des Landgerichts. Insoweit war - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die die Nürburgring GmbH beratenden Rechtsanwälte Lü. und Di. etwa zeitgleich zur Übersendung des Zahlungsauftrags um 17:17 Uhr K. auf die strafrechtliche Dimension seines Handelns hinwiesen und die Überweisung zu verhindern suchten sowie dass seitens der LBBW gegenüber dem Finanzministerium noch am 3. Juli 2009 um 19:19 Uhr und 20:14 Uhr Zweifel an der Werthaltigkeit des Schecks geäußert worden waren - in die erforderliche Bewertung einzustellen, dass nach seinerzeitiger Rechtslage der Überweisungsauftrag seitens der Nürburgring GmbH bis zu dem Zeitpunkt kündbar war, in dem der Überweisungsbetrag dem Kreditinstitut der G. AG endgültig zur Verfügung gestellt worden wäre (§ 676a Abs. 4 BGB aF).
66
c) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat insoweit auf Folgendes hin:
67
aa) Entsprechend der Anregung des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 26. Januar 2015 wird im Hinblick auf die erforderliche wirtschaftliche Bewertung der tatsächlichen Vermögenseinbuße die Hinzuziehung eines Sachverständigen zu erwägen sein.
68
bb) Sollten sich aufgrund der neuen Hauptverhandlung die Voraussetzungen einer schadensgleichen Vermögensgefährdung belegen lassen, wird bei der erforderlichen Bezifferung des Vermögensnachteils in den Blick zu nehmen sein, dass sich D. mit Me. anlässlich des Telefonats vom 29. Juni 2009 auf eine unmittelbare Rücküberweisung von 1,2 Mio. € an die Nürburgring GmbH verständigt hatte. Soweit hierdurch oder vor dem Hintergrund dieser Abmachung durch den Abschluss der 4. Zahlungsvereinbarung ein vertraglicher Anspruch der Nürburgring GmbH auf Rücküberweisung in der verabredeten Höhe entstanden sein sollte, könnte der Vermögensnachteil durch den vertraglichen Gegenanspruch teilweise kompensiert worden sein.
69
2. Auch der Schuldspruch wegen Untreue zum Nachteil des Landes Rheinland-Pfalz in den Fällen IV.9 a) bis c) und e) bis j) kann nicht bestehen bleiben.
70
a) Das Landgericht hat D. aufgrund seiner Stellung als Finanzminister und der hiermit einhergehenden, unter anderem aus § 11 Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 bzw. 2009/2010 folgenden Befugnisse als gegenüber dem Land Rheinland-Pfalz vermögensbetreuungspflichtig angesehen. Mit der Übernahme von Landesbürgschaften in voller Höhe der jeweils von der ISB GmbH der RIM GmbH gewährten Darlehen habe er gegen den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 6 Haushaltsgrundsätzegesetz , § 7 Landeshaushaltsordnung Rheinland-Pfalz [im Folgenden : LHO]) verstoßen, weil die Bürgschaftsübernahmen erklärt worden waren , obwohl sich die RIM GmbH entgegen § 65 Abs. 1 Nr. 3 LHO im Rahmen der eingegangenen stillen Beteiligung bei der Med. GmbH keinen angemessenen Einfluss gesichert habe, die Beteiligungsgelder ohne vorherige Bestellung wirksamer grundpfandrechtlicher Sicherheiten gezahlt worden seien und auch ansonsten keine ausreichende Besicherung gegeben gewesen sei. Die Med. GmbH sei auch niemals in der Lage gewesen, die Beteiligungsgelder fristgerecht zurückzuzahlen. Aufgrund der hieraus folgenden Ausfallgefährdungen habe jeweils die "hohe Wahrscheinlichkeit" für den Eintritt des Bürgschaftsfalls bestanden. Aufgrund dessen sei das Landesvermögen bereits mit der Bürgschaftsübernahme schadensgleich gefährdet gewesen. Soweit in den Einzelfällen zugunsten der RIM GmbH nach diesem Zeitpunkt Grundschulden bestellt worden seien, um die jeweiligen Ansprüche auf Rückzahlung der Beteiligungsgelder abzusichern, sei von deren vollen Werthaltigkeit auszugehen. Im Fall IV.9 b) der Urteilsgründe habe die Vermögensgefährdung daher mit dem Eingang des jeweiligen Antrags auf Eintragung der Briefgrundschuld geendet, in den Fällen bestellter Eigentümergrundschulden (Fälle IV.9 e) bis j) der Urteilsgründe) sei dies mit Eingang des Grundschuldbriefes bei der RIM GmbH anzunehmen. Im Fall IV.9 d) der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten mangels eingetretenen Vermögensnachteils freigesprochen, da die Beteiligungssumme an dem Tag ausgezahlt wurde, an dem die Anträge auf Eintragung der Grundschulden bei den Grundbuchämtern eingingen.
71
b) Die Feststellungen tragen eine Strafbarkeitvon D. wegen Untreue zum Nachteil des Landes Rheinland-Pfalz bereits deshalb nicht, weil die Strafkammer ihre Annahme, mit der Übernahme der Bürgschaften sei das Vermögen des Landes Rheinland-Pfalz schadensgleich gefährdet worden, nicht rechtsfehlerfrei begründet hat.
72
aa) Die Übernahme einer Bürgschaft stellt einen den Bürgen verpflichtenden Rechtsakt dar. Mangels eines unmittelbaren Zahlungsabflusses liegt in der Bürgschaft zunächst nur eine abstrakt wirkende Belastung, die die Gefahr der späteren Inanspruchnahme in sich trägt. Ein Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB besteht bei Abgabe der Bürgschaftserklärung nur dann, wenn sich die künftige Verlustgefahr aufgrund der Eintrittswahrscheinlichkeit des Bürgschaftsfalles schon zu diesem Zeitpunkt so weit verdichtet hat, dass sie als schadensgleich zu qualifizieren ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378 mwN). Wie bereits zu Fall IV.8 der Urteilsgründe ausgeführt ist dies eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren. Mit der vollen Höhe der Bürgschaftssumme kann ein Gefährdungsschaden nur angesetzt werden, wenn mit einer Inanspruchnahme von vornherein zu rechnen ist oder es sich bei dem durch die Bürgschaft ermöglichten Vorhaben um ein hochspekulatives Risikoprojekt handelt (BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378).
73
bb) Nach diesen Maßstäben belegt das angefochtene Urteil einen Vermögensnachteil nicht. Eine an den Maßstäben des Wirtschaftslebens ausgerichtete Darstellung und Bezifferung des Vermögensnachteils ist den Urteilgründen nicht zu entnehmen. Sie war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Rückzahlungsansprüche der ISB GmbH gegen die RIM GmbH "höchst ausfallgefährdet" waren und die Vermögensgefährdung mit den jeweiligen Bürgschaftssummen gleichzusetzen wäre; denn dieser Schluss wird von den Feststellungen nicht getragen.
74
(1) In den Fällen IV.9 b) und e) bis j) der Urteilsgründe hat sich die Strafkammer zutreffend mit der Frage auseinandergesetzt, ob mit der Bestellung der jeweiligen Grundpfandrechte eine Sicherung der RIM GmbH in Höhe der jeweils geleisteten stillen Einlagen eingetreten war. Die Annahme, die Grundschulden seien in sämtlichen Fällen ausreichend werthaltig gewesen, um im Falle einer Verwertung die RIM GmbH in Höhe ihrer Rückzahlungsansprüche zu befriedigen, widerspricht jedoch der Bewertung der Bürgschaften als "höchst ausfallgefährdet". Das Landgericht hat hierbei insbesondere unberücksichtigt gelassen, dass der Ausfall der durch die Bürgschaft abgesicherten Hauptforderung gemäß Ziff. 7 der jeweils zugrundeliegenden globalen Bürgschaftserklä- rungen daran geknüpft war, dass die RIM GmbH als Darlehensnehmerin mit ihrer Rückzahlungsverpflichtung länger als drei Monate in Verzug war und aus der Verwertung der für das refinanzierte Geschäft bestellten Sicherheiten ein Erlös nicht mehr zu erwarten war. Da der längste Zeitraum zwischen Auszahlung der stillen Beteiligung und Bestellung der Grundschuld nur rund vier Monate betrug (Fall IV.9 g) der Urteilsgründe), die Rückzahlungsansprüche aus den Darlehensverträgen aber erst nach diesem Zeitpunkt fällig wurden, war innerhalb dieses kurzen "ungesicherten" Zeitraums mit einer Inanspruchnahme des Landes Rheinland-Pfalz nicht zu rechnen. Kein anderes Ergebnis ergibt sich aus dem Umstand, dass die stillen Beteiligungen ausgezahlt wurden, bevor die Anträge auf Bestellung der Grundschulden bei den jeweiligen Grundbuchämtern eingegangen waren. Dies wäre im Rahmen der vorzunehmenden Prognose nur dann bedeutsam, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestand, dass es zu der Bestellung nicht kommen würde. Dies hat das Landgericht jedoch weder ausdrücklich festgestellt noch geben die getroffenen Feststellungen in ihrem Zusammenhang hierfür einen Anhalt.
75
Aufgrund der Annahme des Landgerichts, die bestellten Grundschulden seien im Zeitpunkt ihrer Bestellung hinsichtlich der abgesicherten Forderungen werthaltig gewesen, ist die Feststellung einer schadensgleichen Vermögensgefährdung auch in den Fällen IV.9 a) und c) der Urteilsgründe nicht nachvollziehbar. Die Validität der Grundschulden hing maßgeblich von der Rentabilität des Ausbauprojektes "Nürburgring 2009" und der auf den belasteten Grundstücken errichteten Anlagen ab. Von diesen Faktoren war gleichermaßen auch die Wirtschaftskraft der Med. GmbH und der MS. GmbH abhängig, so dass die positive Bewertung der bestellten Sicherheiten für die Annahme spricht, dass die Beteiligungsgelder seitens der Med. GmbH bei deren Fälligkeit bzw. im Zeitpunkt einer Inanspruchnahme des Landes Rheinland-Pfalz - ge- mäß der jeweiligen Sicherungsabrede frühestens drei Monate nach Verzug der RIM GmbH - hätten bedient werden können.
76
(2) Die Strafkammer hat sich im Rahmen der Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit im Rahmen der Bürgschaften eine Einstandspflicht des Landes Rheinland-Pfalz zu erwarten gewesen sei, zudem im Wesentlichen auf die Darstellung der Vermögensverhältnisse der Med. GmbH als Vertragspartnerin der Hauptschuldnerin RIM GmbH beschränkt. Da die Bürgschaften im Zeitpunkt ihrer Vergabe nach dem Vertragswerk frühestens drei Monate nach Zahlungsverzug der RIM GmbH in Anspruch genommen werden konnten, hätte die erforderliche Ausfallprognose auf diesen Zeitpunkt bezogen werden müssen. Insoweit war auch zu belegen, ob bzw. in welchem Umfange davon auszugehen war, dass die MS. GmbH die ihrerseits von der Med. GmbH erhaltenen Darlehen nicht zurückzahlen werde. Dass die Strafkammer die seitens der Med. GmbH an die RIM GmbH verpfändeten Geschäftsanteile an der MS. GmbH als wertlos angesehen hat, führt insoweit zu keinem anderen Ergebnis ; die Begründung, die MS. GmbH sei vollständig fremdfinanziert gewesen und als Gegenwert für die zur Verfügung gestellten Gelder habe lediglich eine unvollendete Baustelle gegenübergestanden, lässt besorgen, dass das Landgericht den Wert der Anteile lediglich bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Verpfändung bewertet hat. Der bloße Umstand der Fremdfinanzierung besagt als solcher aber noch nichts über die im Tatzeitpunkt zu erwartende Unrentabilität der geförderten Bauvorhaben. Diese liegt im Fall IV.9 a) der Urteilsgründe auch nicht nahe; hiergegen spricht, dass die in diesem Fall eingegangenen stillen Beteiligungen der RIM GmbH dazu dienten, eine Kreditvergabe der BTV in Höhe von 26 Mio. € zu ermöglichen, was schließlich auch gelang, wobei die BTV ihr Engagement naheliegend erst nach eigener umfassender Prüfung und Bewertung des Projektes eingegangen war.

77
c) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat zu diesen Anklagepunkten auf Folgendes hin:
78
aa) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass D. schon angesichts der in den jeweiligen Landeshaushaltsgesetzen eingeräumten weiten Befugnisse, über das Vermögen des Landes Rheinland-Pfalz zu verfügen und dieses zu verpflichten (vgl. etwa §§ 9, 11 Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 und Landeshaushaltsgesetz 2009/2010), eine hervorgehobene Verantwortung gegenüber dem Land und dessen Vermögen zukam, er mithin vermögensbetreuungspflichtig war.
79
Durch die jeweils hundertprozentige Absicherung der von der ISB GmbH gewährten Darlehen könnte er gegen die Vorschriften zum Vollzug der Landeshaushaltsordnung (VV-LHO) verstoßen haben. Gemäß § 39 Ziff. 5 Satz 2 VVLHO dürfen Bürgschaften nicht übernommen werden, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Inanspruchnahme des Landes zu rechnen ist. Gemäß Satz 3 sind in diesem Fall Ausgaben oder Verpflichtungsermächtigungen (§ 23 LHO) erforderlich (vgl. hierzu Heller, Haushaltsgrundsätze, Rn. 1275; Nebel in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 47. EL, § 39 BHO Rn. 1 f.; Graf in: Heuer, KHR, Rn. 3 zu § 39 BHO). Der Regelung in § 39 Ziff. 5 Sätze 2 und 3 VV-LHO kommt eine die Vermögensinteressen des Haushaltsgebers schützende Bedeutung zu, da die Differenzierung nach der Gewissheit der späteren Inanspruchnahme der hierdurch einhergehenden Beschränkung des künftigen Haushaltsgesetzgebers Rechnung trägt.
80
Sollte ein Verstoß gegen § 39 Ziff. 5 Satz 2 VV-LHO vorliegen, könnte gegebenenfalls auch zu erwägen sein, ob D. zusätzlich pflichtwidrig den aus § 5 Abs. 1 Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 bzw. Landeshaushaltsgesetz 2008/2009 folgenden Parlamentsvorbehalt umging, wonach Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen im Rahmen einer institutionellen Förderung unter den dort genannten Voraussetzungen gesperrt waren und die Aufhebung der Sperre einer Einwilligung des Landtages bedurfte, wenn - wie hier - die Zuwendung den Betrag von 150.000 € überschritt. In Bezug auf die der ISB GmbH ermöglichten Darlehensvergabe bzw. der der RIM GmbH ermöglichten Beteiligungen an der Med. GmbH handelte es sich zwar um eine Projektförderung (vgl. hierzu Dommach in: Heuer, KHR, Rn. 5 zu § 26 BHO; Heller, Haushaltsgrundsätze, 2. Aufl., Rn. 1398 ff.), weil die - dies unterstellt - nach § 39 Ziff. 5 Satz 3 VV-LHO als Zuwendung zu veranschlagenden Landesbürgschaften der Deckung von Ausgaben für ein einzeln abgegrenztes, genau bestimmtes Vorhaben der RIM GmbH dienten. Eine (mittelbare) globale Förderung im Sinne einer institutionellen Förderung gemäß § 5 Abs. 1 Landeshaushaltsgesetz 2007/2008 bzw. Landeshaushaltsgesetz 2009/2010 lag aber in den Fällen IV.9 b) und e) bis j) der Urteilsgründe gegenüber der MS. GmbH vor; denn insoweit wurden die Gelder jeweils zur Begleichung nicht näher dargestellter Forderungen transferiert, bei deren Nichtbegleichung ein Baustopp gedroht hätte.
81
bb) Soweit die Strafkammer demgegenüber eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch einen Verstoß gegen den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 LHO) angenommen hat, ist sie im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass ein solcher grundsätzlich eine untreuerelevante Pflichtwidrigkeit darstellen kann (BGH, Urteil vom 29. August 2007 - 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, 89; vgl. auch BVerfG, Be- schluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 217 f.; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 266 Rn. 236; MüKoStGB/Dierlamm, 2. Aufl., § 266 Rn. 261; S/S-Perron, StGB, 29. Aufl., § 266 Rn. 19b, 44; aA Munz, Haushaltsuntreue, S. 162 ff.). Die getroffenen Feststellungen belegen einen derartigen Verstoß indes nicht. Hierzu gilt:
82
(1) Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit soll die bestmögliche Nutzung der öffentlichen Ressourcen sicherstellen (Ziff. 1 VV-LHO zu § 7; v.Lewinski/Burbat, BHO, § 7 Rn. 3). Er bezweckt, dass die günstigste Relation zwischen dem verfolgten Zweck und den einzusetzenden Mitteln angestrebt wird (Eibelshäuser/Nowak in: Heuer, KHR, Rn. 16 zu § 7 BHO [Teil 1]; Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 144). Seine Ausprägungen sind das Maximalprinzip, wonach mit einem bestimmten Mitteleinsatz das bestmögliche Ergebnis erzielt werden soll (Ziff. 1.2 zu § 7 VV-LHO) und das Minimalprinzip (auch Sparsamkeitsprinzip), wonach das Ziel mit möglichst geringem Mitteleinsatz zu erreichen ist (Eibelshäuser/Nowak in: Heuer, KHR, Rn. 1 ff. zu § 7 BHO [Teil 2]; Heller, Haushaltsgrundsätze, Rn. 711; Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 144). Inhaltliche Aufgabenprioritäten lassen sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot jedoch nicht ableiten; dieses trifft - anders als der Grundsatz der Notwendigkeit (§ 6 BHO, § 6 LHO) - keine Aussage über das verfolgte Ziel (vgl. Kube in: Maunz/Dürig, GG, 75. EL, Art. 110 Rn. 154; Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 144; aA Nöhrbaß in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 49. EL, § 7 Rn. 3 [der Grundsatz der Notwendigkeit als besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots]); es ist mithin zwar eine Verfahrensmaxime, aber kein Maßstab, der an das politischgestalterische Ziel anzulegen ist (vgl. Kube in: Maunz/Dürig, GG, 75. EL, Art. 114 Rn. 102; Rojas, Grundprobleme der Haushaltsuntreue, S. 144). Schließlich stellt das Gebot - nicht zuletzt auch deswegen, weil sich Maximal- und Minimalprinzip im Einzelfall gegenseitig ausschließen können - nur einen äußeren Begrenzungsrahmen des bestehenden Entfaltungs- und Gestaltungsspielraums dar und verhindert nur solche Maßnahmen, die mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlicht unvereinbar sind (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2004 - 4 StR 294/04, NStZ-RR 2005, 83, 84 mwN; vom 29. August 2007 - 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, 88).
83
(2) Bei ihrer Erwägung, der Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sei darin begründet, dass sich die RIM GmbH entgegen § 65 Abs. 1 Nr. 3 LHO keine hinreichenden Kontrollbefugnisse und damit keinen angemessenen Einfluss bei der Med. GmbH gesichert habe, hat die Strafkammer verkannt, dass sich das Land Rheinland-Pfalz nicht unmittelbar an der Med. GmbH beteiligte. Vielmehr lag - vermittelt über ISB GmbH und RIM GmbH - nur ein Fall der sog. mittelbaren Beteiligung vor. Für diese gilt die Vorgabe des § 65 Abs. 1 Nr. 3 LHO gemäß § 65 Abs. 3 Sätze 1 und 3 LHO jedoch nur, wenn eine Beteiligung von mehr als 25% erworben wird (Nöhrbaß in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 46. EL, § 65 Rn. 13; vgl. auch Ziff. 2.3 zu § 65 VV-LHO). Ein Erwerb von Gesellschaftsanteilen der Med. GmbH war mit den stillen Beteiligungen der RIM GmbH nach den getroffenen Feststellungen jedoch nicht verbunden.
84
In den Fällen IV.9 b), e) bis j) der Urteilsgründe ist eine Verletzung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch nicht darin begründet , dass die Bürgschaften bereits vor der Bestellung der grundpfandrechtlichen Sicherheiten übernommen wurden. Zwar lässt sich am Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich messen, ob durch ein kurzfristiges Handeln vermeidbare finanzielle Nachteile entstehen. Dass D. allein durch die zeitliche Komponente seines Handelns den ihm zuzubilligenden Gestaltungsspiel- raum überschritt, belegen die Urteilsgründe jedoch nicht: Diesen sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die dafür sprechen, dass die spätere Bestellung der Grundpfandrechte ernsthaft in Zweifel hätte gezogen werden müssen. Einer Inanspruchnahme des Landes vor diesem Zeitpunkt standen bereits die in den globalen Bürgschaftserklärungen enthaltenen Fälligkeitsbestimmungen entgegen. Zudem ist in den Blick zu nehmen, dass ein Baustopp unabhängig von politischen Erwägungen nachteilige Konsequenzen für das Bauprojekt und insbesondere die Geschäftsbeziehung mit den die Bauarbeiten ausführenden Firmen bis hin zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen hätte nach sich ziehen können.
85
Schließlich belegen die getroffenen Feststellungen auch nicht, dass aus anderen Gründen durch die gewählte Konstruktion mit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht mehr vereinbare finanzielle Nachteile entstanden, etwa durch hohe Transaktionskosten, die bei einer unmittelbaren Darlehensvergabe der ISB GmbH an die MS. GmbH und einer entsprechenden Landesbürgschaft nicht angefallen wären.
86
cc) Soweit die Strafkammer angenommen hat, dass in dem von den Beteiligten gewählten Vorgehen ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorschriften zur Gewährung von Beihilfen (Art. 107 ff. AEUV) lag (vgl. auch die Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 1. Oktober 2014 - IP/14/1067), ist sie zutreffend davon ausgegangen, dass dies keine untreuerelevante Pflichtverletzung darstellte. Nicht jeder Verstoß gegen die Rechtsordnung begründet zugleich eine im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB relevante Pflichtverletzung. Der erforderliche untreuespezifische Zusammenhang liegt vielmehr nur dann vor, wenn der unmittelbar verletzten Rechtsnorm selbst vermögensschützender Charakter zukommt (BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, NJW 2011, 88, 91 f.). Dies ist bei den europäischen Beihilfevorschriften , deren Zweck im Schutz des Binnenmarktes vor Wettbewerbsverzerrungen liegt (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 92/11, EuZW 2013, 753, 755, 757; G/H/N/von Wallenberg/Schütte, 57. EL, AEUV, Art. 107 Rn. 10; Koenig/Meyer, NJW 2014, 3547, 3550 f.), nicht der Fall.
87
In der Nichtbeachtung der Art. 107 ff. AEUV lag auch nicht deshalbein Verstoß gegen das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit , weil eine europarechtswidrige Ausgabe nicht geleistet werden dürfe und damit zwangsläufig haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgrundsätze verletze. Die Gegenmeinung (vgl. Koenig/Meyer, NJW 2014, 3547, 3551) stützt sich auf die Erwägung, die eine Ausgabe zur Beihilfe qualifizierende Begünstigung im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV setze voraus, dass das Unternehmen eine Leistung ohne angemessene, marktübliche Gegenleistung erlange und sich damit aus Sicht des "market economy investors" als unwirtschaftlich darstelle. Hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, eine EUbeihilferechtswidrige Leistung verletze zugleich haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgrundsätze. Die Unwirtschaftlichkeit einer Maßnahme der öffentlichen Hand verstößt nicht zwangsläufig gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, weil dieses nur eine relative Betrachtung gemessen am selbst nicht zu bewertenden, mit der Leistung verfolgten Zweck verlangt (vgl. Kube in: Maunz/Dürig, GG, 75. EL, Art. 114 Rn. 102); sie bewirkt auch nicht ohne weiteres einen Verstoß gegen den Grundsatz der Notwendigkeit (§ 6 BHO, § 6 LHO). Aus diesem Grunde stehen beide Haushaltsgebote - was die Gegenmeinung nicht in Frage stellt - auch nicht der Gewährung von mit dem EU-Recht vereinbaren Beihilfen (Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV) entgegen, die ebenfalls an die Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 1 AEUV anknüpfen (G/H/N/von Wallenberg/Schütte, 57. EL, Art. 107 Rn. 16 f.; von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl., AEUV, Art. 107 Rn. 196, 212).
88
dd) Hinsichtlich der Feststellung und Bewertung der Höhe des eingetretenen Vermögensnachteils gilt:
89
(1) Sollte das Land Rheinland-Pfalz zwischenzeitlich auf die Bürgschaften bzw. auf die diese im Rahmen des Umschuldungskonzeptes ersetzende Garantie- und Freistellungserklärung finanzielle Leistungen erbracht haben, käme es in dieser Höhe auf die exakte Bezifferung des Gefährdungsschadens im Tatzeitpunkt nicht mehr an. In diesem Fall hätte sich der ursprüngliche Eingehungsschaden in einem Erfüllungsschaden materialisiert und würde sich nach dessen Wert bemessen (vgl. insoweit zur Schadensbestimmung im Rahmen von § 263 StGB: BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2010 - 3 StR 434/10, StraFo 2011, 238, 239; vom 14. April 2011 - 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638, 639; Urteil vom 8. Oktober 2014 - 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 91; Beschluss vom 23. Juli 2015 - 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341).
90
(2) Nicht zu folgen ist der Auffassung, in einer Bürgschaftsvergabe liege mangels Unmittelbarkeit zwischen Pflichtverletzung und Vermögensnachteil dann keine Untreue, wenn - wie hier - der Eintritt des Bürgschaftsfalls den Verzug des Schuldners über einen längeren Zeitraum voraussetze (vgl. Schneider, wistra 2015, 369, 374). Zutreffend ist zwar, dass die Tathandlung im Rahmen von § 266 Abs. 1 StGB den Vermögensnachteil unmittelbar bewirken muss (vgl. BGH, Urteile vom 7. September 2011 - 2 StR 600/10, NJW 2011, 3528, 3529; vom 11. Dezember 2014 - 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94, 115 f.; umfassend SSW-StGB/Saliger, 2. Aufl., § 266 Rn. 84, 62 mwN; aA Rübenstahl /Wasserburg NStZ 2004, 521, 526). Besteht dieser im Tatzeitpunkt aber schon aufgrund der durch die Rahmenumstände gegebenen sicheren Erwartung , dass der Bürgschaftsfall eintreten wird, so ist die aufgrund der Eintrittswahrscheinlichkeit schon durch Eingehen der Verbindlichkeit bewirkte Vermögensminderung in diesem Sinne unmittelbar. Unerheblich ist dann, ob der Erfüllungsschaden isoliert betrachtet eine derartige sachliche und zeitliche Nähe zu der Pflichtverletzung aufweist, dass er dem Unmittelbarkeitserfordernis genügen könnte.
91
(3) Die Haftung der RIM GmbH gegenüber der ISB GmbH war nach den jeweiligen Darlehensverträgen begrenzt auf die Geldeingänge aus der refinanzierten Beteiligung sowie auf die Erlöse der für diese Beteiligung bestellten Sicherheiten , wobei nach weiterer Vereinbarung die Haftungsfreistellung einer Inanspruchnahme des Bürgen durch die ISB GmbH nicht entgegenstehen durfte. Vor dem Hintergrund der Regelung des § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB wird gegebenenfalls zu erörtern sein, ob - was naheliegend erscheint - in den ausgegebenen globalen Bürgschaftserklärungen oder den Schreiben, mit denen D. die Bürgschaft auf die volle Darlehenssumme erstrecken ließ, diesbezügliche Erklärungen des Landes enthalten waren (zur Abdingbarkeit von § 768 vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08, BGHZ 181, 278, 288 f.; MüKoBGB/Habersack, 6. Aufl., § 768 Rn. 3) oder ob entsprechende Einschränkungen sonst aus der Sicherungsabrede folgten (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - XI ZR 331/07, WM 2008, 1350, 1352; Palandt-Sprau, BGB, 75. Aufl., § 768 Rn. 7).
92
(4) Von seiner Annahme ausgehend, dass bereits in dem Eingehen der Bürgschaftsverpflichtung eine schadensgleiche Vermögensgefährdung lag, hat sich das Landgericht konsequent mit der den Schuldgehalt der Tat betreffenden Frage befasst, ob die angenommene Vermögensgefährdung durch spätere Umstände entfallen war. Soweit es den "Gefährdungszeitraum" im Fall IV.9 a) der Urteilsgründe allerdings - D. insoweit nicht beschwerend - auf den "Zeitraum der zugelassenen Anklage" begrenzt hat, begegnet dies rechtlichen Bedenken. Mit dem erstmaligen Eintritt des Vermögensnachteils, im Fall der einem Schaden gleichkommenden Gefährdungslage schon mit dieser, ist das Delikt der Untreue vollendet (BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2001 - 5 StR 530/00, NStZ 2001, 650; vom 17. August 2006 - 4 StR 117/06, NStZ-RR 2006, 378, 379). Spätere Entwicklungen, die den Schaden vertiefen oder entfallen lassen, wirken sich allerdings auf das Maß der Schuld aus. Sie sind daher für die Beurteilung von Tat und Täter von Bedeutung und vom Gericht - im Rahmen seiner Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) - zu ermitteln. Der Grundsatz , dass sich Untersuchung und Entscheidung auf die in der Anklage bezeichnete Tat beschränken (§§ 155, 264 StPO), steht dem nicht entgegen (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1975 - 1 StR 755/75, NStZ 1981, 99 mwN).
93
ee) Das neue Tatgericht wird auch zu prüfen haben, ob sich D. wegen Anstiftung zur Untreue durch die Mitangeklagten M. und/oder W. strafbar gemacht hat. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt , dass gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV verstoßende Rechtsgeschäfte gemäß § 134 BGB unwirksam sein können (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 92/11, EuZW 2013, 753, 755 ff. mwN), wird zu prüfen sein, inwieweit bewusst Leistungen rechtsgrundlos oder ohne rechtswirksame Absicherung erbracht wurden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 591/11, NJW 2013, 401, 403).
94
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen IV.8, 9 a) bis c) und
e) bis j) der Urteilsgründe entzieht den insoweit verhängten Einzelstrafen die Grundlage und hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge. Im Fall IV.8 der Urteilsgründe sind die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen , mit Ausnahme derjenigen zum Vermögensnachteil, von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende, zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehende Feststellungen bleiben möglich. In den Fällen IV.9 a) bis c) und e) bis j) der Urteilsgründe hebt der Senat die Feststellungen über den Antrag des Generalbundesanwalts hinaus vollständig auf, da der Angeklagte im Hinblick auf die vom Senat erteilten Hinweise noch keine Möglichkeit der Verteidigung hatte und um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
95
4. Gemäß § 357 StPO war die Aufhebung des Urteils in den Fällen IV.9
a) bis c) sowie e) bis j) der Urteilsgründe auf die Mitangeklagten M. und W. zu erstrecken.
96
5. Im Übrigen hat die auf die Sachbeschwerde gebotene materiellrechtliche Überprüfung des Urteils aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 26. Januar 2015 dargelegten Gründen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil von D. ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
97
a) Es kann auch in den Fällen IV.5, 6, 7 und 10 der Urteilsgründe offen bleiben, ob D. als faktischer Geschäftsführer der Nürburgring GmbH zu qualifizieren ist, da sich dessen Vermögensbetreuungspflicht - wie zu Fall IV.8 der Urteilsgründe dargelegt - jedenfalls aus seiner Stellung als Mitglied des Aufsichtsrats ergab.
98
b) In den Fällen IV.5, 6 und 7 der Urteilsgründe lagen schon die Vereinbarungen zu den einzelnen Zahlungen - wie das Landgericht hinsichtlich Fall IV.6 der Urteilsgründe zutreffend ergänzend dargelegt hat - außerhalb des der Geschäftsführung zuzubilligenden unternehmerischen Gestaltungsspielraums, da die Zahlungen nicht im Unternehmenswohl der Nürburgring GmbH lagen:
99
Im Fall IV.5 der Urteilsgründe entstanden der Nürburgring GmbH durch die Übernahme der Gründungskosten für die G. AG nach den getroffenen Feststellungen keine auch nur im Ansatz erkennbaren Vorteile. Deren Gründung kam ausschließlich B. und Me. entgegen, die sich hierdurch steuerliche Vorteile versprachen. Auch in den Fällen IV.6 und 7 der Urteilsgründe widersprachen die Zahlungen den Unternehmensinteressen. Sie waren nicht durch den Vorvertrag vom 27. März 2007 bzw. dessen Nachträge gedeckt; zudem hatten weder die I. -GmbH noch die P. GmbH "wie auch immer geartete Leistungen" oder "abrechnungsfähige Aufwendungen" erbracht. Bei dieser Sachlage besteht nach den bereits zu Fall IV.8 der Urteilsgründe dargestellten Maßstäben die untreuerelevante Pflichtwidrigkeit von D. darin, dass er gemeinsam mit L. (Fall IV.6) bzw. in dessen Anwesenheit (Fälle IV.5 und 7) den Entschluss zur jeweiligen Zahlung fasste und diese hierdurch veranlasste. Es bedarf damit keiner näheren Betrachtung, ob - wie vom Landgericht angenommen - mit der Zahlung auch deshalb eine Vermögensbetreuungspflicht verletzt wurde, weil dieser kein wirksamer Rechtsgrund zugrunde lag. Rechtsgrundlos geleistete Zahlungen stellen zwar jedenfalls dann eine Pflichtverletzung im Sinne des Untreuetatbestandes dar, wenn das den Rechtsgrund bildende Rechtsgeschäft wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) unwirksam ist (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 591/11, NJW 2013, 401, 402). Angesichts der den § 125 Satz 2, § 134 BGB zugrundeliegenden unterschiedlichen Normzwecke ist jedoch zweifelhaft, ob dies in gleicher Weise generell auch dann anzunehmen ist, wenn die Unwirksamkeit des Rechtsgrundes aus einem Verstoß gegen ein - wie hier - rechtsgeschäftlich begründetes Formerfordernis folgt.
100
c) Die Verurteilung im Fall IV.11 der Urteilsgründe wegen falscher uneidlicher Aussage (§ 153 StGB) erweist sich aus den vom Landgericht in seinem Urteil dargelegten Gründen als rechtsfehlerfrei. Diesen wird auch nicht deshalb die Grundlage entzogen, weil das Urteil im Fall IV.8 der Urteilsgründe aufzuheben ist. Zwar knüpft die Verurteilung wegen falscher uneidlicher Aussage inhaltlich an die dortigen Vorkommnisse an. Die hierzu getroffenen Feststellungen sind jedoch weitgehend rechtsfehlerfrei getroffen und können in dem bereits dargelegten Umfang bestehen bleiben. Soweit die Feststellungen im Fall IV.8 der Urteilsgründe in Bezug auf die Bestimmung des Vermögensnachteils und hinsichtlich der subjektiven Tatseite aufgehoben worden sind, ist dies ohne Bedeutung für die Beurteilung, ob die von D. am 2. Juli 2010 vor dem Untersuchungsausschuss getätigte Aussage falsch war und dieser vorsätzlich handelte.
101
6. Zu den erhobenen Verfahrensrügen gilt das Folgende:
102
a) Die Rüge eines Verstoßes gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 26. Januar 2015 dargelegten Gründen unbegründet.
103
b) Die Rüge eines Verstoßes gegen § 199 Abs. 2 Satz 2, § 147 Abs. 1 und 4, § 338 Nr. 8 StPO, weil das Landgericht der Verteidigung die Akteneinsicht in rechtlich bedenklicher Weise erschwert habe, indem es eine Spiegelung sichergestellter Datenträger abgelehnt und Einblick in diese lediglich in den Räumen der Staatsanwaltschaft gewährt habe, ist unzulässig. Dabei kommt es auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob es sich bei den Datenträgern um Beweismittel oder Aktenbestandteile handelte, nicht an. Selbst wenn die von der Revision vertretene Einstufung als Aktenbestandteil zutreffen sollte, betreffen die mit der Rüge angegriffenen Entscheidungen des Vorsitzenden und der Strafkammer lediglich die Ausgestaltung des Rechts auf Akteneinsicht. Diese Entscheidung ist gemäß § 336 Satz 2, § 147 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht revisibel (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1999 - 1 StR 672/98, NStZ 2000, 46; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 336 Rn. 18). Ob für die Fälle einer willkürlichen Beschneidung des Einsichts- und Besichtigungsrechts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. September 2011 - 2 BvR 449/11, NJW 2012, 141, 142) etwas anderes gilt, bedarf keiner Entscheidung. Ein sachfremdes Handeln hat die Revision nicht dargelegt; insbesondere ergibt sich ein solches nicht aus den angegriffenen Entscheidungen.
104
c) Auf die Rüge eines Verstoßes gegen § 261 StPO kommt es nicht an. Sie betrifft ausschließlich die Beweiswürdigung zu den Fällen IV.9 a) bis c) und
e) bis j) der Urteilsgründe; insoweit ist der Schuldspruch mit den dazugehörigen Feststellungen schon auf die Sachrüge aufzuheben.
105
7. Durch die Teilaufhebung des Urteils ist die gegen die Kostenentscheidung gerichtete sofortige Beschwerde von D. gegenstandslos, da bereits die Teilaufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache in diesem Umfang der Kostenentscheidung die Grundlage entzieht (KK-Gieg, StPO, 7. Aufl., § 464 Rn. 14; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 464 Rn. 20, LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 464 Rn. 42)
106
III. Revision des Angeklagten K.
107
1. Der Schuldspruch kann im Fall IV.2 der Urteilsgründe keinen Bestand haben. Nach den hierzu getroffenen Feststellungen hat sich K. keiner Untreue schuldig gemacht; insoweit ist er freizusprechen. Im Einzelnen:
108
a) Das Landgericht ist der Auffassung, die Entscheidung von K. zur Übernahme der Kosten für die Gründung der P. S.A. sei nicht mehr von der ihm als Geschäftsführer eingeräumten unternehmerischen Entscheidungsfreiheit gedeckt gewesen. Er habe auch Mitwirkungsbefugnisse des Aufsichtsrats verletzt, weil es sich um eine nach § 7 Abs. 1 GesV zustimmungspflichtige Maßnahme gehandelt habe. Soweit der Aufsichtsrat die Geschäftsführung bereits mit Beschluss vom 1. Juli 2008 zu Vertragsabschlüssen im Rahmen der Finanzierung von "Nürburgring 2009" ermächtigt habe, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Beschluss sei auf Grundlage der Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 2 GesV ergangen, die dahin ausgelegt werden müsse, dass eine im Vorfeld erteilte Zustimmung nur dann zulässig sei, wenn der Aufsichtsrat diese an bestimmte Auflagen binde. Dies folge daraus, dass sich der Aufsichtsrat nach der Gesamtkonstruktion des § 7 GesV nicht jeglicher Kontrollmöglichkeiten gegenüber der Geschäftsführung begeben dürfe. An entsprechenden Auflagen habe es in dem Beschluss vom 1. Juli 2008 gefehlt. Überdies sei die Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A. auch nicht "notwendig" im Sinne des Aufsichtsratsbeschlusses gewesen.
109
b) Dies hält materiellrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht ist zwar zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass K. als Geschäftsführer der Nürburgring GmbH vermögensbetreuungspflichtig war (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 27. August 2010 - 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 274). In dem von der Strafkammer festgestellten Verhalten von K. lag jedoch keine Verletzung einer das Vermögen der Nürburgring GmbH schützenden Pflicht; weder überschritt er den ihm als Geschäftsführer eingeräumten unternehmerischen Ermessensspielraum noch umging er Mitwirkungsbefugnisse des Aufsichtsrats. Hierzu gilt:
110
aa) Die Entscheidung zur Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A. lag innerhalb des K. als Geschäftsführer eingeräumten weiten unternehmerischen Ermessensspielraums.
111
Wie im Rahmen der Revision von D. dargelegt, liegt eine Pflichtverletzung in diesem Zusammenhang erst vor, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss. Im Rahmen des der unternehmerischen Entscheidung vorausgehenden Entscheidungsfindungsprozesses sind die möglichen negativen Auswirkungen bestimmter Maßnahmen , wie etwa ein Ansehensverlust des Unternehmens in der Öffentlichkeit, ebenso in die Überlegungen einzustellen wie die mit imagepflegenden Maßnahmen einhergehenden positiven Folgen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. April 1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 255; Bosch/Lange JZ 2009, 225, 231,

233).


112
Gemessen hieran bewegte sich K. mit seiner Entscheidung, die Kosten für die Gründung der P. S.A. zu übernehmen, noch innerhalb des ihm zustehenden weiten Ermessensspielraums. Hinsichtlich der Verbindung der I. S.A. zu einem mexikanischen Drogenkartell lag aufgrund der im luxemburgischen Handelsregister enthaltenen Eintragungen zu den Gesellschaftsverhältnissen ein verifizierbarer und nicht lediglich vager oder offensichtlich haltloser Verdacht vor. Angesichts dessen war es aus unternehmenspolitischen Gründen - insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Finanzierung des Ausbauprojekts auch im Bereich II noch nicht sichergestellt war und dort Privatinvestoren gesucht wurden - im Interesse der Gesellschaft, diesen Schein einer Verbindung kurzfristig zu beseitigen. Dass die I. S.A. oder die hinter ihr stehenden B. und Me. hierzu vertraglich verpflichtet waren, belegen die Urteilsgründe auch in ihrem Gesamtzusammenhang nicht. Allein der Umstand, dass eine gute Reputation naheliegend auch im eigenen Interesse der I. S.A. lag, begründete einen vertraglichen Anspruch nicht. Die Höhe der mit der Neugründung der P. S.A. verbundenen Kosten, war zwar in die Abwägung der insoweit gegenläufigen Unternehmensinteressen einzustellen ; dieser Gesichtspunkt wurde allerdings dadurch relativert, dass die Kosten bei erfolgreichem Zustandekommen der Finanzierung auf den dann fälligen Provisionsanspruch angerechnet werden konnten. Bei dieser Sachlage ist ein strafrechtlicher Vorwurf auch nicht deshalb begründet, weil K. seine Entscheidung traf, bevor die Angaben von Me. zum Erwerb der I. S.A. - die sich nur zehn Tage nach Vertragsschluss als zutreffend herausstellten - überprüft worden waren. Denn der durch die Registerlage hervorgerufene Schein blieb bestehen; Dritte hätten weiterhin den Schluss auf eine Verbindung zur mexikanischen Drogenmafia ziehen und mit den etwaigen negativen Folgen für das Ansehen der Nürburgring GmbH bzw. das Ausbauprojekt öffentlich machen können. Dass es sich hierbei nicht nur um ein fernliegendes Szenario handelte, zeigt sich daran, dass auch D. bei seinen eigenen Recherchen im Internet bereits auf entsprechende Gerüchte gestoßen war.
113
bb) K. verstieß mit seiner Entscheidung zur vertraglichen Kostenübernahme und deren Umsetzung auch nicht gegen seine Pflicht zur Einbeziehung des Aufsichtsrats gemäß § 7 Abs. 1 GesV.
114
(1) Zutreffend ist das Landgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Maßnahme grundsätzlich zustimmungsbedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 GesV war. Die Entscheidung zur Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A zählte angesichts des Ausnahmecharakters des Geschäfts sowie seiner finanziellen und unternehmenspolitischen Tragweite im Sinne der Satzung nicht mehr zum gewöhnlichen Geschäftsverkehr.
115
Die Satzungsbestimmung war auch wirksam und verstieß nicht gegen § 52 Abs. 1 GmbHG, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG: Ist nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat bei einer GmbH bestellt, so gilt gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG die Vorschrift des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG entsprechend, wonach die Satzung bestimmte Arten von Geschäften einem Zustimmungsvorbehalt durch den Aufsichtsrat unterwerfen kann. Soweit in der Kommentarliteratur zu § 52 GmbHG unter Rückgriff auf aktienrechtliche Grundsätze die Auffassung vertreten wird, satzungsmäßig bestimmte Zustimmungsvorbehalte seien aufgrund des Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz unzulässig, wenn sie - wie hier - generalklauselartig ausgestaltet sind (Michalski/Giedinghagen, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 229 mwN; MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 361, 369, 371; Ulmer/Heermann, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 110), ist dem jedenfalls für die hier zu bewertende Regelung des § 7 Abs. 1 GesV nicht zu folgen. Die zu § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG entwickelten aktienrechtlichen Grundsät- ze sind auf den fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH nicht ohne weiteres übertragbar , da § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG gemäß § 52 Abs.1 GmbHG nur anzuwenden ist, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag anderes bestimmt ist (sog. Satzungsautonomie , vgl. etwa Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 52 Rn. 24; Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 52 Rn. 3; Michalski/Giedinghagen, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 16; MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 9 ff.). Es ist daher anerkannt, dass die Satzung im Fall des fakultativen Aufsichtsrats die aus § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG folgenden Pflichten sowohl einschränken als auch ausweiten kann (BeckHdbGmbH/Müller, 5. Aufl., § 6 Rn. 52; Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 52 Rn. 13; MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 378; Ulmer/Heermann, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 110). Angesichts des im Recht der GmbH bestehenden Satzungsvorrangs kann der Ausschluss generalklauselartiger Zustimmungsvorbehalte somit nicht auf den Wortlaut des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG ("bestimmte Arten von Geschäften") gestützt werden (so aber Michalski/Giedinghagen, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 229). Angesichts der unterschiedlichen Strukturen von GmbH und AG, wonach dem Geschäftsführer einer GmbH insbesondere angesichts des deutlich stärkeren Einflusses der Gesellschaftsversammlung als oberstem Organ eine schwächere Stellung in der Gesellschaft zukommt als dem Vorstand einer AG (vgl. Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 52 Rn. 2; Michalski/Giedinghagen, GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 19), bestehen gegen eine generelle Einschränkung der Geschäftsführungsbefugnis durch die Satzung keine Bedenken; unerheblich ist, dass die Regelung des § 7 Abs. 1 GesV nach aktienrechtlichen Maßstäben als unwirksam zu qualifizieren wäre (vgl. Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 66; KKAktG /Mertens/Cahn, 3. Aufl., § 111 Rn. 85; Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, S. 123 f.; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, § 111 Rn. 46). Die hier zu bewertende, nur Maßnahmen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs erfassende Bestimmung des § 7 Abs. 1 GesV beschneidet die Kompetenzen der Geschäftsführung auch nicht derart, dass deren Führungsbefugnis im Kernbereich betroffen ist (vgl. zu dieser Grenze MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 368). Da der Terminus des "gewöhnlichen" Geschäftsverkehrs zudem in handelsrechtlichen Bestimmungen über die Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis verwendet wird (vgl. etwa § 54 Abs. 1, § 116 Abs. 1 HGB), schafft dieser ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriff für den Geschäftsführer auch keinen Zustand untragbarer Rechtsunsicherheit (vgl. zu diesem Aspekt MüKoGmbHG/Spindler, 2. Aufl., § 52 Rn. 361).
116
(2) K. verstieß jedoch nicht gegen § 7 Abs. 1 GesV, weil sein Vorgehen durch den Aufsichtsratsbeschluss vom 1. Juli 2008 gedeckt war und es damit einer weiteren Einbeziehung des Aufsichtsrats nicht mehr bedurfte.
117
(a) Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass auch im Fall der satzungsmäßig bestimmten Zustimmungsvorbehalte im Vorfeld erteilte Globalbeschlüsse (auch "Generalzustimmung", "Rahmenzustimmung", "Vorwegeinwilligung" ) des Aufsichtsrats grundsätzlich zulässig sind, wenn die Satzung solche - wie hier in § 7 Abs. 3 Satz 2 GesV - zulässt (vgl. Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, S. 203; Hopt/Roth in GroßKommAktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 665 f.; KKAktG /Mertens/Cahn, 3. Aufl., § 111 Rn. 109; MüKoAktG/Habersack, 4. Aufl., § 111 Rn. 126). Rechtsfehlerhaft ist allerdings der von der Strafkammer gezogene Schluss, der Aufsichtsratsbeschluss vom 1. Juli 2008 sei unwirksam, da eine im Vorfeld erteilte generelle Zustimmung zwingend mit Auflagen hätte verbunden werden müssen.
118
Aus dem Wortlaut von § 7 Abs. 3 Satz 2 GesV lässt sich die Verpflichtung des Aufsichtsrats, seine Zustimmung ausdrücklich mit Auflagen zu verbinden , nicht entnehmen. Systematisch bezieht sich die Regelung auf die "zustimmungspflichtigen Geschäfte" und erfasst damit sowohl die in § 7 Abs. 2 GesV konkretisierten als auch alle anderen unter die Generalklausel des Abs. 1 fallenden Geschäfte. Könnte der Aufsichtsrat seine Zustimmung einschränkungslos und spiegelbildlich zur Bestimmung des § 7 Abs. 1 GesV allgemein zu sämtlichen von Abs. 1 erfassten Geschäften erteilen, bestünde die Gefahr, dass er die ihm vom Satzungsgeber zugewiesene Funktion als Kontrollorgan unterliefe. Dies bedingt - wie das Landgericht insoweit zutreffend angenommen hat -, dass er den Umfang und die Voraussetzungen seiner Zustimmung präzisiert. Weitergehende Beschränkungen - auch in inhaltlicher Sicht - folgen hieraus für die Ausgestaltung des Zustimmungsbeschlusses allerdings nicht: Dass der Aufsichtsrat mit jeder Rahmenzustimmung die Kontrolle über die von der Geschäftsführung abgeschlossenen Geschäfte in einem gewissen Maße verliert , liegt in der Natur solcher Rahmenbeschlüsse; dies wird jedoch insbesondere dadurch kompensiert, dass es dem Aufsichtsrat jederzeit möglich ist, die Geschäftsführung zur Berichtserteilung anzuhalten (vgl. hierzu Koppensteiner /Schnorbus in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl., § 52 Rn. 32) und seine Generalzustimmung zu widerrufen. Schließlich verlangen weder die aus der Satzung folgende Funktion des Aufsichtsrats noch sonstige Gesichtspunkte , dass der Aufsichtsrat die für die Zulässigkeit einer Vorwegeinwilligung erforderlichen Konkretisierungen an die Geschäftsführung ausdrücklich als "Auflage" bezeichnet.
119
Nach diesen Maßstäben bestehen an der Wirksamkeit des Aufsichtsratsbeschlusses vom 1. Juli 2008 keine Bedenken. Die von der Zustimmung des Aufsichtsrats erfassten Geschäfte waren dadurch in dem erforderlichen Maße präzisiert, dass der sachliche Bezug der bewilligten Geschäfte zur Finanzierung des Ausbauprojektes hergestellt war und abzuschließenden Vereinbarungen unter der Voraussetzung eines "notwendigen" funktionalen Zusammenhangs standen.
120
(b) Die mit der Finanzierung des Projektes "Nürburgring 2009" eng verbundene Entscheidung zur Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A. war schließlich auch von dem Aufsichtsratsbeschluss vom 1. Juli 2008 umfasst. Insbesondere handelte es sich um eine im Sinne des - von der Strafkammer insoweit nicht näher ausgelegten - Aufsichtsratsbeschlusses zur Finanzierung des Projektes "notwendige" Vereinbarung.
121
Bei verständiger Würdigung beschränkte der Aufsichtsrat seine Zustimmung hiermit nicht auf den Abschluss solcher Verträge und Vereinbarungen, ohne die das Finanzierungskonzept objektiv nicht umsetzbar gewesen wäre, insbesondere die vor der Beschlussfassung seitens der Geschäftsführung vorgelegten Entwürfe des Nießbrauchs-, Generalübernehmer-, Miet- und Optionsvertrages. Vielmehr umfasste die Zustimmung auch solche Vereinbarungen, die - wie hier - in Zusammenhang mit der Finanzierung des Bereichs I standen und seitens der Geschäftsführung in vertretbarer Weise als erforderlich angesehen wurden. Dies folgt daraus, dass der Aufsichtsrat im Beschlusszeitpunkt über die Einzelheiten des verfolgten Finanzierungskonzeptes unterrichtet war und dieses umgesetzt wissen wollte; hätte er der Geschäftsführung hierbei keinen eigenen Gestaltungsspielraum einräumen oder seine Zustimmung auf die ihm vor der Entscheidung vorgelegten Vertragsentwürfe beschränken wollen, hätte es nahegelegen, entweder die Vertragsentwürfe ausdrücklich im Beschluss zu benennen oder von vornherein auf eine Generalzustimmung zu verzichten. In der stattdessen verwendeten Formulierung "Verträge und sonstigen Vereinbarun- gen" kommt die im Beschlusszeitpunkt bestehende Ungewissheit über den Umfang und die Art der für die Umsetzung der Finanzierung erforderlichen Geschäfte deutlich zum Ausdruck.
122
Die von D. befürchteten negativen Folgen auf die - zu diesem Zeitpunkt nicht sichergestellte - Finanzierung des Ausbauprojekts für den Fall, dass sich die Gerüchte um die Verbindung der I. S.A. zur mexikanischen Drogenmafia ausbreiten sollten, lagen nahe und waren von einer sachlichen Grundlage getragen. Dass K. dies anders beurteilt und aus sachfremden Erwägungen heraus gehandelt haben könnte, ist nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund war es im Sinne der dargelegten Maßstäbe vertretbar, die Übernahme der Gründungskosten für die P. S.A. als für die weitere Durchführung des Projektes notwendig anzusehen.
123
c) Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden könnten, die eine Verurteilung von K. wegen Untreue zu tragen vermögen. Er spricht den Angeklagten deshalb insoweit mit der entsprechenden Kostenfolge frei (§ 354 Abs. 1, § 467 Abs. 1 StPO).
124
2. Im Fall IV.8 der Urteilsgründe tragen die getroffenen Feststellungen aus den bereits zur Revision von D. dargelegten Gründen nicht den Schuldspruch wegen Untreue zum Nachteil der Nürburgring GmbH.
125
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall IV.8 der Urteilsgründe entzieht der insoweit verhängten Einzelstrafe die Grundlage; dies und der durch den Freispruch im Fall IV.2 der Urteilsgründe bedingte Wegfall der in diesem Fall festgesetzten Einzelstrafe führen zur Aufhebung des Gesamtstrafenaus- spruchs. Die Feststellungen im Fall IV.8 der Urteilsgründe können allerdings in dem zur Revision von D. dargelegten Umfang bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
126
4. Weitere zum Nachteil von K. wirkende Rechtsfehler hat die auf die Sachrüge gebotene materiellrechtliche Nachprüfung nicht ergeben. Über die in der Begründungsschrift des Generalbundesanwalts vom 1. Juni 2015 dargelegten Gründe hinaus bedarf nur Folgendes der näheren Erörterung:
127
a) Im Fall IV.3 der Urteilsgründe überschritt K. mit der von ihm veranlassten Zahlung den ihm zukommenden unternehmerischen Entscheidungsfreiraum. Die Maßnahme lag nicht im Unternehmenswohl: Nach der - durch die Nachträge modifizierten - Vertragslage zum Vorvertrag vom 27. März 2007 bestand keine Verpflichtung der Nürburgring GmbH zum Aufwendungsersatz über September 2008 hinaus. Es war auch nicht erkennbar, dass die I. GmbH im Oktober 2008 noch wesentliche Leistungen im Hinblick auf die angestrebte Umsetzung des mit Ba. angestrebten Finanzierungskonzeptes erbringen musste; die für die Anlage der von Ba. geforderten Bareinlage erforderlichen Voraussetzungen waren bereits geschaffen. Bereits am 24. September 2008 - nur zwei Tage nach der Rechnungsstellung - wurde der Betrag von 80 Mio. € absprachegemäß angelegt; die weiteren Schritte waren von Ba. zu erbringen. Weder für die Zahlung noch für eine etwaige mündliche Vereinbarung hierüber - für deren Vorliegen die Urteilsgründe überdies keine konkreten Anhaltspunkte geben; insb. bezog sich die gegenständliche Rechnung auf § 2 des "geschlossenen Vorvertrag[s]" - bestand damit eine wirtschaftliche Rechtfertigung. Da die Maßnahme mithin außerhalb des unternehmerischen Gestaltungsspielraums lag, handelte es sich um eine Pflichtverletzung , ohne dass es auf weitere Wertungen noch ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 343 ff. mwN). Ob K. aufgrund einer Umgehung des Aufsichtsrats zusätzlich noch ein Verstoß gegen die Satzung der Nürburgring GmbH vorzuwerfen ist, bedarf keiner weitergehenden Betrachtung. Ebenso kann offen bleiben, ob Zahlungen auf eine formunwirksame Forderung stets untreuerelevant sind.
128
b) In den Fällen IV.5, 6 und 7 der Urteilsgründe liegt die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch K. ebenfalls darin, dass die gegenständlichen Zahlungen - wie im Rahmen der Revision von D. ausgeführt - unter keinem Gesichtspunkt im Unternehmenswohl und damit außerhalb des dem Geschäftsführer einzuräumenden freien Gestaltungsspielraums lagen.
129
5. Die auf Verstöße gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO und § 199 Abs. 2 Satz 2, § 147 Abs. 1 und 4, § 338 Nr. 8 StPO gestützten Verfahrensrügen bleiben aus den zur Revision von D. dargelegten Gründen ohne Erfolg.
130
IV. Revision des Angeklagten N.
131
1. Der Schuldspruch wegen Untreue im Fall IV.7 der Urteilsgründe erweist sich als rechtsfehlerhaft. Die getroffenen Feststellungen belegen kein täterschaftliches Handeln des Angeklagten N. , da sich aus ihnen weder die konkrete Verletzung einer bestehenden Vermögensbetreuungspflicht noch die allgemeinen Voraussetzungen der Täterschaft (§ 25 StGB) ergeben.
132
a) Täter der Untreue kann aufgrund des Sonderdeliktscharakters nur derjenige sein, dem eine in Bezug auf das geschädigte Vermögen bestehende Betreuungspflicht zukommt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 13. März 2013 - 2 StR 474/12, NStZ 2013, 472, 473). Der Schluss des Landgerichts, dass N. einer derartigen Pflicht zuwider handelte, wird von den Urteilsgründen nicht getragen.
133
aa) Wie im Rahmen der Revision von D. dargelegt, sind die durch § 266 Abs. 1 StGB strafrechtlich geschützten Treueverhältnisse auf die Fälle zu beschränken, in denen für den Betreuenden eine besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen begründet wird. Dabei kann eine vertragliche Beziehung, die sich insgesamt als Treueverhältnis im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB darstellt, auch Verpflichtungen enthalten, deren Einhaltung nicht vom Untreuetatbestand geschützt wird (BGH, Beschluss vom 5. März 2013 - 3 StR 438/12, NJW 2013, 1615). Nicht jede vermögensmindernde Pflichtverletzung eines Vermögensbetreuungspflichtigen ist demnach bereits untreuerelevant, sondern nur der Verstoß gegen eine Pflicht, die gerade spezifisch dem Vermögensschutz dient (MüKoStGB/Dierlamm, 2. Aufl., § 266 Rn. 40; ders. in Kempf/Lüderssen/Volk, Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, S. 201, 204). Maßgebend für die Abgrenzung sind Inhalt und Umfang der Treueabrede, wie sie sich aus den Vertragsvereinbarungen bei sachgerechter Auslegung ergibt (BGH, Urteile vom 30. Oktober1985 - 2 StR 383/85, NStZ 1986, 361, 362; vom 30. Oktober 1990 - 1 StR 544/90, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 17; Beschluss vom 11. August 1993 - 2 StR 309/93, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht

22).


134
bb) Nach diesen Maßstäben ist das Landgericht zunächst rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass dem Angeklagten aufgrund der rechtlichen Ausgestaltung seines Arbeitsverhältnisses eine im vorstehenden Sinne qualifizierte Stellung hinsichtlich des Vermögens der Nürburgring GmbH zukam. Diese folgte aus seiner Verpflichtungs- und Freigabebefugnis für Forderungen gegen die Nürburgring GmbH bis zu maximal 20.000 € und aus seiner Aufgabe, eingehende Rechnungen auf ihre inhaltliche und sachliche Richtigkeit zu prüfen, sowie der hiermit einhergehenden Möglichkeit, auf deren Auszahlung wesentlichen Einfluss zu nehmen.
135
Die Urteilsgründe belegen jedoch nicht, dass N. im Fall IV.7 der Urteilsgründe in diesem Pflichtenkreis tätig wurde: In die mit Me. getroffene Vereinbarung über die Erstattung des Aufwendungsersatzes, war N. nicht eingebunden. Soweit der Angeklagte im Rahmen der Zahlung des Betrages von 150.000 € involviert war, belegen die - missverständlich formulierten - Fest- stellungen lediglich, dass er diese vorbereiten ließ; freigegeben wurde die Auszahlung durch K. , der die auf Veranlassung von N. erstellte Auszahlungsanordnung unterschrieb. Dass N. über eine möglicherweise nur im Innenverhältnis zur Nürburgring GmbH wirkende Beschränkung die Zahlung von Beträgen über 20.000 € wirksam anweisen konnte, belegen die Urteilsgründe nicht. Offenbleiben kann in diesem Zusammenhang, in welchem Umfang N. Handlungsvollmacht eingeräumt war; denn den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen , dass der Angeklagte mit der "Anweisung" gegenüber De. , den Geldbetrag "zu überweisen", in dem ihm hierdurch eröffneten Aufgabenbereich agierte. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass N. Leiter der von ihm aufgebauten Controlling-Abteilung der Nürburgring GmbH war; die Feststellungen lassen offen, welche konkreten Aufgaben und Entscheidungsspielräume sich für den Angeklagten hierdurch ergaben.

136
Da die inhaltlich unrichtige Rechnung der I. GmbH vom 15. Juni 2009 erst nach der Überweisung bei der Nürburgring GmbH einging, kann schließlich auch eine inhaltliche Bestätigung der Rechnung durch N. - ungeachtet der hierzu fehlenden Feststellungen - nicht ursächlich für die Auszahlung geworden sein; da sich die Urteilsgründe nicht dazu verhalten, ob und ggf. durch wen die Rechnung vom 15. Juni 2009 inhaltlich und sachlich bestätigt worden war, ergibt sich schon deshalb auch unter dem Gesichtspunkt einer von N. (mit)bewirkten falschen Buchführung (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2010 - 2 StR 111/09, NJW 2010, 3458, 3460 mwN; BGH, Beschluss vom 26. April 2001 - 5 StR 587/00, BGHSt 47, 8, 11 mwN; Urteil vom 7. Dezember 1965 - 5 StR 312/65, BGHSt 20, 304; MüKoStGB/Dierlamm, 2. Aufl., § 266 Rn. 191, 227) keine Pflichtverletzung im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB.
137
b) Die getroffenen Feststellungen belegen darüber hinaus auch nicht die allgemeinen Voraussetzungen der Täterschaft.
138
aa) Auch wenn man annimmt, N. habe in dem seine Vermögensbetreuungspflicht begründenden Pflichtenkreis gehandelt, verwirklichte er die Tat nicht im Sinne von § 25 Abs. 1 StGB selbst. Soweit er De. zu der sog. Blitzüberweisung aufforderte, lag hierin keine Aufforderung, die Überweisung unmittelbar auszuführen. Diese setzte nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe vielmehr das Vorhandensein einer unterschriebenen Auszahlungsanordnung voraus. Dass De. diese Unterschrift leisten konnte oder nach der Vorstellung von N. hätte leisten sollen, zeigen die Urteilsgründe nicht auf; hiergegen spricht auch, dass angesichts der Höhe der Zahlung auch der De. in der Hierarchie übergeordnete N. zur Unterschrift weder befugt noch willens war. Mit der bloßen Aufforderung an De. , die Überweisung vorzubereiten, war die Wahrscheinlichkeit einer späteren Auszahlung indes noch nicht in einem Maße gestiegen, dass hierin bereits eine tatbestandliche schadensgleiche Vermögensgefährdung gesehen werden kann. Entsprechendes gilt für die spätere Vorlage der Auszahlungsanordnung von N. an K. zur Unterschrift, zumal N. hierbei noch explizit auf seine Bedenken gegen den Vorgang hinwies und gegenüber seinem Vorgesetzten die Auszahlung zu verhindern suchte. Dass N. nach der Vorlage der Auszahlungsanordnung noch an dem weiteren Geschehen beteiligt war, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Nach alledem erschöpfte sich der eigene Beitrag von N. in bloßen Unterstützungshandlungen.
139
bb) Auch eine Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) von N. wird von den Urteilsgründen nicht belegt. Ein mittäterschaftliches Handeln ist gegeben, wenn ein Tatbeteiligter mit seinem Beitrag nicht bloß fremdes tatbestandsverwirklichendes Tun fördern will, sondern dieser Beitrag im Sinne arbeitsteiligen Vorgehens Teil einer gemeinschaftlichen Tätigkeit sein soll. Dabei muss der Beteiligte seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen. Der gemeinschaftliche Tatentschluss kann durch ausdrückliche oder auch durch konkludente Handlungen gefasst werden. Ob ein Beteiligter ein derart enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte für diese Beurteilung können der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille hierzu sein, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. Mai 2015 - 3 StR 575/14, BGHR VStGB § 6 Mittäter 1; vom 23. März 1994 - 3 StR 664/93, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 16). Die Annahme von Mittäterschaft erfordert allerdings nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen; es kann sogar ein Beitrag im Vorbereitungsstadium des unmittelbar tatbestandlichen Handelns (BGH, Beschluss vom 19. August 2014 - 3 StR 326/14, juris Rn. 7) und ein solcher im Stadium zwischen Vollendung und Beendigung der Tat (BGH, Beschluss vom 14. Juni 1989 - 3 StR 156/89, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 5) genügen.
140
Nach diesen Maßstäben begegnet die Annahme mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Allein seine Kenntnis von der Tatbegehung durch D. und K. kann eine Mittäterschaft nicht begründen. Die festgestellten Tatbeiträge bestanden ausschließlich in Unterstützungshandlungen, welche L. oder K. ohne weiteres selbst hätten vornehmen können. Schließlich ist in den Blick zu nehmen , dass N. ersichtlich kein eigenes Interesse am Taterfolg verfolgte; denn er stellte sich von Beginn an gegen die Forderung von Me. und tat dies sowohl seinem Vorgesetzen L. als auch dem in der Unternehmenshierarchie an der Spitze stehenden K. unter Darstellung seiner Bedenken kund. Selbst wenn N. eine Vermögensbetreuungspflicht oblegen haben sollte, führt dies weder allein (vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 2008 - 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428; Urteil vom 17. September 2009 - 5 StR 521/08, NJW 2010, 92, 97; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, 10. Aufl., § 45 Rn. 21; MüKoStGB/Joecks, 2. Aufl., § 25 Rn. 186; SK-StGB/Hoyer, 32. EL, § 25 Rn. 21 ff.; aA Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 355 ff.; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 25 Rn. 39 ff., 43 f.; S/S-Heine/Weißer, StGB, 29. Aufl., Vor § 25 Rn. 82; SSW-StGB/Saliger, 2. Aufl., § 266 Rn. 107) noch in der Zusammenschau mit den weiteren seine Beteiligung kennzeichnenden Umstände zu einem anderen Ergebnis. Dies gilt auch dann, wenn man dem Tatrichter bei der vorzunehmenden Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe einen Beurtei- lungsspielraum zubilligen wollte, der nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung zugänglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254). Dieser wäre hier jedenfalls überschritten.
141
c) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass trotz des Charakters der Untreue als Sonderdelikt nicht offenbleiben können wird, ob einer täterschaftlichen Verurteilung von N. bereits die allgemeinen Voraussetzungen der (Mit-)Täterschaft oder auch seine im konkreten Fall möglicherweise fehlende qualifizierte Stellung zum Vermögen der Nürburgring GmbH entgegenstehen. Die nach § 266 Abs. 1 StGB erforderliche Vermögensbetreuungspflicht ist ein strafbegründendes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB (BGH, Beschlüsse vom 12. Juli 1994 - 1 StR 300/94, StV 1995, 73; vom 8. Januar 1975 - 2 StR 567/74, BGHSt 26, 53); ihr Fehlen begründet einen zwingenden Strafmilderungsgrund. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine weitere Milderung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben derjenigen nach § 27 Abs. 2 StGB aber dann nicht geboten , wenn die Verurteilung wegen Beihilfe allein darauf beruht, dass das strafbarkeitsbegründende persönliche Merkmal bei dem Tatbeteiligten nicht vorliegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2015 - 4 StR 476/14, wistra 2015, 146; vom 6. März 2013 - 5 StR 66/13; vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12, NJW 2013, 949, 950; vom 8. Januar 1975 - 2 StR 567/74, BGHSt 26, 53).
142
2. Auch im Fall IV.8 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen den Schuldspruch wegen Untreue nicht, weil sie weder eine Vermögensbetreuungspflichtverletzung von N. noch einen hierdurch eingetretenen Vermögensnachteil belegen. Hinsichtlich des von der Strafkammer nicht ausreichend dargelegten Vermögensnachteils gelten die insoweit zur Revision von D. dargelegten Gründe entsprechend. Zur Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht gilt Folgendes:
143
Wie bereits ausgeführt, liegt eine untreuerelevante Pflichtverletzung nur vor, wenn dem Täter eine zum Schutz des Vermögens des Geschädigten hervorgehobene Stellung zukommt und die von ihm konkret verletzte Pflicht auf den Pflichtenkreis zurückgeht, der diese Stellung begründet. Letzteres lässt sich anhand der Urteilsgründe nicht nachvollziehen. Diese teilen nicht mit, aufgrund welcher Umstände N. überhaupt an der Zahlungsvereinbarung beteiligt war. Ihnen ist auch nicht zu entnehmen, aus welchem Grunde N. mit der Vertretungsmacht ausgestattet war, die Nürburgring GmbH durch die Zahlungsvereinbarung zu verpflichten. Dies könnte aufgrund der ihm erteilten Handlungsvollmacht der Fall gewesen sein, ebenso könnte er durch eine einzelfallbezogene Entscheidung seiner Vorgesetzten hinzugezogen und ihm (ggf. konkludent ) Einzelvollmacht erteilt worden sein. Hinsichtlich der bestehenden Handlungsvollmacht bleibt jedoch in den Urteilsgründen offen, ob der Abschluss der Zahlungsvereinbarung von dieser überhaupt umfasst sein konnte. Der Begriff der Handlungsvollmacht ist inhaltlich offen und enthält keinen aus sich heraus bestimmbaren Umfang der Vollmacht. Dieser wird alleine vom Vollmachtgeber festgelegt. Auch § 54 HGB kodifiziert lediglich eine speziell geregelte Rechtsscheinhaftung (Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 54 Rn. 9; Ebenroth /Boujong/Joost/Strohn/Weber, HGB, 3. Aufl., § 54 Rn. 1), deren Umfang indes vom Inhalt der erteilten Vollmacht abhängt (Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 54 Rn. 10), und unterscheidet drei typisierte, in ihrem Umfang wesentlich differierende Varianten der Handlungsvollmacht (Ebenroth /Boujong/Joost/Strohn/Weber, HGB, 3. Aufl., § 54 Rn. 10 ff.). Nähere Feststellungen hierzu hat das Landgericht nicht getroffen. Sie lassen sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen und ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass N. mit seiner Unterschrift unter die Zahlungsvereinbarung "als Financial Controller und Handlungsbevollmächtigter der Nürburgring GmbH" der Vereinbarung zustimmte. Sollte N. hingegen aufgrund einer (konkludent) erteilten Einzelvollmacht tätig geworden sein, belegt auch dies angesichts des Zusammenwirkens mit L. als seinem Vorgesetzten noch nicht ohne weiteres den im Rahmen von § 266 Abs. 1 StGB erforderlichen eigenverantwortlichen Entscheidungsspielraum.
144
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen IV.7 und 8 der Urteilsgründe bedingt den Wegfall der verhängten Einzelstrafen und des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Der Aufhebung der Feststellungen bedarf es im Fall IV.8 der Urteilsgründe über den sich aus den Revisionen von D. und K. ergebenden Umfang hinaus auch im Hinblick auf die Umstände, welche die Vermögensbetreuungspflicht von N. begründen.
145
4. Im Übrigen hat die auf die Sachrüge gebotene sachlichrechtliche Überprüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil von N. ergeben. Über die in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgezeigten Gründe hinaus bedarf es lediglich im Fall IV.3 der Urteilsgründe des im Rahmen der Revision von K. näher ausgeführten Hinweises, dass die Begleichung der Rechnung der I. GmbH vom 22. September 2008 und damit auch deren sachliche und inhaltliche Bestätigung bereits außerhalb des einem Geschäftsführer einzuräumenden unternehmerischen Entscheidungsspielraums lag. Auf die Frage, ob N. bewusst war, dass der Aufsichtsrat bei der Entscheidung übergangen worden war, kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht an.
Becker RiBGH Pfister ist in den Schäfer Ruhestand getreten und daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1)1Bei einem im Inland belegenen Gebäude in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder städtebaulichen Entwicklungsbereich kann der Steuerpflichtige abweichend von § 7 Absatz 4 und 5 im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis zu 9 Prozent und in den folgenden vier Jahren jeweils bis zu 7 Prozent der Herstellungskosten für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen im Sinne des § 177 des Baugesetzbuchs absetzen.2Satz 1 ist entsprechend anzuwenden auf Herstellungskosten für Maßnahmen, die der Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung eines Gebäudes im Sinne des Satzes 1 dienen, das wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen oder städtebaulichen Bedeutung erhalten bleiben soll, und zu deren Durchführung sich der Eigentümer neben bestimmten Modernisierungsmaßnahmen gegenüber der Gemeinde verpflichtet hat.3Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der Maßnahme und in den folgenden elf Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Maßnahmen im Sinne der Sätze 1 und 2 entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind.4Die erhöhten Absetzungen können nur in Anspruch genommen werden, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten durch Zuschüsse aus Sanierungs- oder Entwicklungsförderungsmitteln nicht gedeckt sind.5Nach Ablauf des Begünstigungszeitraums ist ein Restwert den Herstellungs- oder Anschaffungskosten des Gebäudes oder dem an deren Stelle tretenden Wert hinzuzurechnen; die weiteren Absetzungen für Abnutzung sind einheitlich für das gesamte Gebäude nach dem sich hiernach ergebenden Betrag und dem für das Gebäude maßgebenden Prozentsatz zu bemessen.

(1a)1Absatz 1 ist nicht anzuwenden, sofern Maßnahmen zur Herstellung eines neuen Gebäudes führen.2Die Prüfung, ob Maßnahmen zur Herstellung eines neuen Gebäudes führen, obliegt der Finanzbehörde.

(2)1Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen nur in Anspruch nehmen, wenn er durch eine nicht offensichtlich rechtswidrige Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde die Voraussetzungen des Absatzes 1 für das Gebäude und die Maßnahmen nachweist; die Bescheinigung hat die Höhe der Aufwendungen für die Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 und 2 zu enthalten.2Sind ihm Zuschüsse aus Sanierungs- oder Entwicklungsförderungsmitteln gewährt worden, so hat die Bescheinigung auch deren Höhe zu enthalten; werden ihm solche Zuschüsse nach Ausstellung der Bescheinigung gewährt, so ist diese entsprechend zu ändern.

(3) Die Absätze 1 bis 2 sind auf Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie auf Eigentumswohnungen und auf im Teileigentum stehende Räume entsprechend anzuwenden.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.