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Das Feststellungsbegehren hat Erfolg.
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I.
Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Durch den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (VE) ist zwischen dem Kläger und dem beklagten Land eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und streitiges (vergangenes) Rechtsverhältnis darstellt. Daraus und aus § 42 Abs. 2 VwGO (in entspr. Anwendung) folgt zugleich, dass der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehren kann, soweit er durch diesen Einsatz betroffen gewesen ist. Auf Grund der Innerdienstlichkeit der Einsatzanordnung fehlte es dieser an einem Verwaltungsaktcharakter i.S.d. § 35 LVwVfG, sodass eine (wegen vorprozessualer Erledigung sogenannt: "nachgezogene") Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspr.) ausscheidet.
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Das berechtigte (Feststellungs-)Interesse ergibt sich vorliegend aus der Art des Eingriffs in einen grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Der Kläger war nicht als beliebiger Dritter (zufällig, reflexhaft, unvermeidbar) betroffen, sondern unmittelbar und final - als sog. "Kontaktperson" in die Datenerhebung durch VE einbezogen. Es wäre mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, ihm für dieses Opfer gerichtlichen Rechtsschutz und damit die Chance zu versagen, über eine gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung bzw. Rehabilitation und einen - wenngleich unvollkommenen - Ausgleich für die (von ihm geltend gemachte) rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erlangen. Auf eine auch aktuell noch vorhandene diskriminierende Wirkung oder konkrete Wiederholungsgefahr kommt es folglich nicht an. Nachdem das LKA über Jahre hinweg die Rechtmäßigkeit seiner Maßnahme behauptet hat, genügte eine erst in der mündlichen Verhandlung nach Antragstellung und im Anschluss an die ausführliche rechtliche Erörterung durch den Vorsitzenden signalisierte Kompromissbereitschaft ebenfalls nicht, um ein Feststellungs-/Rechtsschutzinteresse des Klägers nunmehr zu verneinen. Ungeachtet dessen hat der Kläger-Vertreter - unter Hinweis auf die erforderlichen mehreren Prozesse - in eine solche Vorgehensweise auch nicht eingewilligt, so dass sich dieses Ergebnis auch aus einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigt.
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Weil die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage allein sachgerecht und dem jeweiligen Rechtsschutzinteresse Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden kann, muss sich der Kläger schließlich auch nicht i.S.d. § 43 Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verweisen lassen (vgl. zum Vorstehenden ausführlich auch die Revisionsentscheidung im "Tübinger Fall": BVerwG Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl 1997, 761; zum Rehabilitationsinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, die ihrer Natur nach häufig vor möglicher gerichtlicher Überprüfung schon wieder beendet sind, vgl. ferner: BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - DVBl. 2004, 822 [Versammlungsverbot]; Beschl. v. 30.4.1997 2 BvR 817/90 - NJW 1997, 2163 [strafrichterliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.5.2002 - 1 S 10/02 - VBlBW 2002, 426 [vollstreckungsrechtliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; OVG Hamburg, Urt. v. 23.8.2002 - 1 Bf 301/00 - NVwZ-RR 2003, 276 [Identitätsfeststellung eines Straßenpassanten], in diesem Sinne schließlich auch für ein Rehabilitationsinteresse allein wegen des Grundrechtseingriffs: Bader, Aktuelles Verwaltungsprozessrecht, JuS 2005, 126/127).
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II.
Die Klage ist auch begründet. Der Einsatz des VE war gegenüber dem Kläger rechtswidrig. Das gilt ungeachtet dessen bzw. unabhängig davon, dass die umstrittene verdeckte Datenerhebung von Januar 1991 bis Juli 1992 andauerte und somit sowohl unter Geltung des alten Polizeigesetzes (PolG i.d.F. vom 16.1.1968, GBl. S. 61 - PolG a.F.) als auch unter Geltung des neuen Polizeigesetzes (PolG id.F. des Gesetzes vom 22.10.1991, GBl. S. 625 - PolG n.F.) stattfand. Seit 1.12.1991 musste sich der Freiburger Einsatz an den bereichsspezifischen Regelungen der §§ 19 ff. PolG n.F. messen lassen. Aus der detaillierten Übergangsregelung in § 85 PolG n.F. geht, weil sie nur bestimmte Sachverhalte in Absätzen 1 bis 5 regelt, nichts Gegenteiliges hervor. Gerade die Zielsetzung des Polizeigesetzes (vgl. unter Hinweis auf die LT-Drs. 10/5230, wonach die Novellierung des Polizeigesetzes ausdrücklich auf das Volkszählungsurteil des BVerfG rekurriert: Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., Rnrn. 536 ff.) spricht für diesen Maßstab (vgl. in diesem Sinne auch für das neue BKAG: BVerwG, Urt. v. 9.9.1998 - 1 C 14/95 - DVBl 1999, 332; ferner für das Speichern und die Aufbewahrung personenbezogener Daten mit dem Inkrafttreten des saarl. PolG am 1.1.1990: OVG Saarlouis, Urt. v. 18.12.1996 - 9 R 26/95 - Juris Web). Die Kammer lässt offen, ob diese Rechtswidrigkeit daraus folgte, dass die mit §§ 22 Abs. 3, zweite Alternative, Abs. 5, 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG n. F. geschaffene Rechtsgrundlage für den Einsatz von VE verfassungswidrig sein könnte (vgl. zu der überaus inhaltsähnlichen, die Telekommunikationsüberwachung betreffenden Vorschrift des § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Nds.SOG das im Zeitpunkt des Absetzens dieser Entscheidung verkündete Urteil des BVerfG vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 - bislang wohl nur veröffentlicht in der Internet-Entscheidungssammlung des BVerfG [www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/]). Auf das Ergebnis einer inzidenten Prüfung - es hätte bei Annahme eines Verfassungsverstoßes zunächst die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG erfordert - kommt es nämlich nicht an. Denn der Einsatz eines VE war jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil ihm keine erforderliche bzw. ausreichende Einsatzanordnung zugrunde lag. Das galt für den gesamten Einsatzzeitraum von Januar 1991 bis Juli 1992 und somit unabhängig davon, welches Polizeirecht zur Anwendung kam.
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Personen wie der Kläger, die sich der Anwendung besonderer polizeilicher Mittel der verdeckten Datenerhebung (§ 22 PolG n. F.) ausgesetzt sehen, sind regelmäßig von einem intensiven Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen. Bei ihnen werden verdeckt - d.h. ohne Erkennbarkeit, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelt (§ 19 Abs. 2 PolG n. F.) - Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse - sog. personenbezogene Daten - erhoben (zur Definition vgl. § 48 PolG n.F. i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDSG). Eine erhebliche Verstärkung erfahren solche Grundrechtseingriffe dadurch, dass die verdeckte Datenerhebung die Betroffenen (typischerweise bzw. gezielt) in einer Situation vermeintlicher Vertraulichkeit und - vor allem bei Kontakt- und Begleitpersonen oder sonstigen, unvermeidbar betroffenen Dritten - Ahnungslosigkeit "ereilt", und ihre Möglichkeiten, rechtzeitig zwecks vorheriger Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterrichtet zu werden, von vornherein nach der gesetzlichen Konzeption bzw. dem Zweck solcher polizeilicher Maßnahmen (vgl. § 22 Abs. 8 PolG n. F.) beschränkt sind. Neben den spezifischen materiellrechtlichen Erfordernissen bedarf es in diesen Fällen regelmäßig auch vom Gesetzgeber zu bestimmenden, besonderer verfahrensmäßiger Vorkehrungen, um das Handeln der Verwaltung dort zu regeln, wo der Betroffene keine Möglichkeit hat, in einem vorgeschalteten Verfahren Einfluss hierauf zu nehmen (zum Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 12.4.2005 - 2 BvR 581/01 - DVBl. 2005, 699 - strafprozessuale Ermittlungen durch Einsatz von "Global Positioning System" [GPS]; ferner bereits BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - NJW 1980, 759 [Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich] - staatliche Schutzpflicht und Mitverantwortung in verfahrensrechtlicher Hinsicht). Vorliegend kam deshalb der Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA erhebliche Bedeutung zu. § 22 Abs. 6 PolG n. F. sieht deshalb eine solche besondere Anordnung zwecks verfahrensmäßiger polizeiinterne Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Einsatzes vor (vgl. auch VG Stuttgart, Urt. vom 30.9.1993, a. a. O., unter Hinweis auf die amtliche Begründung der Landesregierung zum Gesetzentwurf, LT-Drs. 10/5230, S. 41).
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Die den Einsatz von VE in Freiburg (auch) gegenüber dem Kläger betreffende Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA bzw. des zuständigen Leiters der Inspektion Linksextremismus/-terrorismus lag zwar an sich vor (zum Behördenleitervorbehalt bzw. dessen Delegationsmöglichkeit vgl. § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG n.F.). Sie wurde zum 1.12.1991 - dem Inkrafttreten des PolG n. F. - schriftlich formuliert bzw. begründet. Dieses Formerfordernis ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 22 Abs. 6 PolG n. F., jedenfalls aber aus einer entsprechenden Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 PolG n. F. (sog. Ausschreibung) bzw. aus Teil II, Ziff. 1 zu § 22 Abs. 6 der VwV PolG (v. 18.7.1997, GABl. S. 406; zu Schriftlichkeit und Begründung im Rahmen des § 22 Abs. 6 PolG vgl. auch Belz/Mussmann, PolG für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 22 Rdnr. 70, sowie Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rdnr. 439). Die Geltung des § 22 Abs. 6 PolG n. F. auf den unter altem Polizeirecht begonnenen Einsatz folgte aus der Übergangsvorschrift des § 85 Abs. 1 PolG n. F., weil die Datenerhebung am 29.2.1992 noch nicht beendet war. Trotz ihrer textlichen Ausführlichkeit war die Einsatzanordnung gleichwohl rechtswidrig, weil es ihr an Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit (u.a.) hinsichtlich der Person des Klägers fehlte und sie somit ihren letztlich auf verfassungsrechtliche Anforderungen zurückgehenden Zweck nicht erfüllen konnte (in diesem Sinne auch für die inhaltsgleiche Einsatzanordnung im Tübinger Fall: VG Stuttgart, a. a. O.).
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Die maßgebliche Einsatzanordnung lautete wie folgt:
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"Ziel ist es, durch die Erhebung von Informationen bei zur PB-07 ausgeschriebenen Personen, deren Umfeld sowie Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen, vorbeugend Straftaten mit erheblicher Bedeutung zu bekämpfen.
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Insbesondere sollen durch den verdeckten Einsatz
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- das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld in Bereich Freiburg aufgehellt
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- Informationen über bevorstehende/beabsichtigte Straftaten sowie Anhaltspunkte für die Unterstützung/Bildung terroristischer Vereinigungen gewonnen werden.
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Mit Hilfe dieser Informationen soll es insbesondere ermöglicht werden
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- bevorstehende Staatsschutzdelikte durch geeignete polizeiliche Präventionsmaßnahmen zu vereiteln (Lagebewältigung bei gewalttätigen Demonstrationen, Hausbesetzungen, Auseinandersetzungen links/rechts)
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- gegen sich bildende terroristische Vereinigungen rechtzeitig einzuschreiten bzw. deren Unterstützung zu verhindern (Gewährleistung einer frühzeitigen Strafverfolgung, u. a. Veranlassung von PB 07 Ausschreibungen).
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Ohne den Einsatz des verdeckten Ermittlers können diese Informationen nicht gewonnen werden, sodass die polizeiliche Aufgabenerfüllung gefährdet bzw. erheblich erschwert würde."
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Dieser "Auftrag an die ausführenden Polizeibeamten" ist zwar anlassbezogen begründet - Hintergrund sind die vom Beklagtenvertreter beschriebenen bzw. Gegenstand von Landtagsanfragen/Korrespondenzen bildenden RAF-spezifischen Ereignisse im Raum Freiburg in den Jahren 1989 bis 1992 (vgl. LT-Drs. 11/245 und LT-Drs. 11/262 sowie Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom am 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg, Gerichtsakte Band II, Seite 363 bis 386). Mit Ausnahme von zur Personenbeobachtung im Bereich terroristischer Vereinigungen (sog. "PB 07") ausgeschriebenen (vgl. § 25 PolG n. F.) und mithin namentlich feststellbaren Personen, enthält die Einsatzanordnung jedoch keine nachvollziehbaren bzw. ausweislich ihrer "Verbalisierung" Rechenschaft über eine vorherige ausführliche polizeiinterne Kontrolle ablegenden Details dazu, welche
sonstigen Personen
konkret von der verdeckten Datenerhebung betroffen sein sollten. Eine solche Konkretisierung war auch nicht etwa entbehrlich. Ausdrücklich nämlich sollten auch "Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen" erfasst sein, mithin solche i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG n. F.. Eine Bestimmung oder zumindest Bestimmbarkeit im Blick auf den Kläger lässt diese Einsatzanordnung in keiner Weise zu. Geht man nach dem Vortrag des LKA bzw. dessen förmlichen Unterrichtungsschreibens vom 17.2.2003 davon aus, dass der Kläger (nur) als Kontaktperson von der verdeckten Datenerhebung betroffen war, so fehlte in der Einsatzanordnung sogar bereits eine allgemeine Nennung dieses in § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG n. F. umschriebenen (und in der VwV PolG 1997 in Ziffer 3 zu § 20 Abs. 3 PolG näher interpretierten) Personenbegriffs. Selbst wenn man auch die Anordnung zur Datenerhebung bei Kontakt- und Begleitpersonen in die Einsatzanordnung "hineinlesen" wollte - etwa wegen der Verwendung des im ersten Spiegelpunkt stehenden Begriffs "das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld im Bereich Freiburg" genügte das jedoch für eine inhaltliche Präzisierung in keiner Weise, um zumindest den Kläger als detailliert feststellbar erscheinen zu lassen.
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Die Kammer hegt keinen Zweifel am Vortrag des Beklagten-Vertreters, dass im Zeitpunkt der Erstellung der (mündlichen sowie schriftlichen) Einsatzanordnung dem Polizeivollzugsdienst durchaus näher bestimmte Personen im Raum Freiburg - darunter eben wohl auch der Kläger - als Adressaten einer verdeckten Datenerhebung "vor Augen" gewesen sein mögen. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass erfahrene Kriminalbeamte (in der Regel des gehobenen Dienstes), die zugleich auch als sog. "VE-Führer" fungierten, entsprechende Informationen an die Leitung des LKA weitergegeben haben mögen, so genügte das Einfließen solcher Informationen in der wie geschehen überaus allgemeinen und letztlich nur den Gesetzeswortlaut mit anderen Worten umschreibenden Einsatzanordnung nicht. Das gilt vor dem Hintergrund des bereits oben skizzierten besonders intensiven Grundrechtseingriffs auch deshalb, weil auf diese Art und Weise die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs rein polizeiintern, weil letztlich auch völlig undokumentiert blieb. Diese Betrachtungsweise verstärkt sich schließlich noch dadurch, dass - wohl durchaus in (noch) zulässiger Weise (so jedenfalls Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. § 22 Rnr. 27) - die Einsatzanordnung i.S.d. § 22 Abs. 6 PolG n. F. (nur) dem Behördenleiter und nicht einem richterlichen Vorbehalt unterstellt wurde.
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Dieses Ergebnis führt auch nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung. Die Reaktion des beklagten Landes auf den "Tübinger Fall" belegt die Möglichkeit einer personenspezifisch-konkretisierten Einsatzanordnung anschaulich: Das Land Baden-Württemberg hat Ende 1994/Anfang 1995 im Zuge des Tübinger Falles in einer neuen Dienstanweisung den gesamten Einsatzbereich vollkommen neu geregelt (vgl. die Mitteilung in einer 1995er-Ausgabe des Staatsanzeigers Baden-Württemberg: "Neue Dienstanweisung für verdeckte Ermittler", Gerichtsakten Band II, Seite 431). Die Personen, gegen die sich der Einsatz von VE richtet, müssen seither namentlich bezeichnet werden. Ist dies bei Einsatzbeginn nicht möglich, müssen Sie anhand konkreter Merkmale beschrieben oder zumindest muss der Kreis der Personen, gegen den sich der Einsatz richtet, möglichst genau umschrieben werden. Lassen sich im Verlauf des Einsatzes Einzelpersonen durch namentliche Bezeichnung oder anhand konkreter Merkmale bestimmen, ist die Einsatzanordnung unverzüglich fortzuschreiben. Ferner ist laufend die weitere Zulässigkeit und Effizienz des Einsatzes zu prüfen. Über Personen, bei denen nach Entscheidung des VE-Führers feststeht, dass sie für die Erfüllung des Einsatzauftrages oder für die Legende des VE bedeutungslos sind, dürfen vom VE keine weiteren Daten mehr erhoben werden.
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Die Rechtswidrigkeit der Einsatzanordnung und die daraus folgende Rechtswidrigkeit des Einsatzes eines VE gegenüber dem Kläger ist schließlich auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Kläger - die Verfassungsgemäßheit der §§ 22 Abs. 3, 20 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 PolG n. F. unterstellt - materiell eine Ziel-, Kontakt- oder Begleitperson gewesen wäre. Ungeachtet dessen, dass die Beteiligten dem Gericht hierzu nichts Überprüfbares unterbreitet haben, ist ein Verstoß gegen die inhaltlichen Anforderungen an die Einsatzanordnung nämlich nicht unbeachtlich. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Grundrechtsverletzung nicht vorliegt, wenn zwar die handelnde Behörde gegen Verfahrensvorschriften verstößt, der Eingriff aber materiell-rechtlich gerechtfertigt war, gibt es nicht; entsprechend hat der Kläger ungeachtet dessen, dass er nie persönlich in einer mündlichen Verhandlung seiner zahlreichen Verfahren erschienen ist und nichts Näheres zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen hat, auch keinen Anspruch auf die " Feststellung eines anderen Rechtswidrigkeitsgrundes". Der Gegenstand einer Grundrechtsprüfung darf nicht dadurch verändert werden, dass ein im übrigen rechtmäßiges Verhalten unterstellt wird. Denn damit würde statt des tatsächlichen ein fiktiver Geschehensablauf an dem Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung gemessen (BVerwG, Urt. v. 9.3.2005 - 6 C 3.04 - nachgewiesen in Internetdatenbank des BVerwG). Auch eine entsprechende Anwendung des § 46 LVwVfG scheidet schließlich schon deshalb aus, weil der Bestimmtheitsmangel der Einsatzanordnung letztlich kein bloß formaler Fehler ist, jedenfalls aber weil nicht von einem offenkundig fehlenden Einfluss auf die verdeckte Datenerhebung ausgegangen werden kann.
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Die vorstehenden Ausführungen gelten schließlich auch, was die Zeit des Einsatzes von Januar 1991 bis zum Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes (1.12.1991) angeht (so auch VG Stuttgart, a.a.O.). Wie das beklagte Land vorgetragen hat, erfolgte die Anordnung des VE-Einsatzes im Raum Freiburg Ende 1990 zunächst in mündlicher Form durch den Präsidenten des LKA und wurde in regelmäßigen Abständen von drei Wochen durch schriftliche Dienstreiseanordnungen für die VE bestätigt. Einen anderen Inhalt, als die ab dem 1.12.1991 schriftlich fixierte Einsatzanordnung, hatte ihre "mündliche Vorgängerin" jedoch nicht. Zwar waren vor dem 1.12.1991 bereichsspezifische Regelungen vergleichbar denen in §§ 19 ff. PolG n. F. (noch) nicht vorhanden. Allerdings dürfte es insoweit nicht schon an einer Rechtsgrundlage gefehlt haben, weil bis zu diesem Zeitpunkt wohl die polizeiliche Aufgabennorm tragfähige Grundlage gewesen ist (vgl. entsprechend für die polizeiliche Datenverarbeitung in Berlin: BVerwG, Urt. v. 20.2.1990 - 1 C 29/86 - NJW 1990, 2765). Gleichwohl war wegen der oben dargelegten spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die zu keiner Zeit andere gewesen sind, auch die mündliche Einsatzanordnung und daraus folgend der auf ihre beruhende VE-Einsatz rechtswidrig.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; das Gericht hat entsprechend § 167 Abs. 2 VwGO von einem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abgesehen. Weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, hat die Kammer die Berufung zugelassen;
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